Nietzsche und der deutsche Geist. Band 1 Ausbreitung und Wirkung des Nietzscheschen Werkes im deutschen Sprachraum bis zum Todesjahr: Ein Schrifttumsverzeichnis der Jahre 1867–1900 9783110804317, 3110160749, 9783110160741

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Nietzsche und der deutsche Geist. Band 1 Ausbreitung und Wirkung des Nietzscheschen Werkes im deutschen Sprachraum bis zum Todesjahr: Ein Schrifttumsverzeichnis der Jahre 1867–1900
 9783110804317, 3110160749, 9783110160741

Table of contents :
Vorwort
Abkürzungen (der Zeitungen, Zeitschriften u. ä.)
Versteigerungs- und Lagerverzeichnisse
Fundstellen (von Werk-, Briefausgaben u. ä.)
Nocheinzusehendes
Nietzsche und der deutsche Geist
Namenverzeichnis: ... und Nietzsche
Namenverzeichnis: Nietzsche und ...

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Nietzsche und der deutsche Geist Band I

w DE

G

Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung Begründet von

Mazzino Montinari · Wolfgang Müller-Lauter Heinz Wenzel Herausgegeben von

Günter Abel (Berlin) · Wolfgang Müller-Lauter (Berlin) Jörg Salaquarda (Wien) · Josef Simon (Bonn)

Band 3

1998 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Nietzsche und der deutsche Geist Band I: Ausbreitung und Wirkung des Nietzscheschen Werkes im deutschen Sprachraum bis zum Todesjahr Ein Schrifttumsverzeichnis der Jahre 1867-1900 Zweite, verbesserte und ergänzte Auflage von

Richard Frank Krümmel unter Mitwirkung von

Evelyn S. Krümmel

1998 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Anschriften der

Herausgeber:

Prof. Dr. Günter Abel Institut für Philosophie TU Berlin, Sekr. TEL 12/1 Ernst-Reuter-Platz 7, D-10587 Berlin Prof. Dr. Wolfgang Müller-Lauter Klopstockstraße 27, D-14163 Berlin Prof. Dr. Jörg Salaquarda Institut für Systematische Theologie der Universität Wien Rooseveltplatz 10, A-1090 Wien Prof. Dr. Josef Simon Philosophisches Seminar A der Universität Bonn Am Hof 1, D-53113 Bonn Redaktion Johannes Neininger, Rigaer Straße 98, D-10247 Berlin

Die Deutsche Bibliothek —

CIP-Einheitsaufnahme

Krümmel, Richard Frank: Nietzsche und der deutsche Geist / von Richard Frank Krümmel. Unter Mitw. von Evelyn S. Krümmel. - Berlin ; New York : de Gruyter (Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung ; ...) Bd. 1. Krümmel, Richard Frank: Ausbreitung und Wirkung des Nietzscheschen Werkes im deutschen Sprachraum bis zum Todesjahr. - 2., verb, und erg. Aufl. - 1998 Krümmel, Richard Frank: Ausbreitung und Wirkung des Nietzscheschen Werkes im deutschen Sprachraum bis zum Todesjahr : ein Schrifttumsverzeichnis der Jahre 1867-1900 / von Richard Frank Krümmel. Unter Mitw. von Evelyn S. Krümmel. — 2., verb, und erg. Aufl. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1998 (Nietzsche und der deutsche Geist / Richard Frank Krümmel ; Bd. 1) (Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung ; Bd. 3) ISBN 3-11-016074-9

© Copyright 1998 by Walter de Gruyter GmbH & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

„Für alle Zukunft giebt es nun ein neues Kriterium des denkenden Menschen - : Was ist ihm Nietzsche?" Christian Morgenstern (s. N r . 522)

Vorwort Die vorliegende Neuauflage des ersten Bandes der nun mehrbändig angelegten Arbeit versucht noch immer, sämtliche Nietzsche betreffenden, für den deutschsprachigen Kulturraum wichtigen und die Verbreitungsgeschichte des Nietzscheschen Werkes belegenden Veröffentlichungen und Äußerungen zu erfassen. Die angeführten Werke haben entweder im Original oder in einer Ablichtung vorgelegen. Die Anzahl der ermittelten Arbeiten übersteigt die der bisher erfaßten noch mal um ein Beträchtliches, dürfte aber jetzt fast vollständig sein. Von den vielen, denen mein Dank gilt, möchte ich nur zwei namhaft machen, und wie zur Erstauflage vor 23 Jahren sind es beide Antiquare: Jürgen Dinter in Köln und Carlos Kühn (Carl Wegner Antiquariat) in Berlin. Ein Weiterer, der diese Arbeit über das bisher vorliegende weitgehendst gefördert hat, mag noch erwähnt werden, nämlich Günter Burgmann, Weimar, der Verfasser auf noch bestehende, damals aber verschollen geglaubte und inzwischen im Goethe-Schiller-Archiv bestens untergebrachte Bestände des ehemaligen Nietzsche-Archivs aufmerksam machte. Das, was Karl Schlechta Ende 1956 über den Verbleib der Bestände des Nietzsche-Archivs, nämlich über deren Einverleibung in das Goethe-Schiller-Archiv, (Friedrich Nietzsche. Werke in drei Bänden. Bd. 1. C. Hanser. Mchn., S. 1431 f.) berichtete, traf eigentlich nur für den handschriftlichen Nachlaß zu, denn die Handbibliothek und sonstiges Schrifttum steht heute noch in der Schloßbibliothek, und die über 70 große Kästen füllenden Zeitungs- und Zeitschriftenbestände sind erst 1987 durch die Bemühungen der Frau Dr. Roswitha Wollkopf in das Goethe-Schiller-Archiv gekommen und seitdem der Öffentlichkeit eigentlich wieder zugänglich.* * In einer „Ergänzung zur ersten Auflage" vermerkte Schlechta 1960 in der zweiten, durchgesehenen Auflage: „[...] der handschriftliche Nachlaß N s ist - wie schon oben vermerkt - im Goethe-Schiller-Archiv zu Weimar aufbewahrt. Er ist wieder geordnet und nach unserer Erfahrung der wissenschaftlichen Benutzung zugänglich. N s nachgelassene Bibliothek hingegen befindet sich in der Zentralbibliothek der deutschen Klassik, Weimar" (Bd. III, S. 1432). Herbert W. Reichert, Schlechtas späterer Mitarbeiter an der „Internationalen Bibliographie" (s. u.) hatte im März 1959 in seinem Aufsatz „The Present Status of Nietzsche: Nietzsche

VI

Vorwort

Von den europäischen Bibliotheken und Archiven, die das Zustandekommen der Arbeit wesentlich gefördert haben, wären mittlerweile weit über hundert zu nennen, wenn der Raum es gestattete.

Literature in the Post-War Era" (MfdU Bd. 51, S. 105) geschrieben: „The Nietzsche Archive in Weimar was plundered by the Russians after the war, but in 1946 most of the material, crated and completely disorganized, was returned. In 1950 the Archive was placed under the jurisdiction of the Goethe-Schiller Archive. Although no effort was made to straighten out the manuscripts, scholars were informed that they were welcome, and preparations were made to resume work on the .Historisch-Kritische Gesamtausgabe'. For a time things looked bright. Then, however, as it became increasingly difficult to cross from west to east, hopes waned. Now there is envisaged in the foreseeable future only the completion of the volumes dealing with Nietzsche's letters." [= „Das Nietzsche-Archiv in Weimar wurde nach dem Krieg von den Russen geplündert, 1946 aber wurde das meiste, verpackt und in völliger Unordnung, zurückgebracht. 1950 wurde das Archiv dem Goethe-Schiller-Archiv unterstellt. Obwohl nichts unternommen wurde, die Handschriften zu ordnen, teilte man Gelehrten mit, daß sie willkommen seien, und Vorbereitungen wurden getroffen, die Arbeit an der historisch-kritischen Gesamtausgabe wiederaufzunehmen. Eine Zeitlang schien es der Sache günstig. Dann aber, als es zunehmend schwerer wurde vom Westen in den Osten zu gelangen, schwand die Hoffnung. Jetzt denkt man für die nächste Zukunft nur an die Vollendung der Bände, die sich mit Nietzsches Briefen befassen."] Zu Schlechtas Darstellung der Archivzustände der Nachkriegszeit nahm E. F. Podach recht heftig Stellung in seinem Friedrich Nietzsches Werke des Zusammenbruchs (Wolfg. Rothe Vlg. Heidelberg (1961), S. 393-398), wobei es ihm allerdings vor allem um Erhaltungszustand und Zugänglichkeit des handschriftlichen Nachlasses ging. Er erwähnt aber, trotzdem er „seit den Anfängen der dreißiger Jahre über die Zustände im frühen Nietzsche-Archiv weit über das hinaus unterrichtet, was in der Literatur vorliegt", gewesen sei, mit keinem Wort die hier betreffenden Zeitungs- und Zeitschriftenbestände, die noch im Sommer 1985 ziemlich stark verstaubt, also offensichtlich, wenn zugänglich, dann ohne Zugänger, in einer Kammer der Schloßbibliothek lagerten. Verfasser hat im Sommer 1978 die Handbibliothek und das daran sich anschließende Nietzsche-Schrifttum durch die große Nachsicht und weitgehendst entgegenkommende Aufnahme des dortigen Personals gründlich durchsehen können, vollkommen ahnungslos, daß in einiger Meter Entfernung andere für die Wirkungsgeschichte gleichwichtige Bestände schlummerten. In den Sommern 1985 und 1986, inzwischen auf deren Vorhandensein und Verbleib durch den obenerwähnten ehemaligen Bibliotheksmitarbeiter Günter Burgmann aufmerksam gemacht, wurde eine erste schon auswertende Durchsicht vorgenommen, die dann im Sommer 1988 fortgesetzt und im Herbst 1989 zum größten Teil beendet wurde. Die Früchte dieser Arbeit haben den vorliegenden und die weiteren Bände dieses Verzeichnisses wesentlich bereichert. Leider trug der ehemalige Leiter des GSA Dr. Karl-Heinz Hahn zur weiteren Unklarheit bei, als er sich auf die Äußerungen Podachs berufend und ohne unter den Beständen des ehemaligen Nietzsche-Archivs zu unterscheiden meinte: „Ungeachtet vieler ausgestreuter Fehlmeldungen über die vermeintliche Unzugänglichkeit der Bestände des ehemaligen Nietzsche-Archivs sind diese seitdem [d. i. „seit 1956 etwa"] immer und immer wieder in oft wochenlangen Aufenthalten eingesehen und ausgewertet worden." (Das Nietzsche-Archiv, in: NSt Bd. 18, 1989, S. 18). Es darf hierbei nicht unerwähnt bleiben, daß auch Professor Hahn sowie das ganze Personal des GSA dem Verfasser immer mit größtem Entgegenkommen begegnet ist; er wird anscheinend die Wichtigkeit der Bestände, um die es hier geht, gar nicht geahnt haben, da sie bis zu dem Zeitpunkt in der Forschung kaum Erwähnung, geschweige denn Beachtung gefunden hatten. Eine recht sachkundige und einsichtige Beurteilung des vorliegenden Werkes, bes. was die Primärliteratur betrifft, bietet Schaberg (s. u.), S. 197 f.

Vorwort

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Das folgende Verzeichnis der sonstigen schrifttumsnachweislichen Werke hat gegenüber dem der ersten Auflage auch manche Ergänzung erfahren: (STEINER, D R . R U D O L F , Weimar), Litteraturverzeichniss, enthalten in einer im Sommer 1895 erschienenen „Ankündigung" des Verlages C. G. Naumann, Leipzig, S. 10-15. Erfaßt schon 25 Schriften und 120 Aufsätze in deutscher Sprache und dazu einige wenige in anderen Sprachen. Der Verlag hatte schon 1893 eine 16seitige „Ankündigung" zur zweiten Auflage des „Zarathustra", die zugleich als „Probeheft" galt, herausgegeben, und diese enthält auf S. 4 einen „Beitrag zu einem Verzeichnis der über Friedrich Nietzsche erschienenen Schriften und Aufsätze" mit 39 Nummern, davon 35 in deutscher Sprache. K N O R T Z , K A R L , Eine Nietzsche-Bibliographie, in: K . K . , Friedrich Nietzsche der Unzeitgemäße. Eine Einführung. Grasers Vlg. Annaberg 1909, S. 89-93. Verzeichnet unter 162 Hinweisen auf deutschsprachige Arbeiten schon 60 aus der betreffenden Zeit. WINDRATH, E., „Beitrag zur Nietzsche-Bibliographie", enthalten in seinem Werk: Friedrich Nietzsche's geistige Entwicklung bis zur Entstehung der „Geburt der Tragödie". Lütcke & Wulff. Hamb. 1913, S. 90-104, mit 244 deutschsprachigen Hinweisen. M Ü G G E , Μ . Α . , Friedrich Nietzsche. His Life and Work. T . Fischer Unwin. London (4th Ed. 1914), S. 385-442: Part IV. Bibliography and Iconography, verzeichnet unter zahlreichen dänischen, englischen, französischen, holländischen, italienischen, polnischen, russischen, schwedischen und spanischen Hinweisen schon 575 deutsche aus der Zeit bis 1910. Auf den S. 332-338, im Abschnitt „Nietzsche's Influence in Germany", umreißt er ganz knapp den Einfluß auf Conrad, Conradi, Andrejanoff, Eduard von Mayer, G. Hauptmann, Schlaf, Jordan, Sudermann, Heyse, Spielhagen, Wilbrandt, Leixner, Weigand, Otto Ernst, Kapff-Essenther, R. Strauß und Klinger. W Ü R Z B A C H , F R I E D R I C H , Nietzsche. Ein Gesamtüberblick über die bisherige Nietzsche-Literatur. (Literarische Berichte aus dem Gebiet der Philosophie. H. 19 / 20, 1929, S. 4-11; H. 26, 1932, S. 4-29). Bringt schon 118 Einzelhinweise zur Zeit vor der Jahrhundertwende. K O S C H , W I L H E L M , Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. M. Niemeyer. Halle / Saale 1930. 2. Bd., Sp. 1729 ff. Nicht ganz zwei Spalten mit Lebensangaben und Schrifttumshinweisen, dabei äußerst wenig aus der Zeit vor der Jahrhundertwende. Dass. 2., vollst, neubearb. u. stark verm. Aufl. A. Francke. Bern 1956. 3. Bd., Sp. 1890 ff. Der Beitrag beansprucht jetzt 5 Ά Spalten, umfaßt einiges mehr aus der Frühzeit, hat aber den störenden Satzfehler „Werke 8 Bde. 1885" noch unberichtigt. Dass. 3., völlig neu bearb. Aufl. 11. Bd. Hg. v. Heinz Rupp u. Carl Ludwig Lang. (1988), Sp. 318-340. Das neuere Schrifttum wird recht ergiebig aufgeführt, das ältere dagegen ist kaum vermehrt, und es fehlt die eigentlich sehr wichtige Unterabteilung „Behandlung" gänzlich. Neben einigen leicht zu verbessernden Fehlangaben - „1867 wegen Augen- u.Nervenerkrankung beurlaubt"; „von Overbeck in d. Basler Nervenklinik eingeliefert, dann von s. Mutter n. Naumburg gebracht"

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Vorwort

- ist wohl das störendste das Fehlen vom Goethe-Schiller-Archiv Weimar unter „Nachlaß". DEESZ, D R . GISELA, Die Entwicklung des Nietzsche-Bildes in Deutschland. Triltsch. Würzburg 1933. v, 95 S. Eine immer noch lesenswerte Darstellung in zeitlicher Aufgliederung: das ausgehende 19. Jahrhundert, das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, die Nachkriegszeit, die Gegenwart. Behandelt werden, mitunter eingehender, Wilamowitz, D. F. Strauß, Treitschke und Overbeck; Türck, Ed. v. Hartmann, Schellwien, Mehring, Dilthey, Kreibig, Windelband, Drews, Steiner, Th. Ziegler und Möbius; Riehl, K. Hildebrandt, R. Richter, Vaihinger, Simmel, Scheler und Joël; der George-Kreis; Klages und Baeumler. OEHLER, M A X , Deutsche Nietzsche-Literatur. Von 1890 an. Privatdruck v. Prof. Dr. Ernst Seidel, Jena, f. d. Nietzsche-Gedenkzimmer d. Gemeinde Sils Maria. (1936). 44 S. + ein beiderseitig bedrucktes, lose beiliegendes Blatt mit einer 20 Einzelhinweise enthaltenden „Auswahl aus der ausländischen Nietzsche-Literatur". Bringt einiges zur Werk- bzw. Entstehungsgeschichte, sonst ausschließlich Einzelschriften - Aufsätze nur wenn in Sammelbänden enthalten - sowie Erwähnungen Nietzsches in größeren Werken; aus der Zeit 1890-1900 77 Einzelhinweise. Dass., Fortsetzung des Verzeichnisses Deutsche Nietzsche-Literatur von 1890 an. Privatdr. v. Prof. Dr. E. Seidel, Jena, S. 45-52. Enthält Angaben zu 56 weiteren Arbeiten aus der Zeit 1936-38 und 24 Nachträge aus der Zeit 1905-1935. Sicherlich auch von Max Oehler stammen die vielen schrifttumsnachweislichen Angaben in den „Berichten zu den Mitgliederversammlungen der .Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs'" ab des neunten, gedruckt Anfang 1935, mit der Überschrift: „Die wichtigsten Neuerscheinungen der Nietzsche-Literatur seit 1930": 9. (z. 5. 12. 1934), S. 21-24 mit 67 Nummern (dabei einige fremdsprachige: französisch, dänisch, japanisch, englisch); 10. (z. 14. 12. 1935), S. 19 ff.: 1. Fortsetzung mit 44 Nummern (einige italienisch, französisch); 11. (z. 9. 1. 1937), S. 20 ff.: 2. Forts, mit 42 Nummern (einige englisch, italienisch, französisch); 12. (z. 10. 12. 1937), S. 29 ff.: 3. Forts, mit 41 Nummern (eine dänisch und eine tschechisch); 13. (z. 12. 12. 1938), S. 19-31: 4. Forts, mit 65 Nummern (zwei englisch) und mit einer „Auswahl wertvoller Zeitschriften-Aufsätze 1925-1938", mit 56 Nummern (einige englisch, französisch, italienisch, holländisch) und einem „Verzeichnis der bisher erschienenen ausführlichen Besprechungen der histor.-kritischen Gesamtausgabe der Werke und Briefe Nietzsches" mit 31 Nummern; 14. (z. 11. 12. 1939), S. 21-26: 5. Forts, mit 55 Nummern (einige italienisch, ungarisch oder holländisch), zu den Zeitschriftenaufsätzen kamen 21 (einer französisch), zu den Besprechungen der Werkausgabe neun hinzu. Als 4. Abschnitt neu auf S. 2740: ein Verzeichnis der bis 1939 erschienenen Ausgaben der Werke, Kompositionen und Briefe Nietzsches; 15. (z. 3. 12. 1940), S. 9-15: 6. Forts, mit 34 Nummern (einige tschechisch, englisch, dänisch, schwedisch, holländisch, französisch oder portugiesisch), zu den Zeitschriften-Aufsätzen kamen 30 (einer italienisch), zu den Besprechungen der Werkausgabe acht hinzu; 16. (z. 5. 12. 1941), S. 11-16: 6.Forts. mit 25 Nummern (darunter eine holländisch); zu den Zeitschriftenaufsätzen 26

Vorwon

IX

Nummern (darunter eine italienisch); Verzeichnis der vom Nietzsche-Archiv als Jahresgaben der .Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs' seit 1926 herausgegebenen Schriften, mit 14 Nummern; Sonderausgaben der Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs, mit fünf Nummern. JACOBY, KARL, Die Erstausgaben Friedrich Nietzsches. Eine biobibliographische Ubersicht der von Nietzsche selbst veröffentlichten oder druckfertig hinterlassenen Schriften. (Philobiblon. 11. Jg. (1939), H. 1 / 2, S. 49-59; auch als Sonderdruck: Schriften des Philobiblon. R. M. Rohrer Vlg. Brünn). Umfaßt vornehmlich die Werke, von der „Geburt" bis zu „Ecce homo"; s. u. die Bewertung Schabergs, S. 196. BRACHMANN, WILHELM, Nietzsche-Literatur in Auswahl für den wissenschaftlichen Handgebrauch. (ViW 1. Jg., H. 10-12 v. 15. 12. 1944, S. 196-204). Bietet eine gut aufgefächerte Zusammenstellung nach Bibliographien, Quellen, Biographie, Nietzsche im Widerstreit der Meinungen und Nietzsches Lehre. Die Angaben reichen zwar bis in das Jahr 1894 zurück, sind aber für die Zeit bis in die 30er Jahre hinein recht dürftig. Dabei wird sehr wenig Fremdsprachiges erfaßt. GOEDE, U., Bausteine zu einer Bibliographie der Nietzsche-Literatur 1936-1943 / 44. (Ebd., S. 204-233). Mit Angaben über die im Erscheinen begriffene historisch-kritische Gesamtausgabe, 22 Auswahlsammlungen, 9 Briefsammlungen, darunter solche über Nietzsche, 29 Einzelwerkausgaben, 176 Einzelwerke und über 500 kleinere Arbeiten über ihn. Für den behandelten Zeitraum sind die Angaben also sehr umfassend. Z L E G E N F U S Z , W E R N E R u. G E R T R U D J U N G , Philosophen-Lexikon. Handwörterbuch der Philosophie nach Personen. 2. Bd.: L-Z. de Gruyter. Bln. 1950, S. 205217. Enthält über 100 Arbeiten, so gut wie ausschließlich Einzelschriften und vorwiegend aus den 30er Jahren. S. a. über die Schwester auf S. 351. EPPELSHEIMER, H. W., Handbuch der Weltliteratur. Bd. II. V. Klostermann. Ffm. (1950), S. 229 ff. Eine recht umrißhafte Erfassung des Schrifttums mit wenigen aber tlw. treffenden Hinweisen auf Inhalt oder Einstellung. REICHERT, H. W. U. K . S C H L E C H T A , International Nietzsche Bibliography. Univ. of Ν . Carolina. Chapel Hill, N C . (1961). 8 Bll., 133 S. (= Studies in Comparative Literature. N r . 29). Dass. Revised and Expanded. 1968. 10 Bll., 162 S. (= Studies in Comparative Literature. N r . 45). Die zweite, „revised and expanded" Auflage bringt gegenüber der ersten lediglich einige wenige Zusätze aus der Zeit vor 1900 und weist leider noch dazu alle Mängel auf, die die Erstauflage gezeigt hatte: unter 199 Einzelhinweisen enthalten 17 falsche Angaben, neun sind unvollständig, und bei fünf handelt es sich um Doppelaufnahmen. Den Schluß bilden recht unzuverlässige Sachund Verfasserverzeichnisse. Daß die Mangelhaftigkeit nicht allein auf deutschsprachige Hinweise über die Zeitspanne zutrifft, s.a.: Thatcher, David S., Nietzsche in England 1890 to 1914. The Growth of a Reputation. Univ. of Toronto Press (1970), S. 8-11. Leider sind die Verzeichnisse, die „alle" - also auch die ausgeschiedenen - Aufsätze in einer Kartei erfassen und sowohl in Deutschland als auch in den USA einzusehen sein sollten (s. Vorwort, S. viii), anscheinend nie erstellt oder vollendet worden.

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Vorwort

Ergänzungen brachte Reichert als: International Nietzsche Bibliography 1968 through 1971, in: NSt Bd. 2, 1973, S. 320-339 mit 396 Nummern (Chinesisch bis Spanisch), und: International Nietzsche Bibliography 1972 - 1973, ebd. Bd. 4, 1975, S.351-465 mit 465 Nummern (Bulgarisch bis Schwedisch). KÖRNER, JOSEF, Bibliographisches Handbuch des deutschen Schrifttums. Unveränderter Nachdr. d. 3., völlig umgearbeiteten u. wesentl. verm. Aufl. Francke. Bern u. Mchn. 1966, S. 465-469. Bietet eine gute Auswahl, wenn auch mit wenigen Belegen aus der Frühzeit, gelegentlich mit kurzen Bemerkungen zum Inhalt der einzelnen Arbeiten. ZIMMERMANN, ROLF, Bibliographische Notizen über das Werk Friedrich Nietzsches. (Librarium. 1968, S. 207-227). Eine wesentliche Ergänzung zu der Arbeit Jacobys; s. u. die Bewertung Schabergs, S. 196 f. PÜTZ, PETER, Friedrich Nietzsche. Metzler. St. 1967. xii, 104 S. (= Slg. Metzler: Realienbücher f. Germanisten. Abt. D: Literaturgesch. 62). Ein recht brauchbares und handliches, einsichtig gegliedertes Werk mit reichlichen schrifttumsnachweislichen Angaben. Nur die Zeit vor dem Zusammenbruch ist etwas dürftig vertreten. Dass. 2., durchgeseh. u. ergänzte Aufl. 1975. 5 Bll., 125 S., 2 Bll. (= Reihenverz.). Um neueres Schrifttum ergänzt und durch Tilgung einiger weniger Satzfehler verbessert. COWEN, ROY C„ Neunzehntes Jahrhundert (1830-1880). Francke. Bern, Mchn. (1970 = Handbuch d. dt. Literaturgesch. 2. Abt.: Bibliographien. Hg. v. Paul Stapf. Bd. 9), S. 176, 184-198. Bringt trotz zahlreicher Einzelschriften und Aufsätze recht wenig aus der Zeit vor der Jahrhundertwende. PHILIPPI, JOËLLE, geb. Barron, Das Nietzsche-Bild in der deutschen Zeitschriftenpresse der Jahrhundertwende. Diss. d. Univ. Saarbrücken 1970. 2 Bll., vi, 297 S., 1 Bl. (= Lebenslauf). Eine recht gelungene Arbeit, die aus der Zeit 1873-1900 96 und aus der von 1901-1910 94 Hinweise auf Zeitschriftenaufsätze bringt. HILLEBRAND, BRUNO (Hg.), Nietzsche und die deutsche Literatur. I. Texte zur Nietzsche-Rezeption 1873-1963. II. Forschungsergebnisse. DTV / Niemeyer. Tüb. (1978). xii, 388 / vii, 239 S. (= Dt. Texte. Hg. v. Gotthart Wunberg 50 / 51). Der erste Band bietet eine äußerst reichhaltige Auswahl von tlw. sonst schwer zugänglichen Texten zur Wirkung Nietzsches aus der Zeit 1873-1963 (S. 56-314) neben Ungedrucktem (S. 315-358): zwei Aufsätze Döblins aus den Jahren 1902 (03) und einer Einleitung (S. 1-55): Frühe Nietzsche-Rezeption in Deutschland. Der zweite Band vereinigt Aufsätze verschiedener Verfasser zu George, Hofmannsthal, Sternheim, Expressionismus, H. u. Th. Mann, Musil und Benn; beide Bände mit umfassenden Namen- Sach- und Schrifttumsverzeichnissen. GABEL, GERNOT U., Friedrich Nietzsche. Leben und Werk im Spiegel westeuropäischer Hochschulschriften 1900-1975. Eine Bibliographie. Hamburg 1979.1 Bl., 36 S., 1 Bl. (= Bibliographien z. Philosophie 1). Enthält 342 Arbeiten mit Verfasser- und Sachverzeichnissen. Dass., jetzt mit Untertitel: Ein Verzeichnis westeuropäischer und nordamerikanischer Hochschulschriften 1900-1980. 68 S., 2 Bll. (= Reihenverz.). Edition Gemini. Köln 1985. Erweitert auf insgesamt 623 Arbeiten.

Vorwort

XI

ΤΟΤΟΚ, WILHELM, Handbuch der Geschichte der Philosophie: V Bibliographie 18. und 19. Jahrhundert. V. Klostermann. Ffm. (1985), S. 401-444. Bietet mit über 1300 Nummern eine reichhaltige Ubersicht über die internationale Nietzsche-Literatur, sowohl primäre als auch sekundäre, doch recht wenige Hinweise auf das deutschsprachige Schrifttum der frühen Jahrzehnte, bis auf die Zeit nach dem Weltkrieg. Von besonderem Wert sind die vielen Besprechungen, die zu den betreffenden Arbeiten mitangegeben werden. SCHABERG, WILLIAM H., The Nietzsche Canon. A Publication History and Bibliography. Univ. of Chicago Pr. Chicago, London (1995). xvi, 281 S., 3 Bll. Eine äußerst gründliche, ausführliche und sachkundige Erfassung der Primärliteratur und deren Verbreitung zu Nietzsches Lebzeiten und unmittelbar darnach. Einen wesentlichen Teil bildet auch die eingehende Darstellung von Nietzsches geldlichen Verhältnissen und denen des Archivs sowie von den Beziehungen zu den verschiedenen Verlegern; macht die Arbeiten von Jacoby und Zimmermann vollkommen überholt; enthält auch zahlreiche gutausgeführte Abbildungen zu den Erstdrucken. Weitere neuere Arbeiten, die verbreitungsgeschichtliche Uber- oder Einsichten gewähren, sind: NLCHOLLS, R. Α., Beginnings of the Nietzsche Vogue in Germany. (Modern Philology Bd. 56, 1958 / 59, S. 24-37). Erwähnt oder behandelt rund 30 Arbeiten aus dem Zeitraum 1890-1900. BRINTON, CRANE, Nietzsche. Harper Torchbooks. NY (1965) bringt ein sehr wählerisches Schrifttumsverzeichnis, doch mit lesenswerten Begutachtungen zum Inhalt der einzelnen Arbeiten und bietet im 7. Abschnitt „The Growth of a Reputation", S. 172-181, 18 Arbeiten aus der Zeit 1880-1900, wo er auch der Ansicht ist (S. 176), daß „a good bibliography of the .discoverers' of Nietzsche in Germany" [= „eine gute Bibliographie der Entdecker Nietzsches in Deutschland"] sich finde bei: ALBERT, HENRI, Friedrich Nietzsche. (Mercure de France Jan. 1893, S. 47 f., Anm. 2 u.3). Dieser führt 17 Titel aus den Jahren 1889-1892 an. In dieser Hinsicht s.a.: ROBERTSON, JOHN G., The Literary Movement in Germany. Friedrich Nietzsche and his Influence. (Cosmopolis Bd. 12, Nr. 34 ν. Okt. 1898, S. 31-48. Unverändert nachgedruckt in: Book Lover Winter 1899, S. 144-151). Bespricht die Werke von Brandes, Steiner, Ludwig Stein, Riehl, Andreas-Salomé, Förster-Nietzsche, Leo Berg, von Grotthuß sowie den Einfluß Nietzsches auf Werke von Sudermann, Hauptmann, Wilbrandt, Widmann, von Leixner und Franz Evers. In einem längeren Bericht im DLE (1. Jg., 1898, Sp. 177 f.) machte Otto Kraus, Wien, die deutschsprachigen Leser recht eingehend mit dem Inhalt des Aufsatzes bekannt. Er betonte Verfassers Geringschätzung des Einflusses, indem dieser die Frage aufgeworfen habe, „ob nicht vielleicht zu viel Undeutsches in Nietzsches Philosophie enthalten sei, ob nicht dieser ,Päan des triumphirenden Optimismus' dem germanischen Geiste, wie er seit sieben Jahrhunderten die deutsche Dichtung durchdrungen habe, allzutief widerstreite"? Die englische Zeitschrift: The Eagle and the Serpent (Nr. 5 f. v. 1. 11. u. 1. 12.

Vorwort

Xlll

Jahren 1901 / 02 in der Zeitschrift „Ost und W e s t " in fünf der Hefte erschienen sind, ist vermerkenswert. VOLZ, DANIELA PIA, Nietzsche im Labyrinth seiner Krankheit. Eine medizinischbiographische Untersuchung. Königstein & Neumann. (Würzburg 1990), S. 511576. Eine erschöpfende „Bibliographie der pathographischen Literatur" mit sowohl zeitlicher als auch nach Verfassern gegliederter, alphabetischer Aufteilung. ASCHHEIM, STEVEN E., Nietzsche and the Nietzschean M o m e n t in Jewish Life (1890-1939). In: L e o Baeck Institute Y e a r Book X X X V I I . Secker & Warburg. L o n d o n 1992, S. 189-212. Eine der von Elkin ähnliche Arbeit, nur umfangbedingt weit weniger eingehend, befaßt sich in der Hauptsache mit Rosenzweig, Buber, T h . Lessing und Berdischevsky. Ders.,

T h e Nietzsche Legacy in Germany 1890-1990. University of California

Press. Berkeley (1992). xii, 337 S., 3 Bll., m. 17 Abb. auf Tfn. Eine sehr gute Ubersicht über die ganze Zeit, nur im Einzelnen - wohl wiederum raumbedingt - in den behandelten Gestalten und dazugehörigen Verhältnissen etwas wählerisch. Dass., (1994: First Paperback Printing). N u r einige der leider zahlreichen Druckfehler sind berichtigt, sonst unverändert. Dass.,

Nietzsche und die Deutschen. Karriere eines Kults. A . d. Engl. v. Klaus

Laermann. Metzler. St. u. Weimar (1996). ix, 385 S„ 2 Bll. ( = Vlgs.-anz.). MEYER, THEO, Nietzsche und die Kunst. Francke. Tüb. u. Basel (1993). viii, 487 S. Sehr wertvoll, besonders was die Wirkung auf die Literatur betrifft, mit sehr hilfreichen Namen- und Schrifttumsverzeichnissen. STEILBERG, HAYS ALAN, Die amerikanische Nietzsche-Rezeption von 1896 bis 1950. de Gruyter. Bln., N e w Y o r k 1996, xiii, 438 S., 2 Bll. ( = Vlgs.-anz.) ( = Monographien u. Texte z. Nietzsche-Forschung. Bd. 35). Bezeugt (S. 43 f.) leider ein fast völliges, unmittelbares Unwissen u m die deutschsprachige Bemühungen u m Nietzsche in Nordamerika. Ein erschöpfendes Verzeichnis der „Musical Settings of Nietzsche Texts: A n annotated Bibliography", zusammengestellt und verfaßt von DAVID S. THATCHER, findet sich in: NSt Bd. 4 f., 1975 f., S. 284-323, 355-383. Die den englischen Textstellen beigegebenen Ubersetzungen sind von den Verfassern; die den französischen beigegebenen von Dr. Gisela Heßler, Frankfurt am Main. Frühjahr 1998

R . F . Krümmel

Xll

Vorwort

1898, S. 79 f., 147) verzeichnet schon über 80 Schriften und Aufsätze, von denen aber die meisten in englischer Sprache verfaßt sind. HLLLEBRAND, BRUNO, Frühe Nietzsche-Rezeption in Deutschland. (Lwjb N F 17. Bd., 1976, S. 99-127). Gibt einen guten Uberblick über das erste Jahrzehnt der Wirkung Nietzsches in Deutschland von etwa 1899 an mit Ausblick auf George und Rilke u. v. A. Mit abhebendem Hinweis auf Paul Emsts frühe Auseinandersetzung mit Nietzsche meinte Verfasser: „Die ersten zehn Jahre der NietzscheRezeption sind voller Mißverständnis [...]" Es fragt sich nur, welches Jahrzehnt wäre es nicht? DELCARO, ADRIAN, Reception and Impact: The First Decade of Nietzsche in Germany. (Orbis Litterarum Bd. 37, Nr. 1, 1982, S. 32-46). Behandelt umrißhaft Nietzsches Einfluß auf u. A. Brandes, Hansson, Diner, Strindberg, Leo Berg, Georg Adler, Schlaf, Eisner, G . Hauptmann und Dehmel. HELLIGE, HANS DIETER, Rathenau und Harden in der Gesellschaft des Deutschen Kaiserreichs. Eine sozialgeschichtlich-biographische Studie zur Entstehung neokonservativer Positionen bei Unternehmern und Intellektuellen; als einleitende Studie zu: Walther Rathenau / Maximilian Harden. Briefwechsel 1897-1920. Hg. v. H. D . Hellige. Gotthold Müller Vlg. Mchn. / L. Schneider. Heidelberg 1983 (= Walther Rathenau-Gesamtausg. Hg. v. H . D . Hellige u. Ernst Schulin. Bd. VI), S. 15-299. Geht in seinem Vorhaben sehr weit über das Übliche hinaus und befaßt sich dabei u. v. a. wiederholt und öfters eingehender mit dem „nicht unwesentlichen" Anteil des Assimilationsjudentums „an der Verbreitung von Nietzsches Philosophie", s. bes. S. 247-255 und sonst das Namenverzeichnis. Zur Kennzeichnung der recht ausdrücklichen Ablehnung der Gestalt Nietzsches seitens des Verfassers sei folgende Stelle angeführt: „In der Krisensituation rezipierten sie [d. s. „viele Intellektuelle"] begierig jene neurotischen Machtträume, mit denen bisher kaum beachtete Außenseiter auf ihre persönliche Schwäche und gesellschaftliche Isolation reagiert hatten: vor allem Nietzsche [...]" (S. 93) VLVARELLI, VRVETTA, Das Nietzsche-Bild in der Presse der deutschen Sozialdemokratie um die Jahrhundertwende. (NSt Bd. 13, 1984, S. 521-569). Bietet neben der Darstellung des Gegenstandes eine beinahe erschöpfende Zusammenstellung des Nietzsche Betreffenden in folgenden Zeitschriften und Zeitungen: N Z , SMh, D W J , V, LVZg und BrBZg, aus der Zeit 1878-1902. ELLERIN, BRUCE ELKIN, Nietzsche among the Zionists. Diss. Cornell Univ. 1990. 3 Β11., xliv, 450 S. Ein ausgezeichnetes, weitgespanntes und teilweise eingehendes Werk, das neben dem der Arbeit vordergründigen hebräischen und jiddischen auch ein vielfältiges deutsches Schrifttum zum Vorhaben erfaßt; so vor allem Äußerungen und Stellungnahmen von Leo Berg, Abraham Coralnik, Augusta Steinberg, David Neumark, Ernst Müller, Brandes, Simmel, Heinrich Beri, Isaac Heinemann, Leo Hirsch, Ludwig Stein, Buber, Moritz Goldstein, Nordau, Herzl, Maximilian Stein, Gustav Witkowsky und Felix Weltsch. Bes. lesenswert ist die Darstellung vom Nietzscheschen Einfluß auf Wassermanns 1897 erschienenen Roman „Die Juden von Zirndorf" im Lichte eines 1899 russisch erschienenen Aufsatzes von Z. Vengerova „Nietzscheanismus in der jüdischen Frage". Auch Verfassers Aufzählung, mit genauen Angaben, der Nietzsche-Stellen, die in den

Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungen (der Zeitungen, Zeitschriften u. ä.) Versteigerungs- und Lagerverzeichnisse Fundstellen (von Werk-, Briefausgaben u. ä.) Nocheinzusehendes

v-xiii xvii-xli xliii xlv-xlvi xlvii-xlix

Nietzsche und der deutsche Geist

1-698

Namenverzeichnis: Nietzsche und

699-732

Namenverzeichnis: ... und Nietzsche

733-737

Abkürzungen Abkürzungsschlüssel zu den angefühlten Zeitschriften, Zeitungen und dergleichen, unter Angabe der Nummern der enthaltenen Aufsätze und Beiträge: AAZg ABl

AC

8Uhr ADB ADUZg AELKZg AGPh

AIWs AKCh AKMCD

AL ALAED

Allgemeine Zeitung. Red.: Dr. K. v. Gerstenberg. Vlg. J. G. Cotta. Augsburg (seit 1882: München; s. a. MAZg). xlvii, 10, 31 (18), 48 (40) Akademische Blätter. Zeitschrift des Kyffhäuser-Verbandes der Vereine Deutscher Studenten. Berlin. Halbmonatsschrift. 420 (537), 435 (556), 649 (1116), 664 (1161) Antisemitische Correspondenz und Sprechsaal für innere Partei-Angelegenheiten. (Ging nach kurzer Zeit in die DSBll über). Leipzig. Vlg. u. Schriftleitung: Theodor Fritsch, ab 1894: Max Liebermann von Sonnenberg. Zunächst zweimonatlich, ab 1887 monatlich, ab 1888 halbmonatlich, dann, seit 1890, wöchentlich. 101, 143 (95), 166 (120) 8 Uhr-Abendblatt der National-Zeitung. Berlin. 628 Allgemeine Deutsche Biographie. 76 Allgemeine Deutsche Universitätszeitung. Zeitschrift für geistige Bestrebungen. Berlin. 136 (87), 195, 474, 562 (852), 639 (1070) Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung. Leipzig. Wochenzeitung. 87, 438 (565), 474 (652) Archiv für Geschichte der Philosophie in Gemeinschaft m. Wilh. Dilthey, Benno Erdmann, Paul Natorp, Christoph Sigwart u. Ed. Zeller hg. v. Ludwig Stein. Georg Reimer. Berlin. 19, 159, 505 (730), 572 (885) Allgemeine Israelitische Wochenschrift. Berlin. 347 (386), 412 (525) Akademische Zeitschrift. 196 Allgemeine Kunst-Chronik. Wochenschrift für Kunst, Kunstgewerbe und Litteratur. Wien. 339 (368) Allgemeine Konservative Monatsschrift für das christliche Deutschland. Hg.: D. v. Oertzen, Schwerin i. M. u. Martin v. Nathusius, Greifswald. Vlg. v. E. Ungleich. Leipzig. 261 (247), 356 (416) Allgemeines Litteraturblatt. Hg. durch die Leo-Gesellschaft. Braumüller. Wien. S. a. ÖLBl. 604 (948, 949) Allgemeiner litterarischer Anzeiger für das evangelische Deutschland. Kritische Rundschau und Besprechung der bedeutenderen Erscheinungen auf dem Gesamtgebiete der in-und ausländischen Litteratur, Kunst und Musik. Vlg. v. C. Bertelsmann. Gütersloh. Monatsschrift. 25 (8), 34 (27)

XVlll

Abkürzungen

Album der Litteraria in Naumburg a. d. Saale. Dr. v. Heinrich Sieling. Naumburg a. d. S. 38 Allgemeine deutsche Musikzeitung. 143 Almanach des Internationalen Psychoanalytischen Verlages. 300 AMZg Allgemeine Musik-Zeitung. Wochenschrift für die Reform des Musiklebens der Gegenwart. Red.: Otto Lessmann. Charlottenburg (Berlin). Wochenzeitung. 366 (449), 373 (470), 647 (1107), 679 (CN) Allgemeine Zeitung, xlvii An der schönen blauen Donau. Beilage der N F P r . 209, 210 Annalen der Naturphilosophie. 659 APZg Aügsburger Postzeitung. 366 (447) Arbeiten zur deutschen Philologie / Német filológiai tanulmányok. Debrecen, Ungarn. 47, 49 Arbeiter Zeitung. Newark / USA. 193 ArbZg Arbeiter-Zeitung. Zentral-Organ der österreichischen Sozialdemokratie. Wien. 69, 195, 385 Archiv für Geschichte des Buchwesens. 42 ASA Anhaltischer Staats-Anzeiger. 512 (748) ASchwZg Amerikanische Schweizer Zeitung. New York. 12 ASZg Allgemeine Schweizer Zeitung. Basel. 165 (119), 628 (1022) Aula Die Aula. Wochenblatt für die Gebildeten aller Stände. Vlg. v. R. W. Vobach. München. 341 (374), 365 (444) AZJ Allgemeine Zeitung des Judenthums. Ein unparteiisches Organ für alles jüdisches Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, etc. Begr. d. Ludw. Philippson. Leipzig, Berlin. 247 (220), 652 (1130), 677 (1187) Β

BAB

Bär

BarmZg BasMZg BasN BB

Der Bund. Organ der freisinnig-demokratischen schweizerischen und bernischen Politik. Bern, xlvii, 129, 131 (80), 144 (96), 152 (107, 108), 168 (122), 230 (198), 233, 333 (354), 410 (520), 451 (598), 454, 477 (663), 528, 664 (1163c) Friedrich Nietzsche Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Briefe. Hg. v. Wilhelm Hoppe u. Karl Schlechta. C. H . Beck. München 1938 ff. 5, 7, 10, 17, 19, 38 Der Bär. Illustrierte Wochenschrift für vaterländische Geschichte. Unter Mitwirkung v. R. Béinguier, F. Budczies, Theodor Fontane, Stadtrat E(rnst) Friedrich, Gymnasialdirektor Dr. W. Schwartz u. Ernst von Wildenbruch hg. v. Oskar Schwebel. Vlg. d. Bhdlg. d. Dt. Lehrer-Zeitung. Berlin. 660 (1146) Barmer Zeitung. 630 (1027c), 661 (1152) Baselbieter Heimatbuch. Liestal. 47 Basler Morgenzeitung. Verantwortl. Hg.: Dr. A. Brüstlein. 138 (AA) Basler Nachrichten. 31 (19), 58, 123, 165 (117), 200, 343 (380), 366 (446), 492 (689) Bayreuther Blätter. Monatsschrift des Bayreuther Patronatvereins. (ab 6.

Abkürzungen

BBC BBZg

BFchTh BffAZg BhFr BJbDN BJb BK BLAz B1LU

BMp BMs BMZg BNN Boh BrBZg BRf BrMZg BrN BrZg Bst

XIX

Bd.: Zeitschrift zur Verständigung über die Möglichkeit einer deutschen Kultur; Bd. 7-16: Monatsschrift hg. v. allgemeinen Richard-Wagner-Verein; ab 17. Bd.: Deutsche Zeitschrift im Geiste Richard Wagners). Redigin v. Hans von Wolzogen. Vlg. Ernst Schmeitzner. Chemnitz. 10, 36, 57, 64, 70, 74 (52), 75, 84, 154, 321, 503 (BK), 566, 605 (950), 655 (1134) Berliner Börsen-Courier, xlvii, 36, 339 (369), 485 (676c), 577 (900), 629 (1026), 632, 636 (1060), 637, 639 (1072), 642, 684 (1206) Berliner Börsen-Zeitung. 422 Berichte über die ordentlichen Mitgliederversammlungen der Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs χ f. Berliner Herold, xlvii Berliner Illustrine Zeitung. Deutscher Verlag. 541 Berliner Signale xlvii Beiträge zur Förderung christlicher Theologie. 9 Buffaloer Arbeiter-Zeitung. Officielles Organ der Vereinigten Deutschen Gewerkschaften. Buffalo, New York / USA. 352 (408), 385 Bahn Frei! Organ des New York Turn Vereins. 487 (682a) Bibliotheque universelle. Revue suisse. 108 Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog. Hg. v. Anton Bettelheim. G. Reimer. Berlin. 73 Basler Jahrbuch. 17, 29 Blätter für die Kunst. Begr. v. Stefan George. Hg. v. Carl August Klein. Berlin. 178,211,233, 260,575 (898) Berliner Lokal-Anzeiger. Centrai-Organ für die Reichshauptstadt. 566 (869), 627 (1012), 629 (1027), 630, 648 (1115) Blätter für literarische Unterhaltung. Hg. v. Rudolf von Gottschall, ab 1888 v. Friedrich Bienemann u. ab 1892 v. Karl Heinemann. Leipzig. Wochenschrift, 1898 eingegangen. 23, 50 (43), 136 (84), 165 (118), 231, 251 (226, 228), 279 (281), 306 (333), 363 (438), 410 (519), 470 (639), 692 Berliner Morgenpost. Begründet 1898 v. Leopold Ullstein. 176, 211 Baltische Monatsschrift. Vlg. Jonck & Poliewsky. Reval (später: Riga). 300 (316), 338 (367), 363, 464 (622), 517 (760), 692 Berliner Montags-Zeitung. 628 (1016) Berliner Neueste Nachrichten. 317, 437 (555d), 471 (644), 567 (870), 641 Bohemia. Prag. 371 (461), 679 (1195) Book Lover, xi Bremer Bürger-Zeitung. Organ für die Interessen des Volkes, xii, 608 (965), 626 (1009c), 631 (1036) Berliner Reform. 437 (560) Breslauer Morgen-Zeitung. 545 (809) Bremer Nachrichten und Handelszeitung. Dr. u. Vlg. v. Carl Schünemann. Bremen. 632 (1038), 637 (CB) Breslauer Zeitung. 347 (394), 419 (536), 422 (542), 511 (741), 516 (758) Bausteine. Monatsblatt für innere Mission. Dresden, Leipzig. 673 (1182)

x x

BT

BudTbl BurBl BVZg BW BZfGA BZg BZM

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D

DAbl DAG Daheim DanzZg

Abkürzungen

Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung. Begründet 1871 v. Rudolf Mosse. Chefred.: Theodor Wolff. 39, 253 (232), 254 (235), 306 (334), 347 (396), 349 (401), 354, 360 (427), 454 (605), 467 (628), 577 (903), 584 (917a), 593, 601, 605 (951), 626 (1009a, 1010), 630 (1032), 632 (1039), 635 (1053), 640 (1075a), 642 (1087), 652 (1129a) Budapester Tagblatt. 541 (800), 639 (1072a) Burschenschaftliche Blätter. Wilh. Baensch. Berlin. Halbmonatsschrift. 413 (529), 477 (659), 481 (668), 484 (673) Berliner Volkszeitung. 154 Bühne und Welt. Monatsschrift für das deutsche Geistesleben. Hg. v. H . Stümcke. Vlg. O. Eisner. Berlin. Halbmonatsschrift. 333, 533 (789) Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde. 99, 611 Berliner Zeitung. 600 (932) Berliner Zeitung am Mittag. 173, 615 Castrum Peregrini. Amsterdam. 479 Centraiblatt für Musik. Verantwortl. Hg. u. Verleger: August Hettler. Leipzig. 164 (116) Charon. Dichtung Philosophie Darstellung; ab 1907: Monatsschrift für modernes geistiges Leben, insbes. Reform der Lyrik. Hg. v. Rudolf Pannwitz u. Otto zur Linde, ab 1907 nur v. Otto zur Linde, ab 1909 zus. m. Karl Röttger. K. G. Scheffer Vlg. Leipzig, ab 1907 Charonvlg. Berlin. 495 Chicagoer Arbeiter-Zeitung. 385 Christ und Welt. Stuttgart. 494 Chemnitzer Tageblatt. 485 (677) Contemporary Review. London. 78, 183 Corona. Zweimonatsschrift. Hg. v. Martin Bodmer u. Herbert Steiner. Vlg. d. Bremer Presse, ab 1932 R. Oldenbourg. München. 210 Cosmopolis. London, xi, 204, 451 (596), 464 (BE), 519 Die christliche Welt. Evangelisch-Lutherisches Gemeindeblatt für Gebildete aller Stände. Vlg. v. Fr. Wilh. Grunow. Leipzig. Wochenblatt. 288, 342 (377), 364 (441), 368, 369 (456b), 389 (484), 398 (505), 493 (694), 495, 557 (840), 615, 660, 670 (1176) Deutschland. Wochenschrift für Kunst, Litteratur, Wissenschaft und sociales Leben. Hg. v. Fritz Mauthner. Vlg. Carl Flemming. Glogau u. Berlin. Januar 1891 in das ML übergegangen. 171, 177 (136), 183, 184, 193 (158), 195 Deutsches Adelsblatt. Wochenschrift für die Aufgaben des christlichen Adels. Organ der deutschen Adelsgenossenschaft. Berlin. 467 (630) Der alte Glaube. Evangelisch-Lutherisches Gemeindeblatt für die Gebildeten Stände. Leipzig. 579 (910) Ein deutsches Familienblatt und Illustrationen. 372 Danziger Zeitung. 26, 367 (ATa), 627 (1011)

Abkürzungen

DAT

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DDr DEJb DEKZg

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XX1

Der arme Teufel. Hg. u. Schriftleiter: Robert Reitzel. Detroit / USA. Wochenschrift. 176 (135c), 184 (139-142), 194 (160a), 228 (193a), 230 (197b), 253 (234), 279 (281a), 281 (286a), 343 (379a), 360 (426a), 382, 512 (BL), 524 (BNa), 608 (963) Deutsche Allgemeine Zeitung. Berlin. 36, 414 Deutsche Dichtung. Illustrine Litterarische Halbmonatsschrift. Hg. v. Karl Emil Franzos. Vlg. Ad. Bonz. Stuttgart, seit 3. Jg.: L. Ehlermann. Dresden; seit 7. Jg.: Fr. Fontane. Berlin; seit 10. Jg: Dt. Vlgs.-Anst. Stuttgart. 189 (149) Deutsches Dichterheim. Organ für Dichtkunst und Kritik. Hg. v. Adalbert von Majerszky. Wien. Vlg. „Deutsches Dichterheim". Monatsschrift, seit dem 17. Jg. Halbmonatsschrift. 369 (457, 458), 389 (482), 464 (619), 492 (693), 504 (723) Deutsche Dramaturgie. Zeitschrift für dramatische Kunst und Literatur. Leipzig. 388 (481) Deutsch-Evangelisches Jahrbuch. Berlin. 588 (921) Deutsch-evangelische Kirchenzeitung. 650 (1119), 658 (1143) Demokratische Zeitung. Verantwortl. Red.: J. Voigt; C. Lübeck, 18711873, darauf eingestellt. Berlin. 30 Der Denker. Zeitschrift für Übermenschen. Red.: H. J. Dewald. G. Heckenast Nf. Preßburg. 1. Jg. Mai 1897-98. 52 Nrn. 4°. 454 Deutsche Allgemeine Zeitung. Schriftleiter: Karl Biedermann. F. A. Brockhaus. Leipzig. 5 Das Deutsche Morgenblatt. 104 Deutsche Tageszeitung. Unparteiisches Volksblatt. Berlin. 360 Deutscher Bibliophilen-Kalender. Vlg. v. Moritz Perles. Wien. 673 (1181a) Deutscher Litteratur-Kalender. Hg. v. Joseph Kürschner. W. Spemann. Berlin u. Stuttgart. 115 (77-77e) Deutsches Tageblatt. Berlin. 79, 245 Die Frauenbewegung. Revue für die Interessen der Frauen. Hg. v. Minna Cauer. Ferd. Dümmler. Berlin. 107, 396, 477 (661), 491 (686) Das Freie Wort. Frankfurter Halbmonatsschrift für Fortschritt auf allen Gebieten des geistigen Lebens. Hg. v. Carl Saenger. 97, 439 Der Gesellschafter. Litterarische Monatsschrift. Hg. v. Eduard Moos. Erfurt. 409 (518) Deutsche Gesangkunst. Leipzig. 646 (1104) Die Hilfe. Gotteshilfe, Selbsthilfe, Staatshilfe, Bruderhilfe. Hg. v. Fr. Naumann. Vlg. d. Hilfe. Berlin. Wochenschrift. 545 (810), 548 (819), 563 (858), 573 (891), 640 (1074), 677 (1189) Deutscher Hausschatz in Wort und Bild. Regensburg. 612 (973) Die Kultur. Zeitschrift für Wissenschaft, Litteratur und Kunst. Hg. v. d. österreichischen Leo-Gesellschaft. Vlg. J. Roth. Wien u. Stuttgart. Jährlich 8 Hefte. 656 (1139) Der Kyffhäuser. Deutsche Monatsschrift für Kunst und Leben. Hg. v. A. Herwisch. Linz. 613 (976)

XXH

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Abkürzungen

Der Lotse. Hamburgische Wochenschrift für deutsche Kultur. Hg.: C. Mönckeberg u. Dr. Heckscher. Vlg.: Alfred Janssen. 438, 439, 593 (BT), 661 (CH), 681 (1203) Das litterarische Echo. Halbmonatsschrift für Litteraturfreunde. Hg.: Josef Ettlinger. Vlg. Fr. Fontane. Berlin, xi, 66, 309, 408, 519, 523, 532 (788), 542 (801), 561 (851), 602 (942), 626 (1009d), 648 (1113, 1114), 657 (CG), 664 (1162), 675 Der Literaturfreund. Ein Führer für Buchliebhaber und Buchhändler. 41 (36) Deutsche litterarische Volkshefte. Gemeinverständliche Aufsätze über litterarische und künstlerische Fragen der Gegenwart. Hg. v. Leo Berg. Berlin. Brachvogel u. Ranft. 171 (128), 195 Deutsche Litteraturzeitung. Hg. v. Dr. Aug. Fresenius, später v. P. Hinneberg. Vlg. W. Spemann. Berlin; ab 1892 Herrn. Walther; ab 1897 Wilh. Hertz; ab 1900 B. G. Teubner. Berlin, Leipzig. 135 (82), 172 (131), 258 (243), 263 (252), 272, 299 (313), 347 (397), 368 (455), 447 (584), 470 (637), 478 (666), 513 (751), 548 (822), 588 (920), 680 (1197) Die Musik. Illustrierte Halbmonatsschrift. Hg. v. B. Schuster. Vlg. Schuster & Loeffler. Berlin, Leipzig. 91, 679 Die Musen. Monatshefte für Produktion und Kritik. Hg.: Wilhelm Arent. München, Berlin. 395 (501) Der Naturarzt. Zeitschrift des Deutschen Bundes der Vereine für Gesundheitspflege und arzneilose Heilweise. 466 (625) Die Neue Generation. Zeitschrift für Mutterschutz und Sexualreform. Hg. v. Dr. Helene Lange. Vlg. d. Neuen Generation. Berlin-Nikolassee. 110, 183 Das neue Jahrhundert. Berliner Wochenschrift. Hg. v. Hans Land. Vlg. Janus. 543 (806), 546 (811a), 547 (817), 550 (826), 563 (857), 615 (982), 642, 644 (1095) Das neue Jahrhundert. Unabhängige Wochenschrift für das deutsche Volk. Verantwortl. Red.: Paul Züge. Vlg. v. Friedrich Werth. Köln. 520 (769, 770), 559 (846), 647 (1108) Dresdener Neueste Nachrichten. 651 (1123) Deutsches Protestantenblatt. Hg. v. O. Veeck u. R. Emde. Vlg. Carl Schünemann. Bremen u. Hamburg. Wochenblatt. 268 (262), 484 (672), 495 (696), 623 (1001a), 661 (1151) Deutsche Revue. Hg.: R. Fleischer u. A. Löwenthal. Dt. Vlgs.-anst. Stuttgart. Monatsschrift. 474 (653), 559 (847), 572 (887), 589 Dresdener Anzeiger. 605, 631 (1035) Die redenden Künste. Zeitschrift für Musik und Litteratur. Hg.: Friedrich Wild. Leipzig. 565 (865) Die Rheinlande. Düsseldorf. 557 Dresdener Journal. 630 (1030) Deutsche Rundschau. Hg. v. Julius Rodenberg. Vlg. Gebr. Paetel. Berlin. Monatsschrift. 9, 77 (56), 80, 139 (92), 143, 144 (98), 147, 187 (147),

Abkürzungen

DrZg DSA DSa DSBll DTh

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188, 192 (156), 229, 262, 264, 265 (256), 317, 408 (517), 473, 499 (710), 537 Dresdner Zeitung. 485 (676e) Der sozialistische Akademiker. Hg. v. Joseph Bloch. Berlin. (Ging 1897 in die SMh über). 659 Der Sammler. Unterhaltungs- und Literaturbeilage der München-Augsburger Abendzeitung. 118 Deutsch-Sociale Blätter. Leipzig, (s. a. AC) xlvii, 242 (212) Der Thürmer. Monatsschrift für Gemüth und Geist. Hg. v. Jeannot Emil Frhn. v. Grotthuß. Vlg. Greiner & Pfeiffer. Stuttgart. 71, 99, 467, 555 (833), 560 (849), 615, 658 (1144) Deutscher Merkur. Organ für Katholische Reformbewegung. München. 398 (504) Deutscher Reichs-Anzeiger. 358 (421) Deutsches Volksblatt. Eine Monatsschrift für das Volk und seine Freunde. Red.: Joseph Eckard. Stuttgart, xlvii, 600 (933), 642 Deutscher Volksfreund. Illustriertes deutsches Familienblatt. New York, xlvii, 569 (882), 603 (943, 944) Deutsche Welt. Wochenschrift der Deutschen Zeitung. Hg. v. Friedrich Lange. Berlin. 519 (766), 565 (863a), 617 (990), 677 (1188) Deutsche Warte. Tageblatt für Politik und Gesellschaft, geistiges und wirtschaftliches Leben. Berlin. 470 (638), 472 (647), 478 (664d), 557 (839), 625 (1004), 628 (1019, 1020), 632 (1039b) Deutsche Wacht. Dresden. 464 (620), 492 (690) Die Umschau. Ubersicht über die Fortschritte und Bewegungen auf dem Gesamtgebiet der Wissenschaft, Technik, Litteratur und Kunst. Hg. v. J. H. Bechhold. Frankfurt am Main. Wochenschrift. 559 (845), 561 (850), 621 (998), 663 (1159) Das Volk. Wien. 491 (687) Der Volkserzieher. Blatt für Familie, Schule und öffentliches Leben. Begründer u. Hg.: Wilh. Schwaner. Berlin. Wochenschrift. 469 (BG), 500 (BJ, 712-715), 501 (716), 524 (777), 631 (1032a), 640 (1076), 664 (1160) Deutsches Volks-Recht. Unabhängige Tageszeitung. Berlin. 364 (440), 368 (453) Deutsche Volksstimme. Organ des deutschen Bundes für BodenbesitzReform. Hg. v. A. Damaschke. Vlg. J. Harrwitz Nf. Berlin. 509 (733), 524 (776) Deutsche Warte. Umschau über das Leben und Schaffen der Gegenwart. Red. v. Bruno Meyer. Vlg. O. Weigand. Leipzig. 34 (26), 365 Die Wage. Wochenblatt für Politik und Literatur. Hg. v. Guido Weiß. Berlin. 65 (51) Deutsches Wochenblatt. Zeitschrift für nationale Politik, für Litteratur, Kunst und Wissenschaft. Berlin. 251 (227), 454 (606), 646 (1102), 652 (1128) Der Wahre Jacob, xii

x x l v

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Eigene EK

EKA ElbfZg Elsäss

Abkürzungen

Deutsche Worte. Monatshefte. Hg. ν. Engelbert Pernerstorfer. Vlg. „Deutsche Worte". Wien. 64, 173 (132), 195 (162), 295 (306), 342 (378), 346 (391), 351 (406), 353 (410), 356 (415), 562 (853), 674 (1183) Die Weite Welt. Vom Fels zum Meer. Wochenausgabe. Union Deutsche Verlagsanstalt. Stuttgart, Berlin, Leipzig, Wien. 694 (1096) Der Zeitgenosse. Berliner Wochenschrift für Leben, Kritik und Dichtung. Hg. v. Richard Zoosmann u. Ludwig Jacobowski. C. G. Conrad's Vlg. Erschien von Okt. 1890 - März 1891. 204 (168), 217 (178) Deutsche Zeitung. Hg.: Theodor Wähner. Wien. 79, 158 (114), 541 (799), 626 (1007), 631 (1033), 635 (1056), 636 (1057), 646 (1106) Deutsche Zeitung. Unabhängiges Tageblatt für nationale Politik. Hg. v. Friedrich Lange. Berlin, (s. a. DtW) 46, 232, 485 (676d), 486 (681), 584 (917), 615 (983), 630 (1031), 642 (1089), 677 Das Zwanzigste Jahrhundert. Blätter für deutsche Art und Wohlfahrt. Vlg. H. Lüstenöder. Berlin. Von April 1895 bis März 1896 von Heinrich Mann herausgegeben, dann bis zum Schluß im gleichen Jahr zus. m. Th. Schröter. Monatsschrift. 266 (259), 390 (486), 391, 403 (511), 410 (521) Deutsche Zeitschrift. Nationale Rundschau (später: Rundschau) für Politik und Volkswirtschaft, Literatur und Kunst. Hg. v. Ernst Wachler. Vlg. Gose & Tetzlaff (später: Meyer & Wunder). Berlin, zunächst halbmonatlich, ab April 1902 monatlich. 535 Der Zuschauer. Monatsschrift für Kunst, Litteratur und Kritik. (2. Jg.: Halbmonatsschrift für Kunst, Litteratur und öffentliches Leben). Hg. v. Leo Berg u. Constantin Brunner. (2. Jg.: v. Otto Ernst u. C. B.). Hamburg. Vlg. d. Litterarischen Vermittlungs-Bureaus. (2. Jg.: Vlg. d. „Zuschauer"). Erschien v.15.2.1893 - 15.12. 1894. 171, 263 (254), 269 (264), 280 (286), 291, 566 The Eagle and the Serpent. A Journal of Egoistic Philosophy and Sociology. Hg. v. J. B. Barnhill u. Malfew Seklew. Febr. 1898 - Angang 1903. Erschien unregelmäßig, xi Ecce der Landesschule Pforta. 682 (1204) Der Eigene. Ein Blatt für Alle und Keinen. Verantwortl. f. Redaktion u. Vlg.: Adolf Brand. Berlin-Wilhelmshagen. 395 (499) Ethische Kultur. Wochenschrift für sozial-ethische Reformen. Begr. v. G. v. Gizycki. Hg. v. Dr. Fr. W. Foerster. Vlg. Ferd. Dümmler. Berlin. 107, 438 (566), 668, 671 Evangelisch-Kirchlicher Anzeiger von Berlin. Red.: Th. Brandin. 436 (559) Elberfelder Zeitung. 644 (1093) Der Elsässer. Hg.: Albert Ferber. Straßburg. 633 (1042) Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte. Hg. v. Josef Nadler, August Sauer, Georg Stefansky. Metzler. Stuttgart, vierteljährlich. 501 Erfurter Allgemeiner Anzeiger. 632

Abkürzungen

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XXV

Evangelische Volksschule. (Deutsche Lehrerzeitung). Hg. v. Vorstand des Deutschen Evangelischen Schulkongresses. Berlin. Erschien zweimal wöchentlich. 505 (726a), 550 (827) Ernstes Wollen. Monatsschrift für aufbauende Kulturbewegung (ab 2. Jg., 1. 4. 1902: halbmonatlich). Hg. v. Mitarbeitern d. früheren Versöhnung Μ. v. Egidys, darauf Schriftleiter: Heinrich Driesmans. Gose & Tetzlaff. Berlin. (Ging mit dem Jg. 1906 in die DtK über). 437 Eisenbahn-Zeitung und Lübecker Nachrichten. Chefredakteur 1892 1899: Telesfor Szafranski. Lübeck. 510 (738) Die Fackel. Hg. v. Karl Kraus. Wien. Dreimal monatlich. 633 (1044), 639 (1069) Freie Bühne für modernes Leben. (Wochenschrift); ab 3. Jg. 1892: Freie Bühne für den Entwicklungskampf der Zeit. (Monatsschrift) bis März 1894 (s. NDRs). S. Fischer. Berlin. Hg.: Otto Brahm, seit 1891 Wilh. Bölsche, zuerst mit Brahm zusammen; 1893 Julius Hart, dann O. J. Bierbaum; seit 1894 Oscar Bie. 185 (143), 186 (144-146), 188, 189 (148), 192 (155), 197, 205 (170), 215 (177), 218 (180), 237 (203), 238 (206), 242 (213), 266, 271 (266), 274, 281, 284 (291), 286 (295), 294 Fremden-Blatt. Chefredakteur: Dr. Franz Zweybrück. Wien. 299 (314), 372 (468), 546 (813), 678 (CMc) Freidenker. Organ der Freidenker von Nordamerika. Hg.: C. Hermann. Milwaukee / USA. 184 (138) Feld-Post. Berlin. 566 (869a) Feministische Studien. 183 Le Figaro. Paris. 279 (283) Fliegende Blätter. 148, 311 Frankfurt-Oder Zeitung. 478 (664c) Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit. Hg. v. Helene Lange u. W. Moeser. Berlin. 448 (586), 519 (765), 565 (864) Frankfurter Generalanzeiger. 698 Die Freiheit. Hg.: Johann Most, zunächst London, dann New York, xlvii, 383, 385, 448 (586) Frankfurter Journal. 499 (711) Freie Presse. Elberfeld-Barmen. 308 (337) Frankfurter Zeitung, xlvii, 30, 56, 58, 101, 110, 153 (109), 154, 176 (135b), 190, 208, 229, 243 (214), 256 (237a), 268, 280 (285), 306 (335), 308, 309 (339), 319 (343), 340, 341 (373), 377, 478 (664), 498 (707), 501 (718), 538 (795), 542 (BSa), 548 (824), 566 (867), 603 (945), 626 (1009), 635 (1051, 1055), 636, 642 (1090), 678 (CM) Germania. Zeitung für das deutsche Volk. Berlin. 574 (893) Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt. Hg. v. Friedrich Stolle. Wochenblatt. 257, 575, 603 Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Hg. v. Theophil Zolling. Vlg. Georg Stilke; seit 1892: Vlg. d. Ge-

XXVI

GeraZg

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HBKD

Abkürzungen

genwart. Berlin. 34 (28), 40, 88 (65), 96 (71), 173 (133), 223 (186), 226 (189), 254 (236), 260, 267, 285 (294), 302 (322), 345 (385), 360 (425), 363 (439), 365 (443), 375 (478), 510 (740), 602 (941), 610 (967), 644 (1094), 651 (1124), 665 (1165), 678 (CL) Geraer Zeitung. 472 (646, 650) German Life and Letters. 378 The German Quarterly. 204 Germanisch-Romanische Monatsschrift. C. Winter. Heidelberg. 146 Die Gesellschaft. Realistische Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben (seit 2. Jg. Monatsschrift), seit 3. Jg.: Monatsschrift für Litteratur, Kunst und Sozialpolitik (seit 14. Jg. 1898 Halbmonatsschrift). Hg. v. Michael Georg Conrad; Mithg. Jg. 4 (1888 f.) C. Bleibtreu, Jg. 10 (1894 ff.) H. Merian, Jg. 14 (1898 ff.) L. Jacobowski. Vlg.: G. Franz, München, seit Jg. 3 W. Friedrich, Leipzig, seit 13. Jg. H. Haacke, Leipzig, Jg. 15 J. C. Bruns, Minden, Jg. 16 E. Pierson, Dresden. 15, 111 (Z), 112, 132, 158 (112), 164 (115), 169 (126), 171, 172, 194 (AE, 161), 204, 219, 220, 225, 226 (190), 228 (193, 195, 196), 229 (197), 234, 238 (205), 252 (231), 257 (242), 266, 284 (290), 285, 293 (302), 301 (320), 302 (321), 322, 327, 338 (365), 342 (379), 346 (390), 362 (431a), 476 (658), 498 (706), 515, 537, 548 (824), 549, 564 (860), 574 (895), 578 (908), 606 (956), 607, 608 (964), 612 (975), 616 (984, 986), 647 (CD), 663 (1158) Glauchauer Tageblatt und Anzeiger. 422 (544) Die Glocke. Wiener Blätter für Kunst und geistiges Leben. 157 Das Goetheanum. Internationale Wochenschrift für Anthroposophie und Dreigliederung. Redaktion: Albert Steffen in Dornach / Schweiz. 680 (1196a) Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst. Hg. v. Johannes Grunow (später: Dr. Hans Blum). Vlg. v. Fr. Wilh. Grunow (später: Vlg. F. L. Herbig). Leipzig. Wochenschrift. 33 (25), 40, 251 (229), 359 (424), 387 (480), 392, 467 (629), 481 (670), 508 (732), 513 (753), 567 (872), 668 (1173) Großenhainer Tageblatt. 642 (1086) Grüne Blätter. 288 Goethe-Schiller-Archiv. Weimar, ν f., viii, 10, 38, 53, 95, 103, 109, 110, 114, 116, 130, 162, 175, 183, 187, 228, 250, 255, 292, 311, 521, 580 Grazer Tagblatt. Organ der Deutschen Volkspartei für die Alpenländer. 627 (1013) Glaube und Deutschtum. 52 Hallesche Zeitung. 478 (664e) Handelsakademie, xlviii, 583 (915) Hannoversches Tageblatt. 191 Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland. Hg. v. Edmund Jürg u. Franz Binder. In Commission d. Literarisch-artistischen Anst. München. 285 (293), 361 (430), 492 (692)

Abkürzungen

HC

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IFrVZg IKL ILb

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XXVll

Hamburgischer Correspondent, xlvii, 151 (104), 416, 437 (559b, 563), 438 (564), 440 (568), 444 (576), 478 (664a), 501 (717), 567 (873), 678 (CMa) Hamburger Echo. Verantwortl. Red.: Gustav Wabersky. 277 (277), 634 (1048) Zeitschrift für klassische Philologie. 21, 32 Der Herold. Sonntagsblatt zur Pflege freien Sinnes. Hg. v. Arnold Knellwolf. Mainz. 495 (698) Hessische Blätter. Melsungen. 637 (1061) Hamburger Fremdenblatt. 56, 124, 241, 342 (375), 414, 437 (559c), 470 (636) Hildesheimer Zeitung. 636 Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft. 366 Hannoverscher Kurier. 640 (1077), 642 Hamburger Signale. Allgemeine Musik-Zeitung. Erschien monatlich zweimal, xlvii, 158 (113) Hamburger Nachrichten, xlvii, 150 (102), 225, 234, 436 (559a), 535 (792), 606 (952), 632 (1040), 639 (1068, 1071), 642, 663 (1157) Hamburger Neueste Nachrichten. 317 Hie gut Württemberg allewege! Ein literarisches Jahrbuch aus Schwaben. Vlg. Eugen Salzer. Heilbronn. 525 (780) Die Insel. Monatsschrift mit Buchschmuck und Illustrationen. Hg. v. Otto Julius Bierbaum, Alfred Walter Heymel, Rudolf Alexander Schröder. Schuster & Loeffler. Berlin, (ab 3. Jg.: Hg. v. Otto Julius Bierbaum. Insel-Vlg. Leipzig). Jetzt auch als Nachdruck in 12 Bdn. (= insel taschenbuch 578). Ffm. 1981) u. e. Begleitband: Schöffling, Klaus, Die ersten Jahre des Insel Verlags 1899-1902. Enthält neben dem literaturgeschichtlichen Uberblick auch mehrere Verzeichnisse und Bildbeigaben. 197, 587, 592, 600, 651, 657 (1141), 668 (1172, CK) Illustrine Fremden- und Verkehrs-Zeitung. 646 (1105) Im Künstlerland. Illustrine Zeitschrift für Kunst, Kunsthandel und Kunstgewerbe. 364 Internationale Litteraturberichte. Organ des Deutschen SchriftstellerVerbandes. Neue Folge der Deutschen Presse. C. F. Müller Vlg. Leipzig. 358 (420) Im Neuen Reich. 24 Schmeitzner's Internationale Monatsschrift. Zeitschrift für allgemeine nationale Kultur und deren Litteratur. (ab 2. Bd., 1. Heft v. Jan. 1883: Zeitschrift für die allgemeine Vereinigung zur Bekämpfung des Judenthums. (Alliance universelle antijuive). Red. v. Paul Widemann (ab 2. Bd., 1. Heft v. C. H. Rittner). Vlg. v. Ernst Schmeitzner. Chemnitz (ab 2. Bd., 10. Heft v. Okt. 1883: Chemnitz u. Dresden). 30, 42, 90 (67), 94, 95 (70, X), 96, 101, 312 International Journal of Ethics. 219

XXVlll

Abkürzungen

I W K G D A Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. 659 IZ Illustrine Zeitung. Vlg. J. J. Weber. Leipzig und Berlin. Wochenschrift. 278 (280), 634 (1049) J

JbCh JbDSG

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Die Jugend. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben. 327, 486, 505 (727), 645 (1101), 651, 657 (1142) Jahrbuch der Kgl. preußischen Kunstsammlungen. 49 Jahrbuch des Schweizer Alpenclubs. Bern. 102 Jahresbericht des Lesevereines der deutschen Studenten Wien's. 63 Jahrbuch der Charakterologie. Hg. v. Emil Utitz. Berlin. Pan Vlg. Rolf Heise. 259 Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Im Auftrag der Deutschen Schillergesellschaft hg. v. Fritz Martini, Walter Müller-Seidel, Bernhard Zeller. Alfred Kröner Vlg. Stuttgart. 133, 181, 471 Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. 290 (298), 321 (347, 348), 354, 391 (488, 489), 532 (787) Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins. 318 Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft. O. R. Reisland. Leipzig. 32 (21), 167 Jahresbericht der Lausitzer Prediger-Gesellschaft zu Leipzig. Hg. v. Paul Lehmann. 617 (988) Journal des Débats. 309, 635 Die jüdische Presse. Organ für die Gesammtinteressen des Judenthums. Hg. v. Dr. Hirsch Hildesheimer. Berlin. Monatsschrift. 643 (1092) Der Jude. Jüdischer Verlag. Berlin. 591 Jung-Deutschland und Jung-Elsaß. 370 Der Kampf. Monatsschrift. 69 Kattowitzer Zeitung. S. a. ZuG. 539 Kirchenblatt für die reformierte Schweiz. Bern. Wochenblatt. 451 (597, 599), 513 (752), 558 (844), 651 (1126) Die Kunst für Alle. Hg. v. Friedrich Pecht. Vlgs.-anst. f. Kunst u. Wissenschaft F. Bruckmann. München. 370 (459) Nietzsche Briefwechsel. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, de Gruyter. Berlin, New York 1975 ff. 2-8, 10, 12-16, 20, 30, 40, 42, 44, 46, 49, 50, 73, 98, 113, 122, 125, 128, 130-132, 138, 140, 141, 149, 251 Nietzsche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari, de Gruyter. Berlin, New York 1967 ff. 15, 53, 71, 76, 83 Die Kunst im Leben. Organ der kunstwissenschaftlichen Abteilung der Berliner Finkenschaft. Hg. v. Paul Eberhardt u. Adolf Grabowsky. C. Schenk Sohn. Berlin. 1. Jg., 6 Hefte,1900-1901. 679 (1193) Kirchlich-soziale Blätter. 435

Abkürzungen

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KVZg Kw

Kynast

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LBl LB11 LCB1

XXIX

Kladderadatsch. Humoristisch-satirisches Wochenblatt. 13 Das Kleine Journal. Hg.: Dr. L. Leipziger. Berlin. 567 (870a) Kleine Presse. Frankfurt am Main. 322 (349a) Kirchliche Monatsschrift. Organ für die Bestrebungen der positiven Union. Hg. v. Georg Lasson. Vlg. v. Erwin Runge. Berlin. 574 (894) Kieler Neueste Nachrichten und General-Anzeiger für Schleswig-Holstein. xlviii, 372 (466) Königsberger Allgemeine Zeitung. 234, 543 (808), 630 (1027a) Königsberger Hartungsche Zeitung. 355 (413), 419 (535), 486 (679), 542 (804), 567 (876), 632 (1040a), 648 (1115b) Korrespondenzblatt für studierende Abstinenten. 584 Die Kritik. Wochenschau des öffentlichen Lebens. Hg. v. Karl Schneidt. Vlg. v. Hugo Storm. Berlin. 345 (388), 347 (395), 358 (419), 374 (471), 399 (506), 405 (513), 416 (532), 421 (541), 437 (562), 447 (583), 678 (1190) Krefelder Zeitung. 401 Kritische Studienausgabe Briefe hg. v. G. Colli u. Mazzino Montinari. W. de Gruyter. Berlin, u. dtv. München 1986. 113 Der Kulturkämpfer. Zeitschrift für öffentliche Angelegenheiten. Hg. v. Otto Glagau. Berlin. Zweiwochenschrift. 101 Kölnische Volks-Zeitung und Handelsblatt. Allgemeiner Anzeiger für Rheinland-Westfalen. 374 (472), 547 (816), 636 Der Kunstwart, (seit dem 1. 10. 1932: Deutsche Zeitschrift). Rundschau über alle Gebiete des Schönen, (ab 1897: Halbmonatsschrift über Dichtung, Theater, Musik, bildende und angewandte Kunst). Hg. v. Ferd. Avenarius, 1923-1926 v. Walter Schumann, seit 1926 v. Hermann Rinn. Anfangs im Selbstverlag, ab 1894 C. G. W. Callwey. München. Halbmonatsschrift. 123, 141, 145 (99), 150 (101), 157 (110), 158(111, AB), 192, 280, 343 (381), 371 (464), 449 (592), 510 (739), 573 (890), 648 (1111, 1112, CE), 664 (CJ), 690 Der Kynast. Ostdeutsche Monatsschrift für Volkstum und Kunst begr. u. hg. v. Ernst Wachler. Vlg. v. Georg Maske. Oppeln u. Leipzig. 534 (791), 558 (842), 655 (1136) Kölnische Zeitung. 173 (130), 174, 266, 358, 371 (462), 421 (540), 451, 471 (642), 543, 626, 628 (1018), 636, 643 (1090b), 648 (1115c) Lutherthum. Neue kirchliche Zeitschrift. Hg. v. Gustav Holzhauser. A. Deichen. Erlangen, Leipzig. 562 (854), 680 (1198) La semaine littéraire. 676 Literaturblatt. Verantwortl. Red.: Anton Edlinger. Vlg. J. Klinckhardt. Wien. 76 (53) Lustige Blätter. Schönstes buntes Witzblatt Deutschlands. Berlin. 645 (1099) Literarisches Centraiblatt für Deutschland. Hg.: Friedrich Zarncke. Ed. Avenarius. Leipzig. Wochenblatt. 4 (B, E, F, G, H, I, L, O), 5, 19, 26

XXX

LH

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März

Abkürzungen

(10), 32, 41 (35), 57 (46), 62 (47), 76 (54), 90 (66), 100 (73), 114 (75), 123, 139 (94), 281 (288), 319 (345), 352 (409), 367 (451), 370 (460), 371 (465), 398 (503), 425 (549), 448 (590), 485 (678), 505 (729), 512 (747), 516 (756), 519 (764), 567 (874) Le Centaure. 309 Leipziger Kunst. Illustrine Halbmonatsschrift für das Leipziger Kunstleben. xlviii, 566 Leo Baeck Institute Year Book. Secker & Warburg . London, xiii Literarischer Handweiser zunächst für alle Katholiken deutscher Zunge. Hg. u. red. v. Dr. Franz Hülskamp in Münster. 238 (204), 324 Librarium. χ Literarische Berichte aus dem Gebiet der Philosophie. Hg. v. A. Hoffmann. Erfurt, vii The Living Age. Boston. 78, 125 Leipziger Kirchenblatt. 369 (456a) Licht-Luft-Leben. Vereinigt mit „Der Mensch". Monatsschrift für Schönheit, Gesundheit, Geist, Körperbildung. Vlg. d. Schönheit. Dresden. 164 Litterarischer Merkur. Kritisches und bibliographisches Wochenblatt. Schriftleitung: Curt Weißbach. Vlg. v. Herrn. Weißbach. Weimar. 184 (137), 226 (191), 241 (211), 247 (221), 250 (224), 263 (251), 275 (273) Lechner's Mittheilungen aus dem Gebiete der Literatur und Kunst, der Photographie und Kartographie. Wien. 298 (311) Leipziger Neueste Nachrichten. 117, 333 (357), 423 (545), 545, 662 (1152a) Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur. Tübingen. 223 Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 61, 625 (1005), 633 (1045) Lübecker Anzeiger. 632 (1040e) Leipziger Volkszeitung. Organ für die Interessen des gesamten werkthätigen Volkes. Schriftleiter: Bruno Schönlank, xii, xlviii, 66, 69, 510 (735), 511 (745), 627 (1014), 628 (1015) Literarische Warte. Monatsschrift für Literatur und Kunst. Hg.: A. Lohr u. M. Pfeiffer. Vlg. v. Rudolf Alt. München. 601 (935) Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, xii Leipziger Zeitung. 321 (346), 362 (436), 466 (626), 543, 620 (995), 638 (1065) Lehrer-Zeitung für Ost- und Westpreußen. Königsberg. 496 (701) Märkische Volkszeitung. Tageszeitung für die Reichshauptstadt, die Mark Brandenburg und Pommern. Berlin, xlviii Halbmonatsschrift für deutsche Kultur. (Ab 5. Jg.: Wochenschrift). Hg. v. Ludwig Thoma, Hermann Hesse, Albert Langen u. Kurt Aram. München. 67 Magdeburger Central-Anzeiger. 501 Magdeburger Tageblatt. 191

Abkürzungen

MAZg

MB1

MB11A MD

MDL MeißTbl MfdU

MgZg Mind MisBll

MK

ML

MLA MLIA

MNN ModBl

XXXI

Allgemeine Zeitung. München (seit 1882; s. a. AAZg). xlix, 75, 171 (129), 215 (176), 231, 241, 262, 278 (279), 281 (287), 284, 285 (292a), 305 (AN), 341 (372), 348 (398), 395 (496, 500), 414, 513 (754), 567 (871), 615 (BX), 626 (1008), 635 (1054), 640 (1078), 649 (1118), 698 Monatsblätter. Organ des Vereins „Breslauer Dichterschule". Verantwortlichl. Red.: Paul Barsch. Dr. u. Vlg. v. Erich Peterson. Breslau. 448 (587), 503 (722), 548 (820), 601 (934) Musikblätter des Anbruch. Wien. 390 Moderne Dichtung. Monatsschrift für Literatur und Kritik. Hg. v. E. M. Kafka. Vlg. v. Rudolf M. Rohrer. Brünn. Qan.-Dez.1890). S. a. MRs. 189 (150), 190 (152a), 193 (157, 159), 194 (160) Monatsblätter für deutsche Litteratur. Hg. v. Alb. Warneke. Vlg. Herrn. Beyer. Leipzig. 425 (BA), 464 (BF, 618) Meißner Tageblatt. 632 (1040c) Mercure de France, xiii, 309, 635 Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur. Official Organ of the German Section of the Central States Modern Language Teachers Association. Madison, Wisconsin / USA. vi, 89 Magdeburgische Zeitung. 400 (509), 437 (559d), 478 (664b), 668 (CKa) Mind. A Quarterly Review of Psychology and Philosophy. Ed. by George Croom Robertson. Williams and Norgate. London. 65 Mississippi-Blätter. St. Louis / USA. 567 (877) Mitteilungen der Neuen Klause. Verein zur Pflege deutscher Dichtung. Hg. v. Cäsar Flaischlen. Berlin, xlviii Münchner Kunst. Illustrine Wochen-Rundschau über das gesammte Kunstleben Münchens. Bildende Künste,Theater, Musik und Literatur. Hg.: Julius Schaumberger. 132, 197 Das Magazin für Litteratur. Hg. v. Fritz Mauthner (bis 1893) u. Otto Neumann-Hofer (bis 1897); seit 1897: Rud. Steiner u. O. E. Hartleben. Vlg. v. Conrad Skopnik. Berlin. Wochenschrift, (s. a. MLIA u. D). xlviii, 175, 194 (160d), 239 (207), 240 (209a), 256 (240), 277 (278), 284 (AH, (292), 289 (AI), 296 (307), 302 (AM), 307, 342 (376), 344 (383), 348 (399), 355 (412), 406, 475 (657), 486 (680), 496 (699, (700), 514 (755), 516 (757), 519, 520 (771, 772), 556 (836), 564 (862), 568 (878), 575, 588 (919), 601 (937), 602 (939), 606 (954, 955), 607 (959), 617 (989), 654 (1133), 679 (1196) Magazin für Literatur des Auslandes. Begr. v. J. Lehmann. Berlin. 0an. 1881 in MLIA übergegangen). 27 (12) Das Magazin für die Literatur des In- und Auslandes. Wochenschrift der Weltliteratur. Hg. v. Alfred Stössel u. W. v. Resiwitz. Dresden. (Okt. 1890 in ML übergegangen, s. a. MLA). 114 (76), 151 (103), 163, 168 (123), 172, 192 (154) Münchner Neueste Nachrichten. 605, 634 (1046), 645, 660 (1149) Moderne Blätter. Wochenschrift der Gesellschaft für modernes Leben. München. 220 (AF), 227 (192)

XXXll

Abkürzungen

Modern Language Notes. 377 The Modern Language Review. A Quarterly Journal. Cambridge, England. 125 Modern Philology, xi Die Moderne. Eine Halbmonatsschrift (auch m. d. Zusatz: für Kunst, Literatur, Wissenschaft und soziales Leben) begr. v. Dr. Heinrich Hart u. Leo Berg. Erschien nur das eine Jahr 1891. 183, 195, 209 ModGes Die moderne Gesellschaft. (Mit unterschiedlichem Untertitel:) Der philosophische Athlet / Zeitschrift für Kritik u. Satyre / Zeitschrift für Gesundheitspflege u. naturgemäße Sozialreform / Zeitschrift für sociale Aufklärung. Begr. u. hg. v. Dr. C. Sturm. Berlin. Monatsschrift. Erschien v. 1. 4. 1893 - 1. 3. 1894. 267 (260) Monist. A Quarterly Magazine devoted to the Philosophy of Science. The Open Court Publ.Co. Chicago / USA. 307 MRs Moderne Rundschau. Halbmonatsschrift. Hg. v. Dr. J. Joachim u. E. M. Kafka. Vlg. v. Leopold Weiß. Brünn, Wien. (1. 4. - 15. 9. 1891). Fortsetzung von MD. 209, 220 (183) MSbl Münchner Salonblatt. Kritische Wochenschrift für Münchner Kunst und Leben. 67 MskDtZg Moskauer Deutsche Zeitung. 641 (1082) MStLZg Mecklenburg-Strelitzische Landeszeitung. 485 (676b) Museion. Veröffentlichungen der österreichischen Nationalbibliothek. 425 MV Der Moderne Volksgeist. Organ des Socialitären Bundes. Berlin. Ging Oktober 1899 in den Pers über. 404 (512) MVAA Mitteilungen des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus. Vlg. u. Schriftleitung v. Curt Bürger. Berlin. 635 (CA) MW Musikalisches Wochenblatt. Organ für Musiker und Musikfreunde. Hg. u. Verleger: E. W. Fritzsch. Leipzig. 22 (6), 24 (T), 27 (13), 31 (15), 32 (22), 40 (32), 43 (38), 62 (48), 139 (93), 151 (105), 159, 171, 190, 283 Ν

NAZg NBh NBLZg NDRs

Die Nation. Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Literatur. Hg. v. Theodor Barth. Kommissionsvlg. b. Meidlinger. Berlin. 39, 252 (230), 267, 286 (296), 306 (332), 360 (426), 393 (494), 413 (528), 470 (640), 668 (1174) Das Narrenschiff. Blätter für fröhliche Kunst. Vlg. Carl Predeek. Berlin. Red.: Ludwig Abels (1. Jg., Nr. 1 v. 3. 1. 1898), ab Nr. 4: Max Osborn; ab Nr. 12: Max Sklarek; ab Nr. 38: Hans Hyan. 486 Norddeutsche Allgemeine Zeitung. 19 (3), 22 (5), 470 (641), 471 (643), 577 (902), 631 (1034), 650 (1120), 667 (1169) Neue Bahnen. Organ des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. Hg. v. Auguste Schmidt. Halbmonatsschrift. 564 (859) Neue Badische Landes-Zeitung. Mannheim. 225, 485 (676f), 566 (869d), 587, 607 (961) Neue Deutsche Rundschau. S. Fischer. Berlin. Fortsetzung von FB, ab

Abkürzungen

NeißZg NEK

NFPr

NHor

NHZg NJKA

NJKPP

NKBl NkHv N1 NLb NlBll NMPr NMT NMZg NNBr

NPJ NPrKz

XXXlll

5. Jg., 1894. S. a. NRs. 211, 300 (317), 305 (331), 308 (336), 319 (344), 337 (364), 354, 355 (414), 374 (473), 410 (522), 413 (527), 417 (AY), 518 (763), 542 (BS), 544, 556, 558 (843), 573 (889), 584 (916), 618 (BZ), 660 (1148) Neißer Zeitung. 636 (1058b) Neue evangelische Kirchenzeitung. Gebr. Unger (Th. Grimm). Berlin. 37 (30) Neujahrsblatt der Allgemeinen Musikgesellschaft. Zürich. 84 New Yorker Volkszeitung. 385 New Yorker Zeitung 487 New York Times 377 Neue Freie Presse. Hg. v. Adolph Wertheimer, Eduard Bacher u. Moriz Benedict (bis 1892); bis 1907 ohne A. Wertheimer). Wien, xlviii, 41 (37), 61, 83, 110, 128, 140, 151 (106), 154, 155, 156, 174 (134), 200, 202, 209, 210, 211, 237, 255 (237), 267, 273 (270), 280 (284), 302 (323), 316, 317, 335, 355, 367 (450), 387, 421, 469 (634), 625 (1003), 626 (1009b), 629, 632 (1039a), 637 (1060a), 639, 650 (1121), 655 (1137), 678, 679 (CMe) Neue Horizonte. Blätter für Reform auf allen Gebieten des geistigen, politischen und socialen Lebens. Organ des „Deutschen Vereins für obligatorische internationale Friedensjustiz" und der „Cogitanten Allianz". Hg. v. Dr. Eduard Loewenthal. Berlin. Monatsblatt. 474 (654) Neue Hamburger Zeitung. 438, 548 (821) Neue Jahrbücher für klassisches Altertum, Geschichte und deutsche Literatur. Hg. v. Johannes Uberg. B. G. Teubner. Leipzig. S. a. NJKPP. 665 (1166) Neue Jahrbücher für classische Philologie und Pädagogik. Hg. v. Alfred Fleckeisen u. Hermann Masius. B. Teubner. Leipzig. (Ging in NJKA über). 40 (33), 44 Naumburger Kreisblatt. 359 (423), 652 (1129a) Neukölner Heimatverein e. V. Mitteilungsblatt. 353 Neuland. Monatsschrift für Politik, Wissenschaft, Litteratur und Kunst. Hg. v. Johannes Sassenbach. Berlin. 450 (594), 477 (660), 484 (674) Neues Leben. Anarchistisch-sozialistische Wochenschrift. Berlin. 307, 647 (1109) Neue Litterarische Blätter. Berlin. 333 (356) Neue Musikalische Presse. 332 (352-352a), 645 (1098) Neues Münchener Tagblatt. 169 (125) Neue Musikzeitung. Vlg. v. Carl Grüniger. Stuttgart, Leipzig. Zweimonatlich. 451 (595), 464 (621) Neueste Nachrichten für Residenz und Stadt Braunschweig. 225 Nordelbingen. Beiträge zur Heimatforschung in Schleswig-Holstein, Hamburg u. Lübeck. 594 Neues Pester Journal. 407 (515) Neue Preußische Kreuzzeitung. Berlin. 135 (83), 168 (121), 323 (350), 561, 579 (909)

XXXIV

Abkürzungen

NR NRs

Neue Revue. Wien. Hg. v. H. Ost u. Edmund Wengraf. 299 (312) Die neue Rundschau. S. Fischer. Berlin. S. a. FB u. NDRs. 1, 167, 181, 201, 326, 466, 490 NS Nord und Süd. Eine deutsche Monatsschrift. Hg. v. Paul Lindau. S. Schottlaender. Breslau. 138 (90), 160, 190 (151), 217 (179), 655 (1135), 660 (1147) NSchwRs Neue Schweizer Rundschau. Zürich. 5 NSKBl Neues Sächsisches Kirchenblatt. G. Weigand. Leipzig. Wochenblatt. xlviii, 504 (726), 648 (CF) NSt Nietzsche-Studien. Internationales Jahrbuch für die Nietzsche-Forschung. Hg. v. Mazzino Montinari, Wolfgang Müller-Lauter u. Heinz Wenzel (ab 1978 auch v. Ernst Behler), de Gruyter. Berlin, New York 1972 ff. vi, χ, xii, xiii, 21, 62, 63, 165, 189 NTB1 Neues Tageblatt. Stuttgart. 112, 475 (654a), 573 (892) Nuova Antologia. Revista de Lettere, Scienze ed Arti. Roma. 652 NVgtZg Neue Voigtländische Zeitung. Plauen. 632 (1040d) NWAbi Neues Wiener Abendblatt. 412 (524) NWJ Neues Wiener Journal. Unparteiisches Tagblatt. 225 NWT Neues Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ. 211, 448 (585), 468, 630 (1029), 634 (1050), 640 (1075), 665 (1164) NwWs Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Red.: Dr. H. Potonié. Vlg. Ferd. Dümmler. Berlin. 253 (233) NYStZg New-Yorker Staats-Zeitung, xlviii, 267, 341 (371), 367 (450a), 567 (869f), 593 (925a), 645 (1100), 650 (1121b) NZ Die Neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens. Red. v. Karl Kautzky. J. H. W. Dietz. Stuttgart, xii, 215, 216, 224, 257 (241), 261, 272 (269), 283 (289), 294 (304), 443 (574), 511 (742), 527 (783), 541 (798), 546 (812) NZg National-Zeitung. Berlin, (s. a. 8 Uhr). 76 (55), 104, 136 (85), 145 (100), 168 (124), 278 (279a), 535, 628, 636, 641 (1085) NZgb National-Zeitung. Anzeigeblatt der Stadt Basel, xlviii, 633 (1043) NZZg Neue Zürcher Zeitung. 58, 123, 136 (86), 262, 485 (676i), 568 (881), 629 (1025) ÖLB1

ÖVZg ÖWs

OW

Österreichisches Litteraturblatt. Wien. Ging ab 1899 als AL weiter. 264 Österreichisch-Ungarische Buchhändler Zeitung. 595 Östliche Rundschau. Irkutsk. 696 Österreichische Volks-Zeitung. 630 (1028) Dr. Bloch's Österreichische Wochenschrift. Centraiorgan für die gesammten Interessen des Judenthums. Wien. 636 (1059) Ohne Staat. 497 Orbis Litterarum. International Review of Literary Studies. Munksgaard. Copenhagen, vierteljährlich, xii, 281, 377 Ost und West. Illustrierte Monatsschrift für modernes Judentum. Hg. v. David Trietsch u. Leo Winz. Vlg. S. Calvary. Berlin, xiii

Abkürzungen

XXXV

Oxford German Studies. Clarendon Press, unregelmäßig, etwa jährlich, xiv, 324, 691 Ρ PA Päjbr PäW

Patria. Berlin. 33 Philologischer Anzeiger. Göttingen. 26 (11) Pädagogischer Jahresbericht. Friedrich Brandstetter. Leipzig. 595 (929) Pädagogische Warte. Schriftleiter: M. Thurm. Vlg.: A. W. Zickfeldt. Osterwieck / Harz. 604 (947) PäWBl Pädagogisches Wochenblatt für den akademisch gebildeten Lehrerstand Deutschlands. Hg. v. Edmund Stengel. Rengersche Bhdlg. Leipzig. 277 (276) PäZg Pädagogische Zeitung. Hauptorgan des Deutschen Lehrervereins. Hg. v. Berliner Lehrerverein. Verantwortl. Red.: G. Röhl. Berlin. Wochenschrift. 400 (510) Pan Hg. v. O. J. Bierbaum u. J. Meier-Gräfe, mit dem 4. Heft: C. Flaischlen u. R. Graul. Zuerst im Pan-Vlg., Berlin, ab 2. Jg.: Fr. Fontane. Vierteljahresschrift. 197, 212, 345 (AQ), 353 (AR), 359, 364 (442), 374 (474), 392, 413 (AW, AX, 526), 469 (635), 472 (BH), 526 (BP), 611 (968, 969) PB11 Pastorenblätter. 454 (604) Petersburger Herold 358 Pforzheimer Anzeiger. 566 (869b) Pfrh Pfarrhaus. 593 (926) Philobiblon. ix Philologische Untersuchungen. 32 Philologus. 16 PhJbG Philosophisches Jahrbuch der Görresgesellschaft. 303 (324), 361 (428) PhM Philosophische Monatshefte. Hg. v. F. Ascherson, J. Bergmann u. E. Bratuscheck. Berlin. 18 (2) PIM Prochaska's illustrine Monatsbände. Wien, Leipzig. 395 (497) PJb Preußische Jahrbücher. 1866-1889 hg. v. H. v. Treitschke, danach v. Hans Delbrück. Vlg. Georg Reimer; seit 1893: H. Walther; seit 1896: Georg Stilke. Berlin. Monatsschrift. 9, 97, 221 (185), 222, 348, 391 (490), 456 (611), 497 (705), 509 (734), 510 (736), 511 (744), 512 (750), 561, 597, 679 (1192) PJSE Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaften. Hg. v. Dr. Carl Hilty. K. J. Wyss. Bern. 376 PKED Protestantische Kirchenzeitung für das evangelische Deutschland. Berlin. (s. ProMh). 359 (422) PL Pester Lloyd. Budapest. 236, 293 (303), 358, 635 (1052), 642 (1088), 644 (1097) Politiken. Kopenhagen. 127, 636 Politisch-Anthropologische Revue. 488 PolLitt Pologne Littéraire. Revue mensuelle. Warschau. 247 PommTP Pommersche Tagespost. Stettin. 225 Post Die Post. Berlin. Tageszeitung, xlix, 244 (218), 357 (418)

XX XVI

Prn Pro

ProMh ProvZg PrPr PrTbl PrßZg PS

PZg

R

Rb

RemZg

Rfa RH Rhl RhMus

RhWZg

Abkürzungen

Die Propyläen. München. Wochenschrift, geleitet ν. Eduard Engels. 124, 419 (534f) Der Protestant. Evangelisches Gemeindeblatt. Vlg. Georg Reimer. Berlin. 472 (649), 565 (866), 601 (938) Proceedings of the Leeds Philosophical and Literary Society. 675 Das Programm. Blätter der Münchener Kammerspiele. Vlg. d. Münchener Kammerspiele. 378 Proletarier aus dem Eulengebirge. 484, 485 Protestantische Monatshefte. Neue Folge der PKED Hg. v. D. Julius Websky. Vlg. v. G. Reimer. Berlin. 616 (985) Provinzial-Zeitung. Geestemünde-Bremerhaven. 520 (768) Prager Presse. 377 Prager Tageblatt. 329 Preßburger Zeitung. 543 Psychische Studien. Monatliche Zeitschrift, vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens gewidmet. Hg. u. redigirt v. Alexander Aksakow. Vlgs.-Bhdlg. Oswald Mutze. Leipzig. 47 (39), 614 (987) Posener Zeitung. 525 (778), 630 (1027b), 632 (1040b), 639 (1071b), 662 (1156), 678 (CMd), 679 Reform. Zeitstimmen aus der Schweizer Kirche. Redaktion: H. Lang u. A. Bitzius. Vlg. J. Dalp'sche Buchhandlung. Bern. Zweiwochenschrift. 35 (29), 50 (45) Radical Review. Madison / USA. 184 Der Reichsbote. Deutsche Wochenzeitung für Christentum und Volkstum. Redakteur u. Verleger: Heinrich Engel. Berlin. 305 (330), 309 (340), 481, 577 (904, 905), 608 (962), 629 (1024), 634 (1047) Remscheider Zeitung. 485 (676a) Revue des deux Mondes. 54 Revue blanche. 309, 635 Revue bleue. 180, 286 Revue franco-allemande. Deutsch-französische Rundschau. München. 568 (879) Roseggers „Heimgarten". Monatsschrift für Unterhaltung und Aufklärung. 662 (1153a) Rheinland. Moderne Monatsblätter. Organ für modern-„nationale" Literatur. Hg.: Damian Gronen. Köln. 511 (746) Rheinisches Museum für Philologie. Hg. v. F. G. Welcker u. F. Ritsehl; ab 1869, 24. Jg. m. A. Klette; ab 1870, 25. Jg. ohne F. G. Welcker. Vlg. Joh. David Sauerländer. Frankfurt am Main. Die betreffenden Bände jetzt auch im Nachdruck erhältlich: Johnson Reprint Corp. New York 1971. 3 (A, C, D) 4 (J, N, P, R), 5, 21, 24 (U), 89 Rheinisch-Westfälische Zeitung. Essen. Ii, 639 (1071a), 678 (1191), 684 (1207)

Abkürzungen

XXXVll

RigaTbl

Rigaer Tageblatt. 485 (676) Rochlitzer Tageblatt. 566 (869c)

S

Sphinx. Monatsschrift für die geschichtliche und experimentale Begründung der übersinnlichen Weltanschauung auf monistischer Grundlage. Hg. v. Wilhelm Hübbe-Schleiden. Leipzig 1886-1896. 203, 298 (310), 301 (318), 304 (326, 328), 366 (448) Die Sachsenwarte. Unabhängige Wochenschrift für Gebildete. Hg. v. Artur Pleißner. Leipzig, xlix Saale-Zeitung. Halle. 186, 606 (957) Schlesische Schulzeitung. Pädagogische Wochenschrift. Organ des Provinzial-Lehrer- und Pestalozzi-Vereins in Schlesien sowie des Schlesischen Turnlehrer-Vereins. Breslau. 445 (577), 446 (582) Schlesische Volkszeitung. Breslau. 268, 636 (1058) Schwäbische Kronik. Beilage zum SchwbM. xlix, 362 (435), 662 (1154) Schwäbischer Merkur. Stuttgart, xlix, 362 (435), 662 (1154) Schweizerische Musikzeitung. 109 Schweizer Grenzpost und Tagblatt der Stadt Basel. Red.: Dr. Abr. Noth. 17 (1), 31 (17), 32 (20), 33 (23), 47, 123 Schweizer Reformblatt. 665 (1167) Schweizerische Rundschau. 349 (402) Schweizer Rundschau. Stanz / Einsiedeln. 673 (1179) Der Schwabenspiegel. Wochenschrift für das geistige Leben des Schwabenlands. Stuttgart. 647 (1110) Schweizer Volksfreund. Anzeigeblatt der Stadt Basel. Organ des Liberalen Basels. Red.: W. Klein. 31 (16), 32, 33 (24), 47 Süddeutsche Monatshefte. München. 169 Süddeutsche Zeitung. Stuttgart. 644 (1093b) Signale für die musikalische Welt. Berlin, xlvii Signale für die musikalische Welt. Leipzig, xlvii Simplicissimus. Illustrierte Wochenschrift. München. 468, 638 (1067) Schmoller Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft. Duncker & Humblot. Leipzig. 412 (523) Sächsisches Kirchen- und Schulblatt. Schriftleitung: Dr. phil. Schenkel in Stadt Naunhof b. Leipzig; später: Pfarrer Richter in Langenbergsdorf. Vlg. Dörffling & Franke. Leipzig. 16, 368 (456) Stern's Literarisches Bulletin der Schweiz. Hg. u. Red.: Maurice Reinhold von Stern. Zürich. 480 (667) Sozialistische Monatshefte. Hg. v. Joseph Bloch. Berlin, (s. a. DSA). xii, 253, 272, 468 (631), 659 (1145), 677 (1186) Stimmen aus Maria Laach. Stimmen der Zeit. Katholische Monatsschrift für das Geistesleben der Gegenwart. Herder. Freiburg / Breisgau. 279 (282), 292 (300), 393 (492) Supplementa Nietzscheana. Hg. v. Wolfgang Müller-Lauter, Karl Pestalozzi. W. de Gruyter. Berlin. 1990 ff. 16, 162, 345

SaZg SchlSZg

SchlVZg SchwbM SchwGr SchwRBl SchwRS SchwRs SchwSp SchwV SDMh SdtZg

Simpl SJb SKSBl

SLB SMh SML

SN

xxxviii

Sozi SPZ StGBl StP

Tag

TBlStG ThJ ThLB ThLb ThLBl ThLZg ThrnZg ThRs

ThZs

TIStZg TP TrLZg TRs

UZ

V VDAV

Abkürzungen

Der Socialist, xlix Der Sozialist. Anarchistische Monatsschrift. Berlin, xlix, 452 (603) Der Sozialist. Organ der unabhängigen Sozialisten. Berlin, xlix Schweizerische Pädagogische Zeitschrift. Hg. v. Schweizerischen Lehrerverein. Schriftleiter: F. Fritschi. Vlg.: O. Füßli. Zürich. 605 St. Galler Blätter. 543 Straßburger Post. 225, 256 (238), 339 (369a), 437 (559d), 448 (588) Studia Germanica Gandensie. 217 Studia philosophica. Cassel. 505 Studies in Philology. 377 Sturmglocken. Chicago. Wochenschrift. 385 Der Tag. Berlin, xlix, 202 Das Tagebuch. Berlin. 385 Die Tat. 531 Tageblatt der Stadt St. Gallen. 583, 628 (1021) Temps. 451 Theologischer Jahresbericht. Wiesbaden. 37 (31) Theologisches Literaturblatt. Hg. v. Chr. E. Luthardt. Leipzig. 87, 621 (997) Theologischer Litteratur-Bericht. Gütersloh. 601 (936) Theologisches Literaturblatt. Bonn. 50 (42) Theologische Literaturzeitung. Leipzig, Berlin. 542 (802), 603 (946) Thorner Zeitung. 90 Theologische Rundschau. Hg. v. W. Bousset. Vlg. J. C. B. Mohr. Freiburg im Breisgau, Leipzig u. Tübingen. 495 (697), 620 (996) Thurgauer Zeitung. 123 Theologische Zeitschrift aus der Schweiz. Red. v. Friedrich Meili. Vlg. v. Aug. Frick. Zürich. 503 (720) Times. London. 14, 358 Tägliche Illinois Staats-Zeitung. 566 (869e) Tagespost. Graz. 654 (1132) Der Tramp. Humoristisches Wochenblatt. New York / USA. 400 Trierische Landeszeitung. Red.: G. Alt. 636 (1058a) Tägliche Rundschau. Berlin. 58, 268 (261a), 275 (274), 335, 390 (485), 406 (514), 580 (913), 615 (BX), 629 (1023), 637 (1062), 638, 648 (1115a), 650, 677, 678 (CMb), 681 (1202) Über Land und Meer. 687 Unsere Zeit. Deutsche Revue der Gegenwart. Hg. v. Friedrich Bienemann. Vlg. F. A. Brockhaus. Leipzig. 176 (135), 692 Vorwärts. Berliner Volksblatt, xii, xlix, 229, 420 (538), 422, 449 (591), 467 (628a), 510, 631 (1037) Veröffentlichungen der Deutschen Akademischen Vereinigung zu Buenos Aires. 595 (928)

Abkürzungen

VegRs

Versöh ViW VWPS

VZg

Wage WaM WAp WAZg WdD WeiZg Weltw Westen WestfFb WeZg WFJ Wh

WiesTbl WKRs

WMh

XXXIX

Vegetarische Rundschau, (früher: Der Vegetarier). Monatsschrift für harmonische Lebensweise. Vereinsblatt der Deutschen Vegetarischen Gesellschaft und Organ des Wohltätigkeits-Vereins „Thalysia". 362 (433) Versöhnung. Monatsschrift. Hg. v. Moritz von Egidy. Berlin. 444 (575) Volk im Werden. Zeitschrift für Geistes- und Glaubensgeschichte. Hg. v. Prof. Dr. Wilhelm Brachmann. Vlg. M. Diesterweg. Leipzig, ix Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie. Hg. v. Paul Barth. O. R. Reisland. Leipzig. 52, 491 (688), 640 (1080), 641 (1084), 673 (1180) Vossische Zeitung. Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen. Redakteur: Prof. Dr. Alfred Klaar. Vlg. Ullstein. Berlin. 91, 171, 205 (169), 246 (219), 260, 261 (248), 272 (268), 365 (445), 371 (463), 422 (543), 425, 448 (589), 466 (627), 467, 478 (665), 583, 587, 618 (991), 684 (1208) Die Wage. Eine Wiener Wochenschrift. Hg. v. Rudolf Lothar, xlix, 512 (749), 580 (912), 639 (1073) Die Welt am Montag. Unabhängige Zeitung für Politik und Kultur. Berlin. 577 (901), 621 (999), 641 (1083) Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung. Verantwortl. Red.: Oskar Teuber. 628 (1017), 652 (1129), 656 (1138), 662 (1155) Wiener Allgemeine Zeitung, xlvii, 53, 140, 211, 613 Weltwacht der Deutschen. 164 Weimarische Zeitung. Amtliches Nachrichtenblatt für das Großherzogtum Sachsen. 345 (387), 525 (779), 557 (838), 578 (906), 632 (1041) Die Welt. Wien. 1897 v. Theodor Herzl gegründet. 128, 661 (1150) Die Weltwoche. Zürich. 438 Der Westen. Chicago / USA. xlix, 612 (971), 626 (1006) Westeuropäischer Courier. 114 Westfälischer Familienbote. Evangelische Wochenschrift. 556 (837) Weser-Zeitung. Bremen, xlix, 564 (861), 643 (1091) Wiener Familien-Journal. Hg. v. Ferdinand Klebinder. Osterreichische Verlags-Gesellschaft. 503 (721a) Die Wahrheit. Halbmonatsschrift zur Vertiefung in die Fragen und Aufgaben des Menschenlebens. Hg.: Chr. Schrempf. Fr. Frommann. Stuttgart. 346 (393), 375 (475, 476), 389 (483), 393 (492), 417 (533), 452 (601), 466 (624), 472 (645), 475 (655), 537, 638 (1064) Wiener Zeitung, (s. a. WAp). 662 Wiesbadener Tagblatt. 452 (602) Wiener klinische Rundschau. Organ für die gesamte praktische Heilkunde sowie für die Interessen des ärztlichen Standes red. v. d. Privatdocenten Dr. F. Obermayer u. Dr. Kunn. Zitter's Zeitungsverlag. 618 (994), 649 (1117) Westermanns illustrierte Monats-Hefte für das gesamte geistige Leben der Gegenwart. Redakteur: Dr. Adolf Glaser. Dr. u. Vlg. v. George We-

xl

Woche

WöRs

WRs

WTBl

Ζ

ZÄAKw Zeit

Zeitb

ZEPh

ZfdS ZfdU ZfdW

Abkürzungen

stermann. Braunschweig. 169 (127), 241,296 (306a), 395 (498), 469 (633), 640 (1079) Die Woche. Moderne Illustrierte Zeitschrift. Dr. u. Vlg. ν. August Scherl. Berlin. 638 (1063), 644 (CC) Wochenschrift für klassische Philologie. 1 Westöstliche Rundschau. Monatsschrift für Politik, Litteratur und öffentliches Leben hg. v. Béla Vikár, Budapest, und Heinrich Stümcke, Berlin. Dr. u. Vlg. v. E. Ebering. Berlin. 466 (623) Wiener Rundschau. Hg.: 1. Jg. Rudolf Strauß; 2. Jg. Gustav Schoenaich u. Felix Rappaport; 3. Jg. Constantin Christomanos u. Felix Rappaport, m. d. Zusatz: Zeitschrift für Cultur und Kunst (nur zum 3. Jg.); im 4. Jg. wurde Rappaport mit dem 22. Heft alleiniger Herausgeber. Halbmonatsschrift. 198, 437 (561), 503 (721), 519 (767), 524 (BN), 543 (805), 558 (841), 578 (907), 589 (922), 600, 656, 664 (1163) Wiener Tagblatt. Demokratisches Organ. Hg. v. Moriz Szeps. 368 (454), 373 (469) Die Zukunft. Hg. v. Maximilian Harden. Georg Stilke. Berlin; ab 5. Bd. (Okt. 1893): O. Häring; ab 17. Bd. (Okt. 1896): Vlg. d. Zukunft.). Wochenschrift. 73, 111 (Z), 114, 260, 267 (261), 268, 296 (AK), 305 (329), 308 (AO, 338), 318, 345 (AP), 354, 366 (AS), 375 (479), 419 (AZ), 425 (548), 437 (BC), 438 (BD), 445, 451 (600), 454 (607), 455 (608), 473 (651), 477 (662), 484 (675), 504 (724), 505 (728), 510 (737), 511 (743), 524 (BO), 527 (782), 546 (814, 815), 555 (834), 564 (863), 598 (930), 606 (BW), 607 (960), 612 (972, 974), 613 (977), 617 (BY), 653 (1131b), 662 (CI, 1153), 686 Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft. 472 Die Zeit. Wiener Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Kunst. Hg.: Josef Singer, Herrn. Bahr u. Heinr. Kanner. Vlg. K. F. Koehler. Leipzig, xlix, 211, 254, 333 (355), 338 (366), 339 (370), 362 (434), 366 (AT), 375 (477), 398 (502), 475 (656), 501 (719), 517 (761, 762), 520 (773), 545, 556, 567 (875), 606 (BV), 612 (970), 614 (981), 618 (992), 638 (1066), 684 (1209) Die Zeit. Berlin. 472 (648) Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. 2 Zeitschrift für bildende Kunst. 48 Zeitschrift für Bücherfreunde. 487 Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. 97 Zeitspiegel. Illustrine Unterhaltungsbeilage. Berlin, xlix Zeitschrift für exacte Philosophie im Sinne des neueren Realismus. Hg. v. Otto Flügel. Herrn. Beyer. Langensalza, Leipzig. (1894 in ZPhP übergegangen). 49 (41), 244 (217), 274 (272) Zeitschrift für deutsche Sprache. 361 (429) Zeitschrift für den deutschen Unterricht. Hg.: O t t o Lyon. 559 (848) Zeitschrift für deutsche Wortforschung. Hg. v. F. Kluge. Straßburg. 610 (966)

Abkürzungen

ZfLKW ZfM ZGSr Zgt

ZKG ZöVBw ZPhK

ZPhP ZsADS ZTb ZThK ZTJ

ZürP ZuG

xli

Zeitung für Literatur, Kunst und Wissenschaft. Beilage des HC. 416, 602 (940), 667 (1170) Zeitschrift für Musik. 122 Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft. 621 (1000) Der Zeitgeist. Chefred.: Arthur Levysohn. Vlg. v. Rudolf Mosse. Beiblatt zum BT. 136, 250 (223), 263 (253), 269 (263), 303 (325), 344 (384), 349 (401), 360 (427), 363 (437), 526 (781), 593 (925), 614 (978) Zeitschrift für Kulturgeschichte. 11, 466 Zeitschrift des österreichischen Vereines für Bibliothekswesen. 65 Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, im Vereine mit mehreren Gelehrten hg. v. J. H. v. Fichte, Herrn. Ulrici u. J. U. Wirth. Neue Folge. C. E. M. Pfeffer. Halle. 32, 41 (34), 391 (487), 433 (552) Zeitschrift für Philosophie und Pädagogik, (s. ZEPh). 244, 346 (392), 641 (1081) Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. Begr. v. Hermann Riegel. Hg. v. Dr. Oskar Streicher. Berlin. 679 (1194) Zürcher Taschenbuch. Fasi u. Beer. Zürich. 30 Zeitschrift für Theologie und Kirche. 223, 345 (389) Zeitschrift für Turnen und Jugendspiel. Hg. v. Dr. H. Schnell u. Prof. H. Wickenhagen. R. Voigtländer. Leipzig. Zweiwochenschrift. 651 (1127) Züricher Post. 485 (676h), 676 (1185) Zeit und Geist. Allgemeine Litterarische Rundschau. Beilage der „Kattowitzer Zeitung". 504 (725) Der Zwiebelfisch. 689

Versteigerungs- und Lagerverzeichnisse Theodor Ackermann. München. 6 Galerie Gerda Bassenge. Berlin. 23, 72 Antiquariat Richard Bertling. Dresden. 487 C. G. Boerner. Leipzig. 107 Erasmushaus. Haus der Bücher. Basel. 168, 480 Gustav Fock. Leipzig. 3 Dr. Ernst Hauswedell. Hamburg. 49 Henrici. Berlin. 197 Leo Liepmannssohn. Berlin. 3, 140, 278 Hellmut Meyer & Ernst. Berlin. 20, 197 Waldemar Poseck. Berlin-Halensee. 229 Sigismund & Volkening. Leipzig. 487 f. J. A. Stargardt. Berlin (später: Marburg). 3, 29, 173

Fundstellen zur Veröffentlichungsgeschichte der Werke, Briefe usw. Philologisches S. 1, 3 (A, C, D), 4 (J, N, P, R, B, E-I, L, O), 6 (K), 7 (M, Q), 24 (U), 305 (AN) Die Geburt

S. 1 (I), 8 (S), 75 (Ia), 134 (Ib), 303 (Ic), 311 (Gl), 312 (Gla-c), 569 (Gkl-Gklc), 593 (BT), 661 (CH)

Sonstiges*

S. 24 (T), 36 (V), 140 (XV), 166 (AC), 289 (AI), 293 (AJ), 302 (AL), 308 (AO), 345 (AP, AQ), 353 (AR), 356 (417417a), 357 (417b-c), 366 (AS), 373 (GIX-GIXb, GklX, GX), 374 (GXa-b, GkX), 417 (AY), 419 (AZ), 425 (BA, BB), 434 (544), 437 (BC), 438 (BD), 464 (621), 465 (GXI-GXIb, GkXIb, GXII-GXIIb), 469 (BG), 500 (BJ), 524 (BN-BNa, BO), 606 (BV,BW), 617 (BY), 635 (CA), 648 (CE, CF), 657 (CG)

UB

1. 2. 3. 4.

M. A. - Anhang - Wanderer

S. 70 (VI) S. 79 (VII) S. 82 (VIII)

Morgenröte

S. 88 (IX), 138 (IXa), 312 (GIV-GIVc), 570 (GkIV-GkIVb)

Fröhl. Wiss.

S. 94 (X), 111 (Z), 138 (Xa), 312 (GV-GVc), 570 (GkV)

Gedichte

S. 95 (X), 265 (AG), 296 (AK), 302 (AM), 314 (GVIII-GVIIIc), 382 (453), 385 (ALO, 387 (AV), 413 (ΑΧ), 472 (BH), 499 (BI-BIc), 518

Stk. Stk. Stk. Stk.

S. S. S. S.

27 38 44 53

(II) (III) (IV) (V), 56 (W) 135 (II-Va), 255 (II-Vb), 311 (Gl), 312 (Gla-c), 569 (Gkl-Gklc) 135 (Via) 135 (VII / Villa)

276 (VI-VIII/VIIIb), 303 (VIVIIIc), 314 (GII / III), 315 (GII / IIIa-c), 569 (Gklla / III)

** Enthält auch Angaben über Veröffentlichungen, deren Inhalt mehr als einem W e r k entnommen wurde.

xlvi

Fundstellen

A. s. Ζ. I

π

III IV

S. 99 pCI)

¡

s. 102 pai) ¡

S. 103 peni) ¡135 pCI-XIIIa) ¡268 píI-XIIIb / XIXa), 276 S. 107 (Y), 239 pCIX) ¡píI-XIIIc / XlXb), 312 (GVI), 313 I (GVIa-i), 413 (AW), 464 (BF), 512 ¡(BL), 570 (GkVI-GkVIe)

Jenseits

S. 125 (XIV), 144 (AA), 220 (AF), 224 (XIVa), 274 (XlVb) ¡313 (GVII-VIIc), 570 (GkVII-GkVIId)

Genealogie

S. 141 pCVI), 227 pCVIa), 290 (XVIb) ¡ wie zu Jenseits"

Fall Wagner S. 149 (XVII), 227 (XVIIa)|314 (GVIII-GVIIIc), 570 (GkVIII) GD

S. 161 (XVIII), 269 pCVIIIa), 284 (AH) ¡ wie zum „Fall Wagner"

N. c. W. S. 167 (AD) Antichrist (= D. W. z. M. I)

¡ wie zum „Fall Wagner" I wie zum „Fall Wagner"

Briefe 2, 47, 49, 108, 158 (AB), 188 (147b), 193 (156), 195 (163), 205 (170), 238 f. (206), 256 (240), 276, 269 (263), 281 (287-287a), 296 f. (308-308c), 314, 337 (363), 348 (399), 356 f. (417-417c), 366 (AT), 367 (ATa), 391 (490), 413 (527), 424 f. (546-546c), 434 (554), 454 (608), 457 (612), 464 (BE-BEa), 477 (662), 487 (682), 503 (BK), 526 (BP), 540 (BR), 542 (BS-BSa), 558 (843), 573 (889), 598 (930), 615 (BX), 618 (BZ), 632 (1040-1040e), 637 (CB), 644 (CC), 650 (1121-1121b), 655 (1134), 662 (CI), 681 (1147b), 664 (CJ), 668 (CK-CKa), 678 (CL, CM-CMd), 679 (CMe, CN), 680 (CO-COa) Widmungen S. 3, 6, 8, 9, 16, 23, 27, 29, 39, 71, 72, 79, 94, 95, 107, 141, 161 Ecce homo

S. 194 (AE-AEa), 424 (547a-c), 477 (662), 546 (814)

Nocheinzusehendes Um Auskunft über folgende Veröffentlichungen, die bisher nicht ermittelt werden konnten, wird höflichst gebeten. Es wird daran erinnert, daß, wie in manchem Falle schon angedeutet, fehlerhafte Angaben mit im Spiele sein können: 1 Allg. Zeitung. 1896, Beil. Nr. 164: Biedenkapp, Georg, Nietzsche u. Tolstoi. (BayrSB: „Nicht enthalten"; ÖNB nicht i. d. WAZg) 2 Allg. Zeitung. Nr. 217 v. 24. 9. 1896: Steiner, Rudolf, Mitteilung und Berichtigung. (BayrSB: nicht enthalten) 3 Berliner Börsen-Courier. 29. 8. 1900 oder davor: ein autobiograph. Brief Nietzsches an Brandes, vielleicht in einem längeren Aufsatz von diesem. (22.-31. 8. durchgesehen). Morgenausg. v. 25. 8.? (Bremen u. LABerlin haben nur die Abendausg.). 4 Berliner Herold. 8. Aug. 1897, Zuckermann, S., Ein Besuch im Heim Friedrich Nietzsches in Weimar. (Jg. nicht nachgewiesen, s. Nr. 870) 5 Berliner Signale. Nr. 15 oder 15. Jg. 1899, Goetze, Rudolf, Nietzsches Krankheit (Signale für die musikalische Welt. Berlin. ?; Nicht: Signale f. d. musikalische Welt. Leipzig; noch: Hamburger Signale. Angaben n. Steiner, s. Nr. 865). 6 Der Bund. Bern. Literar. Beil. zw. Dez. 1888 u. März 1893, Aufsatz v. Ludw. Stein üb. Nietzsche. 7 Deussen, Paul, Zur Erinnerung an Gustav Glogau. Kiel 1895. Lipsius & Tischner. 20 S. 8 Deutscher Volksfreund. New York. 10. 9. 1900, S. 575, anonym, Ein gestorbener „Ubermensch". 9 Deutsches Volksblatt. Stuttgart. Nr. 4191, 1900, Jost, Α., etwas über Nietzsche. (UB Tübingen: Nr. viel zu hoch, kann nicht stimmen) 10 Deutsch-sociale Blätter. 1892, Nr. 193 ff. (Georg Adler, Friedrich Nietzsche und sein Zarathustra; laut Verz. v. 1893, s. S. vii) 11 Ferdinand, Maximilian, Sexual-Moral der Gegenwart. 1896. (Kein Nachweis, s. Nr. 591) 12 Frankfurter Zeitung. 1897, Literar. Beil. Gustav Mayer, Besprechung v. Ferd. Tönnies' „Nietzsche-Kultus" (G. M., Erinnerungen. Europa-Vlg. Zür., Wien (1949), S. 115). 13 Die Freiheit. NewYork. 6. 4. 1895: Hartenstein, Arno, „Also sprach Zarathustra". 14 Hamburger Correspondent. Beil. Nr. 19 v. 15. 9. 1895, gez. J. S. (nach D. Hoffmann, S. 502; Staatssarchiv Hamburg: es gibt keine Beilage zu dem Datum) 15 Hamburger Nachrichten. Belletristisch-litterar. Beil., Nr. 238, Morgenausg. v. 6.

xlviii

16 17 18 19

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

34

35

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Nocheinzusehendes

Okt. 1888, anonym, Der Fall Wagner. (Beil. fehlt i. d. Commerzbibl. u. i. Staatsarchiv Hamburg; nicht in Bayreuth; n. Steiner-Verz. v. 1895). Dass. 26. 11. 1895 oder kurz davor etwas üb. Nietzsche, nachgesucht) Kappstein, Theodor, Mitten a. d. Leben. Erinnerungen u. Symbole. 1952. (Kein Nachweis, möglicherweise nie erschienen) Kieler Neueste Nachrichten u. General-Anzeiger f. Schleswig-Holstein. 3. Jg., Nr. 239 v. 11. 10. 1896, Wille, Br„ Friedrich Nietzsche. Kupffer, Elisar, Aus einem wahrhaften Leben, viii, 328 S., 6 Taf. Sanctuarium Artis Elisarion. Minusio-Locarno 1943 (Kosch Bd. 9, 1984, Sp. 731; Kein Nachweis). Lagarde, Paul de, Erinnerungen a. s. Leben. Zusammengestellt v. Anna Lagarde. 1. Aufl. Heims. Lpz. 1918 Lanzky, Paul, Erlöst vom Leid. Novelle. Rostock 1887. (Kein Nachweis) Ders., Neue Gedichte. Lpz. 1893. (Kein Nachweis) Leipziger Kunst. Kurz vor April 1899 eine Artikel-Serie: R. Strauß' Tondichtung „Also sprach Zarathustra" (Kein Nachweis, s. Nr. 868) Leipziger Volkszeitung. 6. Okt. 1897, Steiger, Edgar, etwas üb. d. „Neue Kunst und Ästhetik" (SLB Dresden: nicht enthalten) Märkische Volkszeitung. Nr. 137 v. 29. 8. 1900, anonym, Das Ende eines Wunderknaben. (s. 1058b) Das Magazin für Literatur. Okt. 1892, Andreas-Salomé, Lou, etwas über Nietzsche. (falsche Angaben??) Dass. Nr. 34, 1897: Steiner, Rudolf, etwas über Nietzsche. Miaskowski, Ina v., August v. Miaskowski. E. Lebensbild u. Familienbuch. Als Ms gedruckt Elbing 1901. Petzold. (S. 120, 122-124) (Kein Nachweis) Mitteilungen d. Neuen Klause. 1893. (Bremen: nicht nachweisbar) Müller, Hans von, Genealogie von Nietzsche 1709-1898. 1898. National-Zeitung. Basel. Jan. 1897 oder danach: e. „ausführl." Besprechung d. schwesterl. Lebensbeschreibung (Bd. I u. II). Naumann, Viktor, Das Recht auf Sitte. Drama, ca 1893 (ps.: Pilatus) (Kein Nachweis) Neue Freie Presse. 22.12. 1895 oder kurz danach: Carneri, Bartholomäus v., Eine Besprechung d. 3. Auflage v. M. E. delle Grazies „Gedichte" (Carneri, B. v., Briefwechsel m. E. Haeckel u. Fr. Jodl. Koehler. Lpz. 1922, S. 77. Neues Sächsisches Kirchenblatt. (1894-1900): 1891, Nr. 38, H. Weichelt, Nietzsche-Literatur. (In Leipzig u. SLB Dresden erst ab 1894 sonst kein Nachweis; Mügge, S. 423) New-Yorker Staats-Zeitung. Sonntagsbl., 51,1889: Schücking, Theo, Erinnerungen an Friedrich Nietzsche. (Fehlt in der NYPL, sonst kein Nachweis, vielleicht 1888) Oswald, Joseph Gottfried, Gedichte. 1892. (Kein Nachweis) Palm, Adolf, Im Lindenhof. Das Lob d. Armut, (soll Nietzsche hiermit ein Denkmal gesetzt haben). Die Mutter Gottes von Altötting. DVA. St. u. Lpz. 1900. (Kein Nachweis; möglicherweise Adolf Müller-Palm, Chefredakteur d. NTbl)

Nocheinzusehendes

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38 Post. 1892, Nr. 137 (R. M., Zur Literatur der Philosophie des Idealismus; laut Verz. v. 1893) 39 Die Sachsenwarte. 6. Jg., Nr. 13 v. 27. 10. 1900, S. 195-198, Zerbst, Max, Friedrich Nietzsche. Eine Studie als Gedenkblatt. (Kein Nachweis) 40 Schallmayer, Wilhelm, Uber d. drohende körperl. Entartung der Kulturmenschheit u. d. Verstaatlichung d. ärztlichen Standes. Heusers Vlg. Neuwied 1891. (U. Bonn, sonst kein Nachweis) 41 Schwäbischer Merkur, anonym, Friedrich Nietzsche (den Anfang (= 1. Tl.) e. Aufsatzes, der i. d. Beil. = Schwäbische Kronik am 6. 10. 1900, S. 13 f. abgeschlossen wurde, s. Nr. 1154). 42 Der Socialist. 14. 2. 1895, Zur Ethik des Anarchismus. 0g. fehlt im Instituut v. Sociale Geschiedenis u. i. d. SBPrKb) (vielleicht: Der Sozialist. Organ d. unabhängigen Sozialisten. Bln. 1891-99) Jahr könnte falsch sein. 43 Der Tag. 1900 oder 1901, Nr. 273 Alfred Kerr, etwas über Nietzsche. 44 Teichmann, Lisbeth, Erlauschtes und Erlebtes. Modernes Verlagsbureau. Lpz. 1906. (Kein Nachweis) 45 Thomas, G. F. L., Ein Leben in Briefen 1875-1921. 1963. (Kein Nachweis) 46 Türk, Julius, Kraft. 1899. (Kein Nachweis, s. Nr. 808.) 47 Vorwärts. Jan. oder Febr. 1894, Steiger, Edgar, etwas über Nietzsche. 48 Wage. Bd. 2, 1899, Hollitscher, etwas über Nietzsche. 49 Weser-Zeitung. 1898 oder 1899 Feuilleton-Artikel v. J. üb. d. Verbreitung von Nietzsches Schriften. 50 Der Westen. 23. 5. 1897, etwas über Nietzsches Mutter. 51 Die Zeit. Wien. 1898, S. 326-331, Literatur über Nietzsche. 52 Zeitspiegel. 29. Nov., 8. u. 22. Dez. 1894 u.26. Jan. 1895: Zerbst, Max, Friedrich Nietzsche u. s. Auffassung d. Cultur. (Kein Nachweis; Steiner-Verz. v. 1895)

A m 2 9 . D e z e m b e r 1 8 7 1 lag f o l g e n d e S c h r i f t f e r t i g g e d r u c k t v o r : I D i e / G e b u r t der T r a g ö d i e / aus d e m / Geiste der M u s i k . / V o n /

Friedrich

N i e t z s c h e , / o r d e n t i . P r o f e s s o r der classischen Philologie an der / U n i v e r s i t ä t Basel. / [Titelbildchen des befreiten P r o m e t h e u s ] / Leipzig. / Verlag v o n E . W . F r i t z s c h . / 1 8 7 2 . iv, 143 S. ( D r u c k v o n B r e i t k o p f u n d H ä r t e l in Leipzig). 8°. A l s d e r V e r f a s s e r i n B a s e l a m 2 . J a n u a r die e r s t e n F r e i e x e m p l a r e z u g e s c h i c k t b e k a m , w a r e n er u n d seine G e d a n k e n erst einer geringen A n z a h l v o n F r e u n den u n d B e k a n n t e n , ehemaligen L e h r e r n u n d n e u e n Basler Kollegen einigermaßen vertraut.1

ι In den Jahren 1866 bis 1868 hatte Nietzsche in dem im Dezember 1865 von ihm mitbegründeten „Philologischen Verein" an der Universität Leipzig, dessen erster Vorsitzender er auch wurde, sechs Vorträge gehalten: „Die letzte Redaction der Theognidea" am 18. 1. 1866; „Uber die litterarhistorischen Quellen des Suidas" am 1. 6. 1866; „Die Π Ι Ν Α Κ Ε Σ der aristotelischen Schriften" am 1. 2. 1867; „Der Sängerkrieg auf Euboea" im Juli 1867; „Uber die Varronischen Satiren und den Cyniker Menippus" am 6. 11. 1868; „Die Gleichzeitigkeit Homers und Hesiods". Er war auch des öfteren an den sogenannten „Miscellenabenden", die anstelle von Vortragsabenden gelegentlich eingesetzt werden mußten, hervorgetreten. Seine Stellung innerhalb des Vereins wird folgendermaßen umrissen: „Er war die Seele des Vereins, das spricht aus den Berichten jener Zeit, und die damaligen Mitglieder bekennen gerne, daß sie mit Bewunderung zu der geistigen Überlegenheit ihres Altersgenossen emporgeschaut hätten." (s. Nr. 165, S. 4). Ahnlich äußerte sich Curt Wachsmuth im Jahre 1904: „Beiläufig sei bemerkt, daß Nietzsche für das Aufblühen des Vereins, dessen erster Vorsitzender er wurde, andauernd, sogar noch über die Studienzeit hinaus sich auf das lebhafteste interessierte und noch heute von dem Verein als ήρως κτίστης verehrt wird." (NRs 1904, S. 259 Anm.). Zu den einstweiligen Mitgliedern des Vereins zählten zu damaliger Zeit folgende Studenten: ANDRESEN, GEORG, aus Holstein, geb. am 19. 2. 1845, später Gymnasialprofessor in Berlin und Mitherausgeber der „Wochenschrift für klassische Philologie"; ANGERMANN, CONSTANTIN THEODOR, aus Höckendorf, promovierte 1868 zu Leipzig mit einer Arbeit zur altgriechischen Sprachwissenschaft, zunächst an der Fürstenschule St. Afra in Meißen und später Gymnasialdirektor in Plauen; ARNOLDT, RICHARD (Gumbinnen 26. 11. 1845 - 16. 10. 1910), später Direktor des städtischen Gymnasiums in Prenzlau; CRON, HEINRICH, aus Erlangen, gestorben zu Anfang der 70er Jahre als Studienlehrer in Ansbach; HEYNEMANN, SIGISMUND SUSZMANN (Halberstadt 22. 12. 1841 - Ballenstedt a. H. 3. 12. 1903), war seit April 1864 in

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1866 / 71 „In der societas [...] hatte [...] Nietzsche die Führung"

Bonn und folgte Ritsehl dann nach Leipzig, wo er bis zum Herbst 1866 und der Übersiedlung nach Berlin blieb, promovierte 1871 in Bonn mit einer Arbeit über Horaz, 1886 vom Judentum zum Christentum übergetreten, s. seine „Zwei Briefe eines jüdischen Getauften", Dörffling & Franke. Lpz. 1886. 46 S., 1 Bl. (=Vlgs.-anz.); 2. erw. Aufl. 1909. 48 S., 1 Bl. (=Vlgs.-anz.) sowie die von Gustav Krüger aus dem Nachlaß herausgegebenen „Analecta Horatiana", F. A. Perthes. Gotha 1905; war auch Mitglied der Ritschlschen „societas". In den 90er Jahren soll er über die Leipziger Zeit gesagt haben: „Man hätte damals nicht ahnen können, daß Nietzsche in solcher Weise [d. h. in seiner Feindschaft zum Christentum] entwickeln könnte." (Gnade u. Wahrheit. Erinnerungen aus dem Leben des P[aul] J[ohannes] S. S. Heynemann, Dr. phil. Aus seinem schriftlichen Nachlaß zusammengestellt. M. e. Vorw. v. D. Dr. H e r m a n n Bezzel. A. Deichen Nf. Lpz. 1909, S. 117). Die enthaltenen Aufzeichnungen, aus Briefen und Tagebucheintragungen, bieten eine lebhafte, unmittelbare Schilderung vor allem von Ritsehl und Jahn sowohl als Menschen wie auch als Lehrern. Ansonsten enthält das Werk den Brief Nietzsches an Heynemann v. 9. 5. 1868 im Erstdruck sowie Erwähnungen Nietzsches in Briefen Rohdes und Ritschis an Heynemann, s. sonst KGB I / 4, S. 707 f.; KALLMEYER, F. OSKAR, aus Dresden, noch als Student im Oktober 1866 gestorben; KINKEL, GOTTFRIED (Poppelsdorf b. Bonn 13. 7. 1844 - ebd. 1891), Sohn des gleichnamigen Dichters, promovierte 1866 zu Leipzig mit einer Arbeit über Hesiod, später Privatdozent und Kustos der Kupferstichsammlung in Zürich; KOHL, OTTO, geb. am 13. 9. 1844 zu Eisenach, promovierte 1868 zu Leipzig mit einer Arbeit über Kant, später Oberlehrer in Barmen, s. sonst KGB I / 4, S. 709; KOHLSCHÜTTER, OTTO, aus Dresden, promovierte 1868 zu Göttingen mit einer geschichtlichen Arbeit über Venedig, gestorben als Oberlehrer am Realgymnasium in Osnabrück; ROHDE, ERWIN (Hamburg 9. 10. 1845 - Heidelberg 11. 1. 1898), war schon seit der gemeinsam im Stoyschen Institut in Jena verbrachten Schulzeit, 1856-59, mit von Gersdorff bekannt, nähere Bekanntschaft mit Nietzsche seit dem Sommersemester 1866 in Leipzig, obwohl er, wie Nietzsche, sein erstes Semester in Bonn verbracht hatte; promovierte März 1869 in Kiel, seit Winter 1870 Dozent und seit Frühjahr 1872 Extraordinarius ebenda, Frühjahr 1876 Ubersiedlung nach Jena, Sommer 1878 nach Tübingen, Frühjahr 1886 nach Leipzig und schon zum Wintersemester nach Heidelberg, s. sonst KGB I / 4, S. 724 ff.; Umfängliches zu Rohde bringt Hubert Cancik in der Arbeit „Erwin Rohde - ein Philologe der Bismarckzeit." (Semper Apertus. Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Bd. II: Das neunzehnte Jahrhundert 1803-1918. Hg. v. Wilh. Doerr u. A. Springer Vlg. Bln., Heidelb., N e w York, Tokyo (1985), S. 436-505); ROMUNDT, HEINRICH FRIEDRICH RUDOLPH (Freiburg in Hannover 27. 12. 1845 - Bischofswerda 10. 5. 1919), studierte 18651867 Klassische Philologie zu Leipzig und promovierte 1869 ebendort, Herbst 1872 bis Frühling 1875 Privatdozent der Philosophie in Basel, später verschiedentlich Gymnasiallehrer und in den 90er Jahren an der Mittelschule in Freiburg a. d. Elbe, zuletzt Privatgelehrter in Dresden, s. sonst KGB I / 4, S. 727 f.; ROSCHER, WILHELM HEINRICH (Göttingen 12. 2. 1845 Dresden 9. 3. 1923), Mytholog, Sohn des Professors der Nationalökonomie in Leipzig, seit 1869 Gymnasiallehrer, 1893-1905 Gymnasialdirektor in Würzen (sein Zeugnis über Nietzsches Stellung im Verein gibt Crusius wieder: „In der societas freilich, wie im Verein hatte nicht Rohde, sondern Nietzsche die Führung [...]" (O. C., Erwin Rohde. Ein biographischer Versuch. Mohr. Tüb. u. Lpz. 1902, S. 11; die Fortsetzung der Angaben beruht dann wohl auf eigenem Erleben: „noch in der Mitte der Siebenziger Jahre - zu einer Zeit, wo von einer Wirkung Nietzsche's auf breitere Massen nicht die Rede sein konnte - war ein Nachzittern der Bewegung, die von ihm ausgegangen war, in diesen Kreisen deutlich zu spüren."); WINDISCH, ERNST (Dresden 4. 9. 1844 - Leipzig 30. 10. 1918), habilitierte sich schon 1869 in Leipzig, 1872-75 o. Professor der indogermanischen Philologie in Heidelberg, 1875-77 in Straßburg, danach in Leipzig als Professor der keltischen und indischen Philologie, redigierte 1880-1902 die „Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft", s. sonst KGB I / 4, S. 733 f.;

1866 / 71 „der Abgott [...] der ganzen jungen Philologenwelt hier in Leipzig"

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WISSER, HEINRICH WILHELM (Klenzau b. Eutin 27. 8. 1843 - Oldenburg 15. 10. 1935), Märchenforscher, studierte zunächst bei Ribbeck in Kiel und ab Herbst 1865 drei Semester in Leipzig, später Gymnasialdirektor in Eutin. Der erste der genannten Vorträge war aus einer im Sommer 1864 entstandenen Pfortenser Valediktionsarbeit „De Theognide Megarensi" hervorgegangen und hatte seinerseits in Leipzig auf Anregung von Nietzsches Lehrer und Gönnen RlTSCHL, FRIEDRICH WILHELM (Großvargula b. Erfurt 6. 4. 1806 - Leipzig 9. 11. 1876), Lehrer Nietzsches sowohl in Bonn wie auch in Leipzig, zuletzt Professor der klassischen Philologie an der Universität Leipzig. Nietzsches Berufung nach Basel betreffend schrieb er am 9. 12. 1868 an Professor Kießling, dessen Weggang die Berufung eben zur Folge haben sollte: „Sie fragen zugleich nach dem Fr. Nietzsche auf den Sie mit Recht aufmerksam geworden sind durch seine vortrefflichen Arbeiten im Rhein. Museum [...] Er ist der erste, von dem ich schon als Studenten überhaupt Beiträge aufgenommen [...] Er ist der Abgott und (ohne es zu wollen) Führer der ganzen jungen Philologenwelt hier in Leipzig." An Wilhelm Vischer-Bilfinger schrieb Usener am 18. 12. 1868 u. a.: „Unter der jüngsten Generation ragt F. Nietzsche hervor, dessen Arbeiten im Rhein. Museum (B 22 u. 23) durch jugendliche Frische und eindringenden Blick überraschen." S. sonst KGB I / 4, S. 721 ff.; die erste gedruckte Arbeit gezeitigt: A Zur Geschichte der Theognideischen Spruchsammlung. (RhMus NF 22. Jg., Anfang März 1867, S. 161-200). Abdrucke gingen an die vormaligen Leipziger Studiengenossen: GERSDORFF, CARL FREIHERR VON (Jena 26. 12. 1844 - Brückenberg im Riesengebirge 26. 8. 1904 durch Freitod), Schüler in Schulpforta seit dem 3. Oktober 1859, nähere Bekanntschaft mit Nietzsche dort aber erst seit 1863, damals in Berlin, zuletzt Landwirt in Hohenheim, s. sonst KGB I / 4, S. 705 f.; MUSHACKE, HERMANN (Berlin 15. 7. 1845 - Hildesheim 12. 7. 1906), damals in Berlin, zunächst Oberlehrer und zuletzt Professor in Hildesheim, Bekanntschaft mit Nietzsche seit dem Sommersemester 1865 in Bonn, s. sonst KGB I / 4, S. 712; sowie an den vormaligen Pfortenser Schulfreund: DEUSSEN, PAUL (Oberdreis / Westerwald 7. 1. 1845 - Kiel 6. 7. 1919), Bekanntschaft mit Nietzsche seit 1859 in Schulpforta, dort bis 1864 mit ihm zusammen, darauf gemeinsame Ferien und Studiensemester in Bonn bis August 1865, wurde gleichzeitig mit Nietzsche Mitglied der Burschenschaft Franconia in Bonn, ging damals gerade nach Berlin, zunächst Gymnasiallehrer in Marburg, dann sieben Jahre Hauslehrer, habilitierte sich erst 1881 zu Berlin, seit 1889 Professor der Philosophie in Kiel, Begründer und bis zu seinem Tode Vorsitzender der Schopenhauer-Gesellschaft; s. sonst KGB I / 4, S. 699 ff.; sowie an: VOLKMANN, DIEDERICH (Bremen 13. 9. 1838 - Großtabarz 13. 7. 1903), 1861-73 Magister,

1878-98 Rektor in Pforta, und zwar mit der Widmung: „Herrn Dr. Volkmann empfiehlt sich F. N." (n. d. Versteigerungskatalog Leo Liepmannssohn Nr. 38 v. 21. u. 22. 5. 1909, S. 27, Nr. 255), s. sonst KGB I / 4, S. 730. Dieser Arbeit waren dann in der gleichen Zeitschrift gefolgt: C Beiträge zur Kritik der griechischen Lyriker. / I. / Der Danae Klage. (RhMus NF 23. Jg., Anfang Juni 1868, S. 480-489). Hiervon erhielten von Gersdorff und Rohde einen Abdruck. D De Laertii Diogenis fontibus / scripsit / Fridericus Nietzsche. / I. De Diocle Magnete. II. De Favorino Arelatensi. (RhMus NF 23. Jg., Ende Sept. 1868, S. 632-653). Hiervon erhielten Einzelabzüge Rohde in Hamburg, Romundt (mit der Widmung: „Henrico Romundtio / amico / F. N." n. d. J. A. Stargardt Kat. 626 v. Juni 1982, S. 155, Nr. 456), Val. Rose (m. d. Widmung: „Herrn Dr. Rose hochachtungsvoll F. N. Leipzig, Octob. 1868" n. einem Verzeichnis der Buchhandlung Gustav Fock, Leipzig) und Volkmann (m. d. Widmung: „Herrn Oberlehrer Dr.Volkmann freundschaftlichst F. N. Leipzig. Lessingstr. 22, 2 Trepp, bei Prof. Biedermann." n. d. Versteigerungskatalog Leo Liepmannssohn Nr. 38 v. 21. u. 22. 5. 1909, S. 27, Nr. 256).

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1867 / 71 Beiträge zum „Rheinischen Museum" und „Litterarischen Centralblatt"

J D e Laertii Diogenis fontibus / scripsit / Fridericus Nietzsche. / (cf. vol. X X I I I p. 632 sqq. / III. De Demetrio Magnete. IV. De Demetrio Dioclis fonte. V. De ceteris Dioclis fontibus. VI. D e Laertio et Hesychio) (RhMus N F 24. Jg., Ende März 1869, S. 181-228). Hiervon erhielt Rohde wiederum einen Abzug. Diese letzte mehrteilige Arbeit stellt den wenig geänderten Abdruck einer preisgekrönten Arbeit dar, die in Erfüllung der von Ritsehl zum Universitätsfest vom 31. Oktober 1867 gestellten Preisaufgabe zwischen Dezember 1866 und Juli 1867 geschrieben worden war. Ν Analecta Laertiana / scripsit / Fridericus Nietzsche. (RhMus N F 25. Bd., Mitte März 1870, S. 217-231). Hiervon erhielt Franz Overbeck später einen Sonderabdruck. Ρ D e r Florentinische Tractat über Homer und Hesiod, / ihr Geschlecht und ihren Wettkampf. / I. Die Form des Wettkampfes. II. Alcidamas als Urheber der Form des Wettkampfes. (RhMus N F 25. Bd., 1870, S. 528-540). R Registerheft zu B a n d l - X X I V der neuen Folge (1842-1869). 1871. Ein Exemplar ließ Nietzsche noch im Jahre 1871 Wagner zusenden. Im April 1868 hatte dann auch Nietzsches Tätigkeit als Buchbesprecher angefangen; die Anzeigen erschienen sämtlich im „Literarischen Centralblatt für Deutschland", das von dem Leipziger Germanisten: ZARNCKE, FRIEDRICH (Zahrensdorf / Mecklenburg-Schwerin 7. 7. 1825 - Leipzig 15. 10. 1891), Professor der deutschen Philologie in Leipzig, s. sonst K G B I / 4, S. 734 f., herausgegeben wurde: Β Die hesiodische Theogonie ausgelegt und beurtheilt von G. F. Schoemann. Bln. 1868. Weidmann. 308 S. (LCB1 Nr. 18 v. 25. 4. 1868, Sp. 481 f.). E Anacreontis Teii quae vocantur Συμποσιακά ήμιάμβια. Ex anthologiae Palatinae vol II. nunc Parisiensi post Henr. Stephanum et Jos. Spalletti tertium edita a Val. Rose Lpz. 1868. Teubner. xxiv, 70 S. (LCB1 Nr. 45 ν. 31. 10. 1868, Sp. 1224). ROSE, VALENTIN (1829 - 1916), klassischer Philologe, damals Bibliothekar an der königlichen Bibliothek zu Berlin. F Nitzsche, Rieh., quaestionum Eudocianarum capita quatuor. Leipziger Doktordissertation Altenburg 1868. 46 S. (LCB1 Nr. 48 v. 21. 11. 1868, Sp. 1309). G Theognidis Elegiae. E codicibus Mutinensi Veneto 522 Vaticane 915 edidit Christopherus Ziegler. Tüb. 1868. Laupp. viii, 68 S. (LCB1 Nr. 6 v. 30. 1. 1869, Sp. 144). H Bernays, Jacob, Die Heraklitischen Briefe. Ein Beitrag zur philosophischen und religionsgeschichtlichen Litteratur. Bln. 1869. Hertz. 2 Bll., 159 S. (Ebd., Sp. 145). I Άριστοξίνου αρμονικών τα σωζόμενα. Die harmonischen Fragmente des Aristoxenus. Griechisch und deutsch mit kritischem und exegetischem Commentar und einem Anhang die rhythmischen Fragmente des Aristoxenus enthaltend, hg. v. Paul Marquard. Bln. 1868. Weidmann. xxxvii, 415 S. (Ebd., Sp. 145 f.). L Rohde, Erwin, über Lucian's Schrift Αούκιος η Όνος und ihr Verhältnis zu Lucius von Patrae und den Metamorphosen des Apulejus. Eine litterarhistorische Untersuchung. Lpz. 1869. Engelmann. 52 S. (LCBl Nr. 15 v. 3. 4. 1869, Sp. 426 f.). Die Drucklegung von Rohdes Schrift bei Engelmann hatte Nietzsche vermittelt; s. O . Crusius, Erwin Rohde, a. a. O . , S. 29 f. Nietzsche war es auch, der schon Anfang der 70er Jahre Zarncke auf Rohde als Besprecher für das „Literarische Centralblatt" aufmerksam machte; ebd., S. 53. O Byk, S. Α., der Hellenismus und der Piatonismus. Lpz. 1870. Pernitzsch. 45 S. (LCBl Nr. 37 v. 3. 9. 1870, Sp. 1001 f.). Nietzsche hatte schon Sommersemester 1866 „deutsche Litteratur" bei Zarncke gehört und machte dessen persönliche Bekanntschaft spätestens Anfang November 1868; angesichts der etwas länger als zweijährigen Besprechertätigkeit Nietzsches und der persönlichen Bekanntschaft mit dem Herausgeber verdient folgende Äußerung angeführt zu werden: „Es macht einen fast komischen Eindruck, wie seine [d. s. Nietzsches] Urteile über Personen plötzlich umschlagen, sobald er bei ihnen die gehoffte Förderung seiner Pläne nicht fand; der Begrün-

1869 Antrittsrede in Basel: Über die Persönlichkeit Homers

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der des Literarischen Zentralblattes wußte auch ein Lied davon zu singen." (LCBl Nr. 5 v. 30. 1. 1904, Sp. 156, anläßlich der Besprechung der ersten beiden Briefbände). Uber Nietzsches damaliges Auftreten in Leipzig lese man auch den begeisterten Brief des derzeitig dort studierenden Schweizers Gustav Bovet vom 14. 1. 1869 (NSchwRs H. 6 v. Okt. 1948, S. 377-380); BOVET, GUSTAV (Waldenburg 9. 3. 1847 - Liestal 16. 11. 1904), studierte in Basel und Leipzig klassische Philologie, zuletzt Rechtsanwalt in Liestal. Nach der Schwester, Elisabeth Förster-Nietzsche, rezensierte ihr Bruder „gelegentlich für die .Deutsche Allgemeine Zeitung' Concerte und Vorlesungen" im Winter 1868 / 69 in Leipzig (s. Nr. 417, S. 287). Sie stützt sich hierbei vermutlich auf eine Äußerung ihres Bruders in einem Brief an Erwin Rohde vom 27. Oktober 1868: „Gelegentlich gehe ich jetzt als Vertreter der Deutschen Allgemeinen in Conzerte und Vorlesungen; ja sogar die Kritik der Oper ist mir offerirt [...]" Der Nachbericht zu dieser Briefstelle (BAB II, S. 458) stellt aber fest, daß diese Zeitung keine Beiträge Nietzsches gebracht habe. Die Vermutung liegt aber nahe, der Aussage Nietzsches dennoch zu glauben, da er in dieser Zeit, von Mitte Oktober 1868 bis Mitte März 1869, bei der Familie Biedermann in Pension war; BIEDERMANN, KARL (Leipzig 25. 9. 1812 - ebd. 5. 3. 1901), Geschichtswissenschaftler, Führer der sächsischen NationalLiberalen, ao. Prof. an der Universität und Schriftleiter der „Deutschen Allgemeinen" ebenda bis zu deren Eingehen 1879; s. sein: Mein Leben und ein Stück Zeitgeschichte. 2 Bde. S. Schottlaender. Breslau 1886. 3 Bll., 393 S., 3 Bll. / 1 Taf., 3 Bll., 425 S., über das, was Nietzsche und das von ihm erwähnte gesellschaftliche Leben der Familie Biedermann betrifft, sonst aber wenig ergiebig. Nach der Berufung nach Basel wurde Nietzsche am 23. März 1869 das Doktordiplom ohne Prüfung und Dissertation auf Grund der schon bis dahin im „Rheinischen Museum" (s. A, C, D, J , N, P, R) veröffentlichten Arbeiten von der Universität Leipzig ausgestellt worden, und am 28. Mai desselben Jahres hatte er seine Antrittsrede „Uber die Persönlichkeit Homers" in der Aula des Museums zu Basel gehalten. Diese war dann das ganze Jahr hindurch im Manuskript umhergewandert: nach Leipzig an Romundt und Ritsehl, nach Naumburg an Mutter und Schwester: NIETZSCHE, FRANZISKA (geb. Oehler, Pobles 2. 2. 1826 - Naumburg 20. 4. 1897), seit Juli 1849 verwitwet, s. sonst K G B I / 4, S. 714 f.; NIETZSCHE, THERESE ELISABETH ALEXANDRA (Röcken 10. 7. 1846 - Weimar 8. 11. 1935), 1885-1889 mit Bernhard Förster verheiratet, zuletzt Nachlaßverwalterin in Weimar, s. sonst K G B I / 4, S. 702 ff.; sowie an: WENKEL, FRIEDRICH AUGUST (Buhle b. Nordhausen 8. 4. 1832 - Naumburg 25. 7. 1894), seit 1865 Oberpfarrer an der Wenzelskirche in Naumburg, Ostern 1859 Lehrer an der Bürgerschule und bis März 1862 erster Lehrer an der höheren Töchterschule in Naumburg, seit Sommer 1868 ein Schopenhauerverehrer und nähere Bekanntschaft mit Nietzsche, s. sonst K G B I / 4, S. 733; nach Tribschen an: WAGNER, RICHARD (Leipzig 22. 5. 1813 - Venedig 13. 2. 1883), Bekanntschaft mit Nietzsche seit dem 8. 11. 1868 in Leipzig; BÜLOW, COSIMA VON (geb. Liszt, Bellagio am Comersee 25. 12. 1837 - Bayreuth 1. 4. 1930), die in ihrem Tagebuch am 26. 8. 1869 den Vortrag als „vortrefflich" bezeichnete. (C. W. Die Tagebücher. Bd. I 1869-1877. Ed. u. komm. v. Martin Gregor-Dellin u. Dietrich Mack. Piper. Mchn., Zür. (1976), S. 145). Gerade im Zusammenhang mit dieser Schrift fiel der erste Mißton im Wagner-Cosima-Nietzsche-Verhältnis. Am 11. 5. 1871, also fast volle zwei Jahre später, vermerkte Cosima: „Ich erfahre an diesem Abend durch Clemens Br., daß Pr. Nietzsche seinen Homer, den er mir gewidmet hatte, mit demselben Gedicht nun auch seiner Schwester gewidmet hat. Ich muß zuerst darüber lachen, dann aber, mit R. sprechend, hier einen bedenklichen Zug, wie eine Sucht des Verrats, gleichsam um sich gegen einen großen Eindruck zu rächen, erkennen." (Ebd., S. 387); Bekanntschaft mit Nietzsche seit dem 17. 5. 1869 in Tribschen.

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1870 „Vortrag über das griechische Musikdrama" in Tribschen

Endlich war die Rede dann im Dezember 1869 als Privatdruck, „nur für den engsten Kreis bestimmt", an eine beschränkte Öffentlichkeit gelangt: Κ Homer / und / die klassische Philologie. / Ein Vortrag / von / Friedrich Nietzsche. / Basel, / 1869. 24 S. 8°. Das Werk ging dann an die Schwester (mit der gedruckten Widmung: „Meiner theuren und einzigen / Schwester Elisabeth / als der / fleißigen Mitarbeiterin / auf den Stoppelfeldern der / Philologie. / Weihnachten 1869.") und Wenkel in Naumburg, Rohde in Kiel, Ritsehl und dessen Frau in Leipzig: RlTSCHL, SOPHIE, geb. Guttentag am 21. 8. 1820, Tochter des leitenden, 1850 schon verstorbenen Arztes am Breslauer jüdischen Krankenhaus Samuel Guttentag, Bekanntschaft mit Nietzsche durch ihren Gatten seit dem 4. 12. 1865. Theodor Ackermann brachte ein Bild Nietzsches („Kniestück en face mit Hut u. Mantel") mit folgender handschriftlicher Widmung zur Versteigerung: „Das Bild eines Genesenden. An Frau Geheimräthin Ritsehl mit herzlichen Grüßen." (Kat. 642, 1963, S. 23, Nr. 549), nur die Entstehungszeit dürfte nicht „in die .Sorrentiner Zeit' Nietzsches fallen", sondern in den März / April 1871, s. sonst KGB I / 4, S. 723 f.; sowie an: STEDEFELDT, HERMANN (Langensalza 14. 8. 1844 - bei Vionville 16. 8. 1870 gefallen), in Schulpforta, promovierte 1867, danach Gymnasiallehrer am Grauen Kloster zu Berlin; an Gersdorff in Berlin und durch diesen an: KRÜGER, PAUL (Halberstadt 14. 1. 1842 - 11. 10. 1914), Jurist, ehemaliger Pfortenser und Schulkamerad des Ernst Freiherrn von Gersdorff, des im Januar 1867 verstorbenen ältesten Bruders des Carl von Gersdorff, zuletzt Landesgerichtsdirektor in Altona; WlESIKE, CARL FERDINAND (Brandenburg a. d. Havel 24. 12. 1798 Plauerhof b.Brandenburg 11. 10. 1880), Gutsbesitzer, Landwirt und Schopenhauerverehrer, Oheim Krügers, durch den von Gersdorff ihn schon im Spätsommer 1868 kennengelernt hatte. Die letzte Erwähnung Wiesikes fällt in einem Brief von Gersdorff an Nietzsche vom 1. Februar 1872. Darin schreibt Gersdorff, daß er „die Geburt" dem „alten Wiesike angelegentlichst" empfohlen habe. Ob dieser sich das Werk sowie später etwa „Schopenhauer als Erzieher" angeschafft hat, ließ sich nicht ermitteln; s. jetzt die Schreiben Wiesikes an Nietzsche vom Oktober 1869 u. 14. 1. 1871 in KGB II / 2, S. 64, 314 ff.; durch Cosima an: PORGES, HEINRICH (Prag 25. 11. 1837 - München 17. 11. 1900), obwohl Jude ein früher Anhänger Wagners, 1864 nach München berufen, wo er 1871 zum königlich bayerischen Musikdirektor ernannt wurde. Von seinem späteren „Haß" auf Nietzsche erzählt Seidl aus dem Jahre 1899: „[...] er sah einmal in dem späteren Nietzsche ein durchaus .destruktives' Element und verachtete den Abtrünnigen mit dem ganzen Hasse seiner grundehrlichen Seele." (A. S., Neue Wagneriana. 1914. Bd. II, S. 67). Als unmittelbare Vorläufer der „Geburt" sind die öffentlichen Vorträge anzusehen, die Nietzsche am Anfang des Jahres 1870 im Museum zu Basel gehalten hatte: „Das griechische Musikdrama" am 18. 1. 1870; „Sokrates und die Tragödie" am 1. 2. 1870. Als dem Vortragenden wohl wichtigster Zuhörer ist anzunehmen: BURCKHARDT, JACOB (Basel 25. 5. 1818 - ebd. 8. 8. 1897), Professor der Geschichte und Kunstgeschichte in Basel 1858-1893. Der zweite der beiden Vorträge ging dann sofort im Manuskript an Wagner und Frau von Bülow nach Tribschen, und diese vermerkte am 3. 2. 1870 dazu: „Abends liest R. den Vortrag vor, was uns sehr anregt." (C.W. Die Tagebücher. Bd. I [...] a. a. O., S. 194). Den ersten Vortrag trug Nietzsche selber am 11. 6. 1870 im Beisein von Rohde in Tribschen vor: „[...] Pr. N. liest uns abends seinen Vortrag über das griechische Musikdrama, über welche Benennung R. ihn anhält und sie ihm mit Gründen verweist. Der Vortrag ist schön und zeigt, daß er das griechische Kunstwerk recht empfunden hat." (Ebd., S. 243). Der in Basel geborene Lyriker Rudolf Binding erzählt aus Berichten seines Vaters, der selber als recht junger Mensch an die dortige Universität berufen worden war: „Ein ganz junger kam: Friedrich Nietzsche. Mein Vater sagte mir von jener Zeit: er habe sozusagen die ,Ge-

1870 „Beiträge zur Quellenkunde des Laertius Diogenes"

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burt der Tragödie aus dem Geiste der Musik' noch als Kolleg gehört; denn die jungen Dozenten besuchten gegenseitig ihre Vorlesungen. ,Hat man ihn denn damals dort schon erkannt?' fragte ich, als von dem Basel jener Zeit die Rede war. ,Daß er ein geistreicher Kerl war merkte natürlich jeder und gab es zu', antwortete mein Vater. .Aber einer der eigentlich nur in Aphorismen redete - ? so was galt damals nichts rechtes - Ja! Es falle ihm doch wenigstens etwas ein, habe einer zur Verteidigung Nietzsches bemerkt. - Nun ja! aber er gehe ja auch den ganzen Tag spazieren! da müsse ihm doch auch etwas einfallen.'" (R. G. B., Erlebtes Leben. Rütten & Loening. Ffm. 1928 (8.-15. Tsd.), S. 12); BINDING, CARL LUDWIG (Frankfurt am Main 4. 6. 1841 - Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), ordentlicher Professor für Strafrecht an der Universität Basel 1867-1870, später in Freiburg, Straßburg und Leipzig. Aus der gleichen Zeit erzählt der damals zwölfjährige Walther Siegfried (1858 - 1947) vom Leben in Basel: „Regelmäßig wie eine Uhr ging Tag für Tag um die Mittagszeit ein Herr, von einer jugendlichen Dame begleitet, vor unseren Fenstern vorüber, der nur ein deutscher Professor sein konnte. Er hatte einen auffallend großen braunen Schnurrbart und eine goldene Brille, ging in sehr aufrechter Haltung und trug stets schwarzen Rock, hellgraue Beinkleider und einen hellgrauen breitrandigen Filzhut, alles peinlich frisch und gebürstet wie eben aus der Schachtel. Ebenso unabänderlich war das Fräulein in die zartesten Farben gekleidet, himmelblau oder rosa; Vergißmeinnicht oder Röschen auf dem Hut. An ihrem gleichen, kinderhaften Teint .Milch und Blut' und an ihrem ähnlichen Gange, mit ganz kurzen Schritten, vermutete man, daß es Geschwister sein mußten. Es war der Herr Professor Friedrich Nietzsche und seine Schwester Elisabeth. Sie wohnten am nahen Schützengraben, später am Spalentorweg, und gingen ins Schützenhaus zu Tisch." (W. S., Aus dem Bilderbuch eines Lebens. Aschmann & Scheller. Zür. u. Lpz. (1926), S. 20 f.). Am 9. April 1870 war Nietzsche zum ordentüchen Professor ernannt worden, und im selben Monat war eine Gratulationsschrift des Paedagogiums zu Basel zur Feier der 50jährigen Lehrtätigkeit dortselbst von Prof. Dr. Fr. D. Gerlach erschienen. Diese enthielt neben Schulmäßigem folgenden Beitrag Nietzsches: M Beiträge zur Quellenkunde und Kritik des Laertius Diogenes. (Basel. C. Schultze's Universitätsbuchdruckerei. 1870. S. 1-36). 4°. Seite 3, Zeile 129-34 der Schrift ist noch während des Druckes von Nietzsche, wohl auf Grund eines Hinweises von Ritsehl (vgl. B A B III, S. 54 u. 416), geändert worden. Die bereits gedruckten Exemplare wurden, wenigstens zum Teil, durch Uberkleben mit dem neuen Text berichtigt. Schaberg vermutet eine Auflage von 100200 Stück. Exemplare sandte Nietzsche an den Leipziger Studienfreund Roscher (s. K G B II / 2, S. 217) sowie an: ZELLER, EDUARD (Kleinbottwar / Württemberg 22. 1. 1814 - Stuttgart 19. 3. 1908), Professor der Philosophie in Heidelberg, der am 22. Mai an Nietzsche schrieb: „Diese Untersuchungen über die Quellen des Diogenes sind gewiß von höchstem Werthe; und das Ergebniß, welches sich mir schon nach Ihrer früheren Abhandlung empfohlen hatte, daß Diokles die Hauptquelle gewesen sei, ist durch die gegenwärtige noch weiter bestätigt worden." (Ebd., S. 211). Ritsehl hatte im März 1870 damalige oder ehemalige Mitglieder seiner „Societät" angeregt, philologische Arbeiten abzufassen oder schon vorhandene drucken zu lassen. Nietzsche hatte daraufhin im Laufe des Jahres „eine ganze Kette von Untersuchungen Uber Homer und Hesiod im gegenseitigen Verhältnis" verfaßt, die dann als gewünschter Einleitupgsbeitrag zu den von Ritsehl herausgegebenen „Acta societatis philologae Lipsiensis" im Januar 1871 erschien: Q Certamen quod dicitur Homeri et Hesiodi / e codice Florentino / post Henricum Stephanum / denuo edidit / Fridericus Nietzsche / Numburgensis. (Lpz. Teubner. 1871. I, S. 1 bis 23). Auf Wunsch der Frau von Bülow ließ Nietzsche im Juni 1870 eine gebundene Abschrift beider obenerwähnten Vorträge zur griechischen Tragödie anfertigen und schenkte sie ihr.

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1871 Socrates und die griechische Tragoedie

Hinzukam, als Weihnachtsgeschenk, die eigenhändige Abschrift einer im Sommer 1870 entstandenen Abhandlung „Die Geburt des tragischen Gedankens". Zur letzteren schrieb sie am 26. 12. 1870: „Abends liest uns R. im Manuskript, das mir Pr. Nietzsche als Geburtstagsgabe dargereicht hat, sie ist betitelt ,Die Entstehung des tragischen Gedankens' und ist von höchstem Wert; die Tiefe und Großartigkeit der in gedrängtester Kürze gegebenen Anschauung ist ganz merkwürdig; wir folgen seinem Gedankengang mit größtem und lebhaftestem Interesse. Besondere Freude gewährt es mir, daß R.'s Ideen auf diesem Gebiet ausgedehnt werden können." (C.W. Die Tagebücher. Bd. I [...] a. a. O., S. 330). Am 3. 1. 1871 heißt es: „Wir besprechen nochmals abends die Abhandlung von Pr. Nietzsche, und R. kann sie nicht genug loben." (Ebd., S. 336), und am 5. 1. führt sie eine Äußerung Wagners an, welche durch die Abhandlung ausgelöst erscheint: „,Er ist der einzige Mitlebende mit Constantin Frantz, der mir etwas gebracht hat, eine positive Bereicherung meiner Anschauung.'" (Ebd., S. 337 f.). Schon im April 1871 war die Aus- und Umarbeitung seiner Gedanken über die griechische Tragödie soweit gediehen, daß er am 20. eine Druckvorlage „Musik und Tragödie" (wie „Griechische Heiterkeit" und „Sokrates und die griechische Tragödie" ein geplanter Titel zur „Geburt") an den Verleger Engelmann in Leipzig schicken konnte. Anfang des Monats, am 5. bis 7., hatte er in Tribschen Cosima daraus vorgetragen: „Pr. N . liest mir aus einer Arbeit vor (Ursprung und Ziel der gr. Tragödie), die er R. widmen will; große Freude daran; man sieht hier einen sehr begabten Menschen von R.'s Gedanken auf eigene Weise durchdrungen." (Ebd., S. 375 f.). Engelmann zögerte aber mit dem Annahmeschreiben bis zum 21. Juni, und der Verfasser hatte schon Anfang des Monats „ein Aufsätzchen" daraus „ausgeschält" und in 30 Exemplaren, „zur Verteilung unter Freunden", auf eigene Kosten drucken lassen (s. d. diesbezüglichen Briefwechsel Nietzsche-Engelmann in: 1811-1911. Jubiläumskatalog d. Verlagsbuchhandlung Wilhelm Engelmann (1808-1887) in Leipzig. Breitkopf & Härtel. Lpz. 1911, S. 80-89): S Socrates / und / die griechische Tragoedie. / Von / Dr Friedrich Nietzsche / Professor in Basel / Basel 1871. 40 S. 8°. Dieser Wortlaut ging dann mit geringfügigen Änderungen vollständig in die Abschnitte 8 bis 15 der endgültigen Fassung der „Geburt" über. Die Schrift selbst ging an die Schwester (mit der Widmung: „Meiner Schwester zur Erinnerung an den Frühling 1871."), von Gersdorff in Marienbad, Deussen in Marburg, Wagner in Tribschen und durch diesen an: BROCKHAUS, CLEMENS (1837 - 1877), Professor der Theologie an der Universität, Pfarrer an der Johanniskirche zu Leipzig, Neffe Wagners. Das längere Dankesschreiben („Trotz der ergreifenden Wirkung, die Ihre Arbeit, ich bekenne es Ihnen offen, auf mich ausgeübt hat, leugne ich Ihnen nicht, daß ich Ihre Grundanschauung nicht theile [...]") jetzt abgedruckt in KGB II / 2, S. 408 ff.; an Romundt, der die Abhandlung auf Wunsch Nietzsches im „Philologischen Verein" in Leipzig vorlas, an Rohde in Kiel und durch letzteren an: RIBBECK, OTTO (Erfurt 23. 7. 1827 - Leipzig 18. 7. 1898), klassischer Philologe, 1854 Lehrer am Gymnasium zu Elberfeld, 1856 Professor in Bern, 1861 in Basel, 1862-72 in Kiel, 1873-76 in Heidelberg, 1877-98 an Ritschis Stelle in Leipzig; und durch: OVERBECK, FRANZ CAMILL (Petersburg / Rußland 16. 11. 1837 - Basel 26. 6. 1905), protestantischer Theologe, Professor der neutestamentlichen Theologie und älteren Kirchengeschichte zu Basel seit dem 23. 4. 1870, wo er bis August 1875 im selben Hause wie Nietzsche wohnte, trat am 31.3.1897 in den Ruhestand. Sein Exemplar trägt die Widmung: „Herrn Prof. Overbeck zum Andenken an Winter und Frühjahr 1871. F.N." (er schrieb an Treitschke am 23. 6. 1871: „Ich selbst kenne die griechische Tragödie nicht gründlich genug, um eben alles im Anfang Gesagte zu kosten und habe am durchgängigsten meine Rechnung in den Sokratespartien gefunden, das Ganze aber, das ich freilich zum Teil habe entstehen sehen und oft besprochen, mit freudiger Spannung gelesen." C. A. Bernoulli, Franz Overbeck u. Friedrich Nietzsche. Eine Freundschaft. Diederichs. Jena 1908.

1871 Gegensätzliche Meinungen Franz Overbecks und Heinrich von Treitschkes

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B d . I, S. 83); an: TREITSCHKE, HEINRICH VON ( D r e s d e n 15. 9. 1 8 3 4 - B e r l i n 2 8 . 4 . 1896),

damals Professor der Geschichte in Heidelberg, seit 1874 in Berlin. Mit der Ubersendung dieses Exemplars versuchte Nietzsche das ganze Werk in den „Preußischen Jahrbüchern" unterzubringen. Treitschke war damals Herausgeber der Zeitschrift und Overbeck seit Ende 1867 Mitarbeiter (s. seinen Brief an Overbeck v. 4. 7. 1871: „Ich danke ihm aufrichtig für seine schöne Gabe. Er gehört, das sieht man auf den ersten Blick, zu den Naturen, die ein Recht haben ihres eigenen Weges zu gehen, und es kann mir, dem Laien, nicht in den Sinn kommen ein Urtheil zu fällen. Nur glaube ich, so neue, selbständige Ansichten, wie er sie aufstellt, bedürfen einer breiteren Ausführung um verstanden zu werden. Mir ist Manches, namentlich in der ersten Hälfte, nicht ganz faßlich gewesen, und die Mehrzahl der Jahrbuchleser versteht vom griechischen Drama noch weit weniger als ich. Wenn also die Arbeit über Musik und Tragödie sich dem Fassungsvermögen des großen Publicums etwas mehr anschmiegt, so soll sie mir herzlich willkommen sein." H. v. Ts. Briefe. Hg. v. M. Cornicelius. Hirzel. Lpz. 1920. Bd. III, S. 331 f.); Zeller (Mit der Widmung: „Herrn Geheimrath Prof. Zeller in Verehrung zugeeignet vom Verf."), s. a. seine spätere Äußerung zu Nietzsche (DRs 26. Jg., Bd. 101, H. 1 v. Okt. 1899, S. 80, in: Über Systeme und Systembildung): „[...] was von ihm die Blicke vorzugsweise auf sich zog, was am meisten zur Bewunderung und Nacheiferung anreizte, waren gerade die Schriften, in denen die Leidenschaftlichkeit und Selbstüberhebung, die schon frühe für seine weitere Entwicklung besorgt machen mußten, sich immer mehr ins Krankhafte auswuchsen, in denen der Sinn fürs Thatsächliche, die nüchterne Beobachtung, die Scheu vor Widersprüchen, die Strenge des Verfahrens, der Grundsatz, nichts ohne Beweis zu behaupten, kurz alle die Züge, welche die Wissenschaft erst zu Wissenschaft machen, sich immer vollständiger verloren, die Philosophie mehr und mehr in aphoristische, bald geistreiche, bald phantastische, nach dem Auffallenden haschende und jede vorangehende Paradoxie durch die folgenden überbietende Orakelsprüche überging." Adolf Schlatter kam Frühling 1871 als Student der Theologie nach Basel und erlebte neben Karl Steffensen, der ihn am meisten beeindruckte, im Wintersemester 1871 / 72 auch Nietzsche als Lehrer: „Auch Nietzsche habe ich während eines Semesters über Plato gehört. Seine Vorlesung hat dadurch eine bleibende Bedeutung für mich gewonnen, daß der verletzende Ubermut, mit dem er seine Zuhörer als verächtlichen Pöbel behandelte, mir zu dem Satz verhalf, daß der, der die Liebe wegwerfe, auch das Lehrgeschäft verderbe, daß nur echte Liebe wirklich dozieren könne. Insofern hat sich aber an meinen Besuch seiner Vorlesung Schaden und Schuld gehängt, als sie mir gar keine Neigung gab, seinen literarischen Arbeiten nachzugehen. Ich bin erst wieder auf ihn aufmerksam geworden, als seine Gedanken sich in unser öffentliches Leben zerstörend eingefressen hatten, habe also auch meinen Anteil an der Gesamtschuld unserer deutschen Theologie, daß damals, als Zarathustra und der Antichrist erschienen, keiner von uns deutschen Theologen zu einer würdigen und wirksamen Antwort gerüstet war." (BFchTh XXV, 1, S. 38 f.). In seinem achten und letzten Semester Winter 1874 / 75, wieder in Basel nach drei Semestern in Tübingen, hörte Schlatter bei Franz Overbeck, über den es zum Schluß heißt: „Overbeck machte [...] dadurch, daß er sich an Nietzsche kettete, sein herrliches Wissen tot." (Ebd., S. 42); SCHLATTER, ADOLF (St.Gallen 16. 8. 1852 Tübingen 19. 5. 1938), zunächst Pfarrer, dann Privatdozent in Bonn seit 1880, Professor der Theologie in Greifswald seit 1888, 1893-1898 in Berlin, seit 1899 in Tübingen. Johann Friedrich Barth, Vater des Theologen Karl Barth, war 1871-1874 auf dem Basler Pädagogium und erwähnte in einem 1911 gehaltenen Vortrag einen seiner dortigen Lehrer: „Ich kann von Nietzsche persönlich nur mit großer Achtung reden, da ich ihn als Gymnasiast zum Lehrer gehabt und nicht den mindesten unheilvollen Einfluß von ihm erfahren habe." Lesenswert sind auch die Worte von Barths Kollegen Moritz Lauterburg, Professor der Theologie in Bern: „Was Barth für seine Entwicklung diesem Manne verdankte, [...] das hat er häufig, und immer in sehr respektvollem Tone, ausgesprochen [...]" (Barth, Fritz, Christus

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1872 Zur weiteren Verbreitung der „Geburt"

In der ersten Dezemberhälfte waren die letzten Seiten des Manuskripts an den Verleger2 gesandt. Die Auflage war auf 1000 Stück berechnet, wofür Nietzsche auch volle 100 Taler erhielt, betrug aber nur 800; hinzukamen 25 Freiexemplare, davon fünf auf besonderem Papier.3 unsere Hoffnung. Sammlung von religiösen Reden u. Vorträgen. A. Francke. Bern 1913, S. v, bzw. 325); BARTH, JOHANN FRIEDRICH (Basel 25. 10. 1856 - Bern 1913), zuletzt Professor in Bern. 2 FRITZSCH, ERNST WILHELM (Lützen 24. 8. 1840 - Leipzig 14. 8. 1902), Verleger Wagners und Nietzsches, des letzteren 1871-74 und 1886-87 in Leipzig. Daß die Verlegung des Erstlings bei Fritzsch nicht ohne Zutun Wagners erfolgt ist, legt eine Tagebucheintragung Cosimas nahe: „Abends Carlyle, nachdem R. an Fritzsch das Manuskript von Pr. Nietzsche warm empfohlen hat." (C. W. Die Tagebücher. Bd. I, a. a. O., S. 451). 3 Der Brief von dem Verleger Fritzsch, aus dem diese Sachlage zu ersehen ist, zuerst in KGB II / 2, S. 506; das Geschäftsbuch im Archiv gibt die Zahl 750 an. Ein Prachtexemplar auf gelbem Papier ging an Cosima. Wagner selbst erhielt zunächst ein einfaches und darauf ein Prachtexemplar. Die unmittelbare Wucht des Eindrucks in Tribschen schildern die Eintragungen Cosimas; am 3. 1.: „[...] zu Mittag treffe ich R. sehr auf- und angeregt durch Pr. Nietzsche's Buch, er ist glücklich, dies erlebt zu haben; er sagt, nach mir käme Ν [...] Abends lesen wir in der Nietzsche'sehen Schrift, die wirklich herrlich ist. R. gedenkt der Leute, die jetzt das große Wort in Deutschland führen, und fragt sich, welches Schicksal dieses Buch nun haben wird, hofft in Bayreuth eine Revue zu gründen, deren Redakteur Pr. Nietzsche sein würde."; am 4. 1.: „[...] Abends wieder in der Nietzsche'schen Schrift gelesen, von der R. immer befriedigter ist, wir fragen uns aber, welches Publikum hierfür sich finden wird."; am 6. 1.: „Ernst gestimmt lasen wir noch gestern in dem neuen Buch und immer mit wachsender Freude [...] Das Buch von Pr. Nietzsche abends vollendet; ,das ist das Buch, was ich mir ersehnt habe', sagt R."; am 7. 1.: „viel über das Nietzsche'sehe Buch gesprochen."; am 16. 1.: „Pr. N . schickt die Prachtexemplare. Wir überlegen, wie das Buch vor Totschweigen zu bewahren ist."; 18. 1.: „Brief von Clemens, das Nietzsche'sehe Buch ist dort nicht verstanden worden; R. antwortet ihm ausführlich, was er von dem Buche und seinem Autor hält." (C. W. Die Tagebücher. Bd. I, a. a. O., S. 476 ff.,482). Sonst ging das Werk an die Schwester in Naumburg, Burckhardt in Basel, Ritsehl (s. KGB II / 2, S. 541 ff.; etwas unverhüllter als in dem Antwortschreiben an Nietzsche äußerte er sich in einem Brief v. 2. 2. 1873 an Wilhelm Vischer: „Aber unser Nietzsche - ! ja das ist wirklich ein recht betrübtes Kapitel, wie ja doch auch Sie - trotz alles Wohlwollens für den trefflichen Mann - in Ihrem Briefe es auffassen [...] Denn das ist kaum zu viel gesagt, daß er und seine - ganz unter seinem magischen Einfluß stehenden - Mitadepten Rohde und Romundt im Grunde auf eine neue Religionsstifterei ausgehen [...] Am meisten ärgert mich seine Impietät gegen seine eigentliche Mutter, [...] : die Philologie." Abgedruckt in dem von Eduard Vischer hg. Bd.: Wilhelm Vischer. Gelehrter und Ratsherr 1808-1874 im Spiegel seiner Korrespondenz mit Rudolf Rauchenstein. Helbing & Lichtenhahn. Basel 1958 (= Studien z. Gesch. d. Wissenschaften in Basel VI), S. 119; s. a. BAB III, S. 461, wo aus dem Tagebuch Ritschis Folgendes angeführt wird: „Ritsehl notierte am 31. 12. 71 in sein Tagebuch: ,Buch von N . Geburt der Tragödie (geistreiche Schwiemelei)'; am 2. 2. 72: ,Fabelhafter Br. von N . (= Größenwahn)'; am 15. 2.: ,Αη N . über seine Geburt der Tragödie: concipirt von Mama.'") und Brockhaus in Leipzig, Gersdorff und Krüger in Berlin, Rohde und Ribbeck in Kiel, Deussen in Marburg (sein Dankesschreiben jetzt in KGB II / 2, S. 592-597), Romundt auf Reisen in Italien (s. seine Briefe an Nietzsche in KGB II / 2, S. 547-550, 564 ff., 609; er hat Anfang Mai 1872 „ein Referat" über die „Geburt" an die Augsburger Allgemeine geschickt), Treitschke in Heidelberg (der am 16. 7. 1872 an Overbeck schreib: „Wegen Nietzsche hast D u mich mißverstanden. Ich halte die Schrift auch für höchst gedankenreich und tiefsinnig; ich kann aber nicht unbedingt

1872 Johann Jakob Bachofen: zunächst „sehr entzückt"

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loben, um so weniger, da der Verf. ein sehr starkes Selbstgefühl zeigt; ich kann ebenso wenig schlechthin tadeln, da es mir an Muße fehlt auf den Gedankengang näher einzugehen." (A. a. O . , S. 352 Anm.4) sowie an: BACHOFEN, JOHANN JAKOB (Basel 22. 12. 1815 - ebd. 25. 11.

1887), Mythenforscher und Symboliker, Dr. jur. 1839, 1842-1844 o. Prof. für Römisches Recht an der Universität Basel, danach Richter; vor allem über das Verhältnis ihres Mannes zu Nietzsche in den 70er Jahren schrieb die Witwe Bachofens, Louise Elisabeth, geb. Burckhardt (1845-1920), verh. 1865, geraume Zeit später in einem Brief: „Meine Beziehungen zu Nietsche [so durchweg] beschränken sich nur auf die paar ersten Jahre seines Hierseins: er war ein Jahr älter als ich, wir waren beide damals noch sehr jung und wie Sie sich denken können, war er für mich nicht der große Professor, sondern wir verkehrten freundschaftlich harmlos und lustig miteinander. Mein 1. Mann auch mochte ihn gerne und ich weiß, daß Nietsche ihn sehr verehrte; er hatte es mir oft gesagt. Damals erschien die .Geburt der Tragödie', wovon mein Mann sehr entzückt war und sich viel von Nietsche versprach - dann aber kamen seine weiteren Schriften, die mein Mann ganz ablehnend beurtheilte und seiner Gesinnung nach so beurtheilen mußte, und nach und nach wurde der schöne Verkehr getrübt und abgebrochen. Ich freue mich aber immer, daß ich Nietsche in dieser frühen Zeit kennen lernte, damals als er noch für Wagner schwärmte und wie schwärmte er! Jeden Sonntag reiste er nach Luzern und kam jedesmal erfüllt von seinem dortigen Gott zurück und erzählte mir von all dem Herrlichen, das er gesehen und gehört: ich glaube ganz entschieden, der Bruch mit Wagner war für Nietsche ein Todesstoß, jedenfalls war er nachher ein ganz veränderter Mensch." (Angeführt nach Hermann Randa, Nietzsche, Overbeck und Basel. P.Haupt. Bern, Lpz. 1937, S. 17 f.). S. a. die Meinung Karl Wolfskehls in einem Brief an Verwey vom 27. 8. 1924: „Neulich bin ich in Basel seinen [d. i. Bachofens] dort schon etwas verwischten Spuren nachgegangen [...] Über seine Beziehungen zu Nietzsche und Burckhardt erfuhr ich endlich das wenige, was man darüber weiß. Von B. hielt er sich absichtlich fern und lehnte ihn als .komödiantenhaft' ab. Nietzsche verkehrte wenigstens in seinen ersten Basler Jahren viel im Hause Bach, wo besonders seine Geburt der Tragödie mit Begeisterung aufgenommen wurde. Bachofens Bücher, die ja damals sämtlich vorlagen, blieben aber für Nietzsche offenbar ein verschlossener Schrein. Für sie war er intellektuell und methodisch doch zu sehr Philologe akademischer Observanz gegenüber Bachofens intuitiver aus dem Wesenhaften direkt sich nährender Erkenntnisweise." (Wolfskehl u. Verwey. Die Dokumente ihrer Freundschaft 18971946. Hg. v. M. Nijland-Verwey. Schneider. Heidelb. 1968, S. 196); GELZER-THURNEYSEN, HEINRICH (Berlin 1. 7. 1847 - Jena 11. 7. 1906), klassischer Philologe, 1869-73 Gymnasiallehrer in Basel, 1873-78 in Heidelberg, später in Jena als Professor der klassischen Philologie und Alten Geschichte. Dieser erzählt von der Aufnahme Burckhardts wie folgt: „Auch Nietzsche betrachtete er bei aller hohen Anerkennung und trotz liebevollem Eingehen auf seine einsamen Gedankengänge in letzter Linie immer etwas skeptisch, soweit das eben einem jüngeren, ihn rückhaltlos bewundernden Kollegen gegenüber seine echt französische Höflichkeit zuließ. Als .die Geburt der Tragödie' erschienen war, äußerte er sich mir gegenüber voll Bewunderung, aber mit jener nicht angenehmen Bewunderung, der man sofort anmerkt, daß sie im Grunde nur schlecht verhüllte beißende Ironie war. So ist in der That auffällig, daß Burckhardt, wie wenige ein echter Sohn des 19. Jahrhunderts, diesen beiden genialen Trägern und letzten Verteidigern seiner Kultur [Bismarck ist der andere] nicht mit dem Verständnis entgegengekommen ist, wie wir wohl wünschten." (H. Geizer, Jakob Burckhardt als Mensch und Lehrer. ZKG VII, 1. H., 1899, S. 39). Auffallend ist bei dieser Würdigung Burckhardts, daß der Verfasser trotz mehrjähriger Anwesenheit in Basel und jährlicher Besuche dorthin von Heidelberg und Jena aus nichts Unmittelbares von Nietzsche zu berichten weiß; KELTERBORN-FISCHER, LUDWIG WILHELM (Basel 24. 9. 1853 - Waltham / U S A 17. 12. 1910),

Jurist und Musiker, Schüler Nietzsches am Pädagogium in Basel zwei Jahre und Student der Rechtswissenschaften sechs Semester ebenda, seit 1884 Schriftsteller in Boston, USA; s. seine

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1872 „Traum- und Rausch-Schwindel"

Äußerungen zu Nietzsche über Burckhardt („Zwei Schweizer Koryphäen der Wissenschaft" in: ASchwZg 14. 8. 1908): „Wir hatten es wiederholt aus dem Munde des unglücklichen [...] Prof. Nietzsche gehört, daß Burckhardt als academischer Redner, nicht etwa nur bei öffentlichen Vorlesungen, sondern in jedem einzelnen Vortrage seiner Collégien geradezu ein Unicum sei, ein Mann, der über ein unerschöpflich reiches Wissen gebiete, der die seltene Kunst, Quellen und Bücher richtig und mit dem reichstdenkbaren Gewinn zu lesen, nicht blos selbst im höchsten Grade besitze, sondern indirekt auch Andre sie zu lehren verstünde, der mit einer vollständigen Unabhängigkeit des Denkens und Wahrheitsliebe ein so seltenes Gedächtniß und ein so feines stilistisches und künstlerisches Gefühl besitze, daß sich bei ihm jeder einzelne Vortrag nicht nur zu einer Quelle reichster Belehrung, sondern zu einer eigentlichen Kunstleistung gestalte." KRUG, GUSTAV (Naumburg 16. 11. 1844 - Freiburg i. Br. 28. 7. 1902), Jugendfreund, damals in Naumburg, zuletzt Oberregierungsrat zu Freiburg im Breisgau (sein Antwortschreiben jetzt in K G B II / 2, S. 561-564), s. sonst K G B I / 4, S. 710 f.; PlNDER, WILHELM (Naumburg 6. 7. 1844 - Kassel 1928), Jugendfreund, damals in Naumburg, studierte Jura in Heidelberg, ab 1893 Oberregierungsrat in Kassel, s. sonst K G B I / 4, S. 719 f.; ROTHPLETZ, IDA (Neustadt 3. 10. 1848 - 16. 11. 1933), in der Pfalz aufgewachsene Schweizerin, hatte Nietzsche schon im Sommer 1870 im Maderanertal flüchtig kennengelernt, seit dem 8. 8. 1876 mit Franz Overbeck verheiratet; RAUCHENSTEIN, RUDOLF (Brugg / Kr. Aargau 2. 5. 1798 - Aarau 3. 1. 1879), Professor der lateinischen und griechischen Sprache an der Kantonschule; VlSCHER, ADOLF (1833 - 1902), Basler K a u f m a n n ; VlSCHER, SOPHIE KATHARI-

NA (1839 - 1915), Frau des Wilhelm Vischer-Heußler (1833-1886), Professors der Geschichte in Basel; VlSCHER-BlLFINGER, WILHELM (Basel 30. 5. 1808 - ebd. 5. 7. 1874), klassischer Philologe und Mitglied des kleinen Rats in Basel, der als Präsident des Erziehungscollegs und der

Universitäts-Kuratel die Berufung Nietzsches nach Basel durchgesetzt hatte (einiges Lesenswerte zur B e r u f u n g findet sich in d e m Briefwechsel Wilhelm Vischers mit R u d o l f Rauchen-

stein, a. a. O., S. 119-123, 126, 128), s. sonst K G B I / 4, S. 730; durch Overbeck, der die Korrekturbogen mitlas und alles während der Entstehung mit Nietzsche „immer wieder nach allen Richtungen" besprochen hatte (s. seinen Brief v. 21. 12. 1871 an Treitschke: „Ich kann nicht alles mitmachen, am wenigsten unbedingt, was darin über Wagnersche Opern zu lesen steht; aber überzeugt bin ich, daß die Arbeit eine der gedankenreichsten und tiefsinnigsten ist, die wir in Deutschland seit Jahrzehnten auf dem Gebiete der Ästhetik gelesen." Studien z. Gesch. d. Wissenschaften i. Basel. XII: Overbeckiana. 1. Tl. 1962, S. 97; sowie den v. 8. 7. 1872 an denselben: „Sie hat unleugbar etwas Exzessives, ein ungeheurer Exzeß ist schon für mich die ästhetische Zuspitzung ihrer Metaphysik, aber bei allem was Bedenken erregt, ist doch die peinliche Ignorierung, die ihr bisher zuteil geworden ist, gewiß nicht verdient [...]" Bernoulli, a. a. O., Bd. I, S. 84), an: EBERS, GEORG (Berlin 1. 3. 1837 - Tutzing / Obb. 7. 8. 1897), Ägyptologe und als Schriftsteller Verfasser vielgelesener geschichtlicher Romane, Privatdozent in Jena, Professor in Leipzig seit 1870, lebte seit 1889 in München, schrieb an Overbeck aus Leipzig am 9. 4. 1872: „Nietzsches Schrift las ich mit großem Interesse. Ihr Freund spielt mit schweren Gedanken und großartigen Bildern Fangball." (Overbeckiana. 1. Tl., a. a. O., S. 98); HARTENSTEIN, GUSTAV (Plauen i. Voigtland 18. 3. 1808 - Jena 2. 2. 1890), Philosoph, seit 1834 in Leipzig, seit 1859 in Jena im Ruhestand lebend, s. den Brief des Nachstehenden an Overbeck aus Jena vom 10. 3. 1873: „Das Buch Ihres Baseler Freundes Nitzsche ,Die Geburt der Tragödie' etc. ist mir unverständlich geblieben und wegen der sich darin zeigenden Wagner-Vergötterung und auffälligen Parteitendenz absolut unsympathisch; ebenso ging es auch Hartenstein, der auch aus dem Traum- und Rausch-Schwindel nicht klug werden konnte." (Ebd., S. 100); NAUMANN, ERNST (Freiberg / Sachsen 15. 8. 1832 - Jena 15. 12. 1910), Universitäts-Musikdirektor und Stadtorganist in Jena; durch Gersdorff an: GERSDORFF, ERNST AUGUST VON, Vater des Carl Frhn. v. Gersdorff

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und Mitglied des Preußischen Herrenhauses; RAU, LEOPOLD (Nürnberg 2. 3. 1847 - Rom 26. 1. 1880), Schüler von Reinhold Begas, Bildhauer und Zeichner des Titelbildchens zur „Geburt"; durch Wagner bzw. Cosima an: BALIGAND, MAXIMILIAN VON (1839 - 1899), Hauptmann, Kammerjunker Sr. Maj. des Königs von Bayern, Vorsitzender des Münchner Wagner-Vereins (s. sein Antwortschreiben jetzt KGB II / 2, S. 544 f.); BROCKHAUS, OTTILIE (geb. Wagner, Leipzig 14. 3. 1811 - 1883), seit 1836 Frau des Hermann Brockhaus (1806 - 5. 1. 1877), Professors der indischen Philologie in Leipzig, Schwester Wagners und Anhängerin Schopenhauers; BÜLOW, HANS GUIDO FRHR. V. (Dresden 8. 1.1830 - Kairo 12. 2.1894), erster Gatte der Cosima, 1869-77 zog er als gefeierter Pianist in der Welt herum, faßte erst 1877 als Kapellmeister in Hannover wieder festen Fuß, übernahm 1880 die Leitung der Hofkapelle in Meiningen und machte sie zu einem Instrument ersten Ranges; DLTTMAR, DEKAN, evangelischer Kirchenrat in Bayreuth, gest. am 31. 1. 1877 ebendort (s. über ihn: C. W. Die Tagebücher. Bd. I [...] a. a. O., S. 556, Eintragung v. 2. 8. 1872: „[...] er liest das Nietzsche'sehe Buch und ist ganz entzückt davon, sagt, es seien Dinge darin, die zum Besten gehören, was unsere Literatur besäße."; DOHM, ERNST (eigentl. Elias Levy, Breslau 24. 5. 1819 - Berlin 5. 2. 1883), Schriftsteller, seit 1849 Leiter der Zeitschrift „Kladderadatsch" und begeisterter Wagner-Anhänger; GROSZMANN, JOHANN GEORG (Hof 4. 3. 1826 - Bayreuth 16. 10. 1896), klassischer Philologe, Gymnasialprofessor, 1867-1892 Rektor der Studienanstalt Bayreuth; HERZEN, OLGA ALEXANDROWNA (1850 -1953),Tochter des damals schon verstorbenen russischen Revolutionärs Alexander Herzen, Ziehtochter der Malwida von Meysenbug, lernte Nietzsche wahrscheinlich im Juli / August 1876 in Bayreuth zusammen mit ihrer Schwester in Begleitung von Malwida von Meysenbug persönlich kennen, seit März 1873 Gattin des französischen Geschichtswissenschaftlers Gabriel Monod; HERZEN,NATALIE ALEXANDR0WNA(1844 - 1936), ältere Schwester der Vorigen, auch eine Pflegetochter der Malwida; KREBS, KARL (Nürnberg 16. 1. 1804 - Dresden 16. 5. 1880), 1850-1872 Kapellmeister in Dresden; KROKOW, ELISABETH, GRÄFIN VON; LIECHTENSTEIN, RUDOLF, FÜRST (1800 - M ü n c h e n J u n i 1888),

damals in Wien, Verehrer Wagners und dessen Musik (s. seinen Brief an Nietzsche v. 1. 6. 1873 in KGB II / 4, S. 261 f.); LLSZT, FRANZ (Raiding 22. 10. 1811 - Bayreuth 31. 7. 1886); LUDWIG II. König von Bayern (Nymphenburg 25. 8. 1845 - 13. 6. 1886 im Starnberger See ertrunken); MAIER, MATHILDE (Mainz 1834 - ebd. 29. 6. 1910), Freundin Wagners; MEYENDORFF, OLGA, FREIFRAU VON (geb. Prinzessin Gortschakoff, 1838 - 1926), Frau des russischen Gesandten zu Weimar, durch Empfehlung Liszts (s. The Letters of Franz Liszt to Olga von Meyendorff 1871-1886 im the Mildred Bliss Collection at Dumbarton Oaks. Washington, DC / USA 1979. Transi, by W. R. Taylor. Introd. & Notes by Eduard Ν. Waters. Briefe v. 12. u. 21. 1. 1872); MEYSENBUG, MALWIDA VON (Kassel 28. 10. 1816 - Rom 26. 4. 1903), damals in Florenz, kannte Wagner seit dem Frühjahr 1855 und war ihm seit dem Winter 1859 / 60 nähergetreten, Nietzsche wurde ihr am 22. Mai 1872 bei der Grundsteinlegung in Bayreuth vorgestellt; MONOD, GABRIEL (Ingouville 7. 3. 1844 - Versailles 10. 4. 1912), französischer Historiker, seit Anfang 1866 mit Malwida von Meysenbug bekannt, 1873 heiratete er Olga Herzen; MUCHANOFF-KALERGIS, MARIE VON (geb. Gräfin Nesselrode, Warschau 1823 1874), auf Schloß Ottenheim b. Linz, berühmte Pianistin, Schülerin Chopins, Freundin Liszts, Wagner hat ihr die „Aufklärung über das Judentum in der Musik" gewidmet; schrieb am 19. 3. 1872 von München aus an die am 16. 1. 1840 zu Petersburg geborene Tochter Marie Kalergis: „Je ne vous recommande pas, ,Die Geburt der Tragödie', du charmant professeur de Bàie; cela vous serait trop métophysico-panthéistique [...]" [= „,Die Geburt der Tragödie' des charmanten Professors aus Basel empfehle ich Ihnen nicht, das wäre Ihnen zu metaphysierend-pantheistisch [...]"] (Marie von Muchanoff-Kalergis, geb. Nesselrode, in Briefen an ihre Tochter. Ein Lebens- und Charakterbild hg. v. La Mara. Breitkopf & Härtel. Lpz. 1907, S. 282); POHL, RICHARD (Leipzig 12. 9. 1826 - Baden-Baden 17. 12. 1896), Musikschriftsteller,

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1872 Otto Ribbeck: „Etwas holder Wahnsinn und gärender Most"

befreundet mit Bülow, Liszt und Wagner, trat auch sehr früh für sie ein, lebte 1864-96 in Baden-Baden. Seine bis ins Jahr 1880 geführte und 1881 beim einstweiligen Nietzsche-Verleger E. W. Fritzsch 1881 erschienene Lebensbeschreibung „Autobiographisches" enthält keine einzige Erwähnung Nietzsches; SCHLEINITZ, MARIE VON (geb. von Buch, 1842 - 1912), Frau des Grafen Alexander Gustav von Schleinitz, eines preußischen Ministers, spätere Gattin des österreichischen Diplomaten Grafen von Wolkenstein, ihr Salon in Berlin war der Mittelund Stützpunkt der damals noch kleinen Wagnergemeinde (ihr Antwortschreiben jetzt K G B II / 2, S. 569 f.); SCHURÉ, EDOUARD (Straßburg 21. 1. 1841 - Paris 7. 4. 1929), französischer Schriftsteller, damals in Florenz, trat seit 1867 in Paris für das Werk Wagners ein, hat Nietzsche im Sommer 1873 persönlich kennengelernt, seit 1906 nähere Bekanntschaft mit Rudolf Steiner; LAUSSOT, JESSIE (geb. Taylor, London 27. 12. 1826 - Florenz 8. 5. 1905), seit dem Sommer 1879 die Frau Karl Hillebrands, seit 1848 mit Wagner persönlich bekannt; durch letztere an: HILLEBRAND, KARL (Gießen 17. 9. 1829 - Florenz 18. 10. 1884), eine Zeitlang Sekretär Heines in Paris, wurde 1863 Professor der romanischen Literaturen in Douai, lebte seit 1870 als Korrespondent der englischen „Times" in Florenz; zu seinem Verhältnis zu Nietzsche s. Leo Haupts, Karl Hillebrand als Publizist und Politiker. Diss. d. Univ. Köln 1959, S. 170-199. Verfasser sieht den Einfluß Nietzsches auf Hillebrand am deutlichsten in dessen Gervinus-Aufsatz: Hillebrand habe hierin „im Grunde nur ein Todesurteil vollstreckt, das schon von Nietzsche gesprochen worden" sei, nämlich in der „ersten Unzeitgemäßen" (S. 179). Ein ausgezeichnetes Verzeichnis des Hillebrand betreffenden Schrifttums findet sich in: Wolfram Mauser, Karl Hillebrand. Leben, Werk, Wirkung. Vorarlberger Vlgs.-anst. Dornbirn 1960, S. 269-290 (= Gesetz u. Wandel. Innsbrucker literarhistorische Arbeiten hg. v. K. K. Klein u. E. Thurnher. Bd. I); Otto Ribbeck empfahl die Schrift mit folgenden Worten: „Aber kennen Sie denn schon des Basler Nietzsche .Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik' und was sagen Sie dazu? Ein kunstphilosophischer Dithyrambus in Schopenhauer-Wagnerschem Geist. Etwas holder Wahnsinn und gärender Most, aber doch in der Hauptsache - die freilich im Grund nicht eben ganz neu ist - treffend und durchaus interessant. Wir können diese Art ingenium in unsrer verknöcherten Philologie recht wohl zur Erfrischung gebrauchen, zumal die solidesten Studien zu Grunde liegen [...]" (O. Ribbeck. Ein Bild seines Lebens aus seinen Briefen 18461898. Cotta Nf. St. 1901, S. 297 f.) an: DILTHEY, WILHELM (Biebrich a. Rh. 19. 11. 1833 Seis am Schiern 1. 10. 1911), Professor der Philosophie in Kiel, später in Breslau; und seit 1882 in Berlin; sonst war die Schrift auch zu Händen von: AMBROS, AUGUST WILHELM (Mauth / Böhmen 17. 11. 1816 - Wien 28. 6. 1876), Musikschriftsteller, seit 1871 Professor der Musik am Konservatorium zu Wien; ASCHER, DAVID (Dresden 8. 12. 1818 - Leipzig 2. 12. 1890), damals in Leipzig, nach längerer Wanderzeit in England promovierte er 1852 zu Berlin und wurde Englischlehrer und -Übersetzer, machte sich durch mehrere Schriften um die Nachfolge Schopenhauers verdient, so durch: Sendschreiben an Schopenhauer. 1855 / Schopenhauer als Interpret des Goethischen Faust. 1859 / Arthur Schopenhauer. 1871 / Das Endergebnis der Schopenhauerschen Philosophie in seiner Übereinstimmung mit einer der ältesten Religionen. 1885; in England veröffentlichte er noch „Outlines of Jewish Religion"; BERNA YS, JACOB (Hamburg 11. 9. 1824 - Bonn 26. 5. 1881), Privatdozent in Bonn 1848-53, 1853-66 am jüdisch-theologischen Seminar in Breslau, seit 1866 Oberbibliothekar der Universitätsbibliothek und zusammen mit Usener als Nachfolger Ritschis, dessen Schüler er gewesen, Professor der klassischen Philologie in Bonn; über das Verhältnis zur „Geburt" von seinem 1857 erschienenen Werk: „Grundzüge der verlorenen Abhandlung des Aristoteles über Wirkung der Tragödie" s. zu dessen Neudruck (Georg Olms Vlg. Hildesheim, New York 1970) die Einleitung von Karlfried Gründer, S. viiiff.; CONRAD, MICHAEL GEORG (Gnodstadt / Unterfranken 5. 4. 1846 - München 20. 12. 1927), zuerst in Genf, dann seit 1871 in Neapel Lehrer an der Deutschen Schule, 1876-82 freier Schriftsteller

1872 Michael Georg Conrad - der erste „Nietzscheaner"

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in Paris, ging 1882 nach München, wo er im Jahre 1885 zusammen mit Wolfgang Kirchbach „Die Gesellschaft" gründete; s. sein: „Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann. Erinnerungen zur Geschichte der Moderne." Herrn. Seemann Nf. Lpz. 1902, S. 35: „[...] ich war Nietzscheaner, als ich fünfzehn Jahre später [d. i. 1872] in der Buchhandlung von Detken und Rochell zu Neapel die ersten Seiten von der .Geburt der Tragödie' gelesen hatte."; CONSTANTIN, GROSZFÜRSTIN (geb. Alexandra, Prinzessin von Sachsen-Altenburg, 8. 6. 1830 -1911), Schülerin von Nietzsches Vater, seit dem 23.4. 1847 mit dem Großfürsten Constantin von Rußland verlobt; Nietzsche hat sie auch im August 1869 in Basel persönlich kennengelernt; DAECHSEL, BERNHARD (Naumburg 24. 3. 1823 - 19. 4. 1888), Justizrat in Sangerhausen, ehemaliger Vormund Nietzsches, s. sonst K G B I / 4, S. 698 f.; DIODATI, AMÉLIE, GRÄFIN, Villa Diodati bei Genf; DRÄSEKE, JOHANNES FELIX (Coburg 7 . 1 0 . 1 8 3 5 - Dresden 16.2.1913), Komponist, 1862 bis 1876 in der Schweiz tätig, lernte das Werk durch Bülow, aber Nietzsche persönlich erst im Juli 1875 in Basel kennen, seit 1884 Professor am kgl. Konservatorium zu Dresden; zur Vermittlung von Bülows s. die Worte vom Biographen Dräsekes Erich Roeder: „Von Basel aus war ihm im vorigen Frühjahr [d. i. 1872] durch Bülow die .Geburt der Tragödie' mit einem Nitzsche[so]-begeisterten Begleitschreiben zugestellt worden [...]" (E. R., Felix Draeseke. Der Lebens- und Leidenswegeines deutschen Meisters. Wilh. Limpert-Vlg. Dresden (1930), S. 245); FRIES, KARL (Würzburg 27. 11. 1829 - Augsburg 1895), Philologe, 1856-1884 Studienlehrer und zuletzt Gymnasialprofessor in Bayreuth; FROMMANN, HERMANN (Jena 7. 2. 1837 - ebd. 2. 1. 1890), seit 1870 Gymnasiallehrer in Büdingen; GOLTZ, ALEXANDER GEORG MAXIMILIAN HERMANN, FRHR. VON DER püsseldorf 17. 3. 1835 - Berlin 25. 7. 1906), evangelischer Theologe, ab 1865 ao., ab 1870 o. Professor in Basel, später in Bonn, Köln und Berlin; GUSTEDT, JENNY, BARONIN VON (geb. Gräfin Rabe von Pappenheim, Landhaus Schönfeld b. Kassel 7. 9. 1811 - Gut Lablacken / Ostpr. 29. 6. 1890), eine Tante Carl von Gersdorffs; s. über sie: Im Schatten der Titanen. Erinnerungen an Baronin Jenny von Gustedt v. Lily Braun. Dt. Vlgs.-anst. St. 1911, 36. Tsd., S. 353; HAGEN, HERMANN (Heidelberg 31. 5. 1844 - Bern 20. 9. 1898), habilitierte sich schon 1865 in Bern, wurde aber zunächst Gymnasiallehrer, Sohn des Geschichtswissenschaftlers Karl Hagen in HeidelbergBern, seit 1874 ao., seit 1879 o. Professor der klassischen Philologie an der Berner Hochschule; HOFFMANN, ERNST EMIL (1827 - 1877), Professor der Medizin in Basel; HUBER, HANS (Eppenberg / Schweiz 28. 6. 1852 - Lucarno 25. 12. 1921), Komponist, damals in Leipzig, ab 1877 in Basel tätig, mit Louis Kelterborn befreundet (s. K G W IV / 4, S. 59); JOACHIM, ROBERT, geb. am 8. 12. 1831 zu Gernrode, damals Gymnasiallehrer in Görlitz, später Direktor der Höheren Töchterschule in Duisburg; KRETZER, EUGEN, damals in Godesberg b. Bonn, promovierte am 1. 3. 1873 in Basel zum Dr.phil. - laut Fakultätsprotokoll am selben Tage von Nietzsche mitexaminiert - mit einer Arbeit über Kant, die aber anscheinend nie gedruckt wurde; war auch dort nicht immatrikuliert, noch zählte er zu den Zuhörern Nietzsches (Auskunft d. Hrn. Dr. J. Zwicker, Archivars des Staatsarchivs des Kantons Basel-Stadt); wechselte kurz darauf zur Theologie über, zeichnete Juli 1918 als Prof. Lic. Dr., Koblenz; LANGE, FRIEDRICH ALBERT (Wald b. Solingen 28. 9. 1828 - Marburg 21. 11. 1875), 1848-51 Student in Bonn, wo er u. a. die „strenge philosophische Schule F. W. Ritschis" durchmachte, 1870-72 Professor für induktive Philosophie an der Universität Zürich; LESE- UND REDEHALLE DER DEUTSCHEN STUDENTEN IN PRAG; aus seiner Studentenzeit auf der Universität Prag (186973) erzählt Fritz Mauthner von dieser Einrichtung: „Doch gab es einen anderen Sammelpunkt [d. i. außer dem Verbindungsleben] für uns, die .Lesehalle der deutschen Studenten'; es war Ehrensache für jeden deutschen Studenten, für die Finken sowohl wie für die farbentragenden jungen Herren, der .Halle' anzugehören. In der Halle wurde weder gefochten noch gekneipt. An kritischen Tagen wurden dort die entscheidenden Beschlüsse gefaßt. Sonst war die Halle unser Lesesaal und unser Debattierklub. In einzelnen wissenschaftlichen Sektionen wurden von uns - es war eine neue Einrichtung - wissenschaftliche Vorträge gehalten." F.

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1871 Die öffentlichen Vorträge Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten

Während Nietzsche nun gespannt auf den breiteren Widerhall zu seinem Werke wartete, arbeitete er auf Einladung der Basler „Akademischen Gesellschaft" an einer Reihe von sechs Vorträgen „Uber die Zukunft unserer BilM . , Erinnerungen. I. Prager Jugendjahre. G . Müller. Mchn. 1918, S. 172; s. a. ebd., S. 321-325; LEUTSCH, ERNST VON (1808 - 1887), klassischer Philologe, Herausgeber des „Philologus", damals Professor in Göttingen; MENDELSSOHN-BARTHOLDY,KARL WOLFGANG PAUL (Leipzig 7. 2. 1838 - Brugg 23. 2. 1897), Geschichtswissenschaftler, Sohn des Komponisten, 1868-1873 Professor in Freiburg im Breisgau, seit Frühjahr 1874 schwer gemütsleidend, darauf bis zu seinem Tode in einer Pflegeanstalt der Schweiz. Sein Exemplar der „Geburt" trägt folgende Widmung: „Herrn Professor D r . Mendelssohn mit den herzlichen Grüßen des Verf.s."; NÄGELSBACH, KARL FR. (Nürnberg 1837 - Bayreuth 9. 6. 1909), 1861-1905 Gymnasialprofessor und zuletzt Kirchenrat in Bayreuth; NIELSEN, FRAU ROSALIE, Dänin, Wagnerverehrerin, in den 80er Jahren bildete sich um sie ein Kreis in Leipzig, zu dem u. A. Edgar Steiger, Hans Merian und Hermann Conradi gehörten (s. die Einleitung zu: Hermann Conradi, Ges. Schriften. 1. Bd. Hg. V. P. Ssymank u. G . W . Peters. G . Müller. Mchn. u. Lpz. 1911, S. clxxi f.); ROGGENBACH, FRANZ FRHR. (Mannheim 23. 3. 1825 - Freiburg i. Br. 24. 5. 1907), badischer Staatsmann, lebte in heimlicher Ehe mit Marie, Fürstin von Wied; SCHENKEL, MORITZ (Borna i. S. 18. 6. 1834 - Naunhof b. Leipzig 17. 9. 1909), O h e i m Nietzsches, 1869-1899 Pfarrer in Kamsdorf b. Zwickau, langjähriger Schriftleiter des „Sächsischen Kirchen- und Schulblattes"; SCHMIDT, JOHANN HERMANN HEINRICH, geb. 1834, damals Griechischlehrer am G y m nasium zu Husum, befaßte sich viel mit R h y t h m i k und Metrik des Griechischen (s. seinen Brief an Nietzsche v. 29. 10. 1872 in K G B II / 4, S. 111-114 u. über ihn in einem Brief Rohdes, enthalten in: Franz Overbeck - E R - Briefwechsel. Hg. u. kommentiert v. Andreas Patzer. de Gruyter. Bln., N e w Y o r k 1990, S. 539 (= S N Bd. I); SCHÖLL, RUDOLF (Weimar 1. 9. 1844 - München 10. 6. 1893), habilitierte sich 1870 in Berlin, Freund von Wilamowitz-Moellendorff, der ihn für das Entstehen des Angriffs auf die „Geburt" verantwortlich machte, ging kurz darauf als Professor nach Greifswald, 1875 o. Professor in Straßburg, 1885 in München; SCHÖNBERG, GUSTAV VON (Stettin 21. 7. 1839 - Tübingen 3. 1. 1908), Professor der Nationalökonomie in Basel 1868-70, später in Freiburg und Tübingen; SENGER, HUGO VON (Nördlingen 13. 9. 1835 - Genf 18. 1. 1892), damals Generaldirektor des Genfer Orchesters, lernte Nietzsche im Juni 1872 kennen; TÖNNIES, FERDINAND (Oldenswort / Schleswig 26. 7. 1855 - Kiel 11. 4. 1936), 1881 Privatdozent, 1913 o. Professor in Kiel, wirkte besonders auf sozialphilosophischem Gebiete, seit 1910 Vorsitzender der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie"; s. seine Selbstdarstellung in: Die Philosophie d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. Hg. v. R . Schmidt. F. Meiner. Lpz. 1922, S. 203: „Aus meinem ersten Semester [d. i. Wintersemester 1872 / 73 in Jena] möchte ich noch erwähnen, daß ich im Doebereinerschen Schaufenster ein Büchlein liegen sah, dessen Aufschrift mich mächtig ergriff: ,Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik' von Friedrich Nietzsche - wer achtete damals darauf? [...] Das Nietzsche-Büchlein zu kaufen konnte der Student sich wohl nicht entschließen; er fand es aber in den Sommerferien 1873 in seiner alten Husumischen Schulbibliothek und las es mit Genuß, ja beinahe mit dem Gefühl einer Offenbarung." USENER, HERMANN (Weilburg a. d. Lahn 23. 10. 1834 - Bonn 21. 10. 1905), klassischer Philologe, 1861-1863 als Nachfolger Ritschis Professor in Bern, 1863 o. Professor in Greifswald, kam 1866, zusammen mit Bernays, als Nachfolger Ritschis nach Bonn; WALLNÖFER, ADOLF (Wien 26. 4. 1854 - München 9. 6. 1946), Opernsänger und Komponist, lernte das Werk vor dem Jahre 1876, in dem er Nietzsche in Bayreuth persönlich begegnete, kennen (s. Sophie Rützow, Richard Wagner und Bayreuth. Ausschnitte u. Erinnerungen. K n o r r & Hirth. Mchn. 1943, S. 129 f.; 2. Aufl. Karl Ulrich. Nürnberg (1953), S. 160 f.); WENZEL, ERNST, Musiker, Professor am Conservatorium in Leipzig; WIED, MARIE, FÜRSTIN VON (geb. Prinzessin von Nassau, Biebrich 29. 1. 1825 Segenhaus 24. 3. 1902).

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dungsanstalten", von denen fünf dann auch ausgearbeitet und am 16. Januar, 6. und 27. Februar und 5. und 23. März gehalten wurden. Unter den Zuhörern in Basel befanden sich Jacob Burckhardt und Franz Overbeck, das Manuskript machte dann auch Wagner und Cosima, Rohde, Romundt, von Gersdorff und Malwida von Meysenbug, Olga und Natalie Herzen und Edouard Schure mit den vorgetragenen Gedanken vertraut. Den fünften Vortrag las Nietzsche am 28. März in Tribschen Wagner und Cosima4 selber vor. Zunächst sollten die Vorträge umgearbeitet als zweites Werk erscheinen, aber der Plan zerschlug sich noch vor Jahresende. Am Anfang des Jahres 1873 bot sich Malwida von Meysenbug an, die Vorträge ins Italienische zu übertragen, daraus wurde jedoch auch nichts. Einen Bericht über den ersten Vortrag brachte eine Basler Zeitung: 1 F . D., Akademische Vorlesung von H r n . Prof. Nietzsche über die Zukunft unserer Bildungsanstalten. (SchwGr v. 23. 1. 1872). Berichterstatter erwähnt, daß „die Aula beinahe vollständig gefüllt" gewesen sei, und rühmt „die schöne F o r m und gewählte Diction" des Redners. S. a. die Meinung Burckhardts: „Uber Nietzsche's Vorträge wird Ihnen H r . Beck 5 das Genaueste mittheilen; den letzten, von welchem wir einige Lösung der so keck und groß aufgeworfenen Fragen und Klagen erwarten, ist er uns noch schuldig, hat sich aber einstweilen zur Erholung auf 10 Tage ins Waadtland begeben. Sie hätten die Sachen hören sollen! es war stellenweise ganz entzückend, aber dann hörte man wieder eine tiefe Trauer heraus, und wie sich die Auditores humanissimi die Sache eigentlich tröstlich zu rechte legen sollen, sehe ich noch nicht. Eins hatte man sicher; den Menschen von hoher Anlage, der Alles aus erster Hand hat und weitergiebt." 6 l a A u c h in B A B III, S. 460. Unverändert.

Auf Grund seiner die Philosophie und Pädagogik berührenden Vorlesungen, der Vorträge „Uber die Zukunft unserer Bildungsanstalten", der „Geburt der Tragödie" und seiner Abhandlungen über Laertius Diogenes sah sich Nietzsche im Mai 1872 unter die Philosophieprofessoren aufgenommen: 4 BROCKHAUS, FRIEDRICH A R N O L D ( 1 8 3 8 - 1895), S o h n v o n H e r m a n n B r o c k h a u s u n d N e f f e

Wagners, seine Berufung nach Basel als ord. Professor der Rechte November 1871 wurde durch Nietzsche erwirkt, siedelte im Herbst 1872 als Kollege Rohdes nach Kiel über; überbrachte damals am 21. März 1872, das Manuskript der Vorträge nach Tribschen. 5 BECK, AUGUST (1844 - 19II), Freund und Studiengenosse des Arnold von Salis, nach seinem theologischen Kandidatenexamen als Lehrer für Deutsch und die klassischen Sprachen am Basler Gymnasium wirkend. 6 An Arnold von Salis, Basel, den 21. 4. 1872, in: Jacob Burckhardt, Briefe. Vollst, u. krit. Ausg. bearb. v. Max Burckhardt. Schwabe. Basel, St. 1963, Bd. 5, S. 112; auch schon in dem Aufsatz: Zum hundertsten Geburtstag Jakob Burckhardts. (Erinnerungen eines alten Schülers.), im BJb 1918, S. 302, abgedruckt; SALIS, ARNOLD VON (Stampa / Kt. Graubünden 21. 12. 1847 - Basel 6. 3. 1923), damals Pfarrer in Braunau / Kt. Thurgau, Verfasser zahlreicher Schriften theologischen und geschichtlichen Inhaltes.

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1872 Mit Rudolf Eucken und Karl Steffensen Aufnahme unter die Philosophen

2 Die Vertreter der Philosophie an der Universität Basel. (PhM 8. Bd., 1872, S. 93 ff., 150 f.). Uber Nietzsche auf S. 94 f., sonst aufgeführt werden Karl Steffensen, Rudolf Eukken, Jacob Mähly und J. G. Müller. Hiermit begann die Zeitschrift, „biographische Notizen über die jetzt lebenden Vertreter der Philosophie in Deutschland" zu bringen. Man setzte mit Basel ein, da die „alphabetische Reihenfolge" beachtet werden sollte. Es wird dabei weder auf den Inhalt der Schriften noch auf die Einstellung des Verfassers eingegangen. 7 7 EUCKEN, RUDOLF (Aurich / Ostfriesland 5. 1. 1846 - Jena 14. 9. 1926), Philosoph, Professor seit 1871 in Basel, seit 1874 in Jena, Nobelpreisträger für Literatur 1908. Im Frühling 1871 war der bis dahin als Gymnasialprofessor in Frankfurt am Main tätige Eucken als ordentlicher Professor der Philosophie und Pädagogik und Nachfolger Teichmüllers nach Basel übergesiedelt. Aus seiner dreijährigen Lehrtätigkeit dort erzählte er: „Ich habe gleich bei meiner Berufung v o m Ratsherrn Vischer Näheres über Nietzsches Berufung nach Basel gehört. Vischer kam nach Leipzig zu Ritsehl, um einen jungen Philologen für die Universität zu gewinnen. Dieser nannte zunächst verschiedene andere Namen, endlich aber meinte er: wir haben einen jungen Philologen, der entschieden bedeutender ist als alle anderen, aber er ist noch nicht einmal Doktor. Vischer meinte: das schadet nichts, wenn der Mann wirklich so bedeutend ist. Dieses versicherte Ritsehl mit voller Entschiedenheit [...] Vischer aber erklärte mir damals, man wäre in Basel sehr froh darüber, diesen hervorragenden Mann an der Universität zu wissen." (R. E., Lebenserinnerungen. Ein Stück deutschen Lebens. 2., erw. Aufl. K. F. Koehler. Lpz. 1922, S. 53) - „So trat auch Nietzsche in einen bedeutenden Kreis ein, und er genoß sofort in ihm eine hohe Schätzung. Der Winter 1871 / 72 brachte seine Vorlesungen über die R e f o r m der Erziehung, die viel Aufsehen erweckten und begeisterte Zustimmung fanden. Ich selbst traf Nietzsche zunächst in den Sitzungen des Senats und der Fakultät, wir hatten öfter gemeinsame Doktorprüfungen zu halten; es ist mir in lebhafter Erinnerung, wie liebenswürdig sich Nietzsche zu den Doktoranden stellte, wie er nie unfreundlich oder aufgeregt war, sondern in gütiger, aber zugleich überlegener Weise verhandelte; man bekam den wohltuendsten Eindruck. D a n n sahen wir uns öfter in kleinen Gesellschaften, wo er sich als ein liebenswürdiger Unterhalter erwies, dem freilich alles Kleine und Niedrige fern lag; er war mehr zurückhaltend als aufdringlich, aber er konnte anmutig kleine Geschichten erzählen, und es fehlte ihm nicht an H u m o r [...] D o c h erinnere ich mich ζ. B. eines eingehenden Gespräches von uns beiden über die Sucht der Deutschen, alle Leistung nach festen Schablonen zu messen und der Individualität der Schaffenden keine Schätzung entgegenzubringen. Bis dahin galt Nietzsche an erster Stelle noch als Philologe; nun kamen die .Unzeitgemäßen Betrachtungen' und stellten die Sache in ein neues Licht. D a s mag den überwiegend konservativen Baslern hier und da unbequem gewesen sein, aber die große Schätzung des Mannes litt darunter nicht im mindesten; man wußte vollauf, daß man in ihm eine hervorragende Kraft besitze. Inzwischen kamen neue Schriften, aber sie fanden wohl eine begeisterte Aufnahme bei näheren Freunden, nicht aber eine Wirkung auf weitere Kreise; diesen galt Nietzsche als ein wenn auch sehr begabter, so doch wunderlicher Sonderling. Er konnte diese Mißachtung seines edlen und glühenden Strebens nicht als gleichgültig behandeln, dazu hatte er zu viel Sorge für die Menschen und zu viel Liebe zum Menschenwesen; eine affektlose Denkweise lag seiner N a t u r fern. Unvergeßlich ist mir ein Gespräch, das ich mit ihm in der Basler Lesegesellschaft hatte. Zahlreiche Zeitschriften lagen dort auf, Nietzsche zeigte mir einen Artikel eines Berliner Blattes, das sein Streben in unwürdiger Weise verspottete und lächerlich zu machen suchte [...]; ich sagte, er möge eine solche Sache nicht schwer nehmen, er stehe zu hoch, um durch solche Angriffe getroffen zu werden. Er meinte: ,ja, logisch haben Sie recht, aber es schmerzt doch, wenn man in dieser Weise behandelt wird'." (R. E., Meine person-

1872 Erwin Rohde als öffentlicher Mitstreiter

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Nachdem eine Anzeige der „Geburt", v o n Erwin Rohde verfaßt, schon Ende Januar 1872 v o m „Literarischen Centraiblatt" abgelehnt w o r d e n war, 8 erschien schließlich eine zweite v o m selben Verfasser als erstes öffentliches W o r t in Deutschland: 3 E. R., Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. (NAZg Sonntagsbeil. Nr. 21 v. 26. 5. 1872). Rohde verweist auf das „befremdliche Stillschweigen" seitens der „sonst so geschäftigen Kritik" hin und hebt dann den Wert des Werkes für die Ästhetik und die klassische Philologie hervor. Er betont Nietzsches Abhängigkeit von Schopenhauer, „zu dessen Anschauungen er [d. i. Nietzsche] sich überall bekennt", und bringt das Werk abschließend in Verbindung mit „jener großen Wirksamkeit edelster Kunstbegeisterung, die sich eben in diesen Tagen in Bayreuth den festen Grund legt zu einem Ehrentempel deutscher Nation". 3a E(rwin), R(ohde), Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Von Friedrich Nietzsche. Lpz. 1872. 16 S. (Druck v. Breitkopf u. Härtel in Leipzig). Ein von Nietzsche selbst veranlaßter und bei Fritzsch erschienener Separatdruck in 50 Abzügen, zur Versendung an Freunde. 9 liehen Erinnerungen an Nietzsche, in: Den Manen Friedrich Nietzsches. Musarion Vlg. Mchn. (1921), S. 53 ff.; STEFFENSEN, KARL (Flensburg 25. 4. 1816 - Basel 12. 12. 1888), 185479 Ordinarius für Philosophie in Basel; s. über ihn von Hugo Renner, Berlin: Karl Steffensen und seine Geschichtsphilosophie. (AGPh Bd. 18, N. F. Bd. 11, 1905, H. 1, S. 36:) „Karl Steffensen wirkte als enthusiastisch verehrter Lehrer in Basel, ein Jahrzehnt lang als Kollege Nietzsches. Seine Wirkung blieb aber im wesentlichen auf den mündlichen Vortrag beschränkt." (S. 42:) „Ganz anders als sein Kollege Nietzsche, der stets allzufrüh mit Lehrmeinungen fertig wurde und daher nie fertig werden konnte [...] Ich will mit dem angeführten Vergleich nicht behaupten, daß Nietzsche [...] von diesem [d. i. Steffensen] ganz unabhängig blieb. Es würde eine gewiß lohnende Aufgabe sein, zu untersuchen, welche Fäden beide umschlingen. Man wird dann nicht wenige edel und tiefgedachte Ideen Steffensens bei Nietzsche oft verzerrt und ins Brutale und Maßlose übersetzt wiederfinden." (S. 57:) „Wie viel edler und maßvoller zeichnet Steffensen die große Persönlichkeit - den Ubermenschen nennt auch er ihn öfters - als Nietzsche. Nicht der Mensch mit den starken, brutalen Instinkten [...]" MÄHLY, JACOB ACHILLES (Basel 24. 12. 1828 - ebd. 18. 6. 1902), 1861-90 Lehrer für alte

Sprachen am Pädagogium, bzw. am Oberen Gymnasium zu Basel, 1875-90 Ordinarius für lateinische Sprache und Literatur an der Universität Basel. 8 Diese nicht erschienene erste Besprechung findet man in BAB III, S. 451 u. 3c, S. 9-14. Nietzsche las sie Franz Overbeck vor und schickte sie dann sofort nach Tribschen. 9 Als Gewährsmann für folgende Worte Rohdes zum Streit um die „Geburt" führt Crusius Ribbeck an: „Ich habe die Abfertigung wahrhaftig nicht d'un coeur léger unternommen, sondern ich wußte und weiß genau, daß der einzige Erfolg der sein wird, daß auch ich in das schwarze Buch eingetragen werde, wo die heillos Verrückten stehn, die sich von der herrlichen Jetztzeit' nicht aufklären lassen wollen [...] Ich weiß ganz gut, daß meiner .Carrière' selbst ein Feind kein schlimmeres Hemmnis bereiten kann, als ich selbst mit dieser Parteinahme für Nietzsche [...] Und doch konnte ich nicht anders: ich konnte es nicht stillschweigend ansehen, wie mein Freund, den ich liebe, dessen Wesen ich mit dem Verständnis des Herzens durch und durch verstehe, von seinen Fachgenossen, wie ein Verbrecher, mit scheuem Stillschweigen bestraft und [...] mit Koth beworfen wurde." (O. C., Erwin Rohde, a. a. O., S. 62). Exemplare gingen an Baligand, Romundt, Schenkel, Frau von Schleinitz, Senger, Treitschke, Frau Vischer, Vischer-Bilfinger, Wagner (der am 29. 10. 1872 an Rohde schrieb:

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1872 Zur Grundsteinlegung in Bayreuth

3 b A u c h in: E r w i n R o h d e , K l e i n e Schriften. J . C . B. M o h r . T ü b . 1 9 0 2 . B d . 2, S. 3 4 0 - 3 5 1 , w o v o n es a u c h einen S e p a r a t d r u c k gibt. 3 c A u c h in: D e r Streit u m N i e t z s c h e s „ G e b u r t d e r T r a g ö d i e " . D i e S c h r i f t e n v o n E . R o h d e , R . W a g n e r , U . v . W i l a m o w i t z - M ö l l e n d o r f f . Z u s a m m e n g e s t e l l t u. eingel. v . K a r l f r i e d G r ü n d e r . G . O l m s . H i l d e s h e i m 1 9 6 9 , S. 1 5 - 2 6 . Z u r G r u n d s t e i n l e g u n g in B a y r e u t h a m 2 2 . M a i 1 8 7 2 b e m e r k t e die aus W e i m a r herbeigereiste Adelheid v o n

Schorn:

„ V o n den vielen M e n s c h e n , die ich in diesen T a g e n gesehen u n d k e n n e n gelernt, e r i n n e r e ich m i c h deutlich n u r an F r i e d r i c h N i e t z s c h e u n d seinen F r e u n d C a r l v o n G e r s d o r f f , in d e m ich einen m e i n e r N e f f e n k e n n e n lernte. V o n d e r B e d e u t u n g N i e t z s c h e ' s h ö r t e ich viel s p r e c h e n u n d v o n e i n e m w u n d e r v o l l e n B u c h , das d e r j u n g e F r e u n d v o n W a g n e r ' s e b e n herausgegeben. E s w a r ,die G e b u r t d e r T r a g ö d i e aus d e m G e i s t e der M u s i k ' . " 1 0 E n d e M a i e r s c h i e n d a n n a u c h die erste G e g e n s c h r i f t , v o n U l r i c h

Wilamo-

witz-Möllendorff verfaßt:11 4 Z u k u n f t s p h i l o l o g i e ! eine e r w i d r u n g auf F r i e d r i c h N i e t z s c h e s o r d . p r o f e s s o r s d e r classischen p h i l o l o g i e z u Basel „geburt d e r t r a g ö d i e " . B o r n t r ä g e r . B l n . 1 8 7 2 . 3 2 S.

„Unsere Freude über Ihre Schrift war groß: sie ist das würdige Seitenstück und Complement der .Geburt' selbst. Die Hauptsache für uns war, aus dieser Abfertigung wieder etwas lernen zu können [...]" Ebd., S. 61; Cosima schrieb dann am 23. 11.: „[...] so kann ich sagen, daß selten mich eine Schrift so ergriffen hat und mir so wohl gethan; wohl und weh, denn sie ist eine That [...], deren weittragende Folgen Sie sicherlich vorausgesehen haben, wie ich sie förmlich eintreten sehe [...]" ebd.), Gast, Widemann (s. den Brief Gasts an Schmeitzner v. 7. 2. 1876: „Diese Kritik haben wir [d. s. eben er und Widemann] durch die Vermittlung des jungen Baumgartner von Nietzsche erhalten; im Buchhandel ist sie nicht zu haben." n. Hellmut Meyer & Ernst. Lagerkat. 20, 1931, N r . 862) und Zarncke (über dessen vorübergehend getrübtes Verhältnis zu Nietzsche schrieb Crusius: „Der Frieden mit Zarncke wurde trotz seiner abhaltenden Haltung gegen die .Geburt der Tragödie' bald wieder hergestellt. N o c h bei seinem letzten Aufenthalt in Leipzig war Nietzsche bei Zarncke; der Zufall hatte mich um diese Zeit zu Z. geführt." A. a. O . , S. 70; Uber die „zweite Unzeitgemäße" meinte derselbe: „Ich erinnere mich eines Gesprächs mit Fr. Zarncke Anfang der achtziger Jahre, in dem er die Berechtigung dieser Gedanken unumwunden anerkannte; ähnlich äußerte sich einmal mein alter Lehrer R . Hildebrand." Ebd.) sowie an: CURTIUS, GEORG (Lübeck 16. 4. 1820 Hamsdorf / Riesengebirge 12. 8. 1885), Professor der klassischen Philologie in Leipzig seit 1861, s. sonst K G B I / 4, S. 698; HAUPT, MORITZ (Zittau 27. 7. 1808 - Berlin 5. 2. 1874), klassischer Philologe und Germanist, seit 1853 als Nachfolger K. Lachmanns Professor für klassische Literatur in Berlin; HILDEBRAND, RUDOLF (Leipzig 13. 3. 1824 - ebd. 28. 10. 1894), Germanist, seit 1869 ao., und seit 1874 o. Professor für deutsche Sprache und Literatur in Leipzig. 10 A. v. S., Zwei Menschenalter. Erinnerungen und Briefe. S. Fischer. Bln. 1901, S. 215; SCHORN, ADELHEID VON (Weimar 10. 1. 1841 - ebd. 7. 12. 1916), Schriftstellerin. 11 WILAMOWITZ-MOELLENDORFF,ULRICH VON (Markowitz b. Inowraclaw 22. 12. 1848 - Berlin 25. 9. 1931), damals Dr. phil. in Berlin, war am 20. 7. 1870 promoviert, habilitierte sich im Herbst 1874 in Berlin, 1876-83 o. Professor in Greifswald, Herbst 1883 Übersiedlung nach Göttingen.

1872 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorffs „Zukunftsphilologie"

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Verfasser gesteht am Schlüsse, was er eigentlich hätte vorausschicken sollen: „ich bin kein mystiker, kein tragischer mensch, mir wird es immer nur ,ein lustiges nebenbei, ein recht wol zu missendes schellengeklingel am ernst des daseins', auch am ernst der Wissenschaft sein können: eines berauschten träum oder eines träumers rausch." Mit einer solchen Einstellung konnte er nur tun, was er tat: in recht bösartiger Sprache am Einzelnen herumnörgeln. Anhebend behauptet er, der Hauptanstoß des Buches liege in „ton und tendenz", und glaubt sich somit berechtigt, nun alle Zügel des Anstandes schießen zu lassen: Nietzsche wird als „Metaphysiker, Apostel, dionysischer Prophet, Dionysos, gläubiger Zukunftsphilologe" bezeichnet, seine Meinungen als „nonsense, Nest voll Blödsinn, sinnlos, Fabelei, Hallucinationen, Entstellungen" gebrandmarkt, ihm werden „erträumte Genialität, Frechheit, Mangel an Wahrheitsliebe, kindische Unwissenheit" sowie Unkenntnis Homers, Euripides und der griechischen Tragödie überhaupt vorgeworfen. Erwähnenswert ist noch, daß der Absatz von Wilamowitzens Schrift nicht nur deren Kosten einbrachte, sondern auch die der zweiten Gegenschrift (s. Nr. 9), während Stücke der „Geburt" noch im Jahre 1886 unverkauft beim Verleger lagen.12 4a Auch in 3c, S. 27-55. Unverändert. Unbekannt waren sich beide nicht: Wilamowitz war wie Nietzsche ehemaliger Pfortenser, wenn auch um vier Jahre jünger, und hatte auf einem Besuch in Pforta im Oktober 1871 einen Abstecher nach Naumburg gemacht, um „dem Basler Professor seine Reverenz" zu machen. Nietzsche schrieb dazu, daß er den jüngeren Kollegen sogar auf das bevorstehende Erscheinen der „Geburt" aufmerksam gemacht habe, deren Manuskript er gerade in jenen Tagen dem Verleger Fritzsch übergeben hatte. Im selben Jahre meldete sich ein Kampfgenosse von Wilamowitz, nämlich Rudolf Schöll, damals in Greifswald, zu Worte. Unter „Kleinigkeiten" in der Zeitschrift „Hermes" lieferte er eine recht bissige Abfertigung von Nietzsches 12 S. hierzu überhaupt die Ausführungen und Ansichten des alten Wilamowitz in: Erinnerungen. 1848-1914. Koehler. Lpz. 1928, S. 128 ff.: „Nietzsche hatte meinen moralischen Ingrimm durch einen frechen Ausfall auf Otto Jahn besonders erregt. Uberhaupt schien mir alles herabgewürdigt, was ich von Pforta als etwas unantastbar Heiliges mitgenommen hatte [...] Nietzsche hatte für etwas Besonderes, wenn auch Absonderliches gegolten, zu dem wir wenig Jüngeren emporsahen. Nicht ganz ohne Einschränkung; es hieß, daß Paul Deussen dem Autoritätsfreunde [...] von seinem Griechisch, in dem er alle andern schlug, und vor allem von seiner Mathematik abgeben mußte, für die jener notorisch unempfänglich war [...] Er [...] bekam durch diesen [d. i. Ritsehl] die Baseler Professur und den Ehrendoktor [...] eine unerhörte Bevorzugung eines Anfängers, die das, was das Rheinische Museum von Nietzsche brachte, keineswegs rechtfertigen konnte, Dinge, die des Richtigen nicht eben viel enthielten, also nur einer sehr guten Doktordissertation entsprachen. Das konnte ich damals nicht beurteilen, Usener hatte es im Seminar hoch gepriesen [...]" S. zum ganzen Streit den ausführlichen und wohl kaum noch zu überbietenden Beitrag von W. M. Calder „The Wilamowitz-Nietzsche Struggle: New Documents and a Reappraisal" (NSt Bd. 12, 1983, S. 214254).

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1872 Wagners „offener Brief"

Einleitungsbeitrag zu Ritschis „Acta Societatis philologae Lipsiensis" (s. Q)· 1 3 Rohde bot sich nun in einem Brief v o m 5. Juni von selbst z u m Gegenangriff an, weil Nietzsche es wohl unter seiner Würde halte, „darauf zu antworten". Nietzsche nahm das Angebot willig an, aber während Rohde noch an der Ausarbeitung feilte, trat Richard Wagner öffentlich als Verteidiger des Geschmähten auf: 5 An Friedrich Nietzsche, ordenti. Professor der klassischen Philologie an der Universität Basel. (Ein offener Brief datiert vom 12. Juni, N A Z g Sonntagsbeil. v. 23. 6. 1872). Da Wilamowitz sich als Verteidiger seiner Wissenschaft und, was zum Teil den groben Ton seiner Schrift erklären könnte, fast unbewußt als der der Wissenschaft schlechthin, aufgeführt hatte, fühlte sich Wagner zweifellos berechtigt, die ganze philologische „Zunft" anzugreifen und, um deren Daseinsberechtigung anzuzweifeln, die Frage: „Wie steht es um unsere deutschen Bildungsanstalten?" an Nietzsche zu stellen, wobei er selbstverständlich wußte, daß Nietzsche sich schon viel mit dieser Frage beschäftigt hatte, zuletzt in den kurz zuvor gehaltenen Vorträgen. Sonst hebt Wagner nur die Grobheit der Wilamowitzschen Schrift hervor und geht auf einige Vorwürfe ein, die keine Fachkenntnisse voraussetzten. 5a Auch in: R. W., Ges. Schriften u. Dichtungen. Fritzsch. Lpz. 1873. Bd. IX, S. 350-358. Unverändert. 5b Auch in 3c, S. 57-64. Unverändert. Auch unter der breiteren Gefolgschaft Wagners wurde unter Berufung auf den Meister selber auf das Werk aufmerksam gemacht: 6 „Indem wir diese II. Redaction unseres Materials unter Mitgliedern übersenden, wollen wir nicht unterlassen, dieselben noch auf das ungemein bedeutende und geistvoll geschriebene Werk des Prof. Fr. Nietzsche: ,Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik' aufmerksam zu machen. Wir befinden uns in jedem Punkte im Einklang mit den darin ausgesprochenen Ansichten und halten die geistig ungemein bedeutende Behandlung und Lösung der schwebenden Fragen über die neue Kunst für die allein richtige. Das Werk ist von R. Wagner selbst besonders empfohlen." (Dt. Festspiele in Bayreuth. II. Redaction: Juli 1872. Anruf des Akademischen Wagner-Vereins. Der Anruf kam als Beilage zum „Musikalischen Wochenblatt" vom 26. 7. 1872 zur Verteilung.) Mit einem Vorwort v o m 18. August erschien Romundts Habilitationsschrift: Die menschliche Erkenntniß und das Wesen der Dinge. (H.Georg's Vlgs.-bhdlg. Basel, vii S., 1 Bl. = Berichtigungen, 96 S.), Ende August 1872. Der Verfasser widmete sie „Meinem Freunde Friedrich Nietzsche, ordenti. Professor der classischen 13 Bd. VII, 1872, S. 231-235.

1872 Erwin Rohdes „Afterphilologie"

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Philologie an der Universität Basel". Auf Seite 88 verwies er auch auf Nietzsche und führte dazu eine Stelle aus der „Geburt" an. Damit brachte er ihn in die Gesellschaft von Locke, Hume, Berkeley, Parmenides, Piaton, Heraklit, Empedokles, Thomas Reid, Cartesius, Lichtenberg, Schopenhauer, Xenophanes und Darwin. Johannes Volkelt zeigte das Werk in einer überaus langen Besprechung an und brachte „als Probe für die Sprache des Verfassers und zugleich als Rechtfertigung für unser langes Verweilen bei seinem Buche" gerade die Nietzsche erwähnende Stelle zum Schlüsse der Abhandlung.14 Nachdem ein Versuch Nietzsches, mit Hilfe von Ritsehl die zweite Rohdesche, ausdrücklich auf Wilamowitz gezielte Stellungnahme zur „Geburt" bei Teubner unterzubringen, fehlgeschlagen war, erschien diese endlich Mitte O k t o b e r 1872 bei Fritzsch: 7 Afterphilologie. Zur Beleuchtung des von dem Dr. phil. Ulrich von WilamowitzMöllendorff herausgegebenen Pamphlets: „Zukunftsphilologie!" Sendschreiben eines Philologen an Richard Wagner. Fritzsch. Lpz. 1872. 48 S.15 Eine mit der Grobheit der Wilamowitzschen Schrift verglichen sehr gehaltene, dennoch aber den Angegriffenen vernichtende Verteidigung des Freundes. Nachdem er Wilamowitzens Unfähigkeit, auf das eigentliche Vorhaben Nietzsches einzugehen, hervorgehoben hat, bringt Rohde eine ins Einzelne gehende, doch ohne gelehrtes Beiwerk geschmückte Abfertigung. Wie tief die Rohdeschen Pfeile eingedrungen und wie fest sie gesessen haben müssen, lehren einige über 40 Jahre später geschriebene Äußerungen von Wilamowitz, in denen er den Kampf noch weiterführen zu müssen glaubt mit Behauptungen wie: Deussen habe dem Freund (d. i. Nietzsche) in Pforta nicht nur von seiner Mathematik, sondern auch von seinem Griechischen abgeben müssen, die Berufung Nietzsches sei als Nepotismus und unerhörte Bevorzugung eines Anfängers zu verurteilen, Nietzsche habe doch bei Rohde einiges über Dionysos gelernt (s. Anm. 12). Rohdes fortwährende Bezeichnung Wilamowitzens als eines Pasquillanten und dessen Schrift als eines Pasquills beruht wohl darauf, daß sowohl er wie auch Nietzsche in Wilamowitz nicht den eigentlichen Urheber des Angriffs erkennen wollten. 7a Auch in 3c, S. 65-111. Unverändert. Eine der unmittelbaren Folgen von Nietzsches Erstling, die ihm auch sehr naheging, war das Ausbleiben der Philologiestudenten an der Universität Ba14 BlLU N r . 52, 1872, S. 821 ff. Man lese hierzu die Beteuerung auf S. 60, daß er erst 1875 und zwar durch Viktor Adler „zum erstenmal den N a m e n Nietzsche mit bedeutsamer Betonung nennen hörte". 15 Rohdes Schrift ging an: Biilow, Burckhardt, Cosima, D o h m , Gersdorff und dessen Vater, Olga Herzen, Joachim, Krug, Malwida (mit der Widmung: „Für Fräulein v o n Meysenbug / Fr. N." n. Gerda Bassenge. Auktion 39 v. April 1982, S. 249, Nr. 1817), Frau von Muchanoff, Overbeck, Rau, Ribbeck, Ritsehl, Romundt, die Schwester, Senger, Vischer-Bilfinger und Wagner sowie an: IMMERMANN, HERMANN (1838 - 1899), seit 1871 Professor der Medizin in Basel, N e f f e des Dichters Karl Immermann; SCHNIETZER, Sanitätsrat in Görlitz.

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1872 „Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern"

sei im Wintersemester 1872 / 73. Gegenüber 21 Hörern im Sommersemester hatte er nun nur zwei Hörer, einen Juristen und einen Germanisten. 16 Zur sonstigen Aufnahme der „Geburt" in wissenschaftlichen Kreisen sei folgende Stelle aus einem Brief Nietzsches an Erwin Rohde vom 25. Oktober 1872 angeführt: „In Leipzig ist âne Stimme über meine Schrift: wie sie lautet, hat der brave und von mir sehr geachtete Usener in Bonn, vor seinen Studenten, die ihn gefragt ha-

16 Man ziehe aber dagegen die leider nicht näher belegte Feststellung von Curt Paul Janz in Betracht: „Auffallend ist, daß nicht nur er keine Studenten hatte, sondern die andern Philologen der Universität auch, und daß sich ähnliche Erscheinungen offenbar auch anderswo zeigten." (Friedrich Nietzsche. Biographie. Hanser. (Mchn., Wien 1978), 1. Bd., S. 475 f.). Zu Weihnachten hatte Nietzsche eine Handschrift, die Arbeiten aus jenem Herbst und Winter enthielt, zum Geschenk an Cosima Wagner angefertigt; sie trägt das Datum vom 29.Dezember 1872: „Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern". Die einzelnen Vorreden heißen: „Uber das Pathos der Wahrheit"; „Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten"; „Der griechische Staat"; „Über das Verhältnis der Schopenhauerischen Philosophie zu einer deutschen Cultur"; „Homer's Wettkampf". Diese erfuhren aber lediglich eine verhaltene Zustimmung; am Anfang Januar 1873 vermerkte Cosima: „Das Manuskript von Pr. N. erheitert uns auch nicht, eine ungeschickte Schroffheit spricht sich zuweilen darin aus, bei immer großem Tiefsinn des Empfundenen. Wir wünschten, er beschäftige sich vorzüglich mit griechischen Themas." (C. W. Die Tagebücher. Bd. I [...] a. a. O., S. 623). Sonst waren erschienen: Τ Ein Neujahrswort an den Herausgeber der Wochenschrift „Im Neuen Reich". (MW 4. Jg., Nr. 3 v. 17. 1. 1873, S. 38). Zur Auflagenhöhe s. Schaberg, S. 205. U D e r Florentinische Tractat über Homer und Hesiod, / ihr Geschlecht und ihren Wettkampf. / (Schluss von Bd. X X V S. 528-540.) / III. Das Museum des Alcidamas. IV. D e r Tod Hesiods nach Alcidamas. V. Die Überlieferung des Certamen. (RhMus N F 28. Bd., Ende Febr. 1873, S. 211-249); hiervon erhielt Wagner am 1. 2. einen Abdruck. Nachdem Ritsehl die Arbeit im August 1872 erhalten hatte, glaubte er Nietzsche nun ins „alte vertraute sympathische Fahrwasser eingelenkt", worüber dieser sich sehr ärgerte, obwohl Ritsehl im selben Band, in dem der Schlußteil zu Nietzsches Arbeit erschienen war, gegen „U. de Wilamowitz Moellendorff" aufgetreten war. Er ließ nämlich über zwei volle Seiten hin „Erotemata philologica" gegen ein Versehen Wilamowitzens drucken (S. 350 f.) und schickte Nietzsche sogar „die betreffenden Seiten" (s. den Brief an Rohde v. 5. 5. 1873). William M. Calder III meinte zu dem Angriff, der Jahn-Feind Ritsehl habe sich „a petty moment of triumph" [= „einen kleinlichen Augenblick des Sieges"] erlaubt, „revenge for the attack on Nietzsche" [= „Vergeltung für den Angriff auf Nietzsche"] (U. v. WilamowitzMoellendorff, In wieweit befriedigen die Schlüsse der erhaltenen griechischen Trauerspiele? Ein ästhetischer Versuch. Ed. u. introd. by W . M. C. III. E. J. Brill. Leiden 1974, S. 15). Treffendes zum Verhältnis Wilamowitz-Nietzsche überhaupt bringt Calder auch auf S. 4 f., 13. U m diese Zeit wurde Nietzsche auch zusammen mit Ritsehl dankend erwähnt in Moritz Theodor Opitz' „Questiones de Sex. Aurelio Victore quas summorum in philosophia [...]" Teubner. Lpz. 1872, S. 3; OPITZ, MORITZ THEODOR, geb. am 13. 3. 1851 zu Dresden, promovierte 1872 zu Leipzig, klassischer Philologe.

1873 Wilamowitz erwidert auf Rohdes „Afterphilologie"

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ben, verrathen, ,es sei der bare Unsinn, mit dem rein gar nichts anzufangen sei: jemand, der so etwas geschrieben habe, sei wissenschaftlich todt'. Es ist, als ob ich ein Verbrechen begangen hätte; man hat zehn Monate jetzt geschwiegen, weil wirklich alles glaubt, so gänzlich über meine Schrift hinaus zu sein, daß kein Wort darüber zu verlieren sei. So schildert mir Overbeck den Eindruck aus Leipzig." Ahnliches läßt sich einer Tagebuchstelle Cosimas e n t n e h m e n . Eine Eintragung v o m 28. September lautet: „[...] beinahe heftiges Aneinandergeraten mit Ottilie in Bezug auf Pr. Nietzsche; sie ist dermaßen im Universitätswesen verfangen, daß sie über das Buch ,Die Geburt der Tragödie' spricht, ohne zu bedenken, daß N . für ihren Bruder seine Karriere auf das Spiel gesetzt hat und daß eine Roheit darin liegt, uns in solcher Weise die verachtenden und verfemenden Urteile der hohen Gelehrten mitzuteilen; wie selbst das beste Herz aufhört warm zu schlagen, wenn die Macht unaufhörlich ihm gegenübersteht, erseh ich aus diesen Empfindungen von W.'s Schwester gegen den treuesten Anhänger ihres Bruders!"17 Zweifellos derselbe Aufsatz, auf den sich Nietzsche in einem Brief v o m 21. F e b r u a r 1873 bezieht: „Neulich habe ich in einem .evangelischen Anzeiger' ü b e r mich Einiges gelesen, was m i r auf W o c h e n hinaus Heiterkeit verschafft, ich w u r d e ,der ins Musikalische übersetzte D a r w i n i s m u s ' genannt, meine Theorie sei der .Developpismus des Urschleims' usw.: k u r z die vollendete Torheit!" hat m a n in d e m Folgenden zu erkennen: 8 Gl., (ALAED 11. Bd. Jan. 1873, S. 64 f.). Eine durchaus lobende Besprechung der Entgegnung von Wilamowitz (Nr. 4), geschrieben in geheuchelter Kenntnis des angegriffenen Werkes, die aber in der recht unverhüllten Äußerung ausklingt: „Wir machen auf das Schriftchen als einen recht interessanten Beitrag zur Signatur der Zeit aufmerksam, da es zumal billig ist und uns das wahrscheinlich viel theurere Buch des Herrn Nietzsche vollständig entbehrlich macht." Als letzte Stimme in der Auseinandersetzung mit den Fachgenossen e r h o b sich d a n n n o c h m a l die v o n Wilamowitz-Moellendorff im F e b r u a r 1873 in einer zweiten Gegenschrift: 9 Zukunftsphilologie! Zweites Stück, eine erwidrung auf die rettungsversuche für Fr. Nietzsches „geburt der tragödie". Bornträger. Bln. 1873. 24 S. U m einer Auseinandersetzung mit den vernichtenden Argumenten Rohdes auszuweichen, versucht der Verfasser wiederholt, ihm zu unterstellen, sein Glaube an die Behauptungen des Freundes sei nur geheuchelt. Der Abwehrkampf gilt immer noch fast ausschließlich dem Buche Nietzsches und nicht den Stößen Rohdes, die wohl recht empfindlich getroffen hatten. Wiederum erst am Schluß werden Ton und Heftigkeit von Angriff und Abwehr erklärlich, denn erst hier offenbart Wilamowitz den Urgrund seines Mißmutes: „mir ist die höchste idee die gesetzmäßige, lebens- und vernunftvolle entwicklung der weit [...] und hier sah ich die entwicklung

17 C. W . Die Tagebücher. Bd. I [...] a. a. O., S. 733.

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1873 Weitere, recht laue Wirkung der „Geburt"

der Jahrtausende geleugnet; hier löschte man die Offenbarungen der philosophie und religion aus, damit ein verwaschener pessimismus in der öde seine sauersüße fratze schneide [...]." Der „sokratische Mensch" gebärdete sich letzten Endes dann doch noch recht dionysisch: „mein verletztes gefühl reagierte eben religiös."18 9a Auch in: 3c, S. 113-135. Unverändert. U m dieselbe Zeit erschienen zwei kurze, anonyme Anzeigen der „Geburt", ohne Erwähnung der Streitschriften von Wilamowitz und Rohde: 10 (LCB1 Bd. 24, Nr. 7 v. 15. 2. 1873, Sp. 194 f.). Als bezeichnend für das starre Befangensein in herkömmlichen Auffassungen, das den meisten Beurteilera ein Eingehen auf Nietzsches Gedanken verwehrte, so eigentlich auch Wilamowitz, mag der Schlußsatz der Anzeige hier angeführt werden: „Daß aber in Consequenz dieser geistreich schillernden Theorie der Verfall der griechischen Tragödie nicht etwa erst bei Euripides, dem Dichter der dem Verf. verhaßten .Sokratik', sondern schon bei Sophokles begonnen haben soll, mag genügen, um unser Urtheil zu begründen, daß wir dem Resultate dieses übrigens in einem sehr hohen Stile geschriebenen Buches nicht zustimmen können." Sonst geht der Verfasser mehr auf die Fehlschlüsse von Nietzsches „Autoritäten", Wagner und Schopenhauer, als auf die Gedanken Nietzsches selber, ein. Als Verfasser vermutete Rohde Robert Zimmermann.19 11 anonym, (PA 5. Jg., Nr. 3, 1873, S. 134-139). Dieser Beurteiler, dem das Buch im großen und ganzen als „versuch, die grundlage für eine Zukunftsästhetik zu schaffen", die dann im Dienste der Wagnerschen „Zukunftsmusik" stünde, gilt, kann es sich dennoch nicht versagen, Nietzsche als einen „gelehrten, dem es an geist durchaus nicht fehlt, wie mancherlei einzelheiten des buches beweisen", zu bezeichnen. A m 16. April 1873 hielt Dr. Carl Fuchs 20 einen Vortrag über die „Geburt der Tragödie" auf der Leipziger Tonkünstlerversammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins. Weitere Beachtung fand die „Geburt" noch im selben Jahre an folgenden Stellen: 18 U m Wilamowitzens hierauf erfolgte Abneigung gegen Rohde zu verfolgen, s. a: Mommsen und Wilamowitz. Briefwechsel 1872-1903. Weidmann. Bln. 1935, S. 32 (1877), 80 (1880), 113 (1881); erst S. 187 (1884) findet sich die Spur einer Wendung. 19 Z I M M E R M A N N , R O B E R T ( P r a g 2 . 11. 1 8 2 4 - e b d . 3 1 . 8. 1 8 9 8 ) , Ä s t h e t i k e r , 1 8 6 1 - 1 8 9 5 P r o f e s -

sor der Philosophie an der Universität Wien, Verfasser einer „Geschichte der Ästhetik als philosophischer Wissenschaft", Braumüller. Wien 1858, und einer „Allgemeinen Ästhetik als Formwissenschaft". Wien 1865. 20 F U C H S , C A R L D O R I U S J O H A N N E S ( P o t s d a m 2 2 . 10. 1 8 3 8 - D a n z i g 2 7 . 8. 1 9 2 2 ) , P i a n i s t u n d

Musikschriftsteller, studierte zunächst Theologie, wechselte dann aber zur Musik und Philosophie über, erhielt Klavierunterricht von Hans von Bülow, promovierte 1870 zu Greifswald mit einer Arbeit über „Präliminarien zu einer Kritik der Tonkunst", seit 1879 Organist in der Petrikirche zu Danzig und von 1887-1920 Musikdirektor der „Danziger Zeitung"; Bekanntschaft mit Nietzsche seit 1872, beide trafen sich zufällig im Hause des Musikverlegers Fritzsch, eine weitere Begegnung 1873 zu Naumburg, dann nur noch brieflich.

1873 UB I: David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller

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12 Seemann, O. S„ Die Geburt der Tragödie. (MLA 42. Jg., Nr. 16 f. v. 19. u. 26. 4. 1873, S. 233 ff., 250 f.). Eine äußerst ablehnende Beurteilung, die meist Nietzsche selbst anführt, um ihn aber dabei in ungünstiges Licht zu stellen, und „des Pudels Kern" in der Gestalt Wagners sieht. 13 Dräseke, Johannes, Beiträge zur Wagner-Frage. (MW 4. Jg., Nr. 30 ff. v. 25. 7., 1. u. 8. 8. 1873, S. 438-441, 453-456, 470 ff.). Verfasser beruft sich in diesem Angriff auf Bruno Meyer (s. Nr. 26) wiederholt auf die „Geburt", um „zugleich dadurch zu sorgfältigem Studium derselben zu reizen". 14 Lange, Friedrich Alben, Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. J. Baedeker. Iserlohn 1873. 2., verbess. u. verm. Aufl. Bd. I, S. 133 f. (= Anm. 44). Zur Einordnung von Sokrates unter die „gläubigen Reformatoren" wird in diesem Hauptwerk des Verfassers auf die „Geburt" hingewiesen: „Der apollinische Zug der sokratischen Geistesrichtung ist neuerdings in eigentümlicher Weise scharf hervorgehoben worden von Nietzsche, die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik (Leipzig 1872)." Die erste, einbändige Auflage des Werkes war noch ohne Anmerkungen erschienen, die zweite wurde dann u. a. um diese vermehrt. David Friedrich Strauß' „Alter und Neuer Glaube" erscheint im O k t o b e r 1872, erlebt im ersten Vierteljahr schon vier Auflagen, und Verfassers Name taucht in Nietzsches Briefwechsel erstmals in einem Schreiben von Cosima Wagner auf. Sie erwähnt ihn im abfälligen Sinne. Im darauffolgenden Monat, April 1873, erwähnt Nietzsche ihn zum ersten Male, in bezug auf Wilamowitzens Schrift, und schon am 18. des Monats schreibt er an Wagner von einer „Schrift gegen David Strauß unter den Händen". Infolge von Augenschwäche wurde das Druckmanuskript von Carl von Gersdorff angefertigt; die Schrift wurde im Juli bei C . G . Naumann gedruckt und erschien Anfang August 1873 in einer Auflage von 1000 Stück: II Unzeitgemässe / Betrachtungen / von / Dr. Friedrich Nietzsche, / ordenti. Professor der classischen Philologie / an der Universität Basel. / Erstes Stück: / David Strauss / der Bekenner und der Schriftsteller. / Leipzig. / Verlag von E. W. Fritzsch. / 1873. 1 Bl., 101 S. (Druck von C. G. Naumann in Leipzig). 8°. ( + 1 loses Blatt Berichtigungen). 21 21 Exemplare in Händen von: Bülow, Deussen, Fuchs, Gersdorff, Hillebrand, Kelterborn, Kretzer, Krug, Liszt, Malwida, Mathilde Maier, Freifrau von Meyendorff (in einem Brief an Cosima schrieb Liszt, er habe das Exemplar von Frau von Meyendorff, „das ihr Marie Muchanoff übergeben" habe, zugesandt bekommen; Du Moulin Eckart, Richard Graf, Cosima Wagner. Ein Lebens- und Charakterbild. Bd. I. Drei Masken Vlg. Bln. (1929), S. 673), Overbeck (die Widmung Nietzsches lautet: „Ein Zwillingspaar aus Einem Haus / ging muthig in die Welt hinaus, / Welt-Drachen zu zerreißen. / Zwei-Väterwerk! Ein Wunder war's! / Die Mutter doch des Zwillingspaars / Freundschaft ist sie geheißen! / Der eine Vater dem andern!" S. a. folgende briefliche Äußerungen Overbecks an Treitschke: „Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, eine allgemeine von Tag zu Tag fast steigende und unsere Universitäten vorzüglich drückende Not mit so feuriger und ernster Beredsamkeit

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1873 Ferdinand Tönnies: Ich habe ihn geliebt, seit frühen Tagen"

ausgesprochen zu wissen, und will so manches Überscharfe gern in den Kauf nehmen, das ich wohl hier und da schon habe tadeln hören." v. 1. 9. 1873, Bernoulli, a. a. O., Bd. I, S. 86; „[...] auch mit den Anschauungen des Nietzscheschen Buches fühle ich mich, wie ich Dir sagte, solidarisch [...] Man muß ja ein fühlloses Vieh sein, um aus einem Buch wie den .Unzeitgemäßen Betrachtungen' nicht die tiefste, ernsteste, ursprünglichste Teilnahme an deutschem Wesen und deutscher Größe, und vielmehr Hohn über diese Dinge herauszuhören." v. 23. 10. 73, ebd., S. 87 f.; „Nur werde ich mir nicht einreden lassen, daß - wo man einer Schrift wie der Nietzsches gegenüber, welche heiter im besten Sinne des Wortes ist und Gaben verrät, die gering zu achten wir in Deutschland augenblicklich weniger als je in der Lage sind, nur Verstimmung empfindet und die Möglichkeit eines im antiken ungebleichten Sinne des Wortes liberalen Urteils verliert, - alles in Ordnung ist." v. 14. 11. 1873, ebd., S. 94), Pinder, Rau, Ribbeck, Prof. u. Frau Ritsehl, Rohde, Romundt, Ida Rothpietz, Schuré, Senger, Tönnies (s. seine Darstellung, a. a. O., S. 6 f.: „In Leipzig [Wintersemester 1873 / 74] fand ich Nietzsches Unzeitgemäße Betrachtungen, erstes Stück .David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller'. Es bezog sich auf den mir wohlbekannten .Alten und neuen Glauben'. Keineswegs die erste Kritik, die ich kennen lernte, aber die erste, die starken Eindruck auf mich machte. Eines Tages sah ich dann in einem Buchladen die zweite .Unzeitgemäße': .Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben'. Ich kaufte sie mir und war tief bewegt. Seitdem habe ich jedes Nietzsche-Werk gleich nach Erscheinen mir zu eigen gemacht, wenn auch mit allmählich abnehmender Begeisterung." Ahnlich hatte er schon zum Tode Nietzsches an die Schwester geschrieben: „Ich habe ihn geliebt, seit frühen Tagen; seit ich im Jahre 1873 das .Zweite Stück der Unzeitgemäßen Betrachtungen' erwarb und mir zu eigen machte; nachdem ich schon die .Geburt der Tragödie' mit wahrem Entzücken, .David Strauß' mit tiefinnerlicher Zustimmung gelesen hatte [...] ich darf mich freuen, daß ich gar manche auf den großen Autor aufmerksam gemacht habe, in jenen Jahren; ich glaube, daß auch Georg Brandes seinen Namen zuerst von mir gehört hat, im Winter 1879 / 80 im Hause Friedrich Paulsens." (Brief v. 1. 9. 1900, abgedruckt in: Brockdorff, Baron Cay v., Zu Tönnies Entwicklungsgeschichte. Lipsius & Tischer. Kiel 1937, S. 14 f.), Treitschke (der am 28. 10. 1873 an Overbeck schrieb: „Nun sehe ich in der Schrift Deines Freundes einen durchaus edlen, grunddeutschen Geist auftreten; aber immer wieder reitet ihn der Schopenhauersche Teufel, verwandelt seine geistvollsten Sätze in Paradoxien, seine Liebe in Hohn. Es ist ja Alles erschreckend wahr, was N. über die Halbbildung der Gegenwart sagt; aber seiner Schrift mangelt die erste Tugend des Stilisten, die unendlich wichtiger ist als die Composition, die äußere Correctheit u. s. w.: er hat den Ton verfehlt, er ruft die Stimmung nicht hervor, die er erzeugen will [...] in seinem Tone ist eine aufreizende erbitternde Schärfe, die den Widerspruch herausfordert. Er will offenbar die Leser zwingen, über das behagliche ,wie wir's so herrlich weit gebracht' gewissenhaft nachzudenken. Und was erreicht er? Daß die Gedankenlosen sich nur noch mehr verhärten in ihrer Selbstgefälligkeit, die Denkenden verstimmt werden. Ich habe noch Niemand gesehen, der sich an der Schrift gefreut hätte; selbst Ribbeck nicht, und er will N. persönlich wohl und ist wie N. ein Verächter der Bildungsphilister [...] es ist N ' s eigne Schuld, wenn mittelmäßige Menschen, die darum weder perfid noch dumm zu sein brauchen, ihn so gröblich mißverstehen [...] Und wie von Grund aus ungerecht ist N ' s Urtheil über das heutige Deutschland! [...] Mir scheint es einfach abgeschmackt, in dem heutigen Deutschland nur den Verfall zu sehen [...] Spricht es denn nicht jeder Gerechtigkeit Hohn, von einem Volke in solcher Lage ,Stil' zu verlangen? Noch dazu wenn man selber keinen Stil hat? [...] Dein Freund hat ein so schönes Talent; möchte er endlich lernen es zu verwenden im Dienste seines Volkes, statt es zu zerstören in unfruchtbarer Einsamkeit!" A. a. O., S. 376-379; Ähnliches schrieb er am 27. 5. 1874 an Wilhelm Vischer, noch mit Bezug auf die erste „Unzeitgemäße": „Die Aufnahme, die Nietzsche's Buch in Presse gefunden, scheint mir auch höchst unbillig, der Ton seiner Schrift

1873 Adolf Baumgartner: „Er hat zuerst in mir das große Rad umgedreht."

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trägt aber leider selbst die Schuld." Ebd., S. 394; Bruchstücke zweier Briefe ähnlichen Inhaltes, die zwischen Treitschke und Vischer-Heußler gewechselt wurden, finden sich in: Ernst Leipprand, Heinrich von Treitschke im deutschen Geistesleben des 19. Jahrhunderts. Kohlhammer. St. 1935, S. 117) und Wagner (über diese Schrift schrieb Cosima im Tagebuch am 20. 8. 1873: „[...] abends in Nietzsche's Broschüre für die Freundin [d. i. Malwida von Meysenbug] gelesen, mit Betrübnis einen unerfreulichen Eindruck von vielem darin erhalten." C. W . Die Tagebücher. Bd. I [...] a. a. O., S. 717) sowie an: BAUER, BRUNO (Eisenburg / S.Altenburg 6. 9. 1809 - Rixdorf / Bln. Neukölln 13. 4. 1882), Junghegelianer und Jugendfreund von Karl Marx, habilitierte sich 1834 in Berlin für Theologie, 1839 in Bonn, wo ihm 1842 als Privatdozenten für Theologie wegen zu freier Ansichten die venia legendi entzogen wurde. S. hierzu: Ernst Barnikol, Das entdeckte Christentum im Vormärz. Bruno Bauers Kampf gegen Religion und Christentum und Erstausgabe seiner Kampfschrift. E. Diederichs. Jena 1927, S. 7 f., 68, 78 f., in welchem Werk Verfasser meint, daß Gast „Bauer persönlich gekannt" habe, ohne jedoch Näheres zu bieten; BAUMGARTNER, ADOLF (Lörrach 15. 6. 1855 - Basel 16. 12. 1930), seit 1873 Schüler Nietzsches am Pädagogium, seit Frühjahr 1874 Studium der Geschichte und klassischen Philologie an der dortigen Universität, leistete Nietzsche schon zu der Zeit Schreibe- und Vorlesedienste, Herbst 1874 - Herbst 1875 Einjähriger in Bonn, Herbst 1875 - Herbst 1877 wiederum in Basel, jedoch die beiden Sommersemester 1876 und 1877 beim Militär in Danzig, erst im Wintersemester 1877 / 78 konnte er das mehrfach unterbrochene Studium vollaufnehmen, vorerst in Jena und Tübingen, dann ab 1880 wieder in Basel, wo er sich Juni 1881 habilitierte, später Professor der Geschichte ebendort; in einem Brief v. 17. 2. 1878 schrieb er an Jacob Burckhardt: „Er [d. i. Nietzsche] hat zuerst in mir das große Rad umgedreht." (Emil Dürr, Adolf Baumgartner 1855-1930, in: BJb 1932, S. 217). S. a. die Widmung Nietzsches an ihn in einem Exemplar von Emersons „Neuen Essays", St. 1876: „Herrn Adolf Baumgartner / als Gefährten für ein- / same Spaziergänge / empfohlen. / Und dabei gedenken Sie auch / - meiner? - / F. Nietzsche / Ende 1878." (Ablichtung u. Beschreibung in J . A. Stargardts Versteigerungskatalog Nr. 405 v. 5. 5. 1938, S. 36 f.); EWALD, HEINRICH (Göttingen 16. 11. 1803 - ebd. 4. 5. 1875), in Göttingen, bedeutender Orientalist und Bibelforscher, seit 1867 im Ruhestand; GAST, PETER (d. i. Johann Heinrich Köselitz, Annaberg 10. 1. 1854 - ebd. 15. 8. 1918), Komponist, sein Freund Widemann machte ihn um diese Zeit auch auf die „Geburt" aufmerksam. Nach einem zufälligen Treffen mit Overbeck bei dem Verleger Schmeitzner in Chemnitz beschlossen beide, nach Basel überzusiedeln, wo Gast von seiner Immatrikulation 1875 / 76 bis 1878 Vorlesungen vor allem bei Nietzsche, Overbeck und Burckhardt hörte; KELLER, GOTTFRIED (Zürich 19. 7. 1819 - ebd. 16. 7. 1890); KUH, EMIL (Wien 13. 12. 1828 - Meran 30. 12. 1876), seit 1857 Kritiker in Wien, und 1864 und nach Übertritt zum katholischen Glauben Professor der deutschen Sprache und Literatur an der Wiener Handelsakademie, mit Hebbel, Mörike und Storm befreundet; s. Kuhs Schreiben v. 14. 11. 1873 an Keller, mit dem er seit Februar 1871 brieflich bekannt war: „Ist Ihnen etwas über die Person des Professors Friedrich Nietzsche in Basel bekannt? Derselbe hat eine Schandbroschüre gegen Strauß geschnellt und ein wahnwitziges Buch über die .Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik' zu Ehren Richard Wagners dieses betrunkenen Schulmeisters, geschrieben. Ich frage deshalb, weil ich vier Wochen angestrengter Arbeit an eine Kritik über Nietzsche schon gewendet habe, welche ich selbständig herauszugeben gedenke." sowie Kellers Antwortschreiben v. 18. 11. 1873: „Das knäbische Pamphlet des Herrn Nietzsche gegen Strauß habe ich auch zu lesen begonnen, bringe es aber kaum zu Ende wegen des gar zu monotonen Schimpfstiles ohne alle positiven Leistungen oder Oasen. Nietzsche soll ein junger Professor von kaum 26 Jahren sein, Schüler von Ritsehl in Leipzig und Philologe, den aber eine gewisse Großmannssucht treibt, auf anderen Gebieten Aufsehen zu erregen. Sonst nicht unbegabt, sei er durch Wagner-Schopenhauerei verrannt und treibe in Basel mit ein paar Gleichverrannten

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Gottfried Keller: Ein „Erz- und Kardinalphilister"

Infolge des Herbst 1874 erfolgten Verlagswechsels gibt es auch Exemplare mit dem Verlagszeichen von E . Schmeitzner in Chemnitz.

Wohl vom Verleger Ernst Wilhelm Fritzsch selber stammt die erste Anzeige des Werkes im von ihm herausgegebenen Blatt: einen eigenen Kultus. Mit der Straußbroschüre will er ohne Zweifel sich mit einem Coup ins allgemeine Gerede bringen, da ihm der stille Schulmeisterberuf zu langweilig und langsam ist. Es dürfte also zu erwägen sein, ob man einem Spekulierburschen dieser Art nicht noch einen Dienst leistet, wenn man sich stark mit ihm beschäftigt. Doch werden Sie wohl am besten selbst das Bedürfnis hierfür beurteilen. Ich halte den Mann für einen Erz- und Kardinalphilister; denn nur solche pflegen in der Jugend so mit den Hufen auszuschlagen und sich für etwas anderes als für Philister zu halten, gerade weil dieses Wähnen etwas so Gewöhnliches ist." (G. Keller, Ges. Briefe. Hg. v. Carl Helbing. Benteli. Bern 1952. Bd. 3, 1. Hälfte, S. 170 f.; zuerst in: Gottfried Kellers Leben. Seine Briefe und Tagebücher. Hg. v. J. Baechtold. 2. Bd., 3. Aufl. W. Hertz. Bln. 1897, S. 121 f., doch mit einer Lücke im Briefe Kuhs). Alfred Schär veröffentlichte „Emil Kuh's Briefe an Gottfried Keller" im ZTb 1904, S.189-252, unter denen sich auch Kuhs Antwortschreiben v. 27. 11. 1873 befindet. Dieser stimmt der Ansicht Kellers vollkommen zu und meint noch, Nietzsche habe nicht nur „Schopenhauern ... schamlos ausgeschrieben", sondern auch „Apperçu's über die Unterschiede zwischen Cultur und Bildung ... ohne Angabe der Quelle einem Aufsatze des Schweizers Rochholz entlehnt" In der FZg („Gottfried Keller und Emil Kuh", 49. Jg., Nr. 334 v. 1. 12. 1904, 1. Morgenbl., S. 1 f.) besprach Lazzar A. Berndt, Zürich, Schars Veröffentlichung, brachte gegen Schluß einige Brieffetzen Nietzsche betreffend und meinte dazu: „Mag man auch Kuh und Keller nicht als kompetente Nietzsches betrachten, [...] man wird ihre Knorrigkeit mit ihrem Temperament entschuldigen."; LÜBECK, CARL (1843 - 1892), Herausgeber der „Demokratischen Zeitung" in Berlin (s. seinen Brief an Nietzsche v. 3. 9. 1874 in: KGB II / 4, S. 549 f.); MENDE, Oberpfarrer, dessen Sohn Theodor aus Seidenburg in der Oberlausitz (31. 12. 1840 - 10. 10. 1923) ehemaliger Obergeselle Nietzsches in Pforta war; MEYER, HUGO VON (1837 - 1902), Jurist, seit 1874 ordentlicher Professor für Strafrecht an der Universität Tübingen, ein Freund Overbecks; NOHL, KARL FRIEDRICH LUDWIG (Iserlohn 5. 12. 1837 - Heidelberg 15. 12. 1885), durch Bülow, zunächst Jurist, dann Musikschriftsteller, seit 1865 Professor in München und seit 1872 in Heidelberg; PLÜSZ, THEODOR (Beuggen b. Basel 29. 5. 1845 - Basel 11. 11. 1919), klassischer Philologe, 1873 - Ostern 1881 Professor der Geschichte in Pforta, 1881-1907 Nachfolger Nietzsches am Basler Pädagogium; VISCHER, FRIEDRICH THEODOR VON (Ludwigsburg 30. 6. 1807 - Gmünden 14. 9. 1887), Doktor der Philosophie seit 1832, seit 1869 Professor in Stuttgart; s. über ihn: Oelmüller, Willi, Friedrich Theodor Vischer und das Problem der nachhegelschen Ästhetik. Kohlhammer. St. (1959 = Forschungen z. Kirchen- u. Geistesgesch. N. F. Bd. VIII), S. 200-213, bes. S. 206: „Auf Nietzsches Kritik in den .Unzeitgemäßen Betrachtungen' konnte Vischer keine Antwort mehr geben. Er schrieb in einem unveröffentlichten Brief vom 4.10.1873 an seinen Sohn: ,Ein Professor Nietzsche in Basel hat ein freches Buch gegen mich und Strauß geschrieben; ich werde nicht antworten.'" WLDEMANN, PAUL HEINRICH (Chemnitz 6. 7. 1851 - Kohren b. Frohburg / Sachsen Febr. 1928), Komponist und Schriftsteller in Chemnitz, lernte Peter Gast am Konservatorium in Leipzig kennen, mit diesem zusammen im Oktober 1875 nach Basel, wo er mit kurzen Unterbrechungen bei Nietzsche, Overbeck und Burckhardt hörte, später Herausgeber des ersten Jahrganges (1882) von Schmeitzners „Internationale Monatsschrift" (IMs), Verfasser u. a. von: Uber die Bedingungen der Ubereinstimmung des discursiven Erkennens mit dem intuitiven, eine Untersuchung des Ursprungs der Formen und Gesetze des Denkens. E. Schmeitzner. Chemnitz 1876.

1873 Karl Hillebrand: Das „Banner deutscher Humanität"

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15 anonym, Vom „Bildungsphilister". (MW 4. Jg., Litteraturblatt v. Aug. 1873, S. 35 ff.). Es wird darin behauptet, daß, „wenn auch die specielle Polemik der Nietzsche'schen Schrift von der ersten bis zur letzten Zeile bestritten werden sollte", seine Kennzeichnung des Bildungsphilisters unwiderlegt bliebe. Hierauf folgt über fünfeinhalb Spalten die Stelle aus dem Werk, die eben diese Kennzeichnung enthält.

Sonst erregte diese Schrift, im Gegensatz zur „Geburt", fast sofort eine ziemlich große Aufmerksamkeit: 16 anonym, Deutsche Kultur. (SchwV 13. Jg., Nr. 217 v. 13. 9. 1873). Eine Anzeige zu Nietzsches Buch sowie gleichzeitig zu Overbecks „Christlichkeit der heutigen Theologie". Eine sich der damaligen „liberalen Theologie" verschreibende, ablehnende Kritik des Nietzscheschen Werkes, die aber nicht umhin kann, wenigstens im Vergleich zu Overbeck, dem Verfasser eine gewisse „Sprachgewandtheit" zuzugestehen. 17 anonym, David Strauß und sein neuester Kritiker. (SchwGr Nr. 218 f. v. 15. u. 16. 9. 1873). Eine scharfe Ablehnung der Schrift des „Zukunftsprosaikers", da „unredliche Mittel und ernstes Pathos sich nicht mit einander vertragen", und der Besprecher, „erstere mit Händen greifen zu können", meint. 18 H(illebrand), Κ (ari), Nietzsche gegen Strauß. (AAZg Nr. 265 f. v. 22. u. 23. 9. 1873). Besprecher weist in diesem Aufsatz anfangs auf Nietzsches „Homer" und „Geburt" hin, welche Werke deren Verfasser als ernsthaft ausweisen müßten. Sonst sieht er in dem neuesten Werke das „Banner deutscher Humanität" gegen die „Beschränkung nationaler Selbstbewunderung" erhoben und nennt die Sprache „geistreich, lebendig, gedrängt". Bekritteln will er nur Nietzsches Auffassung der Kultur als Einheit der Form und seine Feindschaft gegen Hegel, dem seit der Entdeckung Schopenhauers nun eine rechte Würdigung gebühre. Diese ist die erste Stellungnahme, die Nietzsches Wollen überhaupt zu ahnen scheint. 18a Unter dem Titel: Einiges über den Verfall der deutschen Sprache und der deutschen Gesinnung. (Bei Gelegenheit einer Schrift von Dr. Friedrich Nietzsche gegen David Strauß) in: Κ. H., Zeiten, Völker und Menschen. 2. Bd.: Wälsches und Deutsches. Oppenheim. Bln. 1875, S. 291-310. Im Tone durchgehend und merklich gemildert; die Zustimmung zum Inhalt wie auch zur Form des Werkes ist stark eingeschränkt. 18b Dass., 2. verbess. u. verm. Aufl. K. J. Trübner. Straßburg 1892, S. 281-299. Unverändert. 18c Mit der Uberschrift: Sprachverfall und Gesinnungsverfall? in: Κ. H., Abendländische Bildung, hg. v . J . Hofmiller. Langen. Mchn. o. J. (1924. 1.-5. Tsd.), S. 86-100. Unverändert. 19 anonym (BasN Beil. z. Nr. 226 v. 24. 9. 1873). Ablehnende Anzeige, da die meisten nicht gewillt seien, die geschilderte Kulturlosigkeit der Zeit zuzugeben noch den großen Strauß, vor dem sie immer noch trotz seiner Unheimlichkeit Achtung haben, von einem jungen Gelehrten angegriffen zu sehen.

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1873 Weiterhin Beachtung als klassischer Philologe

2 0 a n o n y m , F r i e d r i c h N i e t z s c h e u n d sein n e u e s t e r K r i t i k e r . ( S c h w G r v . 2 5 . 9 . 1873). E i n e E n t g e g n u n g a u f den e t w a s f r ü h e r e r s c h i e n e n e n A u f s a t z „ D a v i d S t r a u ß u n d sein n e u e s t e r K r i t i k e r " ( N r . 17). M i t B e z u g a u c h auf eine Stelle aus d e r „ G e b u r t " v e r t e i d i g t V e r f a s s e r den E r n s t N i e t z s c h e s u n d die R i c h t i g k e i t v o n dessen F e s t s t e l l u n g e n gegen S t r a u ß . E r v e r s e t z t a u c h d e m V e r f a s s e r d e r A n z e i g e i m „ V o l k s f r e u n d " ( N r . 16) e i n e n S e i t e n h i e b . 2 1 F l a c h , H a n s , ( J F K A B d . 1, E n d e Sept. / A n f a n g O k t . 1 8 7 3 , S. 6 1 3 - 6 2 1 ) . B e s p r i c h t N i e t s c h e s (so d u r c h w e g ) A u f s ä t z e z u m „ F l o r e n t i n i s c h e n T r a c t a t U b e r H o m e r u n d H e s i o d " ( P , U ) r e c h t a n e r k e n n e n d u n d e n d e t w i e folgt: „ W i r s c h e i d e n v o n d e r A b h a n d l u n g , die eine b e d e u t e n d e Stellung in d e r H e s i o d l i t t e r a t u r

ein-

n i m m t , m i t d e r H o f f n u n g , d a ß d e r b e g a b t e V e r f a s s e r seine a m S c h l u ß a u s g e s p r o c h e n e n P l ä n e in B e t r e f f e i n e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g d e r h e s i o d i s c h - h o m e r i s c h e n V e r wandtschaftslisten

r e c h t b a l d realisiren u n d seiner jetzigen Z u k u n f t s m u s i k

und

Z u k u n f t s p h i l o l o g i e d e n R ü c k e n k e h r e n m ö c h t e . " A u f d e n S. 6 2 0 f. b e r ü c k s i c h t i g t e r k u r z Schölls A b f e r t i g u n g v o n N i e t z s c h e s B e i t r a g z u d e n „ A c t a Societatis p h i l o l o gae L i p s i e n s i s " ( Q ) . 2 2 2 2 F a l c k e n b e r g , R i c h a r d , 2 3 N i e t z s c h e u n d S c h l e t t e r e r . ( M W 4 . J g . , N r . 4 0 v . 3 . 10. 1 8 7 3 , S. 5 8 0 f.).

22 Die Schwester verwies schon in der Lebensbeschreibung (Nr. 549, S. 96) auf diese Besprechung hin, doch mußte Richard Oehler zur selben Stelle in der Neuausgabe (Nr. 549a, S. 449) noch vermerken: „Verfasser und Zeitschrift, in der diese Besprechung erschienen, konnte nicht mehr ermittelt werden." Flach brachte auch eine recht ernsthafte und eingehende Erörterung der Äußerungen Nietzsches „Zum Leben Hesiods" in einem gleichnamigen Aufsatz, der durch das Erscheinen von Bergks Literaturgeschichte ausgelöst worden war. (Hermes Bd. 8, 1873, S. 457-467). N o c h geraume Zeit später gedachte er, inzwischen ao. Professor in Tübingen, Nietzsches. In seinen „Untersuchungen über Eudokia und Suidas". Teubner. Lpz. 1879. vi S., 1 Bl., 192 S., wird nicht weniger als 21mal auf Nietzsches Aufsätze „Zur Geschichte der Theognideischen Spruchsammlung" und „De Laertii Diogenes fontibus" hingewiesen, und auf S. 49, 55 fühlt sich Verfasser verpflichtet, sich mit Nietzsches Ansicht, „daß Hesychios und Diogenes Laertios eine gemeinsame Quelle benutzt haben", voll auseinanderzusetzen. S. a. die Erwähnung Nietzsches in Rohdes äußerst bissigen Besprechung der von A. Kießling und U . v. Wilamowitz-Moellendorff herausgegebenen „Philologischen Untersuchungen" (LCB1 N r . 51 v. 18. 12. 1880, Sp. 1743: „Es bleibt also dabei, daß in den Homonymenlisten des Laertius sich kein Name findet, der über die Zeit des Demetrius von Magnesia herunterführte, (die ganz besondere Art des Doppelverzeichnisses VIII, 46. 47 hat Nietzsche hinreichend ins Licht gesetzt.)" Die Arbeit, die Rohdes Bemerkungen verursachte, war Ernst Maaß' „De biographis Graecis quaestiones selectae" (Philologische Untersuchungen. 3. Heft. Weidmann. Bln. 1880, S. 1-41), in der sich Verfasser wiederholt mit Nietzsches Ansichten (s. D , J , Ν u. M) auseinandergesetzt hatte; FLACH, JOHANNES (Pillau / Ostpr. 1. 3. 1845 - Hamburg 16. 9. 1895), klassischer Philologe, promovierte 1867, zunächst Gymnasiallehrer in Elbing, habilitierte sich 1874 in Tübingen, seit Mitte der 80er Jahre freier Schriftsteller, zuletzt in Hamburg; MAASZ, ERNST, geb. am 12. 4. 1856 zu Kolberg, klassischer Philologe, 1886 o. Professor zu Greifswald, seit 1895 zu Marburg. 23 FALCKENBERG, RICHARD (Magdeburg 23. 12. 1851 - Jena 28. 9. 1920), Philosoph, 1889-1920 Professor in Erlangen, 1885-1917 Herausgeber der „Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik".

1873 Weitere Stimmen zur ersten „Unzeitgemäßen"

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Vergleicht die „Geburt" mit H . M. Schletterers 1873 erschienener Schrift „Über die Entstehung der Oper". Die Wurzel des Mißmutes des Augsburger Kapellmeisters liege darin, daß er in „keinerlei geistigem Rapport mit unserem Opernreformator" (d. i. Wagner) stehe, wogegen Nietzsche in „seinem gewaltigen W e r k e " mit Wagner „wie mit einem Gegenwärtigen verkehrt" habe. 2 3 anonym, David Strauß und sein neuester Kritiker. II. (SchwGr 13. Jg., 3. 10. 1873). Eine Erwiderung auf den Aufsatz in der „Grenzpost" (Nr. 20) und erneute scharfe Ablehnung der „ersten Unzeitgemäßen" unter Erwähnung auch der Besprechung von Hillebrand (Nr. 18). 2 4 a n o n y m (SchwV v. 8. 10. 1873). U n t e r den örtlichen Nachrichten findet sich diese Zurückweisung der ebenfalls im „Volksfreund" erschienenen Ablehnung der „ersten Unzeitgemäßen" (Nr. 16). D e r Schreiber dieser als „Einsendung" bezeichneten Bemerkungen findet, daß Nietzsche die Schweizer nicht mit in seine Verurteilung der „deutschen Cultur" einbezogen habe. Eine solche Vermengung der Schweiz mit Deutschland habe vielmehr Strauß sich zu Schulden gemacht. Die „erste Unzeitgemäße" habe aber zu „ernsthaftem Nachdenken angeregt", man blicke durch sie „in den geistigen Lebensstrom einer tüchtigen Persönlichkeit". 2 5 B. F., 2 4 H e r r Friedrich Nietzsche und die deutsche Cultur. (Gr 32. Jg., 2. Semester, 2. Bd., H . 42 v. 17. 10. 1873, S. 104-110). Eine sehr beißende Verurteilung der „ersten Unzeitgemäßen", in der Basel unter die „Winkeluniversitäten" gerechnet und Nietzsches Berufung als „Kunststück Ritschis" bezeichnet werden. Es werden v o r allem zwei Seiten des Werkes als be

24 Hinter den Buchstaben „B. F." sind folgende Verfasser vermutet worden: BLUM, HANS (Leipzig 8. 6. 1841 - Rheinfelden / Schweiz 31. 1. 1910), Sohn von Robert Blum und früherer Reichstagsabgeordneter, Redakteur der „Grenzboten" von 1871-1878. Seine „Lebenserinnerungen". 2 Bde. 1841-1907. Vossische Bhdlg. Bln. 1907-08. 4 BU., 335 S. / 5 Bll., 308 S., bieten, was Nietzsche betrifft, nichts; und Bernhard Förster, späterer Gatte der Schwester Nietzsches; s. hierzu: Ernst Jäckh, Friedrich Nietzsche und David Friedrich Strauß. Beiträge zur „modernen Kultur", in: Ρ Bd. 9, 1909, S. 237 Anm. Bei der Annahme einer Umstellung der Buchstaben ist vielleicht eher an Friedrich Böttcher zu denken; s. dazu seine Besprechung des Werkes von Karl Hillebrand „Frankreich und die Franzosen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts" (Gr 32. Jg., II. Semester, Nr. 28 v. 11. 7. 1873, S. 48-55). Der Angriff auf Nietzsche brachte im nächsten Monat eine „Erklärung der Redaction" (ebd., Nr. 46 v. 14. 11. 1873, S. 280), veranlaßt durch „mehrfache Briefe von befreundeten Gelehrten der Basler Hochschule [...], welche die Ansicht aussprechen, daß in jenem Artikel die Ehre der Universität angegriffen worden sei." Es wurde darauf erwidert: Man habe „streng unterschieden zwischen dem Lehrkörper der Hochschule und einem einzelnen Mitgliede, und wird in seiner Verurteilung des Letzteren unterstützt durch eine Reihenfolge von Artikeln in der in Basel erscheinenden .Schweizer Grenzpost' [...]" S. a. neuerdings die weiter nicht begründete Annahme, es handele sich bei dem Verfasser um Gustav Freytag (Hayman, Ronald, Nietzsche. A Critical Life. Oxford Univ. Pr. New York 1980, S. 161 f. u. 372); BÖTTCHER, FRIEDRICH (Mengeringhausen 13. 2. 1842 - Berlin 13. 5. 1922), Dr. phil., ein „Duzfreund" des Schriftleiters Hans Blum und Mitarbeiter seit dessen Übernahme der Zeitschrift Anfang 1871.

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1873 „Die Ausbildung seines Atheismus" könne „zu einer folgenreichen Krisis führen"

sonders anrüchig beleuchtet: die Form des Angriffes auf Strauß und die „Gehässigkeit des Verfassers gegen deutsches Staats- und Gesellschaftsleben". 26 Meyer, Bruno, 25 Beiträge zur Wagner-Frage. In eigener Sache. (DW 5. Bd., 11. Heft v. Nov. 1873, S. 641-673. Verfasser verteidigt sich hiermit gegen die Vorwürfe des Herrn Dräseke (Nr. 13). Er weist mehrfach und eingehend auf Dräsekes Abhängigkeit von Nietzsche hin, unter Anführung der „Geburt" und der inzwischen erschienenen „ersten Unzeitgemäßen", worin er „Phrasenkram" und „apollinisch-dionysisch-hybride Gedankenverbergungskünste" feststellt. Jene Nietzschesche Theorie von der Geburt der Tragödie sei nicht mehr als „eine Fiction, die erfunden und behauptet" worden sei, „um Wagner's Neuerungen zu stützen". Er müsse denjenigen „für einen Feind der Cultur erklären, der den Baum unseres modernen Lebens zu entwurzeln droht". 27 Hoffmann, Franz, 26 (ALAED 12. Bd., Nov.- u. Dez.-heft 1873, S. 321-336, 401407). Als Anhänger Franz von Baaders und Herausgeber von dessen Schriften freut sich der Verfasser, daß sich hier Schopenhauer und Strauß befehden. Von Baader habe eben „in allen Hauptsachen in tiefsinniger Wahrheitserkenntnis unsere größten Forscher überflügelt". Sonst hat Verfasser viel Rühmliches zum Nietzscheschen Werke zu sagen: es sei „eine Kritik, welche große Beachtung" verdiene, er habe den „ausgezeichnet trefflichen Stil Schopenhauers sich in durchaus eigentümlicher Weise angeeignet". Beinahe hellseherisch klingen folgende, fast am Schluß stehende Worte: „[...] wenn das zürnende Niederdonnern des greisenhaft und matt gewordenen Strauß nicht verflackerndes Strohfeuer ist, sondern aus einem wirklich energischen, von großer Begabung getragenen Quell hervorsprudelt, so kann die Ausbildung seines Atheismus zu einer folgenreichen Krisis führen." 27a Dass. in: F. H., Philosophische Schriften. Bd. 5. A. Deichert. Erlangen 1878, S. 409-447. Bis auf drei unwesentliche Kürzungen unverändert. Eine einleitende Anmerkung der Redaktion, in der die „Unzeitgemäße" als „unzweifelhaft eine der originellsten und gehaltvollsten Entgegnungen" bezeichnet wurde, ist auch weggefallen. 28 Binder, Gustav (Schönthal),27 Herr Nietzsche. (Geg 4. Bd., Nr. 49-52 v. 6., 13., 20. u. 27. 12. 1873, S. 362 f., 375 ff., 402 ff., 420 f.). Hervorgerufen angeblich nicht so sehr durch Nietzsches Schrift gegen Strauß, als vielmehr durch deren „schallverstärkende Fortpflanzungen" in Deutschland, nämlich Hillebrands Aufsatz (Nr. 18), übertrifft der Verfasser noch Wilamowitz an 25 MEYER, BRUNO, geb. am 28. 6. 1840 zu Kempen, zunächst Gymnasiallehrer und darauf Lehrer der Kunstgeschichte an der Kgl. Kunstschule Berlin, Herausgeber der „Deutschen W a r t e " 1871-1875.

26 HOFFMANN, FRANZ KARL (Aschaffenburg 19. 1. 1804 - Würzburg 22. 10. 1881), hörte in München seit 1826 bei Franz von Baader, dessen Schüler und Herausgeber er auch später wurde, 1834 Professor der Philosophie am L y z e u m zu Amberg, 1835-1877 an der Universität Würzburg. 27 BINDER, GUSTAV, Sohn des gleichnamigen, langjährigen Freundes von Strauß, damals Professor am evangelisch-theologischen Seminar in Schönthal.

1873 Strauß zur eigenen „Hinrichtung"

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Schimpffreude. Seine Verurteilung geht von der Überzeugung aus, daß Nietzsche eigentlich „gar nicht weiß, wen er in Strauß vor sich hat". 29 (Pfarrer H. Lang), 28 Zwei seltsame Käuze. (R 2. Jg., Nr. 25 v. 13. 12. 1873, S. 451 bis 455). In dieser Doppelbesprechung von Overbecks „Christlichkeit" und Nietzsches „erster Unzeitgemäßen" geht es dem reformgläubigen Verfasser darum, der „Baslerischen Rechtsgläubigkeit" einen Schlag zu versetzen, indem er auf die Unstimmigkeit von „Kanzel" und „Katheder" aufmerksam macht. Doch ist es bemerkenswert, daß er dem Nietzscheschen Werke, das er „mit dem größten Interesse" und „mehr als ein Mal" gelesen habe, dennoch die meisten Worte widmet (S. 452-455). Ü b e r die A u f n a h m e der Schrift bei Strauß selber berichtet A d o l p h K o h u t : „Über Friedrich Nietzsche und den Nietzschekultus urteilt er sehr abfällig in Briefen an den Freund und Dorfpfarrer Rapp, so ζ. B. in dem aus Ludwigsburg, den 19. Dezember 1873. Nietzsche hatte eine Schrift herausgegeben unter dem Titel: .Unzeitgemäße Betrachtungen, Stück 1., David Friedrich Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller', die ganz und gar ungerechtfertigte und durchaus hämische Angriffe gegen Strauß enthielt. Daran anknüpfend meint der letztere: ,Der Nietzsche hat es ja den Leuten förmlich angetan; es ging mir hier, wie es in der Entführung heißt: „Erst geköpft und dann gehangen". Freilich, wenn es ihm gelungen ist, einen schon Geköpften auch noch zu hängen, so war das Aufsehen, was er machte, nicht unverdient. Man sieht übrigens, wie vergeblich die Bemühungen sind, einen schon zwiefach Getöteten wieder zu beleben. Auch wäre es kaum wünschenswert, denn in der Entführung heißt es wieder: „Dann gespießt auf heißen Stangen." Mir ist an dem Patron nur das psychologische Problem merkwürdig, wie man zu einer solchen Wut kommen kann gegen einen Menschen, der einem nie ins Gehege gekommen - kurz, das eigentliche Motiv seines leidenschaftlichen Hasses begreife ich nicht.'" 2 9 I m O k t o b e r 1873 wurde Nietzsche auf Vorschlag Wagners v o n dem Wagnerverehrer E m i l H e c k e l aufgefordert, einen „Mahnruf an die D e u t s c h e n "

28 LANG, HEINRICH (Frommern / Württemberg 14. 11.1826 - Zürich 13. 1. 1876), protestanti-

scher Theologe, seit 1859 Herausgeber der Zeitschrift „Reform. Zeitstimmen aus der Schweizer Kirche". 29 Α. K., David Friedrich Strauß als Denker und Erzieher. Kröner. Lpz. 1908, S. 120 f. Mit etwas anderem Wortlaut und anderer Zeichensetzung sowie einer Stellungnahme des Verfassers in: Theobald Ziegler, David Friedrich Strauß. 2. Tl.: 1839-1874. K. J. Trübner. Straßburg 1908, S. 735 ff.; s. a. den Schluß des zweiten Teiles, in dem Verfasser die „drei Stilarten", die es in Deutschland gebe, erörtert: „den Treitschke-, den Nietzsche- und den Straußstil". - „Treitschkes Pathos riß uns in den großen Stunden der deutschen Geschichte begeisternd mit, Nietzsches blitzende Diamanten faszinieren uns mit ihren Pointen und Schlagern im Spiel geistreicher Unterhaltung, Straußens einfach-schöne Prosa dagegen können wir in allen Lebenslagen genießen und uns ohne Aufregung oder mise en scène in aller Ruhe ihrer in jedem Augenblick freuen." STRAUSZ, DAVID FRIEDRICH (Ludwigsburg 27. 1. 1808 - ebd. 8. 2. 1874), evangelischer Theologe.

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1873 „Mahnruf an die Deutschen" in Sachen Wagners

zugunsten der Wagnersache zu verfassen. Er wurde in wenigen Tagen vollendet, und Nietzsche ließ auch eine Anzahl Exemplare bei Bonfantini in Basel drucken, die aber, obwohl er eins an Carl von Gersdorff schickte, nur als Werkexemplare dienen sollten.30 Am 31. Oktober wurde der „Mahnruf" in Bayreuth vor den Vertretern der Wagnervereine verlesen und abgelehnt und Professor Adolf Stern31 damit beauftragt, einen milderen zu verfassen, der 30 V Mahnruf an die Deutschen. 1 Doppeibl. 4 S. gr.8°. (ohne Namen, Verlag und Jahreszahl). Schaberg schätzt die Auflage auf etwa 20; s. dagegen Glasenapp (Nr. 50, 5. Bd., S. 110 f.), der meinte, Nietzsche habe „den Druck von einigen hundert Probeexemplaren auf schönem dicken Papier bei Bonfantini in Basel herstellen lassen", allerdings ohne dafür eine Quelle anzugeben. Dabei erwähnt er Vertreter aus nur 14 Städten Deutschlands und ÖsterreichUngarns sowie solche von sechs Musik- bzw. Wagnervereinen. Nietzsche selber schrieb von „etwa ein Dutzend Menschen"; HECKEL, EMIL (1831 - 1908), Inhaber einer Musikalienhandlung u. Pianofortefabrik in Mannheim, Vorstand der Wagnervereine, s. den Brief Wagners an ihn v. 23. 9. 1873, abgedruckt in: Briefe Richard Wagners an Emil Heckel. Zur Entstehungsgeschichte der Bühnenfestspiele in Bayreuth. Hg. v. Karl Heckel. S. Fischer. Bln. 1899, S. 66 sowie ebd., S. 69 f. S. a. den Brief Wagners an den Bayreuther Bürgermeister Muncker v. 31. 10. 1873: „Hier sind Probe-Exemplare eines Manifestes, welches Prof. Nietzsche abgefaßt hat, und welches ich zur vorläufigen Kenntnißnahme an die angekommenen oder noch ankommenden Deligirten p. p. ausgetheilt wünschte." (BB Bd. 23, Nr. 7-9 v. Juli-Sept. 1900, S. 200). Zu dieser Stelle vermerkte der Herausgeber und Sohn des Bürgermeisters (Richard Wagners Briefe an Theodor Muncker mitgetheilt v. Franz Muncker), daß neben Nietzsche, Emil Heckel, Baligand und dem Grafen Eduard du Moulin-Eckart sich „nur noch einige wenige Anhänger des Meisters" eingefunden hätten; MUNCKER, THEODOR, RITTER VON (Bayreuth 29. 5. 1823 - ebd. 14. 2. 1900), seit 1863 Bürgermeister der Stadt Bayreuth. 31 STERN, ADOLF (Leipzig 14. 6. 1835 - Dresden 14. 4. 1907), promovierte 1859 zu Jena, seit 1869 o. Professor der Literatur- und Kulturgeschichte an der kgl. Technischen Hochschule zu Dresden, auch Verfasser zahlreicher Romane und Bühnenwerke. Man lese hierzu die Schilderung der Sitzung von Prof. Dr. Robert Davidsohn, Florenz, in seinen „Erinnerungen an Cosima Wagner. IV": „Die Verlesung des, wie es scheint in recht scharfen Ausdrücken abgefaßten Entwurfes begegnete verlegenen Gesichtern, doch wagte zunächst keiner der Anwesenden Einspruch zu erheben, bis mein Bruder erklärte: sofern Wagner, sofern etwa neben ihm Professor Nietzsche mit einer solchen Klage und Mahnung vor die Nation zu treten beabsichtige, ließe sich nichts dagegen einwenden, er aber fühle sich durchaus nicht berechtigt, in ähnlicher Art zum deutschen Volk zu sprechen und vielleicht hätten auch andere der Anwesenden die gleiche Empfindung. Diese Auffassung erwies sich alsbald als die der Mehrzahl, Nietzsches Entwurf wurde abgelehnt und der Literaturhistoriker Adolf Stern aus Dresden damit betraut, eine andere Kundgebung auszuarbeiten, die sich übrigens als ebenso wirkungslos erwies, wie vermutlich die von Nietzsche vorgeschlagene geblieben wäre; mindestens aber hatte sie nicht die aufreizenden Wirkungen jener andern. Nietzsche verließ die Sitzung, die er, man weiß nicht weshalb, ein .Konzil' nannte, in starker Erregung, und hat, soweit mir bekannt, nie mehr einer weiteren Beratung beigewohnt." (DAZgb Nr. 171 v. 13. 4. 1930, 1. Beibl.) Man vergleiche dann auch die Beschreibung Nietzsches in dem Brief an von Gersdorff v. 7. 11. 1873; DAVIDSOHN, GEORGE (Danzig 19. 12. 1835 Berlin 6. 2. 1897), Journalist, Begründer und Herausgeber des Berliner Börsen-Couriers; DAVIDSOHN, ROBERT (Danzig 26. 4. 1853 - F l o r e n z 18. 9. 1937), Geschichtswissenschaftler, D r .

phil 1888, seit 1889 in Italien wohnhaft, Mitinhaber des BBC, schon „zu Anfang der siebziger Jahre, durch Hans Herrig, einen seiner frühesten Bewunderer" mit dem Namen Nietzsches bekannt; die Erinnerungen enthalten auch eine Darstellung des Besuches Nietzsches

1874 Ernst von Dryander: In der ersten „Unzeitgemäßen" sei „ein tiefer Ernst" verborgen

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dann auch angenommen und verbreitet wurde. Im neuen Jahr setzte sich dann die Kritik fort: 30 (Dryander, E. v.) 32 (NEK Nr. 1 v. 3. 1. 1874, Sp. 14 ff.). In einer „Anti-Strauß" betitelten Besprechung des Buches „Dr. Fr. Strauß' alter und neuer Glaube und seine literarischen Ergebnisse. Zwei kritische Abhandlungen von L. W . G. Rauwenhoff und Fr. Nippold", in dessen Anhang „nicht weniger als vierzig abweisende Kritiken" von Seiten der „Naturwissenschaft und Philosophie, Nationalökonomie und Staatswissenschaft, Kunst-, Kultur- und Literaturgeschichte, des Judentums, der Freien Gemeinde und des Altkatholizismus" aufgeführt und begrüßt werden, fügt der Besprecher drei im Buche nicht beachtete Anti-StraußSchriften hinzu, darunter Nietzsches „erste Unzeitgemäße", der er dann den größten Raum gewährt. E r findet die Schrift eine „derbe Geißel des Satirikers", der hier „vernichtend" wirke, meint jedoch, daß darunter auch „ein tiefer Ernst" verborgen sei. 31 anonym (ThJ 9. Jg., 1874, Nr. 7, S. 306 f.). In dieser Sammelbesprechung dreier Werke über Strauß wird der „ersten Unzeitgemäßen" wiederum der größte Raum gewährt, obwohl der Besprecher sich zum Schluß davon „mit Widerwillen wegwenden" zu müssen glaubt. „Der Schlüssel zur Erklärung solches unklaren und wilden Gebahrens dürfte darin gegeben sein, daß Hr. N . Anhänger Schopenhauer's ist [...]" Besprecher spricht als „Patriot und Christ" und kann, obwohl er einiges wenige an der Schrift bejahenswert findet, nicht umhin, sie als „Beispiel der Classicität" abzulehnen: „Sie strotzt von Fremdwörtern, für deren Begriffe die besten deutschen Ausdrücke nahe genug liegen, und pleonastische Zusammenstellungen, wie .Bildung und Cultur' möchten auch nicht zu den Eleganzen gehören."

in Tribschen zur Jahreswende 1871 / 72: „Als er [...] eintraf, spielte er abends den beiden Freunden seine ,Sylvesternacht' vor, während als nichtbeachteter Vierter der in der T ü r e stehende D i e n e r J a k o b zugegen war, [...] er sich schon herausnehmen konnte, ein W o r t mitzusprechen. Als Nietzsches Spiel verklungen war, herrschte nach Frau Cosimas Schilderung verlegenes Schweigen, denn nach ihrem und ihres Gatten Urteil sei die Komposition lediglich eine matte Nachempfindung Schumannscher Tondichtungen gewesen. In die Stille hinein tönten die überzeugten W o r t e Jakobs: ,Das scheint mir nit guet, H e r r Professor!', und ein befreiendes Lachen aus drei Kehlen löste nach dieser in breitem .Züridütsch' vorgebrachten Kritik die etwas schwüle Stimmung." Zu einer frühen Fassung der „Geburt" erzählt er weiter: „Als der Basler Philolog wieder erschien und die Freundin um Kundgabe ihres Urteils bat, erklärte Frau Cosima ihm zugleich in Wagners N a m e n das vollste Einverständnis mit dem Inhalt dieses Erstlingswerkes, doch keineswegs mit dessen F o r m . D e n n diese bestand, in der Art, die im Schaffen Nietzsches später wieder die Oberhand gewann, in der Aneinanderreihung von Aphorismen. Sie erklärte dem Verfasser: geistvolle Einfälle zu haben, sei für einen so begabten Gelehrten leicht, aber Sache des Künstlers, der neben dem Forscher und Schriftsteller in ihm stecke, sei es, den Gedanken einheitlichen Ausdruck, dem W e r k F o r m zu verleihen. E r möge [...] die Handschrift zurücknehmen und sie eines Tages geändert zurückbringen. Nietzsche sei zuerst etwas bedrückt gewesen [...]" 32 DRYANDER, ERNST VON (Halle 18. 4. 1843 - Berlin 4. 9. 1922), 1872-74 Kanzelredner und Seelsorger in Torgau, 1874-82 Pfarrer in Bonn, seit 1882 in Berlin; s. seine: Erinnerungen aus meinem Leben. 2. erw. Aufl. Velhagen & Klasing. Bielefeld u. Lpz. 1922, S. 112.

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1874 UB II: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben

Am Anfang des Jahres 1874 hielt Theodor Plüß, Professor der Geschichte in Pforta, einen Vortrag „über Fr. Nietzsches .Geburt der Tragödie' und .Unzeitgemäße Betrachtungen'" vor der „Litteraria in Naumburg". 33 In einem Brief vom 27. Oktober 1873 an von Gersdorff fällt die erste Erwähnung einer „zweiten Unzeitgemäßen", die dann im Januar fertig wird und Ende Februar in einer Auflage von 1000 Stück erscheint; da aber Nietzsches Augenleiden sich gerade wieder merklich verschlimmert hatte, schrieb von Gersdorff den Text für das Druckmanuskript ab, und Rohde las dann die Korrekturbogen: 34 III Unzeitgemässe / Betrachtungen / von / Dr. Friedrich Nietzsche, / ordenti. Professor der classischen Philologie / an der Universität Basel. / Zweites Stück: / V o m Nutzen und Nachtheil / der Historie für das Leben. / Leipzig. / Verlag von E . W . Fritzsch. / 1874. vi, 7-111 S. 8°. 35

33 BAB IV, S. 375 (Nachbericht) erwähnt, daß Plüß einen Vortrag über die „Geburt der Tragödie" gehalten habe. S. hierzu aber, neben den brieflichen Äußerungen Nietzsches, auch: Album der Litteraria in Naumburg a. d. Saale. 1896, S. 83 f. Die 52seitige Handschrift zum Vortrag nämlichen Inhalts befindet sich im Goethe-Schiller-Archiv, Sign. 2933. 34 Entgegen Gersdorffs eigener späterer Behauptung (s. Die Briefe d. Frhn. C. v. Gersdorff an Fr. Nietzsche. Tl. IV, S. 63, dazu Anm. 296), die Unzeitgemäßen zwei bis vier seien ohne seine Mitwirkung zustande gekommen. 35 Exemplare waren in den Händen von: Bülow, Burckhardt, Cosima (s. die Tagebucheintragungen v. 22. 2.: „Abends beginnen wir die neu angekommene Broschüre von Freund Nietzsche über den Nutzen der Geschichte, es fängt sehr abstrakt an, und dadurch erhält es etwas Willkürliches."; v. 9. 4.: „R. liest am Morgen die jüngste Schrift von unserem Freund Nietzsche und faßt sein Urteil also zusammen: ,Es ist die Schrift eines sehr bedeutenden Menschen, und wenn er sehr berühmt werden sollte, wird auch diese Schrift einst beachtet werden. Sie ist aber noch sehr unreif, alle Anschaulichkeit fehlt ihr, weil er niemals Beispiele aus der Geschichte gibt und doch viele Wiederholungen und keine eigentliche Einteilung hat. Diese Schrift ist zu schnell erschienen. Ich weiß niemanden, dem ich sie zur Lektüre geben könnte, weil ihm kein Mensch folgen kann. Die Grundidee hat Schopenhauer schon ausgesprochen, N. hätte sie viel mehr vom pädagogischen Standpunkte aus beleuchten sollen.'" C. W. Die Tagebücher. Bd. I [...] a. a. O., S. 794 f., 810 f.), Gast, Gersdorff und dessen Vater, Kelterborn, Liszt, Malwida, Mathilde Maier, Freifrau von Meyendorff, Hugo Meyer, Rau, Rohde (s. seinen Brief an Gersdorff v. 18. 2. 1874: „Das ist wieder ein Donnerwort: es wird in der Jetztzeit wie ein Tuten in eine leere Gießkanne verhallen, aber eine spätere Zeit wird mit Bewunderung zu sehen haben, wie furchtlos und sicher hier der Finger in die schlimmste Wunde der Zeit gelegt wird. Und einige Herzen gibt's denn ja zum Glück auch jetzt schon, in denen der Donner nachdröhnen wird. Was haben wir für einen starken Freund! Ich komme mir neben solch einem tiefen, starken Klange, wie ihn namentlich Kap. 3 laut werden läßt, sehr elend und verhistorisiert vor: und dabei darf man dann eigentlich seine abscheulich schwächliche Allseitigkeit, die einen so leicht einsehen läßt, wo die viel kraftvollere Einseitigkeit über das Ziel hinausschießt, gar nicht zu Worte kommen lassen. Denn wie leicht ist es nicht, zu bemerken, daß N. in vielen Punkten übertreibt - und gerade daran wird sich die Kritik hängen. Aber in der Sache hat er tausendmal Recht, und das soll die verdammte .gerechte' historische Art in uns allen eigentlich gar nicht aufkommen [so]. Denn gerade solche strenge Einseitigkeit und Männer, die sie, mit notwendigem Triebe, festhalten, tun uns Not, wenn nicht die unglückselige Wahrheit, daß alle Dinge ihre zwei

1874 Übereinstimmung bei Bernhard Förster und Fritz Mauthner

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Seiten haben - eine teuflische Wahrheit, die einen so oft plagt - uns endlich verrückt machen soll." Bernoulli, a. a. O., Bd. I, S. 119), Ida Rothpietz, der Schwester, Tönnies (s. Anm. 21), Treitschke, Wilhelm Vischer (mit der Widmung: „Herrn Ratsherr Prof. Dr. Vischer in treuer Gesinnung und mit der Bitte um Wohlwollen und Nachsicht iiherreicht v o m Verf."), Wagner und Widemann sowie von: EBNER-ESCHENBACH,MARIE VON (geb. Gräfin Dubsky, Schloß Zdislawitz / Mähren 13. 9. 1830 - Wien 12. 3. 1916), Schriftstellerin; am 8. 4. 1874 schrieb sie in ihr Tagebuch: „ Z u m erstenmal ein Buch von Dr. Friedrich Nietzsche kennen gelernt: .Unzeitgemäße Betrachtungen'. D e r Stil einzig; so wurde in deutscher Sprache noch nicht geschrieben." (A. Bettelheim, Μ. v. E.-Es. Wirken u. Vermächtnis. Quelle & Meyer. Lpz. (1920), S. 153). Eine weitere Stelle führt Bettelheim aus dem Nachlaß, vermutlich aus der Zeit nach der Jahrhundertwende, an: „So grob zu sein wie Lassalle und Nietzsche ist nicht vielen gelungen. Aber die Grobheit Lassalles richtet sich stets gegen die Frevler an einem Ehrwürdigen, während die Nietzsches sich am Ehrwürdigsten versündigt - am Christentum." (ebd., S. 258); FÖRSTER, LUDWIG BERNHARD (Delitzsch 31. 3. 1843 - San Bernardino / Paraguay 3. 6. 1889 am Nervenschlag oder durch Selbstmord), promovierte mit einer Abhandlung über Piaton, seit 1869 Lehrer am Friedrichs-Gymnasium zu Berlin, gründete im März 1881 zusammen mit Liebermann von Sonnenberg den Deutschen Volksverein, 1883 wegen Zerwürfnis mit seiner Behörde infolge judenfeindlicher Tätigkeit Abschied und darauf Neusiedler in Paraguay, seit dem 22. 5. 1885 Schwager Nietzsches, der ihm nur einmal, im September 1885, begegnet ist. S. die Äußerung der Schwester: „Ich war deshalb ziemlich erstaunt, als ich im Jahr 1876 meinen Mann Dr. Bernhard Förster kennen lernte und er mir versicherte, daß er gerade auf diese ,Unzeitgemäße' hin der treueste Verehrer meines Bruders geworden sei; er hielt sie für die beste der vier Betrachtungen, die damals erschienen waren." (Nr. 549, S. 141). Ein erschöpfendes Verzeichnis seiner Schriften findet sich bei Bernoulli, a. a. O., Bd. I, S. 449 f.; GUERRIERI-GONZAGA, EMMA, MARCHESA, geb. von Hohenemser, damals in Florenz; MAUTHNER,FRITZ (Horsitz b. Königsgrätz / Böhmen 22. 11. 1849 - Meersburg 29. 6. 1923), seit 1876 in Berlin, bis 1905 Journalist und Kritiker am B T , Verfasser u. a. von: Beiträge zu einer Kritik der Sprache. 3 Bde. St. 1901-02 / Wörterbuch der Philosophie. 2 Bde. Mchn. u. Lpz. 1910 / D e r Atheismus und seine Geschichte im Abendlande. 4 Bde. St. u. Bln. 1921-23; er schrieb in einem Aufsatz „Friedrich Nietzsche" in der „Nation", 1894, S. 582 (s. N r . 332): „Im Jahre 1874 veröffentlichte er als zweites Stück seiner unzeitgemäßen Betrachtungen die Broschüre: ,Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben'. Ich erinnere mich noch genau, welch starken Eindruck dieser Schüler Schopenhauers auf unseren kleinen Kreis machte, und ich kann die Bemerkung nicht unterdrücken, daß dieser Eindruck auf uns von den späteren, berühmteren Schriften nie wieder erreicht worden ist." S. a. etwas ausführlicher, u. a. auch über die „Geburt" und die „erste Unzeitgemäße", in: F. M., Erinnerungen. I. Prager Jugendjahre. G . Müller. Mchn. 1918, S. 219-226, sowie in: Die Philosophie d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. Hg. v. Raymund Schmidt. (3. Bd.). F. Meiner. Lpz. 1922, S. 127: „Kein Philosophieprofessor war in der Hauptsache mein Lehrer gewesen, nur etwa der philosophierende Dichter Nietzsche und der Positivist Ernst Mach [...]" und S. 128, wo er Nietzsche als den bezeichnet, der ihn „vom wortabergläubigen Historismus befreit" habe; ähnliche Äußerungen erfolgten in Briefen: „Mein Werk wurde von mir in den Jahren 1872 und 73 halb unbewußt concipiert [...] Ich war blutjung, und die Nachlaßschriften O t t o Ludwigs, die Kulturkampfreden Bismarcks und die ersten unzeitgemäßen Betrachtungen Nietzsches regten mich auf. Eine Kritik der Sprache, pietätlos-ästhetisch schwebte mir vor." (an Ernst Mach v. 4. 12. 1901, angeführt n. Kühn, Joachim, Gescheiterte Sprachkritik. Fritz Mauthners Leben und Werk, de Gruyter. Bln., N e w York 1975, S. 113); „Zu der Überzeugung von dem historischen Wandel [d. h. der Sprache] bin ich, wie ich bestimmt weiß, schon vor Jahren gekommen, durch die Schrift, die ich für die bedeutendste von Nietzsche

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1874 Carl Fuchs verweist auf die „Lutherisch kräftige erste .Unzeitgemäße'".

Infolge des im Herbst des Jahres erfolgten Verlagswechsels gibt es auch Exemplare mit der Verlagsfirma E. Schmeitzner in Chemnitz. In zweierlei Hinsicht erwiderte Nietzsche auf die wohlwollenden Beanstandungen Hillebrands (Nr. 18): er blieb bei der Forderung nach einer einheitlichen Kultur, die „ohne Trennung von Innen und Außen" eine „Einhelligkeit zwischen Leben, Denken, Scheinen und Wollen" herstelle, und setzte den Angriff auf Hegel und die „Hegelei" fort. I m selben M o n a t erschien eine Besprechung von Band IX der Gesamtausgabe v o n Grillparzers W e r k e n , w o r i n Nietzsches auch bedacht w u r d e : 32 Fuchs, Dr. Carl, Gedanken aus und zu Grillparzer's Aesthetischen Studien. (MW 5. Jg., Nr. 9, 11-13 v. 27. 2., 13., 20. u. 27. 3. 1874, S. 105 ff., 129 ff., 145 ff., 161-164). Der Verfasser ergreift diese Gelegenheit, um auf Nietzsches „Geburt" sowie auf Wagners „Beethoven" und seine eigenen „Präliminarien zu einer Kritik der Tonkunst" als auf „ästhetische Betrachtungen aus Schopenhauerscher Sicht" hinzuweisen. Sonst stellt er Nietzsche als „Goethenatur" anstatt als „Kantnatur" hin und erwähnt auch seine „Lutherisch kräftige erste .Unzeitgemäße'", dabei weist er die Angriffe in der „Gegenwart" (Nr.28) und den „Grenzboten" (Nr.25) entschieden zurück. Als mit Nietzsches „Geburt" gesinnungsverwandt gedenkt er auch Overbecks „Uber die Christlichkeit unserer heutigen Theologie". Ebenfalls am Jahresanfang erschien eine längere Besprechung der „Geburt", die auch der beiden Gegenschriften von W i l a m o w i t z u n d des Verteidgungsversuches v o n R o h d e gedachte: 33 Guhrauer, Heinrich (Breslau),36 (NJKPP 44. Jg., Bd. 109, H. 1, 1874, S. 49-63). Verfasser findet, daß schon durch die Art der Darstellung das Buch „außerhalb der Reihe philologischer, ja wol überhaupt außerhalb der streng wissenschaftlicher Werke" anzusetzen sei, es gehöre vielmehr in die „Kategorie der Wagner-Litteratur". Nietzsches „künstlerische Cultur" sei nichts weiter als „wieder aufgewärmte, ins musikalische übersetzte Novalis-Schlegelsche Romantik". Sonst redet der Verfasser fast überall Wilamowitz das Wort, geht aber im einzelnen auf die Streitschriften überhaupt nicht ein. Sodann folgten eine kürzere Anzeige der „ersten U n z e i t g e m ä ß e n " sowie deren E r w ä h n u n g z u m Schluß einer Sammelbesprechung von fünf W e r k e n zu „Strauß" u n d dessen „alten u n d neuen Glauben": halte: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben. Weitab von Nietzsches Anregung hat mich dieser Gedankengang geführt."(ebd., S. 200); STURZENEGGER, BARTHOLOMÄUS (Trogen / Kt. Appenzell-Außerrhoden 12. 8. 1848 - 1934), Schüler Nietzsches 1869 / 70 auf dem Pädagogium in Basel, Mai 1870 - März 1872 stud, theol. ebd., damals Pastor in Sinach (s. KGB II, 6 / 1, S. 189 f., wo er als Starzenegger erscheint). 36 GUHRAUER, HEINRICH (Breslau 13. 3. 1844 - 14. 3. 1909), klassischer Philologe, später Gymnasialdirektor zu Wittenberg.

„gespreiztes Geckentum"

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34 Richter, Dr. Arthur, 37 (ZPhK Bd. 64, 1874, S. 153-158). Diese erste Stimme zur „ersten Unzeitgemäßen" aus ausdrücklich christlichem Lager ist durchaus zustimmend, wenn auch mit Einschränkungen, besonders zu Nietzsches Äußerungen über die Kulturlosigkeit der Deutschen. Die Schrift wird „originell, geistreich, geistvoll, charaktervoll" genannt. 35 anonym, (LCBl Bd. 25, Nr. 19 v. 9. 5. 1874, Sp. 618-622). Verfasser bezeichnet Nietzsches Auftreten als „gespreiztes Geckentum", falls es überhaupt nottue, darüber ein Wort der Entrüstung zu verlieren. Eine knappe, äußerst abgeneigte Besprechung der „zweiten Unzeitgemäßen" erschien erst im Sommer: 36 anonym, (DLFr 2. Jahr, Juni 1874, S. 154). Verfasser ist der Ansicht, daß „das politische Gewitter" der letzten Jahre die Luft gereinigt habe, und urteilt deshalb folgendermaßen über das Werk Nietzsches: „Auf mehr als hundert Seiten lateinischer Schrift fanden wir nichts als höchst unklare, philosophisch sein sollende und prätentiös klingende, vornehm thuende, mit dem jetzigen Zustand der Welt unzufriedene Äußerungen, ohne auch nur einem einzigen Gedanken oder unter den vielen Anführungen auch nur einem Citat zu begegnen, das geeignet wäre, ein neues Licht oder überhaupt Licht in den Gegenstand zu bringen." Aus der Feder Karl Hillebrands stammte dann die erste und auf über ein Jahr hin einzige längere Besprechung der „zweiten Unzeitgemäßen": 37 Hillebrand, Karl, Uber historisches Wissen und historischen Sinn. (NFPr Morgenbll. Nr. 3542 u. 3544 v. 7. u. 9. 7. 1874, S. 1 ff., 1-4). Sieht in Nietzsche einen der „geistvollsten und muthigsten Häuptlinge" einer neuen „Schaar von Stürmern und Drängern", doch nicht den Herder. Er nennt ihn „talent- und geistvoll, selbstdenkend und erregt" und seine Sprache „lebendig, originell" und „stellenweise hinreißend"; mit wiederholten Einschränkungen, aber wiederum dem zugrunde liegenden Wollen Nietzsches zustimmend. Die Schriftleitung glaubte eine Rechtfertigung beifügen zu müssen, die durch Nietzsches Behandlung des „berühmten Kritikers" David Strauß veranlaßt worden sei: „Wenn wir nun die folgenden Feuilletons geben, so geschieht es weniger um der besprochenen Schrift, als um der geistvollen Reflexionen willen, die unser geehrter Mitarbeiter an dieselbe anknüpft." 37a Auch in: 18a, S. 311-338. Leicht geändert, doch entschieden gemildert in der Zustimmung. 37b Auch in: 18b, S. 303-326. Unverändert. 37c Mit der Überschrift: Überschätzen wir die Geschichte? in: 18c, S. 100-120. Unverändert.

37 R I C H T E R , A R T H U R ( 1 8 3 7 - 1 8 9 2 ) , p h i l o s o p h i s c h e r

Schriftsteller.

1874 Ein mäßiger Absatz verhindert die Neuausgabe der „Geburt"

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Im Juli 1874 leitete sich ein Verlagswechsel ein, da, wie Nietzsche an den neuen Verleger Ernst Schmeitzner schrieb, private Verhältnisse es dem Fritzsch wünschenswert machten, „seine gesammte Verleger-Tätigkeit zu sistiren". Jener hatte sich ganz von selbst Mitte Juli als neuen Verleger angeboten. Bei dem Verlagswechsel ging es vorerst um die Fortsetzung der „Unzeitgemäßen"; erst gegen Ende Oktober desselben Jahres gingen die Restbestände der beiden ersten Stücke in den neuen Verlag über. Es sind nun vermutlich diese Vorgänge, die Nietzsche Einblick in den bisherigen buchhändlerischen Erfolg seiner Werke gewährten. Im November 1874 schrieb er enttäuscht an die Schwester, daß von der „ersten Unzeitgemäßen Betrachtung" erst „c. 500", von der „zweiten kaum 200" Exemplare verkauft worden und daß von der „Geburt" noch „ein paar hundert Exemplare übrig" seien.38 Aus dem zuletzt erwähnten Grund sollte auch die zweite Auflage der „Geburt", deren Zustandekommen erstmalig schon im April 1872 erwähnt, zu der die nötigen Änderungen und Korrekturen dann Ende Januar 1873 an den Verleger Fritzsch geschickt worden waren und die seit Juli fertig gedruckt lag, noch nicht erscheinen. Der Druck hatte sich infolge eines Druckerstreiks und der inzwischen gedruckten „ersten" und „zweiten Unzeitgemäßen" so lange hinausgezögert. Trotz der wiederholten Erwähnungen der zweiten Auflage der „Geburt" in den Briefen Nietzsches ist anzunehmen, daß der Druck erst im März begonnen (s. d. Brief Nietzsches an Rohde v. 31. 12. 1873) und frühestens im Juli 1874 beendet wurde (s. d. Brief Nietzsches an Schmeitzner v. 15. 7. 1874). Diese zweite Auflage sollte aber erst dann an die Öffentlichkeit, wenn die übrigen Exemplare der ersten Auflage verkauft worden wären. Es ist sehr fraglich, ob diese Exemplare, d. h. solche mit unüberklebter Verlagsangabe: „Leipzig. Verlag von E. W. Fritzsch. 1874", jemals regelrecht in den Handel gelangt sind.39 Daß Fritzsch die „Geburt" weiterhin im Verlage

38 S. den Brief von Schmeitzner v. 18. 10. 1874 zur erfolgten Übernahme der Restbestände der ersten und zweiten „Unzeitgemäßen" von Fritzsch: „[...] ich bin nun in den Besitz der noch vorräthigen Exemplare gelangt, es sind dies 483 I. Stück und 778 II. Stück." (KGB II / 4, S. 586); SCHMEITZNER, ERNST, (Chemnitz um 1845 - etwa 1897), Herausgeber der IMs, Vorsitzender des Chemnitzer Reformvereins und 1882-1884 maßgeblich in der Alliance antijuive Universelle tätig. S. Malcolm B. Browns „Friedrich Nietzsche und sein Verleger Ernst Schmeitzner. Eine Darstellung ihrer Beziehung." Buchhändler-Vereinigung. Ffm. (1987 = SDr. a. d. „Archiv f. Gesch. d. Buchwesens. Bd. 28), S. 276: „Die Versuche, etwas über Ernst Schmeitzner ab 1895 zu erfahren" seien erfolglos gewesen; auch genauere Geburtsangaben fehlen. D e n letzten bekannten Brief Schmeitzners v. 12. 7. 1895 bringt B r o w n auch an dieser Stelle. 39 S. hierzu: Kayser, Bücher-Lexicon. Bd. 20. 1871 bis 1876. Lpz. T . O . Weigel 1877, S. 199: „Nietzsche, Friedr., die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, gr. 8. (iv, 143 S.) Leipzig 872. Fritzsch." sowie: dass., Bd. 22. 1877-1882. 1883: „Nietzsche, Frdr., die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. 2. Aufl. gr. 8. (iv, 144 S.) Leipzig 874. Chemnitz, Schmeitzner."

1874 Die jungen Wiener Heinrich Braun und Siegfried Lipiner

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behielt, jedenfalls bis in das Frühjahr 1878 hinein, erhellt aus einem Brief Overbecks an Nietzsche vom 9. März 1878.40 Eine Übersetzung der „Geburt" ins Französische, deren erste Erwähnung in den Juli 1872 fällt und die durch die Gräfin Diodati bei Genf, zusammen mit Hugo von Senger, besorgt werden sollte, ist anscheinend nie zu Ende geführt worden. Von einer bevorstehenden Ubersetzung ins Italienische, erwähnt in einem Brief vom 5. Oktober 1872, ist auch nichts mehr laut geworden. In der zweiten Jahreshälfte 1874 erhebt sich dann die letzte Stimme in dem Meyer-Dräseke-Streit: 3 8 Dräseke, D r . Johannes, Beiträge zur Wagner-Frage. (MW 5. Jg., N r . 33, 3 4 u. 36 v. 14., 21. 8. u. 4. 9. 1874, S. 403 ff., 418 ff., 438-442). U . a. verteidigt er geflissentlich Nietzsches „Geburt" und „erste Unzeitgemäße" gegen die Angriffe Meyers (Nr. 26), diesmal unter Heranziehung der Streitschriften von Rohde und Wilamowitz.

Im Jahre 1874 war der Wiener Student Heinrich Braun, angeregt durch die Gegenschriften von Wilamowitz, schon auf die „Geburt" gestoßen. In demselben Jahre lernte er auch gerade Siegfried Lipiner in „einem öden philosophischen Colleg" kennen und machte diesen auf die Schrift aufmerksam. Uber diese Begegnung der beiden Studenten schrieb Brauns zweite Gattin: „Gemeinsam schwärmten sie für Hölderlin, gemeinsam lasen sie Piaton, gemeinsam ,Die Geburt der Tragödie', eine Schrift, zu der Heinrich Braun durch Wilamowitz' vernichtende Kritik gelockt worden war. Im Taumel des ersten Entzückens schrieben sie dem Verfasser und erhielten eine sehr herzliche A n t w o r t . Auf Heinrichs Rat sandte Lipiner später seinen .Entfesselten Prometheus' an Friedrich Nietzsche [...] Mit dem Hinweis auf den im Jahre 1874 noch unberühmten Nietzsche hatte Heinrich dem Freunde wertvolle Anregung gegeben." 41

40 Fr. Nietzsches Briefwechsel m. Franz Overbeck. Hg. v. R. Oehler u. C. A. Bernoulli. Insel. Lpz. 1916, S. 73. 41 Braun-Vogelstein, Julie, Heinrich Braun. Ein Leben für den Sozialismus. DVA. St. (1967), S. 26; daß das Verhältnis zu Nietzsche nicht ungetrübt blieb, deutet folgende Stelle über das Jahr 1881 an, die sich auf eine Wiederbegegnung der beiden Freunde nach einiger Unstimmigkeit bezieht: „Lipiner berief sich auf Heraklit und auf Nietzsche. Heinrich ließ die angeführten Begründungen nicht gelten, deutete das Wort des ephesischen Denkers anders und lehnte die Autorität Nietzsches mit dem Hinweis ab, daß sie beide schon vor Jahren dessen Geschichtsauffassung unhaltbar gefunden hätten." (ebd., S. 53); BRAUN, HEINRICH (Budapest 23. 11. 1854 - Berlin 8. 2. 1927), Sozialistenführer; LIPINER, SIEGFRIED (eigentl. Salomo Lipiner, Jaroslav / Galizien 24. 10. 1856 - Wien 30. 12. 1912), kurze Zeit später in Jena, wo er sich mit dem dortigen Privatdozenten Johannes Volkelt befreundete, 1881 als Bibliothekar zum österreichischen Reichsrat ernannt, 1891 Ubertritt zum Christentum, 1894 zum Regierungsrat gehoben, Verfasser von: Der entfesselte Prometheus. 1876 / Renatus. 1878 / Das Buch der Freude. 1880 / Totenfeier. 1887. Die ausführlichste Arbeit über Lipiner ist wohl die Münchner Doktorarbeit von Hartmut von Härtungen, Der Dichter Siegfried Lipiner (1856-1911). 1932. 4 Bll., 81, xv S. (= Anhang m. unveröffentlichten Texten u. Literaturangaben), 1 Bl. (= Lebenslauf).

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1874 U B III: Schopenhauer als Erzieher

In einer längeren Erörterung des ersten Bandes der griechischen Literaturgeschichte von Bergk kommt der Greifswalder Philologe Franz Susemihl auf die Behandlung Hesiods, erwähnt dabei Nietzsches lehrreiche Abhandlung „der Tod Hesiods nach Alkidamas" und erklärt sich „im ganzen mit ihm einverstanden", was selbstredend einige Berichtigungen im Laufe der Abhandlung nicht ausschließt.42 Ende Februar 1874 fiel die erste Erwähnung einer „dritten Unzeitgemäßen", die dann im September fertig wurde und im Oktober in einer Auflage von 1000 Stück erschien: IV Unzeitgemässe / Betrachtungen / von / Dr. Friedrich Nietzsche, / ordenti. Professor der classischen Philologie / an der Universität Basel. / Drittes Stück: / Schopenhauer als Erzieher. / Verlag von Ernst Schmeitzner. / 1874. 113 S., 1 Bl. (= Berichtigungen). 8°.43

42 Kleine Beiträge zur griechischen Literaturgeschichte. N J K P P 44. Jg., 109. Bd., 1874, H.10 u. 11, S. 659 f. (nur die Stellen über Nietzsche); SUSEMIHL, FRANZ (Laage / MecklenburgSchwerin 10. 12. 1826 - Florenz 30. 4. 1901), Philologe, 1863-1898 o. Professor in Greifswald. 43 Exemplare in Händen von: Dittmar, Gast, Gersdorff, E m m a Guerrieri-Gonzaga (ihr Antwortschreiben, in dem auch der zweiten „Unzeitgemäßen" gedacht wird, jetzt abgedruckt in K G B II, 6 / 1, S. 12 f.), Kelterborn (das Antwortschreiben in K G B II, 6 / 1, S. 49 f.), Krüger, Krug, Fürst Liechtenstein, Liszt (schrieb an die Freifrau von Meyendorff, „Nitzsche" bestricke ihn mit seinem Stil vielmehr als er ihn belehre), Malwida, Mathilde Maier (das recht ausführliche Antwortschreiben in K G B II, 6 / 1, S. 21-25), Freifrau von Meyendorff, Olga M o n o d , Rau, Rohde, Ida Rothpietz, Schuré, Sturzenegger, Tönnies, Treitschke (s. den Brief an Overbeck v. 22. 11. 1874: „Uber Nietzsche kann ich leider nur sagen: ich weiß schlechterdings nicht was er will. Unklare Gedanken in einer, bei aller rhetorischen Kunst, unklaren Sprache, vorgetragen mit einem grenzenlosen Dünkel, unter beständigen Fußtritten gegen Männer, die hoch über N . stehen; ein vorlautes Absprechen über die größten Ereignisse der jüngsten Geschichte, ohne jeden Versuch, Wesen und Recht des Staates auch nur zu verstehen. - D a s ist mir zu viel! Alle geistreichen Gedanken entschädigen nicht für den Mangel des sensus recti. Ich fühle den edlen Idealismus heraus aus den verworrenen Worten, aber so wie es ist wird das Buch völlig unfruchtbar bleiben, und von Rechtswegen." (a. a. O., S. 406 f.) Ü b e r das immer schlechter werdende Verhältnis zu dem Freund Overbeck schrieb er darauf am 24. 11. 1874 an den Theologieprofessor in Heidelberg Wilhelm Gaß: „Mein lieber Basler Freund geräth leider immer mehr unter den unseligen Einfluß Nietzsche's [...] Es wäre zu traurig, wenn dieser geistvolle und im G r u n d e liebenswürdig bescheidene Mann in den rohen H o c h m u t h der Schopenhauerianer sich gewaltsam hineinarbeitete." (ebd., S. 406); erst am 11. 9. 1881 schrieb er dann in aller Deutlichkeit an Overbeck selber: „Dein Unglück ist dieser verschrobene Nietzsche, der sich so viel mit seiner unzeitgemäßen Gesinnung weiß und doch bis ins M a r k angefressen ist von dem zeitgemäßesten aller Laster, dem Größenwahn." (ebd., S. 535), Wagner, Widemann und durch Bülow (der am 19. 11. 1874 von London aus an Karl Hillebrand schrieb: „Wie gefällt Ihnen Nietzsche's dritte Predigt? Einiges nicht übel - aber im Ganzen too thin, wie der Yankee sagt. Ich habe ihm gerathen, er solle Leopardi's Prosa verdeutschen. D a s würde sich .zeitgemäßer betrachten' lassen." in: H . v. Bülow, Briefe u. Schriften. H g . v. M . v. Bülow. 6. Bd. Breitkopf u. Härtel. Lpz. 1904, S. 232) an:

1874 Julius Bahnsen nähert sich vergebens

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DANNREUTHER, EDUARD (Straßburg 4. 11. 1844 - London 12. 2. 1905), Klavierspieler, seit 1863 in London lebend, erwarb er sich große Verdienste um die Einbürgerung von Wagners Musik in England, 1872 hatte er die Londoner Wagner Society gegründet, deren Konzerte er leitete; Wagner hatte ihm schon in einem Brief vom 4. 3. 1872 die „Geburt" empfohlen: „Beschaffen Sie sich doch die unvergeßlich schöne Schrift meines jungen Freundes, des Professors Nietzsche in Basel [...] So etwas giebt große Hoffnung für die Zukunft, und nimmt sich vielleicht auch unter Engländern gut aus [...]" (R. W. Briefe. Die Slg. Burrell. Hg. u. kommentiert v. J. N. Burk. S. Fischer. (Ffm.) 1953, S. 809); HUEFFER, FRANZ (Münster 23. 5. 1845 - London 19. 1. 1889), Leipziger Studiengenosse Nietzsches, schrieb damals für deutsche Zeitungen auch Berichte über das Londoner Musikleben, bereitete auch schon 1874 eine englische, jedoch unvollendet gebliebene Ubersetzung von Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung" vor und veröffentlichte 1876 und 1877 zwei Aufsätze über ihn in englischen Zeitschriften; sonst Bekanntschaft mit der Schrift bei: ARNOLD, CARL FRANKLIN (Williamsfield / U S A 10. 3. 1853 - 1927), S o h n eines M i s s i o n a r s

in Amerika und Pflegesohn des Bremer Patriziers C. H. Gildemeister, 1886 Privatdozent in Königsberg, 1888 ao., 1895 o. Professor der Kirchengeschichte in Breslau (s. Tönnies' Selbstdarstellung, a. a. O., S. 205: „Im November 1874 schrieb mir Arnold aus Königsberg: ,Was sagst Du zu Nitzsches (so) neuestes Werk? (es wird .Schopenhauer als Erzieher' gewesen sein). Dieselben Widersprüche die im Schopenhauer stecken. Mir geht es so, daß ich ihm bald die Hand drücken möchte und ihm sagen: Ja! ganz das fühle ich ja auch und will ich ja auch! - Und dann wieder möchte ich, daß ich einen Köcher hätte voll der allerspitzesten Pfeile schneidigster Satire, zu zeigen, daß das was er sagt, Lüge ist, daß er sich selbst belügt, und andere, aber nicht ohne Schuld.'"); BAHNSEN JULIUS (Tondern / Schleswig 30. 3. 1830 Lauenburg i. Pr. 7. 12. 1881), Philosoph, 1862-1881 Lehrer an der Höheren Bürgerschule in Lauenburg i. Pr.; den Versuch eines Vergleiches der Lehren Bahnsens mit denen Nietzsches unternahm Rudolf Louis in: Bahnsen, Julius, Wie ich wurde, was ich ward. Hg. v. R. L. G. Müller. Mchn. u. Lpz. 1905, S. xxiv f., lxx ff. In einer Anmerkung schreibt der Herausgeber: „Nachdem er .Schopenhauer als Erzieher' gelesen, hatte sich Bahnsen brieflich Nietzschen zu nähern gesucht, ohne indessen mehr als ein - dazu noch sehr verspätetes Antwortschreiben der Schwester zu erhalten." Auch meint er, daß folgende Worte Bahnsens Nietzsche bedacht seien: „Leider dürfen sich die Jünger Schopenhauers nicht verhehlen, daß einer der Genialsten aus ihrer Mitte durch seine übergeistreiche Weise auf analoge Abwege sich hat verlocken lassen. Wir meinen nicht jenen entlarvten Sophisten, dem es niemals wahrhaft Ernst gewesen ist um seine Behauptungen, sondern jenen anderen, der sich nur noch in dem vagen Taumel eines wieder metaphysiklos gewordenen Skeptizismus herumtreibt und sich dabei einer Neutralität befleißigt, vor welcher alle ethischen Differenzen sich neutralisieren, indem nicht bloß dem Hochsinnigen der Nimbus heruntergezerrt wird, sondern auch das unzweifelhaft Schlechte eine durch und durch laxe Beschönigung findet, auch ein Antilogiker, aber einer, der für seine Dialektik den Halt nicht fand, welchen trotz alledem und alledem selbst eine noch so unerwünschte Realität gewährt, und, jenen blasiert Frivolen gleichartig, in eine Hyperobjectivität, welche sich rühmt, die Welt ganz sine ira et studio zu beurteilen, aber eben damit zur Vertretung eines praktischen Nihilismus des zum Moralischen völlig gleichgültig sich stellenden Utilitariers ausschlägt." (ebd., S. 179 f.); vgl. Heinz-Joachim Heydorn, der in seinem „Julius Bahnsen. Eine Untersuchung zur Vorgeschichte der modernen Existenz" (Vlg. „Öffentl. Leben". Gött., Ffm. 1952, S. 53) meint, dieser habe „bis zu seinem Tode [...] jede Zeile, die aus Nietzsches Feder kommt", gelesen, „und es ist ihm wie Jakob Burckhardt unheimlich dabei zu Mute". Er gibt dann auch das obenerwähnte Antwortschreiben der Schwester an Bahnsen v. 9. 3. 1878 wieder: „Mein armer Bruder, Prof. Dr. Nietzsche, war diesen ganzen Winter so heftig an Kopf und Augen leidend, daß ihm auf lange Zeit alles Schreiben und Lesen verboten ist. Er bedauert deshalb

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1874 Hugo Göring: „einen meinen Innenleben umgestaltenden Eindruck [...] erlebt"

unendlich, daß er Ihren gütigen, liebenswürdigen Brief nicht beantworten kann, hofft aber sehr, daß ihm einmal eine persönliche Begegnung mit Ihnen gestattet sein möchte [...] Mein Bruder gehörte zu Ihren ersten und freudigsten Lesern Ihrer .Charakterologie'; seit einigen Jahren aber ist er durch sein Leiden verhindert worden, auf dem Gebiete der deutschen Philosophie der letzten Jahre so bekannt zu sein, als er wohl wünschte, und wird wohl auf diese Kenntnisnahme auch noch längere Zeit Verzicht leisten müssen." BAUMGARTNERKÖCHLIN, MARIE (Mühlhausen 1831 - 3. 7. 1897), heiratete den ebenfalls aus Mühlhausen stammenden Chemiker und Teilhaber der Baumwolldruckerei Koechlin in Lörrach, Jacob Baumgartner (1815-1890), und wurde dadurch deutsche Staatsbürgerin, bei immer noch starker innerer Verbindung mit ihrer früheren Heimat und intensivem Kontakt mit dem zeitgenössischen literarischen Frankreich. Durch ihren Sohn Adolf gewann sie Anfang November 1874, zunächst brieflich, Verbindung mit Nietzsche, dessen Protest gegen die deutsche Kultur sie mit verhaltener Leidenschaft teilte, Übersetzerin der dritten und vierten „Unzeitgemäßen" ins Französische; BLLHARZ, ALFONS (Sigmaringen 2. 5. 1836 - ebd. 23. 5. 1925), Philosoph und Arzt (s. seinen Brief an Nietzsche v. 31. 8. 1879 in K G B II, 6 / 2, S. 1154); BRENNER, ALBERT (Basel 21. 12. 1856 - ebd. 17. 5. 1878), stud, jur., gehörte, nachdem er am dortigen Pädagogium Schüler Nietzsches im Griechischen gewesen war, auch zu dessen Universitätshörern, verbrachte den Winter 1876 / 77 zusammen mit Malwida von Meysenbug, Nietzsche und Ree in Sorrent, kehrte im April 1877 zur Wiederaufnahme seiner Studien nach Basel zurück, sein Lungenleiden verschlimmerte sich im darauffolgenden Winter, und er starb im Mai 1878; GÖRING, HUGO, geb. am 28. 12. 1849 zu Berka a. Werra / Thür., Literaturwissenschaftler und pädagogischer Schriftsteller, 1911 noch in Weimar wohnhaft, s. seinen Bericht: „Eine Begegnung mit Nietzsche" (DZgb 28. Jg., Nr. 19, Morgenausg. v. 12. 1. 1924:) „Im Sommer 1878 sah ich Nietzsche in Basel einmal abends in seine Wohnung gehen. Er machte den Eindruck eines einsamen, schwerleidenden Mannes [...] Es ergriff mich tief, wie er gebückt, [...] langsam dahinschritt [...] Ich hatte hier und dort abfällige Urteile über ihn gehört, die von einer kirchlich-orthodoxen Einseitigkeit ausgingen [...] Ich hatte vier Jahre früher mit [...] Frau Mathilde Wesendonck in Dresden die .Unzeitgemäßen Betrachtungen', ,D. Fr. Strauß als Bekenner' und .Schopenhauer als Erzieher' gelesen und einen mein Innenleben umgestaltenden Eindruck und Einfluß erlebt. Strauß, dem ich als junger Theologe, Pädagoge und Mediziner mit Bewunderung unkritisch geglaubt hatte, wurde mir durch Nietzsches gewaltige Gedankenarbeit innerlich entrissen [...] Diesen kühnen Kämpfer, den eine Partei in Basel hoch verehrte, von dem meine Schulkollegen, besonders mein sinniger, gedankenreicher Hauswirt, der Mathematiker Schmiedbiser, mit Hochachtung sprachen, die Gegenpartei aber scharf ablehnte, mußte ich fragen, wie er Dühring beurteilte [...] Meine schüchterne Zurückhaltung wurde gesteigert, als ich den jungen Professor intim mit Jakob Burckhardt verkehren sah, den Nietzsche überdies in jedem Universitätsvortrag hörte. Meine Unterrichtsstunden in den drei oberen Klassen der Oberrealschule gestatteten mir, Nietzsche von 7 bis 8 Uhr zu hören [...] Da Nietzsche indessen nicht selten im Hotel Drei Könige eine Tasse Kaffee trank, ließ ich mich ihm eines Tages von dem Mathematikprofessor Kinkelin [...] vorstellen." HARNACK, ADOLF VON (Dorpat 7. 5. 1851 - Heidelberg 10. 6. 1930), Dr. phil 1873 in Leipzig, 1874-1876 Dozent der Theologie und 1876-1879 ao. Professor ebenda, später Kirchenhistoriker, Professor in Gießen, Marburg und Berlin; KINKELIN, HERMANN (Bern 11. 11. 1832 - Basel 2. 1. 1913), seit 1860 Lehrer der Mathematik an der Oberen Realschule zu Basel und seit 1865 gleichzeitig Ordinarius für Mathematik an der Basler Universität; MÖBIUS, PAUL JULIUS (Leipzig 24. 1. 1853 - ebd. 8. 1. 1907), Dr. phil. 1873 und Dr. med. 1877, Nervenarzt und medizinischer Schriftsteller in Leipzig; OPITZ, THEODOR (Fürstenstein / Schlesien 22. 11. 1820 - Liestal b. Basel 28. 11. 1896), Ubersetzer aus dem Ungarischen, Russischen und Englischen sowie Verfasser eigener Gedicht- und anderer Werke. Eine über die Jahre hin anhaltende Anteilnahme an

1874 Schopenhauerianer wie Julius Bahnsen und Eduard von Hartmann

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Infolge des im Sommer 1886 erfolgten Verlagswechsels gibt es Exemplare dieses Werkes mit der Firma E. W. Fritzsch in Leipzig ohne Jahreszahl. 53 Hoffmann, Prof. Dr. Franz (PS 1. Jg., 12. H. v. Dez. 1874, S. 563-569). Bespricht die ersten drei „Unzeitgemäßen", zieht aber vorerst gegen die „kleine philosophische Schule" Schopenhauers, zu der er neben Nietzsche auch Ed. v. Hartmann, Bahnsen und Arnold Lindwurm zählt, zu Felde. Auf Nietzsche im besonderen kommt er dann erst auf S. 566 bis zum Schluß, verweist zunächst auf seine schon erschienene Besprechung (Nr.27) der ersten „Unzeitgemäßen" hin und versagt es sich nicht, das Werk noch einmal, aber entschieden härter und so gut wie ausschließlich des darin enthaltenen Deutschfeindlichen wegen, abzufertigen. Die „Zweite" offenbare den atheistischen und folglich antispiritualistischen Charakter der Nietzscheschen Weltanschauung und biete sonst „eine Menge mehr geistreicher als wahrer Gedanken" auf. „Zur Dritten" verweist er auf Haym, der „genügsam dargethan" habe, „daß kein Philosoph von Genie weniger als Sch. Anspruch darauf hat, uns als Vorbild zu dienen". Dem allem stellt er den „die Unsterblichkeitslehre" verteidigenden „Spiritualismus" entgegen, der „mit jeder Form des Materialismus, Naturalismus, Pantheismus und Atheismus" unverträglich sei. Besprecher verbietet sich, sonst „auf die Ungeheuerlichkeiten Nietzsche's einzugehen". 39a Dass. auch in: F. H., Philosophische Schriften. 7. Bd. Vlg. v. A. Deichert. Erlangen 1881, S. 120-126.

dem Schicksal Nietzsches wird durch eine bisher unveröffentlichte Karte Burckhardts an Opitz v. 29. 4. 1889 bezeugt, in dem es u. a. heißt: „der traurige und zwar unrettbare Zustand des Hrn. Prof. Nietzsche ist leider mir zu sichere Thatsache [...] Laut den dortigen Ärzten [in Jena] ist von Heilung keine Rede mehr [...]" (zunächst laut Auskunft u. Ablichtung der Karte, von F. Dettwiler, Präsidenten des Dichtermuseums in Liestal, jetzt auch in: J . B. Briefe. Bd. 9, S. 183, wozu eine Anmerkung mit Stellen aus der Anfrage Opitzens 29. 8. 1889 veröffentlicht wird: „[...] es wäre ja möglich, daß man Jemanden krank macht, [...] sind die letzten seiner Äußerungen doch vollkommen klar und gesund; ich wenigstens kann auch in dem starken Ausdruck eines hohen, doch sicher berechtigten Selbstgefühls nichts Krankhaftes finden."); eine Würdigung „Vom Opitz-Nachlaß zum,Poetennest'" schrieb Max Tüller (Baselbieter Heimatbuch. Bd. 12, 1973, S. 159-168), in der erwähnt wird, daß in „Opitzens Bibliothek von schätzungsweise 300 bis 400 Bänden [...] Erstdrucke der Werke Friedrich Nietzsches" befunden haben. Er verzeichnet auch im „Katalog der Opitz'schen Autographensammlung" den einzig erhaltenen Brief Nietzsches an Opitz, allerdings mit irriger Jahresangabe „1879". In Opitz glaubt BélaLengyel („Nietzsches persönliche Beziehungen zu Ungarn" in: Arbeiten z. dt. Philologie. 19. Bd., 1990, S. 14-17) auch den Verfasser von Nr. 20. erkennen zu können. Er bezieht sich auf den Schweizer Volksfreund, da auch Nietzsche selber diesen erwähnt, doch handelt es sich wohl eher um den angegebenen in der Grenzpost; PFLEIDERER, EDMUND (Stettin 12. 10. 1842 - Tübingen 3. 4. 1902), Professor der Philosophie in Kiel, seit 1878 in Tübingen (im Namenverz. z. Br. II, (1902), S. 622, steht fälschlich Eduard als Vorname); SCHMIEDBISER, Mathematiker in Basel; STEIN, HEINRICH MARCUS, geb. 1828, Direktor des Gymnasiums in Oldenburg; THURNEYSEN-GEMUSEUS, EDUARD (1824 - 1900), Jurist, Präsident des Appellationsgerichts in Basel. WESENDONCK, MATHILDE (geb. Luckemeyer, Elberfeld 23. 12. 1828 - Traumblick am Traunsee / Salzkammergut 31. 8. 1902), mit Wagner seit 1857 näher bekannt, Schriftstellerin.

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1874 Hillebrands Anteilnahme wird merklich kühler

Zu Nietzsche eingehend auf S. 123 bis zum Schluß, bis auf die Auslassung der von der Redaktion zum „allzustrengen Urteil über Schopenhauer" angebrachten Anmerkung unverändert. Eine Ubersetzung der „dritten Unzeitgemäßen" ins Französische durch Marie Baumgartner, schon im Dezember 1874 angefangen und von Nietzsche „in Betreff des Gedankens revidirt", wurde Anfang Februar 1875 fertig, gelangte aber nicht in den Druck. Karl Hillebrand hielt auch diese „dritte Unzeitgemäße" einer Besprechung wert, die im November 1874 entstand und kurz darauf erschien: 40 Schopenhauer und das deutsche Publikum. (AAZg Nr. 352 v. 18. 12. 1874). Nietzsches Schrift dient dem Verfasser „nur zum Anlaß ein paar Worte zur Verständigung über den Denker und Schriftsteller" Schopenhauer zu sagen. Er behauptet, Nietzsche schieße weit über sein Ziel hinaus und mache sich der schreiendsten Ungerechtigkeit gegen den deutschen Gedanken, namentlich in der Gestalt Hegels, schuldig. Aus den von Nietzsche angegriffenen Zeitgenossen nimmt er Zeller heraus, um ihn zu loben. Sonst will er die „gemeinverständlichen Schriften des genialen Denkers [d. i. Schopenhauers], seine geistreichen Beobachtungen über Menschen und Dinge - Leidenschaften, Handlungen, Zustände, Schicksal, Kunst, Wissenschaft, Staat, Religion [...] in der Bibliothek jedes gebildeten Deutschen stehen" sehen. 40a Auch in: 18a, S. 353-366. Unverändert. 40b Auch in: 18b, S. 341-354. Unverändert. 40c Mit der Uberschrift: Was ist uns Schopenhauer? in: 18c, S. 120-129. Unverändert. Möglicherweise durch die „dritte Unzeitgemäße" wurde der junge Ferdinand Laban auf Nietzsche aufmerksam. In einem Aufsatz: Im zwanzigsten Jahre nach Monets Tode, der 1903 in der „Zeitschrift für bildende Kunst" erschien, schrieb er: „Als ich Anno 1874 in Wien als ordentlicher Immatrikulierter der philosophischen Fakultät die jugendlich ungestüm herbeigesehnte, aber im philosophischen Hörsaal schmerzlich vermißte Sophie unordentlich genug auf eigene Faust extra muros suchen ging, fand ich neben dem bereits berühmten Schopenhauer auch den noch unberühmten Nietzsche. Die beiden ersten Bücher Nietzsches waren kurz vorher erschienen. Ich erkannte sofort, daß diese beiden Schriftsteller das Höchste seien, was die deutsche Geisteskultur des neunzehnten Jahrhunderts ihren Jüngern zu bieten habe [...] Mein Erlebnis war also, daß ich Nietzsche von seinem ersten Auftreten an aufmerksam verfolgte und seine Entwicklung miterlebte. Ich habe ihn persönlich nie kennen gelernt - obschon ich Briefe an ihn und er Briefe an mich absandte - , ich hatte damals auch nie etwas Intimeres über seine Lebensumstände erfahren. Doch schon 1881 fiel mir in seiner ,Morgenröte' befremdend ein zuweilen durchbrechender boshafter Ton auf. Und als 1883 sein erstes Heftchen .Zarathustra' auf den Markt kam, da sagte ich schmerzlich betroffen zu mir und auch zu

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1874 Ferdinand Laban in Wien

anderen: .Dieser Geist ist in der Auflösung begriffen!' Ich glaube, ich habe w ä h r e n d diesen z e h n J a h r e n K ö n i g Nietzsches G l ü c k und E n d e mit dem Enthusiasmus und mit der Spannung eines Premièrenbesuchers miterlebt, habe die F u n k e n a m finsteren N a c h t h i m m e l des Lebens aus der Esse stieben gesehen, pulsierendes H e r z b l u t gefühlt, w o heute ein Bücherbrett vollsteht. In den Gesichtskreis der g r o ß e n W e l t aber w a r N i e t z s c h e n o c h i m m e r nicht eingetreten, er, der Impressionist der Philosophie, der, die Atelier-Systemmacherei mißachtend, in pointillierender W e i s e einen Sentenzenwirbel mit k ü h n e r H a n d aussäte und die Spekulation in den F a r b e n des Lebens u n d der W i r k l i c h k e i t erstrahlen ließ, wie n o c h nie v o r d e m . " 4 4 Z u A n f a n g des J a h r e s 1 8 7 5 e r s c h i e n , o h n e N a m e n s n e n n u n g des V e r f a s s e r s , eine recht ablehnende Besprechung v o n Strauß' „altem u n d n e u e m

Glau-

ben";

einer

in e i n e m k u r z e n A n h a n g

zu der Besprechung w u r d e neben

Schrift v o n J . B. M e y e r a u c h N i e t z s c h e s „erste U n z e i t g e m ä ß e "

erwähnt:

4 1 a n o n y m , ( Z E P h 11. Jg., 1875, S. 65-76). D i e N i e t z s c h e betreffende Stelle auf S. 7 5 f.

44 N F X V , H. 2, S. 25 f.; auch in: F. L., Verstreut u. gesammelt. Aufsätze über Leben, Kunst und Dichtung. (M. Geleitw. v. M. J . Friedländer). Grote. Bln. 1911, S. 206 f.; s. ebd., S. iv, die Stelle aus einem Briefe Nietzsches an Laban, nach Friedländer „ohne Datum, im Jahre nach dem Erscheinen des ersten Zarathustra-Bandes" geschrieben: „und in der Tat aus allem, was Sie geschrieben haben, empfindet (atmet man gleichsam) die Nähe einer sehr zarten, sehr leidensfähigen Organisation. Sagen Sie ein Wort zu meiner Beruhigung. Ich träume davon, daß ich in nicht ferner Zeit irgendwo im Süden am Meere, auf einer Insel, umgeben von den zutrauenswürdigsten Freunden und Arbeitsgenossen leben werde: und in diesen stillen convent habe ich auch wohl Sie mir hineingedacht." Am 17. 5. 1884 schrieb Heinrich von Stein an Nietzsche: „Viel gedachte ich Ihrer in letzter Zeit im Gespräch mit Ferdinand Laban, der den Winter über in Berlin war, nun leider wieder, wir wissen kaum wohin, von uns gegangen ist." Zur Versteigerung gelangte auch eine Karte an Laban v. 19. 7. 1881 (Hauswedell. Hamburg, Auktion 63 v. 2. 12. 1955, Nr. 391), aus der folgendes angeführt wurde: „Sie machen es jenen älteren Musikern gleich, welche ihre heitere lebenfunkelnde Symphonie mit einem ernsten schwermütigen Satze beginnen: sie waren dabei Schelme." „Zuletzt sind wir Beide doch wohl einer Meinung über diesen Punkt: daß sich auch jetzt noch der Bogen des Lebens so straff spannen lasse, daß die Sehne vor Begierde singt und pfeift? daß wir auch jetzt noch so stolz u. darüber hinsehend leben können, wie jener herrliche römische Kaiser, in dessen Verehrung wir Beide einmüthig sind." (Der zweite Brief jetzt im ganzen Wortlaut in K G B III, 1, S. 106 f.); von Laban sind 1881 „Auf der Haimburg. Eine Dichtung" und 1883 „Dialogische Belustigungen", beide „Mit eighd. Widm. d. Verf." in Nietzsches Bibliothek, das letztere m. sehr vielen „Lesespuren [...] oder [...] ausführlichen Randbemerkungen versehen" (laut Max Oehler im Vorwort zu „Nietzsches Bibliothek" 1942, S. 36), sowie anonym „Aphoristische Beiträge zum Kampfe der Lebensanschauungen" erschienen. S. a. die eingehende Arbeit von Béla Lengyel („Nietzsches persönl. Beziehungen zu Ungarn" in: Arbeiten z. dt. Philologie. 19. Bd., 1990, S. 17-22), bes. S. 18 f. zum Einfluß auf das 1880 bei L. Rosner in Wien erschienene, oben erwähnte Aphorismuswerk Labans; LABAN, FERDINAND (Preßburg / Ungarn 1. 2. 1856 - Berlin 29. 12. 1910), studierte in Wien, Klausenburg und Straßburg Literaturgeschichte und Philosophie, siedelte 1883 nach Berlin über, wo er seit 1894 Bibliothekar der Kgl. Museen und Herausgeber des Jahrbuches der Kgl. preußischen Kunstsammlungen war.

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Weitere Stimmen zu den ersten drei „Unzeitgemäßen"

Darauf ließen sich weitere Stimmen zur „dritten Unzeitgemäßen" vernehmen, u. a.: 42 Langen, H. (Seminar-Direktor in Eltern),45 Schopenhauer. (ThLBl Bd. 10, 1875, Nr. 14, Sp. 328 ff.). Erschöpft sich in einer Inhaltswiedergabe, um mit der Behauptung zu schließen: „Hauptaufgabe der Erziehung ist die Verwirklichung in den Menschen der unvergänglichen Ideen des Christentums." 43 Ascher, David, Eine neue Stimme über Schopenhauer. (B1LU Nr. 28 v. Juli 1875, S. 443 ff.). Nietzsche durchaus zustimmend, meint der Verfasser, das Buch gemahne an die Schriften eines Carlyle und Emerson; verweist auch darauf, daß Hillebrand sich „aufs günstigste über diese Schrift ausgesprochen" habe. 44 Rümelin, Gustav (Kanzler der Universität Tübingen),46 in seinen: Reden und Aufsätze. H. Laupp. Tüb. 1875. vii, 454 S. In den „Kleine Betrachtungen und Bekenntnisse vermischten Inhalts" befindet sich als Nr. 8 ein Aufsatz mit der Überschrift „Strauß" (S. 395-404). Obwohl der Verfasser den Inhalt der Straußschen Schriften eher abwertend behandelt, stellt er Strauß des Stiles wegen sogar über Lessing und behauptet dabei, daß „die .unzeitgemäßen Betrachtungen' mit ihrem kleinlichen Genergel an dem öffentlichen Urtheil nichts ändern" würden (S. 402). Im Juli 1875 besuchte Paul Förster aus Berlin 47 Nietzsche in Basel, empfing aber „durch freie Äußerungen einen abstoßenden Eindruck". 45 (Sturzenegger, B.), Über den Werth der Geschichte nach Nietzsche. (R 4. Jg., Nr. 16 v. 7. 8. 1875, S. 275-279). Eine dem Gegenstand sehr gewogene Empfehlung und Darstellung des Inhaltes der „zweiten Unzeitgemäßen", da Nietzsche darin Gedanken entwickele, „welche von jedem Theologen gewürdigt und beherzigt zu werden verdienen": „Besonders was über Werth und Nachtheil der antiquarischen und kritischen Art der Historie gesagt ist, kann dem Theologen in Theorie und Praxis nicht unverständlich sein."

45 LANGEN, HEINRICH (Köln 21. 3. 1839 - Bad Homburg 28. 8. 1898), Priester seit 1862, wurde 1874 Direktor des Lehrerseminars zuerst in Eltern, dann 1878 in Büren, seit 1882 in Odenkirchen. 46 RÜMELIN, GUSTAV (Ravensburg 26. 3. 1815 - Tübingen 28. 10. 1889), zunächst im Schuldienst und verschiedentlich politisch tätig, Mitglied des Frankfurter Parlaments, lehrte seit 1867 Statistik und Psychologie an der Universität Tübingen, wo er 1870 zum Kanzler ernannt wurde. 47 K G B II / 5, S. 79: Brief an Overbeck v. 14. 7. 1875; FÖRSTER, ARTHUR PAUL p e l i t z s c h 14. 11. 1844 - 1925), Dr. phil., seit 1871 Gymnasiallehrer in Berlin, lebte im Ruhestand in Friedenau b. Berlin, jüngerer Bruder von Nietzsches späterem Schwager, Reichstagsabgeordneter, Vorkämpfer des Tierschutzes; ist Nietzsche zumindest noch einmal begegnet und zwar am 20. Oktober 1878 bei Overbecks.

1875 Ein Leipziger Kreis

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Carl J . Burckhardt überliefert eine Erzählung seiner Basler Tante Sophie Merian, die besonders enge Beziehungen zu ihrem O n k e l , dem Geschichtswissenschaftler Wilhelm Vischer-Bilfinger, pflegte und sich in ihrer Schilderung wohl an die Zeit Mitte der 70er Jahre erinnerte: „Sophie Merian hat mir wiederholt von Nietzsche gesprochen. Sie sagte mir: ,Er war einer der rücksichtsvollsten und höflichsten Menschen, denen ich begegnet bin. Bevor er erkrankte, habe ich ihn kaum näher gekannt. Einmal war er mein Tischnachbar im Hause meines Onkels. Er klagte über die Schwierigkeiten, die ihm das Klima bereite, er sprach über qualvolle Migränen und andere gesundheitliche Beschwerden. Die Frau des Hauses, in ihrer resoluten Art, bemerkte über den Tisch hinweg: „Ich weiß, was Ihnen fehlt, Herr Nietzsche, Sie sollten heiraten!" Der in dieser barschen Weise Angesprochene tat mir leid. Er schaute stumm vor sich hin, das Gespräch nahm einen andern Verlauf, dann sagte er zu mir: „Ich habe immer wieder einen schweren Traum; da sitzt eine Kröte auf meinem Handrücken und trinkt mein Blut. Ich darf nicht heiraten.""' 48 In einem Brief vom 17. Januar 1928 an Hugo von Hofmannsthal überlieferte er auch eine Schilderung von Nietzsches Auftreten am Pädagogium nach den Erinnerungen eines Arzts im Dorfe Pratteln: „Er ist der Enkel eines polnischen Flüchtlings. Dieser alte Mann erzählte vom Griechischunterricht bei Nietzsche. Er sagte, er sei in einer für einen deutschen Professor unfaßlichen Weise gut angezogen gewesen. Im Griechischunterricht habe er gewirkt, wie wenn er über leuchtende Meereswellen schritte und den Schülern zumutete, dies auch zu können. Unter anderm erwähnte er auch jene Episode mit dem von Nietzsche geküßten Droschkengaul. Ich wiederholte dies vor Derleth. Er meinte: ,Das mußte er, das Pferd bedeutet Wahnsinn, und wer wahnsinnig wird, träumt stets vorher von Pferden.'" 49 A m 13. März 1876 schrieb Overbeck an Nietzsche vom Besuch des „jungen theologischen Docenten Harnack aus Leipzig", der auch Nietzsche einen Besuch zugedacht hatte, „da man im Kreise junger Leute, in welchem er in Leipzig verkehrt - er nannte besonders einen philosophischen Docenten oder vielmehr einen Docenten der Philosophie Göring 5 0 - viel mit Deinen Schrif-

48 C . J. B., Memorabilien. Erinnerungen und Begegnungen. G. D. W . Callwey. Mchn. (3., durchgeseh. Aufl. 1978), S. 29 f.; MERIAN-BURCKHARDT, SOPHIE (1836 - 1917), verheiratet mit dem Ingenieur Rudolf Merian; VISCHER-BILFINGER, EMMA (1815 - 1893), seit 1832 Frau des Wilhelm Vischer-Bilfinger. 49 C . J. B., Briefe 1919-1969. Scherz. Bern, Mchn., Wien (1971), S. 147 f. 50 F r . Nietzsches Briefwechsel m. Franz Overbeck, a. a. O., S. 42 f. S. a. die Darstellung von O t t o Crusius, der zu Ostern 1875 als Student nach Leipzig gekommen war: „Neben den historisch-philologischen Studien versuchte C r . mit philosophischen Problemen, besonders auf dem Gebiete der Ethik und Psychologie, Fühlung zu gewinnen. Damals vereinten sich mit W u n d t einige jüngere Forscher, wie Avenarius und C . Göring, unter der Flagge der .wissenschaftlichen Philosophie'. Auch Adolf Harnack stand diesem Kreise nahe [...] Stets neue Anregungen und Aufregungen brachten die Jugendschriften Nietzsches; in dem engeren Freundeskreise, dem u. A . von 76 an T h . Zielinski in Petersburg und K. J. Neumann

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1875 Wilhelm Wundt, Richard Avenarius, Thaddeus Zielinski, Karl Johann Neumann

ten beschäftigt". Im April erhielt Nietzsche dann einen Brief von Josef R. in Straßburg angehörten, wurden sie lebhaft besprochen." (Geistiges u. Künstlerisches München in Selbstbiographien. Hg. v. W. Zils. Max Kellerer Vlg. Mchn. 1913, S. 51); AVENARIUS, RICHARD (Paris 9. 11. 1843 - Zürich 18. 8. 1896), promovierte 1868 zu Leipzig mit einer Arbeit über Spinoza, habilitierte sich erst 1876 ebenda und seit 1877 Professor in Zürich, Begründer des Empiriokritizismus, seit 1877 auch mit C. Göring, M. Heinze und W. Wundt Herausgeber der „Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie"; CRUSIUS, OTTO (Hannover 20. 12. 1857 - München 29. 12. 1918), studierte in Leipzig, wurde zunächst Gymnasiallehrer in Dresden, dann 1886 Professor der klassischen Philologie in Tübingen, später in Halle, Heidelberg und München; GÖRING, CARL THEODOR (1841 - 1879), ao. Professor der Philosophie in Leipzig, Verfasser von: Uber den Begriff der Ursache in der griechischen Philosophie. Habilitationsschrift. Metzger & Wittig. Lpz. 1874. 48 S. / System der kritischen Philosophie. 2 Tie. Veit. Lpz. 1874. viii, 314 S. / 3 Bll., 283 S. / Über die menschliche Freiheit und Zurechnungsfähigkeit. Eine kritische Untersuchung. Veit. Lpz. 1876. iv, 136 S.; NEUMANN, KARL JOHANN (Glogowo / Posen 9.9.1857 - 1917), Althistoriker, Privatdozent in Halle, seit 1884 Professor in Straßburg; WUNDT, WILHELM (Neckarau b.Mannheim 16. 8. 1832 - Großbothen b. Grimma 31. 8. 1920), habilitierte sich 1857 zu Heidelberg für Physiologie, 1865 ao. Professor ebendort, 1874 als Nachfolger F. A. Langes Professor der induktiven Philosophie in Zürich, seit 1875 Professor der Philosophie in Leipzig. Über Wundts Verhältnis zu Nietzsche schrieb Max Maurenbrecher: „Als mit dem Anfang der neunziger Jahre Nietzsches Werke zu wirken begannen, stand ihm Wundt [...] mit etwas herablassender Ironie gegenüber. Wir Jungen, die wir damals als Schüler zu seinen Füßen saßen, hatten wohl das Gefühl, daß er dem großen Anreger einer neuen Zeit damit nicht gerecht wurde. Aber in Kolleg und Privatgespräch wurde seine Haltung in Jahren nicht anders." Erst mit seiner Kriegsschrift „Die Nationen und ihre Philosophie" sei das anders geworden. (GuD 1. Jg., H. 24 v. 12. 9. 1920, S. 7). ZIELINSKI, THADDAEUS STEPHAN (1859 1944), aus Petersburg, klassischer Philologe, promovierte 1880 zu Leipzig, lehrte 1885-1921 an der Petersburger Universität und darauf bis zur Emeritierung in Warschau. Von einer anhaltenden Wirkung zeugen folgende Stellen aus Vorlesungen, die in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts in Skt. Petersburg gehalten wurden und 1905 in deutscher Übersetzung v. E. Schoeler bei Dieterich in Leipzig erschienen sind (Die Antike und wir, S. 87:) „[...] vor unsern Augen ist uns, kraft eines [...] jugendlichen Ausbruches unserer heutigen Gesellschaft, auch die vorsokratische instinktive Moral zum Bewußtsein gebracht worden, zu deren Zeugen und Symbol ihr Wiedererwecker den antiken Gott des Frühlings und der zuströmenden Säfte - Dionysos - erwählt hat. Solche Erscheinungen haben durchaus nicht nur eine vorübergehende Bedeutung; natürlich geht jede extreme Richtung vorüber [...], auch der Nietzscheanismus wird vergehen. Nicht vergehen wird nur der Kampf, dieses einzige und unumgängliche Mittel zur Vervollkommnung [...] aus vielen Anzeichen ist es ersichtlich, daß wir einer neuen Blüte des Studiums der Antike entgegengehen, wobei diese tiefer begriffen werden und einen stärkeren Einfluß auf die Menschen ausüben wird. Friedrich Nietzsche ist nur ein Beispiel, ein Symptom; der ungeheuere, wenn auch langsame Erfolg dieses Propheten der Antike [...] und dabei der allerantiksten, vorsokratischen Antike [...] zeigt uns klar, worauf die Bedürfnisse der Gegenwart gerichtet sind, und wo das Mittel zu ihrer Befriedigung zu finden ist." (S. 90:) Erwähnung Nietzsches zusammen mit Haeckel und Tolstoi als „das gequälte Gewissen der Menschheit", das „immer neue Anfragen an die Rechtswissenschaft" stelle; (S. 92:) Zusammen mit Lassalle, dem „Vater des heutigen Sozialismus", als dessen „Antipode, der Prophet des extremen Individualismus", der „der Antike die Prinzipien, die er so beredt und erfolgreich in seiner Predigt durchgeführt hat", entlehnt habe. „Beide waren sie im Recht, denn sie waren beide so gebildet, daß sie die Antike nicht für die Norm, sondern für den Samen der heutigen Zivilisation hielten."

1878 UB IV: Richard Wagner in Bayreuth

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E h r l i c h aus W i e n , 5 1 d e r „ i m N a m e n I h r e r b e g e i s t e r t e n V e r e h r e r in d e r hiesigen U n i v e r s i t ä t " schrieb. D i e „ v i e r t e U n z e i t g e m ä ß e " w u r d e s c h o n i m F e b r u a r 1 8 7 5 b e g o n n e n u n d die A r b e i t d a r a n bis M a i f o r t g e s e t z t , d a e r l a h m t e sie. 5 2 N i e t z s c h e h a t t e i m selb e n M o n a t e r f a h r e n , d a ß bis d a h i n erst „gegen 3 5 0 E x e m p l a r e " d e r „ d r i t t e n " v e r k a u f t w o r d e n seien. P e t e r G a s t , d e r H e r b s t 1 8 7 5 als H ö r e r n a c h Basel gek o m m e n w a r , gab z u r V o l l e n d u n g d e r „ v i e r t e n " d a n n d e n e n t s c h e i d e n d e n A n s t o ß , i n d e m e r N i e t z s c h e d a z u d r ä n g t e u n d eine R e i n s c h r i f t des s c h o n bis z u m a c h t e n A b s c h n i t t g e d i e h e n e n W e r k e s anfertigte. E r s t M i t t e J u n i 1 8 7 6 , als d e r D r u c k d e r e r s t e n a c h t A b s c h n i t t e fast v o l l e n d e t w a r , s c h r i e b N i e t z s c h e die S c h l u ß a b s c h n i t t e u n d s c h i c k t e sie an N a u m a n n . D a s W e r k e r s c h i e n d a n n M i t t e J u l i 1 8 7 6 in e i n e r A u f l a g e v o n 1 5 0 0 S t ü c k : V Unzeitgemässe / Betrachtungen / von / D r . Friedrich Nietzsche, / ordenti. Professor der classischen Philologie / an der Universität Basel. / Viertes Stück: / Richard W a g n e r in Bayreuth. / Schloss-Chemnitz. / Verlag v o n Ernst Schmeitzner. / 1876. / L o n d o n E . C . : E . Wohlauer. 98 S., 1 Bl. (Leipzig. D r u c k v o n C . G . Naumann). 8°. 53

51 S. K G W IV, 4, S. 22; EHRLICHJOSEF RUBEN (Brody / Galizien 3. 2. 1842 - Vöslau b. Wien 26. 12. 1899), Journalist, Redakteur der „Wiener Allgemeinen Zeitung". 52 Im Oktober 1874 erwähnte Nietzsche, daß ihm der Inhalt der „vierten Unzeitgemäßen" ungefähr aufgegangen sei. Die Fassung ist aber nicht die im Juli 1876 erschienene, sondern eine im Frühjahr 1875 unter dem vorläufigen Titel „Wir Philologen" fast fertiggestellte. 53 Ein Teil dieser Ausgabe wurde als zweite Auflage bezeichnet, und im Auflagenverzeichnis des Nietzsche-Archivs findet sich folgender Vermerk: „Laut Brief an E. Schmeitz. mußten von dieser Auflage 400 Ex. zum Einstampfen η / Weißenfels gesandt werden." Von den Nietzsche zustehenden Freiexemplaren wurden fünf als Festexemplare gedruckt. Bekanntschaft mit dem Werk bei: Baumgartner und seiner Mutter, Brenner, Cosima und Wagner in Bayreuth, beide durch Festexemplare, Fuchs in Hirschberg / Schlesien, Gersdorff in Hohenheim b. Stuttgart, Hillebrand in Florenz, Kretzer in Godesberg b. Bonn, Krug in Düsseldorf, Malwida, Mathilde Maier in Mainz, Olga Monod, der Mutter in Naumburg, R. Pohl (er erwähnte das Werk flüchtig in seinen: „Bayreuther Erinnerungen. Freundschaftliche Briefe." C. A. Kahnt. Lpz. (1877), S. 36 und stellte dessen Verfasser seinen Lesern als „den tiefen Denker, den ächten und ganzen Philosophen unter den Bayreuther Freunden" vor), Rau, Ida Rothpietz, Frau Ritsehl in Leipzig, Rohde in Jena, Romundt in Oldenburg, Schuré in Paris (der 1895 über seine Begegnung mit Nietzsche in Bayreuth im Jahre 1876 schrieb: „En causant avec lui, je fus frappé de la supériorité de son esprit et de l'étrangeté de sa physiognomie. Front large, cheveux courts repoussés en brosse, pommettes saillantes de Slave. La forte moustache pendante, la coupe hardie du visage lui auraient donné l'air d'un officier de cavalerie, sans un je ne sais quoi de timide et hautain à la fois dans l'abord. La voix musicale, la parler lent, dénotaient son organisation d'artiste; la démarche prudente et méditative était d'un philosophe. Rien de plus trompeur que le calme apparent de son expression. L'oeil d'un fixe trahissait le travail douloureux de la pensée. C'était à la fois l'oeil d'un observateur aigu et d'un visionnaire fanatique. Ce double caractère lui donnait quelque chose d'inquiet et d'inquiétant, d'autant plus qu'il semblait toujours rivé sur un point unique. Dans le momens d'effusion, ce regard s'humectait d'une douceur de rêve, mais bientôt il redevenait hostile. Toute la manière d'être de Nietzsche avait cet air distant,

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1876 Edouard Schuré: „Individualismus und Anarchie in der Literatur."

ce dédain discret et voilé qui caractérise souvent les aristocrates de la pensée [...] Pendant les répétitions générales et les trois premières représentations de la tétralogie, Nietzsche parut triste et affaisse. Il souffrait déjà du commencement de ce mal cérébral qui devait l'accabler plus tard, mais il souffrait plus encore d'une mélancolie profonde et inexprimée. En présence de Richard Wagner, il était timide, gêné, presque toujours silencieux [...] Quand nous partîmes ensemble, aucune critique, aucune parole de blâme ne lui échappa, mais il avait la tristesse résignée d'un vaincu. Je me souviens de l'expression de lassitude et de déception avec laquelle il parla de l'oeuvre prochaine du maître et laissa tomber ce propos: ,11 m ' a dit qu'il voulait relire l'histoire universelle avant d'écrire son poème de Parsifal! [...]' Ce fut dit avec le sourire et l'accent d'une indulgence ironique, dont le sens caché pouvait être celui-ci: .Voilà bien les illusions des poètes et des musiciens, qui croient faire entrer l'univers dans leurs fantasmagories et n ' y mettent qu'eux-mêmes!'" L'individualisme et l'anarchie en littérature. Frédéric Nietzsche et sa philosophie. [= „Während meiner Unterhaltung mit ihm beeindruckten mich sowohl seine geistige Überlegenheit als auch seine seltsame Physiognomie. Die hohe Stirn, die kurzen zur Bürste gewachsenen Haare und die hervorstehenden slawischen Backenknochen. Der dichte hängende Schnurrbart sowie der kühne Gesichtsschnitt schienen ihm das Aussehen eines Kavallerieoffiziers zu verleihen, wäre da nicht beim ersten Augenschein ein Ausdruck von gleichzeitiger Schüchternheit und Hochmütigkeit gewesen. Die musikalische Stimme, die langsame Sprechweise wiesen auf sein Künstlertum hin; sein vorsichtiger, nachdenklicher Gang war der eines Philosophen. Nichts war trügerischer als diese scheinbare Ruhe seines Gesichtsausdrucks. Das ruhende unbewegliche Auge verriet schmerzhafte Denkprozesse. Es war gleichzeitig das eines scharfen Beobachters und eines fanatischen Visionärs. Dieser doppelte Aspekt verlieh dem Auge sowohl etwas Unruhiges als auch etwas Beunruhigendes, und das um so mehr als es stets auf einen einzigen Punkt geheftet zu sein schien. In Augenblicken der Gefühlsäußerung wurde der Blick in sanfter Verträumtheit feucht, um bald darauf wieder feindlich zu werden. Die ganze Wesenserscheinung Nietzsches zeigte diese Distanz, die leise verhohlene Verachtung wie sie Geistesaristokraten häufig kennzeichnet. Während der Generalproben und der drei ersten Vorstellungen der Tetralogie schien Nietzsche traurig und bedrückt zu sein. E r litt bereits unter dem beginnenden Gehirnübel, das ihn später überwältigen sollte, aber er litt noch mehr unter einer tiefen, unausgesprochenen Melancholie. In der Gegenwart von Richard Wagner war er schüchtern, gehemmt und fast immer schweigsam. Wenn wir gemeinsam die Vorstellungen verließen, entschlüpfte ihm keinerlei Kritik, kein tadelndes W o r t , er zeigte vielmehr die resignierte Traurigkeit eines Verlierers. Ich erinnere mich an den Ausdruck von Müdigkeit und Enttäuschung, als er vom nächstfolgenden Werk des Meisters sprach, und er ließ die Bemerkung fallen: ,Er sagte mir, bevor er sein Gedicht von Parsifal schreiben würde, wolle er noch einmal die Weltgeschichte neu lesen.' E r äußerte dies mit dem Lächeln und dem Ausdruck von ironischer Indulgenz, deren geheimer Sinn folgender sein könnte: ,Das sind nun einmal die Illusionen der Dichter und Musiker, die vermeinen, dem Universum Eintritt in ihre Phantasmagorien zu gewähren, und doch in diesen sich immer nur selbst darstellen!'" Individualismus und Anarchie in der Literatur. Friedrich Nietzsche und seine Philosophie] In: Revue des deux Mondes v. 15. 8. 1895, S. 782 ff.), Schemann, Senger in Genf, Overbeck in Bayreuth sowie bei: BREVERN, CLAUDINE, BARONIN VON, hatte zusammen mit der Freiin von der Pahlen Nietzsche im Oktober 1876 kennengelernt; ELSER, OTTO (1834 - 1898), Arzt in Frankfurt, seit 1873 mit Hans Thoma eng befreundet, lernte Nietzsche im Sommer 1877 kennen; s. seinen Brief an Hans von Wolzogen: „Die Verehrung, welche ich dem Autor der .Unzeitgemäßen Betrachtungen' seit langem bewahrte - dazu mannigfache Verwandtschaft der Interessen und Empfindungen ließen uns in kurzer Zeit einander nahekommen." (Curt von Westernhagen, Richard Wagner. Sein Werk, sein Wesen, seine Welt. Atlantis Vlg. (Zür. 1956),

1876 Annäherung Paul Rées

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S. 490); Mitglied des neugegründeten Frankfurter Wagner-Vereins und selbst Verfasser von: Andeutungen über Wagners Beziehungen zu Schopenhauer und zur Grundidee des Christentums. 1879 / Exegetischer Versuch über Richard Wagners „Ring der Nibelungen"; FIEDLER, CONRAD (Oederan / Kr. Flöha 23. 9. 1841 - München 3. 6. 1895), Kunstkritiker, der am 2. 8. 1876 an den ihm befreundeten Bildhauer Adolf von Hildebrand schrieb: „Wenn Du wissen willst, was Kunst ist, so lies .Richard Wagner in Bayreuth' von Friedr. Nietzsche." (A. v. Hs. Briefwechsel m. C. F. Hg. v. Günther Jachmann. Wolfgang Jess. Dresden (1927), S. 62); JONQUIÉRES, Dr. med. in Bern; KÖCKERT, MARIE, Frau eines Genfer Bankiers, lernte das Werk schon im April aus dem noch unvollendeten Manuskript kennen; MARBACH, OSWALD (Jauer / Schlesien 13. 4. 1810 - Leipzig 28. 7. 1890), Hofrat und Professor der Technologie in Leipzig, war 1833 ebenda habilitiert, vielseitiger Schriftsteller, kurze Zeit mit der 1837 frühverstorbenen Schwester Wagners Rosalie verheiratet, hatte 1874 schon die „Geburt" kennengelernt und stand zu der Zeit mit Nietzsche im Briefwechsel; OTT, MAD. LOUISE, geb. von Einbrod, in Paris; PAHLEN, ISABELLA OLGA VON DER (Reval 22. 9. 1846 ebd. 19. 8. 1915), seit 1878 mit Rudolf Frhn. v. Ungern-Steraberg verheiratet, lernte Nietzsche im Oktober 1876 auf der Reise nach Genua kennen; RÉE, PAUL (Bartheishagen / Pommern 21. 11. 1849 - 28. 10. 1901 im Inn in der Nähe von Celerina / Engadin tot aufgefunden), damals in Stibbe b. Tütz, Marienwerder / Westpreußen, studierte Sommer 1869 Sommer 1871 zu Leipzig, im Deutschfranzösischen Krieg verwundet, 1871-72 in Berlin, schon seit dem Sommer 1873 durch Romundt in Basel mit Nietzsche bekannt, die engere Freundschaft erst seit dem Erscheinen von Rees „Psychologische Betrachtungen" (C. Dunkker. Bln. 1875. 4 B1L, 160 S., 1 Bl.(= Druckfehler). Er schenkte Nietzsche das Werk mit der Widmung: „Herrn Professor Friedrich Nietzsche, dem besten Freunde dieser Schrift, dem Quellwassererzeuger seines ferneren Schaffens dankbarst Basel, September 1876 der Verfasser." Ein heute in Weimar noch befindliches Exemplar trägt die Widmung: „Fräulein Nietzsche sendet mit herzlichem Gruß diesen Haufen Eiszapfen. / Baumannshöhle der Verfasser / 3. Sept. 1876". Ende der 80er Jahre Studium der Medizin in München und zuletzt als Arzt tätig, 1890-1900 auf dem väterlichen Gut in Stibbe, 1900 bis zum Tode im Oberengadin. Er war 1875 zu Halle mit einer Dissertation: τον καλού notio in Aristotelis ethicis quid sibi velit. (37 S.) promoviert; seine weiteren Werke, in den Nietzsches aber nicht gedacht wird, heißen: Der Ursprung der moralischen Empfindungen. Chemnitz. Vlg. v. Ernst Schmeitzner. 1877. viii, 142 S., 1 Bl. (= Druckfehler-Berichtigungen) / Die Illusion der Willensfreiheit. Ihre Ursachen und ihre Folgen. Carl Duncker's Vlg. Bln. 1885. 2 Bll., 54 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.) / Die Entstehung des Gewissens. Carl Duncker's Vlg. Bln. 1885. v, 253 S. Sollte sich Deussen in seinen Erinnerungen nicht getäuscht haben, dann müßte die Bekanntschaft Rees mit Nietzsche schon 1872 erfolgt sein, denn Deussen erzählt von einer zufälligen ersten Begegnung mit Rèe in einem Hotel am Vierwaldstätter See im Juli 1872, worauf sie gemeinsam gewandert seien und Gespräche geführt hätten, „auch über Nietzsche und seinen Kreis, dem Dr. Paul Ree damals noch angehörte." (P. D., Mein Leben. Hg. v. Dr. Erika RosenthalDeussen. Brockhaus. Lpz. 1922, S. 140); RITTER, HERMANN (Wismar / Mecklenburg 16. 9. 1849 - Würzburg 22. 1. 1926), damals Student in Heidelberg, Erfinder der Altgeige, später Professor, lernte Nietzsche Sommer 1876 in Bayreuth kennen. S. „Meine Erinnerungen an Richard Wagner": „.Kennen Sie Nietzsche? Das ist ein Mann!' fuhr Wagner fort. Ich bemerkte darauf: ,Dem Namen nach schon, auch kenne ich einiges durch Nohl von ihm.' ,Ah, das ist schon etwas. Aber das können Sie doch an der Universität nicht gebrauchen. Das ist ja doch eigentlich lauter Unsinn für die gelehrten Herren, nicht wahr?' U m Wagners Mund spielte ein ironisches Lächeln. ,Sie werden Nietzsche im Sommer kennen lernen; er wird kommen. Das ist ein Mann!' In der That hatte ich auch Gelegenheit, diesem großen Denker eine Zeitlang im Garten der .Harmonie', woselbst er aß, zu begegnen und ihm, der äußerlich sehr verschlossen war, wenn auch nur flüchtig, vorgestellt zu werden. Diese Lek-

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1876 Ludwig von Scheffler - Reinhart, Frhr. von Seydlitz

tionen Wagners genügten, um mich sehr bald eifrig mit Schopenhauer und Nietzsche zu befassen." (FZg 46. Jg., Nr. 274, 1. Morgenbl. v. 3. 10. 1901, S. 1 f.). SCHEFFLER, LUDWIG VON (Mainz 13. 11. 1852 - Neuburg am Kammel, Ende August 1925), lernte Nietzsche im April 1876 kennen, hörte bei ihm im Sommersemester desselben Jahres „Uber Piatons Leben und Lehre", war einmal danach bei ihm zu Besuch und hörte bei ihm noch einmal im Herbst 1878, promovierte 1881 zu Basel mit einer Arbeit „Über die Persönlichkeit des Periëgeten Pausanias", machte sich später um Werk und Gestalt Platens verdient; SCHÜRMANN, FERDINAND; SEYDLITZ, REINHART, FRHR. VON (1850 - 1931), Schriftsteller und Maler, lernte Nietzsche im Juli 1876 in Bayreuth flüchtig kennen, worauf Nietzsche ihn zum bevorstehenden Sorrentiner Aufenthalt einlud, dieser kam dann auch Anfang April 1877 mit seiner Gattin Irene (geb. Simon von Pálya) dorthin, wo er Nietzsche und Fräulein von Meysenbug noch antraf. Im August 1877 gab es ein kurzes Wiedersehen in Rosenlaui im Berner Oberland und im September ein abermaliges in Basel. 1885 besuchte ihn Nietzsche in München auf der Durchreise; über die Zeit des ersten Umgangs mit Nietzsche schreib er später: „Mehr als Theoreme aber hatte der Umgang mit Nietzsche eine wunderbare Befruchtung herbeigeführt. Er war, ob absichtlich oder nicht, in jedem Augenblicke der echte Maientiker; wie Sonne und Frühlingsregen weckte er jeden schlummernden Keim [...] Ihm verdanke ich's; und nicht nur den Anstoß; vor allem auch die Kritik. Denn er hielt es nicht für unwert, eine Novelle, die ich in Sorrent schrieb, zwei-, dreimal durchzugehen, mir genau über alles sein gütiges, nachsichtiges Urteil zu sagen, mir ein langes und breites darüber zu schreiben und sein Wohlwollen mir stets zu erhalten f...]" (Wann, warum, was und wie ich schrieb. Autobiographische Skizze. F. A. Perthes. Gotha 1900, S. 21 f.). S. a. ebd., S. 7, 11, 19, 25, 26, 33 ff. (Kritik Nietzsches an einem Roman von Seydlitz), 36 f. (über einen Traum Nietzsches), 76, 78, 85. Man lese aber auch den unveröffentlichten Brief an Gast von 1900, in dem er nach Aufzählung der obenangegebenen Zusammenkünfte schließt: „nach dem Erscheinen des 2. Stückes .Menschliches allzumenschliches', schrieb ich ihm feierlich u. grob ab, - es war aus." Marie Baumgartner begann im September 1876 eine Ubersetzung der „vierten Unzeitgemäßen" ins Französische, die im Januar 1877 erschien: W Richard Wagner à Bayreuth par Frédéric Nietzsche. Traduit par Marie Baumgartner avec l'autorisation de l'auteur. Schloss-Chemnitz. Ernest Schmeitzner, Libraire-Editeur 1877. 197 S. 8 o . Nach der vom 7. 10. 1893 datierten „Lager-Bestand-Aufnahme" lagen noch 880 Stück unverkauft vor. Exemplare gingen an: Burckhardt (s. das Dankesschreiben an Fr. Baumgartner v. 8. 2. 1877, in: Salin, E., Jakob Burckhardt und Nietzsche. Vlg. d. Universitätsbibl. Basel 1938, S. 247 f., auch in: J . B. Briefe. 6. Bd. Schwabe. Basel (1966), S. 119 f., mit einigen lesenswerten Bemerkungen zur Nietzscheschen Schreibweise), Cosima, Gräfin Diodati, Gersdorff, Marchesa Guerrieri, Natalie Herzen, Liszt, Monod, Mad. Ott, Overbeck, Isabella von der Pahlen, Rèe, Romundt, Schuré und Wagner sowie an: DÖNHOFF, MARIE, GRÄFIN (geb. Principessa Maria de Camporeale, 1848 - 1929), seit 1886 mit dem nachmaligen Reichskanzler Bernhard von Bülow verheiratet. In ihren Erinnerungen schilderte sie geraume Zeit später u. v. a. ihre Begegnung mit Nietzsche: „Friedrich Nietzsche taucht vor mir auf, damals noch der Sache Wagners durchaus ergeben, eine stille, bescheidene Erscheinung, aber ein Mann, dessen überragende geistige Bedeutung aus dem Auge sprach. Wie rührend bescheiden wirkte er auf mich, als er, in einer Probe neben mir sitzend, mich bat, ein Büchlein von ihm entgegenzunehmen. Es war die .Geburt der Tragödie'." (Bülow, Marie Fürstin von, Gedanken zum Bayreuther Festspiel. HFB1 98. Jg., Nr. 230 v. 21. 8. 1926, B-Ausg.); HERZEN, ALEXANDER (Wladimir / Rußland 25. 6. 1839 - 1906), Sohn des russischen Schriftstellers und Revolutionärs gleichen Namens, Physiologe, 1877 Professor am Instituto superiore in Florenz, 1881 an der Akademie in Lausanne; METSCHERSKY, ALEXANDER (1839 -

1876 Begegnungen bei den Festspielen in Bayreuth

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N o c h kurz vor dem Erscheinen der „vierten Unzeitgemäßen" war eine kurze Abfertigung der „dritten" erschienen: 46 anonym, (LCBl Bd. 27, Nr. 25 v. 17. 6. 1876). Von einer flüchtigen Begegnung mit Nietzsche in Bayreuth im Sommer 1876 schrieb die Sängerin Lilli Lehmann: „Manchmal saß ich mit Friedrich Nietzsche in irgendeiner stillen Ecke, wo er mir von dem großen Wissen Wagners erzählte, mir die Quellen nannte, aus denen er geschöpft, sich begeistert in der Verherrlichung Wagners erging, trotzdem er ruhig und leise zu mir sprach. Damals wußte er noch nichts vom ,bösen, alten Zauberer': Wagner. Aber auch ich wußte leider damals noch nicht viel von Nietzsche, und das bedauere ich heute mehr, als ich sagen kann." 54 Auch Hans von Wolzogen vermerkte sein flüchtiges Begegnen mit Nietzsche in Bayreuth anläßlich der Festspiele 1876: „Daß ich gleich danach [d. i. nach Cosima] den Namen .Nietzsche' nenne, erklärt sich aus der ungemeinen Bedeutung, welche dieser abtrünnige Freund Wagners für die Wagnerianer meiner Generation in ihrer Jugend gehabt hat; es ist mir noch wert, ihn wenigstens einmal gesehen und gesprochen zu haben, wenn auch nur sehr flüchtig, als ich ihm bei den Festspielen 1876 meinen Besuch machen wollte und ihn im Begriffe fand, selbst einen Besuch abzustatten. Mit anmutiger Freundlichkeit lud er mich dennoch zum Sitzen ein, klagte über seinen immer schmerzenden Kopf, der ihn ja auch in übel entscheidender Weise um den reinen Eindruck der Kunst brachte und unter doch kaum überraschenden Mängeln der .Allzuvielen' überstark leiden ließ, und gab mir in der kurzen Zwiesprache nur das eine besondere Wort mit, daß es sich ,im nüchternen Rausche des Vormittags am besten arbeiten lasse'; ein echt Nietzschesches Wortgegenspiel, das ich wohl behalten habe." 55 Eine lesenswerte Schilderung des Lehrers Nietzsche am Pädagogium im Jahre 1876 schrieb geraume Zeit später ein ehemaliger Schüler, E. Schuster: „Wir hatten Griechisch bei ihm, lasen griechische Dramen und Quellen über Sokrates. Freilich war Nietzsche kränklich und manche seiner Stunden fiel aus [...] Nietzsche behandelte uns Schüler mit einer Achtung, die uns ganz ungewohnt war. 1914), russischer Fürst, Schriftsteller, ein Freund der Geschwister Herzen; MLNGHETTI, LAURA (geb. A c t o n Beccadilli, Neapel 1829 - Bologna 1915), in zweiter Ehe mit dem italienischen Minister Marco Minghetti verheiratet, Mutter der Gräfin Dönhoff; SAYN-WLTTGENSTEIN, CAROLINA, FÜRSTIN VON (Monasterzyska / Rußland 8. 2. 1819 - R o m 8. 3. 1887), Gefährtin Liszts seit 1848, damals in Rom. 54 L. L., Mein Weg. S. Hirzel. Lpz. 1913, S. 292; LEHMANN, LlLLI (Würzburg 24. 11. 1848 Berlin 17. 5. 1929), Opernsängerin, seit 1870 am Hoftheater in Berlin. 55 H. v. W . , Lebensbilder. G. Bosse. Regensburg 1923, S. 94 (= Dt. Musikbücherei. Bd. 52); s. a. ebd., S. 71, seine Äußerung über die Ähnlichkeit seiner eigenen in einem frühen Aufsatz „Musen und Grazien" verfaßten Gedanken mit denen Nietzsches in der „Geburt"; WOLZOGEN, HANS PAUL, FRHR. VON (Potsdam 13. 11. 1848 - Bayreuth 2. 6. 1938), Schriftsteller, seit 1877 Herausgeber der „Bayreuther Blätter".

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1876 Zufällige Begegnung Conrads „mit einer [...] berühmten Schriftstellerin"

Wir schauten aber auch mit wahrer Hochachtung zu ihm auf, obschon wir von der Größe seines Geistes noch keine Ahnung hatten [...] Wir hatten immer Griechisch nachmittags von 3 bis 4 Uhr. Wir übersetzten das Drama .Alkestis' von Euripides; schon war das Übersetzen der Reihe nach in der ganzen Klasse herumgegangen. Da kam mein Nachbar [...] zum zweitenmal an die Reihe, und als er fertig war, traf's auch mich noch einmal. Ich war nicht mehr soweit gekommen in der Vorbereitung [...]; es mußte aber jeden Augenblick drüben am Münsterturm 4 Uhr schlagen. Drum las ich den griechischen Text tapfer drauflos, bis Nietzsche in gewohnter Weise Halt gebot mit einem lispelnden: ,So! Übersetzen Sie!' Ich war in größter Verlegenheit; das es aber inzwischen tatsächlich 4 geschlagen hatte, stammelte ich kleinlaut: .Herr Professor, Sie haben wohl das Schlagen übersehen!'. Nietzsche schaute überrascht auf und lispelte feinlächelnd: ,Ich denke wohl: überhört', schloß das Buch und verabschiedete sich. Am Anfang der folgenden Griechischstunde richtete er den Blick seiner tiefen, dunklen Augen wieder auf mich: ,Schuster, wollen Sie jetzt übersetzen?'"56 Aus dem September 1876 57 berichtete Michael Georg Conrad über einige Tage, die er mit einer kleinen Reisegesellschaft in Sorrent verlebte: sie seien von der Pensionsmutter der Villa Rubinacci gebeten worden, „während der Nacht ihre Sangesgewalt ein wenig zu zügeln, da seit Wochen ein schwer nervenleidender gelehrter Herr mit einer ältlichen Dame, einer berühmten deutschen Schriftstellerin, im Hause" wohne. Auf Anfrage erfuhren sie dann, daß „die Berühmtheit" Fräulein von Meysenbug sei, fragten aber nicht weiter nach dem Herrn. V o m nächsten Tage am Mittagstisch erzählt Conrad dann weiter: „[...] da saßen bereits zwei Gäste, schweigsam ihre Suppe löffelnd: eine ältliche, schmächtige Dame, ganz in schwarzer Seide, mit klugem, vornehmem Gesicht, etwas gouvernantenhaft. Zu ihrer Rechten ein breitschultriger Herr, bis zum Hals in einen eleganten schwarzen Rock geknöpft, einen roten Fez auf dem mächtigen runden Kopf, in dem sorgfältig rasierten bleichen Gesicht einen phänomenal üppigen pechschwarzen Schnurrbart, buschig überhängend, an den Enden nach Tartarenart abwärts gedreht. Noch auffälliger waren seine wundersamen großen Augen, die unter der grauen Schutzbrille noch dunkler erschienen und wie mit Demantblitzen aufleuchteten, als er, unsern Gruß stumm erwidernd, den Kopf gegen uns erhob und wieder neigte. Dann löffelte er schweigsam, wie in tiefer Andacht, seine 56 Eine Basler Nietzsche-Reminiszenz, in: N Z Z g N r . 353 v. 1. 3. 1936. Ähnliche Schilderungen finden sich in: F Z g 55. Jg., N r . 234, Abendbl. v. 25. 8. 1910; T R s N r . 199 v. 26. 8. 1910, S. 796; BasN Sonntagsbl. N r . 41 v. 13. 10. 1929; SCHUSTER-SUTTER, EDUARD (Regensburg / Schweiz 3. 2. 1858 - 28. 8. 1935), Pfarrer in Affekrangen bis 1899 und in Stettfurt bis 1909, 1909-1928 Seminardirektor in Kreuzlingen, Schüler Nietzsches im Sommer 1876; SIEGFRIED, TRAUGOTT (Zofingen 24. 2. 1851 - 9. 7. 1936), 1882-1919 Appellationsgerichtsschreiber in Basel, Schüler Nietzsches im Schuljahr 1869 / 70. 57 Diese Begegnung ist wohl eher im November des betreffenden Jahres anzusetzen, da Nietzsche erst am 27. Oktober in der Villa ankam.

1876 / 77 Der Sorrentiner Aufenthalt

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Suppe zu Ende. Frappierend wie die ganze Erscheinung waren auch die ungewöhnlich schönen Hände. Ich kam dem merkwürdigen Herrn gegenüber zu sitzen, zu meiner Linken und Rechten reihten sich meine Freunde [...] Das fremdartige stille Menschenpaar ignorierte zwar unsere launigen Reden vollständig und verzog selbst bei einigen sehr annehmbaren Witzen kaum eine Miene, allein die Dame schien doch aus unserer Aufgeräumtheit die Anregung zu schöpfen, um ihrerseits mit dem Herrn im roten Fez das Schweigen zu brechen. Mit etwas dünner, grämlicher Stimme richtete sie allerlei belanglose Fragen an ihn, ob er sich dieses und jenes Buches über Sorrent erinnere, ob er diesen oder jenen Aussichtspunkt hübscher finde, ob er diese oder jene landesübliche Speise vorziehe. Es lag zugleich etwas matronenhaft Sorgendes im Tone und in der Art der Fragestellung. Ohne aus seiner reservierten Haltung zu treten beantwortete er Frage um Frage mit herablassender Geduld mit halblauter, aber ungemein sympathischer Stimme. Man merkte, daß das alles seine eigene Welt gar nicht berührte, daß sein Geist in einem fernen, unzugänglichen Reiche thronte. Nur eins gab ihm plötzlich einen drollig heiteren Zug ins Gesicht: ihre Frage, ob die Kopfbedeckung, die er auf ihren Rat so gewissenhaft trage, ihm die gehoffte Annehmlichkeit bereite? Seine Antwort war ein vollendetes SkeptikerLächeln." N o c h am selben Abend erfuhren sie, daß es sich bei dem Gelehrten um einen Deutschen handele, der Tag und Nacht schreibe. A m nächsten Morgen beim Abschied überraschte Conrad als einzigen die Auskunft, daß es „Professor Nietzsche aus Basel" sei.58 An das mehrmalige aber zugleich letzte Zusammentreffen seiner Eltern mit Nietzsche Ende O k t o b e r / Anfang November 1876 in Sorrent erinnerte sich Siegfried Wagner als an ein nicht ganz geglücktes: „Und daran war wohl Nietzsche schuld. Mein Vater schien verstimmt zu sein, wozu vielleicht die Anwesenheit von zwei ihm unsympathischen Freunden des Philosophen die Veranlassung war."59 Ende August 1876 erfuhr Nietzsche, daß trotz der Festwochen in Bayreuth erst um 100 Stück der „vierten Unzeitgemäßen" verkauft worden seien. Im O k t o b e r sprach er in einem Brief von einer fertigen „fünften", in der man „Der Freigeist", eine Vorstufe zu „Menschliches, Allzumenschliches" zu sehen hat. Eine andere Vorstufe des Buches wurde das Aphorismenheft, das er unter dem Titel „Die Pflugschar", Peter Gast im Herbst 1876 in die Feder diktierte. Im Winter 1876 / 77, dem „Sorrentiner Winter", wurden aus der einen „Unzeitgemäßen", dem „Freigeist", neun, die ungefähr den neun Abschnitten des jetzigen „Menschliches" entsprechen. Schon im Februar 1877 58 A. a. O., S. 13-19. 59 S. W., Erinnerungen. J. Engelhorns Nf. St. 1923, S. 11; WAGNER, SIEGFRIED (Tribschen 6. 6. 1869 - Bayreuth 4. 8. 1930).

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1876 / 77 Johannes Volkelt: In den Frühschriften „ging mir [...] eine neue Welt" auf

bat er dann seinen Verleger Ernst Schmeitzner, die „Unzeitgemäßen Betrachtungen" als abgeschlossen anzusehen. Über seine Begegnung mit dem Frühwerk Nietzsches sowie einige Jahre später mit dem Denker selber schrieb Johannes Volkelt: „Es war im Jahre 1875, als ich aus dem Munde von Viktor Adler, mit dem ich damals in Wien anregenden Umgang pflog, zum erstenmal den Namen Nietzsche mit bedeutsamer Betonung nennen hörte. Ich müsse durchaus, so sagte dieser, Nietzsches Schriften lesen: dies werde für mich ein außerordentliches Erlebnis sein. Und so kam es auch. Als ich mich kurz darauf in Jena habilitiert hatte, ging mir in der ,Geburt der Tragödie' und in den ,Unzeitgemäßen Betrachtungen' eine neue Welt auf, in der sich Tiefe und Pracht des Geistes vereinigt zeigte und unerhörte Wagnisse eines aufwühlenden Denkers gegen den Zeitgeist ankämpften. Der Eindruck war bei allem Widerstreben und Widersprechen um so stärker, als mir gerade damals die Grundlagen meiner in Hegel wurzelnden Weltanschauung schwankend geworden waren [...] U m so stärker war meine Überraschung, als mir Doktor Paul Rèe [...] bei einem Besuche, den er mir im Jahre 1877 in Jena machte, von dem vollzogenen Abfall erzählte. Als er die .Unzeitgemäßen Betrachtungen' auf meinem Tisch liegen sah, sagte er mit skeptischem Lächeln: von Nietzsche werde allernächstens ein Werk erscheinen, in dem er sich der Welt als ein völlig anderer zeigen werde. Seine Schopenhauer-Wagner-Periode sei vorüber. Es ist zu wenig, von Überraschung zu reden: ich empfand so etwas wie eine schmerzliche Erschütterung. So sollte alles, wodurch er mir für unsere häßliche Kultur als einer der auferweckenden Geister in die Zukunft leuchtete, von ihm nun selbst als Wahn aufgegeben sein! Das jüngere Geschlecht kann sich kaum von dem Grad der Ratlosigkeit eine Vorstellung bilden, die sich der damals noch kleinen Gemeinde Nietzsches bemächtigte, als der vierten .Unzeitgemäßen Betrachtung' [...] unmittelbar, ohne eine Übergangsschrift, die harte, zersetzende Schrift .Menschliches, Allzumenschliches' folgte [...] Ich hatte damals das Glück, mit Erwin Rohde [...] in freundschaftlichem Verkehr zu stehen. Ich weiß es aus seinem Munde, wie ferngerückt ihm Nietzsches geistige Welt durch .Menschliches Allzumenschliches' mit einem Schlage erschien und wie bedrückend schmerzlich er es empfand, daß er sich außerstande sah, die sehnende Erwartung des Freundes, daß er ihm auf der neuen steilen Bahn folgen werde, zu erfüllen [...] In Basel, wo ich ein halbes Jahrzehnt lebte und lehrte, wurde ich dann auch mit [...] dem Kirchenhistoriker Franz Overbeck in enger Freundschaft verbunden [...] Ich kann bezeugen, daß für Overbeck die unbedingte Treue gegen Nietzsche zu den schlichten und tiefen Selbstverständlichkeiten seines Lebens gehörte [...] Im Sommer 1884 besuchte er [d. i. Nietzsche] mich in Basel [...] Es war mir seltsam zu Mute, als der Dichter des .Zarathustra' mir als einfacher, natürlicher Mensch gegenüber saß und sich lebhaft teilnehmend nach meiner Stellung in Basel erkundigte. Bald kam das Gespräch auf die moralphilosophischen Erscheinungen der letzten Zeit. Als ich unter diesen auch Eduard v. Hartmanns Werk .Die Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins' hervorhob, ging über seine Züge der Ausdruck intellektuellen Mißbehagens und er bog vom Thema ab. Nicht lange darauf begegneten wir uns auf dem Münsterplatz und gingen dann eine lange Weile im Kreuzgange des

1876 Volkelt über den Eindruck auf Rohde

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M ü n s t e r s in a n g e r e g t e m G e s p r ä c h e auf u n d ab [...] W ä h r e n d ich d e n S t a n d p u n k t v e r t r a t , d a ß es k e i n g e w i s s e r e s W i s s e n gebe, als d a s v o n u n s e r e m B e w u ß t s e i n , · verf o c h t N i e t z s c h e d e n ä u ß e r s t e n S k e p t i z i s m u s , i n d e m er v o n v e r s c h i e d e n e n Seiten d a s O b e r f l ä c h e n h a f t e , s u b j e k t i v F ä r b e n d e , P e r s p e k t i v i s c h e des W i s s e n s v o n u n s s e l b s t z u e r w e i s e n b e m ü h t w a r [...] I m J a h r d a r a u f b e g e g n e t e ich i h m z w e i m a l i m O b e r e n g a d i n [...] N i e t z s c h e erteilte i h m m i t N a c h d r u c k d e n C h a r a k t e r einer . h e r o i s c h e n L a n d s c h a f t ' . D e r A n b l i c k des r a s c h e n Schrittes u n d e r h o b e n e n H a u p t e s in d e r A b e n d s o n n e dahinschreitenden Wanderers wird mir unvergeßlich bleiben. Wenige T a g e d a r a u f s a h e n w i r [d. s. V o l k e l t u . seine F r a u ] i h n n o c h m a l s an d e m k l e i n e n S e e z w i s c h e n St. M o r i t z u n d P o n t r e s i n a . " 6 0

60 J . V., Einiges über Nietzsche. (NFPr Literaturbl. v. 3. 1. 1926, 3 S.). S. a. O . Crusius, Erwin Rohde. Ein biographischer Versuch, a. a. O., S. 87: „Dafür gewann er [d. i. Rohde] bald erfreuliche Ansprache bei dem Philosophen J . Volkelt. Auch ein junger Landsmann Volkelts, S. Lipiner, kam ihm damals näher; es war die Vertrautheit mit den Jugendschriften Nietzsche's, die sofort, wie das Symbol eines Geheimbundes, ein Verhältnis zwischen dem reifen Mann und dem Studenten herstellte." Volkelt nahm dann die Schrift von Crusius als Anlaß dazu, eine Würdigung Rohdes zu schreiben (LTB1 3. Beil. z. N r . 211 v. 27. 4. 1902), die manches, was später in der N F P r erschien, vorwegnahm: „Ich erinnere mich, daß Rohde einmal (es war etwa im Jahre 1878), als von dem Ubergange Nietzsche's zur Philosophie und von der wegwerfenden Beurtheilung die Rede war, die dieser .Abfall' bei vielen seiner philologischen Fachgenossen erfuhr, sich ungefähr so zu mir äußerte: Wenn ein Handwerker in sich die Fähigkeit entdecke, Götterbilder zu gestalten, so sei es doch wohl in der Ordnung, daß er sich dieser neuen Thätigkeit zuwende." Etwas weiter heißt es dann aber: „Seine Jugendfreundschaft mit Nietzsche vor Allem galt ihm stets als ein einzigartiges, über alles Anderes unvergleichlich hinausgerücktes Erlebniß, als etwas unberührbar Weihevolles. Daher litt er so tief darunter, als er der späteren Entwickelung Nietzsche's nicht zu folgen vermochte und Entfremdung zwischen ihnen eintrat. Als Nietzsche mit dem Buche ,Menschliches, Allzumenschliches' seine Jugendromantik zertrümmerte, empfand Rohde diesen plötzlichen, auch für ihn völlig unerwarteten Zusammenbruch als eine schwere, beängstigende Erschütterung seines eigenen Wesens. Ich weiß dies aus Gesprächen mit ihm." S. a. v. Volkelt: Die Philosophie d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. M. e. Einf. hg. v. Dr. Raymund Schmidt. 2., verbess. Aufl. F. Meiner. Lpz. 1923, S. 240: „Seit langem war es mir Bedürfnis, mich in einer Sondervorlesung mit Nietzsche auseinanderzusetzen. Erst jetzt in meinem Alter glaube ich die nötige Objektivität ihm gegenüber gewonnen zu haben. Und so habe ich denn zweimal in der letzten Zeit in einer bis ins Einzelne ausgearbeiteten Vorlesung kritisch zu ihm Stellung genommen. Wie kaum ein anderer Philosoph, hat Nietzsche erregend und aufwühlend auf mich gewirkt. Gerade weil ich ihm, besonders den Schriften seiner Frühzeit, manche Befreiung meines Denkens und Wertens verdanke und mir die Beschäftigung mit seiner Philosophie zu einer Angelegenheit persönlichen Erlebens wurde, empfand ich andere Seiten seiner Philosophie (und die überwiegen bei dem späteren Nietzsche) als mich im Innersten verwundend und kränkend. Jetzt erst darf ich sagen, daß ich Nietzsche innerlich verarbeitet habe und - negativ wie positiv - durch ihn hindurchgegangen bin." Verschiedentliche Erwähnungen Nietzsches finden sich schon bei Volkelt in seinen „Vorträge zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart." C. H . Beck. Mchn. 1892, S. 24, 29, 44, 114, 169, 178, 187, 193, 197. Gehalten wurden die Vorträge schon im Februar und März 1891 im Rahmen der Lehrgänge des Freien Deutschen Hochstiftes in Frankfurt am Main; VOLKELT, JOHANNES (Leipnick / Galizien 21. 7. 1848 - Leipzig 8. 5. 1930), zuerst, 1876, Dozent, dann, 1879, Professor der Philosophie in Jena, 1883 in Basel, 1889 in Würzburg und seit 1894 in Leipzig; ADLER, VICTOR (Prag 24. 6. 1852 - Wien 11. 11. 1918),

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1876 Richard Falckenberg über den „Anhänger Wagners und Schopenhauers"

Gegen Ende des Jahres 1876 erschienen noch eine Anzeige und eine Besprechung der „vierten Unzeitgemäßen": 47 anonym, (LCB1 Bd. 27, Nr. 44 v. 28. 10. 1876, Sp. 1467 f.). Verfasser hebt die „Wärme der Empfindung" hervor, spricht aber einige Bedenken um die Zukunft der Musik aus. 48 Falckenberg, Richard (MW 7. Jg., Nr. 48 f. v. 10. u. 17. 11. 1876, S. 639 f., 655 f f ·)· Verfasser spricht durchaus als Jünger Wagners und sieht Nietzsche als Anhänger Wagners und Schopenhauers, aber auch als Erneuerer Fichtes, und bedauert dabei, daß Nietzsche diesen durch die „schopenhauersche Brille" sehe. Bemerkt bei Nietzsche einen ausgesprochen aristokratischen Zug in dessen Überschätzung der Begabung auf Kosten eines bescheidenen und achtungsweiten Wirkens im kleinen Kreise. Hebt dann die Schreibweise als „eigenartig, kräftig, schön" hervor unter Erwähnung auch der früheren „Unzeitgemäßen". Hinweise auf Nietzsches Werke finden sich zu dieser Zeit auch in: 49 Schuré, Edouard, Das musikalische Drama. Verdt. v. Hans v. Wolzogen. Feodor Reinboth. Lpz. 1877, 2 Tie. 1 Taf., ix, 212 S. / 1 Taf., 1 Bl., 172 S. (Erschien französisch im Juli 1875: Le drame musical. 2 Bde. Perrin. Paris.) Verfasser macht sich Nietzsches Ansichten über die Entstehung der Tragödie zu eigen, besonders was die gegenseitige Durchdringung des Dionysischen und Apollinischen und die Einstellung zu Euripides betrifft. Auch seine Ansichten über die nicht-klassische Oper kommen denen Nietzsches sehr nah. Er verweist zweimal ausdrücklich auf Nietzsche und dessen Werk (S. 44, Anm. u. S. 60, Anm.). 50 Glasenapp, Carl Fr., 61 Richard Wagner's Leben und Wirken. In sechs Büchern dargestellt. Carl Maurer. Cassel u. Lpz. 1876 / 77. 2 Bde. Auf S. 80, 303 und 347 bringt Verfasser Zitate aus der „vierten Unzeitgemäßen", auf S. 370 erwähnt er Wagners offenen Brief an Nietzsche in Sachen der „Geburt" (Nr. 5), diese selbst bleibt aber unberücksichtigt. 50a Dass., Neue verm. Ausg. Breitkopf & Härtel. Lpz. 1882. 2 Bde. Hinsichtlich Nietzsche unverändert. ursprünglich Psychiater, seit 1881 in der österreichischen Arbeiterbewegung tätig, 1888 / 89 an der Gründung der österreichischen Sozialdemokratischen Partei beteiligt. Er nannte seinen ersten, 1879 geborenen Sohn Friedrich Wolfgang, „Goethe und vermutlich Friedrich Nietzsche zu Ehren", (n. Ermers, Max, Victor Adler. Aufstieg u. Größe e. sozialistischen Partei. Vlg. H. Epstein. Wien u. Lpz. 1932, S. 104). In einer unveröffentlichten Darstellung des Lebens ihres Mannes schilderte Emma Braun-Adler, die Schwester Heinrich Brauns, den gemeinsamen Verkehr mit Lipiner: „Lipiner kam auch oft und ich mußte Klavier spielen und man sprach viel über Literatur [...] Er war kürzlich von einem Besuch bei Nietzsche nach Wien zurückgekehrt. Viel später erfuhr ich, daß er dem Wunsch und der Hoffnung Ausdruck gab, ich solle Nietzsches Frau werden." (n. Venturelli, Aldo, Nietzsche in der Bergstraße 19. Über die erste Nietzsche-Rezeption in Wien, enthalten in: NSt Bd. 13, 1984, S. 451. 61 GLASENAPP, CARL FRIEDRICH (Riga 3. 10. 1847 - ebd. 14. 4. 1915), Musikschriftsteller,

Gymnasiallehrer und Dozent in Riga.

1876 Heinrich Hart: „,Die Wiedergeburt der Tragödie [...] durchgefiebert'"

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50b Dass., 6 Bde. Die Nietzsche betreffenden Bände sind folgende: з. Bd. 1. Abt. Dritte, gänzlich neu bearb. Ausg. 1904 = 4. Bd. Vierte, durchgeseh. и. ergänzte Ausg. 1908; 5. Bd. Dritte u. vierte, gänzlich neu bearb. Ausg. 1907; 6. Bd. 1.-3. Aufl. 1911. Verfasser schöpft nun reichlich aus den inzwischen erschienenen Briefbänden, der Biographie der Schwester sowie weniger reichlich aus mündlichen Äußerungen verschiedener Wagnerianer. An Schriften Nietzsches werden die „Geburt", die „erste", „dritte" und „vierte Unzeitgemäßen", „Menschliches" und die „fröhliche Wissenschaft" erwähnt. Wiederholt wird die Darstellung der Schwester als Wagner nicht gerecht werdend angegriffen, dabei kommt die Stellungnahme des Verfassers am deutlichsten in einem Nachtrag zum fünften Band zum Ausdruck, wo er über den Nietzsche der „dritten" und „vierten Unzeitgemäßen" spricht: „Während er der Nietzsche zu sein schien, der Befähigste im Dienst eines großen deutschen Genius, war er innerlich verarmt und leer; er hatte sich der erneuten Anregung in ängstlicher Scheu geflissentlich entzogen und war damit aus einem ,Wagnerschriftsteller' im besten Sinne und Mitwirkenden an einer schöpferischen Kulturtat ein hohler Schall und ein hochtrabendes leeres Nichts, mit einem Worte, ein - .Nietzscheschriftsteller' geworden, der von jetzt ab, anstatt der höchsten, die minderwertigsten Einflüsse auf sich wirken ließ, deren Nichtigkeit er selber durchschaute." (S. 390). Schon zu Anfang des Jahres 1877 war einer der späteren Führer des Frühnaturalismus, Heinrich Hart, dessen „Kritische Waffengänge" erst sieben Jahre später erschienen, auf die „Geburt" gestoßen, und er schrieb am 4. Januar an den ihm sonst unbekannten Verfasser: „In den beiden letzten Tagen (: resp. Nächten) habe ich zweimal nacheinander Ihr Werkchen ,Die Wiedergeburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik', - soll ich sagen .durchgelesen' oder .durchgefiebert', und gefunden, daß wol noch Keiner so tief in das Wesen der Kunst und künstlerischen Schöpfung jemals eingedrungen ist, wie Sie [,..]" 62 A m 28. April 1877, dem letzten der „Rede-Abende" des sechsten Vereinsjahres des „Lesevereines der deutschen Studenten Wien's", sprach der „stud. phil. S. Lipiner: ,Uber Nietzsche's unzeitgemäße Betrachtungen: Schopenhauer als Erzieher'". 6 3 Sommer 1877, wohl Anfang August, begegnete Nietzsche rein zufällig dem Kaiser von Brasilien D o m Pedro II. in Rosenlauibad in der Schweiz. 64 62 M. Montinari, Nietzsche Briefwechsel. Kritische Gesamtausg., in: NSt Bd. 4, 1975, S. 384; HART, HEINRICH (Wesel 30. 12. 1855 - Tecklenburg / Westfalen 11. 6. 1906), Schriftsteller. 63 Laut: Jahresbericht des Lesevereines der deutschen Studenten Wien's über das Vereinsjahr 1876-77. Selbstvlg. Wien 1877, S. 29. 64 PEDRO II. DE ALCANTERA, Kaiser von Brasilien 1831-1889 (Rio de Janeiro 2. 12. 1825 -

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1877 Verehrerkreise in Wien und Berlin und der Kaiser von Brasilien

Im Jahre 1877 hört man aus beiden Hauptstädten des deutschsprachigen Raumes von Nietzsche-Kreisen: von dem Bestehen eines Nietzsche-Vereins in Wien mit u. A. Siegfried Lipiner als Mitglied; und von einem „ganzen Kreis in Berlin", der Nietzsche liebe und verehre und u. A. Bernhard Förster zum Mitglied habe.65 Nietzsche hatte Berichte über Lipiner in Briefen von Rèe und Rohde, die beide zu der Zeit in Jena weilten, erhalten. Zu seinem Geburtstag am 15. Oktober erhielt er dann einen Brief aus Wien von Lipiner, Max Gruber, Victor Adler, Sigmund Adler, Heinrich Braun, Engelbert Pernerstorfer und Seraphim Bondi unterzeichnet, zu dem Lipiner bemerkte: „Wir hätten viel mehr Unterschriften haben können, wenn wir's weniger strenge genommen hätten." 66 Im Oktober tritt auch Emmerich DuMont, 67 durch Lipiner auf Nietzsche aufmerksam gemacht, in einen Briefwechsel mit Nietzsche. U m diese Zeit entsteht auch ein Briefwechsel mit einem „ungarischen Edelfräulein" in Wien, Irma Régner von Bleyleben. Und aus Berlin berichtete Paul Ree gegen Ende des Jahres: „Mein hiesiger Buchhändler sagt mir, daß er einen großen Kreis habe, der Ihre Schriften stets mit Begeisterung entgegennehme, unter ihnen, mit Verlaub zu sagen, auch Prinz Georg." 68 Paris 5. 12. 1891), befand sich damals am Ende seiner zweiten Europareise, die vom Ende Juli 1876 bis September 1877 dauerte und ihn von Irland nach Rußland und von Ägypten nach Finnland und Schweden geführt hatte; im August 1876 war er zu den Festwochen in Bayreuth gewesen; seit 1869 mit dem Grafen Gobineau näher befreundet. 65 Bemerkenswert ist, daß Förster auch noch im Jahre 1883 in einem Aufsatz „Zur Frage der .nationalen Erziehung', eine Bayreuther Studie", Nietzsche wenigstens in einer Anmerkung (S. 214) zu erwähnen wagte, und zwar als einen unter anderen, „welche uns gerade etwas sein und sagen können." (BB 1.-3. Stk., 1883, S. 189-228). 66 ADLER, SIGMUND (Prag26. I I . 1853 - Wien 18. 8. 1920), Rechtshistoriker, Hochschulprofessor an der Universität Wien; BONDI, SERAPHIM, Wiener Advokat; GRUBER, MAX (Wien 6. 7. 1853 - Berchtesgaden 16. 9. 1927), Hygieniker, Promovierung 1876 in Wien, damals Assistent am chemischen Institut der Universität Wien, wirkte darauf in Graz, Wien und München; PERNERSTORFER, ENGELBERT (Roßau b. Wien 27. 4. 1850 - Wien 6. 1. 1918), damals Vorstandsmitglied des „Lesevereins deutscher Studenten in Wien", 1881-1883 Herausgeber der Zeitschrift „Deutsche Worte", 1885-1897 Reichsratsmitglied, 1901-1918 Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion. S. die ausführliche Darstellung des Nietzscheschen Einflusses auf diesen „Pernerstorfer Kreis" in: McGrath, William J., Dionysian Art and Populist Politics in Austria. Yale Univ. Pr. New Haven, London 1974, bes. den Abschnitt: Nietzsche as Educator, S. 53-83). 67 DUMONT, EMMERICH, FRHR. VON geb. am 22. 4. 1846 zu Pest, von Lipiner mit Nietzsches Werken bekanntgemacht; in seinem 1879 bei Brockhaus erschienenen „Das Weib. Philosophische Briefe über dessen Wesen und Verhältnis zum Manne", wies er dann auf die dritte „Unzeitgemäße" hin: „Bücher zeugen wieder Bücher, die unsterblichen Werke des Genius bilden Menschen heran, und mit Recht konnte daher Friedrich Nietzsche in seinen .Unzeitgemäßen Betrachtungen' von einem Goethe'schen, einem Rousseau'sehen, einem Schopenhauer'schen Menschen reden [...]" (S. 8). Sein früher erschienenes: Der Fortschritt im Lichte der Lehren Schopenhauer's und Darwin's. F. A. Brockhaus. Lpz. 1876. x, 189 S., enthält keine Erwähnung Nietzsches. 68 GEORG, PRINZ VON PREUSZEN (Düsseldorf 12. 2. 1826 - Berlin 2. 5. 1902), Sohn des Prin-

1877 Siegfried Lipiner und Josef Paneth im Wiener Leseverein

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Über seine Bekanntschaft mit Siegfried Lipiner schrieb E. Pernerstorfer 1912 in einem Nachruf: „Ich lernte ihn ungefähr um die Mitte der Siebziger Jahre kennen [...] An einem Vortragsabend des Lesevereins der deutschen Studenten Wiens, in dem Dr. Paneth über Nietzsches unzeitgemäße Betrachtung: ,Uber den Nutzen und Nachteil der Historie' als Referent und Dr. Viktor Adler als Korreferent sprachen, meldete sich in der Debatte ein ganz junger und unansehnlicher junger Mann zu Worte, der sofort durch die suggestive Kraft seiner Worte die ganze Zuhörerschaft fesselte [...] Er trat in einen damals schon lange fortbestehenden Kreis von Studenten ein, dessen Kern aus Gymnasialfreunden bestand, denen sich andere Elemente anschlössen [...] Zu einer Zeit, in der der Name Nietzsche noch nicht allgemein geläufig war, beschäftigte sich dieser Kreis mit dessen eben erschienenen .Unzeitgemäßen Betrachtungen'. Im Namen dieses Kreises sehrieb Lipiner an Nietzsche, was Bernoulli zu der mißverständlichen Bemerkung von einem Nietzscheverein in Wien veranlaßte [...] Es darf wohl gesagt werden, daß jener Kreis damals in der Wiener Studentenschaft ein geistig lebendiger Mittelpunkt einziger Art war."69 51 (Volkelt, Johannes), „Der entfesselte Prometheus." Eine Studie. (DWage 5. Jg., H. 38 f. v. 21. u. 28. 9. 1877, S. 602-607, 617-624). In dieser eingestandenermaßen sehr eingehenden und ausführlichen Würdigung von Siegfried Lipiners Erstling verweist Verfasser wiederholt auf Nietzsche und dessen „Geburt": „Schon der mythische Charakter der Dichtung erinnert an Nietzsche, der einzig in dem Wiedererwachen des Mythus das Heil unserer modernen Cultur sieht." Auf S. 622 f. erlaubt sich der Verfasser dann „eine kleine Abschweifung", um sich unmittelbar mit Nietzsches Auffassung des Lyrischen auseinanderzusetzen: „Wie oft bei Nietzsche, so liegt auch hier eine allerdings höchst geistvolle und tiefsinnige Uberspannung eines richtigen Gedankens vor." Daneben werden auch Einflüsse von Hegel und Schopenhauer auf die Dichtung bzw. Ubereinstimmungen ihrer Ansichten mit denen Nietzsches in diesem Zusammenhang festgestellt. Die etwas nähere Bekanntschaft mit dem Frühwerk Nietzsches verrät folgende Stelle aus einer englischsprachigen Ubersicht über „Philosophy in Germany" aus der Feder Wilhelm Wundts, die im Oktoberheft der englischen Zeitschrift „Mind" erschien. Verfasser befaßt sich zunächst mit der „Non-Academic Philosophy" und kommt dabei schließlich auf die Schopenzen Friedrich, Neffe des Königs Wilhelm I., Bühnenschriftsteller, seit dem September 1869 mit Wagner persönlich bekannt. 69 ZöVBw Bd. 3, 1912, S. 122; PANETH JOSEF (Wien 6. 10. 1857 - ebd. 4. 1. 1890), promovierte 1879, habilitierte sich 1886 an der Wiener Universität, lernte Nietzsche Ende Dezember 1883 in Nizza, wo er physikalisch-geologische Studien betrieb, persönlich kennen; Studienfreund Freuds, den er später verschiedentlich auch geldlich unterstützte (s. Siegmund Freud, Briefe 1873-1939. 2., erw. Aufl. Ausgew. u. hg. v. Ernst u. Lucie Freud. (Ffm. 1968), für Erwähnungen Paneths aus der Zeit vom 22. 8. 1883 - 3. 5. 1889).

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1877 Wilhelm Wundt: ein hervorragender Vertreter pessimistischer Färbung

hauer Nachfolge Eduard von Hartmanns zu sprechen: „A prominent representative of this pessimistic strain in our literature is Prof. Friedrich Nietzsche of Basel, the successive parts of whose ,Unzeitgemäße Betrachtungen'** have drawn much notice. In the writings of Nietzsche and others of the same stamp, the pessimistic m o o d is combined in a very peculiar way with an enthusiastic devotion to certain ideas closely related to religious mysticism. Richard Wagner and his music are ardently worshipped by this sect of pessimists." [ = „Ein hervorragender Vertreter dieser pessimistischen Färbung in unserer Literatur ist Prof. Friedrich Nietzsche in Basel, dessen aufeinanderfolgende

.Unzeitgemäße

Betrachtungen" 1 '"' viel Beachtung auf sich gezogen haben. In den Schriften Nietzsches und anderer desselben Gepräges wird die pessimistische Stimmung auf sehr merkwürdige Weise mit einer begeisterten Hingabe an gewisse mit religiöser Mystik engverwandten Vorstellungen verbunden. Richard Wagner und seine Musik werden von dieser Pessimistengemeinde eifrig verehrt."] 7 0

Noch als Theologiestudent auf der Universität Basel erlebte Edgar Steiger Nietzsche, der „allwöchentlich zweimal das Kolleg seines philosophischen Antipoden", nämlich Karl Steffensens, besuchte: „Es war Ende Oktober 1877, als ich ihn zum erstenmal sah. W i r saßen beide auf einer Bank und lauschten der begeisterten Rede eines Philosophen, der in einemfort mit den W o r t e n ,Gott', ,Seele' und .Unsterblichkeit' u m sich warf und dazu die weiße Prophetenmähne schüttelte [...] Mein Nachbar zur Linken nämlich hatte mir zugeflüstert, dieser Professor der Philologie, der hier und bei Jakob Burckhardt das Kolleg schinde, sei nebenbei auch Philosoph, aber ein ganz anderer, als dieser Steffensen dort; er selbst habe ihn vor anderthalb Jahren über die vorplatonischen Philosophen lesen hören, aber wie!" 71

70 Vol. 2, 1877, S. 493-518, die Stelle über Nietzsche auf S. 509. In der Anmerkung auf derselben Seite werden die „Unzeitgemäßen Betrachtungen" 2-4 aufgeführt. Den Herausgeber der englischen Zeitschrift hatte Nietzsche Anfang August 1877 in Rosenlauibad kennengelernt: R O B E R T S O N , G E O R G E C R O O M ( 1 8 4 2 - 1892), P r o f e s s o r der P h i l o s o p h i e in L o n d o n .

71 E. S., Gedenkblätter XII. Zarathustra auf der Schulbank und auf dem Lehrstuhl. (DLE 17. Jg., H. 22 v. 15. 8. 1915, Sp. 1349-1353); STEIGER, EDGAR (Egelshofen / Schweiz 13. 11. 1858 - München 24. 10. 1919), jüngstdeutscher Kritiker. S. a. seine Besprechungen in der LVZg; zu den „Königskindern" von Ernst Rosmer, die mit Hauptmanns „Versunkenen Glocke" verglichen wird, meint er: „Wer wüßte nicht, wem die großen brennenden Augen gehören, die hier wie dort zwischen den Büschen und Bäumen des Märchens hervorleuchten wie Fackeln, die den Weg zur Zukunft zeigen? Wer kennte ihn nicht, den widerspruchsvollen Rätsellöser der Gegenwart - Friedrich Nietzsche. Sein Geist schwebt über beiden Dichtungen. Und ist dieser Geist da, wo er sein Bestes offenbart, nicht die große Sehnsucht der Zeit?" (4. Jg., Nr. 228 v. 2. 10. 1897); zu Dehmels „Weib und Welt" heißt es, daß dieser darin „ein poetischer Herold Nietzscheschen Ubermenschentums" sei. „Man sieht: Nitzschesche Übermenschenmoral in Versen!" (3. Jg., Nr. 297 v. 23. 12. 1896, S. 5 f.). Über die Begegnung mit Steiger als einem Mitarbeiter und Theaterkritiker an der „Leipziger Volkszeitung" schrieb Friedrich Stampfer, der Ende der 90er Jahre als noch Studierender gerade nach Leipzig gekommen war: „Mit Steiger konnte ich mich nicht gut vertragen, weil seine Art, über Schiller, frei nach Nietzsche, als über den .moralischen Stabstrompeter von Säckingen'

1878 Edgar Steiger: „Auf dem Katheder saß ein bleicher müder Mann"

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Ü b e r eine der beiden letzten Vorlesungen Nietzsches schrieb derselbe Verfasser: „ I m W i n t e r s e m e s t e r 1 8 7 8 / 7 9 h ö r t e ich auf der Basler U n i v e r s i t ä t eine V o r l e s u n g ü b e r die F r a g m e n t e der griechischen L y r i k e r . A u f d e m K a t h e d e r saß ein bleicher m ü d e r M a n n , dessen halbgeschlossene A u g e n sich u n t e r den buschigen B r a u e n u n d h i n t e r einer dunklen Brille versteckten, w ä h r e n d die schmale H a n d v o n Z e i t z u Z e i t n e r v ö s , als w o l l e sie einen D ä m o n v e r s c h e u c h e n , über die mächtige S t i m e hinabfuhr. Seine S t i m m e klang leise ( . P a t h o s riecht nach P ö b e l ' ) , wie tastend n a c h d e m G e d a n k e n , die e r sich z u haschen suchte; aber w e n n es ausgesprochen w a r , stand jedes W o r t fest an seinem P l a t z wie ein z u r E w i g k e i t g e r o n n e n e r A u g e n b l i c k . D a s w a r F r i e d r i c h N i e t z s c h e [···] was ich damals g e h ö r t habe, bleibt m i r eine heilige E r i n n e r u n g . D i e G e d a n k e n seines geistvollen Erstlingswerkes , D i e G e b u r t der T r a g ö d i e aus d e m Geiste der M u s i k ' k e h r t e n hier wieder." 7 2 I m F e b r u a r 1 8 7 8 e r h i e l t N i e t z s c h e w a r m e bis b e g e i s t e r t e B r i e f e v o n

Otto

Busse, L u d w i g S c h e m a n n , 7 3 den e r in B a y r e u t h flüchtig k e n n e n g e l e r n t h a t t e ,

herzufallen, mich verletzte." (F. S., Erfahrungen u. Erkenntnisse. Aufzeichnungen aus meinem Leben. Vlg. f. Politik u. Wirtschaft. (Köln 1957), S. 40); ROSMER, ERNST (d. i. Elsa Bernstein, geb. Porges, Wien 28. 10. 1866 - Hamburg 12. 7. 1949), Bühnenschriftstellerin. Das Stück: „Königskinder. Ein deutsches Märchen in drei Akten." S. Fischer. Bln. 1898. 4. Aufl. 127 S., dreht sich um die Stadt Hellabrunn, deren Bürger sich mit einem neuen König eigentlich nur schmücken möchten und weder ihn noch seine Königin erkennen, da sie nicht in aller Pracht erscheinen. Die Worte des Verkannten verhallen unverstanden: „Zinnende Burgen sollt ihr erbauen, / Ihr sollt nicht suchen in Maulwurfshügeln, / Er zwingt euch hinauf in die Sonne zu schauen, / Die er erschwebt hat auf breiten Flügeln, / Euch Licht zu geben, / Euch alle zu Königen zu erheben!" (S. 91) Nur vom Spielmann und den Kindern des Ortes werden er und seine Braut erkannt und zum Schluß begraben. 72 E. S., Renaissance-Romantik. (März v. 21. 8. 1915, S. 135 f.). Ähnliches wie in beiden Aufsätzen hatte er schon mit der Überschrift: Von Zarathustra und seinen Tieren, veröffentlicht (MSbl 4. Jg., Nr. 25 v. 22. 6. 1902, S. 233-235). 73 SCHEMANN, LUDWIG (Köln 16. 10. 1852 - Freiburg i. Br. 13. 1. 1938), Wagnerianer und vor allem Gobineau-Begeisterter, dessen „Renaissance"-Werk er auch übersetzte und so den Denker in Deutschland einführte, 1875-1891 Bibliothekar an der Universität Göttingen, seitdem im Ruhestand in Freiburg i. Br.; von einer Begegnung mit Nietzsche zu den Festspielen in Bayreuth im August 1876 berichtet er: „Einen schmerzlichen Gegensatz zu der Hochstimmung dieser Stunden, wie vor allem auch zu der dithyrambischen Begeisterung, welche durch seine Schrift .Richard Wagner in Bayreuth' kurz zuvor ausgestrahlt und mir als Echo zugeworfen hatte, bildeten die Verfassung, in der ich Nietzsche bei einem Besuche am Morgen des 18.August antraf und die Auslassungen, die ich von ihm zu hören bekam. Er war ersichtlich schon sehr leidend, die vorerwähnten ungünstigen Umstände mochten auch auf ihn ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Vor allem aber drückte das Gefühl, daß er von Bayreuth Unmögliches erhofft, und daß er in diesen Hoffnungen sich dort getäuscht sah, schwer auf ihn. Er sprach mir geradezu die Befürchtung aus, daß dies Bayreuther Ereignis ein vereinzelter Ausbruch oder Aufschwung ohne dauernde Beeinflussung und Hebung der deutschen Volksseele bleiben werde. Ich gestehe, daß mich der Eindruck der Traurigkeit, die er empfand, weil er offenbar schon damals im Begriffe stand, Wagner zu verlieren, tief bewegt hat und noch heute bewegt, mir ihn jedenfalls weit sympathischer nahebrachte als das krampfhafte Gejauchze, mit dem er sich später, Wagnet fern, über die tragischen Ab-

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1878 Versuch Lipiners, Nietzsche in die ärztliche Behandlung Josef Breuers zu bringen

und Julius Bahnsen. In einem Brief vom 12. Februar 1878 unterbreitete Lipiner Peter Gast ein ziemlich ausgearbeitetes Vorhaben, Nietzsches Gesundheit wiederherzustellen, da er sowohl von Malwida als auch von Gast selber „Schreckliches über Nietzsche" erfahren habe: „ein höchst tüchtiger Nervenpathologe, Dr. Breuer, ist mir persönlich befreundet und wird sich seiner mit größter Aufmerksamkeit annehmen; Prof. Bamberger wird die oberste Leitung der Behandlung übernehmen, ein tüchtiger, sehr kenntnisreicher junger Arzt (Specialist und Secundararzt im allgemeinen Krankenhaus) wird ihn unterstützen; die nöthigen Geldmittel, um Nietzsche mehrere Monate hier ohne jegliche andere Sorge, als die um seine Gesundheit leben zu lassen, sind mir zur Verfügung gestellt [...]" Zum Schluß heißt es, daß von Seydlitz von dem Plan „entzückt" sei und Hans Richter „ihn auch sehr zu empfehlen" finde.74 Aus dem Jahre 1878 erzählt Richard Kralik von dem Wiener Kreis, dem, nach seiner Aussage, neben den obigen Unterzeichnern (s. Anm. 66) auch Gustav Mahler, ein Mediziner Josef Winter, ein Soziologe Hans Sax, ein Maler Buchbinder und Walter Klein angehört haben, sowie von der eigenen Bekanntschaft mit den Werken Nietzsches: „Auch mit Nietzsches Schriften machte mich Lipiner bekannt. Beide standen sich nahe, korrespondierten auch miteinander. Wir entschiedene Wagnerverehrer hatten die unzeitgemäßen Betrachtungen mit Begeisterung gelesen. Nun erschien aber gerade das Buch, das den Bruch Nietzsches mit dieser idealistischen Phase einleitete: .Menschliches, Allzumenschliches'. Mir ist es kurios, darüber in einem Brief, den ich am 26. Oktober 1878 an einen Freund nach Berlin schrieb, folgende Stelle zu finden: ,Nietzsches letztes Buch kenne ich wohl und es hat mich nicht bald etwas so tief erschüttert wie der Umschlag dieses interessanten Mannes. Er ist das Zünglein an der Waage der Zeiten. Sein inneres Schicksal muß wahrhaft tragisch sein.

gründe des Lebens hinwegzuhelfen gesucht hat." (L. S., Lebensfahrten eines Deutschen. Erich Matthes. Lpz., Hartenstein 1925, S. 106). Man lese noch die Erwähnungen Nietzsches aus etwas späterer Zeit in: Cosima Wagner, Briefe an Ludwig Schemann. Hg. v. Bertha Schemann. Gust. Bosse Vlg. Regensburg (1937 = Von deutscher Musik, Bd. 59), S. 11 v. 16. 6. 1881 („Gewiß haben Sie in betreff Nietzsches recht, daß die Selbständigkeits-Sucht ihn verloren (gehen lassen) hat und noch zur Unproduktivität führen muß. Er war davon gänzlich frei, als er die .Geburt der Tragödie' beinahe vor unseren Augen entwarf."); S. 36 v. 8. 1. 1887 („Vor langen Jahren hatte Nietzsche den Gedanken an solche Vorträge über unsere Sache gefaßt. Ihm ist der Glaube scheinbar verlustig gegangen (er hat ihn wohl nie wirklich besessen), wie tröstlich aber, daß Sie für ihn eintreten [...]"); S. 62 v. 23. 1. 1893 (über zwei Arbeiten Schemanns zu Schopenhauer: „[...] Sie haben dies [„die Erbauung über das Gute und die Empörung gegen das Schlechte"] in Ihrer schönen, warmen, einfachen Sprache gethan, welche mich in ihrem inhaltvollen Schwünge öfters an die Sprache Nietzsches und an die meines herrlichen Stein [d. i. Karl Heinrich von Stein] erinnert.") 74 BAMBERGER, HEINRICH VON (Prag 27. 12. 1822 - Wien 9. 11. 1888), berühmter Diagnostiker, Dr. med. 1847, seit 1872 als Professor der speziellen Pathologie und Thearapie in Wien und seit 1878 Mitarbeiter Breuers am allgemeinen Krankenhaus; BREUER, JOSEF (Wien 15. 1. 1842 - ebd. 20. 6. 1925), Internist und Psychoanalytiker, 1867 Dr. med., 1876 / 77 - 1884 / 85 Privatdozent für interne Medizin.

1878 Näheres zum Wienerkreis

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Lipiner ist ganz unglücklich über die Veränderung. Mir ist sie verständlich und verwandter'. Allerdings fand ich bei Nietzsche manches, was sich bei mir gleichmäßig zu entwickeln begann, so die Betonung der Persönlichkeit, der Widerstand gegen das sentimentale Mitleiden nach Schopenhauers Theorie. Aber die weitere Entwicklung Nietzsches, die ich genau verfolgte, hat mich seinem Denken immer mehr entfremdet, da seine Kritik immer unproduktiver wurde. Ich bin überzeugt, daß er das selber eingesehen hat und daran zugrunde ging."75 W o h l dieselbe Gruppe findet sich in dem Kreis wieder, den Friedrich Eckstein schilderte und als dessen Mitglieder er V i k t o r Adler, die Gebrüder Heinrich und Adolf Braun, Hugo Wolf, Siegfried Lipiner, Gustav Mahler und D r . Emanuel Sax namhaft macht: „Auch Viktor Adler war einer der ersten Menschen in Europa, die Nietzsches Bedeutung gleich von allem Anfang richtig erfaßt und durchschaut hatten. Während der folgenden Jahre hat er dessen eigentümliche Entwicklung mit großer Spannung verfolgt und er ist es gewesen, der mich zuerst auf den eben erschienenen .Zarathustra' aufmerksam gemacht hat." 76 Eine andere Gruppe, der der Musikpädagoge Emil Kirschbaum angehörte und die sich zur selben Zeit bildete, stellt Eckstein auch dar: „Gegen Ende der Siebzigerjahre gab es in Mödling einen recht merkwürdigen Kreis von jungen Leuten, die Sommer und Winter regelmäßig dort zusammenkamen, nicht allein, um miteinander in den Felswänden der Vorderbrühl halsbrecherische Kletterübungen zu machen, sondern auch zu botanisieren, zu musizieren und über philosophische Probleme zu streiten. Es wird damals in ganz Europa schwerlich viele Leute gegeben haben, die, gleich uns, über Friedrich Nietzsche und über die .Geburt der Tragödie' leidenschaftlich erregte Kontroversen geführt hätten." 77 75 R. K., Tage u. Werke. Lebenserinnerungen. Vogelsang-Vlg. Wien 1922, S. 61; s. a. ebd., S. 124 f. über seine spätere, im Jahre 1891 endgültig gewordene Abkehr von Nietzsche, als er ihn „ganz" studierte, „da ich es als meine Verpflichtung ansah, die Fackel der Philosophie aus der Hand meines nächsten Vorgängers zu empfangen und sodann weiterzugeben." BUCHBINDER, SIMEON, geb. am 6. 1. 1853 zu Radzyn / Polen, arbeitete in Wien, Krakau und ab 1883 15 Jahre lang in München, danach in Berlin, vornehmlich Genremaler; KRALIK, R I C H A R D , R I T T E R V O N M E Y E R S W A L D E N ( E l e o n o r e n h a i n / B ö h m e n 1. 10. 1 8 5 2 - W i e n 5.

2. 1934), katholischer Schriftsteller, vornehmlich Dramatiker; MAHLER, GUSTAV (Kalischt / Böhmen 7. 7. 1860 - Wien 18. 5. 1911), daß die Begegnung Mahlers mit dem Werk Nietzsches höchstwahrscheinlich in die Studentenzeit zu verlegen sei, und zwar durch Siegfried Lipiner vermittelt, legt Dika Newlin in dem Werk: Bruckner, Mahler, Schoenberg. Rev. Ed. W. W . Norton. New York (1978), S. 121 ff., nahe; SAX, EMANUEL HANS (Mikultschitz / Mähren 28. 2. 1857 - Meran 3. 7. 1896), Sozialwissenschaftler, promovierte 1879 zu Wien; W I N T E R , J O S E F ( W i e n 2 . 2 . 1 8 5 7 - ebd. 1 9 1 6 ) , D r . m e d .

76 F. E., „Alte unnennbare Tage!" Erinnerungen aus siebzig Lehr- und Wanderjahren. H. Reichner. Wien, Lpz., Zür. 1936, S. 109; BRAUN, ADOLF (Laag / Steiermarck 20. 3. 1862 Berlin 13. 05. 1929), später Schriftleiter der „Arbeiter-Zeitung" und der Monatsschrift „Der Kampf"; ECKSTEIN, FRIEDRICH (Perchtoldsdorf 17. 2. 1861 - Wien 10. 11. 1939), Chemiker, Philosoph und Theosoph, Mitherausgeber der Schriften Dostojewskis. 77 Ebd., S. 82. Weitere Mitglieder des Kreises seien: GÖLLERICH, AUGUST (Linz 2. 7. 1859 ebd. 16. 3. 1923), Pianist und Dirigent, mit Bruckner und Liszt eng befreundet, seit 1896

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1878 Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister.

Im Winter 1877 / 78 wurde das Manuskript zu dem nächsten Werk fertiggestellt und um den 20. Januar 1878 an den Verleger gesandt. Die Korrekturbogen lasen sowohl Nietzsche selbst in Baden-Baden als auch Peter Gast in Venedig und Paul Widemann in Basel. Aus mancherlei Erwägungen hatte der Verfasser geplant, das Ganze unter einem Decknamen zu veröffentlichen, allein der Verleger, der auf den Schriftstellernamen Nietzsche offenbar Wert legte und sich wohl auch aus dem Wagner-Lager den entsprechenden Lärm erhoffte, lehnte sich erfolgreich dagegen auf. Das Werk erschien dann Ende April 1878 in einer Auflage von 1000 Stück: V I Menschliches, / Allzumenschliches. / Ein Buch für freie Geister. / D e m Andenken Voltaire's / geweiht / zur Gedächtniss-Feier seines Todestages, / des 30. Mai 1878. / V o n / Friedrich Nietzsche. / Chemnitz 1878. / Verlag von Ernst Schmeitzner. (Darunter: Paris Sandoz & Fischbacher 33 Rue de Seine. St. Petersburg H . Schmitzdorff (C. Roettger) Kais. Hofbuchhandlung 5 Newsky Prospect. Turin (Florenz, R o m ) Ermanno Loescher Via de P o 19. N e w - Y o r k E. Steiger 22 & 24 Frankfort Street. London David N u t t 2 7 0 Strand.) 4 Bll., 377 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz. der vier „Unzeitgemäßen", der französischen Ubersetzung der vierten, sowie Werke von Ree, H . v. Wolzogen, Overbeck, Widemann, Ludwig Fritze und den „Bayreuther Blättern". Druck von R. Oschatz, Chemnitz). 8°. 7S

Leiter des Musikvereins zu Linz; HYNAIS, CYRILL, Musiker; KRZYZANOWSKY, RUDOLF (Eger 5. 4. 1862 - Graz 21. 6. 1911), Musiker, 1895 2. Kapellmeister in Weimar, 1896-1898 in Hamburg, dann 1898-1907 1. Hofkapellmeister in Weimar; REIFF-HEISSIGER, JOSEF, Opernsänger. 78 Exemplare an: Marie Baumgartner und ihren Sohn Adolf (der in einem Brief v. 15. 6. 1878 an Burckhardt schrieb: „Ich habe das neue Buch [...] mit den besten Erwartungen ernsthaft durchgelesen und mich erstaunt über die Möglichkeit so verkehrter Reden. Er bildet sich leibhaft ein, er werde mit ein paar mathematischen und chemischen Analogien wirkliche Formeln aufstellen können für das menschliche Herz, und meint, er rücke der Wahrheit ganz besonders nahe, wenn er seine besten Empfindungen zertrampelt und als Reminiszenzen aus irgendeiner fabelhaften Tierwelt ausgibt. Wenn er dabei nur auch noch konsequent wäre; aber das ist er nicht einmal; denn wenn überhaupt Instinkte nicht sollen zugelassen werden, dann ist sein ganzes Streben nach Wahrheit und sein ganzes reines Denken auf das er sich so gerne beruft, und sein ganzer Wunsch, daß Gerechtigkeit werde, natürlich auch unlogisch [...] aber wenn man am Ende doch auf solche Instinkte rekurrieren will, so kann man das auch schon vorher tun und sich diese ganze zynische Interpretation seiner Empfindungen ersparen. - Ich kann mit aller Gewalt nicht glauben, daß Nietzsche bei solchen Ansichten bleiben werde, sondern über kurz oder lang kommt er ganz gewiß wieder und erzählt, er könne doch den Gedanken nicht loswerden, daß die Sicherheit und der Wert des menschlichen Herzens den des Verstandes, sei es auch der größte, noch um viele tausend Parasangen überrage, und daß die Logik am Herzen ungeschickt sei wie die Maßlatte an der Kugel. Ich wenigstens habe an meinem nie gezweifelt; denn ob eine Empfindung an mir zieht oder mich trägt, so lasse ich mich tragen und schikaniere sie nicht. - Und daß ich mich dabei nicht als Tier fühle, davor bewahren mich die Griechen, in die ich ganz und gar eingetaucht bin [...]" (Emil Dürr, Adolf Baumgartner, a. a. O., S. 218 f.), Bülow (der am 22. 5. 1878 an Frau Jessie Laussot schrieb: „A propos, das Buch von Nietzsche ist doch gut, stellenweise sogar sehr gut. Möge mein voreiliges Urtheil Dich von der Bekanntschaft damit nicht abschrecken." in: H. v. B., Briefe, a. a. O., 6. Bd., S. 504), Burckhardt (der von Basel

1878 „zu gar allem hat er einen eigenthiimlichen, selbsterworbenen Gesichtspunct"

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aus, mit den Daten: 8. bis 10. 12. 1878 an Friedrich v. Preen schrieb: „A propos haben Sie bemerkt daß Nietzsche in seinem Buch wieder eine halbe Wendung zum Optimismus vollzieht? Leider ist sein Befinden (gänzliche Augenschwäche und ewiger Kopischmerz mit heftigen Crisen alle paar Tage), keineswegs die Veranlassung zu dieser Aenderung. Er ist ein außerordentlicher Mensch, zu gar Allem hat er einen eigenthiimlichen, selbsterworbenen Gesichtspunct." in: J. B., Briefe. Vollst, u. krit. Ausg., a. a. O., Bd. 6, 1966, S. 293), Deussen, DuMont, Eiser, Fuchs, Georg Fürstenberger-Vischer in Basel, Gast in Venedig, Gersdorff, Harnack (der am 13. 6. 1878 an Overbeck schrieb: „Seine jetzigen Anschauungen über den Wert der Religion, in specie des Christenthums, sind nicht die meine [...] Aber ein so edler Geist, der beschlossen hat, den Weg der Gerechtigkeit zu wandeln, wird auch über den furor intellectualis hinauskommen, der mir und gewiß auch anderen bei ihm jetzt befremdlich ist." in: Studien z. Gesch. d. Wissenschaften in Basel. XII, a. a. O., S. 127; ein wesentlich späterer Bezug Harnacks auf Nietzsche findet sich in einer Briefstelle v. 12. 11. 1899 an Martin Rade, abgedruckt in: Zahn-Harnack, Agnes v., Α. ν. Η., Η. Bott. Bln. 1936, S. 298: „Ich will keine Theologie, die sich formell so gibt, wie Nietzsche Philosophie gibt - apercuhaft, sprunghaft aufblitzend usw. ohne methodische Zusammenhänge und umsichtiges Maßhalten. Ich will keine Theologie im Protestantismus, die den evangelischen Gottesbegriff in Frage stellt zugunsten eines schreckhaften und dann wieder verzückenden, gespenstischen Wesens." Im dritten Band seines „Lehrbuch der Dogmengeschichte" (J. C. B. Mohr. Tüb. 1920 = 4. neu durchgearbeitete u. verm. Aufl. 1910, S. 691), meinte er noch, daß Lagarde, Nietzsche, Büttner und Kalthoff eine Ausnahme zum „Protestantismus" bildeten, der Luther „nicht nur als Bahnbrecher, sondern auch als den geistigen Vater empfunden" habe: „Nietzsche, der sich zeitlebens an der hoffnungslosen Synthese des Cynikers und des Renaissancemenschen abgearbeitet hat, um der christlichen Religion zu entfliehen, stand Luther mit einem hilflosen Ingrimm gegenüber."), Hillebrand, Kelterborn (der später schrieb: „Die erste Aphorismen-Sammlung Nietzsches fand begeisterte Aufnahme in manchen Kreisen, von denen der Verfasser vielleicht nie etwas erfuhr, und ich könnte manche hervorragende Gelehrte, Künstler, Musiker in verschiedenen Schweizer Städten nennen, die das Buch mit Entzükken lasen und sich enthusiastisch über die Fülle der von ihm ausgehenden Anregung aussprachen [...]" Darauf erwähnt er einen Maler, „Carl Brunner, damals in Basel wohnhaft, welcher sein Atelier mit einer ganzen Reihe von Aphorismen aus ,Μ. A.' geschmückt hatte". KGW IV, 4, S. 60), Lipiner, Mathilde Maier (s. d. umfangreichen und sehr verständigen „Briefentwurf (ohne Datum) nach dem Original", dem leider das zweite Blatt fehlt, in: Richard Wagner an Mathilde Maier. (1862-1878). Hg. v. Hans Scholz. Th. Weicher. Lpz. 1930, S. 273-276: sie dankte für die Übersendung des Buches, „das mir reiche, wenn auch nicht schmerzlose Anregung gebracht!"), Malwida (mit der Widmung: „Ist von Sorrentos Duft nichts hängen blieben? / Ist alles wilde, kühle Bergnatur? / Kaum herbstlich sonnenwarm und ohne Lieben? / So ist ein Teil von mir im Buche nur: / Den bessern Teil, ihn bring' ich zum Altar / Für sie, die Freundin, Mutter, Arzt mir war." S. ihren Brief v. 25. 5. 1878 an Auguste von Stein-Rebecchini: „Es sind Aphorismen und Betrachtungen, alle in Sorrent geschrieben, vieles sehr schön, anderes mir nicht sympathisch wie seine früheren Bücher. Es ist eine neue Phase, welche sein außerordentlicher Geist durchmacht, und sicher nicht die letzte." in: Briefe von und an Μ. v. M. Hg. v. Berta Schleicher. Schuster & Loeffler. Bln. (1920), S. 60; s. a. die bedeutend schärferen Äußerungen in dem Brief v. 11. 9. 1878 an Heinrich von Stein: „Was haben Sie zu Nietzsches letztem Buch gesagt? Alle seine nächsten Freunde sind empört darüber, und mir mißfällt es auch durch den leichtfertigen Ton, mit dem es sich auf einem Gebiet bewegt, auf welchem N. nie einheimisch war und wo er daher inkompetent und oberflächlich ist." in: M. v. M. an H. v. St. Unveröffentlichte Briefe, mitgeteilt v. Dr. Götz von Seile. DTh 28. Jg., Nr. 4 v. Jan. 1926, S. 297; s. ebd., S. 301, Brief v. 3. 11. 1879: „Wissen Sie etwas über Nietzsche? Indirekt ging mir die Nachricht zu, er sei

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1878 Otto Ribbeck: „Er ist unheilbar krank."

tot, doch habe ich noch keine direkte Bestätigung. Ich kann es nur wünschen, denn seine Zukunft wäre nur Qual gewesen." sowie S. 304), Monod, Louise Ott (mit der Widmung: „Frau Louise Ott / mit den ergebensten Grüssen / und Wünschen / ihres Dieners / Friedr. Nietzsche. / (Krank, schweigsam, allein, doch muthig, / mitunter glücklich, fast immer ruhig - es geht / schon! es geht schon! - und trotzdem, liebes / Schicksal! ein klein wenig mehr Sonnenschein! / bitte! bitte! - ) Basel, am Ende des / Jahres 1878." n. Galerie Gerda Bassenge. Kat. 31 v. April 1978, S. 282 f.), Overbeck, Freiin von der Pahlen, Rèe, Ribbeck (der in einem Brief v. 6. 6. 1878 an Heinrich Geizer schrieb: „Welche Abgründe unnatürlicher, sich selbst überschlagender, alles Ideale vernichtender Grübelei in diesem widerwärtigen neuesten Buch von Nietzsche! Er ist unheilbar krank." in: O. Ribbeck. Ein Bild seines Lebens, a. a. O, S. 309), Rohde (der am 16. 1. 1878 an Overbeck schrieb: „[...] und nun, so scheint es, wirft er an Einem Tag alle jene Last höchster Forderungen einer .erhöhten' Praxis ab, und läßt sich zurück verfallen in jene sanfte Wellenbewegung der .reinen' Theorie, die er bis dahin wie ein lockendes Teufelswerk verflucht hatte. Aber das Hohnlachen, das er nun für seine eigenen Ideale hat, klingt krank und schneidend; mir wird bei seinen Deduktionen nicht frei und heiter zu Muthe, sondern beengt und schmerzvoll. Ich hoffe aber bestimmt, daß der mir wenigstens geradezu unheimliche Einfluß, den Rée mit seiner Sophistik auf die im Grunde so ganz verschiedene Natur N.'s gehabt hat, ein vorübergehender sein werde [...] Sein Buch giebt rein persönlich gefaßt, sehr viel zu denken. Ich hoffe, auch Wagners werden [...] einsehen, daß man hier ein Ergebnis eines in N.'s Innerem nothwendigen Processes vor sich hat [...] Der eigentliche und echte N. wird und kann nicht verloren gehen." O. C., Erwin Rohde, a. a. O., S. 97 f.; Ergänzungen einiger Auslassungen findet man bei Bernoulli, Bd. I, S. 260 f. Das angegebene Datum des Briefes muß aber irrig sein, da das Werk erst Ende April erschienen ist), Romundt, Lou von Salome (erst 1882 mit der Widmung: „Sommer 1876 / Nicht mehr zurück? Und nicht hinan? / Auch für die Gemse keine Bahn? / So wart' ich hier und fasse fest, / Was Aug' und Hand mich fassen läßt: / Fünf Fuß breit Erde, Morgenroth, / Und unter mir - Welt, Mensch und Tod. / F. N . / Meiner lieben Lou. / - Sommer 1882."), Schemann (s. seine Äußerung, die das Verhältnis Lagarde-Nietzsche streift: „Sehr heftig" habe Lagarde Wilhelm von Humboldt abgelehnt, der „ihm zu den Satten, Behäbigen" gehört habe, „während ihm das gemeinsame Geschick isoliert-heroischen Kämpfens gelegentlich auch verständnisvoll teilnehmende Worte für an sich ihm fernere, ja fremde Geister eingab, wie für Constantin Frantz, ja selbst für Nietzsche. Von letzterem mag ihm übrigens - durch Overbeck - dessen Verehrung für ihn selber hinterbracht worden sein; ist es doch auch Nietzsche gewesen, der Wagner mit Lagarde bekannt gemacht hat." L. S., Paul de Lagarde. Ein Lebens- u. Erinnerungsbild. E. Matthes. Lpz. u. Hartenstein. (3. Aufl. 1943), S. 347), die Schwester, Seydlitz und Wagner (Empfang und ersten Eindruck der Schrift schilderte Cosima in einer Tagebucheintragung v. 25. April: „Um Mittag Ankunft einer neuen Schrift von Freund Nietzsche - banges Gefühl davor nach einem kurzen Einblick; R. meint, er erweise dem Autor ein Gutes, wofür dieser ihm später danken würde, wenn er es nicht lese. Mir scheint viel Ingrimm und Verbissenheit darin [...]" C. W., Die Tagebücher. Bd. II 1878-1883. Ed. u. kommentiert v. M. Gregor-Dellin u. D. Mack. Piper. Mchn., Zür. 1977, S. 87); am 27. April schrieb sie: „Fester Entschluß, Freund Nietzsche's Buch nicht zu lesen, dessen Seltsamkeit gar pervers beim ersten Blick erscheint." Ebd., S. 87. Daß sich Wagner dennoch eingehender damit beschäftigt hat, bezeugen wiederholte Erwähnungen am 29. u. 30. 4., 30. 5. u. 24.-28. 6. S. a. Cosimas Mitteilung in einem Brief an Marie von Schleinitz: „Der junge Schemann beklagt das Buch, aber findet es das Schönste, welches geschrieben worden ist. Malwida findet wunderschöne Gedanken darin, und der felsenfeste Wolzogen sagt, daß er nun die früheren Schriften nicht mehr lesen könne." Schemann meinte später, er wisse „selbst durch die Erzählungen eines Freundes", daß Wagner „Nietzsche'sche Compositionen für Unsinn erklärt hat", und er suche selbst

1878 Ernst Schmeitzner: Bismarck habe die lateinische Schrift gerügt

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„hierin den ersten Grund für Nietzsche's Abfall". L. S., Meine Erinnerungen an Richard Wagner. Frommann. St. 1902, S. 40 f. Zur sonstigen Aufnahme in Bayreuth s. a.: Curt von Westernhagen, Richard Wagner, a. a. O., S. 74: „Wie Daniela Thode-von Bülow dem Verfasser aus der Erinnerung ihrer Mutter Cosima mitteilte, habe man in Wahnfried viele der Aphorismen geradezu als eine .Verhöhnung' gemeinsamer Gespräche empfunden.") und Widemann. Sonst war das neue Werk zu Händen von: BISMARCK, OTTO VON (1. 4. 1815 - Friedrichsruh 30. 7. 1898), s. hierzu den Vermerk Cosimas zur Tagebucheintragung v. 13. 1. 1879: „Der Verleger Schmeitzner hat Nietzsche's Bücher an Bismarck geschickt, derselbe hat die Gelegenheit benutzt, um dem Verleger die lateinische Schrift rügen zu lassen und die deutsche ihm zu empfehlen!" (C. W. Die Tagebücher Bd. II, a. a. O., S. 289); BRUNNER, CARL (1847 - 1918), Maler, Bekannter Kelterborns, damals in Basel; EEDEN, FREDERIK WILLEM VAN (1829 - 1901), Botaniker, Museumsdirektor in Haarlem; lernte das Werk erst Ende 1884 oder Anfang 1885 kennen (s. K G B III / 4, S. 9: „Seit dem Tode Schopenhauer's hat kein Schriftsteller die höchsten philosophischen Probleme so klar und geistvoll durchdacht wie Sie, und ich sag nicht zu viel, wenn ich Ihrem Buch den Ehrentitel gebe einer meiner treuesten Lebensgesellen zu sein."); HEINZE, MAXIMILIAN (Prießnitz b. Naumburg 13. 12. 1835 - Leipzig 17. 9. 1909), Lehrer Nietzsches in Schulpforta, wo er bis 1863 wirkte, habilitierte sich 1872 in Leipzig für Philosophie, Ostern 1874 - Ostern 1875, als Nachfolger Euckens, Kollege Nietzsches in Basel, dann seit 1875 Professor in Leipzig; s. E. Förster-Nietzsche, Max Heinze. (Z v. 4. 12. 1909, S. 320 ff.): „Er kannte uns Drei, unsere Mutter, meinen Bruder und mich, seit dem Jahre 1861, wo er in Pforta Lehrer und Tutor des siebzehnjährigen Schülers Friedrich Nietzsche wurde. Auch in der Studentenzeit hat er meinen Bruder mehrfach gesehen und schließlich sind Beide in Basel als Kollegen an der Universität längere Zeit zusammengewesen. Später haben sich Beide öfter getroffen und wichtige Zeiten zusammen verlebt: den Sommer 1876 in Bayreuth, die Herbstmonate 1882 und 1885 in Leipzig und die Frühlingsmonate 1886 in Nizza und Leipzig. Heinze ist in den Jahren 1884 bis 1886 außer mir der Einzige gewesen, der sich bemüht hat, für meinen Bruder einen Verleger zu finden; leider vergebens." Sonst schildert die Schwester in diesem Nachruf, wie Heinze ihr bei der Gründung und Leitung des Archivs zur Seite gestanden habe: „Ohne ihn würde das Archiv wahrscheinlich nicht existieren." Uber das Verhältnis Heinzes zu Nietzsche, „dessen Lebensgang er von der Schulzeit in Pforta ab teilnehmend, ja liebevoll verfolgt" habe, meinte Georg Heinrici: „Als er dann von der Leichenfeier heimkehrte, verbrannte er die von Nietzsche an ihn gerichteten Briefe. Er meinte der Nachwelt den Einblick in die zerrissene Seele ersparen zu sollen. Es ist gewiß merkwürdig: unter allen, denen Nietzsche sich erschloß, ist H. der einzige, den er mit gleichmäßigem Vertrauen behandelt und mit der er niemals gebrochen hat [...] H. ließ nicht von Nietzsche. Er verstand seine Größe ebenso wie seine Schranken und seine Seelennot." (BJbDN 14. Bd., 1912, S. 230 f.), s. sonst K G B I / 4, S. 706 f.; MASSINI-MEYENROCK, RUDOLF (1845 - 1902), seit 1874 Assistent an der Poliklinik des Bürgerspitals in Basel; PACHNICKE, HERMANN (Spandau 14. 4. 1857 - Berlin 3. 2. 1935), Dr. phil., später Reichstagsabgeordneter, stellte sich auf das Werk hin in einem Brief v. 6. 12. 1878 Nietzsche als dessen „Verehrer" vor, lernte ihn aber erst im September 1890 nach dem Zusammenbruch persönlich kennen; seine Dissertation „De philosophia Epicuri" (Halle 1882) trägt folgende Worte auf dem zweiten Blatt: „Prof. Dr. Friderico Nietzsche / has primitias / dat dicat dedicat / auctor." In den Anmerkungen führt er dann auch Stellen aus folgenden Werken an: Beiträge zur Quellenkunde und Kritik des Laertius Diogenes, Morgenröte und Menschliches, Allzumenschliches; PREEN, FRIEDRICH VON (1823 - 1894), Jurist; ROTHPLETZ, FRAU ELISABETH LOUISE, geb. Stöpel, am 25. 10. 1827 zu Landau / Rheinpfalz, damals in Zürich, Schwiegermutter Overbecks, 1882 nach München umgezogen; SCHIESZ-GEMUSEUS, HEINRICH (1833 - 1914), Augenarzt, Professor in Basel; SIEBER-BISCHOFF, LUDWIG (Aarau 17. 3.

1878 Wagners Erwiderung: Publikum und Popularität

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Diese Schrift forderte sofort die kaum verschleierte Kritik Wagners heraus: 52 Wagner, Richard, Publikum und Popularität. (BB 3. Jg., 8. Stk. v. Aug. 1878, S. 213-222) 7 9

1833 - Basel 21. 10. 1891), 1865-1871 Lehrer am Gymnasium und Pädagogium in Basel, seit 1871 Oberbibliothekar

der Universitätsbibliothek;

STEIN, K A R L H E I N R I C H , F R H R .

VON

(Koburg 12. 2. 1857 - Berlin 20. 6. 1887), in Halle, Studium der Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften in Heidelberg, Halle und Berlin, promovierte Juni 1877 in Berlin mit einer Abhandlung „Uber Wahrnehmung", Bekanntschaft mit Nietzsches Schriften wohl durch Malwida schon 1877 / 78 vermittelt, die auch Steins Stellung als Erzieher von Siegfried Wagner etwas über ein Jahr lang in die Wege leitete, habilitierte sich April 1881 als Privatdozent der Philosophie in Halle mit einer Abhandlung über Giordano Bruno, 1884 erfolgte eine zweite Habilitation in Berlin; er erhielt von Nietzsche die Aushängebogen zugeschickt; in einem Brief an Nietzsche vom Mai 1876 hatte Rèe ihn, den Rèe schon von Halle her kannte, erwähnt. Stein war, wohl durch den Aufenthalt im Hause Wagners, auch schon früher mit Elisabeth Nietzsche bekannt. Am 28. 10. 1881 hatte Stein an Ree geschrieben: „Sie stimmten mit mir überein, daß Ihr großer, reich begabter Freund Friedrich Nietzsche von einem ähnlichen Enthusiasmus des Gemüthes zur Produktion gerade auch auf historischem Gebiete angeregt worden sei. Und wohl mag ich glauben, daß dies mich in seinen Schriften so tief bewegt, so innig an sein Hauptwerk: .Uber die Geburt der Tragödie' gefesselt hat [...] Wenn er nun augenblicklich eine Richtung ausschließlicher, beinahe skeptischer Intellektualität eingeschlagen hat, so glaube ich nicht, daß dieß die letzte und entscheidende Wendung seines geistigen Lebens sein kann [...]" (Lou Andreas-Salomé, Lebensrückblick. Grundriß einiger Lebenserinnerungen. A. d. Nachlaß hg. v. Ernst Pfeiffer. M. Niehans. Zür. (1951), S. 329). 79 Uber den Aufsatz schrieb Cosima im Tagebuch am 21. Juli: „R. hat in der Frühe anhaltend an seinem Aufsatz und mit Vergnügen gearbeitet, er sagt, er nehme Nietzsche vor, aber ohne daß irgendeiner, der nicht ganz eingeweiht sei, etwas merke." (C. W. Die Tagebücher. Bd. II, a. a. O., S. 143). Anführenswert in diesem Zusammenhang ist, daß Nietzsche, laut einer Eintragung Cosimas vom 8. November, sich „die Zusendung der Blätter verbeten habe". (Ebd., S. 222). S. a. den Brief Karl Klindworths an Hans von Bülow v. 28. 8. 1878: „[...] Nietzsche - der übrigens nicht mehr zu den Vertrauten gehört, infolge .Menschliches' - indem die Spitze des Theiles über die .Seele der Künstler' - wohl auch etwas .trop fort' - direkt gegen W. gerichtet angenommen wird - also .Abtrünniger' [...]" (in: H. v. Bülow, Briefe. V . Bd., a. a. O . , S. 8, A n m . 1); KELLERMANN, BERTHOLD ( N ü r n b e r g 5. 3. 1853 -

München 14. 6. 1926), Schüler Liszts, 1878-1881 in Bayreuth, zunächst als Musiklehrer für Wagners Töchter, erzählt: „Die Abende in der Familie Wagner nach Tisch waren hochinteressant [...] Wagner las vor, mit wundervollem Ausdruck [...] Ich hörte von ihm unter anderem Ludwig Feuerbach und Friedrich Nietzsche. In Ubereinstimmung mit Nietzsche lehnte Wagner, der doch im .Parsifal' das hohe Lied des Mitleids sang, die Unterstützung von Leuten ab, denen nicht mehr zu helfen war, oder bei denen eine zeitweilige Hilfe mehr Schaden als Nutzen gestiftet hätte. Nach dem Erscheinen von Nietzsches Aufsatz .Menschliches, Allzumenschliches' hat es übrigens Wagner offensichtlich vermieden, jemals noch den Namen Nietzsche zu erwähnen. Er hat über dessen Abfall völlig geschwiegen, wie er es nur getan hat, wenn ihm etwas zu Herzen ging." (B. K., Erinnerungen. Ein Künstlerleben. Hg. v. Sebastian Hausmann u. Hellmut Kellermann. E. Rentsch. Erlenbach-Zür. u. Lpz. 1932), S. 90); in einem Brief v. 12. 1. 1879 an Gersdorff bemerkt Cosima über „Menschliches": „Schmeitzner sagt das Buch würde in Nord Deutschland viel gekauft und gelesen, gewiß mehr als die .Geburt der Tragödie'! Ich bleibe dem verstorbenen Nietzsche treu, und ich lasse den Lebenden in der Gesellschaft welche er sich erwählte, Petrarca, Erasmus, Voltaire, möge ihm wohl dabei sein!" (in: Die Briefe d. C. v. G. an Fr. Nietzsche. III. Tl. 1936, S.

1878 Alois Höfler: Der „Eindruck einer Mystifikation"

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Er brandmarkt ein stetes „Umsichherumdrehen" als Kennzeichen der neuen Verfahrensweise und bezichtigt Nietzsche, ohne dessen Namen zu nennen, der „Oberflächlichkeit des Urteils". Sonst wirft er ihm vor, er feiere „Saturnalien der Wissenschaft", und verteidigt dabei die geoffenbarte Religion in der Gestalt Jesu, indem er diesen von dem „Judengott Jehovah" abhebt. 52a Auch in: Richard Wagner, Ges. Schriften u. Dichtungen. Fritzsch. Lpz. 1883. Bd. X , S. 109-122. Alois Höfler, der als junges Mitglied des Wiener akademischen Wagner-Vereins im August 1876 die ersten Bühnenfestspiele in Bayreuth miterlebt hatte, beschrieb seine Bestürzung über das Erscheinen von „Menschliches" wie folgt: „Das Buch verblüffte durch die Kälte, zu welcher der noch in seiner unmittelbar vorhergegangenen Schrift .Richard Wagner in Bayreuth' vor Begeisterung glühende Schriftsteller sich zu zwingen schien. Und dabei kein Wort zur Begründung des Wandels: Der Leser hörte von den ersten Sätzen des Buches in Inhalt und Ton genau das Gegenteil von dem sagen, was die bisherigen Schriften gesagt hatten, indem sie sich mehr noch als an den Kopf des Lesers an sein Herz wendeten. So konnte es dieser nicht wohl anders denn als einen grausamen Scherz empfinden, den man sich mit ihm erlaube [...] Der Kniff des Verlegers Schmeitzner, das Buch just den Mitgliedern des damals eben begründeten Patronatsvereines der Bayreuther Bühnenfestspiele wie eine Fortsetzung der .Unzeitgemäßen Betrachtungen' zu empfehlen, erhöhte den Eindruck einer Mystifikation." 80 Im September 1878 wurde die zweite Auflage der „Geburt" herausgegeben: Ia Die / Geburt der Tragödie / aus dem / Geiste der Musik. / Von Dr. Friedrich Nietzsche, / ordenti. Professor der classischen Philologie / an der Universität Basel. / Zweite Auflage. („Verlag von E. W. Fritzsch. / 1874" überklebt mit: „Chemnitz / Verlag von Ernst Schmeitzner / 1878"). Schon im Frühjahr 1874 bei C. G. Naumann in Leipzig nach einem geänderten

124); ähnlich hatte Wagner an Overbeck am 24. 5. 1878 geschrieben: „Ich habe für ihn die Freundschaft bewahrt, sein Buch - nachdem ich es beim Aufschneiden durchblättert - nicht zu lesen, und möchte weiter nichts wünschen und hoffen, als daß er mir dies dereinst noch danke." (in: R. W . Ausgewählte Schriften u. Briefe. Eingel. v. Alfred Lorenz. Bernhard Hahnefeld VIg. Bln. (1938). 2. Bd., S. 323). Dennoch gab es einen Nachklang zu „Menschliches" in dem Aufsatz „Wollen wir hoffen?" (BB 5. Stk. Mai 1879, S. 129 f.), in einer kaum verhüllten Anspielung auf den 237. Aphorismus: „Dagegen hat man neuerdings gefunden, es würde besser gewesen sein, wenn Luther, wie andere Ketzer, verbrannt worden wäre; die römische Renaissance würde dann auch Deutschland eingenommen und uns auf die gleiche Kulturhöhe mit unseren ungeborenen Nachbarn gebracht haben. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß dieser Wunsch Manchem nicht nur .undeutsch', sondern auch .barbarisch', im Sinne unserer romanischen Nachbarn, vorkommen wird." (Auch in 52a, S. 172). 80 Z u r Wandlung des ersten in den zweiten Nietzsche. ( M A Z g Beil. N r . 176 v. 3. 8. 1901); HÖFLER, ALOIS (Kirchdorf / Oberösterr. 6. 4. 1853 - Wien 26. 2. 1922), damals Gymnasiallehrer in Wien, zuletzt o. Professor der Pädagogik und Philosophie in Wien.

1874 Emil Kuh: Die erste „Unzeitgemäße" eine „Schandschrift"

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Exemplar der ersten Auflage neugesetzt und -gedruckt, hatte sie seitdem erst bei Fritzsch und nachher bei Schmeitzner zur Herausgabe fertiggelegen (s. Anm. 39). Es lagen immer noch 170 Stück der ersten sowie die ganzen 750 der zweiten Auflage vor (s. K G W IV, 4, S. 55). Zu den „bedeutenderen Abweichungen" im Wortlaut s. in den Anmerkungen zur vierten Auflage, Gl, S. iii-vii. Aus dem Nachlaß des Literaturhistorikers und Hebbelbiographen E m i l Kuh, der Ende 1876 gestorben war, erschien eine Studie, die er kurz nach dem Erscheinen der „ersten Unzeitgemäßen" verfaßt hatte: 81 53 Kuh, Emil, Professor Friedrich Nietzsche und David Friedrich Strauß. Eine kritische Studie. (LBl 12. Jg., Bd. II, H. 19-22 v. Sept. u. Okt. 1878, S. 577-583, 609612, 641-645, 673-679). Nennt die „erste Unzeitgemäße" eine „Schandschrift" und geht dann auf die „Geburt" ein; versucht Nietzsches Entlehnungen von Schopenhauer als falsch verstanden hinzustellen, um dann die „erste Unzeitgemäße" als Rache auf das Stillschweigen über den Erstling zu erklären. Die Schrift gegen Strauß „überbietet alles, was jemals in der deutschen Literatur an Verbal-Injurie, an Roheit und Pöbelhaftigkeit dem Papier anvertraut" worden sei. Er führt dann Schopenhauer und Goethe an, um auf sprachliche Fehler Nietzsches hinweisen zu können, nennt aber zum Schluß Strauß' Buch „Der alte und der neue Glaube" auch ein „flaues", dem „viele arge stylistische Nachlässigkeit mit untergelaufen" sei. N o c h vor Jahresschluß erfuhr „Menschliches" eine einzige, kurze Anzeige: 54 anonym, (LCB1 Bd. 29, Nr. 42 v. 19. 10. 1878, Sp. 1370 f.). Verfasser begrüßt die Tatsache, daß Nietzsches „glänzend angelegter und durch ausgebreitete und ernste Studien gebildeter Geist sich wenigstens principiell von den Irrwegen früherer Jahre abgewandt und die Vorzüge des wissenschaftlichen methodischen Denkens vor allen geniemäßigen Gedankensprüngen und Gedankenspänen würdigen gelernt" habe. Auch die zweite Auflage der „Geburt" erlebte eine einzige, wenn auch längere, ablehnende und doch ernsthafte Besprechung: 55 Lindner, Albert, 82 Die Musik als Mutter der Tragödie. (NZg Nr. 523 u. 525 v. 6. u. 7. 11. 1878). Verfasser beschränkt sich so gut wie ausschließlich auf den ersten Teil der Schrift, 81 S. Anm. 21, S. 29. 82 LINDNER, ALBERT (Ober-Neusulza / Sachsen-Weimar 24. 4. 1831 - Dalldorf b. Berlin 4. 2. 1888), dramatischer Dichter, zunächst Gymnasial-, Realschul- und später Privatlehrer, erhielt 1866 den Schillerpreis für sein „Brutus und Collatinus", 1872-1875 Bibliothekar des Reichstags, verfiel Ende 1885 in Geistesumnachtung. Als einziges Beweisstück seiner Befähigung zu obiger Besprechung neben der eigenen dichterischen Begabung wäre die Doktorarbeit „Cothurnus Sophocleus" zu nennen, „die in hundert Paragraphen ohne festeren Zusammenhang dürftige stilistische Beobachtungen auffädelt" (E. Schröder in ADB Bd. 51, 1906, S. 735).

1878 Der Schillerpreisträger Albert Lindner zur Neuauflage der „Geburt"

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weil er „Schopenhauer nicht in der Weltanschauung, noch Richard Wagner in der Kunstanschauung zu folgen vermag", zu welcher Einstellung das spätere Gesamturteil wohl paßt: „Sein Werk würde eine viel allgemeinere Werthschätzung erfahren haben, wenn ihm die Tendenz, d. h. die Erhebung Wagner's auf den souveränen T h r o n der Zukunftskunst, nicht von der ersten Zeile an aufgeprägt wäre." Sonst aber versuche Nietzsche, „eine große, vielleicht die größte aller Kunstfragen mit Hilfe der spekulativen Philosophie" zu lösen, merke aber gar nicht, „wie die empirische Welt und die Geschichte so oft ihr Nein! zwischen die Zeilen werfen". Besprecher lehnt den Pessimismus als Zug des hellenischen Wesens ab: „Es heißt doch wohl dem Griechischen Gewalt anthun, wenn man ihm eine orientalische und erst modern methodisch begründete Weltanschauung als Basis unterschiebt [...]" Auch die Betonung der „musikalischen Stimmung" als „vorbereitenden Zustand vor dem Aktus des Dichtens" treffe wohl auf den „modernen Dichter" zu, nicht aber auf den griechischen, weil dieser „selbst Natur" sei: „[...] er hat nichts zu bewirken, als den schon vorhandenen, in Stimmung und U m r i ß schon fertigen Mythus ins dichterische Wort zu fassen." Noch sei die Darstellung des Werdegangs der tragischen Kunst mit einer „empirischen Erklärung" in Einklang zu bringen, welchen Lindner dann als eine Folge meist zufälliger Geschehnisse schildert. Die Darstellung des Verfalls der griechischen Tragödie in der Gestalt Euripides-Sokrates weitgehend billigend leugnet er dennoch, „daß die Individuation des Menschen ein Rückfall und Abfall vom Ideal sei", und fragt: „[...] was soll uns Moderne hindern, aus der Gestalt, aus der realen Welt rückwärts zu dringen bis zur Idee?"

Im neuen Jahre erwähnte Karl Hillebrand „Menschliches" fast nur noch im Vorübergehen: 83 56 Halbbildung und Gymnasialreform. Ein Appell an die Unzufriedenen. (DRs Bd. 18, 5. Jg., H . 6 v. März 1879, S. 422-451; über Nietzsche auf S. 425, 450 Anm. 2). Verfasser führt Nietzsche neben E. Lasker, Dubois-Reymond, Fr. Kreyssig, von Bonitz und „vor allem aber Paul de Lagarde" 84 als einen an, dessen Schriften ihn zu öffentlicher Aussprache über deutsche Zustände im allgemeinen und das Mißbehagen darüber im „gebildeten deutschen Mittelstand" im besonderen angeregt haben: „Friedrich Nietzsche ist, obschon kein Neuling, doch ein Werdender, dessen

83 Obwohl er kurz darauf Nietzsche in einem Brief v. 23. 4. 1879 auf die „Besprechung" aufmerksam machte. 84 LAGARDE, PAUL DE (eigentl. Bötticher, Berlin 2. 11. 1827 - Göttingen 22. 12. 1891), seit 1869 Professor der Orientalistik in Göttingen. Durch Lagardes „Über das Verhältnis des deutschen Staates zu Theologie, Kirche und Religion" wurde Bachofen auf ihn aufmerksam und fing schon Anfang des Jahres 1873 einen Briefwechsel mit ihm an. Seit Ende 1874 schrieb dann auch Overbeck an ihn. (S. Lougee, Robert W., Paul de Lagarde 1827-1891. A Study of Radical Conservatism in Germany. Harvard Univ. Pr. 1962, S. 227-230). In wenigstens einem Brief an Lagarde, dem v. 12. 2. 1878, hatte Overbeck sich über zwei Seiten hin eingehend über Nietzsches verschlimmerten Gesundheitszustand ausgelassen und dabei berichtet, daß Nietzsche es „gleichfalls außerordentlich beklagte, daß er Sie im Herbst nicht gesehen hat". (Niedersächs. Staats- u. Univ.-Bibl. Göttingen, bisher unveröffentlicht).

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1878 Karl Hillebrand nimmt Abschied

Ansichten sich noch nicht ganz geklärt haben; wenn er auch auf dem Wege von Damaskus umgekehrt zu sein scheint, so hat er doch erst eine zu kleine Strecke darauf zurückgelegt, um der praktischen Wirklichkeit, wie sie als zu bewältigende Aufgabe uns vorliegt, sehr nahe gekommen zu sein. Man wird seine fragmentarischen Bemerkungen über Religion und Moral, Kunst und Staat, Cultur und Familie mit dem lebhaften Interesse lesen, welches eigene Gedanken in einer musterhaften Sprache stets zu erwecken pflegen; aber man wird vergeblich darin nach einer zusammenhängenden Erörterung der Ursachen suchen, aus denen die herrschende Hypochondrie Deutschlands hervorgegangen, noch vergeblicher nach bestimmten Vorschlägen, wie man der Krankheit wehren könnte." 85 56a In zwei Aufsätze aufgeteilt als „Deutsche Stimmungen und Verstimmungen" und „Halbbildung und Gymnasialreform" in: K. H., Zeiten, Völker und Menschen. Oppenheim. Bln. 1882. VI. Bd.: Zeitgenossen und Zeitgenössisches. Abschnitt XII, XIII, S. 333-361, 362-400; über Nietzsche auf S. 337 Anm. 1, wo der erste Satz wegfiel und die Äußerung also um fast die Hälfte gekürzt wurde. In „Halbbildung und Gymnasialreform" wird er einmal in einer neuhinzugekommenen Anmerkung auf S. 363 erwähnt als einer, dessen Schriften „die Schlußfolgerungen fehlen". 56b Auch in: Dass., 2. Ausg. K. J. Trübner. Straßburg 1886. Unverändert. 56c Mit der Überschrift: Halbbildung oder Bildung? in: 18c, S. 62-85. Unter Heranziehung der Zeitschrift- sowie Buchfassungen versuchte der Herausgeber die ursprüngliche Einheit der Arbeit wiederherzustellen; es waltet jedoch eine ziemlich weitgehende Willkür in der neuen Zusammensetzung. 57 Graue, Dr. G., 86 Darwinismus und Sittlichkeit, Carl Habel. Bln. 1879. 88 S. (= Dt. Zeit- u. Streitfragen. Flugschriften z. Kenntnis d. Gegenwart. Hg. v. Franz v. Holtzendorff, Mchn., Jg. VIII, H. 124 / 125, S. 441-528). Die betont christliche Darstellung, vornehmlich der Gedanken Darwins und Häkkels, widmet einer gänzlichen Ablehnung der Ansichten von „P. Ree und Fr. Nietzsche" verhältnismäßig breiten Raum (S. 15-18, 84 f.). Verfasser sieht diese sich infolge ihrer Auffassung der Moral als „Nothlüge" „einem kraft- und marklosen Pessimismus überliefern". In den Anmerkungen auf S. 88 wird ausdrücklich auf Rees „Ursprung der moralischen Empfindungen" und „Menschliches" hingewiesen.

85 Die ersten zwei Abschnitte des Aufsatzes (S. 422-434) erschienen dann auch englisch: O n the Sources of German Discontent, in: Contemporary Review Bd. 38, 1880, S. 40-54; und in: The Living Age Bd. 146, 1880, S. 497-506; mit vier größeren Zusätzen und einer Auslassung, die gerade die Nietzsche betreffende Stelle mit verschwinden ließ. Es ist auch dieser erweiterte Text, der, zurückübersetzt(?), in die Buchausgabe als „Deutsche Stimmungen und Verstimmungen" aufgenommen wurde. Im Juli 1879 antwortete Hillebrand auf eine Anfrage Schmeitzners hin: „Ich nehme das größte Interesse an Nietzsche's Person und Schriften und mache unter der Hand soviel Propaganda dafür als möglich [...] in zehn Jahren werden Nietzsche's Schriften eine gewaltige Nachfrage finden [...] Ich werde mich noch sonst für Nietzsche bemühen, ohne daß er's erfährt." (Nach der „Chronik zu Nietzsches Leben" in: Sämtl. Werke. Krit. Studienausg. hg. v. Giorgio Colli u. Mazzino Montinari. Bd. 15. D T V / de Gruyter. (Mchn., Bln. 1980), S. 106 f.). 86 GRAUE, GEORG HEINRICH (Bremen 19. 8. 1836 - um 1918), Superintendent, Oberpfarrer an Skt. Jacobi zu Chemnitz.

1879 MA Anhang: Vermischte Meinungen und Sprüche

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Z u r F o r t s e t z u n g b z w . als A n h a n g des zuletzt e r s c h i e n e n e n W e r k e s fertigte M a r i e B a u m g a r t n e r gegen E n d e des J a h r e s 1 8 7 8 das D r u c k m a n u s k r i p t

an,

u n d P e t e r G a s t las v o n J a n u a r bis M ä r z 1 8 7 9 w i e d e r u m K o r r e k t u r z u m n ä c h sten, in d e r z w e i t e n H ä l f t e des M ä r z 1 8 7 9 in einer Auflage v o n 1 0 0 0 S t ü c k erschienenen W e r k : V I I Menschliches, / Allzumenschliches. / Ein Buch für freie Geister./ V o n / Friedrich Nietzsche. / Anhang: / Vermischte Meinungen und Sprüche. /

Chemnitz

1879. / Verlag von Ernst Schmeitzner. (darunter wie zu VI). 163 S., 6 Bll.(= Vlgs.anz. z. 2. Aufl. d. „Geburt", zu allen vier „Unzeitgemäßen" sowie zur französischen Ubersetzung der vierten und zu den ersten beiden Teilen von „Menschliches", zum l.Teil mit dem Vermerk „in Rußland verboten". Es folgen Anzeigen von Werken Rees, Fritzes, Overbecks, Widemanns, O t t o Eisers und H . v. Wolzogens. D r u c k von Richard Oschatz. Chemnitz). 8°. 87 Z u O s t e r n 1 8 7 9 gab N i e t z s c h e infolge k ö r p e r l i c h e n Leidens seine L e h r t ä t i g keit endgültig auf, u n d a m 14. J u n i w u r d e er aus seiner P r o f e s s u r a m t l i c h entlassen; e r b e z o g bis z u m J a h r e 1 8 8 9 jährlich 3 0 0 0 F r a n k e n , v o n da an jährlich 2 0 0 0 F r a n k e n R u h e g e h a l t . U b e r die A m t s n i e d e r l e g u n g b r a c h t e die „ D e u t s c h e Z e i t u n g " u n t e r „ H o f - u n d P e r s o n a l - N a c h r i c h t e n " folgende M e l d u n g als „ T a gesneuigkeit": „Einer der begabtesten unter den jungen deutschen Gelehrten, der A u t o r der .Unzeitgemäßen Fragen', Professor der classischen Philologie in Basel, D r . Friedrich Wilhelm Nietzsche, ist wegen gänzlich erschütterter Gesundheit (Nietzsche zählt erst 34 Jahre) in den Ruhestand versetzt und an seiner Stelle der Privat-Docent Dr. Phil. Wackernagel zum außerordentlichen Professor der griechischen Literatur ernannt worden." 8 8

87 Exemplare an: Frau Baumgartner, Burckhardt in Basel, O. Busse, DuMont, C. Fuchs, Gast, Hillebrand, Kelterborn, Frau Köckert, Kretzer, Krug, Overbeck (m. Widmung: An F. O. / Seit dies Buch mir erwuchs, quält Sehnsucht mich und / Beschämung, / Bis solche Frucht auch dir, Freund meiner Freuden, / gereift. / Jetzt schon kost' ich des Glücks, daß ich dem Erntenden / nah bin, / Wenn seiner Mühen Ertrag golden und reichlich / sich häuft. / Basel den 12'™ März 1879. F. N.; n. einer Abbildung bei Wiegler, Paul, Gesch. d. dt. Lit. Bd. II. Ullstein. Bln. (1930), S. 663), Ree, Rohde, Romundt, die Schwester, Seydlitz, Sieber, Widemann und Malwida, die einiges schon von der Entstehungszeit, dem Frühjahr 1877, her aus den handschriftlichen Blättern kannte, sowie an: HERRIG, HANS (Braunschweig 10. 12. 1845 - Weimar 4. 5. 1892), Dramatiker, studierte Rechtswissenschaft in Berlin und Göttingen, promovierte 1868, zunächst am Berliner Stadtgericht, seit 1872 literarisch und journalistisch tätig, 1881-1889 Schriftleiter am „Deutschen Tageblatt", danach Ubersiedlung nach Weimar, verdient durch seine Wiederbelebung des Volksschauspiels, s. aber auch seine: Ges. Aufsätze über Schopenhauer. Hg. v. E. Grisebach. Reclam. Lpz. 1892 (= RUB 3187). CREDNER, HERMANN (1842 - 1924), Inhaber und Verlagschef des Hauses Veit & Co. in Leipzig, verhandelte vom Herbst 1885 bis in den Mai 1886 mit Nietzsche ergebnislos über die Verlegung einer „Neuen Folge" zur „Morgenröte" sowie von „Jenseits". 88 DZg Nr. 2732 v. 10. 8. 1879, S. 4). Daß die Amtsniederlegung mindestens ein Gerücht zeitigte, erhellt folgender Brief von Ferdinand Tönnies an Friedrich Paulsen ν. 29. 2. / 1. 3. 1880; Tönnies war gerade bei Schmeitzner in Chemnitz gewesen und erzählte: „Nietzsche

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1879 Der verfehlte Vermittlungsversuch Wagner-Brahms

A m 28. A u g u s t 1879 n a h m der spätere K o m p o n i s t W i l h e l m Kienzl an „einer i n t i m e n F e i e r v o n G o e t h e s 1 3 0 . G e b u r t s t a g e in , W a h n f r i e d ' " teil. D a s s p r ä c h sei a u f N i e t z s c h e

Ge-

gekommen:

„ D e r M e i s t e r e r z ä h l t e m i t k ö s t l i c h e r Satire u n d fast d r a m a t i s c h e r A n s c h a u l i c h k e i t , w i e s o es g e k o m m e n , daß sein F r e u n d u n d t r e u e r A n h ä n g e r F r i e d r i c h N i e t z s c h e v o n i h m abgefallen sei [...] . N i e t z s c h e w a r w i e d e r e i n m a l n a c h B a y r e u t h g e k o m m e n , u m m i c h z u b e s u c h e n ' , so u n g e f ä h r e r z ä h l t e W a g n e r . , E r w o h n t e i m „ G o l d e n e n A n k e r " . A l s ich in sein H o t e l z i m m e r t r a t , e r b l i c k t e ich ein v e r d ä c h t i g e s r o t e s H e f t c h e n ; 's w a r s o ' n T r i u m p h - o d e r Schicksalsliedchen v o n B r a h m s . M i t

dem

w o l l t e er m i r an den L e i b r ü c k e n . I c h m o c h t e aber d a v o n n i c h t s w i s s e n . G e g e n A b e n d k a m d e r P r o f e s s o r n a c h „ W a h n f r i e d " , u n d siehe: e r h a t t e das gewisse r o t e H e f t c h e n u n t e r d e m A r m e . E r w o l l t e es n u n aufs P u l t des F l ü g e l s legen u n d m i r allen E r n s t e s w a s d ' r a u s v o r s p i e l e n . E r m e i n t e , das müsse

ich k e n n e n l e r n e n , u m

die richtige M e i n u n g v o n diesem M u s i k e r z u b e k o m m e n . I c h w e i g e r t e m i c h , e r ließ

ist durchaus nicht geistig krank (das sei von irgendwelchem Gesindel ausgesprengt worden), lebt in Naumburg bei seiner Mutter; leidet in furchtbarem Maße an Kopfschmerzen, so stark, daß er wahrscheinlich nicht mehr lange zu leben hat, - Nietzsche und seine Freunde haben sich von dem Richard Wagner'schen Kreis losgemacht, weil dieser immer mehr in Gedankendüsternis der Metaphysik und des Mystizismus versinke, so etwa sagt H e r r Schmeitzner, und demnach natürlich von dem neuen (Aufklärungs-) Nietzsche nichts wissen will." (F. T . / Fr. Paulsen. Briefwechsel 1876-1908 hg. v. O . Klose, E. G . Jacoby u. I. Fischer. F. Hirt. Kiel 1961, S. 74 f.); PAULSEN, FRIEDRICH (Langenhorn 16. 7. 1846 - Steglitz b. Berlin 14. 8. 1908), 1873 in Berlin habilitiert, 1878 daselbst ao., 1893 o. Professor, durch seine zahlreichen pädagogischen Schriften hatte er lebhaften Anteil an den Schulreformbestrebungen seiner Zeit; s. seinen Brief an Tönnies v. 4. 11. 1880: „Ich hab kürzlich Nietzsche, Menschliches - Allzumenschliches gelesen. Etwas klarer und besser Gefaßtes las ich lange nicht. E r ist übrigens ein anderer geworden. Aus der Metaphysik rein in den Positivismus übergetreten. Den Aufsatz gegen Strauß hätte er heute kaum noch geschrieben, wenigstens so nicht. Er folgt ganz Epikur, wie es scheint; auch Schopenhauers Metaphysik wird abgestreift. Ich wundere mich über die Wandlung und zweifle, ob sie Bestand hat, freilich hat er sich das Festhalten daran zu Pflicht und Tugend gemacht. Sonst hat er doch zu viel Empfindung für Geist, als daß er aus freien Stücken auf der Geistlosigkeit der Welt bestehen könnte. Oder hat sich die Askese, die er sonst so entschieden verwirft, an ihm gerächt und sich auf den Intellekt geworfen, so daß er nun immer denken muß, wie er nicht möchte? nicht eher die Wahrheit zu haben meint, ehe sie beleidigt? Vielleicht hat auch Rèe Anteil an der Wandlung." (Ebd., S. 97); s. a. Tönnies' Antwort, ebd., S. 98 sowie die spätere Meinung Paulsens in: D R s Bd. 59, 15. Jg., H. 8 v. Mai 1889, S. 251: in einem Aufsatz „Hamlet. Die Tragödie des Pessimismus" verglich er einen Hamlet, dessen „lockendes Zukunftsbild [...] ein Leben in Genuß geschmackvoll verwendeten fürstlichen Reichthums, umgeben von geistreichen Freunden und schönen Freundinnen, denen geistvolle Geselligkeit der höchste Genuß", sei, mit Nietzsche: wären „Stunden der Sättigung" nicht ausgeblieben, so hätte er gleich Nietzsche „in Aphorismen ,mit dem Hammer philosophiert', an alle Größen, die die Zeit verehre, anklopfend und ,mit Entzücken' überall den T o n vernehmend, den leere Hohlräume geben"; WaCKERNAGEL-STEHLIN, JACOB (Basel 11. 12. 1853 - ebd. 22. 5. 1938), Sohn des Germanisten Wilhelm Wackernagel, Schüler Nietzsches sowohl auf dem Pädagogium wie auch auf der Universität, promovierte 1875 in Basel, habilitierte sich 1876 ebendort als Privatdozent für griechische Philologie und Sanskrit, 1890-1915 in Göttingen, darauf wieder in Basel.

1879 Wagner: „Begreift Ihr nun?'"

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nicht ab, in mich zu dringen. Endlich wurde ich heftig [...], wurde grob und weiß G o t t , wie's k a m - Nietzsche flog zur T ü r 'raus. Ja, so bin ich! - U n d er kam nicht wieder! U n d seht, liebe Kinder, (setzte er mit unbeschreiblich treffsicherem Sarkasmus hinzu), da soll ich d'n Brahms n o c h lieben, durch den ich meinen Nietzsche eingebüßt habe?! Begreift Ihr nun?'" 8 9 E i n d e r A u f n a h m e w e r t e s Bild v o n d e r P h i l o s o p h i e E n d e d e r 7 0 e r J a h r e in M ü n c h e n z e i c h n e t d e r d a m a l s junge S t u d e n t an d e r T e c h n i s c h e n H o c h s c h u l e F r i e d r i c h v o n M ü l l e r , u n t e r Streifung N i e t z s c h e s : „In meinem Stundenplan aus diesem ersten sogenannten philosophischen Studienjahr fehlte n u r eine Disziplin vollständig, nämlich die Philosophie. N a c h d e m die naturphilosophische Richtung v o n Jacobi, Schelling und ihren Geistesverwandten unter dem Eindringen der realen naturwissenschaftlichen F ä c h e r zu Ende gegangen war und sich ihre Spekulationen als unnütz erwiesen hatten, war das Interesse für die eigentliche Philosophie unter den Studierenden meiner Generation vollständig erloschen [...] eine moderne Philosophie, eine richtige philosophische Schule i m allgemeinen, wie sie später v o n Lipps, Külpe oder Becher vorgetragen wurde, gab es damals nicht, und n u r die Gedanken von Nietzsche machten sich langsam geltend." 9 0

89 W. K., Aus Kunst und Leben. Ges. Aufsätze. Allg. Vlg. f. Dt. Lit. Bln. 1904, S. 274 f. (unverändert nachgedruckt in: Musikalisch-historisches-lustiges Anekdoten-Büchlein hg. v. Josef Seiler. Bd. II. J. C. Huber. Diessen vor Mchn. 1913, S. 87 f.); das Werk enthält auch eine Wagner-Anekdote aus dem Munde von Hans Richter, vermittelt durch E. Kloß: „Hans Richter erzählt ein Vorkommnis aus dem Jahre 1872 aus Triebschen [...] das Erlebnis eines Abends, an dem Nietzsche eine eigene Komposition zum Vortrag brachte, mit den Worten: ,Ich lasse es mir nicht nehmen, daß Nietzsches „Abfall" an diesem Abend begann, als wir mit der Frau Meisterin zusammen die (ihr gewidmeten) „Sylvesterglocken" spielten. Wagner saß unruhig dabei, knetete sein Barett und ging vor Schluß hinaus. An der Tür stand der ehrliche Jacob (Stocker) und sagte: „Das scheint nicht gut zu sein." Nach dem Schluß ging ich ebenfalls hinaus; ich fürchtete ein Donnerwetter. Aber Jacobs Kritik hatte es abgeschwächt; ich fand den Meister bloß in vollem Lachen. Doch sagte er: „Da verkehrt man schon anderthalbe Jahre mit dem Menschen, und nun kommt er so meuchlings, die Partitur im Gewände."'" (S. 121). Diese letzte Anekdote erschien zuerst in: Wagner-Anekdoten. A. d. besten Quellen geschöpft v. Erich Kloß. Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1908, S. 80 f.; KlENZL, WILHELM (Waitzenkirchen / Oberösterr. 17. 1. 1857 - Wien 3. 10. 1941), Kapellmeister und Komponist, war schon 1876 das erste Mal in Bayreuth zur Uraufführung des „Rings". Zu der von ihm überlieferte Geschichte s. a. Cosimas Tagebücher, die Eintragung v. 8. 8. 1874. In dem Werk von Hans Sittner: Kienzl-Rosegger (Amalthea-Vlg. Zür., Lpz., Wien (1935), S. 103), das Kienzls „Lebenswanderung" im Auszug enthält, liest man, wie Kienzl, von der Nachricht über Wagners Tod überwältigt, zum Spenden eines „Riesenkranzes" veranlaßt worden sei, der „heute noch im Bayreuther Festspielhause unter mehreren hundert andern, unter denen als besonders bemerkenswert die Kranzspenden von König Ludwig II., Johannes Brahms, Hans von Bülow und Friedrich Nietzsche", hänge; RICHTER, HANS (Raab / Ungarn 4. 4. 1843 - Bayreuth 5. 12. 1916), hielt sich 1866 / 67 in Luzern bei Wagner auf und kopierte dort den „Lohengrin" für den Druck, 1876 führte er als erster in Bayreuth den Ring-Zyklus auf, mit Nietzsche durch Wagner personlich bekannt seit Anfang 1872. 90 F. v. M., Lebenserinnerungen. J. F. Lehmann. Mchn. (1951), S. 31); MÜLLER, FRIEDRICH VON (Augsburg 17. 9. 1858 - München 18. 11. 1941), Internist.

1879 Der Wanderer und sein Schatten

82 Ende Mai

1879

hatte Nietzsche v o n

Schmeitzner

erfahren,

daß

von

„Menschliches" nach der Ostermessen-Abrechnung nur 120 Stück verkauft worden seien, dennoch entstand als letzter Teil dazu im Juli und August 1879 in St. M o r i t z ein zweiter Nachtrag, dessen Druckmanuskript im September auf G r u n d der ihm übersandten, endgültigen Entwürfe von Peter Gast hergestellt wurde. A u c h zu diesem W e r k lasen Gast und Nietzsche selber Korrektur, so daß das W e r k endlich im Dezember 1879 in einer Auflage von 1000 Stück erscheinen konnte: VIII Der / Wanderer und sein Schatten. / Von / Friedrich Nietzsche. / Chemnitz 1880. / Verlag von Ernst Schmeitzner. (Darunter wie zu VI bis auf die Londoner Stelle, die nun heißt: Williams & Norgate 14 Henrietta-Street, Covent Garden.) 186, xviii S. (= Vlgs.-anz., s. Nr. 58). (Druck von Richard Oschatz, Chemnitz). 8°. 91 91 Exemplare an: Frau Baumgartner, Burckhardt, Eiser, Gast, Heinze, Hillebrand, Malwida, Monod, Overbeck, Rèe, Rohde in Tübingen (der am 31. 5. 1882 an Overbeck schrieb: „[...] Nietzsche hat, so scheints, den kalten Föhn des Réeismus, nach dem heißen des Wagnerthums, schon zum großen Theil überwunden. Wie stark sein Kopf gleichwohl zum Dogmenmachen neigt, habe ich recht an dem Einfluß des Nachsommers auf ihn gesehen [...] Ich betrachte aber diesen Fall für Nietzsche als typisch: immer soll man sich gleich zu Gunsten einer einzigen Art des Wissens, der Betrachtung des Lebens, an allem denkbaren Anderen den Appetit verderben." O. C., Erwin Rohde, a. a. O., S. 112 f.; Ergänzung einiger Auslassungen bei Bernoulli, Bd. I, S. 261 f.), Romundt, Frau Rothpietz, die Schwester, Widemann und durch Rohde an: RÜHL, FRANZ (Hannover 26. 10. 1845 - 1916), Geschichtsforscher, 1875 Professor in Dorpat, seit 1876 in Königsberg. Rohde empfahl das Werk in einem Brief v. 25. 4. 1880 mit folgenden Worten: „Sie werden darin reden hören einen Menschen, der [...] die Welt nur noch mit den Augen seines Geistes sehen kann, aber an Tiefe, Feinheit, Klarheit und Besonnenheit (soweit seine stets stark einseitige Weise es zuläßt) immer nur noch gewonnen hat seit seinen Jugendschriften. Seinen Freunden muß das Buch trotz-

dem einen tief schmerzlichen Eindruck machen [...] Auf jeden Fall: sein Verstand ist nicht nur reicher, sondern auch fester, als der von tausend kritischen Holzköpfen [...]" O. C., Erwin Rohde, a. a. O., S. 114; durch Peter Gast an: R A S K O W I T S C H , R O B E R T BENJAMIN, (Spalato / Dalmatien 1857 - Chicago / USA 29. 10. 1905), Maler, studierte in Wien, Venedig, Paris und Rom, damals in Venedig, und durch diesen im Sommer 1881 an: S A L I S M A R S C H L I N S , M E T A V O N (Schloß Marschlins b. Chur / Graubünden 1. 3. 1855 - Basel 15. 3. 1929), damals (1879-81), durch Vermittlung Malwidas, Erzieherin der Dina von Wöhrmann, Tochter der deutsch-russischen Freifr. Emma von Wöhrmann, in Venedig und Naumburg, an welch letzterem Ort sie damals schon u. a. Nietzsches Mutter und Schwester kennenlernte, studierte darauf vom Okt. 1883 bis Mai 1887 in Zürich, Berlin und wieder in Zürich, wo sie im Mai 1887 mit einer Arbeit über Agnes von Poitou promovierte, Dichterin und Frauenrechtlerin, Bekanntschaft mit Nietzsches Werken höchstwahrscheinlich schon im Winter 1878 / 79, den sie im Kreise um Malwida von Meysenbug in Rom verlebte. Kaum Neues bietet Doris Stump in: Sie töten uns - nicht unsere Ideen. Meta von SalisMarschlins 1855 - 1929. Schweizer Schriftstellerin und Frauenrechtskämpferin. paeda media genossenschaftsvlg. Zür. 1986 = Diss. d. Univ. Zur.), S. 76 ff. Obwohl Verfasserin auf den S. 129-144, 158 f., 168 u. 177 sich wiederholt und eingehend mit Metas zweibändigem autobiographischem Werk (Nr. 171) beschäftigt und die Gestalt des Falconier erwähnt, weiß sie den Inhalt in keiner Weise in Verbindung mit Nietzsche zu bringen; durch von Gersdorff an: FINOCCHIETTI, NERINA, eine junge adlige Italienerin, in die er sich 1876 verliebt hatte.

1879 Im Verlage mit Eugen Dühring

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Den Werken des Verlages von Ernst Schmeitzner wurde ab Ende 1879 ein Anhang beigegeben: 58 Erster Verlagsbericht der Verlagsbuchhandlung von Ernst Schmeitzner in Chemnitz. xviii S. (Dez. 1879). Auf den S. ii-viii befinden sich Anzeigen von „Friedrich Nietzsche's Schriften", deren Inhaltswiedergaben ohne Nietzsches Wissen und durch Veranlassung des Verlegers Peter Gast zum Verfasser haben,92 deren Abschnittsüberschriften (so zur „Geburt" und zu den „Unzeitgemäßen") aber wohl erst nach Rücksprache mit Nietzsche verfaßt worden sind. Sonst zeigt Schmeitzner noch Werke von Overbeck, Ree, Widemann, E. Dühring u. A. an.93 Daß Nietzsche zu dieser Zeit, fast sechs Monate nach dem Erscheinen von „Menschliches", als noch fest und treu im Lager Wagners stehend betrachtet wurde, belegen folgende Äußerungen eines damals sehr bewanderten Musikkritikers - die Widmung des Verfassers zu dem Werk ist v o m 11. September 1879: 59 Hanslick, Eduard, Kritische Nachfeier von Bayreuth. Enthalten in: Musikalische Stationen. A. Hofmann. Bln. 1880, S. 253-267. Setzt sich teils recht heftig mit sämtlichen Erscheinungsformen der Wagner-Begeisterung auseinander, zunächst mit der ersten „Broschüren-Lawine" zum Festspiel, mit den „mit der Peitsche .vorbereitenden' Flugschriften" von Nietzsche, Porges, Wolzogen und Hagen, und widmet dabei Nietzsche den größten Raum. Er ist dem Verfasser „durch Talent und Bildung wol der hervorragendste, in seinen Übertreibungen zugleich der abenteuerlichste unter Wagner's Kämpen". Auch die „Geburt" bleibt nicht unbeachtet, denn „in seiner haarsträubenden Abhandlung" habe Nietzsche sich der „Verschopenhauerung Wagner's" schuldig gemacht. - „Man glaubt in einem Narrenhaus zu sein." - Dies alles dient aber nur als Einleitung zur Würdigung jener Schriftsteller, „welche trotzdem nach dem Festspiel unbefangen, ohne Gereiztheit das neue Werk beurtheilen". Gebrandmarkt werden auch die PatronatVereine und deren „ästhetischer Terrorismus" sowie „der hochmütig altkluge Ton des Besserwissens" und „der greisenhafte Dünkel der Unfehlbarkeit" der „Bayreuther Blätter".94

Auch Wagner besaß ein Exemplar (s. Cosimas Tagebucheintragung v. 28. 12. 1879, Bd. II, a. a. O., S. 467). 92 S. K G W IV, 4, S. 71 f. 93 DÜHRING, KARL EUGEN (Berlin 12. 1. 1833 - ebd. 21. 9. 1921), Philosoph und Nationalökonom. Trotz gelegentlicher Auseinandersetzungen mit Schopenhauer und Wagner, und sogar mit Hedwig D o h m , unterläßt es Dühring, Nietzsche in seinem 539seitigen und beim „Nietzsche-Verleger" veröffentlichten „Sache, Leben und Feinde. Als Hauptwerk und Schlüssel zu seinen sämmtlichen Schriften" (2., ergänzte u. verm. Aufl. Dr. u. Vlg. C. G. Naumann. Lpz. 1903; überklebt: Vlg. v. Theod. Thomas) überhaupt zu erwähnen, doch könnte eine Stelle wie die folgende gegen ihn gerichtet sein: „Das Lustspiel ist erträglich, das Trauerspiel aber ein Widerspruch, denn die puppenhafte Vorstellung und der Ernst des Dargestellten vertragen sich nicht." 94 HANSLICK, EDUARD (Prag 11. 11. 1825 - Baden b. Wien 6. 8. 1904), lehrte als Musikästhetiker an der Universität Wien 1856-1895, Musikreferent der N F P r seit 1864.

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1880 Begegnung mit Gottfried Keller

Robert Freund erzählt einiges Bemerkenswerte über Nietzsche, vor allem aus den 80er Jahren: „Nietzsche, der Keller sehr verehrte, ihn aber noch nicht persönlich kannte, sagte mir einmal, daß er Keller am nächsten Vormittag besuchen werde. Nachdem der Besuch stattgefunden, ging ich am Nachmittag mit Nietzsche spazieren und frug ihn, wie es bei Keller gewesen sei. Er sei sehr nett gewesen, antwortete Nietzsche, nur entsetze ihn das entsetzliche (sie) Deutsch, das Keller spreche und die mühsame Art, mit der sich der große Schriftsteller mündlich ausdrücke. Am nächsten Sonntag frug ich dann Keller, ob Herr Nietzsche ihn besucht habe. Keller bejahte und setzte hinzu: ,Ich glaube, dä Kerl ischt verruckt.' Kennen lernte ich Nietzsche entweder 1878 oder 1879, ohne ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Er war bei Frau Rothpietz auf Besuch, aber so krank, daß er sein Zimmer nicht verlassen konnte. Genanntes Zimmer lag aber gerade über dem Salon, in dem der Flügel stand, und um ihn zu zerstreuen, bat mich Frau Rothpietz ihm etwas vorzumusizieren. Wenn ich mich recht erinnere, lernte ich dann Nietzsche im Sommer 1883 wirklich kennen. Auf seinen Reisen nach und von dem Engadin blieb er häufig einige Tage in Zürich, wo er in der .Pension Neptun' an der Mühlebachstraße wohnte. War sein Befinden gut und das Wetter günstig, so gingen wir spazieren. An Gesprächstoffen war nie Mangel, denn er war ein herrlicher Causeur. Von Wagner hatte er sich abgewandt und so vermieden wir dieses Thema. Hingegen hatte er großes Interesse für die zeitgenössische französische Literatur, die ja damals besonders reich an Talenten war. Abgesehen von den erstrangigen Schriftstellern wie Taine, Renan, Flaubert, Zola, Daudet und Maupassant erregten auch die zweitrangigen wie Barbey d'Aurevilly, Paul Bourget, Huysmans und die Frères Goncourt Hoffnungen, die sie nicht ganz erfüllten. Nietzsche gehörte zu den wenigen bedeutenden Menschen, mit denen man verkehren konnte, ohne vollständig ihrer Ansicht zu sein. Die meisten vertragen keinen Widerspruch, wenigstens nicht in ihrem eigenen Fach. Natürlich las ich alle Schriften Nietzsches sofort nach ihrem Erscheinen, ergötzte mich aber immer mehr an dem ,Wie' als an dem ,Was', d. h. ich zog den unvergleichlichen poetischen Schriftsteller dem paradoxalen Denker vor. Und auch jetzt [d. i. 1915] noch bin ich der Ansicht, daß seine Briefe, die das Bild des herrlichen, edlen Menschen so treu wiedergeben, lesenswerter sind als alle seine .philosophischen' Bücher, die .Götzendämmerung' und der .Fall Wagner' von den späteren und einige der .Unzeitgemäßen Betrachtungen' von den früheren ausgenommen." (Als Anm. d. Hg. zum letzten Satz:) „Nach dem Wortlaut dieses Satzes hätte also der Wagnerianer Robert Freund in späteren Jahren ähnlich wie Nietzsche eine Häutung durchgemacht. Doch enthält das Original dieser Memoiren so viele stilistische Unachtsamkeiten und Ungereimtheiten - , die wir zu rektifizieren hatten - , daß es nicht ausgeschlossen ist, daß Freund sagen wollte: .überhaupt' ausgenommen, d. h. nicht ernst zu nehmen." 95

95 (R. F.), Memoiren eines Pianisten. Hug. Zür. 1951 (In: C X X X I X . Neujahrsblatt d. Allgem. Musikges. Zürich a. d. Jahr 1951), S. 24 f.; FREUND, ROBERT (Budapest 1. 4. 1852 - ebd. 8. 4. 1936), nach Studium in Leipzig und Berlin 1875-1912 als Konzertpianist und Klavierlehrer in Zürich.

1880 Bruno Bauer

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Um diese Zeit wurde Nietzsches bisherige Schaffen verschiedentlich gewürdigt: 60 Siebenlist, August, Schopenhauers Philosophie der Tragödie. Preßburg 1880, S. 5 f. Das Werk erschien im Mai 1880. Die ersten Seiten des Buches dienen der Rechtfertigung des Werkes, wozu mit vielen schon erschienenen Arbeiten abgerechnet wird. So stellt Verfasser bei Nietzsches „Geburt" fest, daß darin „der unzweifelhaft begabteste Jünger Schopenhauers" rede, daß er aber auch, wie seine Werke beweisen, ein solch genialer Kopf sei, der nicht das Zeug habe, sich mit Darlegung oder Erweiterung dessen zu begnügen, was andere geleistet haben, sondern im selbständigen Schaffen eigener Gedanken seinen Schwerpunkt suchen müsse. E r weist dabei auf die „Unzeitgemäßen" sowie auf die drei Bände von „Menschliches" hin. 61 Laban, Ferdinand, Die Schopenhauer-Literatur. Versuch einer chronologischen Übersicht derselben. F . A. Brockhaus. Lpz. 1880. 3 Bll., 123 S. Das W e r k führt alle Schriften Nietzsches bis einschließlich des ersten Nachtrags zu „Menschliches" (I-VII), dazu noch Besprechungen und Streitschriften, auf; Aufführung hier verdient das Werk selbst aber wegen einer Äußerung des Verfassers in der Einleitung: „Unübertrefflich in ihrer schlichten Gedrängtheit und schlagenden Argumentation ist die Darstellung Nietzsche's in folgenden Sätzen [...]" Es folgt darauf über Seiten hin (S. 18 ff.) ein Zitat zur Widerlegung der Kantischen „intelligibeln Freiheit", auf der Schopenhauer eine Ethik aufgebaut habe. 62 Bauer, Bruno, Zur Orientierung über die Bismarck'sche Ära. Schmeitzner. Chemnitz 1880. 2 Bll., 325 S., 5 Bll. (= Vlgs.-anz.) Verfasser hebt im 25. Abschnitt „Treitschke und Victor Hugo", Treitschkes „oberflächliche" Berücksichtigung der deutschen Philosophie hervor und empfiehlt ihm, Nietzsches Werke, besonders die „erste Unzeitgemäße", zu lesen, für den Fall einer eventuellen neuen Auflage seiner Schriften (S. 287 f.). Der volle Wortlaut der beiden Nietzsche betreffenden Absätze auch in: Barnikol, Ernst, Bruno Bauer. Studien u. Materialien. A. d. Nachlaß ausgewählt u. zusammengestellt v. P. Reimer u. H.-M. Saß. Van Gorcum. Assen 1972, S. 387 f. 63 Friedrich Uberwegs Grundriß der Geschichte der Philosophie. 3. Tl.: Die Neuzeit. 5. Aufl. bearb. u. hg. v. Dr. Max Heinze. E. S. Mittler. Bln. 1880, S. 387. In der zweiten Unterabteilung des dritten Abschnittes: „Die Philosophie der Gegenwart", findet Nietzsche erstmalige Aufnahme in dieses Werk, in Absatz 32: „Anhänger Schleiermachers, Schopenhauers, Benekes". Sieben Zeilen geben Titel, Erscheinungsjahr und -ort seiner Werke bis einschließlich „Der Wanderer und sein Schatten" an. 63a Dass. 6. Aufl. 1883, S. 422. Das Werkverzeichnis umfaßt nun alle Werke bis auf „Die fröhliche Wissenschaft". Als „das neueste Werk" wird „Also sprach Zarathustra" unter „Nachträgen und Berichtigungen" auf S. 480 aufgeführt. Nietzsche gebe „eine Reihe besonders moralisirende geistreiche und anregende Aphorismen, ohne seine Ansichten aber abgerundet zu haben und ohne sich irgend einem Philosophen bestimmt anzuschließen. Er leugnet überhaupt die Sittlichkeit, d. h. ihre Voraussetzungen, insofern er in Abrede stellt, daß die sittlichen Urtheile auf Wahrheit beruhen."

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1880 Aufnahme in Überwegs Grundriß der Geschichte der Philosophie

63b Dass. 7. Aufl. 1888, S. 457. Der 14zeilige Absatz der 6. Auflage ist nun auf 29 Zeilen angewachsen. Verfasser meint, Nietzsche komme schließlich „zu einer Anerkennung des Vorrechts der Wenigen, zu einer extrem aristokratischen Ansicht, und polemisirt entschieden gegen alle Gleichberechtigung der niederen Volksklassen mit den höheren". Das Werkverzeichnis umfaßt als letztes „Zur Genealogie der Moral". 63c Dass. 8. Aufl. 1897. In der 2. Hälfte „Nachkantische Systeme und Philosophie der Gegenwart" des jetzt zweiteiligen dritten Teiles, im 5. Abschnitt, Absatz 33 „Die absolute Freiheit des Individuums", S. 290-296, werden zuerst Stirner (S. 290 ff.) und dann Nietzsche (S. 292-296) behandelt. Verfasser meint jetzt, Nietzsche sei „ein vollendeter Künstler des Stiles, wie es keinen zweiten in der Gegenwart gibt", doch werde „kein Schriftsteller neuerer Zeit so verschieden beurtheilt wie er". Er habe „großen Einfluß auf die halb oder ganz belletristische Litteratur und auf die Journalistik ausgeübt". Auf Rudolf Steiner, der „einen ähnlichen, nur modificirten Standpunkt" einnehme, wird schon hingewiesen. 63d Dass. 9. Aufl. 1902. 0etzt:) 4. Tl.: Das neunzehnte Jahrhundert. Im 5. Abschnitt der „Philosophie der Neuzeit: Die Philosophie der Gegenwart" haben sowohl Stirner wie auch Nietzsche je einen eigenen Absatz (Nietzsche: Absatz 37, S. 334-342). Die Zurückhaltung der früheren Auflagen ist etwas gewichen, im Anhang wird neben Steiner auch Paul Mongré erwähnt. 63e Dass. 10. Aufl. 1904. Nietzsche jetzt Absatz 40, S. 362-370; enthält einige satzlange Zusätze und etwa eine halbe Seite mehr an Schrifttum, sonst unverändert. 63f Dass. 11. Aufl. 1916. (Jetzt:) Das neunzehnte Jahrhundert und die Gegenwart. Neu bearb. u. hg. v. Dr. Konstantin Oesterreich (Privatdozent a. d. Univ. Tübingen). Absatz 49: Die Kulturphilosophie Nietzsches, S. 446-452; zusätzliches Schrifttum auf S. 814-817. Nietzsche sei der „geistig bedeutendste und einflußreichste unter den ethischen Denkern am Ausgang des 19. Jahrhunderts", seine „Kulturphilosophie eine Synthese des klassischen deutschen Kulturidealismus seiner Zeit". Als ähnliche oder von ihm beeinflußte Denker werden neben Steiner und Mongré aufgeführt: Alex. Tille, Ludw. Kuhlenbeck, 96 August und Ernst Horneffer, Ernst Berg, Hans Blüher und Richard Müller-Freienfels. 63g Dass. 12. Aufl. 1923. 0etzt:) Die deutsche Philosophie des 19. Jahrhunderts und der Gegenwart. Völlig neubearb. v. Dr. Traugott Konstantin Oesterreich (Planm. ao. Prof. a. d. Univ. Tübingen). Über Nietzsche Absatz 52, S. 543-551; zusätzliches Schrifttum auf S. 716-720. Bis auf wenige Zusätze unverändert.

96 K U H L E N B E C K , L U D W I G ( O s n a b r ü c k 2 5 . 4 . 1 8 5 7 - J e n a 13. 5. 1 9 2 0 ) , 1 9 0 3 - 0 8 o . P r o f e s s o r des

deutschen Rechts an der Universität Lausanne, darauf in Jena.

1880 Christoph Ernst Luthardt: „ein Pessimismus auf eigene Faust"

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63h Dass. 13. Aufl. Unveränderter Nachdr. d. völlig neubearb. 12. Aufl. B. Schwabe. Basel 1951. Uber Nietzsche gänzlich unverändert. 64 Ritter, C. G., Theorie des Deutschen Trauerspiels. C. G. Naumann. Lpz. 1880, S. 32: 97 „Bei Aeschylus ist der Chor noch an der Handlung betheiligt, bei Sophokles schon bloß berathend, bei Euripides ein nur noch formell begründeter Schmuck. Klingt es gegenüber diesem Thatbestande nicht wie ein Witz, wenn Nietzsche die von ihm empfohlene Zurücktreibung der Tragödie in ihren Mutterleib ausdrücklich .Geburt' nennt? U m geboren zu werden hat die Tragödie sich von der Lyrik losgerissen, und um sich zu entwickeln allmählich so weit von ihr entfernt, daß in der modernen Dramatik endlich Nichts weiter als die Zwischenaktmusik von ihr übrig geblieben ist [...]" Als Anmerkung hierzu auf Seite 127 heißt es: „Nietzsche, der das Subjektive (Lyrische) in der Poesie .dionysisch' nennt, stellt das Hinzutreten Jenes zu Diesem als eine Erhöhung dar. Thatsache ist aber, daß selbst die auf der niedrigsten Kulturstufe stehenden Völker, die so gut wie gar keine Kunst haben, doch immer ein Bischen Lyrik dudeln und sie auch da nicht loslassen, wo sie sich zu einem Ansätze von objektiver Dichtung versteigen. Von ihnen unterscheiden sich die höheren, kunstfähigen Völker gerade dadurch, daß sie sich über das .Dionysische' hinauszuheben vermögen, um zum .Apollinischen' zu gelangen, welches schließlich in seiner vollen Reinheit mit jenem unverträglich ist." Recht ablehnende Erwähnung des „Wanderer und sein Schatten" erfolgte in einem W e r k von D . C h r . Ernst Luthardt: Die modernen Weltanschauungen und ihre praktischen Konsequenzen. 9 8 In dem 10. Vortrag, „Der Pessimismus und das Christentum", stehen die Worte: „Theatralisch ruft man aus: Der ganzen Menschheit Jammer faßt mich an. So stellt man sich wie zur Schau aus, was man leide und durch wen! - durch jenen blinden Willen des Daseins." Hierzu findet sich dann folgende Anmerkung: „Ein recht charakteristisches Beispiel dieser eitlen Blasiertheit, die sich bis zu geistreich sein sollenden Blasphemien steigert, ist z. B. Nietzsche's .Der Wanderer und sein Schat-

97 RITTER, KARL GOTTFRIED (Narva / Rußland 8. 10.1830 - Verona 9. 10. 1891), zuerst Musiker, darauf Verfasser meist geschichtlicher Trauerspiele, seit Ende 1848 mit Wagner persönlich bekannt, darauf bis Anfang 1859 öfter mit ihm in der Schweiz und Italien zusammengetroffen, seit 1858 in Italien wohnhaft. Anführenswert ist eine Äußerung Wagners gerade zu der angeführten Stelle des Werkes, die Cosima in einer Eintragung v. 29. 11. 1879 festhielt: „Wie R . mich zu Tisch abholt, spricht er von der Arbeit von K. Ritter, welche einerseits mit vielem Verstand und in gutem Stile abgefaßt sei, andrerseits da z. B., wo er von Nietzsche's Theorie der Tragödie sagt, es müsse ein W i t z sein, von solcher verschrobenen Albernheit zeuge, daß es am besten wäre, sich nicht damit abzugeben." (Bd. II, a. a. O., S. 453). 98 Vorträge über Fragen der Gegenwart aus Kirche, Schule, Staat und Gesellschaft im Winter 1880 zu Leipzig gehalten. 2., unveränderter Abdr. Dörffling u. Franke. Lpz. 1880, S. 189, bzw. 258; LUTHARDT, CHRISTOPH ERNST (Maroldsweisach / Unterfr. 22. 3. 1823 - Leipzig 21. 9. 1902), evangelischer Theologe, seit 1856 Professor für systematische Theologie in Leipzig, 1868-1881 Herausgeber der „Allgemeinen evangelisch-lutherischen Kirchenzeitung" und 1880-1898 des „Theologischen Litteraturblatts".

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1881 Morgenröthe. Gedanken über die moralischen Vorurtheile.

ten' (Chemnitz 1880) - ein Pessimismus auf eigene Faust." Zum Beweise werden sechs Stellen aus dem Werk aufgeführt. 65 Herrig, Hans, Ein moderner „Freigeist". (Geg 18. Jg., Nr. 32 v. 7. 8. 1880, S. 85 ff.). Der Verfasser, bekannt auch mit der „Geburt" und den „Unzeitgemäßen", hebt hier „Menschliches" und dessen zwei Anhänge äußerst lobend hervor. Er weist darauf hin, daß hier ein glühender Verehrer Schopenhauers und Wagners eine gründliche Wandlung erfahren habe, die manch Unverwandeltem bisher noch gar nicht aufgefallen sei. Obwohl er nur in einzelnen Fällen die Anschauungen Nietzsches teilen könne, wolle er nicht durch eine widerlegende Kritik der Verbreitung dieser zuletzt erschienenen Werke entgegenwirken. Schon im Sommer 1880 wurde dann in Venedig ein Teil der nächsten Schrift, vorläufig „Die Pflugschar" genannt, Peter Gast diktiert. Sie wurde erst im Januar 1881 fertig und im Manuskript an Gast, der noch in Venedig weilte, zur Reinschrift geschickt. Nietzsche trug darauf selbst einiges nach, und das Werk erschien im Juni 1881 in einer Auflage von 1000 Stück: IX Morgenröthe. / Gedanken / über / die moralischen Vorurtheile. / Von / Friedrich Nietzsche. / [Leitspruch:] „Es giebt so viele Morgenröthen, die / noch nicht geleuchtet haben." / Rigveda. / Chemnitz 1881. / Verlag von Ernst Schmeitzner. (Darunter wie zu VIII). 363 S. (Druck von B. G. Teubner in Leipzig). 8°." 99 Exemplare gingen an: Marie Baumgartner, Burckhardt, Credner, Gast, Gersdorff, Overbeck, Ree, Meta von Salis-Marschlins, Rohde in Tübingen (Bernoulli meinte: „Mit Rohde stand Overbeck in ununterbrochenem Verkehr, sei es durch Briefwechsel, sei es durch gelegentliche Begegnung; er war auch Pate von Rohdes Söhnchen (1881). An Nietzsche vermochte Rohde immer nur wie an einen .Halbverstorbenen' zu denken; die .Morgenröte' sah ihn .traurig und eher abendrötlich an'." Bd. I, S. 373), Widemann und an: LANZKY, PAUL (Weissagk b. Forst / Niederlausitz 8. 4. 1852 - in der Klinik Skt. Anna zu Sorengo b. Lugano 26. 4. 1936), studierte zunächst romanische Literatur und Philosophie in Zürich, Pisa und Rom, seit 1879 ständiger Aufenthalt in Italien, schon durch Hillebrand auf Nietzsches Werke aufmerksam gemacht, fiel ihm 1880 „Menschliches" zufällig (s. u.) in die Hände, wandte sich im Dezember 1883 zunächst brieflich an Nietzsche und lernte ihn dann im Februar 1884 persönlich kennen. Verfasser von: Abendröte. 1887 / Erlöst vom Leid. Novelle. Rostock 1887 / Am Mittelmeer. Gedichte. St. 1890 / Herbstblätter. Gedichte. Wilh. Friedrich. Lpz. (1891). 2 B1L, 144 S. / Neue Gedichte. Lpz. 1893 / Aphorismen eines Einsiedlers. Vlg. Kreisende Ringe (Max Spohr). Lpz. 1897. 163 S., 2 Bll. (= Vlgs.-anz.). Mit Geleitwort aus Zarathustra IV. Tl. / Amor Fati. Gedichte. C. G. Naumann. Lpz. o. J. 4 Bll., 135 S., auf dem 2. Blatt: „Den Manen / Friedrich Nietzsches / gewidmet"; hatte „Menschliches" schon im Frühjahr 1880 kennengelernt durch: TEMPEL, ERNST WILHELM LEBERECHT (Nieder-Cunersdorf / Oberlausitz 4. 12. 1821 - Firenze / Italien 16. 3. 1889), Sternkündler, zunächst in Marseille und Mailand und seit 1875 Direktor der Sternwarte von Arcetri bei Florenz, lernte Nietzsche 1885 durch Lanzky persönlich kennen; s. über ihn verhältnismäßig ausführlich in: Enciclopedia Italiana. Roma (1950). 33. Bd., S. 450 f. Durch Ferdinand Tönnies soll auch die Bekanntschaft Paul Heyses mit den Werken Nietzsches im Jahre 1881 oder etwas später erfolgt sein. S. Anm. zu dem Brief Storms ν. 29. 8. 1881 an Paul Heyse in: Der Briefwechsel zw. P. Heyse u. Th. Storm. Hg. u. eri. ν. G. J. Plotke. 1. Bd. 1854-1881. J. F. Lehmann.

1880 Paul Heyse: Einer „der wundersamsten revolutionären Denker aller Zeiten"

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Die wahrscheinlich einzige Einzelbesprechung der „Morgenröte" erschien dann erst im März des folgenden Jahres: Mchn. 1917, S. 220. In der Neuausgabe des Briefwechsels (3 Bde. Hg. v. C. A. Bernd. E. Schmidt. Bln. 1969 ff.) wird Nietzsche nicht erwähnt. Obwohl zum nämlichen Brief auch eine längere Anmerkung Tönnies betreffend gegeben wird (Bd. II, S. 188 f.), nimmt der Herausgeber zu der Äußerung Plotkes keine Stellung. Auch in dem Briefwechsel StormTönnies (Meyer, Heinrich, Theodor Storm und Ferdinand Tönnies. MfdU Bd. 32, 1940, S. 355-380) fehlt der Name Nietzsche ganz; HEYSE, PAUL (Berlin 15. 3. 1830 - München 2. 4. 1914), Erzähler, Lyriker, Dramatiker, Nobelpreisträger 1910, 1854 wurde der junge Romanist aus Berlin durch Vermittlung des Freundes Geibel von König Maximilian II. nach München berufen, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. Auf eine durch die „Genealogie" angeregte Anfrage von Georg Brandes v. 30. 12. 1887 („Han synes mig den aandfuldeste af Tysklands Taenkere. Hvad er din Mening om ham?") antwortete Heyse am 2. 1. 1888: „Nietzsche halte auch ich für einen der wundersamsten revolutionären Denker aller Zeiten, der so fein organisiert ist, daß er noch Molecüle von Problemen spaltet und eine wimmelnde Welt infusorischer Gedanken entdeckt, wo Andre nur einen Wassertropfen sehen. Aber ich fürchte, diese Virtuosität des Scharfblicks verführt ihn mehr und mehr, mit den Aufgaben zu spielen wie ein indischer Jongleur mit geschliffenen Messern, ohne daß er dazu kommt, bleibende Schritte zu machen und nach aller Auflösung in die Atome der Atome das Weltbild auch wieder zu organischer Gestalt zusammenzufügen. Und welche Wandlungen hat er in seiner nervösen Rastlosigkeit schon durchgemacht, vom Wagner-Enthusiasten zum Wagnerhasser! Glaubst Du überhaupt, daß Jemand, der die Gedankenarbeit der Jahrtausende redlich nachgearbeitet hat, zu diesem unbändigen Hochmuth, dieser gigantischen Selbstigkeit gelangen kann, ohne im Wahnsinn zu enden? Das Buch freilich, das Du nennst, habe ich noch nicht gelesen." (Correspondance de Georg Brandes. Lettres choisies et annotées par Paul Krüger. III: L'Allemagne. Rosenkilde og Bagger. Copenhague 1966, S. 293 u. 295 f.). Am 14. 1. schrieb Brandes nach Empfang des „Zarathustra": „En tysk Legationssekretaer her sagde mig, at han har vaert sindssyg. Men jeg maa laese mere af ham for at kunne damme." (Ebd., S. 297). Am 20. 4. wiederholt Brandes seine ursprüngliche Frage mit Bezug auf den „Zarathustra" aber Heyse antwortet erst am 19. 12. 1889 auf die Zusendung des Brandesschen Nietzsche-Aufsatzes: „Ich selbst habe freilich mir vorzuwerfen, daß ich Dir nicht gleich geschrieben, wie Dein tiefgründiger, höchst hellsichtiger Aufsatz über Nietzsche mich erfreut hat." (Ebd., S. 312 f.). Erst im Frühjahr 1881 machten Carl von Gersdorff und Fürst Liechtenstein die Bekanntschaft mit Nietzsches seit der „vierten Unzeitgemäßen" erschienenen Werken. Peter Gast hatte sie vermittelt und schrieb darüber an Nietzsche aus Venedig am 31. März 1881: „Ihre letzten Schriften werden in der Familie Wagner verdächtigt und ebenso gegen alle dort Einkehrenden; so kannten dann der Fürst Liechtenstein und der Baron dieselben nicht, bis ich denn durch wochenlange Vorbereitungen und Einleitungen beide darauf gebracht hatte, daß alle die Ansichten, denen sie mit Vergnügen beistimmten, da und dort in Ihren Schriften zu finden seien; jetzt schwärmen sie also und wundern sich, wie sie so mit Blindheit geschlagen sein konnten."Bemerkenswert ist auch, daß in dem Werk: Otto Ribbeck, Friedrich Wilhelm Ritschi. Ein Beitrag z. Gesch. d. Philologie. 2 Bde. B. G. Teubner. Lpz. 1879 / 81 (photomech. Neudr.: Osnabrück 1967), Nietzsche, außer Anführung unter den „Bonner Zuhörern" Ritschis und den „Ordentlichen Mitgliedern des Ritschlschen societas philologa", nur zweimal erwähnt wird: im 2. Band in einer Anmerkung auf S. 401 steht er neben E. Rohde und Wilh. Clemm als „zum Häuflein junger Colonisten" gehörig, welches der Meister von Bonn nach Leipzig mitbrachte, und auf S. 442 als Anfertiger des Registerheftes zu den ersten 24 Jahrgängen des „Rheinischen Museums"; CLEMM, WILHELM (1843 - 1883), 1868 Privatdozent, zuletzt Professor in Gießen.

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1882 Rud. Lehmann: Ein Denker „von ungewöhnlicher Tiefe des Geiste und Gemüthes"

66 anonym (LCBl Bd. 33, Nr. 12 v. 18. 3. 1882, Sp. 387 f.). Besprecher findet es bedauerlich, daß der Verf. hier „wiederum seine Gedanken in aphoristischer Form ohne allen systematischen Zusammenhang" gebe, dennoch glaubt er „bei allem Läugnen der Sittlichkeit, Spuren von sittlichem Idealismus in den eigenen Bemerkungen des Verf.'s" zu finden. Kurz darauf erschien eine zweiteilige Gesamtwürdigung des Nietzscheschen Werkes bis hin zu „Der Wanderer und sein Schatten": 67 Lehmann, Rudolf, Friedrich Nietzsche. Eine Studie. (IMs 1. Jg., H. 4 f. v. April u. Mai 1882, S. 253-261, 306-322).100 Verfasser nennt Nietzsche einen Denker „von ungewöhnlicher Tiefe des Geistes und Gemüthes", einen Schriftsteller „von außerordentlichem Geist und Gehalt". In der „zweiten Unzeitgemäßen" findet er, daß sich „ein kritisches und stilistisches Talent allerersten Ranges" offenbare. Auf Grund von „Menschliches" spricht er Nietzsche ein Anrecht auf einen bleibenden Platz in der deutschen Literatur zu. Hiermit behandelt er zusammenfassend alle drei Teile. Die „Morgenröte" erwähnt er nur in einer Anmerkung, da er das Werk „aus Mangel an Zeit" nicht mehr habe berücksichtigen können. In der letzten Juliwoche 1882 lernte Arthur Egidi, der sich in Tautenburg auf die bevorstehende Aufführung des „Parsifal" in Bayreuth sammeln wollte, Nietzsche kennen und traf sich mit ihm bis in die erste Augustwoche mehrmals. N o c h einige Tage vor deren Bekanntschaft fängt seine Erzählung an: „Der um die Wohlfahrt der Gemeinde bemühte Pfarrer St. lud mich zu einer Versammlung des Verschönerungsvereins ein, der er u. a. folgendes vortrug: ,In unse100 Peter Gast irrte sich, als er Mai und Juli als Erscheinungsmonate nannte (s. Fr. Nietzsches Briefe an Peter Gast. Lpz. 1908, S. 458, Anm. 100); LEHMANN, RUDOLF (Krefeld 26. 3. 1855 - Breslau 27. 3. 1927), Philosoph und Pädagoge, damals Oberlehrer am Luisenstädtischen Gymnasium in Berlin. Zum Eindruck von „Menschliches" auf den Verfasser s. a. seine spätere Bemerkung: „Das Ergebnis [von Studien zu einem Vergleich zwischen Fichtes und Schopenhauers Willenslehre] für mich war ganz im Einklang mit dem Geiste jener Zeit, soweit dieser überhaupt eine philosophische Einstellung zuließ, ein geschlossener, kritisch begründeter Positivismus, der allem, was in der Erfahrung und ihren Formen nicht unmittelbar zu erfassen war, ein für allemal absagte und Metaphysik, religiöse wie philosophische, nur als Gegenstand psychologischer und historischer Forschung gelten ließ. Auf diesem Standpunkt wurde ich übrigens durch den Wandel bestärkt, den Nietzsches .Menschliches allzu Menschliches' in der Entwicklung dieses Denkers bezeichnete: das dem Andenken Voltaires gewidmete .Buch für freie Geister' war ja nichts anderes als ein Bekenntnis zum Positivismus und Evolutionismus." (Die Pädagogik d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen hg. v. E. Hahn. F. Meiner. Lpz. 1926, S. 119 f.). S. a. die frühere Bemerkung Lehmanns aus dem Jahre 1908, zu der Zeit als er Professor an der Kgl. Akademie in Posen tätig war, über die vorliegende Arbeit: „Einer der ersten, die über Nietzsche publizierten [...], war ich selbst und die Schrift hat später Nietzsches Anerkennung durchaus gefunden. Wie aber verhielt sich die Presse ihr gegenüber? Ich erhielt sie von 10 Zeitschriften zurück mit der charakteristischen Motivierung, daß Nietzsche nicht der Mann sei, den man derart zu würdigen brauche." (ThrnZg v. 9. 12. 1908)

1882 Arthur Egidi: Wer sind Adolf Stöcker und Hieronymus Lorm?

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rem Ort lebt gegenwärtig einer der hervorragendsten schöngeistigen (!) Schriftsteller, Friedrich Nietzsche. Er vollendet hier sein neues Werk „Die fröhliche Wissenschaft" und hält sich vornehmlich in jenem Teil des Waldes auf, den wir den „toten Mann" nennen. Dort fehlt es aber an einer Ruhebank, und ich beantrage, daß ihm eine errichtet werde mit dem Namen „Die fröhliche Wissenschaft".'" A m nächsten Tage erblickte Egidi Nietzsche zum ersten Mal: „Da nahte ein Spaziergänger, der sogleich meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm: Schlanke Männergestalt, feiner, schmaler Kopf - schmal von meinem Platz aus gesehen - dunkles Haar; auf dem zart geröteten Gesicht den Hauch eines Glücks, das nur der Siegespreis harten Kampfes ist, denn kampfbereit strebten die düsteren Augenbrauen empor. Das Auge selbst aber nahm hieran keinen Anteil. Gebrochen und hülflos schaute es unter dem Schirm hervor, den der Fremde trotz der Dunkelheit im Walde aufgespannt trug. Den Hut in der Hand, nahte er sich und bot mir einen freundlichen Gruß." Auf dem Wege nach Dorndorf „begegnete ich wiederum dem Fremden, der jetzt nach Tautenburg zurückwanderte und mich abermals durch seinen Gruß überraschte, noch ehe ich die Hand am Hute hatte". Einige Tage darauf fiel der N a m e Stöcker in Anwesenheit der beiden, und Nietzsche habe sich an den ihm noch Unbekannten mit der Frage gewandt: „,Wer ist Stoecker?' Bald aber versank er in tiefes Schweigen, das ich als willkommene Gelegenheit benutzen zu dürfen glaubte, mich ihm vorzustellen." Es erfolgte ein Gespräch über Musik im allgemeinen und Wagner im besonderen: „Nietzsche kam dann auf sein eigenes Schaffen zu sprechen und fragte: .Welche Wirkung brachte in der Berliner Presse die „Geburt der Tragödie" hervor?' Diese Frage war mir etwas peinlich, denn die mir bekannten Berliner Kritiken waren gegensätzlich, zudem hatte sich, als er von Basel fortging, in Berlin die irrtümliche Nachricht von seinem Tode verbreitet, und Gustav Engel101 hatte ihm sanft nachgerufen: ,Der ist an Wagner gestorben.' Ich bekannte Nietzsche, die Geburt der Tragödie noch nicht gelesen zu haben [...] Doch ich mußte auf den Kern seiner Frage eingehen und ihm sagen, die mir bekannten Äußerungen der Berliner Presse über die Geburt der Tragödie seien nicht wiederzugeben. Er lachte hell auf. Zu Hause angelangt, fand ich eine Postkarte folgenden Inhalts vor: ,Ich bin auf einen famosen Philosophen gefallen; seitdem ich ihn kenne, beginnt der Schnee des Alters auf meinem Haupte zu tauen. Es ist Friedrich Nietzsche: nächstens mehr über ihn.'" V o n einem etwas späteren Spaziergang heißt es: „Bei der Unterhaltung [...] nannte ich Hieronymus Lorm meinen bisherigen Lieblings-Philosophen [...] Nietzsche kannte nicht einmal den Namen Lorm [...] Von seinen früheren Werken empfahl Nietzsche noch ,Nutzen und Wert der Historie für das Leben', wie: .Schopenhauer als Erzieher'." 102 101 ENGEL, GUSTAV EDUARD (Königsberg / O s t p r . 29. 10. 1823 - Berlin 19. 7. 1895), 1862 Mu-

sikreferent an der VZg, 1874 Professor für Musik. 102 A. E., (Berlin), Gespräche mit Nietzsche im Parsifaljahr 1882. Tagebuchblätter.(DM 1. Jg., 1902, Bd. 4, S. 1892-1899). Einige Aufmerksamkeit verdient wohl auch ein gegen Schluß

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1882 Aufnahme in Hugo Riemans „Musiklexikon"

T r o t z der A u f n a h m e i n Ü b e r w e g s „ G r u n d r i ß " ( N r . 63) w u r d e N i e t z s c h e z u dieser Z e i t a u c h n o c h als „ p h i l o l o g i s c h e r Schriftsteller" v e r z e i c h n e t : 68 Pökel, W., Philologisches Schriftsteller-Lexikon. Alfred Krüger. Lpz. 1882, S. 191: „Nietzsche,Friedrich, geb. 1844 in Röcken b. Lützen, Prof. (em.) in Basel: Beiträge zur Quellenkunde des Laertes Diogenes. Bas. 1870, 4. D i e Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Chemnitz. Lpz. 1872. Philos, u. musikgesch. Sehr." S c h o n 1882 w i r d N i e t z s c h e m i t e i n e r 1 6 z e i l i g e n W ü r d i g u n g a u c h in das v o n H u g o Riemann103 verfaßte „Musiklexikon" a u f g e n o m m e n : 69 Vlg. d. Bibliograph. Instituts. Lpz. 1882, S. 633. Besonders hervorgehoben wird die „Geburt", die zu denen Schriften gehöre, „welche den Künstler so in phantastische N e b e l hüllen, daß er z u m G o t t wird". 69a Dass., 4. vollst, umgearb. Aufl. Max Hesse's Vlg. Lpz. 1894, S. 742 f. D i e 2. und 3. Auflagen sind, was Nietzsche betrifft, unverändert, in vorliegender werden dem ,,geniale[n] Philosoph[en]" nun 24 Zeilen gewidmet, da seine Schriften „in ihrer Gesamtheit eine in der Litteratur einzige Stellung einnehmen" u n d „vieles

geschildertes Ereignis aus der ersten Krankheitszeit: „Im Sommer 1890 kam ich in ein ländliches Pfarrhaus, nahe an der brandenburgisch-schlesischen Grenze gelegen. Man unterhielt sich von Nietzsche. ,Und Sie kennen meinen Vetter?' fragte mich die Frau des Hauses. ,Wen meinen Sie?' ,Nun den Fritz Nietzsche', fuhr sie fort. ,Wir haben kürzlich Nachricht von Tante Nietzsche erhalten, Fritz spielt mit Pfennigmünzen und die Mutter muß ihn, wie als Kind, in die Kirche führen, wo er sich einzig ruhig fühlt.'"; EGIDI, ARTHUR (Berlin 9. 8. 1859 - ebd. 3. 6. 1943), Organist und Komponist, Professor am akademischen Institut für Kirchenmusik in Berlin, damals Schüler der Königlichen Hochschule. 103 In seiner 1901 erschienenen „Geschichte der Musik seit Beethoven (1800-1900)" meinte er: „Eine zusammenfassende Würdigung Wagners in seiner Stellung zu den großen Meistern wie Bach und Beethoven drängt vor allem die Frage nach der ethischen Wertung von Wagners Musik auf die Lippen. Da aber fällt zunächst das Parallelgehen von Wagners Kunstschaffen mit der philosophischen Richtung Friedrich Nietzsches auf; die Helden Wagners seit Tristan predigen die modernen Lehren von der absoluten Souveränität des Ich und wenn die Verehrung Nietzsches für Wagner, welche zuerst in [...] ,Die Geburt der Tragödie' [...] zum weihrauchspendenden Ausdrucke kam, aber mit Wagners Hinwendung zum mittelalterlichen christlichen Mystizismus im .Parsifal' in das Gegenteil umschlug [...], so spricht sich darin nicht sowohl der Verfall des [so!] Geisteskräfte Nietzsches aus, als vielmehr der Unwille über den scheinbaren Abfall Wagners von Nietzsches Lehren. Ich sage der scheinbare Abfall; denn in Wirklichkeit ist Wagner niemals der Ubermensch gewesen, für den ihn Nietzsche zeitweilig gehalten." (W. Spemann. Bln. u. St., S. 490 f.); RIEMANN, HUGO (Großmehlra b. Sondershausen 18. 7. 1849 - Leipzig 10. 7. 1919), Musikwissenschaftler, promovierte 1874 zu Göttingen, habilitierte sich 1878 zu Leipzig, wo er von 1895 bis zum Tode führend wirkte. Nietzsche erwähnte ihn „mit Auszeichnung" im September 1888 im „Fall Wagner" (§ 11). Uber sein Ringen um „die moderne Musiklehre" gegen Ende des vorigen Jahrhunderts schrieb er: „Entscheidend wurde der Moment, wo Friedrich Nietzsche das erlösende Wort fand, daß die musikalische Phrase die einzelne Geberde des musikalischen Affekts sei (Briefe I, 373'*)." (System der musikalischen Rhythmik und Metrik. Breitkopf & Härtel. Lpz. 1903, S. viii. In der Anmerkung zu gerade dieser Stelle heißt es aber: „Die Erkenntnis läuft aber auf Richard Wagner zurück (Oper und Drama III. 5, Ges. W. IV, S. 220), [...]"

1882 Der Künstler werde „so in phantastische Nebel" gehüllt, „daß er zum Gott wird"

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Interessante bezüglich der Musik" enthalten. 69b Dass., 5. vollst, umgearb. Aufl. 1900, S. 790. Die musikalische Begabung wird erwähnt und einiges Schrifttum aufgeführt. 69c Dass., 6. vollst, umgearb. Aufl. 1905, S. 926. Auf 41 Zeilen angewachsen wird jetzt auch auf den philologischen Streit um die „Geburt" hingewiesen sowie einiges neuere Schrifttum aufgeführt. 69d Dass., 7. vollst, umgearb. Aufl. 1909, S. 994. Zum Schrifttum ist einiges hinzugekommen, sonst unverändert. 69e Dass., 8. vollst, umgearb. Aufl. Bln. u. Lpz. 1916, S. 776. Die Stellungnahme bleibt weiterhin unverändert, es werden aber die eigenen musikalischen Werke hervorgehoben. 69f Dass., 9. v. Verf. noch vollst, umgearb. Aufl. [...] fertiggestellt v. Alfred Einstein. 1919, S. 822 f. Mit einem kurzen Hinweis auf eine „Reihe von Nachtragbänden" zur lObändigen Werkausgabe, sonst unverändert. 69g Dass., 10. Aufl. bearb. v. Alfred Einstein. Bln. 1922, S. 895. Als einziger Zusatz erscheint die Hinzunahme des Werkes von Walter Dahms zum erwähnten Schrifttum. 69h Dass., 11. Aufl. 1929, S. 1271. Jetzt erst seien gerade die Wagner Schriften „die tiefsten und eindringlichsten Wagnerbücher überhaupt". Er habe u. a. „die Erkenntnis der seelischen Grundlagen der Antike und damit unsere ganze Kunsterkenntnis auf eine völlig neue Grundlage gestellt". 69i Dass., 12. völlig neubearb. Aufl. [...] hg. v. Wilibald Gurlitt. Bd. II: L-Z. B. Schott's Söhne. Mainz 1961, S. 316 f. Die Eintragung dehnt sich über fast drei längere Spalten hin, dank vor allem einer eingehenden Darstellung des Lebens, aber auch der ausführlichen Würdigung der Einsichten zur Rhythmik. Das Schrifttum erfaßt hauptsächlich das zum Verhältnis zur Musik und zu Wagner: „N.s Schriften über Wagner sind das Wertvollste, was es an zeiteigener Wagnerliteratur gibt [...]" 69j Dass., Ergänzungsbd. hg. v. Carl Dahlhaus. 1975, S. 275 Bringt hauptsächlich viel zusätzliches Schrifttum: Vertonungen, Werke und Literatur. 69k Dass., (13. Aufl). 2. Bd.: L-Z. Hg. v. Carl Dahlhaus u. Hans Heinrich Eggebrecht. Brockhaus. Wiesbaden / Schott. Mainz 1979, S. 212 f. Die Darstellung sowie das Schrifttum sind wesentlich gekürzt, wozu als etwaige Erklärung folgende Äußerung dienen mag: „Als Komponist von geringer Bedeutung, war N . für Philosophie, Literatur und Kulturkritik des Fin de siècle von um so größerem Einfluß, der bis weit ins 20. Jh. bestimmend blieb." In einer vierseitigen im August 1882 erschienenen Verlagsanzeige zu „Schmeitzner's Internationalen Monatsschrift" heißt es: „Den Charakter dieser Monatsschrift glaubt die Verlagshandlung am treffendsten zu bezeichnen, wenn sie sagt, daß er derselbe ist, den sie durch den Verlag ihrer

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1882 Die fröhliche Wissenschaft

sonstigen W e r k e bezeugt hat und wie er durch die bekannten N a m e n B r u n o Bauer, Friedrich Nietzsche und Eugen Dühring angedeutet wird." 1 0 4 I m D e z e m b e r 1 8 8 1 b e g a n n s c h o n die A r b e i t a m n ä c h s t e n W e r k , das v o r e r s t als eine F o r t s e t z u n g d e r „ M o r g e n r ö t e " g e d a c h t w a r . E n d e J a n u a r 1 8 8 2 s c h i c k t e N i e t z s c h e das M a n u s k r i p t an P e t e r G a s t , diesmal a b e r n u r z u r D u r c h s i c h t , d a G a s t n i c h t z u r A b s c h r i f t k a m . I m A p r i l las e r aus d e m M a n u s k r i p t

im

K r e i s e M a l w i d a v o n M e y s e n b u g s in R o m v o r . Z u m K r e i s e g e h ö r t e n u . A . P a u l R è e u n d L o u S a l o m e . I m J u n i w u r d e das M a n u s k r i p t d a n n e n d l i c h f e r t i g u n d in N a u m b u r g m i t H i l f e d e r S c h w e s t e r e i n e m S c h r e i b e r d i k t i e r t . D a s W e r k e r s c h i e n E n d e A u g u s t 1 8 8 2 in e i n e r A u f l a g e v o n 1 0 0 0 S t ü c k m i t H i l f e v o n P e t e r G a s t , d e r a u c h h i e r z u K o r r e k t u r las: X Die / fröhliche Wissenschaft. / V o n / Friedrich Nietzsche. / [Leitspruch:] „ D e m D i c h t e r und Weisen sind alle Dinge be- / freundet und geweiht, alle Erlebnisse nützlich, / alle Tage heilig, alle Menschen göttlich." / E m e r s o n . / C h e m n i t z 1882. / Verlag v o n Ernst Schmeitzner. / (darunter wie zu VIII mit folgenden Änderungen: Paris C . Klincksieck 11 Rue de Lille. R o m (Turin,Florenz) Loescher & C o . 3 0 7 Via del C o r s o . ) 2 5 5 S. (Druck v o n Β. G . Teubner in Leipzig). 8°. 1 0 5

104 Falls die Hefte der Zeitschrift, die zusammen mit Nietzsches Handbibliothek und den sonstigen Archivbeständen vollständig vorliegen, noch die sind, die er monatlich zugesandt erhielt, ist es wert vermerkt zu werden, daß sie alle, bis auf die drei ihn unmittelbar betreffenden, noch im Juli 1985 unaufgeschnitten vorlagen. 105 Exemplare gingen an: Marie Baumgartner, Biilow, Burckhardt, Credner, Gast, Gersdorff, Heinze, Keller, Overbeck in Dresden, Rohde (der am 1. 1. 1883 an Overbeck schrieb: „Ich wünschte ihm Glück zu wirklicher Durchdringimg mit seinen neuen Anschauungen, die früher oft etwas nur Gewolltes haben, nun aber wirklich seine Natur geworden zu sein scheinen; das Persönliche seines Buches erfreute mich, besonders der Hauch neugewonnener Gesundheit und eine Art Heiterkeit darin." O. C., Erwin Rohde, a. a. O., S. 115), Frau Rothpietz in München, Freiherrn von Stein sowie an: BRAHMS, JOHANNES (Hamburg 7. 5. 1833 - Wien 3. 4.1897); BUNGERT, AUGUST (Mühlheim / Ruhr 14. 3. 1846 - Leutersdorf / Rh. 26. 10. 1915), Komponist, lernte Nietzsche in Genua Anfang März 1883 persönlich kennen. Max Chop überlieferte einige Zeilen, die Nietzsche „zu Beginn der achtziger Jahre" in Italien, „als er einen Einblick in den musikalischen und dichterischen Gedankengang" von Bungerts „Lebenswerk", nämlich der „Homerischen Welt", gewonnen, diesem ins Stammbuch geschrieben habe: „Wer viel einst zu verkünden hat, / schöpft viel in sich hinein; / wer einst den Blitz zu zünden hat, / muß lange Wolke sein." (M. C., August Bungert, ein deutscher Dichterkomponist. Eine monographische Studie. H. Seemann Nf. Lpz. 1903, S. 123). S. hierzu den etwas anderen Wortlaut in den „Gedichten und Sprüchen" (BI) und die Anmerkung der Schwester dazu: „Widmung, die mein Bruder Herrn August Bungert in Genua am 14. März 1883 in ein Exemplar der .Morgenröthe' schrieb." (S. 197); SALOMÉ, LOU(ISE) (St.Petersburg 12. 2. 1861 - Göttingen 5. 2. 1937), Tochter eines russischen Generals hugenottischer Abkunft, Sept. 1880 traf sie mit ihrer verwitweten Mutter in Zürich ein und besuchte die Universität, Januar 1882 reiste die Mutter mit der inzwischen lungenkrank gewordenen Lou nach Rom zur Erholung; durch Gottfried Kinkel, bei dem sie in Zürich Kunstgeschichte gehört hatte, erhielt Lou ein Empfehlungsschreiben an Malwida von Meysenbug, bei ihr lernte sie dann im März 1882 Paul Ree und im März oder April darauf durch diesen Nietzsche kennen; wiederholtes Zusammensein bis Anfang No-

1882 Lou Salomé: Der „Sadomasochist an sich selber"

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Einige Monate vergingen, ehe die ersten Besprechungen erschienen: 70 (Wagner, Ernst), Friedrich Nietzsche's neuestes Buch: „Die fröhliche Wissenschaft". (IMs 1. Jg., H. 11 v. Nov. 1882, S. 685-695). In dieser durchaus zustimmenden Anzeige nennt Wagner Nietzsche den bisher einzigen „Poet dieser Zeitschrift", 106 vember 1882. Sie heiratete den Orientalisten Friedrich Carl Andreas (Batavia / Java 14. 4. 1846 - Göttingen 3. 11. 1930) am 21. Juni 1887, Herbst 1903 Übersiedlung nach Göttingen (ihr Exemplar mit folgender Widmung versehen: „Freundin, sprach Columbus, traue / Keinem Genuesen mehr! / Immer starrt er in das Blaue / Fernstes zieht ihn allzusehr! / Wen er liebt, den lockt er gerne / Weit hinaus in Raum und Zeit, - / Ueber uns glänzt Stern bei Sterne / Um uns braust die Ewigkeit.") Etwa drei Jahrzehnte später vermerkte sie in Tagebuchaufzeichnungen: „Insofern als grausame Menschen immer auch Masochisten sind, hängt das Ganze mit einer gewissen Bisexualität zusammen. Und es hat einen tiefen Sinn - . Als ich zum ersten Mal im Leben mit jemandem dies Thema besprach, war es Nietzsche (dieser Sadomasochist an sich selber). Und ich weiß, daß wir hinterher nicht wagten, uns anzusehn." (L. A.-S., In der Schule bei Freud. Tagebuch eines Jahres 1912 / 1913. (A. d. Nachlaß hg. v. Ernst Pfeiffer). M. Niehans. Zur. (1958), S. 155 f.). Man lese auch ebd., S. 286, in einem Nachruf auf Lou von Freud, der die Einzelheiten zu seiner Würdigung sehr wohl von ihr selber erfahren haben kann: „Man wußte von ihr, daß sie als junges Mädchen eine intensive Freundschaft mit Friedrich Nietzsche unterhalten hatte, gegründet auf ihr tiefes Verständnis für die kühnen Ideen des Philosophen. Dies Verhältnis fand ein plötzliches Ende, als sie den Heiratsantrag ablehnte, den er ihr gemacht hatte." Weitere Erwähnungen Nietzsches finden sich auf S. 55, 66, 107, 124, 251, 253, 261 f., 269, 289, 291; ZDEKAUER, LUDWIG (Prag 16. 5. 1855 - Florenz 30. 4. 1924), Rechtshistoriker, verließ seine Vaterstadt schon 1880, seit 1889 Privatdozent für italienische Rechtsgeschichte in Siena, seit 1893 italienischer Staatsbürger, Bekannter Gasts in Venedig; nicht Konrad, Ritter von Zdekauer, wie A. Mendt 1924 bei der Herausgabe der Briefe Gasts an Nietzsche annahm. Aus Zdekauers unveröffentlichten, im GSA in Weimar aufbewahrten Briefen an Gast geht hervor, daß er diesen seit spätestens Winter 1879 / 80 kannte und beiden, Gast und Nietzsche, sehr wohl einen Besuch Anfang April in Venedig abgestattet haben kann. Mit von Gersdorff stand er auch im brieflichen Verkehr. Neben eher flüchtigen Erwähnungen der zweiten „Unzeitgemäßen" im Jahre 1881 steht eine Be- und Verurteilung von „Menschliches", von dem ihm aber nur „der Schluß, die Sprüche, in die Hand gekommen" seien, in einem Brief vom 15. 6. 1881. Abschließend meint er: „Gerne würde ich Ihnen noch einige Beobachtungen mittheilen, die ich über .Menschliches, Allzumenschliches' gemacht habe, und die vielleicht für Prof Nitzsche [so!] selbst von Interesse wären, indem sie ihm eine Klasse seiner Wiener Leser vorführen würden, die ich aus Glossen des Exemplars kennen lernte, welches ich in der .Last'schen Leihbibliothek' benutzte." Recht bitter klingen dann noch die Zeilen in einem Brief vom 7. 10. 1881: „Aber wir Anfänger, die wir nicht, wie Nitzsche, das Glück einer Empfehlung durch Ritsehl haben, müssen arbeiten, wie echte Gesellen [...]" 106 Anfang Juni 1882 waren sechs Gedichte Nietzsches erschienen: X Idyllen aus Messina. / Von / Friedrich Nietzsche, [d. s.: Prinz Vogelfrei, Die kleine Brigg, genannt „das Engelchen", Lied des Ziegenhirten, Die kleine Hexe, Das nächtliche Geheimniss, „Pia, caritatevole, amorosissima", Vogel Albatross, Vogel-Urtheil]. IMs 1. Jg., H. 5 v. Mai 1882, S. 269-275. Schwester und Mutter erfuhren von den Gedichten durch das ihnen zugesandte Manuskript. Bis auf „Die kleine Brigg, genannt ,das Engelchen'" und „Pia, caritatevole, amorosissima" wurden die Gedichte dann mit nicht unwesentlichen Änderungen, hauptsächlich Kürzungen und Erweiterungen, in die „Lieder des Prinzen Vogelfrei" in die „neue Ausgabe" der „Fröh-

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1882 Idyllen aus Messina

71 H . D., (Geg Nr. 3 v. Jan. 1883, S. 46). Eine kurze Anzeige der „fröhlichen Wissenschaft", in der behauptet wird, Nietzsches „eigentliche Domäne ist die Seelenprüfung, doch schütte er in der Kritik unserer moralischen Urtheile oft das Kind mit dem Bade aus", dennoch müsse man „immer seine Gedankenfülle, seine stilistische Meisterschaft bewundern".

Als erster der späteren Führer der „Grün"- oder „Jüngstdeutschen" wurde und machte M. G . Conrad auf Nietzsche aufmerksam: 72 Conrad, M. G., Madame Lutetia! Neue Pariser Studien. Wilh. Friedrich. Lpz. o. J . (1883). 1 Bl., iv, 465 S. In berichtartigen Aufsätzen datiert vom 15. Oktober 1881 bis zur Jahreswende 1882 / 83 schreibt der Verfasser über französische Zustände meist kultureller, aber auch politischer Art. Immer wieder betont er dabei, daß Deutschland sich von der Ausländerei lossagen und eigene Wege suchen müsse. Im X X I I . Abschnitt unter dem Datum vom 1. Februar 1882 (S. 278-302) nimmt er die Zusendung von den ersten drei Heften der Schmeitznerschen „Internationalen Monatsschrift" zum Anlaß, sich über diese im besonderen und internationale Zeitschriften im allgemeinen auszulassen. Darin erwähnt er anerkennend, wenn auch nicht zustimmend den Namen Nietzsche zweimal: „Ich bin keineswegs mit dem hochachtbaren Denker Friedrich Nietzsche einverstanden, wenn er das Paradoxon aufstellt: ,Gut deutsch sein heißt sich entdeutschen.' Denn wenn man auch die nationalen Unterschiede nur im Unterschiede verschiedener Kulturstufen finden wollte, wie Nietzsche thut, so ist damit noch nichts über den inneren Werth dieser Unterschiede selbst ausgesagt. Wenn man aus einem gegebenen Nationalcharakter heraus gegen die Ausländerei argumentiert, so geschieht dies eben unter steeter Hervorkehrung des Wesentlichen, Eigentümlichen, Wurzelhaften, Bleibenden der Volksseele, und auf die Frage: was ist deutsch? lassen wir uns nicht mit der ironischen Gegenfrage abspeisen: was ist gerade jetzt deutsch?" (S. 289 f.) O b der Name Nietzsche dem Verfasser durch den Verlegernamen Schmeitzner oder durch die eigene Beschäftigung mit Wagner und Schopenhauer erneut nahegelegt wurde, geht aus dem Buche nicht hervor. Der Verfasser hielt laut Angaben auf S. 166 f. im Wintersemester 1881 / 82 im deutschen Turnverein in Paris u.a. zwei Vorträge: „Richard Wagner" und „Schopenhauer und Leopardi". Die Stellen bei Nietzsche sind im Anhang zu „Menschliches": „Vermischte Meinungen und Sprüche", 1879, S. 141, Nr. 323, nur das Wort „gerade" ist ein Einschub Conrads. S. a.: M. G. C., Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann, S. 60 f.: „In den Wintern 1880-82 hielt ich in Paris selbst Vorträge in französischer und deutscher Sprache, zunächst mit Max Nordau und anderen jüngeren Gelehrten im deutschen Turnverein, in der Association internationale, dann eine ganze Serie im Institut Polyglotte. Ich sprach über Richard Wagners Meistersinger, über Schopenhauer (mit Herbeiziehung der Nietzscheschen berühmten Unzeitgemäßen) [,..]" 107

liehen Wissenschaft" 1887 aufgenommen. Hier i m Peter Gast noch mal, der Juni als Erscheinungsmonat angibt (a. a. O., S. 458). 107 Ende 1882 war auch Conrads Schrift „Flammen! Für freie Geister" im selben Verlage er-

1882 Ein Berliner Kreis um Paul Ree und Lou Salomé

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Vom Dezember 1882 bis zum Winter 1886 / 87 bildete sich um Ree und Lou Salomé ein Kreis in Berlin. Unter den Mitgliedern befanden sich zeitweilig: Heinrich von Stein, Georg Brandes, der Historiker Hans Delbrück, Paul Deussen, der experimentelle Psychologe Hermann Ebbinghaus, W. Halbfaß, der Metaphysiker Ludwig Haller, Max Heinemann, Julius Gildemeister, Hugo Göring, Paul Güßfeldt, Wilhelm Grube, Ferdinand Laban, Rudolf Lehmann, Heinrich Romundt, Georg Runze, Baron Carl von Schultz aus Livland, Ferdinand Tönnies und Ludwig Hüter. 108 Daß Nietzsche und schienen. Darin erwähnt er Nietzsche zweimal. Zum einen habe dieser „ganz meine Empfindungen getroffen", nämlich hinsichtlich Bismarcks (S. 49 f.; eine achtzeilige Stelle aus der „Morgenröte". Bd. IV, S. 163 f., Aph. Nr. 167). Zum anderen habe sich „der hochgesinnte Denker Friedrich Nietzsche in seinem ideenreichen Buche ,Der Wanderer und sein Schatten' jüngst also vernehmen lassen". Es folgt die Stelle über das „Mittel zum wirklichen Frieden" (S. 77 f.; zweiseitig, Bd. III, S. 345 f., Aph. Nr. 284). 108 Uber diese Zeit schrieb Tönnies später: „Als ich mit Ree öfter zusammen war - es war kurz nach seiner Trennung von Nietzsche, im Jahre 1883 - äußerte er sich gegen mich dahin, Nietzsche sei viel bedeutender in seinen Briefen als in seinen Büchern und noch bedeutender in Gesprächen als in Briefen." (F. T., Paul Rèe, in: D F W Nr. 17, 1. Dez.-heft 1904, S. 670). S. a. Deussens Erinnerungen: „So erschienen eines Tages bei mir, vielleicht im Jahre 1883, Dr. Paul Ree und Luise v. Salomé [...] Sie pflegten in einer Pension in der Hedemannstraße zu wohnen und kamen, wie gesagt eines Nachmittags bei mir an. Es wurde ein philosophisches Kränzchen arrangiert, an welchem außer Lou, Rèe und mir auch noch Dr. Romundt und später Heinrich von Stein, Privatdozent der Universität teilnahmen." (P. D., Mein Leben, a. a. O., S. 220 f.); DELBRÜCK, HANS (Bergen / Rügen 11. 11. 1848 - Berlin 14. 7. 1929), Geschichtswissenschaftler, 1881 Dozent, 1883-1919 Schriftleiter der PJb, 1885 ao„ 1895 o. Professor in Berlin als Nachfolger Treitschkes; EBBINGHAUS, HERMANN (Barmen 24. 1. 1850 - Halle 26. 2. 1909), Experimentalpsychologe, 1880 Privatdozent, 1885 ao. Professor in Berlin, seit 1894 Professor in Breslau, seit 1908 in Halle, begründete 1889 die „Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane"; GRUBE, WILHELM (St.Petersburg 17. 8. 1855 - Berlin 2. 7. 1908), Sinologe, seit 1883 als Direktorialassistent am Museum für Völkerkunde in Berlin; GÜSZFELDT, PAUL (Berlin 14. 10. 1840 - ebd. 17. 1. 1920), habilitierte sich 1868 für Mathematik in Bonn, wurde darauf Forschungsreisender und Bergsteiger; HALBFASZ, WILHELM (Hamburg 26. 6. 1856 - Jena 29. 10. 1936), Seen- und Gewässerforscher, leistete damals, ab Frühjahr 1882, sein Probejahr am Köllnischen Gymnasium ab, war darauf bis Ostern 1884 in Berlin verschiedentlich Hilfs- und Hauslehrer. Er schrieb in seinem Erinnerungswerk (Mein Leben. Erinnerungen eines Achtzigjährigen. G. Neuenhahn. Jena (1936), S. 39 f.) über einen „ausgewählten Kreis philosophisch interessierter Menschen", den Regierungsrat a. D. Dr. Haller um sich versammelt hatte und dem, neben F. Paulsen, Prof. Lehmann, „die beiden Brüder Kunze" (wohl fehlerhaft für „Runze"), Ferdinand Tönnies und Dr. von Gizycki, Paul Rèe und Lou Salomé angehörten: „Wir versammelten uns, gewöhnlich vierzehntägig, in der Wohnung Hallers [...] und diskutierten dann nach einem einfachen Imbiß über philosophische Tagesfragen, natürlich nicht wahllos, sondern nach einem vorher verabredeten festen Plan. Es waren in der Hauptsache Weltanschauungsfragen großer Männer, die uns interessierten und die Aussprachen gingen oft hart an hart aufeinander [...]" Er erzählt dann weiter von seinen Schulferien Ende Juli / Anfang August 1883: „In Churwalden traf ich mich in einer netten Pension mit Tönnies, Rèe und Lou Salomé zu einem beinahe dreiwöchentlichen Aufenthalt. Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nicht soviel philosophiert, wie in dieser .Erholungszeit'. Beim Frühstück, beim Spazierengehen, beim Mittagessen, bei der Jause und abends vor dem Zubettgehen - wurden

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1882 Gegnerschaft des Hofpredigers Stöcker

seine Werke des öfteren den Gesprächsstoff hergaben, lassen die N a m e n der Beteiligten kaum bezweifeln. Bekanntschaft mit Nietzsches Werken beim Herrn „Hofprediger Stöcker" wird um diese Zeit durch folgende briefliche Äußerung Schmeitzners an Nietzsche bezeugt: „Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit Ihnen zu sagen, daß Herr Hofprediger Stöcker, welcher letzten Winter das Gespräch auf Ihre Bücher hier bei mir brachte, gar kein Freund derselben ist. Es war schreckhaft anzuhören, wie er auf Ihre Behandlung des Christenthums raisonnirte [...] Allein, ich hoffe es wird bei den Antisemiten auch noch hell werden [,..]" 109 Im Frühjahr 1883 machte Nietzsche die Bekanntschaft von Levin Schücking und dessen Tochter Theo in Rom. 1 1 0 In der umfassenden zweibändigen „Geschichte der classischen Philologie in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart" von Conrad Bursian widerfuhr Nietzsche noch eine volle Würdigung als Philologen. Dort liest man: „Für die Erforschung der von Diogenes für die Compilation seines Werkes benutzten Quellen hat ein jüngerer deutscher Philologe, der leider seit 1879 durch Kränklichkeit sich genöthigt gesehen hat, seine Lehrtätigkeit an der Universität und am Pädagogium zu Basel einzustellen, Friedrich Wilhelm Nietzsche (geboren in Rök-

philosophische Themen erörtert. Nur die Nacht blieb philosophiefrei! [...] Tönnies vertrat den englischen Philosophen und Soziologen Hobbes, [...] Lou und Ree Nietzsche, ich selbst Fechner. Salomé und Ree waren durch mehrmonatliches Zusammensein mit Nietzsche in Sils Maria im Vorjahre mit dessen Ideen auf das genaueste vertraut und ich habe durch sie einen Einbück in den Philosophen gewonnen, der auf das schärfste kontrastiert mit seiner Verhimmelung in der Gegenwart. Nietzsche hat es geradezu als ein großes Übel bezeichnet, daß die schlechten Triebe im Menschen sich nicht ausleben könnten, hauptsächlich deswegen, weil sie im Leben von der Gesellschaft daran gehindert werden!! Nietzsche war also ungeachtet seiner Genialität, die ihm nicht abzusprechen ist, ein durchaus asozialer Mensch, stand also zu dem heutigen Nationalsozialismus im denkbar schärfsten Gegensatz." (ebd., S. 41 f.); HALLER, LUDWIG, stürzte sich angeblich Oktober 1887 in die Nordsee, sein Werk „.Alles in Allen'. Metalogik, Metaphysik, Metapsychik" erschien noch im Jahre darauf; RUNZE, GEORG (Woltersdorf / Pommern 13. 2. 1852 - 22. 2. 1938), 1880 Privatdozent in Berlin, später Professor der protestantischen Theologie ebendort; GLZYCKI, GEORG VON (1851 - 1905), ao. Professor der Philosophie in Berlin; RUNZE, MAX (Woltersdorf / Pommern 8. 8. 1849 - Berlin 8. 5. 1931), seit 1882 Prediger an der St. Johannis-Moabit-Kirche zu Berlin, auch politisch tätig und seit 1910 Landtagsabgeordneter. 109 K G B III, 2, S. 400; STÖCKER, ADOLF (Halberstadt 11. 12. 1835 - Gries b. Bozen 8. 2. 1909), seit 1874 Hof- und Domprediger in Berlin, 1890 wegen politischer Tätigkeit entlassen, Gründer der Christlich-sozialen Partei. 110 SCHÜCKING, LEVIN (Klemenswerth 6. 9. 1814 - Bad Pyrmont 31. 8. 1883), Schriftsteller; SCHÜCKING, THEO (Köln a. Rh. 19. 4. 1850 - Rom Anfang Juni 1903), Tochter des Vorigen, gab 1893 den Briefwechsel zwischen ihrem Vater und Annette von Droste-Hülshoff heraus.

1883 Also sprach Zarathustra

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ken bei Lützen 15. October 1844), Treffliches geleistet." 111 In der dazugehörigen Anmerkung werden die sonstigen philologischen Veröffentlichungen als „beachtenswerthe Arbeiten" aufgeführt. Auf die Erwähnung Nietzsches im Text folgt die Erwähnung „einer größeren diesbezüglichen Arbeit von U . von Wilamowitz-Moellendorff", jedoch ohne irgendein bewertendes Beiwort.

Im Januar und Februar 1883 entstand der erste Teil des „Zarathustra", zu dem Nietzsche selbst das Druckmanuskript fertigte. Peter Gast las aber wieder Korrektur mit, und das Werk erschien Ende August 1883 in einer Auflage von 1000 Stück: X I Also / sprach Zarathustra. / Ein Buch / für / Alle und Keinen. / V o n / Friedrich Nietzsche. / Chemnitz 1883. / Verlag von Ernst Schmeitzner. (darunter wie zu VI bis auf: Paris W . Fischbacher 33 Rue de Seine. N e w - Y o r k E . Steiger & C o . 25 Park Place, und die Londoner Stelle wie zu VIII). 114 S. (Druck von B. G . Teubner, Leipzig). 8°. 112

111 2. Hälfte. R. Oldenbourg. Mchn. u. Lpz. 1883, S. 929 (= Gesch. d. Wissenschaft in Deutschland. Neuere Zeit. 19. Bd.); BURSIAN, CONRAD (1830 - 1883), klassischer Philologe, habilitierte sich 1856 zu Leipzig, wirkte später in Tübingen, Zürich, Jena und München. Nach Eduard His (Friedrich Nietzsches Heimatlosigkeit, in: BZfGA 40. Bd., 1941, S. 162) hatte Bursian Nietzsches Namen im Dezember 1868 zuerst erwähnt, als es galt die Stellung an der Basler Universität zu besetzen. 112 Exemplare an: Marie Baumgartner, Bülow, Burckhardt, Gast, Gersdorff, Hillebrand, Keller, Malwida (sie hatte kurz vorher, am 8. 6. 1883, an Heinrich von Stein geschrieben: „Nietzsche war jetzt kurze Zeit hier [...], und ich freue mich, [...] daß in Erfüllung geht, was ich immer, auch in Wahnfried, vertreten habe, daß jene Epoche seiner Entwicklung, die wir alle beklagten, nur eine Durchgangsphase war. Der edle Grund in ihm ist unverletzt [...], und auch sein Verhältnis zu unserem Toten, ,den er geliebt hat wie nie einen Menschenwird wieder ins rechte Licht treten [...]" nach: M. v. M. an H. v. S. Unveröffentlichte Briefe, mitgeteilt v. Dr. Götz von Seile. DTh 28. Jg., Nr. 5 v. Febr. 1926, S. 402, nur falsch auf das Jahr 1884 datiert), Overbeck, Rohde (der am 9. 12. 1883 an Overbeck schrieb: „Nietzsches Buch habe ich größtenteils mit wahrer Bewunderung gelesen. Ich finde auch die Form nicht nur geschickt und geistreich gehandhabt [...], sondern überhaupt sehr angebracht: so kann er doch seine Gedanken und Wallungen noch aus sich heraussetzen, sie nehmen mehr den Charakter eines Kunstwerks an, den Ausdruck einer Stimmung, die man nicht eigentlich und notwendig hat, sondern nur durch Vermittlung der Phantasie annimmt, wie eben der Dichter die Stimmung und Art seiner Charaktere als deren Stimmung, nicht als seine - wiewohl von seinem eigenen Herzblut darin ist. Und das betrachte ich für ihn als ein Glück, als einen Fortschritt. Denn ich habe längst das Gefühl, als ob Nietzsche wesentlich litte [...] an einer Fülle von Poesie, die nicht in eigentliche Dichtung sich niederschlagen will und ihm nun im Innern Fieber und Not macht." Bernoulli, I, a. a. O., S. 374; auch bei Crusius, S. 116. Volkelt berichtete: „Es war in Klosters 1884, wo mich R. mit warmen Worten zum Lesen Zarathustra, den er mit sich führte, bewog." Ebd., S. 114), Lou Salomé, die Schwester, von Stein, Tönnies und Hans von Wolzogen; s. hierzu die Meinungen von Bülow und Hillebrand: „Ein verrücktes Buch, aber interessant, gar nicht unbedeutend, von Nietzsche ist mir neulich zu Händen gekommen. .Also sprach Zarathustra' ist's betitelt und im Offenbarungsstile aufgesetzt. Ich hätte Lust es Dir zu senden, wenn Du nicht dagegen protestirst." (von Bülow an Hillebrand, Meiningen, den 8. 9. 1883, in: H. v. B., Briefe und Schriften, a. a. O., Bd. 7, S. 220); „Mit dem Zarathustra ist mir's sonderbar ergangen.

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1883 Künstlerischer Umgang in Rom

Kurz vor dem „Zarathustra" war eine kurze, wohlwollende Anzeige der „fröhlichen Wissenschaft" erschienen: 73 anonym (LCB1 Bd. 34, Nr. 19 v. 5. 5. 1883, Sp. 644 f. A m 2 6 . A u g u s t 1 8 8 3 e r w ä h n t N i e t z s c h e in e i n e m Brief an P e t e r G a s t : „[...] die erste Besprechung des ersten Zarathustra, die mir zugesandt wird (von einem Christen und Antisemiten, und, sonderbarerweise, im Gefängnisse entstanden) macht mir Muth, insofern auch da sofort die populäre Position, die einzig an mir begriffen werden kann, eben meine Stellung zum Christenthum, gut und scharf begriffen ist. ,Aut Christus, aut Zarathustra!' Oder auf deutsch: es handelt sich u m den alten längstverheißenen Antichrist - so empfinden es die Leser. D a werden alle Vertheidiger .unsrer Lehre v o m Welt-Heilande' feierlich herbeigerufen (.umgürtet euch mit dem Schwerte des heiligen Geistes'!!) gegen Zarathustra: und dann heißt es: .Bezwingt ihr ihn, so wird er der Eure und wird treu sein, denn an ihm ist kein Falsch; bezwingt er Euch, so habt ihr euren Glauben verwirkt:

das ist die Buße, die

ihr dem Sieger zahlen müßt!' Hier, lieber Freund, so lächerlich es Ihnen vielleicht

Im Mai ehe ich Florenz verlassen, schickte mir's Nietzsche), [...] Ich finde wirklich Bewundernswertes, geradezu Großes darin: aber die Form läßt keine rechte Freude daran aufkommen. Ich hasse das Apostelthum und die Apostelsprache, und gar diese Religion, als Der Weisheit letzter Spruch, bedarf der Einfachheit, Nüchternheit, Ruhe im Ausdruck. Auch hab' ich keine rechte Sympathie mit Menschen, die nach dem 40. Jahre noch Wertherisch an sich herumlaboriren, anstatt frank und frei vor sich in den Tag hinein zu leben; deßhalb bedauere ich solche Geisteskranke, denn das sind sie, nicht minder. Aber Nachdenken über sich selber und nicht Herauskommen aus sich selber ist eine böse Kinderkrankheit; die sollte man mit dem 30. Jahre überwunden haben." (Hillebrand an Bülow, Gersau, den 16. 9. 1883, ebd., S. 222); sowie die Selbstdarstellung von Tönnies, a. a. O., S. 214: „Einige Wochen nachher [d. i. im Sommer 1883] begab ich mich von da [d. i. Berlin] nach der Schweiz, wo ich einige Zeit mit Fräulein Lou v. Salomé und Dr. Paul Rèe, zwei interessanten Menschenkindern, zusammen verlebte. Beide waren schwer verzankt mit ihrem ehemaligen Freunde Nietzsche; dies wurde auch Ursache, daß ich nicht in der Lage war, Nietzsches persönliche Bekanntschaft zu machen, obwohl ich zuletzt von jenen beiden mich getrennt hatte und einige Tage in Sils-Maria verweilte, wo ich mehrmals dem Einsiedler begegnet bin und den stechenden Blick seiner schwachen Augen auf mich gerichtet fand. Ich glaube, daß er von mir wußte, bin aber dessen nicht sicher. Ich habe ihn einmal in Naumburg besuchen wollen, und da er nicht anwesend war, ein inniges Gespräch mit seiner anmutigen Mutter geführt. Lange Briefe habe ich ihm zuweilen - in Gedanken geschrieben, sie wirklich zu schreiben und abzuschicken hielt mich meine gewohnte Schüchternheit ab. Jetzt muß ich mich doch wundern, daß ich so an Nietzsche vorbeigegangen bin. In der Post zu Sils-Maria sah ich die Korrekturbogen des ersten Stückes ,Also sprach Zarathustra', und als ich im Herbst in München Lou Salomé wiedersah, brachte ich ihr das frische Buch und las ihr daraus vor. Das Pathos und die Salbung darin kamen uns etwas komisch vor. Wir meinten den echteren Nietzsche in jenen Schriften wiederzufinden, die dem Andenken Voltaires gewidmet und unter dem Einflüsse Rees entstanden waren." Als Leser neu hinzugekommen sind anscheinend nur: LENBACH, FRANZ VON (Schrobenhausen 13. 12. 1836 - München 6. 5. 1904), Maler. Malwida meinte, daß Nietzsche ihn in seinem Atelier in Rom auch damals aufgesucht habe (s. Anm. 114); und etwas später Fr. Louise RöderWiederhold und durch sie im April 1885 an: RANTZAU, FRL. NADINA VON, geb. am 30. 6. 1847 zu Neustadt / Mecklenburg-Schwerin, damals in München, darauf in Florenz.

1883 Künstlerischer Umgang in Rom

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klingen mag, hörte ich z u m ersten Male von außen her, was ich v o n Ihnen her lange hörte und weiß: ich bin einer der furchtbarsten Gegner des C h r i s t e n t h u m s u n d habe eine Angriffs-Art erfunden, v o n der auch Voltaire noch keine A h n u n g hatte." 1 1 3 U b e r s e i n e n U m g a n g m i t N i e t z s c h e in d i e s e m S o m m e r in R o m s c h r i e b d e r A r z t O t t o v o n Fleischl: „Nietzsche k a m öfters A b e n d s zu mir, u m Musik zu hören; selten spielte ich allein i h m vor, meistens gemeinschaftlich mit dem seither verstorbenen E. Masi, früherem Mitglied des Florentiner Q u a r t e t t s Qean Becker). A u f Nietzsche's Wunsch spielten wir fast ausschließlich die Mozart'schen und Beethoven'schen Violinsonaten." 1 1 4 Eine weitere Bekanntschaft machte Nietzsche im August oder September d e r 8 0 e r J a h r e in Sils M a r i a , n ä m l i c h die m i t d e m C h e m i k e r T h e o d o r C u r tius, d e r a u c h ein l e i d e n s c h a f t l i c h e r B e r g s t e i g e r w a r u n d sich i m m e r w i e d e r im S p ä t s o m m e r mit d e m bekannten Engadiner Bergsteigerführer Christian K l u c k e r traf. 1 1 5

113 F. Ns. Briefe an Peter Gast. Hg. v. P. G. Insel. Lpz. 1908, S. 173. In einer Anmerkung zu dieser Stelle (S. 469) vermutet Gast, daß diese Besprechung in der AC erschienen sein könnte, doch hat diese Zeitschrift erst mit dem Oktober 1885 begonnen. Einem Brief an Overbeck, den dieser am 28. 8. 1883 erhielt, legte Nietzsche dann die Besprechimg bei. Auf eine Anfrage an die Öffentliche Bibliothek der Universität Basel hin antwortete diese, daß der „bei uns liegende Nietzsche-Brief vom 28. August 1883" die gesuchte Beilage nicht mehr enthalte: „Sie dürfte wohl nirgends mehr vorhanden sein." In „Der Kulturkämpfer". 1. Jan. 1880 - 1. 7. 1886, läßt sich auch nichts finden, außer einer erwähnenswerten Äußerung in einer Besprechung (6. Jg., H. 127 v. 1.2. 1886, S. 30) von Bernhard Försters „Deutsche Colonien in dem oberen Laplata-Gebiet, mit besonderer Berücksichtigung von Paraguay": „Während Bernhard Förster im Vaterlande auf Besuch weilte, hat er sich mit einer Dame aus Naumburg an der Saale vermählt; einer Schwester von Friedrich Nietzsche, früher Professor der classischen Philologie in Basel, der durch seine eigenartigen Schriften, wenn auch nur in kleineren Kreisen, bekannt geworden ist." Nach einer Mitteilung des Institute of Contemporary History and Wiener Library ist eine solche Besprechung auch nicht im 2. Band (1883) von Schmeitzners IMs zu finden. 114 Mit der Überschrift „Friedrich Nietzsche in Rom" in der FZg im März 1899. Verfasser erwidert hiermit auf einen Bericht, der mit der Uberschrift „Nietzsche in Rom" am 11. 3. in derselben Zeitung erschienen war und in dem es u. a., nach Angaben von Malwida von Meysenbug, hieß: „Im Juni 1883 kam Nietzsche nochmals nach Rom, um seine Schwester zu besuchen, er blieb jedoch nur einige Tage; denn er haßte das Stadtleben und drängte nach der reinen Luft der Campagna. Er suchte in jenen Tagen nur Lenbach auf, der damals sein Atelier im Palazzo Borghese hatte, und Doktor v. Fleischl, an dessen Klavierspiel er sich oft erbaute." Malwida schrieb noch eine kleine Berichtigung zum ursprünglichen Bericht: Nochmals Nietzsche in Rom; FLEISCHL, OTTO VON; MASI, ENRICO, Mitbegründer des Florentinischen Streichquartetts, das aber schon 1880 aufgelöst wurde. 115 CURTIUS, THEODOR (Duisburg 27. 5. 1857 - Heidelberg 8.2. 1928), Chemiker, studierte zunächst, seit Herbst 1876, Musik und Naturwissenschaften in Leipzig, Heidelberg und wieder in Leipzig, wo er 1882 promovierte, arbeitete darauf in München, Erlangen und von 18891897 in Kiel, danach in Bonn und zuletzt in Heidelberg, ist in jüngeren Jahren mehrfach in

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1883 Also sprach Zarathustra 2

Im Erscheinungsmonat des „Zarathustra" entstand dann auch schon ein zweiter Teil, zu dem Nietzsche wieder selbst das Druckmanuskript fertigte und Peter Gast Korrektur las. Er erschien Mitte September in einer Auflage von 1000 Stück: X I I Also / sprach Zarathustra. / Ein Buch / für / Alle und Keinen. / Von / Friedrich Nietzsche. / 2. / Chemnitz 1883. / Verlag von Ernst Schmeitzner. (darunter wie zu XI). 2 Bll., 103 S. (Druck von C. G. Naumann in Leipzig.) 8 0 . 116 Konzerten als Sänger aufgetreten und hat eine Reihe eigener Kompositionen hinterlassen. Er schilderte seine Aufenthalte in Sils-Maria, wo er in der „Alpenrose" wohnte, und die von dort aus unternommenen Bergtouren in den Jahren 1883, 1885, 1887 und 1888 sehr lebhaft, doch ohne Erwähnung Nietzsches, im: Jahrbuch des Schweizer Alpenclubs. 19. Jg., 1884: 1883-1884, S. 214-254; 21. Jg., 1886: 1885-1886, S. 218-244; 23. Jg., 1888: 1887-1888, S. 41-62, 177-187; 24. Jg., 1889: 1888-1889, S. 213-232; KLUCKER, CHRISTIAN (Fextal / Schweiz 28. 9. 1853 - ebd. 21. 12. 1928), Postbeamter und Bergsteigerführer, berichtet in seinen „Erinnerungen eines Bergführers" (Hg. m. e. Lebensbild v. Ernst Jenny. E. Rentsch. Erlenbach-Zür. (1930. 2., verbess. Aufl.) von Touren mit Curtius in den Jahren 1883, 1885, 1887 und 1888. 116 Exemplare an: Gast (s. hierzu Bernoulli über Gast in seinem Vorwort zu Overbecks: Christentum und Kultur. Gedanken und Anmerkungen zur modernen Theologie. A. d. Nachlaß hg. v. C . A. Bernoulli. Β. Schwabe. Basel 1919, S. xiv: „Ein ausgezeichnetes, jedoch vereinzelt gebliebenes Verständnis für sein wissenschaftliches Ziel erlebte Overbeck schon früh, im Zarathustrajahre, als Peter Gast ihm (am 25. September 1883) schrieb: .Nietzsche kämpft direkt gegen das Christentum: damit ist er unabsichtlich ein Erhalter desselben. In Ihre H a n d ist es gegeben - ohne dem Christentum wehe zu tun, ohne es zu Gegenwirkungen zu reizen - es mit der Zeit unmöglich zu machen, indem sie das Protokoll seiner Vergangenheit aufnehmen.'"), Gersdorff, Overbeck, Rohde, von Stein und Wolzogen (s. d. Brief von Wolzogen an H . v. Stein v. Anfang O k t . 1883: „Die Weisen dieser Welt können nicht genug die trübsinnigen Andersgläubigen schelten, daß sie so viel von den Leiden der Welt zu reden haben; aber von den großen Beglückern wollen diese Feinde des Leidens nichts wissen, sondern sie kehren sich von den Gipfeln fort und recken und strecken sich mit lautem Rufe: .Seht doch, wie glücklich ich bin - wo steckt das Leiden? - ich bin der lebensfrohe „Zarathustra" mit der fröhlichen Wissenschaft, und „mein G o t t " muß „tanzen".' So sagt Nietzsche im Neuesten. Bis zum tanzenden Gott hat es selbst Hartmann noch nicht gebracht [...]" in: H . v. Steins Briefwechsel m. H . v. Wolzogen. Ein Beitrag z. Gesch. d. Bayreuther Gedankens hg. u. eingel. v. H . u. W. Behr. Bln. u. Lpz. (1914), S. 71; von Stein antwortete am 14. 10. 1883 von Berlin: „Uber die Form, die er wählen zu müssen glaubte, das affektirte Pathos, mit welchem er Nebenzüge auszustatten pflegt, den Grundzug dadurch verwischend - hierüber sind wir von vornherein einverstanden. Aber selbst in dem .tanzenden G o t t ' erkenne ich noch den .künstlerischen Menschen' Wagner's, freilich durch die Willkür eines .Sprachvirtuosen' entstellt." Ebd., S. 72 f.; an Nietzsche selber hatte er am 4. 10. geschrieben: „Die Gesinnungen und Ansichten, welche Sie in Ihrem neuesten Buche aussprechen, muten mich so verwandt und vertraut an, wie ich dies nicht erwarten konnte. Welcher Segen ruht auf diesem Buche, wenn es in einem einzigen die große Sehnsucht und zugleich das: Bleibt der Erde treu! bestärkt." H . v. S., Idee u. Welt. D a s Werk d. Philosophen u. Dichters. Hg. v. Günter Ralfs. Kröner. St. (1940), S. 151); sowie an: SCHIRNHOFER, (THE)RESA VON (Krems / Oberösterr. 2. 4. 1855 - Brixen / Südtirol 26. 10. 1948), lernte Nietzsche durch Vermittlung Malwidas im April 1884 in N i z z a kennen, Begegnungen mit ihm noch in Sils Maria und Zürich und ein letzter Besuch, bei dem schon Erkrankten, im Herbst 1897, promovierte 1889 in Zürich mit einer Arbeit über Schelling und Spinoza; sonst auch zu Händen von Fr. Röder-Wiederhold.

1884 Also sprach Zarathustra 3

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Dann wurde das, was Nietzsche damals als der Schluß seines „Zarathustras" schien, Januar 1884 fertig, Peter Gast las wieder Korrektur, und es erschien Anfang April 1884 in einer Auflage von 1000 Stück: XIII Also / sprach Zarathustra. / Ein Buch / für / Alle und Keinen. / Von / Friedrich Nietzsche. / 3. / Chemnitz 1884. / Verlag von Ernst Schmeitzner. (darunter wie zu XI). 2 Bll., 119 S.(Druck von C. G. Naumann in Leipzig). 8°. 117 117 Exemplare an: Burckhardt, Gast, Overbeck, Paneth, von Stein, Rohde und durch diesen an Volkelt, und im selben Jahre verwies Rohde auf Nietzsches Schriften auch: SEIDL, ARTHUR (München 8. 6. 1863 - Dresden 11. 4. 1928), damals Student in Tübingen und Mitglied des dort neu begründeten „Akademischen Wagner-Vereins", später Publizist und Musikschriftsteller, vom 1. Oktober 1898 bis zum 1. September 1899 Herausgeber am Nietzsche-Archiv. (S. A. S., Neue Wagneriana. Ges. Aufsätze u. Studien. 2. Bd. Bosse. Regensburg (1914), S. 80); sonst zu Händen von oder Bekanntschaft mit bei: FLIESZ, WILHELM (Arnswalde 24. 10. 1858 - Berlin 13. 10. 1928), Dr. med., Frauenarzt; FREUD, SIGMUND (Freiberg / Mähren 6. 5. 1856 - London 23. 9. 1939), „In meiner Jugend bedeutete er [d. i. Nietzsche] mir eine unzugängliche Vornehmheit, ein Freund von mir, Dr. Paneth, hatte im Engadin seine Bekanntschaft gemacht und mir viel von ihm geschrieben. Ich stand auch später so zu ihm wie ungefähr in der .Bilanz'." (aus: Sigmund Freud, Arnold Zweig. Briefwechsel. Hg. v. Ernst L. Freud. S. Fischer. (4.-5. Tsd. Ffm. 1968), S. 89, Brief v. 12. 5. 1934); vgl. hiermit folgende Stelle aus Freuds „Selbstdarstellung" in: Ges. Werke. 14. Bd. Imago Pubi. Co. London (1948), S. 86: „Nietzsche, den anderen Philosophen [der erste war Schopenhauer], dessen Ahnungen und Einsichten sich oft in der erstaunlichsten Weise mit den mühsamen Ergebnissen der Psychoanalyse decken, habe ich gerade darum lange gemieden; an der Priorität lag mir ja weniger als an der Erhaltung meiner Unbefangenheit." (laut bibliographischer Anm., ebd., S. 576, zuerst erschienen in: Die Medizin d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen hg. v. L. R. Grote. F. Meiner. Lpz.1925. Ähnlich lautet die Stelle in „Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung": „Den hohen Genuß der Werke Nietzsches habe ich mir dann in späterer Zeit mit der bewußten Motivierung versagt, daß ich in der Verarbeitung der psychoanalytischen Eindrücke durch keinerlei Erwartungsvorstellung behindert sein wolle. Dafür mußte ich bereit sein - und ich bin es gerne - , auf alle Prioritätsansprüche in jenen häufigen Fällen zu verzichten, in denen die mühselige psychoanalytische Forschung die intuitiv gewonnenen Einsichten des Philosophen nur bestätigen kann." (Ges. Werke. 10. Bd. Imago Pubi. Co. London 1946, S. 53); s. a. Wittels, Fritz, Sigmund Freud. Der Mann, die Lehre, die Schule. E. P. Tal Lpz., Wien, Zür. 1924, S. 53, 224 ff., 234; C. G. Jung, Erinnerungen, Träume, Gedanken. Aufgezeichnet u. hg. v. Aniela Jaffé. Rascher Vlg. Zür. u. St. 1962, S. 157: „Freud hatte, wie er mir selber sagte, Nietzsche nie gelesen." S. dagegen den Brief an Wilhelm Fließ v. 1. 2. 1900: „Ich habe mir jetzt den Nietzsche beigelegt, in dem ich die Worte für vieles, was in mir stumm bleibt, zu finden hoffe, aber ihn noch nicht aufgeschlagen. Vorläufig zu träge." (Schur, Max, Sigmund Freud. Leben und Sterben. Suhrkamp. (Ffm. 1977), S. 244 f. u. 644) Daß Freud Nietzsche schon fast ein Jahrzehnt früher etwas näher bekannt war, bezeugt eine Stelle aus dem Brief vom 13. März 1875 an den Jugendfreund Eduard Silberstein. Gegen Schluß des recht munteren Briefes, in dem er u. a. auf sein Vorhaben, „eine philosophische Doktorprüfung" möglicherweise neben der medizinischen abzulegen, näher eingeht, holt er das Faustzitat aus Strauß' „Neuem und altem Glauben" bekräftigend heran: „,So leben wir, so wandeln wir beglückt', obwohl erst 1873 Friedrich Nietzsche in Straßburg dies Zitat als philisterhaft dem David Strauß beanständet hat." (Sigmund Freud, Jugendbriefe an Eduard Silberstein 1871-1881. Hg. v. Walter Boehlich. S. Fischer. (Ffm. 1989), S. 116). Aus anderen Briefen der Sammlung wird auch die sehr frühe und engere Freundschaft mit Heinrich Braun, Lipiner und Paneth greifbar; GLO-

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1884 Erdmann Gottreich Christaller

M a x H a l b e e r z ä h l t aus e i n e r S t u d e n t e n z e i t in M ü n c h e n i m J a h r e 1 8 8 4 seiner Bekanntschaft mit d e m „Schwaben Gottreich

von

Christaller'':

„ M a n k o n n t e die E s s e n z s e i n e r W e l t a n s c h a u u n g m i t d e m S c h l a g w o r t . A r i s t o k r a t i e des G e i s t e s ' k e n n z e i c h n e n . D e r G e g e n s a t z s e i n e r I d e e n z u d e n e n des d e m o k r a t i schen

Sozialismus,

zu dem Gedanken

v o n der Besitzergreifung der

politischen

M a c h t d u r c h die p r o l e t a r i s c h e n M a s s e n , d e r das Z e i t a l t e r s i m m e r m e h r z u b e s c h ä f tigen begann, w a r Christaller vollauf b e w u ß t . Ich w e i ß nicht, ob er s c h o n damals m i t N i e t z s c h e s G e d a n k e n w e l t b e k a n n t w a r . Bei unseren bescheidenen S y m p o s i e n k a m e r j e d e n f a l l s n i e a u f sie z u s p r e c h e n ; m i r selbst w a r N i e t z s c h e in j e n e r Z e i t n o c h g a n z f r e m d . A l s i c h s p ä t e r in s e i n e n Z a u b e r k r e i s t r a t , w u r d e m i r b e w u ß t , d a ß i c h vieles s c h o n v o n C h r i s t a l l e r g e h ö r t h a t t e , d e m a l l e r d i n g s das d i t h y r a m b i s c h e Pathos Nietzsches vollkommen

m a n g e l t e ; d e r v i e l m e h r d u r c h die

unerbittliche

S c h ä r f e s e i n e r L o g i k w i r k t e . Z w i s c h e n d e n W e l t e n C h r i s t a l l e r s u n d N i e t z s c h e s , des s c h w ä b i s c h e n u n d des s ä c h s i s c h e n P f a r r e r s o h n e s , b e s t a n d a b e r o h n e Z w e i f e l e i n e n a h e geistige V e r w a n d t s c h a f t ,

m a g sie n u n a u f e i n e r b e w u ß t e n A n l e h n u n g

des

Jüngeren beruht haben oder nicht."118

GAU, FRÄULEIN, Novellistin, eine „Berliner Verehrerin" Nietzsches, höchstwahrscheinlich: Bertha, geb. am 22. 10. 1849 zu Königsberg / Ostpr., seit 1872 schriftstellerisch tätig, veröffentlichte 1880-1883 drei Novellenbände, damals in Berlin wohnhaft, auch Mitarbeiterin der Berliner „Nationalzeitung" und des „Deutschen Morgenblattes"; S. a. die Würdigung der Agnes W a b n i t z : „Eine Frauenstimme aus der Bourgeoisie" (A. H o f f m a n n . Bln. 1894) v. B. Glogau, nämlich die Seiten 8 („Kein glänzender Geist aus der Stirner'sehen Schule wird die Seelenarbeit, welche die Verstorbene mit Millionen tüchtiger Menschen theilte und welche in diesen weiterlebt, stören. O b die überscharfen D e n k e r , welche die sozialdemokratische Uberzeugung spöttisch als den Testamentsvollstrecker des Christenthums, als den letzten Ausläufer der großen Gespensterlehre v o m Ideal bezeichnen und ihrerseits verlangen, daß aus gänzlichen neuen Gedankenkeimen der neue Mensch, der U b e r m e n s c h erwachse, ihre anarchistischen Anhänger finden, ist den Festgefügten gleichgültig.") und 3 4 („Das letzte W o r t der W a b n i t z [...] soll auch hinausdringen, hinauf in die christlichen Kapitalistenkreise, die auf den großen kranken D e n k e r schwören, der v o r seinem Zusammenbruch den verderblichen und unwahren Gedanken in die Welt schleuderte: , D e r Jude ist der geborene Sklave und die stolze blonde Bestie ist zum Herrschen geboren.'"); KlSA, KARL ANTON (Brünn 16. 1. 1857 - Stuttgart 19. 10. 1907), Kunsthistoriker und Museumsdirektor, 1880 D r . phil., wirkte auch in Düsseldorf, Köln und Aachen; KNAUER, VlNCENZ (1828 - 1894), Privatdozent in W i e n , sein W e r k „Geschichte d. Philosophie m. bes. Berücksichtigung d. Neuzeit." 2. verbess. Aufl. Braumüller. W i e n 1882, reicht von der Antike bis auf „die Gegenwart", worin bis auf W u n d t , H e l m h o l t z und R . M a y e r u. v. A . vorgestoßen wird, jedoch ohne Berührung Nietzsches (Peter Gast berichtete am 9. 12. 1885 aus W i e n von zwei neuen Verehrern Nietzsches: „Ihr ,Menschl., Allzum.' fand ich neulich auf dem Pult des D r . Kisa aufgeschlagen, sehr zerlesen [...] Ihr eifrigster und begeistertster Leser hier ist jedenfalls der Haushofmeister bei Altgrafen Salm, Knauer, ein Mathematiker von großem Witz."); F r . Röder-Wiederhold und SILBERSTEIN, EDUARD (Jassy / R u m ä n i e n 27. 12. 1856 - Braila / Ostwalachei 1925), Mitschüler Freuds in Wien, studierte seit 1874 in Leipzig und W i e n , promovierte 1877 zum D r . jur. 118 M . H., Scholle u. Schicksal. Die Geschichte meiner Jugend. Vlg. „Das Bergland-Buch". Salzburg (Neue, durchgeseh. u. Überarb. Ausg. = 55. Tsd. 1940), S. 290 f. In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist das W e r k Christaliers: Prostitution des Geistes. Satirischer R o m a n . Renaissance-Vlg. Bln.-Schmargendorf 1901. 375 S. Verfasser will in diesem sicherlich zum

1884 Lily von Kretschman: Er habe dem Sozialismus „eine ethische Grundlage" gegeben.

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74 Kulke, Eduard, 119 Richard Wagner, seine Anhänger und seine Gegner. Mit besonderer Berücksichtigung des Fundamental-Motivs im „Ring der Nibelungen". F. Tempsky / G.Freytag. Prag / Lpz.1884. 3 BlL, 239 S. Das Werk trägt eine leicht irreführende Uberschrift, denn nur der X . und letzte Abschnitt befaßt sich ausdrücklich mit den „Anhängern und den Gegnern" Wagners (S. 204-239). Bemerkenswert ist die Schrift dennoch vor allem deswegen, weil Nietzsche immer noch als fest im Lager der Wagnerianer stehend gesehen wird, als „vielleicht der einseitigste, zugleich aber der hervorragendste der Anhänger" (S. 212). Erwähnung findet er beiläufig auf S. 130, 134, 145, 206, 222 u. 232, die „vierte Unzeitgemäße" dazu auf S. 127 f. und eingehend auf S. 212-221. Im X . Abschnitt wird diese zusammen mit Wagner-Schriften von Porges, Wolzogen und Hagen behandelt und als „aphoristische Luftballonfahrten im Reiche der Ideen" (S. 222) verworfen. Nebenbei findet der Verfasser, der Nietzsches „Arbeiten gelesen" habe: „Es glüht darin etwas von dem heiligen Zorn des Propheten des alten Bundes" (S. 128), doch scheint er dabei nur die „Geburt" und die „Unzeitgemäßen I, III" und „IV" zu kennen. I m J a h r e 1884 vermittelte v o n G e r s d o r f f unabsichtlich die über J a h r e hin sehr folgenreiche Bekanntschaft L i l y v o n K r e t s c h m a n s mit d e m W e r k e Nietzsches: „Es war ein begeisterter Freund Friedrich Nietzsches, hatte ihm sogar einmal zum Entsetzen der Verwandtschaft, sein Gut zum Asyl angeboten. Durch Nietzsches Abkehr von Richard Wagner war eine leise Entfremdung zwischen beiden eingetreten, denn Gersdorff wurde ein um so leidenschaftlicher Wagnerianer, je mehr sich der Meister zu den Ideen seines Parsifal entwickelte [...] Im stillen verurteilte ich Teil autobiographischen R o m a n die Mißstände in der evangelischen Kirchenhierarchie bloßlegen und an den Pranger stellen. D e r Held des Werkes, Oskar Moser, k o m m t 26jährig in die Dorfpfarre Markrode, aber nur der „klaren juristischen Verpflichtung" wegen, die er sich infolge „genossener Stipendien" aufgebürdet hat. D e r Kirchenpatron und Graf von Markrode, dessen Tochter Helene „ f r o m m " ist, bekennt ihm: „Mit meiner Tochter hab ich schon alles versucht, um sie zu heilen, hab ihr Bücher gegeben, die einen Pfarrer verführen könnten, das allergottloseste Zeug, den Strauß, den Nietzsche, - alles umsonst." (S. 15) Uber einen neugewonnenen Freund und Kollegen, Pfarrer Haller, berichtet der Vorgesetzte, Dekan Seeger: „Nichts steckt hinter ihm. Er ist der vollendete Nihilist. Hat Nietzsche und andere Hauptsatanisten mit großem Schaden gelesen." (S. 45) Verhältnismäßig rasch verlieben sich O s k a r und Helene, und Oskar gesteht sich dabei: „Das schwärmerische und vollkommene Wohlgefallen an dem Mädchen erstreckte sich auch auf ihre Lieblingsideen, die sie aus Nietzsche und der neuen Theosophie, übrigens in eigenartiger Weise entnommen hatte, nämlich die irdische Wiedergeburt und das mögliche Ubergehen zu überirdischem Sein." (S. 100) O s k a r wird darauf als „freier Geist" aus dem Kirchendienst entlassen, geht nach der Großstadt Leipzig, verkommt dort, wird aber zum Schluß mit seiner Geliebten im Tode vereint; CHRISTALLER, ERDMANN GOTTREICH (Akropong / Westafrika 10. 12. 1857 Darmstadt Febr. 1922), wurde des Werkes wegen 1901 seines Pfarramtes enthoben. 119 KULKE, EDUARD (Nikolsburg / Mahren 28. 5. 1831 - Wien 20. 3. 1897), Musikschriftsteller an verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, studierte in Prag Mathematik und Physik, zuerst im jüdischen Schulwesen tätig, wurde dann Schriftsteller und zuletzt führte er Wagner in Osterreich ein.

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1884 „Alle seine großen Ideen leben in uns [...]"

Nietzsche, - dessen Namen ich übrigens zum ersten Male hörte, - der dem großen Freunde hatte untreu werden können, und begriff nicht Gersdorffs Anhänglichkeit an ihn [...] D a fiel mein Blick auf die .Fröhliche Wissenschaft', Nietzsches jüngstes Werk, das neben Gersdorffs Tasse lag. E r hatte G r o ß m a m a zuweilen einzelne Abschnitte daraus vorgelesen, von denen mir die Empfindung des unheimlich Fremden zurückgeblieben war. Mechanisch fing ich an, darin zu blättern, bis ein Satz mir ins Auge sprang: ,Das Leben sagt: Folge mir nicht nach; sondern dir! sondern dir! Leidenschaft ist besser als Stoizismus und Heuchelei, Ehrlichsein, selbst im Bösen, besser, als sich an die Sittlichkeit des Herkommens verlieren' [...] W e n n ein eisiger Luftstrom durch plötzlich weit aufgerißne Fenster den im warmen Zimmer Sitzenden trifft, so schauert er zuerst frierend und angstvoll zusammen, u m im nächsten Augenblick mit tiefen durstigen Zügen den reinen Quell einzusaugen, der ihm die dünstig-schwere Schwüle ringsum erst zum Bewußtsein bringt. Wie solch einem war mir zu mute [...] instinktiv fühlte ich, daß es keinen größeren Gegensatz geben könne, als den zwischen diesen W o r t e n und der Lehre von der Nachfolge Christi [,..]" 1 2 0

120 Braun, Lily, Memoiren einer Sozialistin. Bd. I: Lehrjahre. Langen. Mchn. (1909). 4.-6. Tsd., S. 221-224; s. a. ebd., S. 473, in einem Literaten-Kreis 1891 in Berlin meint sie: „Kein größeres Zeichen der Dekadenz gibt es als die Furcht vor dem Schmerz. Sie ist unsere Krankheit, und an ihr geht unsere Welt zugrunde, wenn sie sich von den Ibsen und Zola und Nietzsche und denen, die ihresgleichen sind, nicht heilen läßt."; S. 568, aus der zweiten Hälfte des Jahres 1892 und der Zeit ihrer ersten Bekanntschaft mit dem späteren ersten Gatten Georg von Gizycki erzählt sie: „[...] wir stritten uns über Nietzsche, und zum erstenmal seit unserer Bekanntschaft verteidigte Glyzcinski seine Ansichten mit offenbarer Heftigkeit. ,Wie im Anarchismus die große Gefahr für die Verbreitung des Sozialismus in der Arbeiterklasse zu suchen ist', sagte er, ,so kann die Ausbreitung der Ideen Nietzsches die Wirksamkeit der Ethischen Bewegung in den oberen Klassen völlig untergraben. Die Ausbildung der Persönlichkeit als Selbstzweck steht zu unserem Ziel - dem größten Glück der größten Mehrheit - in direktem Gegensatz [...] Sehen Sie doch um sich: sind seine lautesten Anhänger nicht unsere ärgsten Feinde?' ,Weil sie es sind, die ihn mißverstehen, nicht ich! Sich ausleben, bedeutet nichts anderes, als alle Fesseln zerreißen und zersprengen, die uns hindern können, die Glieder im Dienst der Menschheit zu regen!'"; S. 635, in die Schilderung des Jahres 1894 sind folgende Worte eingepaßt: „Gegen eine Welt von Widersachern hatten die Ibsen und Nietzsche die Freiheit der Persönlichkeit verkündet, in jahrelangem, schmerzvollem Ringen hatten wir sie erobert; ein Heiligtum war sie uns, dessen ewige Lampe sich von unserem Herzblut tränkte. Und nun kamen die vielen lärmenden Leute und griffen nach ihr ohne Ehrfurcht, und nichts als ein neues Spielzeug war sie ihnen. Dem gebildeten Pöbel galt jeder als ein Freier, der schrankenlos seinen Begierden folgte. Die entgötterte Menschheit suchte nach Götzen, und jeder fand eine anbetende Gemeinde, der alte Werte mit Füßen trat."; Bd. II: Kampfjahre. (1911), S. 652 f., endlich um das Jahr 1906 ist der Bruch kaum noch zu überbrücken: ,„Ich hatte den Namen des Mannes genannt, der zwar nicht der Erlöser, wohl aber sein Prophet sein kann. ,Aber, Genossin Brandt [lies: Braun], Sie verirren sich, hörte ich entrüstet rufen': ,wie vermögen Sie Ihre sozialdemokratische Gesinnung mit dem Nachbeten Nietzschescher Lehren zu vereinigen?! Denken Sie doch an seine Vergötterung der „Herrenmenschen", an seine Verhöhnung jedes „Sklavenaufstands"!' [...] .Natürlich gebe ich den Nietzsche preis, der unsere große soziale Bewegung weder kannte, noch kennen wollte. Und ich kann das um so leichter, weil er unbewußt selbst im Flusse dieser Bewegung schwamm, weil er dem Sozialismus das gab, was wir brauchen: eine

1884 Verlagsschwierigkeiten

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Im April 1884 kamen Nietzsche die ersten ernsthaften Bedenken um die wirtschaftliche Lage seines Verlegers Schmeitzner. Im Laufe des Jahres versuchte dieser den Verlag und die Restbestände von Nietzsches Werken zu verkaufen, fand aber keinen Abnehmer. Zu Anfang des neuen Jahres bemühte Nietzsche dann seinen Oheim, den Justizrat Bernhard Daechsel, gerichtlich gegen ihn vorzugehen. Endlich im Dezember 1885 wurden Nietzsches geldliche Forderungen an den Verleger gerichtlich anerkannt; Schmeitzner behielt aber die Schriften noch weiterhin im Verlage, und Nietzsche erfuhr dann auch, daß vom „Zarathustra nicht hundert Exemplare verkauft (und diese fast nur an Wagnerianer und Antisemiten!!)" worden seien. Im Sommer 1886 erfuhr er durch Fritzsch anläßlich dessen Verhandlungen mit Schmeitzner, daß vom „Zarathustra je 60-70 Exempl. verkauft" seien, und daß Schmeitzner noch einen Verkaufsversuch unternommen hätte: „[...] nämlich meine ganze Literatur an eine der schmutzigsten und anstößigsten Figuren des sächsischen Buchhandels zu verkaufen (der Betreffende ist mehrfach wegen Vertriebs obscöner Schriften bestraft, auch Socialdemokrat, anerkannt käuflich usw.)".121

ethische Grundlage [...] Alle seine großen Ideen leben in uns: der Trieb zur Persönlichkeit, die Umwertung aller Werte, das Jasagen zum Leben, der Wille zur Macht. Wir brauchen die blitzenden Waffen aus seiner Rüstkammer nur zu nehmen, - und wir sollten es tun. Mit dem Ziel des größten Glücks der größten Anzahl, - an das ich glaubte, wie Sie alle, - schaffen wir eine Gesellschaft behäbiger Kleinbürger [...] KRETSCHMAN, LlLY VON (Halberstadt 2. 7. 1865 - Berlin-Zehlendorf 9. 8. 1916), verheiratet in erster Ehe (seit Juni 1893) mit dem Philosophen Georg von Gizycki, in zweiter (seit August 1896) mit dem Sozialpolitiker Heinrich Braun, führend in der sozialistischen Frauenbewegung trotz adliger Herkunft, Mitbegründerin der deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur und deren Wochenschrift „Ethische Kultur" sowie der Zeitschrift „Die Frauenbewegung". 121 Schon im Winter 1884 / 85 entstand „Mittag und Ewigkeit" als erster Teil einer neuen dreiteiligen Fortsetzung von „Zarathustra". Nietzsche hatte aber um diese Zeit Schwierigkeiten mit seinem Verleger, der einen vierten Teil nicht mehr übernehmen wollte, und da Nietzsche einem neuen Verleger nicht mit einem „vierten Teil" kommen wollte, so hatte er sich diese Idee einer mehrteiligen Folge ausgedacht. Da er aber keinen neuen Verleger dafür fand, ließ er den vierten Teil auf eigene Kosten und „nicht für die Öffentlichkeit" drucken. Gast las wieder Korrektur, und das Werk wurde Ende April 1885 in 40 Exemplaren ausgedruckt: Y Also / sprach Zarathustra. / Ein Buch / für / Alle und Keinen. / Von / Friedrich Nietzsche. / 4. / Vierter und letzter Theil. / (Druck von C. G. Naumann in Leipzig) / 135 S., 1 B1.8°. Schabergs Untersuchungen legen nahe, daß es auch 45 „Exemplare" gegeben haben kann, nämlich wenn man die „Erstdrucke u. Correkturabzüge", die Nietzsche Naumann mitabverlangte, einbezieht. Exemplare an: Georg Brandes (erst Anfang 1888), B. Förster, Fuchs (erst im Spätsommer 1888), Gast, Gersdorff (mit eigenhändiger Widmung: „Meinem Freunde Carl v. Gersdorff mit den herzlichsten Grüßen! Ein verbotenes Buch, Vorsicht es beißt!"), Lanzky, Malwida (m. d. Widmung: „Meiner verehrungswürdigen Freundin Malvida von Meysenbug mit der Bitte um Geheimhaltung dieses ineditum. N. 15 Mai 1885 Venezia poste restante" η. C. G. Boerner Lager-Kat. VIII, (1908), S. 64 f., Nr. 441 f), Overbeck (mit der Widmung: „Meinem verehrten lieben Freunde / Franz Overbeck / Mit der Bitte um /

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1885 Die Tafelrunde der Zürcher Studentinnen

D e r S o m m e r 1884 brachte die Bekanntschaft mit den Engländerinnen E m i l y F y n n und ihrer gleichnamigen T o c h t e r sowie mit einem Fräulein Zina v o n Mansuroff, ehemaliger Hofdame der russischen Kaiserin. Nietzsche begegnete ihnen noch in den drauf folgenden Sommern 1885, 1886 und 1887; sie scheinen aber keine nähere Kenntnis von seinen Werken gehabt zu haben. 1 2 2 Im O k t o b e r 1884 lernte er die Studentinnen Helene Druskowitz, Fräulein Willdenow und Fräulein Blum in Zürich kennen. In dieser Hinsicht erwähnenswert ist etwas, das er am 5. Juli 1885 an seine Schwester schrieb: „Vielleicht kommen die Züricher Mädchen, welche Du kennst, etwas zu dem Einsiedler herauf, nämlich Frl. Willdenow und Frl. Blum. Übrigens gelte ich, in den Studentinnen-Kreisen, als das ,böse Thier' - es scheint, daß eine gewisse Anspielung auf ein lärmmachendes und klatschendes Instrument geradezu bezaubernd gewirkt hat!" Wozu die Schwester bemerkt, daß es wohl „eine Anspielung auf die Peitschengeschichte im Zarathustra" sei.

Geheimhaltung dieses Ineditum - und vielen andern Bitten. - "), Frau Röder-Wiederhold, die Schwester, von Stein und Widemann sowie an: BARTELS, HANS VON (Hamburg 25. 12. 1856 - München 5. 10. 1913), Aquarellist, Marinemaler, damals in München; BARTELS, WANDA VON (geb. Groß, Düsterwalde / Ostpr. 22. 3. 1861 - München 1. 6. 1921), Schriftstellerin, seit 1882 mit dem Maler Hans von Bartels verheiratet, lebte seit 1885 in München; DRUSKOWITZ, HELENE (Hietzing b. Wien 2. 5.

1856 - Mauer-Öhling b. Salzburg 31. 5. 1918 in einer Heilanstalt), promovierte, nach Abschluß der Musikhochschule als Pianistin in Wien, 1878 an der Universität Zürich zum Dr. phil., seit 1882 Schriftstellerin in Wien, geistesgestört seit Anfang Februar 1891 und bis zu ihrem Tode abwechselnd in Heilanstalten zu Mauer-Öhling und Ybbs; sie hatte Conrad Ferdinand Meyer im September 1881 kennengelernt und später mit ihm im Briefwechsel gestanden sowie ihn öfters besucht. Am 25. 10. 1884 schrieb sie an ihn von Zürich aus: „Es ist schade, daß Sie Zürich links liegen gelassen haben, es weilt gegenwärtig ein sehr interessanter Kopf, ein nach meiner Ansicht sehr bedeutender Mensch hier Friedrich Nietzsche nämlich ehemals Professor in Basel jetzt ohne äußeren Beruf und seinem inneren Berufe lebend. Ich denke Sie kennen seine Schriften mit den merkwürdigen Uberschriften. Sie drükken in Jenatsch (?) Ideen aus, welche denjenigen N.s vielfach verwandt sind. Ich verkehre häufig mit Nietzsche und hätte Sie gern mit ihm bekannt gemacht." (In Carl Spittelers Nachlaß d. Schweizerischen Eidgenossenschaft, deponiert i. d. Schweizerischen Landesbibl. i. Bern. Ν III 12 S. 123). Die persönliche Bekanntschaft mit Nietzsche war durch Meta von Salis-Marschlins vermittelt worden. Eingehendes, wenn auch unergiebiges zum Verhältnis zu Nietzsche, bei Hinrike Gronewold, Helene von Druskowitz 1856-1918. „Die geistige Amazone", enthalten in: Wahnsinns Frauen. Hg. v. Sibylle Duda u. Luise F. Pusch. Suhrkamp. (Ffm. 1992 = Suhrkamp Tb 1876), S. 96-122. Rohde lernte das Werk erst 1892 kennen und schrieb darüber an Overbeck am 17. 5. 1892: „Ein wunderliches, aber ergreifendes Buch, an dem ich überall den tiefsten, eignen Klang einer zum Abgrund hinabschreitenden Seele höre. Wie N. sich so in seine Traumwelt förmlich familiär einlebt - ich kann das Alles nur mit wehmuthsvoller Erschütterung lesen." (Crusius, a. a. O., S. 177). 122 S. Quelques souveniers sur Frédéric Nietzsche, in: Bibliotheque universelle. Revue suisse. Bd. 52, 1908, S. 340-353, 545-558, worin die Tochter Fynn Stellen aus Briefen Nietzsches an ihre Mutter wiedergibt, leider aber in französischer Ubersetzung.

1885 Helene Druskowitz, Agnes Bluhm, Clara Willdenow, Eva Corell, Meta von Salis

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Peter Gast, der auf Nietzsches Anraten hin im Oktober 1884 nach Zürich gereist war und dort den Winter verbrachte, obwohl Nietzsche selber kurz nach Gasts Ankunft, noch im Oktober, abreiste, erzählte: „Von Personen, die N . kannten und verehrten, lernte ich kennen: Musikdirektor Dr. Friedr. Hegar, den Ciaviervirtuosen Robert Freund, den Componisten Gustav Weber; Frau Louise Röder-Wiederhold, die Studentinnen Frl. Blum, Corell, v. Salis, Willdenow." 123

In einem Brief Peter Gasts vom 14. Juli 1913 erzählt er von einem Kreis um Malwida von Meysenbug und von einer „Tafelrunde" in Zürich Mitte der 80er Jahre: „[...] zu ihr hielten und pilgerten namentlich Züricher Studentinnen, v o n denen ich später mit dreien im Wintersemester 8 4 / 5 vergnüglich zu Mittag speiste: sie waren M i ß Correli (Amerikanerin, sich mit einer Dissertation über Emerson zum D o k t o r rüstend), Fräulein Agnes Bluhm aus Konstantinopel (jetzt als Dr. med. in Charlottenburg praktizierend) und Fräulein Wildenow, Tochter des Breslauer Professors. Als Präses unserer Tafel fungierte eine tapfere 48erin, Frau Louise Röder-

123 Friedrich Nietzsches Briefe an Peter Gast. Insel. Lpz. 1908, S. 473; BLUHM, AGNES, aus Konstantinopel / Türkei, geb. 1862, Studentin der Medizin in Zürich vom Wintersemester 1884 / 85 bis zum Sommersemester 1889, promovierte Dez. 1890, 1891-1905 Ärztin in Berlin-Charlottenburg, und Dozentin für Hygiene an der Humboldt-Akademie, ab 1918 am Kaiser-Wilhelm-Institut; CORELL, EVA C. (Portland / New York / USA 17. 11. 1860 Dryden / Wash. / ebd. 17. 1. 1948), Studentin an der philosophischen Fakultät in Zürich Wintersemester 1883 / 84 - Wintersemester 1884 / 85, unterrichtete Deutsch am College of Wooster in den USA 1886-1893, promovierte 1890 zum Dr. phil. in Bern, seit dem 25. 5. 1895 verheiratet Dittmann, wurde 1896 in den USA Ärztin; HEGAR, FRIEDRICH (Basel 11. 10. 1841 - Zürich 2. 6. 1927), Schüler des Konservatoriums in Leipzig, seit 1863 Kapellmeister in Zürich und 1878-1914 Leiter des von ihm mitgegründten Musikschule ebendort; RÖDER-WIEDERHOLD, FRAU LOUISE (geb. 1829 zu Schweinfurt, seit 1848 mit Ludwig Christian Wiederhold verheiratet), damals aus Karlsruhe, über sie hat Friedrich Meß eingehenderes überliefert: Er bringt zunächst eine Stelle aus einem Brief an Gast vom 23. 4. 1885: „Ich fand in der Zeitschrift auch einen Auszug aus Nietzsches Fröhlicher Wissenschaft, [...] ich gab einigen Damen auf deren Wunsch von Z/arathustra/ das erste Heft, unglücklicherweise war es das mit der Peitsche. Allgemeine Entrüstung, wie sie uns befallen hatte, aber Frl. v. Rantzau arbeitete sich darüber hinweg, und ich glaube in ihr eine Verstehende von Nietzsche gefunden zu haben [...]"; wenig später antwortete sie auf die Übersendung des vierten Teiles von „Zarathustra": „Nach dem ersten Lesen war ich vollständig zu Boden gebeugt, ich hatte dasselbe Gefühl wieder wie nach dem Kennenlernen der früheren Hefte, wie damals hatte ich die Neigung, das Buch wegzuschleudern und es trotzig zu verneinen [...] Zum zweiten Mal las ich nun mit anderen Augen. Ich ergötzte mich, ich verwünschte und segnete, lachte und weinte, empfand die hohen poetischen Stellen darin, nahm lebhaft Anteil an der Walburgisnacht [...] Aber so etwas wie Nachfrost bleibt mir noch [...]" Das diesen Äußerungen zugrundliegende Manuskript von Friedrich Meß „Nietzsche und Meiningen" liegt im G S A C g r 4285; WEBER, KARL GUSTAV (Münchenbuchsee / Schweiz 30.

10. 1845 - Zürich 12. 6. 1887), Komponist, nach Studium in Leipzig, Mannheim und Berlin, seit 1872, Organist in Zürich, 1876-1883 Herausgeber der „Schweizerischen Musikzeitung"; WIL(L)DENOW, CLARA (Bonn 1856 - Seefeld / Zürich 7. 4. 1931), Frauenärztin, Studentin der Medizin in Zürich Sommersemester 1884 - Sommersemester 1887, promovierte 1893 zu Bern, ließ sich später als Ärztin in Zürich nieder.

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1885 Conrad Ferdinand Meyer

Wiederhold aus Karlsruhe [...] Ich vergaß aus der Züricher Tafelrunde noch Fräulein Meta von Salis zu nennen."124 Gerade in diesem Jahr des Tiefstandes ist eine Erwähnung Nietzsches, die in einem Nachruf auf das Ableben Karl Hillebrands von Sigmund M ü n z getan wurde, der Anführung wert: „Aber in demselben Werke [vom 2. Band d. „Zeiten, Völker u. Menschen" ist die Rede] wurde er einem damals jungen Schriftsteller Friedrich Nietzsche gerecht, den man in Deutschland, weil er mit offenem Visir und mit unerschrockenem Muthe hervortrat, verketzert hat [...] Nietzsche hatte den Verfall des Idealismus in Deutschland beklagt, die Plattheit im literarischen Leben, die Niedrigkeit der deutschen Journalistik, die Unbildung so vieler Journalisten, die in einer dem Publikum leicht faßbaren Sprache schreiben, da diese Sprache keinen Gedankeninhalt habe, und Hillebrand begrüßte Nietzsche's .Unzeitgemäße Betrachtungen' als das erste Anzeichen ,einer Rückkehr zum deutschen Idealismus, wie ihn unsere Großeltern angestrebt, einer Reaktion gegen die platte positivistische Auffassungsweise [...] · Eine der obigen ähnliche Darstellung des Vortrages von Alberti, nur werden einige zusätzliche Kulturerscheinungen erwähnt, so etwa die „Zukunftsbilder Bellamy's und Bebel's", die der Vortragende „auf eine Stufe mit dem Übermenschen Nietzsche's" gestellt habe. 470 Moos, Paul, Friedrich Nietzsche als Antiwagnerianer. (AMZg 22. Jg., Nr. 48 f. v. 19. 11. u. 6. 12. 1895, S. 623 f., 637 ff.). „Musikalische Narrheit, Thorheiten, kindisch, Tollheit" sind die Worte, mit denen der Verfasser die Äußerungen Nietzsches über Wagner kennzeichnet. „So ganz im Unrecht" möge Nietzsche nur dort nicht sein, wo er gegen „die schriftstellerische Tätigkeit" Wagners etwas vorbringe. Es erschienen im November 1895 die ersten beiden Bände, die dem Nachlaß gewidmet waren, und zwar gleich in einer Auflage von je 2 000 Stück: GIX Friedrich Nietzsche / Werke, Band IX. / Schriften und Entwürfe / 1869 bis 1872: / Homer und die classische Philologie. / Nachträge und Vorarbeiten zur Geburt der Tragödie. / Empedokles. Homer als Wettkämpfer. / Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten. / Bayreuther Horizontbetrachtungen. / Das Verhältnis der Schopenhauerischen Philosophie / zu einer deutschen Cultur. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1896. 2 Bll., xli S. (= Inhaltsverzeichnis u. Vorberichte des Herausgebers Fritz Koegel), 2 Bll., 385 S. 8°. (= Nietzsche's Werke. Zweite Abtheilung. Bd. IX). GlXa Dass. 1903. (= 2., völlig neu gestaltete Ausgabe. 1. u. 2. Tsd.), xxi S. (= Inhaltsverzeichnis, Vorbericht v. E. Förster-Nietzsche u. Vorwort v. Ernst Holzer), 2 Bll., 474 S., 6 Bll. (= Vlgs.-anz.; S. 447-474 = Nachberichte von Ernst Holzer u. August Horneffer, chronologisches Verz. u. Anmerkungen). 8°. Der Band war im April 1903 ausgedruckt und zwar trotz der Zahlenangabe auf dem Titelblatt nur in einer Auflage von 1500 Stück. Die unverkauften Exemplare der Erstauflage wurden dann zurückgezogen. GklX Dass., 3. u. 4. Tsd. xxi., 468., 5 Bll. (= Vlgs.-anz.). (S. 447-468 = Nachberichte v. Ernst Holzer, Inhaltsverzeichniß u. Anmerkungen). GlXb Dass. Alfred Kröner Verlag in Leipzig / 1921. Neugestaltete Ausgabe. 3. Auflage. (S. 447-474 = Nachbericht I v. Ernst Holzer, Jan. 1903, Nachbericht II, Inhaltsverz. n. d. Manuscripten u. Anmerkungen). GX Friedrich Nietzsche / Werke, Band X. / Schriften und Entwürfe / 1872 bis 1876: / Die Philosophie im tragischen Zeitalter / der Griechen. / Über Wahrheit und Lüge im aussermoralischen / Sinne. Der Philosoph. / Die Philosophie im Bedrängniss. / Nachträge und Vorarbeiten zu den Unzeit- / gemässen Betrachtungen. / Prometheus. / Einzelne Gedanken und Entwürfe. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1896. 2 Bll., iv S., 2 Bll., 478 S. (S. 453-478 = Nachberichte

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1895 Cäsar Flaischlen: „Eine neuentdeckte Welt that ihre Thore auf"

des Herausgebers Fritz Koegel). 8°. (= Nietzsche's Werke. Zweite Abtheilung. Bd. X). GXa Dass. 1903. (= 2., völlig neu gestaltete Ausgabe. 1. u. 2. Tsd.) vi S., 1 Bl., 528 S., 4 Bll. (= Vlgs.-anz.; S. 497-528 = Nachberichte v. Ernst Holzer u. August Horneffer, chronologisches Verz. u. Anmerkungen). 8° Die Auflage betrug trotz der Zahlenangabe auf dem Titelblatt nur 1500 Stück. Die unverkauften Exemplare der Erstauflage wurden dann zurückgezogen. GkX Dass. 3. u. 4. Tsd. 1 Bl., vi S., 1 Bl., 522 S., 6 Bll. (= Vlgs.-anz.). (S. 497-522 = Nachbericht v. Ernst Holzer, Inhaltsverzeichniß n. d. Manuskripten u. Anmerkungen). GXb Dass. Alfred Kröner Verlag in Leipzig / 1922. Neugestaltete Ausgabe. 3. Auflage. (S. 497-528 = Nachberichte, chronologisches Verzeichnis, Anmerkungen u. Nachbericht I v. Ernst Holzer, März 1903). 471 Andrejanoff, Viktor von (Charlottenburg), Friedrich Nietzsche. (Kr 2. Jg., Nr. 60 v. 23. 11. 1895, S. 2245 ff.). Eine dreiteilige Gedankendichtung zu Ehren Nietzsches als „Zarathustra", „Antichrist" und „Dionysos". 472 anonym, Augurenthum im liberalen Gewände. (KVZg 36. Jg., Nr. 768, Morgen-Ausg. v. 28. 11. 1895, 1. Bl.). Nimmt die Äußerungen eines „Socialisten-Tödters national-liberaler Observanz" über Nietzsche dazu, um auf die „Doppelzüngigkeit" von dessen Behauptungen hinzuweisen. Dieser hatte gemeint, die „Blasphemien der social-demokratischen Presse" seien gefährlicher, als die Nietzsches, da letztere „auf die Masse ohne Wirkung" blieben. Nietzsche habe „nur eine zwiefache Moral" verlangt, die Nationalliberalen dagegen „einen zwiefachen Glauben". Zu Nietzsche selber meint Verfasser, daß Nietzsches „Herrenmoral für social-demokratische Arbeiter kaum geeignet" sei, „desto mehr aber seine Lehre: Man muß den Muth seiner Begierden haben und rücksichtslos alles unter die Füße treten, was einem bei der Befriedigung seiner Begierden im Wege ist". 473 Mayreder-Obermayer, Rosa (Eremo), Der Klub der Ubermenschen. (NDRs 6. Jg., H. 12 v. Dez. 1895, S. 1212-1228). Eine Erzählung über das Leben von sieben Wiener Studenten in den ersten Semestern und deren Gründung eines „Immoralisten-Klubs". Die Bezeichnung „Friedrich Nietzsche-Verein nach Analogie der Richard Wagner-Vereine" wird aus dem Grunde abgelehnt, daß die Mitglieder keine Nachbeter sein möchten. Auf der ersten Seite der „Tafel der Satzungen" steht: „Nichts ist wahr, Alles ist erlaubt." 474 Flaischlen, Caesar, Zur modernen Dichtung. Ein Rückblick. (Pan 1. Jg., 4. H. v. Dez. 1895, S. 235-242; über Nietzsche S. 240 f.). Der Rückblick richtet sich in der Hauptsache auf die vorangegangenen 15 Jahre; nach Würdigung Zolas und Ibsens wendet sich der Verfasser Nietzsche zu: „Eine neuentdeckte Welt that ihre Thore auf, und wenn man ihre erhabene fremde Großartigkeit vorderhand auch nur mit dem Instinkt verstand - und wenn man sie auch auf langhinaus noch kaum anders verstehen wird und wenn es vielleicht auch noch Jahrzehnte dauern wird, ehe man ihre Abgründe und ihre Gipfel erstiegen haben wird - so fühlte man überall doch den Herrn und Sieger, [...] dessen Sprache allein

1895 Alois Riehl: „eigentlich kein führender Geist"

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schon die ganze alte Philosophie allmählich unmöglich machen wird [...] Die letzten Jahre der Entwicklung gehören fast ausschließlich ihm." 475 Riehl, A(lois), (Freiburg i. B.),534 Friedrich Nietzsche. Die Schriften und die Persönlichkeit. (Wh 5. Bd., Anfang Dez. 1895, S. 129-140). Aus der Aufzählung der Schriften ragt nur die „erste Unzeitgemäße" hervor, sie zähle „zu den besten Erzeugnissen unserer polemischen Litteratur". Nietzsche ist ihm „von den Schriftstellern der ernsten Gattung der gelesenste", der Einfluß seines Stiles auf die Vertreter der „Moderne' in unserer Litteratur ist unverkennbar". Doch sieht der Verfasser in dem Aphorismus, der Sentenz, „wenn sie als Regel, nicht als Ausnahme gebraucht wird, den Stil der décadence", und Nietzsche ist ihm zum Schluß „eigentlich kein führender Geist". Die Angabe: Schluß folgt, ist irrig. S. die Anm. auf S. 219 im selben Jahrgang der Zeitschrift. 476 S(chrempf, Christoph), (Ebd., S. 159) Eine kurze Anzeige von M. Steins Nietzsche-Schrift (Nr. 360), die „hauptsächlich ein indirekter Beitrag zur Kulturbeleuchtung der Gegenwart" sei, d. h. sie beweise, „wie dunkel der Gegenwart trotz Nietzsche ihre Kulturaufgabe noch ist". 477 Bierbaum, Otto Julius (Schloß Englar im Eppau), In purpurner Finsternis. (Zeit Nr. 62 v. 7. 12. 1895, S. 154). Besprechung des gleichnamigen Werkes von Conrad (Nr. 351), das ein „Kunterbunt von Satire, Lyrik, Humor, Caricatur, Uberschwang, Idealismus und Ironie" sei, in dem „ein tiefer Sinn und reiche Kraft der Anregung liegt": „Es ist ein Blick in die Zukunft aus der Froschperspektive der Gegenwart, - oder vielleicht auch ein Blick auf das Ringen und Reißen der Gegenwart aus der Adlerperspektive der Zukunft [...]" 478 Busse, Carl, Paul Heyse und sein neuer Roman. (Geg Bd. 48, Nr. 49 v. 7. 12. 1895, S. 360ff.). Bemängelt vor allem und recht heftig die Bezeichnung des Werkes (Nr. 359) als Roman und kommt erst im vorletzten Abschnitt auf das Hineinbringen von „etwas von modernster Philosophie": „Was Wilbrandt in der .Osterinsel' bewältigt, glaubt Heyse nebenbei hier abthun zu können [...]" Besprecher, der „kein gläubiger Anhänger des Hammerphilosophen" sei, meint eine solche Einstellung zeuge „von einem Mangel an Blick für die Zeit [...] Mit seinem Fleuret kann Heyse die .blonden Bestien' beim besten Willen nicht todtschlagen." 479 Hofmiller, Josef (Freising), Nietzsches Lehrjahre. Nach neuen Dokumenten. (Z 4. Jg., 13. Bd., Nr. 13 v. 28. 12. 1895, S. 602-605).

534 RIEHL, ALOIS (Bozen 27. 4. 1844 - Neubabelsberg 21. 11. 1924), habilitierte sich 1870 an der Grazer Universität, 1873-1882 Professor ebenda, 1882 als Nachfolger Windelbands nach Freiburg im Breisgau, 1895 nach Kiel, 1898 nach Halle und 1905 als Nachfolger Diltheys nach Berlin; wurde durch Rickert auf Nietzsche aufmerksam gemacht. Zweifellos nicht zuletzt dem eigenen Erleben entnommen ist folgende Schilderung, die Riehl in einem 1913 gehaltenen Vortrag „Der Beruf der Philosophie in der Gegenwart" bot: „Die junge Generation der neunziger Jahre zeigte, verglichen mit der ihr vorangegangenen, eine neue geistige Verfassung, eine veränderte Richtung ihres Denkens. Sie empfand Ungenügen an bloßer Wissenschaft. Nietzsche wird ihr Wortführer, Leben, gesteigertes Leben ihre Losung." (A. R., Philosophische Studien aus vier Jahrzehnten. Quelle & Meyer. Lpz. 1925, S. 305).

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1895 Carl Hilty: „die logische Konsequenz der Lehre Darwins"

Bespricht die beiden ersten Nachlaßbände (GIX, G X ) sowie den ersten Band der Lebensbeschreibung (Nr. 417) und findet, indem er sich entschieden gegen die Darstellung der Lou Andreas-Salomé (Nr. 308) wendet, daß nun endlich „die Legende von dem aus einem Extrem ins andere springenden, sich in intellektuellen Martern genießenden, nur im Raffinierten und Exaltierten zufriedenen Décadent à la Dostojewski zerstört" sei.

In einem längeren Aufsatz über „Neurasthenie", 535 von betont christlicher Einstellung aus verfaßt, mußte Nietzsche des öfteren als schlagendes Beispiel herhalten. Verfassers Gegenstand ist ihm ein „Mittelding zwischen einer körperlichen Erkrankung ohne ganz lokale Ursache und einer geistigen Angegriffenheit [...], welche sich in einzelnen Fällen bis zum Irrsinn steigern kann". Bei solcher Steigerung, „nach seiner geistigen Seite hin", ergebe sich „Paranoia" oder gar „moral insanity", und gerade in dieser Hinsicht kommt er auf Nietzsche (S. 12, Anm. 1: „Daher rührt auch u. a. der brutale Atheismus in der Weise Nietzsche's."). Sonst zählt er auch Lenau (S. 13, Anm. 1) zu den Verrückten, nur daß man dessen Verrücktheit „mit einem energischen Rucke seines besseren Ichs abschütteln kann" (S. 14, Anm. 2). Besonders den „Mangel des moralischen Schamgefühls" könne man in den Schriften des „unglücklichen Philosophen" deutlich verfolgen:

535 Hilty, Dr. Carl, Prof. d. Bundesstaatsrechts a. d. Univ. Bern, Über Neurasthenie, in PJSE 10. Jg., 1896, S. 1-49; die Arbeit erschien auch als Einzelschrift mit fast gleichen Angaben (1897; 4. Tsd. 1898. 116 S., Fundstellen zu Nietzsche auf S. 23, 24, 25, 29, 39, 100); HILTY, CARL (Werdenberg / Kr. St. Gallen 28. 2. 1833 - Ciarens / Genfersee 12. 10. 1909), seit 1894 Professor in Bern, Mitglied des Haager Schiedsgerichts, viel gelesener populärphilosophischer Schriftsteller; s. a. Verfassers Auslassungen in der Schrift: Kranke Seelen. Psychopathische Betrachtungen. Hinrich / Huber. Lpz., Frauenfeld 1907, so u. a.: Andere führen „jetzt Nietzsche und Amiel, als Beispiele dafür an, daß jede hohe geistige Kultiir diesen Ausgang notwendig haben müsse" an, nämlich den zur Neurasthenie hin (S. 23). - „Bei Nietzsche war der ursprüngliche Grund seiner Erkrankung wahrscheinlich Ehrgeiz; nachher aber wurde bei diesem klassischen Beispiel eines modernen Neurasthenikers etwas daraus, was frühere Jahrhunderte als eine .Besessenheit' durch einen Dämon erklärt haben würden. In der Tat ist es wahr, daß in solchen Fällen ein doppeltes Selbstbewußtsein, gewissermaßen ein zweites Ich in dem Menschen entsteht und von ihm Besitz ergreift, das durch ihn denkt, redet und handelt und zwar oft in glänzender, für andere, diesem Geiste Nahestehende, oder dafür Empfängliche bezaubernder Weise, gegen die man sich wehren und innerlich wappnen muß, statt solche doppelte und daher krankhafte Existenzen zu bewundern und aus ihnen Argumente für die philosophische oder religiöse Bildung einer Nation zu beziehen." (S. 25) In Anm. 2 auf S. 30 heißt es: „Feigheit ist die charakteristische Eigenschaft des .modernen' Menschen, auch der sogenannten .Ubermenschen'. Er gehorcht als .Impressionist' jeder ihm herrschend erscheinenden Stimmung und fühlt sich nur stark, wenn er sich in der Mehrheit glaubt." und in der Anmerkung auf S. 70 erinnert er „an die Worte Nietzsches von der .Peitsche', und der .Erziehung des Weibes zur Erholung des Kriegers', die auch diesen .Dichter' jeder ehrbaren Frau unannehmbar machen sollten." Schließlich seien „Schopenhauer und Nietzsche, oder Darwin und Haeckel [...] doch nur ganz vorübergehende Erscheinungen in dem Geistesleben der Menschheit [...], die schon jetzt im Verblassen begriffen sind [...]" Beiläufige Erwähnung findet sich noch auf S. 66.

1895 Georg Kaiser - Kurt Hildebrandt

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„Mit .Also sprach Zarathustra' beginnen bei ihm bereits die Zwangsgedanken, die dann sehr rasch zur völligen und unheilbaren Verrücktheit führen [...] T r o t z diesem natur-nothwendigen

Ende [...] werden diese Schriften [...] von manchen das

Paradoxe liebenden Leuten gelesen, und (mit Recht) als die logische Konsequenz der Lehre Darwins angesehen [...] Ein Glück ist, daß es über Nietzsche hinaus keine Steigerung mehr geben kann und der atheistische Materialismus mit ihm sein letztes Wort in der Welt gesprochen hat." (S. 16, A n m . 1). Weitere Erwähnung noch auf S. 20.

In selbstgegründeten Lesevereinen geriet manch junger Mensch in den Bannkreis Nietzsches, so ging es höchstwahrscheinlich Georg Kaiser und Kurt Hildebrandt: „Im Sappho Verein wurde jedoch nicht nur gelesen. Wichtig für die Entwicklung Kaisers mag v o r allem ein Nietzsche-Vortrag gewesen sein, den Kurt Hildebrandt, der nachmalige Platon-Übersetzer und Schriftsteller, hielt. Es ist auffallend, daß das spätere Schaffen Kurt Hildebrandts v o r allem drei Gestalten gewidmet war, die auch im W e r k Kaisers eine wichtige Rolle spielten: Nietzsche, Plato und Sokrates. Z w a r fand der Nietzsche-Vortrag bei Kaiser zunächst keine sichtbare Resonanz, was jedoch bei seiner verschlossenen N a t u r noch nichts besagt. N a c h der Rückkehr von Amerika (1901) führte er jedenfalls mit einem anderen Sapphofreund, Wilhelm Andreae, lange Gespräche über Nietzsche." 5 3 6

536 Wolfgang Fix, Die Ironie im Drama Georg Kaisers. Diss. d. Univ. Heidelberg 1951, S. 12; Verfasser schöpft laut eigener Angabe viel aus mündlichen Berichten der Zeitgenossen; s. a. S. 11: „In den literarischen Vereinen ,Sappho' mit Georg Kaiser [von diesem und Hans Hildebrandt 1895 oder 1896 gegründet], .Shakespeare' mit mir selber und Wilhelm Waetzold, herrschte eine sehr hochgespannte geistige Stimmung [...]" (so nach Prof. Richard Hamann); vgl. noch S. 9 (1901), 22 (Besuche in Sils Maria), 41 ff. (Nietzsches Sokratesbild), 122 (Spuren Nietzsches in der „Jüdischen Witwe") wie im allgemeinen S. 47, 85, 87, 99, 107, 147, 150,158 f., 181, 188; über Nietzsches „Sokratesbild" sonst noch S. 160 f., 164, 166-173,; vgl. auch noch: Wolfgang Paulsen, Georg Kaiser. Die Perspektiven seines Werkes. Max Niemeyer. Tüb. 1960, S. 16 f., 103-109; s. a. neuerdings: H. W. Reichert, Nietzsche und Georg Kaiser. Studies in Philology. Bd. 61, 1964, S. 85-108. Das erste gedruckte Drama Kaisers, Die jüdische Witwe. Biblische Komödie. S. Fischer. Bln. 1911, trug den Spruch: „,Oh, meine Brüder, zerbrecht mir die alten Tafeln!' Friedrich Nietzsche." S. a. den Aufsatz von George C. Tunstall „Nietzsche and Georg Kaiser's .Schellenkönig'" (Mod. Lang. Notes Vol. 96, No. 3 v. April 1981, S. 645-653), in dem Verfasser meint, daß das nämliche, schon zwischen 1895 und 1896 geschriebene Werk Kaisers ausreichende Hinweise biete, um einen „strangely negative" [= eigenartig verneinenden] Niederschlag Nietzschescher Gedanken festzustellen. Laut Zeitungsberichte (FZg Abendausg. v. 14. 8. u. PrPr v. 17. 8. 1926) soll Kaiser sich in einer Antwort auf eine von der „New York Times" veranlaßte Umfrage nach den „12 Unsterblichen der Weltliteratur" geäußert haben: „Ich kenne nur zwei Unsterbliche: Plato und Nietzsche. Wenn ich auf eine einsame Insel verbannt würde, hätte ich an den Büchern dieser beiden vollauf genug." S. noch Helt, Richard C. und John Carson Pettey, Georg Kaiser's „Rezeption" of Friedrich Nietzsche. The Dramatist's Letters and Some Nietzschean Themes in His Works. (Orbis Litterarum Bd. 38, 1983, S. 215-234; den Verfassern ist die Zeit von 1895 bis in die 20er Jahre die des größten Einflusses, der auch wesentlicher als jeder andere gewesen sei und hier anhand der inzwischen von Valk (s. u.) veröf-

1895 Die Geburt der Tragödie „als Erweckungsruf empfunden"

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Als Gymnasiast a m Paedagogium z u m „Kloster U n s e r Lieben F r a u e n " M a g d e b u r g h a t t e K u r t H i l d e b r a n d t die M a c h t N i e t z s c h e s

in

verhältnismäßig

früh gespürt: „Nietzsches . G e b u r t der Tragödie' hatte ich i m 16. Lebensjahr als E r w e c k u n g s r u f empfunden u n d danach w u r d e m i r P i a t o n z u m Erlebnis." - „[...] s c h o n als Sekundan e r w a r ich d u r c h N i e t z s c h e z u m Zweifel an rationalistischer Wissenschaft u n d an systematischer Philosophie g e w e c k t . "

537

Ä h n l i c h , d o c h a u s f ü h r l i c h e r u n d u m f a s s e n d e r s i n d die N i e t z s c h e b e z ü g l i c h e n S t e l l e n i n e i n e m e t w a s f r ü h e r e n W e r k , in d e m es e i n l e i t e n d h e i ß t , d a ß des V e r f a s s e r s „geistige E r w e c k u n g [ . . . ] d u r c h die L e k t ü r e N i e t z s c h e s " ausgel ö s t w o r d e n sei: „Ein für den Ü b e r m e n s c h e n s c h w ä r m e n d e n V e t t e r wollte mir den Z a r a t h u s t r a bringen, k o n n t e aber durch einen unglücklichen Zufall n u r ,Die G e b u r t der T r a gödie' auftreiben. Das w a r nun eine schwierige u n d h ö c h s t aufregende L e k t ü r e ! Bis heute gilt sie m i r als Nietzsches schönstes B u c h . N i c h t U b e r m e n s c h , nicht Wille z u r M a c h t - n o c h weniger erkenntniszersetzende Grübelei, sondern der ehrfürch-

fentlichten Briefen verfolgt wird) und: Tunstall, G . C., Autobiography and Mythogenesis. The Case of Georg Kaiser and Nietzsche's „Ecce homo".(German Life and Letters. Bd. 37, 2. 1. 1894, S. 105-111; befaßt sich ausschließlich mit dem möglichen Einfluß von „Ecce homo"); HAMANN, RICHARD (Seehausen / Kr. Wanzleben 29. 5. 1879 - Immenstadt / Allgäu 9. 1. 1961), Kunstwissenschaftler; HILDEBRANDT, HANS, geb. am 27. 1. 1861 zu Hildebrandtshof, lebte um die Jahrhundertwende als Buchhändler in Stolp. HILDEBRANDT, KURT FLORENTINER (Florenz 12. 12. 1881 - Kiel 20. 5. 1966), Philosoph und Psychiater, promovierte schon 1906 zum Dr. med., seitdem an der Irrenanstalt Dalldorf tätig; KAISER, GEORG (Magdeburg 25. 11. 1878 - Ascona am Lago Maggiore 4. 6. 1945), Dramatiker. Briefstellen aus der Zeit von 1907-1944 bezeugen eine lebenslange, tiefere Beschäftigung Kaisers mit Nietzsche; s. G. K., Briefe. Hg. v. Gesa M. Valk. Propyläen Vlg. (Ffm., Bln., Wien 1980), bes. S. 174 (über den „geretteten Alkibiades": „Der ganze Piaton darin - der ganze Nietzsche — und alles aufgelöst in Szenisches blutvollster Gestaltung."), 492 („Immer mehr beschäftigt mich Friedrich Nietzsches Besuch in Tribschen. Ich glaube feststellen zu können, daß Nietzsches ganzes Werk eine einzige Sehnsucht nach Tribschen ist. Soll ich das schreiben? Vielleicht muß ich es - doch ich scheue mich vor einem Werk, das mit soviel Vorstudien verquickt ist."), 504 („Angepaßt lese ich das Buch Hiob - der Zarathustra ist nichts dagegen."), 561 (angesichts des Europas vom Ende 1940: „Nietzsches Geschwätz vom guten Europäer ist das Lästern eines Pestkranken. Eines unheilbar Verseuchten - wahnsinnig zuletzt."), 818 (zu Burckhardts „Nur kein Erdenleben mehr": „Das Wort mache ich zu meinem. Wie platt und niedrig ist Nietzsches Ausruf: ,Wohlan - noch einmal!'"), 1013 (über seinen Roman „Maria Zimmermann": „Ich bin der Überzeugung, daß mir zum ersten Mal seit zweitausend Jahren die Deutung des Christentums gelungen ist. Es ist eigenartig, daß dies Werk in derselben Landschaft des Oberengadins konzipiert wurde, wo der geniale Nietzsche seinen Zarathustra begriff [...] Das Gegenstück zum Zarathustra wird meine .Maria Zimmermann'." Zu seinem Drama „,Die Muttergottes'. Eine Tragödie unter jungen Leuten aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts", schrieb er: „Die Einflüsse, jäh anbrandend, gehen von Nietzsche und Ibsen aus [...] Hohe These wird die Aufwärtsentwicklung des Menschen" (Das Programm Nr. 14, Apr.-Mai 1917, S. 13). 537 K. H., Erinnerungen an Stefan George und seinen Kreis. H. Bouvier. Bonn 1965, S. 28 u. 81.

1895 Hildebrandt: „Bis heute gilt sie mir als Nietzsches schönstes Buch."

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tige Rausch für das frühe Griechentum! D a empfand ich etwas wie ein Urerlebnis, m e h r als humanistische Wissenschaft, auch mehr als bloße dichterische Wiedergeburt aus glühender Lebensbejahung. Als ich die Beschreibung dieser mythischen Kämpfe des D i o n y s o s las, bei denen Nietzsche in das enthusiastische Bekenntnis ausbricht: , A c h , es ist der Zauber dieser Kämpfe, daß, wer wie schaut, sie auch kämpfen m u ß ! ' w a r ich so hingerissen, daß ich zu mir sagte: . W e n n man dies gelesen hat, so hat sich das Leben gelohnt!' V o n da ab studierte ich Nietzsches W e r k e . Die Kameraden verehrten auch Nietzsches N a m e n und Glanz - aber im Studium seiner Philosophie w a r ich doch wieder allein. Jener junge Nietzsche schätzte die exakte Fachwissenschaft ebenso wie die Systemgebäude der Philosophie verglichen mit dem glühenden Leben nicht hoch." 5 3 8

538 Κ. H., Ein Weg zur Philosophie. Bouvier. Bonn 1962, S. 9; s. a. S. 12 (über Breysigs Verhältnis zu Nietzsche im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts: „Nietzsche wurde einseitig nach seiner mißratenen Sokrates-Legende geschätzt und gegen seine herrlichen Aussprüche über Piaton blieb man taub. Die Geburt der Tragödie, die Glut für die Vorsokratik, für Aeschylos galt für Breysig wenig [...]"), 18, 21, 24 f. (Nietzsches Einfluß auf Verfassers „Norm und Entartung"), 27, 29, 31 f. (über die Entstehung der Arbeit „Nietzsches Wettkampf mit Sokrates und Plato": „Ich hatte während dieser Arbeit keinen Zweifel mehr, daß Piaton der große Mensch schlechthin sei und Nietzsche der im Wettkampf unterlegene [...] aber ohne Umfärbung durch den Rückblick darf ich sagen, daß mir seit der Erweckung durch Nietzsches .Geburt der Tragödie' etwas Wesentliches auf diesem Wege aufgegangen war. Jenes obengenannte Wort, das zum Mitstreit der Dionysischen Bewegung aufrief, trieb zur existentiellen Bewegung im Gegensatz zur logischen Systembildung."), 33 f. (Nietzsche und der George-Kreis: „Vorbild war uns Nietzsche, weil er nach Maß und Mitte trachtet, weil er den Sinn der Dichtung in der Gestaltung der großen Leidenschaften, nicht ihrer Verkümmerung sucht."), 35 (über Wolters' Verhältnis zu Nietzsche: „Wolters hatte an meiner Dissertation keine große Freude, da er in Nietzsches Aussprüchen nur die Widersprüche, nicht den (existentiellen) Zusammenhang der geistigen Entwicklung fand." und Verfassers Beitrag zu dem Werk „Nietzsche als Richter unserer Zeit": „In ihm stellte ich den Sieg Piatons in dem Sinne dar, daß Nietzsche Vorläufer sei und Piaton auch heute noch Leitbild sei für den neuen Geist, für das Ziel in Dichtung und Philosophie."), 36-39 (über Verfassers „Wagner und Nietzsche" und „Gesundheit und Krankheit in Nietzsches Leben und Werk": „Nur weil ich Nietzsche liebte, stellte ich ihn dar, und weil ich in seinem Werk gelebt hatte, empfand ich die Qual seiner Glaubenslosigkeit (wie sie schon Bertram dargestellt hatte), die Unerfülltheit seines Geschickes [...] Er selbst erkannte, daß er nicht wie Piaton sein geistiges Ziel erreichte [...] - Doch hat George zu meiner Verwunderimg dies notgedrungen schwerfällige medizinische Gegengutachten erfreut: hier war ja bewiesen, daß Nietzsches Wunde durch seinen Bruch mit Wagner niemals geheilt ist, und in den Jahren 1873-1887 wohl die wichtigste Ursache seines .Nervenleidens' war."), 45, 48 (über die Mißdeutung Nietzsches in den „Jahren der politischen Irrungen": „Da waren Nietzsches übersteigerte Formulierungen, sein ,Immoralismus' bedenklich. Im Grunde meint er ja ein höheres, das schöpferische Ethos, setzte eine bürgerliche Moral als selbstverständlich voraus, soweit sie nicht heuchlerisch war, doch stellte er Piatons .Gerechtigkeit' durch seine Formulierung in Frage. Dazu kam, daß er in der .Geburt der Tragödie' schon die irrtümliche Legende von Sokrates als dem reinen Logiker schriftstellerisch ausgeführt hatte, zur Freude aller moral- und philosophiefeindlichen Schriftsteller. Die Vertreter der Partei-Diktatur übertrieben diese These ins Geschmacklose [...]"), 54 f. (Nietzsches Verhältnis zur englischen Philosophie), 61, 68, 75 („Unser Zeitalter lernte vom jungen Nietzsche diese Weltverneinung seiner beiden Erwecker Schopenhauer und Wagner, vom späteren Nietzsche den

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1895 Alfred Schuler: Heilung „durch Vorführung altgriechischer korybantischer Tänze"

Von einem eigenartigen Hilfeversuch um den kranken Nietzsche, der freilich nicht über die Vorbereitungsstufe hinaus gedieh, berichtet Ludwig Klages: „Nietzsche erkrankte in den letzten Tagen des Jahres 1888 und starb nach fast zwölfjährigem Siechtum 1900. Wenn sogar heute seine Krankheit zwar von den meisten, aber immer noch nicht von allen Ärzten als .atypische Paralyse' gedeutet wird, so war sie vollends 1896 in dichtes Dunkel gehüllt. Es konnte sich allenfalls um Folgeerscheinungen einer furchtbaren Erschöpfung handeln, hervorgerufen nach Auffassung Schulers nicht etwa nur durch übermäßigen Gebrauch von Schlafmitteln, sondern erst recht durch den sichtbaren und unsichtbaren Haß einer Zeitgenossenschaft, die durch seine Werkreihe Wunschbilder und Ordnungsformen tödlich befehdet sah. - Wie großes Gewicht zu jener Zeit Schuler dem Zarathustraweisen beimaß, erkenne man daraus, daß er wieder und wieder erwog, wie ihm zu helfen sei, um endlich zu dem Ergebnis zu kommen: wenn überhaupt, dann durch die Korybantiasis! Sobald ihm das feststand, machte er sich vertraut mit dem Überlieferungsstoff, änderte ab, nahm hinweg, tat hinzu gemäß den Aufschlüssen, die ihm durch Befragung seines Innern geworden waren, und betrieb fast zwei Jahre lang die Vorbereitung, freilich nur in - Gesprächen. Der Gründe, weswegen es darüber nicht hinauskam, sind mindestens drei: einmal pflegte er infolge eines noch zu berührenden Charakterzuges die praktischen Schritte zur Verwirklichung vom Nebenmenschen zu erwarten; sodann türmten sich je länger je mehr die Bedenken, ob es möglich sei, die für den kultischen Tanz seelisch geeigneten Jünglinge zu finden; endlich erschien es aussichtslos, die erforderlichen Mittel aufzubringen. So hätten z. B. die Rüstungen der Tänzer aus reinem Kupfer sein müssen, weil er vor allen Metallen diesem symbolischen Gehalt und magische Kraft beimaß. - Während Nietzsche wie so vielen freilich auch unserm Mystiker Gedankenwege zu neuem Leben gebahnt hatte, so schien doch dieses selbst, wenn auch minder wissensstark, andern Gestalten der Zeitwende reiner und voller zuteil geworden." (Hierbei denkt der Verfasser an die Kaiserin Elisabeth von Osterreich, der Schuler darauf sich zu nähern versuchte).539

Umbruch in die Dionysische Weltbejahung. Aber wir vermißten in dieser die beglückende Harmonie: diese Bejahung wirkte oft krampfhaft, gequält, weil sie nicht mit der aufbauenden Gemeinschaft im Einklang stand."), 90, 95, 98, 101, 106, 113, 119, 121 (Leibniz und Nietzsche), 122, 123, 125, 141, 143, 144. 539 Alfred Schuler, Fragmente und Vorträge aus dem Nachlaß. M. Einf. v. Ludwig Klages. J. A. Barth. Lpz. 1940, S. 60 f. Uber Nietzsches Einfluß auf Schuler sowie auf die Zeit im allgemeinen während der Jahre 1890-1896 s. ebd., S. 27 f., 33, 34, sowie die Erwähnungen Nietzsches in den Vorträgen Schulers auf S. 170, 244, 275. Daß dieser Versuch Schulers über lange Zeit hin erwogen wurde, legt die Schilderung seitens Roderich Huchs nahe, der ja erst im Herbst 1899 nach München kam und dessen (erneute?) Verkündigung im Hause Wolfskehls erlebte: „So verkündete er einst im intimeren Kreise bei Wolfskehls in leidenschaftlichen Worten die Absicht, den geisteskranken Nietzsche aufzusuchen und durch Vorführung altgriechischer korybantischer Tänze aus seiner geistigen Umnachtung zu lösen. Von Wolfskehl und Klages wurde dieser Plan gutgeheißen, warum er dennoch unterblieb, weiß ich heute nicht mehr [...]" (R. H., Alfred Schuler, Ludwig Klages und Stefan George [...] a. a. O., S. 29 f.). Uber Schuler und dessen Verhältnis zu Nietzsche schrieb Oskar A. H .

1895 Rudolf Kassner: „der Mann der Weltwende, zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert 381

Rudolf Kassner, der die beiden Semester 1895 / 96 auf der philosophischen Fakultät der Universität in Berlin verbrachte, schreibt über die Zeit: „Treitschkes Vorlesungen dürfen für mich als eine A r t Vorbereitung für Nietzsche gelten, w o z u gleich bemerkt werden soll, daß damals u m 1895 herum weder Lehrer noch Schüler von Nietzsche viel mehr als den Namen wußten [...] Ich habe mich im Innern sehr lange gegen Nietzsches .Willen zur Macht' gewehrt [··•] Nietzsche ist ein Schicksalsmensch erster Ordnung, und so ist sein Buch: ,Der Wille zur Macht' ein Schicksalsbuch [...] Nietzsche ist der Mann der Weltwende zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert, keiner kann neben ihm als das gelten, und so ist dieses Buch das einer Weltwende, sooft ich es aufschlage [...] Ich habe die .Geburt der Tragödie' nie ganz einsehen können, [...] und doch ist es ein wundervolles Buch [...] Ich habe Nietzsches Bücher der Konversion zum Freigeist (.Menschliches - Allzumenschliches, .Fröhliche Wissenschaft', .Morgenröte' usw.) immer eher langweilig gefunden. .Also sprach Zarathustra' formlos und in seiner Formlosigkeit direkt unglücklich [...] J e mehr ich den Wahnsinn in den nächsten, in den letzten Büchern, zu spüren meinte, u m so aufmerksamer wurde mein O h r , u m so wichtiger erschienen mir diese nächsten, letzten. Gleich von Anfang an. Damals, als ich sie in Göggingen in der Hessingschen Anstalt zu lesen begann. Welche Ursachen dieser Wahnsinn immer gehabt haben mochte im Physischen, im Zufälligen, im Arbiträren eines im Grunde gequälten Menschenlebens, er war schicksalhaft." 540

Schmitz, der ihn gerade im Jahre 1903 im Hause Wolfskehls kennengelernt hatte: „Schuler bekannte sich zu einem dionysischen Heidentum, dessen Kulte, Künste und Kulturen freie Gestaltungen eines unbefangenen Eros seien. Im Logos sah er das zerstörende, molochitische Prinzip, das in der Antike bereits in der sokratischen und platonischen Philosophie hervortrete mit ihrer der Welt des von Dionysos bewegten Stoffes transzendenten, ja feindseligen Ideenwelt. Natürlich wurde Nietzsche als dionysischer Prophet hochgeschätzt, aber noch mehr der Schweizer Forscher Bachofen [...]" (O. A. H. S., Dämon Welt. Jahre der Éntwick* lung. G. Müller. Mchn. 1926, S. 290 f.); SCHULER, ALFRED (Mainz 22. 11. 1865 - München 8. 4. 1923), seit 1887 in München, wo er zunächst Jura, dann Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie jedoch ohne Abschluß studierte, mystischer Denker und Vortragender, mit Klages seit dem Herbst 1893 bekannt. 540 R. K., Buch der Erinnerung. Rentsch. Erlenbach-Zür. (1954), S. 115-123; den unmittelbaren Niederschlag dieser Begegnung findet man in: „Die Mystik, die Künstler und das Leben. Uber englische Dichter und Maler im 19. Jahrhundert. Accorde." Diederichs. Lpz. 1900, dem ein Geleitwort aus „Jenseits" beigegeben ist, so z. B. Nietzsche als Platoniker (S. 6), Vergleiche mit William Blake (S. 24, 29, 50), Browning (S. 230, 235), Goethe (S. 270), „Nietzsche [...] dieser größte aller Ästhetiker [...]" (S. 167), „[...] und die schönsten Bücher des scheidenden Jahrhunderts, die Nietzsche's [...]" (S. 187 f.) sowie Hinweise auf die „Fröhliche Wissenschaft" (S. 132 f.), die „Geburt" (S. 172, 174), den „Zarathustra" (S. 177, 187 f., 265 f.) und den „Antichrist" (S. 275). Man lese auch die zahl- und zum Teil recht aufschlußreichen Erwähnungen Nietzsches in den Briefen an einen Jugendfreund in: R. K., Briefe an Tetzel. Hg. v. E. Zinn u. K. G. Bodenhausen. Neske. (Pfullingen 1979), S. 14, 15 f. (1896); 18 f., 20 ff., 24 f., 33 (1897); 37. 39 (1898); 56. 57 („Nietzsche sagt einmal: Was man schon niedergeschrieben hat, darüber ist man schon hinaus. Das ist sehr wahr - für diesen modernen Heraklit und uns seine Schüler. Ich glaube nämlich, man kann an Nietzsche nicht vorbei, er ist so nothwendig für uns, daß wir über ihn hinauswachsen müssen. Aber wie? Siehst Du das ist eine Frage mit der ich mich ganz ernstlich beschäftige."), 59. 68.

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1895 Max Neitlau: „Schönheiten" neben „Rückständigkeiten und persönlichen Manien"

S i c h e r l i c h das eigene E r l e b e n in d e n 9 0 e r J a h r e n spiegelt sich w e n i g s t e n s z u m T e i l in d e r g r o ß a n g e l e g t e n „ G e s c h i c h t e d e r A n a r c h i e " v o n M a x N e t t l a u : „Nietzsche kann hier nur nach seinen Auswirkungen in der Zeit u m und nach 1890 k u r z betrachtet werden. Wenige nur lasen ihn in den Achtzigern [...] Bekannt w u r d e er erst [...] durch einige Skandinavier, die ihre eigenen antisozialistischen Ideen durch ihn mächtig verstärkt sahen: die Georg Brandes und O l a Hansson propagierten die Herrenmoral, das Volk als Kulturdünger für die Z ü c h t u n g des Ü b e r m e n s c h e n , und alle, die sich in den sozialen Strömungen der deutschen Jugend unbehaglich fühlten, zogen sich nun auf Nietzsche zurück, waren Herrenmenschen, gingen z u m W e i b mit der Peitsche, fühlten sich sehr w o h l jenseits v o n G u t und Böse, werteten alle W e r t e mit Behagen um, kamen über jede Schweinerei hinweg [...] k u r z Nietzsche wurde das Palladium ihrer Reaktion [...] so wurde nun alles

(1899); 73, 84 f., 87, 88 f. (auf die Todesnachricht und die Ankündigung der „Umwerthung" hin: „Er wird mir immer größer! Er, Kierkegaard und Schopenhauer - das sind drei Zuchtmeister, die sich einem ins Gewissen und ins Blut schreiben." (1900); 96, 98, 101, 106 f. („Nietzsche ist die genialste Vorbereitung, die jemals existiert hat. Heute hasse ich ihn und morgen liebe ich ihn."), 108, 111 (1901); 118 (1902); 125, 128 (1903). Lesenswerte Rückblikke auf diese Zeit finden sich auch in: R. K., Umgang der Jahre. Gleichnis - Gespräch Essay - Erinnerung. (E. Rentsch. Erlenbach-Zür.1949), S. 258 f.: „Dem Zurückdenkenden muß heute eines auffallend erscheinen, daß damals, im letzten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts, in den Gesprächen der Studenten, der jungen, aber auch älterer Leute, eines kaum eine Rolle spielte, überhaupt nicht vorkam: die Religion, das religiöse Bekenntnis, der Streit der Konfessionen, die Gottesbeweise [...] man bekannte sich gerne zu etwas, das man Religion des Lebens hätte nennen müssen und wohl auch nannte. Der durchaus widerwärtige Titel eines modernen Musikstückes, Messe des Lebens, kommt aus der Mentalität der neunziger Jahre, die ihrerseits ihre Wurzeln in Darwin, im Monismus der Wissenschaft, in Häckel hat, sich aber auf Nietzsche berufen konnte, vornehmlich auf dessen Zarathustra, nicht zuletzt auch auf Ibsen. Im Sinne dieser Religion des Lebens war man also ein Genie oder keins. War man Glücklicher, ein Sonnenkind, Leichtfuß, Tänzer, dem alles erlaubt sei und zur Verfügung stehe, womöglich blond, sprach von der Tugend nur im Sinn von virtù, wie es bei Macchiavelli steht. Das war man alles, oder man war ein trauriger Mann mit der .Melancholie des Unvermögens', wie Nietzsche das genannt hat [...]"; 264 (über das Deutsche an der zweiten „Unzeitgemäßen"); 334 f. (ein etwa 1909 stattgefundenes Gespräch mit dem englischen Kriegsminister Richard Haidane: „Unser Gespräch kam aber zunächst auf Nietzsche, deutlicher, auf den Abfall vom deutschen Idealismus, als dessen Gipfel Haidane eben die Philosophie Hegels angesehen haben wollte [...] ich trat für ihn ein, und zwar nicht so sehr für irgend etwas, was sich uns aus seinen Schriften als Lehre aufdrängen könnte, sondern für Nietzsche als Schicksal, als Schicksal nicht nur der Deutschen. Doch man redete damals noch nicht viel vom Nihilismus Nietzsches [...] man bewunderte .Also sprach Zarathustra' und hielt es für das größte Werk der Epoche, eine Ansicht, die ich selber mir nie zu eigen machen konnte. Auch Haidane hielt sich daran, an Zarathustra, freilich nicht in Bewunderung, sondern im Tadel einer darin sich offenbarenden Hybris der menschlichen Persönlichkeit als solcher, des menschlichen Einzelwillens, gerichtet gegen den Willen der Geschichte als Trägerin der Ideen. Haidane hielt den Ubermenschen Nietzsches für den Ausdruck des modern-deutschen, des preußischen Reichs Bismarckscher Prägimg, während Hegel für ihn die universale Humanität, recht eigentlich den Hochsinn und die Generosität des alten Reiches verkörperte."); KASSNER, RUDOLF (Gr. Pawlowitz / Mähren 11. 9. 1873 Sierre / Schweiz 1. 4. 1959), Kunstphilosoph, Essayist und Erzähler.

1895 Emma Goldman, Johann Most und Stefan Großmann

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Solidarisch-moralische im Namen von Nietzsche zur Herdentiermoral degradiert, und jenseits von Gut und Böse florierten Zynismus und Geschäftsmacherei. Daher hatte der damalige .Nietzsche' den freiheitlich Denkenden wirklich nichts zu sagen: sie sahen den Sozialismus mißachtet, die Völkersolidarität untergraben [...] und Härte, Grausamkeit, Herrschgier, Entrechtung der Schwächeren [...] Für den, der trotz dieser trostlosen Eindrücke Nietzsche wirklich las, fanden sich viele Schönheiten, kühne Gedanken, unzählige Behauptungen, die zum Nachdenken reizten, Gotteskritik, Staatskritik, zündende Worte gegen rohe, verknechtende Kräfte und stumpfe Routine, aber es fanden sich doch auch diese Rückständigkeiten und persönlichen Manien, deren sich die Reaktion so erfolgreich bemächtigt hatte [...]" Als jemand, „der Nietzsche sehr viel besser kannte als wir alle", führt er Ende 1897 dann Gustav Landauer an und vermerkt dazu: „Ich kann nicht feststellen, ob ein Aufsatz .Bakunin und Nietzsche', den Landauer Ende 1897 für die Leipziger .Gesellschaft' schrieb gedruckt wurde (A. Weidner erzählte mir im Dezember 1897 davon)."541

Die russisch-amerikanische Anarchistin Emma Goldman verbrachte die Zeit vom Oktober 1895 bis Herbst 1896 zur Ausbildung als Hebamme und Krankenschwester am Allgemeinen Krankenhaus in Wien. In Amerika hatte sie schon enge Freundschaft mit dem Deutsch-Amerikaner Johann Most, Herausgeber der Zeitschrift „Die Freiheit" und vormaligen Reichstagsmitglied, 1874-78, geschlossen. In Wien lernte sie Stefan Großmann kennen, von dem sie schrieb: „[...] he came often, und gradually I learned to like him. He was an omnivorous reader and a great admirer of new literature - Friedrich Nietzsche, Ibsen, Hauptmann, von Hofmannsthal and its other exponents who were hurling their anathemas against old values. I had read some of their works in snatches in the ,Arme Teufel', the weekly published in Detroit by Robert Reitzel, a brilliant writer. It was the one German paper in the States that kept its readers in contact with the new literary spirit in Europe [...] In Vienna one could hear interesting lectures on modern German prose and poetry. One could read the works of the young iconoclasts in art and letters, the most daring among them being Nietzsche. The magic of his language, the beauty of his vision, carried me to undreamed-of heights. I longed to devour every line of his writings, but I was too poor to buy them. Fortunately Grossmann had a supply of Nietzsche and other moderns." [= „er ist oft gekommen, und allmählich habe ich ihn mögen gelernt. Er war ein unersättlicher Leser und großer Verehrer neuerer Literatur - Friedrich Nietzsche, Ibsen, Hauptmann, von Hofmannsthal und deren andere Vertreter, die ihre Bannflüche gegen alte Werte schleuderten. Ich hatte einige ihrer Werke in Auszügen im .Armen Teufel', der in Detroit von dem glänzenden Schriftsteller Robert Reitzel herausgegebenen Wochenschrift, gelesen. Es war die einzige deutsche Zeitung in den Staa-

541 Geschichte der Anarchie. Bd. V: Anarchisten und Syndikalisten Tl. 1. Hg. i. Zusammenarbeit m. d. Internationaal Institut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam. Topos Vlg. Vaduz (1984), S. 215 f.

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1895 Max Baginski

ten, die ihre Leser mit dem neuen literarischen Geist in Europa auf dem Laufenden hielt [...] In Wien konnte man interessante Vorlesungen über moderne deutsche Dichtung hören. Man konnte die Werke der jungen Bilderstürmer in Kunst und Dichtung lesen, und der gewagteste unter ihnen war Nietzsche. Der Zauber seiner Sprache, die Schönheit des Erschauten hat mich auf nie erträumte H ö h e n emporgetragen. Ich sehnte mich danach, jede Zeile seiner Schriften zu verschlingen, war aber zu arm, sie zu kaufen. Glücklicherweise hatte Großmann einen Vorrat an Nietzsche und anderen Modernen"] 5 4 2

542 E. G., Living My Life. AMS Press. New York (1970), S. 172. S. a. S. 193 ff. (Eine Auseinandersetzung mit u. a. James Huneker und einem jungen Maler P. Yelineck: „I pointed out that Nietzsche was not a social theorist but a poet, a rebel and innovator. His aristocracy was neither of birth nor of purse; it was of the spirit. In that respect Nietzsche was an anarchist, and all true anarchists were aristocrats, I said." [= „Ich wies darauf hin, daß Nietzsche kein Sozialtheoretiker sei, sondern ein Dichter, ein Aufrührer und Neuerer. Seine Aristokratie wäre weder eine der Geburt noch des Geldbeutels; sie sei eine des Geistes. In der Hinsicht sei Nietzsche Anarchist, und alle wahren Anarchisten seien Aristokraten, sagte ich."], 218 (über einen Besuch bei Max Baginski, der 1891 als Redakteur des „Proletariers aus dem Eulengebirge" Gerhart Hauptmann in die Weberdörfer geführt hatte: „My joy in Max was heightened by the discovery that he shared my admiration for Nietzsche, Ibsen, and Hauptmann [...]" [= „Meine Freude an Max wurde durch die Entdeckung gesteigert, daß er meine Bewunderung für Nietzsche, Ibsen und Hauptmann teilte [...]"). Daß die Beschäftigung mit Nietzsche anhielt, legt die Tatsache nahe, daß sie Henry Miller um die Zeit des Ersten Weltkrieges herum die Bekanntschaft mit Nietzsches Werken vermittelte. Dieser schrieb am 1. 3. 1964 in einem Brief an Karlheinz Deschner: „Ich habe oft in meinen Büchern bekannt, alles der Anarchistin Emma Goldmann zu schulden, die mir Nietzsches Werk erschloß, besonders (als ich 21 war) den .Antichrist'." (Das Christentum im Urteil seiner Gegner. Hg. v. K. Deschner. 2. Bd. Limes. (Wiesbaden 1971), S. 239. In einem Brief v. 8. 3. 1933 an Anaïs Nin hatte er geschrieben: „The man I was at twenty-three, who felt Nietzsche so powerfully, was indelibly influenced by his thought. It is that which sustained me, without my knowing it, perhaps, all these years." [= „Der Mann, den ich mit dreiundzwanzig war, der Nietzsche so mächtig spürte, war untilgbar von seinem Denken beeinflußt. Es ist das, was mich aufrechterhalten hat, vielleicht ohne daß ich es wußte, diese ganzen Jahre."] (Henry Miller Letters to Anaïs Nin. Ed. and with an introd. by Gunther Stuhlmann. Putnam. New York (1965), S. 87). Ähnliche Äußerungen führt Walter Schmiele an (Henry Miller m. Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten dargestellt. Rowohlt. (Reinbek b. Hamb. 1980), S. 43, 44, 46. Wohl das Ausführlichste über den Anarchismus der Zeit 18701900 bietet das weit über den eigentlichen Gegenstand hinausgehende Werk von Rudolf Rocker: Johann Most. Das Leben eines Rebellen. M. Vorw. v. Alexander Bermann. Vlg.: „Der Syndikalist". Fritz Kater. Bln. 1924. Darin heißt es, daß „die deutsche Bewegung [...] zehn Jahre lang an der Spitze der anarchistischen Propaganda in den Vereinigten Staaten", etwa in den 80er Jahren, gestanden habe (S. 378). Weiter meint er: „Neunundneunzig Prozent der damaligen Anarchisten in Deutschland hatten von der ursprünglichen anarchistischen Bewegung und ihren Bestrebungen überhaupt keine Ahnung. Durch die Vermittlung der im Auslande erschienenen Blätter und Broschüren waren sie oberflächlich bekannt geworden mit einer bestimmten Phase der Bewegung, aber die besonderen Ursachen, welche diese besondere Phase in der Entwicklungsgeschichte der Bewegung hervorgerufen hatten, waren fast allen ein versiegeltes Buch. Diejenigen Genossen, welche noch die unterirdische Periode in der Bewegung in Deutschland kennengelernt hatten, waren ausnahmslos Anhänger des kommunistischen Anarchismus. Von einer anderen Richtung wußte man vorher

1896 Tille: „ein Jordan vielfach verwandter und von ihm stark beeinflußter Geist"

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A U D e u t s c h e L y r i k v o n H e u t e u n d M o r g e n . M . e. geschichtl. Einl. hg. v. D r . Alex a n d e r Tille. C . G . N a u m a n n . L p z . 1896. 1 Taf. (Nietzsche darstellend), lxxvii S., 1 Bl., 183 S., 4 Bll. Herausgeber ist der Meinung, „erst das letzte Vierteljahrhundert, die Z e i t des neuen deutschen Reiches, hat eine größere A n z a h l neuer lyrischer A n s ä t z e geb r a c h t " . D a s B u c h enthält demzufolge „nur D i c h t u n g e n aus den J a h r e n 1 8 6 9 bis 1 8 9 5 u n d beschränkt sich auf solche, die in irgend einer W e i s e für das geistige L e b e n unserer Zeit bezeichnend sind". „ M o d e r n " seien die enthaltenen G e d i c h t e e n t w e d e r d e m „Gegenstand", d e m „Gesichtspunkt" o d e r der „Darstellungsweise" nach. E r m e i n t ferner, „die E n t w i c k l u n g der m o d e r n e n deutschen L y r i k [...] ist d u r c h zwei geistige M ä c h t e b e s t i m m t [ . . . ] : die reißenden F o r t s c h r i t t e der N a t u r w i s -

nichts." (S. 383) Vermerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Erwähnung Nietzsches in dem Werk: Der Anarchismus. Kritische Geschichte der anarchistischen Theorie, das 1895 bei Gustav Fischer in Jena erschien. Der Verfasser lehnt die Einreihung Nietzsches unter die Anarchisten strengstens ab: „Unseres Erachtens ist es ganz unrichtig, jeden Schriftsteller, der wie etwa Nietzsche einen rein philosophischen Individualismus oder Egoismus predigt, ohne jemals an eine Anwendung auf die Reform der Gesellschaft gedacht zu haben, für einen theoretischen Anarchisten zu erklären." (S. 155) Hierzu heißt es in einer Anmerkung, die sich auf die Darstellung Schellwiens (Nr. 215) stützt: „Der Anarchismus Nietzsches auch nur im philosophischen Sinne ist überhaupt ein Märchen." (E. V. Zenker; hier n. d. Nachdr.: Vlg. Sauer & Auvermann. Ffm. 1966). Dennoch konnte Max Nettlau, den Rudolf Rocker den „Herodot des Anarchismus" nannte, auf der letzten Seite seines Werkes: Der Anarchismus von Proudhon zu Kropotkin. Seine historische Entwicklung in den Jahren 1859-1880, Nietzsche, wenn auch bedingterweise, in folgende Gesellschaft bringen: „Damals lebten Männer die, ohne je Anarchisten gewesen zu sein, über die Entwicklung zur Freiheit hin wertvolles zu sagen gehabt hätten - Walt Whitman, Ibsen, Multatuli, Tolstoi, Marc Guyau, auch Nietzsche in gewisser Hinsicht [...]" (Vlg. „Der Syndikalist". Fritz Kater. Bln. 1927, S. 311 = Beiträge z. Gesch. d. Sozialismus, Syndikalismus, Anarchismus. Bd. III); BAGINSKI, MAX (1864 - 1943), Schuhmacher, ein Wortführer der „Jungen" innerhalb der Sozialdemokratie Anfang der 90er Jahre in Berlin, nach einer längeren Gefängnisstrafe in Deutschland, die er sich als Redakteur des seit 1890 in Langenbielau, Schlesien, erscheinenden „Proletarier aus dem Eulengebirge" zugezogen hatte, ging er über Zürich, Paris und London nach den USA, übernahm 1894 die Redaktion der „Chicagoer Arbeiter-Zeitung", begründete ebendort die kurzlebige - nur vier Nummern - Wochenschrift „Sturmglocke", enger Mitarbeiter von Johannes Most an der anarchistischen Zeitschrift „Die Freiheit" in New York, in den 20er Jahren Berichterstatter der „New Yorker Volkszeitung" in Europa; GOLDMAN, EMMA (Kowno / Rußland 27. 6. 1869 - Toronto / Kanada 14. 5. 1940), besuchte zunächst vier Jahre lang die deutsche Realschule in Königsberg, 1881 nach St.Petersburg, Januar 1886 Einwanderung in die USA, im August 1893 übersandte Georg Biedenkapp sein im selben Jahr in New York erschienenen Gedichtband „Sankta Libertas" seiner „lieben Emma Goldmann" mit handschriftlicher Widmung; GROSZMANN, STEFAN (Wien 18. 5. 1875 - ebd. 3 . 1 . 1935), Feuilleton-Redakteur der Wiener „Arbeiter-Zeitung", gründete später die Wochenschrift „Das Tagebuch" in Berlin; MOST, JOHANN JOSEPH (Augsburg 5. 2. 1846 - Cincinatti / USA 17. 3. 1906), aus Deutschland ausgewiesen gründete er 1878 die Zeitschrift „Die Freiheit" in London, die er 1881 nach New York verlegte, kurze Zeit auch an der „Buffaloer Arbeiter-Zeitung" tätig; NETTLAU, MAX (Neuwaldegg b. Wien 30. 4. 1865 Amsterdam 23. 7.1944), erste Verbindungen zur österreichischen sozialistischen Bewegung schon Anfang der 80er Jahre, promovierte 1887 zu Leipzig mit einer Arbeit über das Cymrische.

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1896 Alfred Biese: „ein Augenblicks- ein Stimmungsphilosoph, ein Chamäleon"

senschaft und das Eintreten sozialer Probleme in den Mittelpunkt der allgemeinen Teilnahme". Nietzsche ist dem Herausgeber „ein Jordan vielfach verwandter und von ihm stark beeinflußter Geist", und Jordan sei es, der „die neue frohe Botschaft [...] des Darwinismus" als „ein Stück neue Weltanschauung" in die Lyrik eingeführt habe. Dieser habe erst in Nietzsche „einen eifrigen Leser und Schüler" bekommen und sei „dadurch das entscheidende Ereignis in der geistigen Entwicklung eines Philosophen, der noch bei Lebzeiten im stärksten Maße auf die Litteratur und vor allem auf die Lyrik gewirkt hat"; Hermann Conradis „Lieder eines Sünders" seien die „erste lyrische Sammlung, die Nietzsches Einfluß auf die deutsche Lyrik zeigt", aber auch sein „Adam Mensch" sowie seine Flugschrift „Wilhelm II. und die junge Generation" zeigen „nur allzu deutlich" Nietzsches aphoristischen Stil. Den Nietzscheschen Einfluß findet er auch noch bei Johannes Grosse, Richard Dehmel und Fritz Koegel. In der Anthologie sind neben Nietzsche (Mädchenlied, Richard Wagner und sechs Sprüche) mehrmals vertreten: Arno Holz, J. Hart, O. E. Hartleben, Reinhold Fuchs, Eduard Grisebach, Th. Fontane, H. Conradi, Rudolf Baumbach, W. Jordan, R. Dehmel, Alberta von Puttkamer, Heinrich Leuthold, O. J. Bierbaum u. D. v. Liliencron. Mit je einem Gedicht vertreten sind: Heinrich von Reder, Anna Klie, H. Löns, Georg Vogel, Otto Ernst, Heinrich Seidel, Wolfgang Kirchbach, Gertrud Triepel, Ludwig Fulda, Ada Christen, Carl Frhr. v. Gumppenberg, Otto Bruhnsen, Paul Voigt, Josef Kitir, Hans Hopfen, M. Herbert, Robert Waldmüller, Karl Henckell, C. Flaischlen, Adolf Wilhelm Ernst, Robert Hamerling, Hermann Hango, Johannes Ohquist, Maria Janitschek, J . G. Oswald, Hans v. Gumppenberg, Wilhelm Gittermann, Johannes Grosse, Arthur Fitger, Wilhelm E. Backhaus, Wilhelm Jensen, Arthur Pfungst, Franz Herold, Friedrich Adler, Rudolf Knussert und Fritz Koegel. In Hinsicht auf das vorhergehende W e r k sind einige Bemerkungen von Alfred Biese 543 beachtenswert. E r findet, daß bei den J ü n g s t m o d e r n e n " „der Immoralismus Friedrich Nietzsches die Modephilosophie geworden" sei, und stellt die Franzosen als die geistvollsten Vertreter des Immoralismus hin: „[...] auf deren und der alten Sophisten Schultern Nietzsche steht, den wir den .Erzieher der Jüngstmodernen' nennen können. Auf ihn schwören sie; sein blendender Geist ist der Irrwisch, der sie in die Sümpfe lockte. Ein phänomenaler Genius, hat er sich selbst verzehrt, ein flackerndes Feuer, schimmernd und schillernd wie seine Zeit. Seine Lyrik ist dithyrambisch, ekstatisch. Er fühlt sich als Prophet der Umwertung aller Werte. Und was er mit virtuoser Sprachbehandlung in blendenden Gedankenblitzen, in verführerisch-genialen Aphorismen, die ihrem Wesen gemäß abbrechen, wo die Schwierigkeit des Denkens beginnt, niedergelegt hat, je nachdem die Stimmung ihn hierhin und dorthin trieb; denn er ist ein Augenblicks- ein Stimmungsphilosoph, ein Chamäleon, ein hinundherschwankender Begriffspoet - , was er hohnlachend an Bosheiten in die Welt schleuderte, das ward berauschendes Gift für die brausende Jugend [...] Und so rückten die litterarischen Stürmer unter dem Schlachtruf: Hie Herren-Mensch! (im Gegensatz zu dem Her-

543 A . B., Lyrische Dichtung und neuere deutsche Lyriker. Wilh. H e r t z . Bln. 1896, S. 228 f.

1896 Max Burckhardt und Alma Schindler: „Wir waren beide wilde Nietzscheaner"

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den-Menschen!) in geschlossenen Reihen vor. Und soweit sie gegen die Philister, die Fürchteseelen, gegen die ,dickbreiige Masse der Mittelmäßigkeit', gegen die ,Sumpfzufriedenen', die .knechtschaffenden Bücklingsmacher' u. s. w. u. s. w. in .Freiheitssucht', in keckem Jugendungestüm vorstürmten, war das Schauspiel ergötzlich. Denn wer wollte leugnen, daß nicht jede Zeit viel Morsches mit sich führt, das der Vernichtung harrt? Aber .Philister' war schließlich jeder, der nicht auf sie schwor." 480 Fokke, Arnold, Friedenau, Über allen Gipfeln. (Gr 55. Jg., l.Viertelj., 3. H. v. Jan. 1896, S.134-140). Eine gänzliche Ablehnung des Werkes von Heyse (Nr. 359), dem „der Vorwurf der Subjektivität und der verstimmenden Absichtlichkeit" nicht erspart werden könne. Ihm gehe „das richtige Verständnis für die Bedeutung Nietzsche's ab", die sicher „gerechten Anspruch" darauf habe, „tiefer und ernster erfaßt zu werden, als in diesem Roman geschieht". Noch wenige Jahre vor der Jahrhundertwende muß Alma Schindler die Bekanntschaft mit Nietzsches Schriften gemacht haben und zwar durch die Vermittlung des derzeitigen Leiters des Burgtheaters Max Burckhard. Sie schrieb: „Meine erste Begegnung mit einem wirklich Verwandten meiner Lebensanschauung, meiner Lebensbejahung und allem, was in dieses ungeheure Kapitel des Lebens hineingehört [...] das war Max Burkhard [...] Ich war siebzehn Jahre alt [...] Max Burkhard war der erste, der sich meines irrlichternden Geistes annahm. Wir waren beide wilde Nietzscheaner - er ein revolutionärer Modernist."544 AV Friedrich Nietzsche, Nicht mehr zurück? In: Moderne Lyrik. Eine Sammlung zeitgenössischer Dichtungen. Mit Beiträgen von: Th. Fontane, L. Fulda, O. E. 544 Alma Mahler-Werfel, Mein Leben. S. Fischer. (Ffm. 1960. 11.-25. Tsd.), S. 21. An anderer Stelle heißt es: „Mein Weg führte mich in jungen Jahren weg vom Katholizismus, ja weg vom Christentum überhaupt. Ich las - las unentwegt: Nietzsche, Schopenhauer und später vor allem Plato." (S. 28) Und über die wesentlich spätere Zeit, Sommer 1932, schrieb sie: „Es wurmte ihn [d. i. Franz Werfel], daß ich meinen Göttern Nietzsche und Wagner treu und von ihnen beeinflußt geblieben bin." (S. 233). Ähnlich drückte sie sich in ihren „Erinnerungen an Gustav Mahler" Hg. v. Donald Mitchell. Ullstein. (1980, S. 45): „Ich war, obwohl katholisch erzogen, später durch den Einfluß von Schopenhauer und Nietzsche sehr freigeistig geworden." Einmal, noch vor der Vermählung mit Mahler, habe dieser ihre Bücher mit Zufriedenheit begutachtet. „Nur bei meiner großen Nietzsche-Ausgabe machte er sehr erschrockene Augen; er bat mich plötzlich, ich solle sie in den offen brennenden Kamin werfen. Darauf sagte ich nein und meinte, wenn er mit seinem Haß recht habe, so werde es ihm ein leichtes sein, auch mich davon zu überzeugen [...] Er war verstimmt. (Ebd., S. 43); B U R C K H A R D T ) , M A X EUGEN (Korneuburg b. Wien 14. 7. 1854 - Wien 16. 3. 1912), Dr. jur., Geheimrat, Theaterkritiker an der „Neuen Freien Presse", 1890-1898 Leiter des Hofburgtheaters, brachte schon 1891 Ibsen auf die Bühne. In ihren Erinnerungen schrieb Alma Mahler über ihn: „Max Burckhard war in den letzten Jahren vor meiner Verheiratung mein Berater gewesen [...] Er predigte Nietzsches Herrenmoral und er durfte es, denn er war alles, was er sagte, ohne jede Phrase". A. a. O., S. 170; SCHINDLER, A L M A M A R I A (verh. Mahler, Gropius, Werfel, 31. 8. 1879 - New York / USA 11. 12. 1964), Tochter des bekannten Wiener Landschaftsmalers.

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1896 Wieder unter die Lyriker

Hartleben, D. v. Liliencron, Fr. Nietzsche, M. Nordau, G. v. Ompteda u. a. Max Perl Vlg. Bln. 1896. x, 366 S. (Nietzsches Beitrag auf S. 214 mit biographischen Angaben auf S. 360). Neben den auf dem Titelblatt erwähnten sind folgende Dichter vertreten: Fr. Adler, Graf E. v. Aichelburg, C. Alberti, Engelbrecht Albrecht, Wilh. Arent, G. H. Ayrer, W. E. Backhaus, Paul Barsch, G. E. Barthel, H. v. Basedow, Bierbaum, Max Bittrich, Bleibtreu, Victor Blüthgen, C. Brunner, Heinr. Bulthaupt, Rudolf Bunge, C. Byr, Emil Claar, Eugen Croissant, Emma Croon-Mayer, Maria Dahlström, F. Dahn, Dehmel, Hugo Dinckelberg, Gottfried Döhler, Raoul Ritter v. Dombrowski, Rudolf Eckart, Georg Eggestorff, A. W. Ernst, F. Evers, G. Falke, Johannes Fastenrath, M. A. Ferdinand, J . G. Fischer, C. Flaischlen, L. A. Frankl, Alfred Friedmann, Hermann Friedrichs, S. Fritz, Reinhold Fuchs, O. F. Gensichen, R. Gollmer, M. E. della Grazie, M. Greif, Hugo Grothe, David Halpert, Ernst Harmening, J. Hart, Richard v. Hartwig, Cathinka Gräfin v. Haugwitz, Herrn. Heiberg, Paul Heinze, Fr. Heibig, K. Henckell, Elise Henle, Franz Hermann, Franz Herold, Fr. v. Hindersin, Hans Hildebrandt, Franz Hirsch, Hans Hoffmann, Max Hoffmann, Wilh. Hosäus, Therese Dahn geb. Freiin v.Hiilshoff, M. Janitschek, E. F. Kastner, Willy Kastner, Gustav Kastropp, Hugo Kegel, Herrn. Kiehne, Laurenz Kiesgen, Fr. Kirchner, Josephine Freiin v. Knorr, Karl Knortz, H. C. Kosel, Ernst Kreowski, Herrn. Krone, Wilh. Kunze, Heinr. Landsberger, Karl Landsteiner, Martin Langen, Wilh. Langewiesche, Adolf Lasson, O. A. Lemke, Fritz Lemmermayer, F. A. Leo, Fritz Lienhard, Moritz Lilie, Wilh. Lilienthal, Jakob Möwenberg, J. H. Mackay, Karl Michler, Lina Morgenstern, Olga Morgenstern, George Morin, Ewald Müller, Marie v. Najmajer, Max Neal, Konrad Nies, Karl Nissel, Theodor Nothing, M. Odern, Baron G. v. Oertzen, Anton Ohorn, O. Panizza, Gustav Pasig, Karl Pauli, Johann Peter, Arthur Pfungst, Adolf Pichler, Robert Plöhn, Karl Presser, Hermine v. Preuschen, Rudolf Frhr. v. Procházka, Johannes Proelß, A. M. B. Ramann, Heinr. v. Reder, T. Resa, Wilh. Röseler, Emilie Rossi, Emmy Rossi, Adolf Sandheim, Α. F. Graf v. Schack, Adolf Schafheitlein, Frida Schanz, Uli Schanz, Ludw. Scharf, G. Schaumberg, Julius Schaumberger, Paul Schettler, Josef Schmid-Braufels, Richard Schmidt-Cabanis, Georg v. Schulpe, H. Seidel, Herrn. Stegemann, Adolf Stern, M. v. Stern, Marie Stona, August Sturm, J. F. Tanzer, Valentin Traudt, Johannes Trojan, Uhlmann-Bitterheide, Emilie Mario Vacano, Leon Vandersee, Heinr. Vierordt, Adolf Volger, Η. E. Wachler, Mathilde WaIcker, W. Walloth, Dom. Wanderer, Wilh. v. Wartenegg, Albert Weiß, Armin Werherr, E. W. Heß v. Wichdorff, Albert Wittstock, Karl Woermann, Heinr. Zweise, Jenny Zink, Theophil Zolling, Richard Zoosmann. 481 Borbein, Dr. Hans, Pforta, 545 (DDr 2. Jg., Nr. 4 v. Jan. 1896, S. 107-110). Eine durchaus lobende und in der Form nacherzählende, verhältnismäßig lange Besprechung des ersten Bandes der Lebensbeschreibung (Nr. 417): „Bei der Bedeutung,

545 BORBEIN, ERNST ADOLF WILHELM JOHANNES, geb. am 25. 9. 1862 zu Vlotho b. Minden / Westf., promovierte 1889 zu Halle mit einer Arbeit „Über den Wert des monotheistischen und pantheistischen Gottesbegriffes für das sittlich-religiöse Bewußtsein", 1895-1899 Oberlehrer in Pforta, danach an der Leibniz-(Reform-)Schule in Hannover.

1896 Gustav Mahler und Bruno Walter

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die seine moralischen und ästhetischen Anschauungen für das Leben der heutigen Gesellschaft gewonnen haben, und in der unmittelbaren Zukunft noch gewinnen werden, findet daher die erste ausführliche Biographie N.'s einen Boden, wie er günstiger kaum gedacht werden kann." 482 Mayr, Richard,546 Zwei Götzendämmerungen. Nietzsches und Dührings Beurteilung der Literatur-Größen. (DDh 16. Jg. (= 25. Bd. d. Dt. Dichterhalle), H. 3 ff. v. Jan.-März 1896, S. 82-85, 122-125, 162-165). Da Verfasser in Dühring „einen kaum minder bedeutenden" Menschen als Nietzsche erkennt, einen „Originaldenker des lebenden Deutschlands", den „die Modernen" aber „abseits" liegen gelassen hätten, unternimmt er hiermit einen eingehenden, recht sachlich gehaltenen Vergleich der Ansichten beider. 483 Riehl, A(lois), (Freiburg i. B.), Friedrich Nietzsche als Künstler. (Wh 5. Bd., Anfang Jan. 1896, S. 219-224). Er meint, „Nietzsche verhält sich zur Sprache als Musiker, Dichter und Maler zugleich", doch „zur höchsten Meisterschaft" fehle ihm ein Wesentliches: „[...] seinem Stil mangelt Einfachheit und schlichte Größe". Nietzsche habe zur Zeit seiner „philosophischen ,Wanderbücher' am maßvollsten" geschrieben, später falle seine Schreibart „ins Barocke". Seine Kunst sei „zu reif, um ein neuer Anfang der Entwicklung zu sein". 484 Kaftan, (Julius), Eine neue Moral. (CW 10. Jg., Nr. 5 v. 30. 1. 1896, Sp. 103110). Im Vordergrund steht die Kritik des Buches von Tille (Nr. 411) und der darin verkündeten „neuen Moral", doch weiß Verfasser auch um einen den Leser überschüttenden „Goldregen" aus Nietzsches Werken, sowie um den „Genuß der Stunde", die „Impulse zu mancherlei Gedanken und Überlegungen, die uns ohne ihn und die Blitze seines Geistes so nicht gekommen wären". Nur gebärden sich die „Jünger des Propheten" unerträglich, sie sind ihm „ein kleines Husten", das „den Sturmwind nicht ersetzen kann, den uns Zarathustra verheißen hat". Im Jahre 1896 wurden in Berlin der zweite und dritte Satz von Gustav Mahlers Dritten Symphonie uraufgeführt. Das Werk sollte ursprünglich „Die Fröhliche Wissenschaft" heißen, denn der Verfasser hatte „zwei Gedichte aus ,Des Knaben Wunderhorn' und ein herrliches Gedicht von Nietzsche den Gesängen der kurzen Sätze" zugrunde gelegt.547

546 MAYR, RICHARD (Sieghartskirchen / NÖsterr. 26. 12. 1848 - 1915), Wirtschaftshistoriker

und philosophischer Schriftsteller, Professor an der Wiener Handelsakademie. 547 S. hierzu Natalie Bauer-Lechner, Erinnerungen an Gustav Mahler. E. P. Thal. Lpz., Wien, Ziir. 1923, S. 19; Uber Mahlers Lebensweise in Hamburg aus der Zeit von September / Oktober 1896 erzählt sie weiter: „Fühlt er sich wohl, dann sind das am Morgen für ihn Götterstunden, die einzigen auch im Winter, welche ihm allein und seiner Arbeit gehören. Bei Kaffee und Zigarette wird erst ein wenig gelesen (,Des Knaben Wunderhorn', Goethe und Nietzsche hatte er gerade vor [...]" (S. 57); Zur Überschrift der Symphonie schrieb seine Frau Alma: „Mahler ließ die Uberschrift fallen, weil man dabei an die .fröhliche Wissenschaft' von Nietzsche hätte denken können." (Gustav Mahler, Briefe. 1879-1911. Hg. v. Alma Mahler. P. Zsolnay. Bln., Wien, Lpz. 1925, S. 140). Daß das Nietzschesche Werk den-

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1896 R. Franke: „unter den deutschen Kosmopoliten einer der Hauptrufer im Streit"

4 8 5 Franke, Reinhold, Friedrich Nietzsche und das Deutschtum. (TRs N r . 46 f., 1896, S. 182 f., 186). Verfasser schreibt gegen die deutschen „Allerweltsschwärmer", die „ihre Befähigung zu einer kosmopolitischen Lebensauffassung zu allererst durch eine ausnehmende Verherrlichung und blinde Nachahmung aller Ausländerei in der Literatur zeigen", und Nietzsche sei in dieser Beziehung „unter den deutschen Kosmopoliten einer der Hauptrufer im Streit". D o c h ihm ist dieser Umstand auch leicht erklärlich, denn Nietzsche habe „nicht nur in seinem Äußern einem Polen" geähnelt, sondern sei „auch im Herzen ein Pole" gewesen. 4 8 6 (Mann, Heinrich, 5 4 8 D Z J 6. Jg., Bd. 1, 1896, S. 561 f.).

noch dem Komponisten die Überschrift eingab, dürfte ziemlich offenkundig sein, s. ebd., S. 107 f., 487 (letztere Seite enthält einen Brief an Bertha Lohr v. Jänner 1891: „Und noch heute geht ein Band Nietzsche an Sie ab."); Das Werk war im August 1895 entworfen, im Sommer 1896 fertiggestellt und erschien im Jahre 1898; Eine vollständige Aufführung erlebte es aber erst im Jahre 1902 beim Tonkünstlerfest des Allgemeinen Musikvereins in Krefeld; ein weiteres Zeugnis für Mahlers Beschäftigung mit Nietzsche liefert Bruno Walter, der im Herbst 1895 Kapellmeister am Hamburger Stadttheater wurde: „[...] er weckte in mir das Interesse an Nietzsche, mit dessen Also sprach Zarathustra' er sich damals gerade intensiv beschäftigte [...]" (B. W., Thema und Variation. Erinnerungen und Gedanken. Bermann-Fischer. Stockholm 1947, S. 134). Uber das eigene spätere Verhältnis zu Nietzsche schrieb Walter: „Im Sommer 1919 also gingen wir ins Engadin, das ich noch nie gesehen und dessen Schönheit ich sofort als eine neue, starke, willkommene Fessel an das Leben empfand. Seitdem haben wir alljährlich bis 1939 dort die freien Sommerwochen, oft außerdem auch einige Zeit im Winter verbracht und, obwohl ich gegen Nietzsches Antichristentum, Antiwagnerianismus, Übermenschen-Idealogie und sogar gegen seine aphoristische Schreibweise in Opposition stand, begeisterte es mich doch, auf den Pfaden des hochgesinnten, ekstatischen Menschen, den Höhenwegen des Engadin, zu wandeln, das Haus in Sils Maria zu besuchen, in dem der .Zarathustra' entstanden, die erhabenen Bergformen zu sehen, die reine Luft zu atmen, von denen ihm Inspiration zu kühnen Gedanken zugeströmt und auf der Halbinsel Chasté zu weilen, wo er ,Ο Mensch gib' Acht gedichtet'." (Ebd., S. 343 f.) Bernard Scharlitt erzählte von einem mit Mahler auf einer gemeinsamen Reise geführten Gespräch, in dem durch Mahlers Erwähnung von Richard Strauß Scharlitt das Gespräch auf Nietzsche gebracht habe. Mahler meinte, er sowohl als auch Strauß haben „als Musiker die sozusagen .latente Musik' in dem gewaltigsten Werke Nietzsches herausgefühlt [...] mit Unrecht haben Sie Nietzsche einen .nicht zu stände gekommenen Komponisten' genannt. Denn der war er in der Tat. Sein .Zarathustra' ist ganz aus dem Geiste der Musik geboren, ja, geradezu .symphonisch' aufgebaut. Übrigens war Nietzsches kompositorische Begabung eine viel größere, als allgemein angenommen wird." (MBllA 2.Jg., 1920, S. 309 f.); WALTER, BRUNO (Berlin 15. 9. 1876 - Beverly Hills / USA 17. 2. 1962). 548 In derselben Zeitschrift hatte Mann kurz zuvor (DZJ 6. Jg., Bd. 1, S. 393-404: Wagner und Liszt. Eine zeitgemäße Betrachtung zum Todestage Richard Wagners) in einer Verurteilung Wagners sich ähnlich über Nietzsche geäußert. Er beginnt seine Abfertigung gleich mit einer Hervorkehrung des großen deutschen Philosophen, aus dessen Werken, die „gewiß [...] vieles" enthalten, „was ein geistig nicht mehr normaler Kopf aussinnen könnte", dennoch „ein guter Kern, das lautere Gold der echt germanischen Weltanschauung" blinke: „Dieser war seinem eigenen Wesen treu geblieben, doch Richard Wagner, nachdem er in der Götterdämmerung den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens erreicht hatte, schuf dann den Parsifal, dieses von katholischem Mystizismus und christlicher Entsagung erfüllte Grab seines einstigen Übermenschentums." Den Hauptschuldigen erkennt Mann in dem

1896 Heinrich Mann: Niemand könne „das Leben freudiger und machtvoller bejahen" 3 9 1

Angeregt durch den Aufsatz von Reinhold Franke (Nr. 485) stellt Mann fest, daß Nietzsche „bis zum .Fall Wagner' eine einheitliche, charaktervolle Erscheinung" gewesen sei, danach aber „zerrissen und überreizt". Seine „Verbitterung" gegenüber „seinem Vaterlande" sei „Schwäche", und die „Äußerungen eines Verstimmten" seien nur „pathologisch interessant". 487 Simmel, Georg, Friedrich Nietzsche. Eine moralphilosophische Silhouette. (ZPhK 107. Bd., H. 2, 1896, S. 202-215). Er rügt die Berufsdenker, daß sie in Nietzsches Schaffen den Gedankenkern, „zu dem jedes System doch nur der Körper ist", übersehen haben. „Hier wird kurz zum ersten Male in der modernen Ethik das Kriterium selbst ein anderes"; es sei „eine Kopernikanische That". Aber auch für Simmel ist er „sicher einer der größten litterarischen Artisten aller Zeiten, der Geschmack und die Vornehmheit seiner Ausdrucksweise" sei, „in Deutschland wenigstens", unerreicht. 487a Auch in: G. S., Gesamtausgabe. Hg. v. Otthein Rammstedt. Bd. 5: Aufsätze u. Abhandlungen 1894 bis 1900. Hg. v. Heinz-Jürgen Dahme u. David P. Frisby. Suhrkamp. (Ffm. 1992), S. 115-129. Zu den Änderungen, die ausschließlich Groß-Kleinschreibung von Eigennamen und Werktiteln betreffen, s. S. 598. 488 Meyer, R. M., (JbNDL 5. Bd., 1896, IV 5: 158-181). Bespricht die heransteigende „Hochflut" der Nietzsche-Literatur des „Berichtsjahres 1894", darunter das Werk der Lou Andreas-Salomé (Nr. 308) im besonderen. 489 Ziegler, Theobald, 549 (Ebd.,IV 5a: 33-42). Bespricht unter dem Gesichtspunkt „Philosophie und Theologie des 18. / 19. Jahrhunderts" weitere Nietzsche-Literatur und klagt, daß „auch in diesem Berichtsjahr die Begeisterung für Friedrich Nietzsche immer noch zunimmt". Allein den Aufsatz von Simmel (Nr. 487) hebt er lobend hervor. 490 Gallwitz, Hans, 550 Friedrich Nietzsche als Erzieher zum Christenthum. (PJb Bd. 83, H. 2 v. Febr. 1896, S. 324-347).

„Beichtvater Liszt", und eine Mitschuldige ist ihm die Tochter „Kosima [...], diese große Komödianten-Königin in Bayreuth". Noch etwas früher, in einer im allgemeinen wohlwollenden Stellungnahme zu einem Aufsatz von Alois Riehl, in dem dieser den geistigen „Typus des .Dekadenten' [...] trefflich" gezeichnet habe und dessen letzter Satz in der absatzlangen angeführten Stelle lautet: „Weil er krank ist, sieht er in der bloßen Gesundheit schon ein Ziel; weil sein Wille schwach ist, kennt er nichts Höheres als den mächtigen Willen, den Willen zur Macht", meinte Mann: „Die letzten Sätze gehen deutlich genug auf Friedrich Nietzsche, der wohl in mancher Beziehung der Vertreter und vollkommenste Ausdruck der Zeitströmung und des Zeitwillens sein mag. Wenn aber schon früher, und, wie es scheint, gleichfalls mit Hinblick auf Nietzsche, die .lebensfeindlichen' pessimistischen Lehren der Zeit vom Verfasser erwähnt sind, so wird eine Unterscheidung nöthig. Denn es kann Niemand das Leben freudiger und machtvoller bejahen als dieser Philosoph; sein Abscheu ist nur gegen vergängliche Formen dieses Lebens gerichtet." (DZJ 6. Jahr, 1. Bd., 1896, S. 194). 549 ZIEGLER, THEOBALD (Göppingen / Württ. 9. 2. 1846 - Oberelsaß 1. 9. 1918), Professor in Straßburg seit 1886, Philosoph und Erziehungswissenschaftler. 550 GALLWITZ, HANS (Blumberg 22. 3. 1857 - Juli 1924 in der Anstalt Nietleben / SachsenAnhalt), Neffe Nietzsches, Superintendent in Salza bei Nordhausen.

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1896 Adolf Bartels: „Denn, hör' es Hölle: Nietzsche sei gespriesen"

Nach dem Verfasser war es Nietzsche darum zu tun, „ein hohes sittliches Ideal [d. i. das Christentum] von den Flecken zu reinigen, die sich im Laufe der Jahrtausende daran gesetzt haben". Auch Nietzsches Denken und Empfinden sei „wider Wissen und Wollen von diesem evangelischen Ideal beherrscht". In einer längeren Auseinandersetzung mit Eduard von Hartmann (Nr. 185) behauptet er: daß dies „eine philosophische Weltanschauung" sei, „mit welcher die Glaubensbotschaft, die Jesus Christus gebracht hat, sich widerspruchslos vereinigen läßt, wird jedermann einleuchten". Doch sei er in seinen letzten Schriften seinem eigenen Ideal untreu geworden. Das psychologische Problem Nietzsche laute, „wie der Philosoph, welcher tiefer als die große Mehrzahl in den Geist des biblischen Christentums eingedrungen ist und den großen Beruf gehabt hat, unserer Zeit Erzieher zum Christentum zu werden, zum Antichristen hat werden können". Die Schrift vergleicht nicht nur Nietzsche-Worte mit denen Christi, sondern auch noch beide Gestalten und findet in beiden Hinsichten eine verblüffende Ähnlichkeit. Der Verfasser bringt auch eine Stelle aus einem Brief Nietzsches an Peter Gast vom 31. Mai 1878. Eine einzige, recht abschätzige Äußerung zu Nietzsche machte Wilhelm von Bode im Zusammenhang mit der Darstellung seiner Mitarbeit an der Zeitschrift „Pan", deren Leitung er vom zweiten Jahrgang an angehörte: „Der fleißige und sehr gewissenhafte Dr. Caesar Flaischlen übernahm die Redaktion, und in den leitenden Ausschuß trat auch ich mit ein, obgleich mir die ganze Richtung, namentlich des literarischen Teils gar nicht zusagte. Die schwächlichen, unbedeutenden Fragmente eines Schlaf, Dehmel und wie sie alle hießen, die Vergötterung von Nietzsche machten sich fast in jedem Heft breit [...]"551 Eine Schlüsselstellung spielt die Gestalt Nietzsches in einem recht langatmigen Reimwerk von Adolf Bartels, in dem so ziemlich das ganze zeitgenössische Leben beleuchtet und verulkt wird: 491 Bartels, Adolf,552 Der dumme Teufel oder die Geniesuche. Komisches Epos in zwölf Gesängen. Dresdener Vlgs.-anst. 1896. 169 S. In der Hölle beklagen sich sämtliche Teufel, daß es nirgendswo mehr Genies gäbe: „Die Masse bringt's, schon / packen wir quadratisch, / Und auch die Hölle wird

551 W . v. B., Mein Leben. II. Bd. Reckendorf. Bln. 1930, S. 129; BODE, WILHELM VON (Calvörde 10. 12. 1845 - Berlin 1. 3. 1929), seit 1871 an den kgl. Museen in Berlin, seit 1890 alleiniger Direktor der Gemäldegalerie und seit 1905 Generaldirektor. 552 BARTELS, ADOLF (Wesselburen / Holstein 15. 11. 1862 - Weimar 7. 3. 1945), seit 1896 in Weimar, Schriftsteller und Literaturhistoriker, trat sehr früh (1924) für den Nationalsozialismus ein. Man lese die früheren sehr zweideutigen Äußerungen zu Nietzsche in dem Aufsatz „Der litterarische Erfolg" (Gr N r . 10 v. 7. 3. 1895, S. 469 f.): „Daß er ein nicht gewöhnlicher Geist ist [...], wird auch sein grimmigster Gegner nicht bestreiten können, daß aber schon von vornherein etwas Krankhaftes in ihm war, konnte man, wenn man es nicht auch sonst wußte, schon an den Titeln seiner Schriften ableiten. Ihn zu einem bewußten Komödianten zu stempeln, wäre freilich trotz der angemaßten Zarathustrarolle ungerecht, aber daß ihn weniger die Liebe zur Wahrheit als die nervöse Sucht unsrer Zeit, Aufsehen zu erregen [...] dahin trieb, wohin er gelangt ist, wird sich kaum leugnen lassen."

1896 Ein doch schon im Schwinden begriffener „Modeerfolg"

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demokratisch." Da meldet sich „ein bebrillter kleiner Teufel", eben „der dümmste Teufel", von dem „des Teufels Großmama" meint: „Du scheinst mir nur ein liebes, dummes Vieh, / Doch magst du immer nach den Deutschen schauen, / Vielleicht hast du die Nase fürs Genie." Seine Wanderungen auf der Erde bringen „den dummen Teufel" dann als Studenten nach Berlin, Heidelberg, Leipzig, München und Italien, als Zeitungsschreiber an eine Großstadtzeitung, ins „Bühnenreich" und in die Politik, um ihn in einer Kleinstadt, wo er Frau und Sohn findet, enden zu lassen. Wieder in der Hölle angelangt, findet er, daß alles beim Alten geblieben ist, nur von der Großmama heißt es allerdings: „Jetzt habe sie ihn wohl vergessen, / Mit zu viel Stoff sei ihr Verstand beschwert; / Nietzsches Philosophie thät' sie studieren / Und strebe sie zu systematisieren." (S. 165) Kurz darauf stellt der dümmste Teufel den eigenen zwölfjährigen Sohn als Genie vor und die Großmama urteilt darüber: „Du rechnest mit der Zukunft ohne Zweifel, / Und ich verstehe dein Prognostikum: / Von Nietzscheschülern nur ein tapfres Häufel, / Die kehren uns das ganze Deutschland um. / Ihr staunt! Den Mann, den muß man freilich kennen. / Deutschland hat keinen größern jetzt zu nennen. / Daß du mir Friedrich Nietzsches Werke sandest, / Soll ewiglich dir unvergessen sein! / [...] / Du sollst den großen Nietzsche hier studieren / Und dann mit meiner Hilfe kommentieren. / Denn, hör' es, Hölle: Nietzsche sei gepriesen / Fortan vom ganzen teuflischen Geschlecht! / Er hat alle Ewigkeit erwiesen, / Daß wir und nicht der Himmelherr im Recht. / [ . . . ] / Freund Nietzsche bringt das neue Ideal: / Das wird Kraftmenschen bald genug gebären, / Und unsre Hölle kommt zu neuen Ehren." (S. 167 f.) Erwähnungen Nietzsches sonst auf S. 25, 76, 154 u. 160. 492 anonym, Nietzsches Geistesblitze. (SML Bd. 51, 1896, S. 227-231). Verfasser will offensichtlich die Komik der „Begeisterung nationaler Kreise für Nietzsche" dadurch aufdecken, daß er aus dem achten Band (GVIII) zusammenstellt, was Nietzsche über „uns Deutsche" gedacht habe. 493 C „ O., (Wh 5. Bd., Anfang Febr. 1896, S.295f.). Verhöhnt Conrads Schrift „Der Ubermensch in der Politik" (Nr. 349), die sich u. a. „gegen den Nietzscheanismus, gegen die Bismarck'sche Regierungskunst" richte. Der Verfasser wolle „mit gutem Grund kein Übermensch sein". 494 Bolin, Wilhelm, 553 Paul Heyse's neuer Roman. (N 13. Jg., Nr. 20 v. 15. 2. 1896, S.311ff.). Dem Werk (Nr. 359), der „Erzählung von den beiden für einander bestimmten Herzen", durchaus wohl gesonnen, meint Besprecher, daß die Darstellung lediglich „rein künstlerischen Zweckes wegen [...] an die neuerlich in Umlauf gesetzte Doktrin der ,jenseit von gut und böse'" anknüpfe. Eine solche Anschauung habe „doch wahrlich nicht durch ihre sehr fragliche Neuheit, sondern nur als Ausdruck brutalen Kraftbewußtseins und heutiger Unzufriedenheit mit den herrschenden Daseins-

553 BOLIN, WILHELM (St. Petersburg 2. 8. 1835 - 1924), Schwede, philosophischer Schriftsteller, Direktor der Universitätsbibliothek in Helsingfors / Finnland, zusammen mit Friedrich Jodl Herausgeber der Säkularausgabe von Ludwig Feuerbachs Werken.

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1896 Meyers Konversations-Lexikon: „Als Stilist [...] in der Gegenwart unübertroffen"

formen einen ziemlich weitreichenden aber doch schon im Schwinden begriffenen Modeerfolg gefunden". 495 Meyers Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. 5., gänzl. neubearb. Aufl. 12. Bd. Bibliograph. Inst. Lpz. u. Wien 1896, S. 988. Zwei volle Spalten werden Nietzsche eingeräumt: „Als Stilist ist er in der Gegenwart unübertroffen, seine Sprache hat oft einen geradezu bestrickenden Zauber, u. ihr ist zum Teil die große Wirkung seiner Werke zuzuschreiben [...] Die Nietzscheschen Ansichten haben viele Gegner gefunden, wie dies bei dem vielen Paradoxen und Umstürzenden in ihnen natürlich, andererseits auch viele Freunde besonders in der jungen Generation, in dieser zum Teil wegen der Zersetzung des Traditionellen." 495a Dass. 6., gänzl. neubearb. u. verm. Aufl. 14. Bd. 1906, S. 684 f. U m eine halbe Spalte vermehrt; neben zusätzlichem Schrifttum die Feststellung: „Im ganzen hat die Verehrung Nietzsches nach seinem Tod eher noch zu als abgenommen; namentlich hat sein .Zarathustra' große Verbreitung und Bewunderung erfahren. Man fängt an, das dauernd Wertvolle bei N., namentlich sein Streben nach einer höheren Kultur und seinen Individualismus anzuerkennen und betont, daß N . selbst eine vornehme reine Natur voller Ideale war, und daß niedriger Egoismus in seiner Lehre keine Stelle findet." 495b Dass. 1909, S. 684 f. Unverändert. 495c Dass. Meyers Lexikon. 7. Aufl. In vollst, neuer Bearbeitung. 8. Bd. Lpz. 1928, Sp. 1318-1321. Der Inhalt ist nun rein wiedergebend bzw. darstellend; jede Bewertung oder Stellungnahme ist weggefallen. 495d Dass. Meyers kleines Lexikon. 8., gänzl. neu bearb. Aufl. in 3 Bdn. Lpz. 1932. 2. Bd., Sp. 964. Eine dreiundzwanzigzeilige Aufnahme, die aber Nietzsche als „den größten Philosophen des ausgehenden 19. Jh.s" darstellt. 495e Dass. Meyers Lexikon. 8. Aufl. 1940. 8. Bd., Sp. 391-394. Obwohl dem Verfasser Nietzsches „epochale Bedeutung" sich aus der Tatsache begebe, „daß er in einer Klarheit und einer Entschiedenheit wie kein anderer den Widerstreit des nordischen, des antiken und des christl. Elements zu seiner Zeit verkörpert und erkennt", muß er beklagen, daß sein „Verhältnis zur Rassenfrage nicht eindeutig war, wie bes. seine Stellung zur Judenfrage beweist". 495f Dass. Meyers neues Lexikon in acht Bänden. VEB Bibl. Inst. Lpz. 1963. 6. Bd., S. 149. In einer knappen Spalte heißt er jetzt ein „Vorläufer vieler irrationalistischer und subjektiv-idealistischer Schulen der modernen bürgerlichen Philosophie, bes. der faschistischen Idealogie": „Mit seiner .Umwertung aller Werte' lieferte N . der Bourgeoisie das theoretische Rüstzeug für den faschistischen Terror gegenüber der Arbeiterklasse und allen demokratischen, humanistischen Kräften." 495g Dass. Meyers enzyklopädisches Lexikon. 9., völlig neu bearb. Aufl. 17. Bd. Bibl. Inst. Mannheim, Wien, Zür. (1976), S. 257 f. In knapp dreieinhalb Spalten wird eine sachliche Würdigung mit wenigen Literaturangaben gebracht: „Die gesamte Philosophie N.s, mit der er in Teilaspekten als einer der Vorläufer und Wegbereiter der Existenzphilosophie und Lebensphilo-

1896 Das erste Heft der Stirnerschen Zeitschrift „Der Eigene"

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sophie gilt, ist geprägt durch die Rezeption der Philosophie Schopenhauers." Weitere wirkungsgeschichtliche Bedeutung habe er für die „konservative Revolution", für den Nationalsozialismus, den George-Kreis, Th. Mann, E. Jünger, A. Gide, A. Malraux, L. Klages, A. Adler, A. Gehlen, L. Wittgenstein, Heidegger, sowie für den Expressionismus und Impressionismus gehabt. 495h Dass. 2., völlig neubearb. Aufl. in 18 Bdn. Lpz. 1974. Bd. 10, S. 116 f. Die entschiedene Ablehnung (d. h. wie zu Nr. 495f) bleibt sogutwie unverändert, die wirkungsgeschichtliche Bedeutung auf die Erwähnung Th. Manns beschränkt. 495i Meyers großes Universallexikon in 15 Bdn. (1984), Bd. 10, S. 116 f. Auf etwas über eine Spalte verkürzt, das angeführte Schrifttum beschränkt sich vor allem auf das der 70er und 80er Jahre. 496 Ν., M., (MAZg Beil. z. Nr.50 v. 29. 2. 1896). Bespricht Bartels „Satire auf Nietzsche", welche in dessen Werk „Der dumme Teufel" (Nr. 491) dem „Humor des Ganzen doch eigentlich die Krone aufsetzen sollte", und findet sie „am schwächsten". 497 Walde, Philo vom, Bei Friedrich Nietzsche. (PIM 8. Jg., Bd. 3, 1896, S. 162175 >· Verfasser erzählt von einem Besuch in Naumburg bei der Schwester im Archiv und darauf bei der Mutter und dem Sohn in der Weingartenstraße. 498 D., (WMh Bd. 79, Nr. 474 v. März 1896, S. 651 f.). Eine kurze, im großen und ganzen lobende Anzeige des Nietzsche-Buches von Steiner (Nr. 405). 499 Brand, Adolf,554 Der Übermensch. (Eigene 1. Jg., Nr. 1 v. 3. 3. 1896, S. 9). Ein 68zeiliges Gedicht, das, wie das Blatt überhaupt, eher dem Geiste Stirners verpflichtet erscheint. 500 Rau, Albrecht555 Zur Kritik der Nietzsche-Literatur. (MAZg Beil. Nr. 53 v. 4. 3. 1896, S. 1-4). Eine eingehende, durchaus ablehnende Besprechung des Werkes von Tille (Nr. 411) mit folgender Begründung: „Wer aber nicht geneigt sein sollte, Nietzsche selbst ernsthaft zu nehmen, [den „in seinen Principien durchaus unklare[n], in seinen Ausführungen sich überaus häufig widersprechende[n], zerfahrene[n] Denker"], der wird dies wenigstens von seiner Wirkung gelten lassen müssen." Hr. Tille möge für sich die Ehre beanspruchen, „die ruchloseste und zugleich widersinnigste Theorie erfunden zu haben, die je einem menschlichen Gehirn entstammt ist; denn sie geht dahin, die menschliche Gesellschaft der Ausbeutung und alle Güter des Daseins einer Rotte von Leuten zu überweisen, die zur einen Hälfte aus brutalen Gewaltmenschen, zur anderen aus Gaunern besteht". 501 Rilke, René Maria (Prag a. Moldau), Der Apostel. (DMu 4. Heft, vermutl. März 1896, S. 24-28).

554 BRAND, ADOLF, geb. am 14. 11. 1874 zu Berlin, Herausgeber der Zeitschrift „Der Eigene". Zu dieser „Stirnerianischen" Zeitschrift s. Eingehendes bei Helms, H. G., Die Ideologie der anonymen Gesellschaft, a. a. O., S. 533. 555 RAU, ALBRECHT (Ansbach 19. 10.1843 - März 1918), Verfasser naturwissenschaftlicher und philosophischer Abhandlungen.

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1896 Rilkes Der Apostel: „Seid hart, seid furchtbar, seid unerbittlich!"

Eine ganz vom Nietzscheschen Geist erfüllte Erzählung. Der Fremde an einer „Gasttafel im ersten Hotel von Ν [...]" erwidert auf eine Anforderung zur Teilnahme an einer Wohltätigkeitsveranstaltung u. a.: „Sie thun ein Werk der Liebe; ich geh' in die Welt, um die Liebe zu tödten [...] denn zu früh ward uns das Gesetz der Liebe." - „Vom Nächstenliebe spreche ich, von Mitleid und Erbarmen, von Gnade und Nachsicht. Es giebt keine schlimmeren Gifte in unserer Seele!" - „Man hat uns den Demantspeer unseres stolzen Willens aus der Händen gewunden und hat uns gepredigt: Liebe!" - „Der, den sie als Messias preisen, hat die ganze Welt zum Siechenhaus gemacht." - „Nie kann die stumpfe, vielsinnige Menge Träger des Fortschritts sein, nur der .Eine', der Große, den der Pöbel haßt im dumpfen Instinkte eigener Kleinheit, kann den rücksichtslosen Weg seines Willens mit göttlicher Kraft und sieghaftem Lächeln wandeln [...] Sollen wir nicht höher steigen dürfen in Erkenntniß, Willen und Macht? [...] Seid hart, seid furchtbar, seid unerbittlich! Ihr müßt vorwärts, vorwärts! [...] Der Starke nur hat Recht zu leben." 501a Auch in: R. M. R., Sämtl. Werke. 4. Bd. (besorgt durch Ernst Zinn): Frühe Erzählungen und Dramen. Insel. (Ffm.) 1961, S. 452-459. S. dazu auch die Anmerkungen des Herausgebers auf S. 1008 f., in denen folgende Briefstelle Rilkes angeführt wird: „Wenn Sie Heft No. IV der ,Musen' [...] in die Hand bekommen, lesen Sie mein halb tief ernstes, halb satirisches Glaubensbekenntnis: ,Der Apostel'." Den Werdekampf einer jungen Berlinerin aus guter Familie schilderte Hedwig D o h m in dem 1896 veröffentlichten „Sibilla Dalmar. Roman aus dem Ende unseres Jahrhunderts". Das Werk besteht fast nur aus Tagebucheintragungen und Briefen der nach München Verheirateten an die Mutter, und fast allein im Mittelpunkt ihrer geistigen Entwicklung steht die Gestalt Nietzsches: „Ich lese noch immer ab und zu in seinen Werken, und bin jedesmal ergriffen von der Tiefe seiner Ideen, von der machtvollen Poesie seiner Sprache. Er hat uns von der Seelenfeigheit erlöst. Er ist der Pförtner all der Gedanken, die wir im verschwiegenen Busen zu bewahren pflegen. Er hat ihnen Thor und Thür geöffnet, und nun stürzen sie hinaus, jubelnd, toll, voll Zerschmetterungslust, voll Werdelust, Urkraft. Und doch - lese ich aufmerksam Seite für Seite in seinen Werken, so frappieren mich hier und da Banalitäten, Einseitigkeiten, paradoxe Aussprüche, wie eben die über Frauen. Es macht mich stutzig, daß er so sehr Mode ist. Seine Ideen werden auf die Gasse geschleppt und verwertet. Man kann kaum ein modernes Buch in die Hand nehmen, das nicht von seinem Geist getränkt ist. Ist er so banal oder so messiasartig groß, daß er solche Erfolge erzielt? Ist er einer der Johannesse, die dem Messias vorausgehen? [...] Heute schwärme ich noch für Nietzsche. Ich habe aber eine Ahnung, daß ich nächstens - weniger für ihn schwärmen werde."556

556 Hier nach der 2. Auflage. S. Fischer. Bln. 1897, S. 309 f.; Helene Stöcker besprach den Roman in der DFb v. 15. 9. 1896 und meinte u. a.: „Interessant ist Frau Sibillas Urteil über die bedeutendsten Erscheinungen in Literatur und Kunst - ihre ästhetischen Anschauungen dürfen wir wohl mit denen der geistvollen Schriftstellerin selbst identifizieren - , so ζ. B.

1896 Hedwig Dohm: „Ist er so banal oder so messiasartig groß"

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ihr feines Urteil über Nietzsche, der ihr als einsamer Dichter-Denker hochsteht, obwohl er - leider - im Munde so vieler ist, und obwohl er, neben manchen zarten und angenehmen Dingen, - auch ein paar unbegreiflich böse Worte über die Frauen gesagt hat." (Hier n. Hedwig Dohm, Erinnerungen u. weitere Schriften [...] gesammelt u. Vorw. v. Berta Rahm. Ala Vlg. Zür. (1980), S. 96 f.); DOHM, HEDWIG (geb. Schleh, eigentl. Schlesinger, Berlin 20. 9. 1833 - ebd. 4. 6. 1919), Frauenrechtlerin, seit 1855 mit Ernst Dohm verheiratet. Ihre 1890 geborene und ihr bis vor dem Weltkrieg nahestehende Enkelin Hedda Korsch schrieb: „Sie begeisterte sich an Friedrich Nietzsches kühnem Angriff gegen die traditionellen religiösen und sittlichen Werte der westlichen Welt und an der dichterischen Sprachschöpfung in die er seine revolutionären Gedanken kleidete. Seine verzerrten, in ihrem Unverständnis ungeheuerlichen Äußerungen über das ,Weib' wurden von ihr verlacht, taten aber ihrer Gesamtschätzung des Dichter-Philosophen wenig abbruch." (Ebd., S. 27). In zwei früheren Arbeiten (Wie Frauen werden. Werde, die Du bist. Novellen. Schles. Buchdruckerei, Kunst- u. Vlgs. Anst. Breslau 1894. 236 S.) hatte sie den Denker eher, aber nicht ganz belanglos gestreift. In der ersten Novelle geht es um die Entwicklung der Katharina Brand, Tochter eines Thüringschen Fabrikbesitzers, die sich jung mit dem impressionistischen Maler Michael Boehmer vermählt, trotz einer unbewußten Neigung zu Carl Nort, einem „auf der äußersten Linken" sitzenden Reichstagsmitglied. Mit der Zeit enttäuscht Carl aber die eigene Partei: „[...] das Ärgste war, sie schmeichelte dem Volk. Anstatt es zu belehren und zu läutern, bestärkte sie es in Haß und Urtheilslosigkeit und zog Hochmuth und Uberhebung in ihm groß." (S. 15) Er verläßt die Heimat und gründet in Paraguay eine Siedlung „Tolstoi" „mit den mühseligsten und beladensten aller Menschen, den grausam ausgetriebenen russischen Juden". Durch die Ehe mit Katharina „der Existenznot enthoben", entfaltet sich Boehmers „geniale Begabung'", er bereut die „vorschnelle Ehe" und sagt Katharina, daß er sich von ihr scheiden werde. Eine Jugendfreundin, die zur Bühne durchgebrannt war, Weltdame und die heimliche Liebe des Gatten geworden ist, taucht eines Tages bei Katharina wieder auf, erkennt ihre Hilflosigkeit, bringt ihr „alle die kleinen koketten Kniffe und Mätzchen" bei und opfert zum Schluß die eigene Neigung zum Gatten der Liebe zur Freundin. Auf die Frage hin, was in ihr stecke, antwortet sie: „,Ein Philosoph würde vielleicht sagen, energische Bejahung des Lebens. Ich sage einfach, Lebenslust, Himmelslust, Höllenlust! Uberhaupt Lust!'" Gegenspieler der neuen „Weltdame" ist nun ein befreundeter Maler des Mannes Lorenz von Hellbach, der ihr einen selbstgedichten Spruch vorsagt: „.Willst steigen Du von Stuf' zu Stufe, - widerrufe!' [...] Treue hieße Untreue gegen uns selbst, kurz und gut, sie sei geistiger Schimmel." (S. 88) Noch vor der Verwandlung, in tiefer Verzweiflung, hatte Katharina an Carl Nort nach Paraguay um Hilfe geschrieben. Nach sechsjähriger Abwesenheit erscheint er und wird von Lorenz gekennzeichnet als einen „,Don Quixote, der verlacht wird'", oder einen „.Robinson Crusoe, der sich eine eigene Welt zurechtgezimmert und doch recht froh ist, wenn er in das gemeinsame Jammerthal zurückkehren darf. Tolstoi hat von Beiden etwas. Und Sie, Herr Nort, Sie sind ein Bellamyist, ein Individualist, in jedem Fall ein Unicum.'" Carl verteidigt sich und Lorenz fährt mit der Abkanzelung fort: „,Es bleibt bei dem Unicum. Den Don Quixote und den Robinson nehme ich zurück und setze an seine Stelle den Übermenschen des Philosophen Nietzsches.'" (S. 126) Inzwischen hat der Gatte an seiner Frau wieder Gefallen gefunden, und sie kann sich nicht entschließen der neuen Liebe nach Paraguay zu folgen: „Käthe wurde, wie die Andern auch, Eine vom Dutzend, auch ein armer Abel, den ein Kain getödtet - die Welt." - In der zweiten Novelle steht Tolstoi immer noch im Wege der etwas deutlicheren Annäherung an Nietzsche: Eine alte Frau liegt dem Tode nahe „in der Irrenanstalt des Doctor Behrend, in der Nähe Berlins", und macht Aufsehen: „Sie sprach tiefsinnige und erhabene Gedanken aus, in einer Form, die an Nietzsches Zarathustra erinnerte." (S. 151) Es ist Agnes Schmidt, seit zwei Jahren Witwe, die in der Anstalt ein Tagebuch führt, das sie kurz vor ihrem Hin-

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1896 Julius Kaftan: Das Machtideal die „Phantasmagorie eines kranken [...] Menschen"

Sie glaubt als Frau zu verschmachten und stellt sich vor: „Als männliches Geschöpf geboren wäre ich vielleicht Spencer oder Stuart Mill oder Nietzsche geworden."557 „Ich lese viel historische, sozialistische, philosophische Bücher. Ich will wachsen, wachsen [...] Ich möchte schon, etwa wie Nietzsche, in der wildschönen Einsamkeit von Sils-Maria philosophieren und denken [...]" 558 502 Servaes, Franz (Berlin), Nietzsche, Wagner und Hellas. (Zeit Nr. 75 f. v. 7. u. 14. 3. 1896, S. 155 ff., 172 ff.). Verfasser begrüßt die Tatsache, daß Nietzsche schon „unpopulär" geworden sei, denn nun könne man sich ihm „ernsthaft nähern". Unterstützt wird er bei seinem Vorgehen durch das Erscheinen der ersten zwei Nachlaßbände, die er dann heranzieht, um Nietzsches Verhältnis zu Wagner zu untersuchen und den Schluß zu ziehen, daß Nietzsche „alles in allem doch schließlich an Wagner zugrunde gegangen" sei. 503 λ, (LCBl Nr. f l v. 14. 3. 1896, Sp. 371 f.). Besprechung von Tilles Werk (Nr. 411). Wenn der Besprecher auch mit dem Wollen Tilles nicht einverstanden ist, so gesteht er ihm dennoch zu, „daß es ihm durchaus ernst damit ist, ein ethisches Ideal zu suchen, ,das vor dem Forum der Naturerkenntnis auf seiner heutigen Stufe standzuhalten vermag', und hierin unterscheidet er sich auch wesentlich von Nietzsche, dem an diesem objektiven Erkennen herzlich wenig lag". 504 D. D., Christentum und moderne Weltanschauung. (DtMkr 27. Jg., Nr. 12 v. 21. 3. 1896, S. 89 f.). Weist auf das Werk von Tille (Nr. 411) hin, aber zunächst mit einem längeren Auszug aus der Besprechung Raus (Nr. 500), denn das Werk selber habe man nicht gelesen, „weil wir dergleichen überhaupt nicht mehr lesen". Der Angriff richtet sich aber eigentlich gegen den Monismus, dessen Fehler sei, „daß er nicht leugnen kann, daß er einem Nitzsche [so] das Leben gegeben hat". 505 Kaftan, J(ulius), Diesseits von Gut und Böse. (CW 10. Jg., H. 14 v. 2. 4. 1896, Sp. 320-326). Verfasser meint hier, „wer in sich gefestigt einen andern Weg der Wahrheit kennt, kann manch goldenen Apfel in ihm [d. i. Nietzsche] holen". Das Verbrechen seiner

scheiden dem Oberarzt übergibt. Darin liest man, daß sie sich im Leben immer dem Manne habe fügen müssen, dem Bruder, dem Vater, dem Ehemann und letztlich noch den beiden Schwiegersöhnen. Sie sei „ein Mechanismus" gewesen, „den fremde Mächte in Bewegung setzten. U n d nun ringe ich mich von diesem Wahnsinn los. Ich ringe, ringe um meinen Willen, um mein Selbst, um mein Ich." (S. 196) Unerwartet erbt sie 10 0 0 0 M a r k und nach einigem Hinundher entschließt sie sich, sie für sich auszugeben: „Ich kannte die Gesetze meiner N a t u r nicht und verstieß dagegen. U n d die Strafe: lebenslänglicher Kerker? Nein, ich will hinaus!" Auf Capri trifft sie den Mann, den sie „hätte lieben müssen", einen jungen Arzt, dessen Ordensmeister einer Tolstoi ist: „Er sagt es selbst, sein Ideal ist nicht das des größten lebenden Philosophen: ,der Ubermensch'; es ist der .Mitmensch'. Seine Religion ist Nächstenliebe." (S. 224) In beiden Novellen spielt auch Wagners „Tristan und Isolde" eine Rolle. 557 Ebd., S. 205. 558 Ebd., S. 281. Erwähnungen Nietzsches sonst auf S. 95, 106, 134, 162 u.317.

1896 Josef Kreibig: Als ethisch Skeptiker zwischen Stirner und Krapotkin

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Anhänger an ihm selbst und seinen Schriften sei, daß sie „einen Philosophen" aus „einem Dichter" machen wollten. Anschließend an Nietzsches Worte von „Jenseits von Gut und Böse" will er Gott als das wahre, das „ewige Jenseits" verstanden wissen. Nietzsches Jenseits dagegen sei immer noch ein „Diesseits" und sein Machtideal nichts als die „P hantas mago rie eines kranken, leidenden Menschen, dem unwillkürlich die ihm versagte physische Gesundheit und Kraft als ein höchstes Ziel vorgeschwebt hat". Vermerkenswert ist die Tatsache, daß der Verfasser im Herbst 1888 in Sils-Maria „viel" mit Nietzsche verkehrt habe und im Text drei auf persönlichen Gesprächen beruhenden Stellen bringt. 506 Engels, Eduard (Ulm), 559 Die Zukunft des Ubermenschen. (Kr 3. Jg., Nr. 81 v. 18. 4. 1896, S. 722-730). Verfasser verfolgt die Entwicklung des Gedankens an einen Übermenschen von den ersten Vorstellungen von Gott bis auf Nietzsche und dessen Zarathustra, von dem es dann heißt: „[...] wir durchschauen [...] mit vollkommener Deutlichkeit die Absicht Zarathustras, nach Darwinistischen Prinzipien über den heutigen Menschen in ähnlicher Weise hinaus zu gelangen, wie die Natur bis zum Menschen hinan gelangt ist." Darauf folgt eine Darlegung der „Naturforschung" und zum Schluß die Feststellung, „daß zu Hoffnungen auf den Ubermenschen nichts weniger berechtigt, als die Naturforschung". 507 Kreibig, Dr. Josef Clemens,560 Geschichte und Kritik des ethischen Skepticismus. Alfred Holder. Wien 1896. vi, 102 S. Im sechsten und letzten Abschnitt: Ethischer Skepticismus der neuesten Zeit, wird Nietzsche zwischen Max Stirner und Krapotkin auf S. 122-143 zusammenhängend behandelt, für andere Fundstellen siehe das Register. Mit dieser Schrift will der Verfasser dem „ethischen Skepticismus" die „Dogmatik einer evolutionistischen Moraltheorie" gegenüberstellen, die „dem Gedanken an eine sittliche Vervollkommnung unserer Art eine gewichtige wissenschaftliche Stütze" verleihe. In je einem Abschnitt behandelt er den Gedanken des „ethischen Skepticismus" in der Antike, im Mittelalter, in neuerer und in neuester Zeit. Bei Nietzsche, der „ungleich tiefer angelegt" sei als Stirner, widmet er sich ausschließlich „Jenseits", dem „Hauptwerke", und der „Genealogie". U m ihn zu widerlegen, stellt er drei Wertskalen auf: die der „Archetik (Stärke)", der „Ästhetik (Pracht)" und der „Ethik (Güte)", und meint, - sollten sie „ausnahmsweise" in Streit miteinander geraten, neige er im Gegensatz

559 Verfasser brach eine Lanze für „die human-demokratische Moral" gegen „Demokratenfresser" und andere „Leute von der Auslese-Observanz", gegen „Quartiermacher des Ubermenschen" und das „Menageriepersonal der .Blonden Bestie'" schon in seinem Aufsatz „Darwinismus und Moral", der vor allem eine Auseinandersetzung mit Alexander Tille und dessen Nietzsche-Auslegung ist. (Kr 2. Jg., N r . 65 v. 28. 12. 1895, S. 2457-2467). In „Die Schopenhauersche Aesthetik" versuchte er darzutun, wie, in völliger Folgerichtigkeit, in der „Kunst v o n Schopenhauer über Wagner zu Nietzsche [...] an die Stelle der Mitleidsmoral die Herrenmoral, an die Stelle des Verschwindens der Individualität [...] die Betonung der Individualität, der Individualismus und der Ipsismus getreten" sei. Denn ihm ist „der Nietzscheanismus [...] eigentlich nur eine Kombination des Schopenhauerianismus mit dem Darwinismus." (Ebd., 3. Jg., N r . 70 v. 1. 2. 1896). 560 KREIBIG, JOSEF CLEMENS (Wien 18. 12. 1863 - ebd. 8. 11. 1917), promovierte 1893 zu D r . phil. in Innsbruck, später Professor in Wien, Innsbruck und Direktor in Graz.

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1896 Julius Duboc: die krankhafte „Entartung einer hocharistokratischen Herrenmoral"

zu Nietzsche, „zur Höchstwertung des Guten". Nietzsches „Wertfundament, der außermoralische Übermensch", ist ihm ein „völlig unbefriedigendes", und, da er diesen „Irrtum" verallgemeinert habe, büßen „alle darauf gebauten Lehren ihre Bündigkeit" ein. Nietzsches „sittlich Guter" sei „ein Pedant, eine passive Sclavenseele, ein Erzphilister". Doch indem „den Moralisten von heute das asketische Selbstzerfleischen und die ängstliche Wehleidigkeit" nicht mehr als „der Inhalt reifer Sittlichkeit" gelten, haben sie „das Wertvollste" an Nietzsches Lehren in sich aufgenommen. U. a. glaubt der Verfasser, mit dieser Schrift „die erste Gelegenheit" zu bieten, in Nietzsches Lehren „eine historisch einzugliedernde Erscheinung" festzustellen, und hebt als Vorläufer hervor: Theodor, die späteren Sophisten, Hobbes, Carlyle, Haller, Montaigne und Charron. Bemerkt muß auch werden, daß einige seiner Angaben Nietzsches Leben und Entwicklung betreffend sehr in die Irre gehen. 508 Laurentius, Dr. (d. i. Josef Clemens Kreibig), Krapotkins Morallehre und deren Beziehungen zu Nietzsche. E. Pierson. Dresd. u. Lpz. 1896. 2 Bll., 100 S. Verfasser will sich mit dem Anarchismus in der Gestalt von Krapotkins 1891 erschienenen „La morale anarchiste", die hier bis auf einige Auslassungen in deutscher Ubersetzung wiedergegeben wird, auseinandersetzen und sich damit an der „gründlichen Ausrottung anarchistischen Ideen" durch „Aufklärung" beteiligen. „Für uns Deutsche wird es überdies von besonderer Bedeutung erscheinen, die Fäden aufzuzeigen, welche die Weltanschauung Krapotkins mit der Friedrich Nietzsches in vielen zentralen Punkten verbinden, andrerseits die Gegensätze kennen zu lernen, welche unbeschadet der inneren Verwandtschaft zwischen beiden Naturen bestehen." Darüber hinaus ist Verfasser der Meinung, daß Krapotkin Nietzsches „Jenseits" gekannt habe. Nietzsche wird viel seltener angeführt, als man dem Titel nach erwarten könnte - und dazu in den meisten Fällen zur Widerlegung Krapotkins. „Die Lehre Nietzsches ist (neben Stirners ,Der Einzige und sein Eigenthum') das flammendste Evangelium des Individualismus und damit der Erzfeind alles Kommunismus." 509 Duboc, Julius, Eine moderne Krankheit. (MgZg v. 28. 4. 1896). Erzählt von Begegnungen mit Nietzschelesern und versucht eingehend, diesem „Zauber" auf den Grund zu gehen, um diesen vor allem in dem vorhergehenden Pessimismus zu erkennen. Zum Schluß ruft er das gesund verbliebene Bürgertum auf, die Ansprüche der „krankhaften Entartung einer hocharistokratischen Herrenmoral von Nietzscheschem Gepräge" zurechtzurücken. 510 Biedenkapp, Dr. G., Frankfurt a.M.,561 Nietzsches Bedeutung für die Pädagogik. (PäZg 25. Jg., Nr. 18, 20 u. 21 v. 30. 4. u. 14. u. 21. 5. 1896, S. 290 ff., 321 ff., 337 ff.). Verfasser stellt schon einleitend fest, daß Nietzsches Ansichten über Pädagogik so seien, „daß eine vernünftige Erziehungslehre von selbst darauf kommen mußte". Zunächst versucht der Verfasser die Hochschätzung der Naturwissenschaften, deren

561 BIEDENKAPP, GEORG (Londorf / Hessen 17. 5. 1868 - Frankfurt / Main 8. 1. 1924), Schriftsteller, Mitherausgeber des 1888 in New York erschienenen „Humoristischen Wochenblattes": „Der Tramp".

1896 Hermann Hesse: „der Dichter und Rufer unserer Zeit"

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„unbestreitbaren Bildungswert" zugegeben wird, richtig darzustellen und muß feststellen, daß sie „zweifelsohne zu der Verflachung der Bildung beigetragen" habe. Dementgegen betont er den „Bildungswert [...] der Sprachgeschichte". Man solle den Zögling auf „die Unvollkommenheit der Sprache" aufmerksam machen und so „zur Beobachtung, zur Zurückhaltung des Urteils" erziehen. Hinzukomme Nietzsches Betonung dessen, was Verfasser „das Recht des Begabten" nennt. Immer wieder greift er auf den „Zarathustra", „die hervorragendste Schöpfung des Nietzsche'schen Geistes", zurück, um seinen Standpunkt zu erhärten, sowie des öfteren auf Eugen Dühring, Nietzsches „Gegenfüßler", und einen „unsrer vielseitigsten Gelehrten". Obwohl Nietzsche in seiner Verurteilung des Sozialismus „zu weit" gehe, habe er „deutlich" auf dessen Gefahren hingewiesen.

Im Jahre 1896 wird Hermann Hesse der Gestalt Nietzsches begegnet sein, denn noch in den 30er Jahren erinnert er sich bei den „mehr als hundert" Bildnissen, die sein Zimmer in der Tübinger Zeit (Oktober 1895 - September 1898) geziert haben, an die „etwas teuren Preise", die er für eine Photographie des jungen Hauptmann „und für zwei Bilder von Nietzsche" bezahlte; „das eine war das bekannte mit dem großen Schnurrbart und dem Blick etwas nach unten herauf, das andre war die Photographie eines Ölbildes, das ihn als Kranken, mit ganz versunkenem und abwesendem Blick, darstellte, im Freien in einem Krankensessel hockend. Ich stand oft vor diesem Bilde."562 Weiter über diese Tübinger Zeit heißt es, daß sie, „soweit sie mir gehörte, [...] vor allem der wie berauschten oder besessenen Beschäftigung mit Goethe und dann mit Nietzsche" gewidmet gewesen sei.563 Ahnlich heißt es in einem Aufsatz „Dank an Goethe": „[...] kein anderer Schriftsteller außer Nietzsche hat mich je so beschäftigt, so angezogen und gepeinigt, so zur Auseinandersetzung gezwungen."564 Und weiter: „Manche Jahre habe ich mich so mit Goethe geplagt und ihn zur Unruhe meines geistigen Lebens werden lassen, ihn und Nietzsche."565 Uber die eigene Jugend heißt es dann noch in einem Nachruf auf Gottfried Keller zum 100. Geburtstag: „[...] schon für uns Damalige war nicht er der Dichter und Rufer unserer Zeit mehr, sondern Nietzsche, und an Nietzsche gemessen, gewann schon damals Keller etwas Fernes, Historisches [...] Dostojewski und Nietzsche, die wiesen nach morgen und übermorgen hin [...] Nietzsche wies uns in die rauhe Stille der Einsamkeit, in die Kälte des Weltraums. Zwischen beiden schwankte unser Herz, beiden gehörte unsere Liebe. Kein Name seither hat diese Namen ersetzt." 566

562 Beim Einzug in ein neues Haus, in: Ges. Dichtungen. 4. Bd. Suhrkamp 1958, S. 615; HESSE, HERMANN (Calw / W ü r t t . 2. 7. 1877 - Montagnola 9. 8. 1962), Schriftsteller, Nobelpreisträger 1946. 563 Ebd., S. 616.

564 Ges. Dichtungen. 7. Bd. Suhrkamp 1958, S. 376. 565 Ebd., S. 378.

566 Seldwyla im Abendrot. Krefelder Ztg. N r . 315 v. 17. 7. 1919.

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1896 Ein „ganz gewaltiges sprachliches und poetisches Genie"

U n d w i e d e r u m ähnlich, diesmal in Z u s a m m e n h a n g m i t seiner B e g e i s t e r u n g für H ö l d e r l i n : „Nie mehr, so viel und so begeistert ich auch als Jüngling las, haben Dichterworte mich so völlig bezaubert, wie diese damals den Knaben. U n d später, als Zwanzigjähriger, als ich zum erstenmal im Zarathustra las und ähnlich bezaubert war, fiel alsbald jenes Hölderlingedicht im Lesebuch und jenes erste Erstaunen meiner Knabenseele vor der Kunst mir wieder ein." 567 A u c h schrieb e r s c h o n a m 15. J u n i 1 8 9 6 an den V a t e r : „Du, lieber Papa, schriebst neulich ein paar W o r t e über Nietzsche. Ich kenne ihn einigermaßen und im ganzen ist mir seine vornehme, ästhetische A r t nicht zuwider, man kann bei ihm hie und da ein paar Züge Höhenluft genießen. Ich schätze am meisten sein ganz gewaltiges sprachliches und poetisches Genie, von seinen Gedanken nur einzelne, poetische .Tugend ist Wille zum Untergang und ein Pfeil der Sehnsucht' und den Satz ,Schäme Dich nicht, von Deiner Tugend zu stammeln' mit der feinen Ausführung. Es ist schade u m ihn, er hätte eine Herrenästhetik schreiben sollen, die wertvoller wäre als seine Herrenmoral. I m Gegensatz zu anderen Kraftgenies ist er, wie mir scheint, gerade für sehr belesene Leute besonders gefährlich." 5 6 8

567 Die Nürnberger Reise, in: Ges. Dichtungen. 4. Bd. Suhrkamp 1958, S. 148. 568 H. H„ Ges. Briefe. 1. Bd. 1895-1921. Suhrkamp, S. 25 f. Am 13. 6. 1897 schrieb er an Karl Isenberg: „Von Nietzsche lernte ich einiges ästhetisch Große; im übrigen ist er mir ein großer, Denkwege gehender Dichter, seine Schriften ein Wunder und ein Born künstlerischer Freude - denn er kann Deutsch, wie Luther und Bismarck. Man kann, wenn man nicht Philosoph ist, vieles von ihm lesen wie Stücke des Alten Testaments. Nietzscheaner bin ich nicht, das Wesentliche seiner Philosophie, das Gut-böse = Gut-schlecht, das Totschlagen der Moral, berührt mich nicht viel, da meine Anschauung, meine Religion fromm, aber recht moralfrei ist. Da mir als Ende und Ziel jeder Weltanschauung eine persönliche Religion erscheint, war das einzige Resultat, das ich fand, die Bestätigung meiner Ansicht, daß eine Moral das Ergebnis einer Religion sein kann, daß aber nie, gar nie aus einer Moral eine Religion erbaut werden kann." (Ebd., S. 31 f.); und am 27. 8. 1898 heißt es in einem Brief an Helene Voigt-Diederichs: „Traurig und lächerlich erscheint mir die laienhafte, energielose Nietzscheschwärmerei unserer jungen Literatur. Wie wenig verstehen sie ihn, wie dunkel und erbärmlich sind sie neben ihm, und wie verzweifelt wenig kommt bei dem ewigen Anbeten und Zitieren heraus." (S. 39); und am 9. 11. 1898 an dieselbe: „Aus manchem Neuen, aus Nietzsche vor allem, habe ich mich wieder zurechtgefunden und prüfe nun, wieviel Gold unter alldem Glänzenden ist." (S. 45); dann am 16. 3. 1914 an den Vater: „In letzter Zeit kam ich, nach zehn Jahren Pause, wieder an die Lektüre Nietzsches und finde darin sehr viele neue Anregung und Genuß, allerdings einen höchst schmerzlichen Genuß, denn es gibt kaum ein melancholerisches Bild als das dieses edlen, feinst organisierten Mannes, der in einer unsäglichen Einsamkeit lebte und dessen zart organisierte Seele jeden Schmerz, den er als Denker andern zufügte, vorher tiefer selbst empfunden hatte. Dabei ist mir in seinem .Antichrist' eine kleine Stelle Laotse aufgefallen, die Dich frappieren wird. Es heißt da, Jesus .würde sich unter Indern der Sankhyan-Begriffe, unter Chinesen derer des Laotse bedient haben'. Diese Verwandtschaft hat also Nietzsche schon 1888 gefühlt!" (S. 242 f.). Uber den Umzug nach Basel schrieb er: „Ich hatte keinen anderen Wunsch, als wieder nach Basel zu kommen [...] Es gelang, und im Herbst 1899 kam ich wieder in Basel an, mit Nietzsches Werken (soweit sie damals erschienen waren) und mit Böcklins gerahmter Toteninsel [...] ich hatte schon ein kleines Heft Gedichte veröffentlicht,

1896 Emil Reich: „die nur scheinbar originelle Lehre"

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511 Pförtner, Wilhelm, 569 Nietzsche ist Trumpf. (DZJ 6. Jahr, 1. Bd., 1896, S. 181 Eine heftige Inschutznahme Nietzsches gegen das „Gesindel". Dem „kranken, modernen, decadenten Individualismus", der eine „Reaction" gegen die Gleichmacherei „in unseren Tagen des Nivellierungsschwindels" sein möchte, bedeute Nietzsche „den concretesten und gesündesten Gegensatz, der denkbar ist". Jhr Trumpf ist Nietzsche nicht! Aber wenn es für die Menschheit noch eine Zukunft giebt, im Sinne einer Erhebung in höheres, innigeres und entzückenderes Leben, dann wird Nietzsche der Trumpf des 20. Jahrhunderts werden. Ohne seinen Bogen wird kein Ilion erobert." Eine sehr abfällige Meinung über Nietzsche äußerte E m i l Reich in einem Vortrag v o r der „Philosophischen Gesellschaft an der Universität W i e n " am 15. Mai 1896:

hatte Schopenhauer gelesen und war jetzt für Nietzsche begeistert. Basel war für mich jetzt vor allem die Stadt Nietzsches, Jacob Burckhardts und Böcklins [...] Hier aber war alles getränkt vom Geist, vom Einfluß und Vorbild [...] Jacob Burckhardts, [...] aber ich war noch allzutief von Nietzsche bezaubert, um seinem direkten Einfluß ganz offen zu stehen." (In: Ein paar Basler Erinnerungen. Die Weltwoche v. 22. 3. 1951; zitiert n. B. Zeller, H. H. Eine Chronik in Bildern. Suhrkamp. (Ffm. 1960), S. 34. Die briefliche Äußerung des noch 17jährigen an Dr. E. Kapff v. 15. 6. 1895 verrät eigentlich mehr Altklugheit als wahre Kenntnis: „Den Richtungen der heutigen Literatur gegenüber halte ich mich ziemlich neutral [...] Außer der alten Schule, die von Weimar aus dirigiert wird, sehe ich vor allem zwei Strömungen. Die Eine, größere, ist französisch-russisch [...] Die zweite .Schule' umfaßt die aus dem Epigonenfluch emporringenden titanischen Geister, deren krampfhaftes Pathos oft recht unerquicklich ist. Der Erste dieser Richtungen ist Richard Wagner - nicht nur in der Musik. Zu dieser Strömung gehört auch Nietzsche, der .Ubermensch', der neue Prophet." (Kindheit u. Jugend vor Neunzehnhundert. H. H. in Briefen u. Lebenszeugnissen 18771895. (Ausgew. u. hg. v. Ninon Hesse). Suhrkamp (Ffm.) 1966, S. 491). Der Brief von Hesse v. 13. 1. 1898 an Helene Voigt, die gerade im Jahr zuvor ihr erstes Buch im Drucke sah und 1898 die Ehe mit dem Verleger Eugen Diederichs eingehen sollte, ist mit deswegen lesenswert, weil er nicht nur eine Meinung Hesses über Nietzsche als Dichter bietet, sondern auch da das Antwortschreiben die Empfängerin als mit dem Werk des Denkers vertraut zeigt: „Ich hatte vorgestern einen schlechten Tag. Abends las ich wiederholt die beiden schrecklichen Nietzschelieder .die Krähen schreien' mit den Versen .die Welt - ein Tor / Zu tausend Wüsten stumm und kalt; / Wer das verlor, / Was du verlorst, macht nirgends Halt!' und .dies ist der Herbst' - ." (H. H. - H. V.-D. Zwei Autorenporträts in Briefen 1897 bis 1900. Diederichs 1971, S. 25). Helene Voigt erwiderte u. a. am 1. 3. 1898: „Lesen Sie nicht so viel, .Dies ist der Herbst' und .Die Krähen schrein', die schmeicheln sich einem zu sehr in die Seele mit ihrem Tonfall, und ihrer trostlosen Tiefe, lesen Sie lieber das Lied an den Mistral. Der Geist paßt doch besser für's Leben, nicht wahr?" (Ebd., S. 38); ISENBERG, KARL (Haidarabad / Indus 25. 5. 1869 - Ludwigsburg 29. 3. 1937), Lehrer im höheren Schuldienst; KAPFF, ERNST (St. Gallen 17. 4. 1863 - Göppingen 26. 12. 1944), Dr. phil., war kurze Zeit Hilfslehrer in Cannstatt; VOIGT-DlEDERICHS, HELENE (Gutshof Marienhoff / Schleswig 26. 5. 1875 - Jena 3. 12. 1961), Schriftstellerin, seit 1898 mit Eugen Diederichs verheiratet. 569 PFÖRTNER, WILHELM (eigentl. William Wauer, Oberwiesenthal in Sachsen 26. 10. 1866 Berlin 10. 3. 1962), Schriftsteller.

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1896 Ernst Jünemann: „Verbrechernatur auf judäischer Charaktergrundlage"

„Diesem Gedankenkreis [d. h. dem der Anhänger von Darwin und Spencer] läßt sich die nur scheinbar originelle Lehre Nietzsches ohne weiteres einfügen; zeigt sich doch gerade an diesem Vorkämpfer des selbstherrlichen Ich, wie wenig ,Ich' auch der hervorragendste Mensch ist, da seine Ansichten von Schopenhauer und Stirner, von Darwin und Spencer, selbst von geistreichen, aber minder hervorragenden Denkern, wie Paul Ree und Heinrich Treitschke gründlich beeinflußt sind; ja fast möchte man behaupten, sein Ubermensch sei lediglich eine Karikatur des lachenden Helden Jung-Siegfried in R. Wagners Dichtung, der machtlos vor den alten Göttern Wodans Speer zerbrechen darf, weil in ihm selber die Kraft zur Weltregierung ruht."570 Siegmund von Hausegger ließ sich 1896 zu einem seiner frühesten Werken „Dionysische Phantasie" mit von Nietzsche begeistern: „Die Lektüre Nietzsche's .Geburt der Tragödie' mit ihrer überzeugenden Verherrlichung des dionysischen Rausches, daneben die ersten Eindrücke des herausfordernden Lebensmutes R. Strauß'scher Musik ließen in mir den Plan zu einer Apotheose der künstlerischen Schöpferkraft erstehen. Heldentum und Liebe brechen unter dem Machtspruche des Todes zusammen. Ein erster wissender Blick aber auf der .Menschheit ganzen Jammer' weckt den flammenden Wunsch, dieser Todgeweihten Welt eine aus dem eigenen Innern geschaffene des Lichtes entgegen zu stellen. Ist sie auch nur aus der Phantasie geboren, so hat die doch im Kunstwerk greifbare Gestalt gewonnen und verkündet den Sieg des Lebens über den Tod."571 512 (Jüneman)n, (Erns)t,572 Friedrich Nietzsche, ein Stück Juden- und Irrenfrage. (MV 3. Jg., Nr. 9-13 v. Anfang Mai bis Mitte Juli 1896, S. 65 f., 73 f., 81-84, 90-94, 100-103). Eine ungehaltene Verurteilung aus judenfeindlicher Sicht. Angeregt durch Bemerkungen Nietzsches zu Dührings „Wert des Lebens", die gerade aus dem Nachlaß veröffentlicht worden waren, verteidigt der Verfasser, ein „im Dühringschen Sinne Aufgeklärter", Dühring. Er ist der Ansicht, daß Nietzsches „um 1876 erfolgte Lektüre" des Dühringschen „Wert des Lebens" und später „wahrscheinlich noch der Mehrzahl der anderen Schriften Dührings einen Wendepunkt seiner inneren gei-

570 Sozialethik. Ein Programm, enthalten in: E. R., Aus Leben und Dichtung. Aufsätze u. Vorträge. W . Klinkhardt. Lpz. 1911, S. 13; s. a. im selben Vortrag, S. 5: „[...] der Verkündiger der schrankenlosen Individualität (Nietzsche), an dem sich das traurige Los erfüllte, noch lebend der eigenen Individualität verlustig zu werden." REICH, EMIL (Koritschau / Mähren 29. 10. 1864 - Wien 13. 12. 1940), ao. Professor der Philosophie in Wien. 571 S. v. H., Betrachtungen zur Kunst. Ges. Aufsätze. C . F. W . Siegel. Lpz. (1920), S. 133 f. Die Schilderung der musikalischen Ausführung des Werkes beansprucht noch S. 135. Eine der obigen ähnlichen, aber nicht so ins Einzelne gehende Stelle findet sich auf S. 20 f. Z u r U r aufführung kam das W e r k schon Anfang 1897 zu München; HAUSEGGER, SlEGMUND VON (Graz 16. 8. 1872 - München 10. 10. 1948), Komponist und Dirigent, wirkte zunächst in München, dann 1903-06 in Frankfurt / Main, seit 1910 in H a m b u r g und seit 1920 wieder in München. 572 JÜNEMANN, ERNST, am 30. 5. 1898 im Alter von 30 Jahren gestorben.

1896 Georg Runze: „einseitig und rücksichtslos, ein Prometheus und Faust"

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stigen Entwicklung" bewirkt habe. An anderer Stelle heißt es, daß Dühring „folgenschwer in das Nietzscheschen Schicksal durch seine Schriften eingegriffen" habe. Nietzsche habe ihn nicht nur angegriffen, sondern vielmehr gleichzeitig versucht, ihn zu „kopieren und zu übertrumpfen"; doch sei dieser Versuch „ins Gegenteil ausgeschlagen". Er habe geglaubt, „noch Größeres zu leisten, wenn er noch mehr und Dühring dazu negiert". Neben dem allem her läuft die judenfeindliche Beschimpfung. Trotz des Mangels an „innerem Wert" werden die Schriften Nietzsches „vom Publikum mit großer Vorliebe gekauft und gelesen, da sich besonders hebräische Reklame" für ihn „gewaltig ins Zeug legt". Er wird sogar als „Hebräeranwalt" hingestellt: „Erst seitdem Nietzsche sich von Schopenhauer und Wagner abwendete und anfing, für die Juden einzutreten, änderte sich sein Ruf in der öffentlichen Judenmeinung; er fing an, berühmt und gelesen zu werden." Seine „Ausdrucksweise [...] Größen" wie Sokrates und Schiller gegenüber, die beide vom Verfasser entschieden verteidigt werden, „trägt in ihrer Unflätigkeit ein judäisches Gepräge". Zum Schluß wird Nietzsche als „Verbrechernatur auf judäischer Charaktergrundlage" gekennzeichnet und Dühring als der „Quell, aus dem neue Bestrebungen und eine neue Kulturwendung ihren Ursprung nehmen": „Nur aus seinen Schriften und seinem persönlichen Vorbild können wir das bessere Wissen und Wollen schöpfen." 512a Dass. als: Dühring und Nietzsche. Dritte Folge der Gemeinverständlichen Einführungsschriften zu Eugen Dührings Reformatorischen Denkergebnissen. Hg. v. H. Reinhardt. O. R. Reisland. Lpz. 1931, S. 13-60. In der Schreibweise erneuert, einige Fremdwörter sind ersetzt, sonst kaum geändert. Herausgeber meint, die „Wiederveröffentlichung" sei „notwendig" geworden, um „einer Fälschung der Geistesgeschichte entgegenzutreten, die darin besteht, daß man den tiefgreifenden Einfluß Dührings auf Nietzsche zu vertuschen versucht". Da Dühring die Arbeit von Jünemann mit „kritischen und ergänzenden Bemerkungen" durch die Monate deren Erscheinens brieflich begleitet habe, fügt der Herausgeber noch Anmerkungen hinzu, in denen mitunter schriftliche Äußerungen Dührings an den Verfasser gebracht werden: „[...] der Baseler Philologieprofessor ist hier unkritisch wie immer und würfelt Alles durcheinander [...]" - „Der gehört [...] in eine richtige Psychiatrie [...] als Beispiel dafür, wie sich Wahn- und Blödsinn im Verlehrtentum und speziell in der Spielart philosophastrischer Velleitäten gestalten können."573 513 Runze, Prof. Dr. Geo (Großlichterfelde b. Bln.), Friedrich Nietzsche als Theologe und als Architekt. (Kr 3. Jg., Nr. 84 f. v. 9. u. 16. 5. 1896, S. 862-872,911-920). Die Bezeichnung „Architekt" ist offensichtlich ein Druckfehler anstelle von „Antichrist". Verfasser erkennt in Nietzsche den „letzten Theologen" und versucht, in Form wie auch im Inhalt, diesen hervorzukehren. „Er ist ein irrender, strebender, leidenschaftlicher, aber ehrlicher, wahrheitsdurstiger Mensch, von selten schöpferischer Gedankenkraft, aber in seinen Sympathien und Antipathien einseitig und rücksichtslos, ein Prometheus und Faust, ein Odipus [...]" Verfasser weist unter

573 Diese Neuauflage des Werkes wurde durch die Reichsschrifttumskammer verboten, s. Jahresliste 1939 d. schädl. u. unerwünschten Schrifttums, S. 5.

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1896 Ludwig Büchner: „der Irrenhaus- oder Wahnsinnsphilosoph"

besonderer Berücksichtigung von Overbecks „Über die Christlichkeit unserer heutigen Theologie" auf die gegenseitige Beeinflussung von Overbeck und Nietzsche hin. Die Schrift enthält auch einiges Mündliche über Nietzsche, so von „einem Basler Kollegen" und von „ehemaligen Dienstleuten der Familie Nietzsche". 513a Dass. Kritik-Vlg. Bln. 1896. (4. Tsd.). Sonderdruck. (= Fragen des öffentlichen Lebens. Hg. v. Karl Schneidt u. Richard Wrede. Heft 5 )· Mit berichtigter Überschrift: „[...] und als Antichrist"; und um zwei unwesentliche Schlußzeilen vermehrt, sonst unverändert. 514 anonym, Vom Hexentanzplatz der Zeitgedanken. Der „Ideal-Anarchismus". (Schluß). (TRs Unterhaltungsbeil. Nr. 111 v. 12. 5. 1896, S. 441 f.). In diesem Abschnitt des mehrteiligen Aufsatzes wird Nietzsches Lehre und Leben zwischen denen von Stirner und Tolstoi kurz geschildert, um mit der Behauptung zu schließen: „Wie immer jedoch die Wirkungen sein mochten, die Überkinder sowohl, wie die Schwärmer wurden Anarchisten." Anführenswert sind die u m diese Zeit veröffentlichten Gedanken des philosophischen Arztes Ludwig Büchner, der seit dem Erscheinen seines „Kraft und Stoff" 1855 zu den Wortführern des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts maßgebenden materialistischen Positivismus gehörte. Er geht von der Beobachtung aus, daß „die philosophische Zerfahrenheit und Haltungslosigkeit der Zeit bis auf den höchsten Grad gesteigert" worden seien: „Denn wie könnten sonst so ganz irreguläre und die Philosophie gewissermaßen auf den Kopf stellende Erscheinungen, wie [...] Max Stirner und sein moderner Nachträtscher, der Irrenhaus- oder Wahnsinnsphilosoph Fr. Nietzsche, als angeblich philosophische Messiasse die Welt in so hochgradige Aufregung versetzen? [...] Dabei ist alles, was Nietzsche schreibt, in zusammenhanglose Aphorismen zerhackt, zerrissen, wie schroffe Gletscherabstürze und bewegt sich fortwährend in den grellsten Widersprüchen oder Sophismen. Es ist ein Phrasen-Getöne, welches einen verständigen Menschen zur Verzweiflung bringen kann, und wobei kein einziger, einmal angefangener Gedanke zu Ende gedacht wird [...] Was das Verstehen betrifft, so will freilich Nietzsche gar nicht verstanden sein [...] Jedenfalls ist, wie bereits bemerkt, der unsinnige Kultus, der mit den Schriften dieses Mannes getrieben wird, neben dem fast beispiellosen Erfolg eines ebenfalls zum Teil auf philosophischem Terrain sich bewegenden, so wertlosen und verworrenen Buches, wie .Rembrandt als Erzieher', ein trauriges Zeichen der Geistesöde oder Geistesseuche, welche am Schlüsse unseres Jahrhunderts nach dem Fehlschlagen so vieler Hoffnungen und Erwartungen die philosophische Welt ergriffen hat."574

574 M L Nr. 20 v. 16. 5. 1896, Sp. 643 ff. Etwas abgeändert auch in: A m Sterbelager des Jahrhunderts. Blicke eines freien Denkers aus der Zeit in die Zeit. E. Roth. Gießen 1898, S. 9295; ähnliche Äußerungen auf S. 259-265 (im Zusammenhang mit dem Anarchismus) u. S. 3 6 2 ; B Ü C H N E R , L U D W I G p a r m s t a d t 2 9 . 3 . 1 8 2 4 - e b d . 1. 5. 1 8 9 9 ) .

1896 Sophie Hoechstetter: „.Werdet hart', klang es in ihm."

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515 Brociner, Marco,575 Der „Einzige" und der „Uebermensch". (NPJ Nr. 148 v. 30. 5. 1896). Veranlaßt durch die Neuauflage von Stirners ,,Einzige[m]" schildert Verfasser dessen Wirkung und findet dann „die gleiche Anschauung [...] bei dem modernsten Modephilosophen, bei Friedrich Nietzsche". Die Philosophie beider sei eine „herzund gemüthlose", die sich über Deutschlands Grenzen nach Frankreich und Schweden, wo bes. Strindberg mit diesem Geiste getränkt sei, ausbreite. Aber wie Stirner in „Armuth und Elend" gestorben sei, so sei Nietzsche „in der Vollkraft des Schaffens [...] verblödet". 516 Hoechstetter, S., Die Verstoßenen. Sozialer Roman. E. Pierson. Dresd., Lpz., Wien 1896. 128 S. Die Handlung spielt vom August 1893 bis in die unmittelbare Gegenwart und zwar in Heidelberg, München und auf dem Lande in Franken. Der Held, Dr. jur. Zeno Gleichen, „der Kleinbürgerlichkeit entsprossen", verliebt sich in die Tochter eines Professors und einer geborenen Freiin von Kilpingen, doch wird er eben verstoßen und zwar weniger von dem Mädchen als von den herrschenden Standesvorstellungen. Dabei fallen ihm die Worte „des Mannes ein, dessen Schüler er sich nannte: ,Wo Du nicht mehr lieben kannst, da sollst Du vorüber gehen.' Er folgte dieser Lehre Zarathustras. Mit festem Schritt ging er an diesen Menschen vorbei. [...] .Werdet hart', klang es in ihm." (S. 37) Er flieht Heidelberg und kehrt bei seinem Bruder Philipp, der noch Landwirt auf dem väterlichen Gut in Franken ist, ein und trifft sich dort mit der Schwester Marie, die eben aus ihrer Erzieherinstelle in Berlin geflohen ist. Zeno erzählt sie von der Familie, bei der sie in Stellung war und die Menschen wie sie, obwohl „ebenbürtig an Bildung" und sittlich sogar höherstehend ihrer Herkunft wegen „verstoßen", sodaß sie „Sozialisten" werden. Auch Marie kennt den „Zarathustra", denn beide haben durch das Verstoßensein von ihm das Verachten gelernt. Sie beschließen eine sozialistische Wochenschrift herauszugeben, eben die „Verstoßenen", in der aber auch gegen die heutigen „Sozialistenführer" gewettert werden soll: „Unsere Ideale, unsere Hoffnungen, die zerren sie herunter und machen sie gemein." Er möchte die Menschen eben „den bewußten Idealisten" lehren. Nach anderthalb Jahren müssen sie einsehen, daß die Zeitschrift sich nicht länger halten läßt, sie ziehen sich wieder auf den vom Bruder gehaltenen Hof zurück und Zeno springt in einem Fieber aus dem Fenster in den Tod. Marie bleibt trauernd zurück. Kurz davor bekundet Zeno: .„Ich glaube an den Gott in mir, und ich glaube an die Größe meiner Kraft. Ich glaube an eine Unsterblichkeit - und an eine Unsterblichkeit meines selbsterworbenen, geistigen Ichs - an die Unsterblichkeit der Idee - der Ideale - der Illusion. Und mein Glaube ist groß, weil er nicht erklärt und nicht gepredigt und nicht gemein gemacht - sondern nur mitempfunden werden kann.' - " (S. 114 f.) Sicherlich auch aus dieser Zeit sind folgende Erinnerungen der Schriftstellerin:

575 BROCINER, MARCO (Jassy / Rumänien 24. 12. 1852 - Wien 12. 4. 1942), promovierte 1879 zu Heidelberg, seit 1888 Journalist in Wien.

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1896 „Dann kam der gewaltige Einfluß"

„Meine frühe Jugend hatte Bayreuth und Ansbach als Hintergrund. Als ich zu schreiben begann, meinte ich, es gäbe nichts Interessanteres als die sozialen und geistigen Probleme. Dann kam der gewaltige Einfluß Friedrich Nietzsches. Ich hatte das große Glück, die Umwälzung, die er in mir hervorrief, mit einem gleichgestimmten Mädchen zu erleben, mit Toni Schwabe [...] Vielleicht sind mir die Abschlüsse, die ein Leben mit seinem Höchstpunkt beenden lassen, noch deshalb manchmal Bedingung, weil uns eins der unvergeßlichen Worte Friedrich Nietzsches jenes geblieben ist, das vom Sterben zur recht Zeit spricht. Diese Botschaft ist letztlich an den Künstler gerichtet, der nicht in seinen Büchern den Lendemain schönerer Tage schildern soll. Ich hoffe, das nicht zu tun." 576 517 Meyer, Richard M., Der Kampf um den Einzelnen. (DRs Bd. 87, 22. Jg., H. 9 v. Juni 1896, S. 442-464). Verfasser verfolgt den Gedanken der Gegenüberstellung vom Einzelnen und Staat, Natur und Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert. Von Hamann, Herder, Humboldt und Rousseau über Goethe, Arndt, Wackernagel, Wolfgang Menzel, Brentano, Görres, Justinus Kerner, E. Th. A. Hoffmann, Schleiermacher, H. Chr. Andersen, J. P. Jacobsen, Kierkegaard, Feuerbach, Stirner, Dühring, Renan, Flaubert, Taine, Ibsen, Björnson und Tolstoi stößt er zum Schluß auf Nietzsche. Da Nietzsche im Gegensatz zu den Romantikern auch „den Vielen ein gewisses Recht auf ihre Moral zugesteht", sei mit ihm ein neuer Schritt von größter Bedeutung getan. 517a Auch in: Deutsche Charaktere. E. Hofmann. Bln. 1897, S. 69-104. Weist nur wenige, meint stilistische Änderungen auf, bis auf den letzten Satz, der neu ist und einen deutlich nationalen Ton anschlägt. 518 Reichmann, Armin, (dGes 2. Jg., Nr. 9 v. 1. 6. 1896). Nimmt das Werk der Schwester (Nr. 417), als „eine wichtige Ergänzung" zu den Werken Nietzsches, des „größten und merkwürdigsten Menschen in der zweiten

576 Autobiographische Skizze. ( D L E 2 0 . Jg., H . 23 v. 1. 9. 1918, Sp. 1401 ff.); HOECHSTETTER, SOPHIE (Pappenheim / Fr. 15. 8. 1873 - Dachau 4. 4. 1943), Schriftstellerin. In dem von Sophie Pataky herausgegebenen „Lexikon deutscher Frauen der Feder", dessen Angaben im Falle der Verfasserin „nach Mittheilungen der Autorin [...] redigiert" wurden, heißt es: „Für ihre geistige Entwicklung wurden bestimmend: Goethe, Haeckel, Ibsen, J. P. Jacobsen, Nietzsche." (Bd. I, S. 364). Ein recht hartes Urteil fällte die Schriftstellerin über die künstlerische Bearbeitung einer der ihren ähnlichen Begegnung mit der Gestalt Nietzsche, nämlich über die „Ellen Olestjerne" der Gräfin Reventlow (s. S. 96 f.). Bei der Besprechung des Werkes scheint es ihr zunächst darum gegangen zu sein, „die natürlich .unverdaute' (es giebt bei jedem, der nicht ein deutscher Professor ist, bekanntlich keine andere!) Lektüre Nietzsches" zu rechtfertigen, eben „zu zeigen, wie die Ideen, die von Ibsen und Nietzsche kamen, gewirkt haben": „Ihre Ellen wäre wohl ohne Peer Gynt, Brand und Zarathustra ihren W e g gegangen. A b e r Peer Gynt und Zarathustra waren die Götter ihrer Jugend." D o c h habe die Gräfin „jenseits von Gut und Böse [...], mit jenseits von Scham und Ernst verwechselt": „Die Gräfin Reventlow ließ ihre Freiin nicht nur jenseits der Moral, sondern auch jenseits jedes wählenden Instinktes, jenseits jeder Vornehmheit gehen - jenseits jedes edleren Geschmacks [...] U n d das Erwachen ihres Verstandes und ihrer Inbrunst fiel in die Zeit, da man Zarathustra lesen konnte! [...] ehe der H a h n dreimal krähte, hatte sie ihn - den Meister - dreimal verraten." ( D L E Bd. 6, 1903 / 04, Sp. 1301 ff.); SCHWABE, TONI (Bad Blankenburg 31. 3. 1877 - 17. 10. 1951), Schriftstellerin.

1896 Ilse von Stach

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Hälfte unseres Jahrhunderts". Dennoch wird bemängelt, daß auf „die geistige und seelische Entwicklung [...] zu wenig Sorgfalt gelegt" werde. - „es ist eben ein großes .Aber' an diesem Buche." N a c h Beendigung ihrer Ausbildung in dem „Freiadligen Stift" in Altenburg, in dem „eine streng orthodox lutherische Observanz herrschte", kam die sechzehnjährige Ilse von Stach nach dem „freidenkerischen Berlin von 1896": „Ein Blick ringsum mich in meine neue Berliner Umwelt zeigte doch deutlich, daß Nietzsche beinah recht haben könnte in seiner Hoffnung, den letzten Christen zu erleben. Nietzsche also, Zarathustra, las ich damals, und auch David Friedrich Strauß und Renans ,Vie de Jésus'." 577 Ein Buch mit recht aufsehenerregender Uberschrift, dessen Inhalt sicherlich Nietzsche zur Last gelegt wurde, zumal er trotz der Hervorkehrung „Darwinistischer Grundsätze" am häufigsten und eingehendsten, wenn auch nicht ohne wiederholte Einschränkung erwähnt wird, erschien im Jahre 1896: „Das Recht zu sündigen! Ein Beitrag zur Revision des Erbgewissens durch Anwendung Darwinistischer Grundsätze auf die Veredelung des sittlichen Bewußtseins." 5 7 8 D e r Verfasser, Rudolf Hirschberg, meinte es aber nicht gar so umstürzlerisch, wie es sich anhört. Man lese über Nietzsche folgendes: „[...] da Moses mit seinem geschwindelten Gotteswort vom Offenbarungsberge vertrieben ist, so hat Zarathustra daselbst guten Platz, um sich breit zu machen, und verkündet seine Weisheit, die zwar zum Mindesten nicht schlechter ist, von der großen Menge aber zum Mindesten nicht besser verstanden wird, als die seines abgesetzten Kollegen [...] Ihren großen Segen haben Nietzsche's gewaltige Aphorismen gehabt, indem sie uns aus unserer unhaltbaren Stellung zur Moral befreiten und uns jenseits der sittlichen Wirrnis einen freien und heiteren Platz gaben [...] Wir sind jetzt erlöst von unserer Not, wir sind befreit von unserem allzu erregten Verantwortlichkeitsgefühl; unser krankhaft empfindliches Gewissen hat der Blick aus der Höhe und die Luft der freien Berge geheilt und ein robustes, starkes Gewissen daraus gemacht [...] freiwillig kehren wir zurück zur Gesetzlichkeit, und nicht gezwungen." (S. 23 f.) Weiter heißt es: „Ich brauche nicht nochmals zu versichern, daß ich dabei durchaus nicht an Nietzsche's ziellosen Subjektivismus denke, dessen letzte Konsequenzen doch seine wärmsten Verfechter nicht ziehen mögen. Ich will die Moral nicht abschaffen, aber ich möchte sie weiter entwickelt sehen; nicht eine willkürliche Herren-Moral scheint mir erstrebenswert, aber nach einer Gesellschaftsmoral sehne ich mich, die der Gesellschaft wirklich wohltätig ist." (S. 28 f.)

577 I. v. S., D e r Petrus-Segen. Erinnerungen und Bekenntnisse. Regenbergsche Vlgs. Bhdlg. Münster (1940), S. 25; das Werk enthält noch eine einzige Erwähnung Nietzsches auf S. 109; STACH, ILSE VON (geb. Ilse Stach von Goltzheim, Haus Pröbsting b. Borken / Westf. 17. 2. 1879 - Münster 22. 8. 1941), katholische Schriftstellerin. 578 Wilh. Friedrich. Lpz. 40 S.; Erwähnung Nietzsches sonst auf S. 8; HIRSCHBERG, RUDOLF (Meißen 31. 12. 1867 - 1929), Verfasser sonst von Unterhaltungswerken.

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1896 O . I m m i s c h : D i e „subjektiv philosophische H a l t u n g " als „ G e f a h r für die P h i l o l o g i e "

U n d noch weiter: „Ausgekehit muß das alte Erbgewissen werden, damit der Staub der Jahrhunderte herausfliegt und Platz giebt für Neues und Besseres. Das Ausschütteln und Reinigen ist nicht mehr schwer. Die Nietzsche und Genossen haben es uns gründlich vorgemacht, vielleicht zu gründlich. N u n ist es an uns, das, was vom Alten etwa noch gut ist, aus dem Kehricht zu retten, und wo es Neues braucht, es aus uns selbst zu schaffen." (S. 30) 519 Immisch, Otto, Neueres von und über Nietzsche. (BlLU N r . 24 f. v. 11. u. 18. 6. 1896, S. 369-372, 404 ff.). Verfasser geht schnell - in einem Absatz - über die Nietzsche-Schriften von Maxi (Nr. 360), Achelis (Nr. 306a) und Laurentius (Nr. 508) hinweg, um zum achten Band der Gesamtausgabe (GVIII) und bes. zum „Antichrist" zu kommen, dem er als einer, der sich seines „altväterlichen Glaubens völlig sicher" fühle, aufs heftigste die „wissenschaftliche Aufrichtigkeit" abspricht: „Im ganzen wird der Leser, der Nietzsche kennt, im ,Antichristen' wenig Neues finden, nichts, was sich aus Nietzsche's aristokratischem Cynismus nicht mit Nothwendigkeit von selbst ergäbe." Darauf bespricht er, hier sich als „Philologen" gebend, die beiden ersten Nachlaßbände(GIX, G X ) ; er hebt dabei die „subjektiv philosophische Haltung von Nietzsche's Philologie" als „eine Schwäche und Gefahr innerhalb einer Wissenschaft, die mit einer tiefen Bescheidenheit, Thatsachen und nichts als Thatsachen festzustellen strebt", hervor. Uber die „Kunst des Schriftstellers Nietzsche" entschlüpfen ihm allerdings gelegentlich anerkennende Worte. 520 Jaanson, Alwina, (B Beil. N r . 24 v. 14. 6. 1896, S. 192). Eine sehr geschickte Ablehnung des Werkes von Steiner (Nr. 405), der als „Zu-Endedenker" auftrete und der Philosophie Nietzsches „einen eigenen Bestandteil, ,die moralische Phantasie'", einfüge. Etwas von der eigenen Einstellung zu Nietzsche läßt sich vielleicht folgenden Annahmen entnehmen: „Man könnte noch weiter gehen und Nietzsche einen Kämpfer gegen alle Zeiten nennen. Er wäre in diesem Sinne eine Machtgestalt, welche die Kulturgeschichte zu einem einzigen Moment zusammenballt [...] er wäre ein Künstler, der alles, was der Menschengeist in ein paar Jahrtausenden erlebt hat, seiner phantasievollen Beherrschung, seiner virtuosen Darstellung dienstbar machen will." 521 Mann, Heinrich, Zum Verständnis Nietzsches. (DZJ 6. Jg., Bd. 2, 1896, S. 245251). Verfasser bestreitet eine Abhängigkeit Nietzsches von Stirner und lehnt die Bezeichnung „Philosophie des Kapitalismus" für Nietzsches Denken ab. Im Ubermenschen erkennt er „nichts anderes [...] als ein soziales und ein Rassen-Symbol". „[...] er war nicht ein fremddienerischer Verächter seines Stammes, denn es bekundet keine verwerfliche Gesinnung, sich im Zorne von dem abzuwenden, dem man zu viel zugetraut, weil man ihn zu sehr geliebt hat." 522 Morgenstern, Christian (Friedrichshagen), Nietzsche der Erzieher. ( N D R s 7. Jg., H . 7 v. Juli 1896, S. 709-712). Aus Anlaß der ersten zwei Nachlaßbände (GIX, G X ) findet der Verfasser, daß es „für alle Zukunft [...] nun ein neues Kriterium des denkenden Menschen" gebe: „Was ist ihm Nietzsche?" S. a. den Brief Morgensterns an Marie Goettling vom

1896 Morgenstern: Nietzsche als Erzieher

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August 1896: „Ich habe im VII. Heft der Neuen Deutschen Rundschau einen kleinen Aufsatz gehabt .Nietzsche als Erzieher', den ich mit sehr viel Liebe geschrieben habe." (A. a. O., S. 81).

Als regelrechter Jugendverderber diente Nietzsche der Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach bei der Schaffung einer recht unwichtigen Nebengestalt in einer 1896 veröffentlichten Erzählung „Bertram Vogelweid". Der Held Bertram Vogel, ein 38jähriger „literarischer Tagelöhner", Schriftsteller und Redakteur an der großen Wiener Zeitung „Die junge Grenzenlose", verbringt zum ersten Male seit vier Jahren fünf Tage außerhalb der Stadt, nämlich auf dem Lande in Mähren, wo er sich ein „Gütchen" erschrieben hat. Gegen Ende des Aufenthaltes hat er alle ihm Begegnenden vor dem Schreibteufel gerettet, sich selber in die Nichte eines alten Freundes verliebt und sich dennoch bereit erklärt, mit dem „nervösen" Sohn des Freundes vorerst nach Wien zurückzukehren, um den Gefährdeten einem dortigen „Freunde aus früherer Zeit, einem gewiegten Pädagogen" zu überbringen, denn gerade dieser junge Hagen ist Nietzsche verfallen. Schon bei der ersten Begegnung gesteht er auf die Vermutung Bertrams hin, er studiere Nietzsche: ,„Ich bet ihn an. Ich habe einen Gott gesucht und ihn in Nietzsche gefunden.' .Hast du? Wenn ich nur wüßte, der wievielte du bist, von dem ich das höre.' ,Und wenn ich der zweite oder der tausendste bin - seine Jünger sind wir alle. Das ist euch unheimlich, ihr Alten; das treibt euch alle Haare, die ihr noch habt, zu Berge·'" 579

Noch am selben Nachmittage begegnen sie sich wieder, und es entsteht wieder ein Wortwechsel. Der Junge spricht zunächst von den Eltern: „.Davon merk ich nichts, meinen sie, daß du auf mich dressiert worden bist und jetzt losgehen und mir ins Gewissen reden sollst. Für einen solchen Esel halten sie mich. Ich sag dir aber gleich: Spar deine Mühe. Ich bin kein Moraltrottel, ich bin ein überzeugter Nietzscheaner, stehe jenseits von Gut und Böse, und wer mir ins Gewissen spricht, spricht zu etwas, das nicht existiert.' Bertram lachte: ,Ο Nietzsche! großer Krankheitserreger! Welch ein Bazillengezücht hast du in diesem Jünglingsgemüte ins Leben gerufen!'" 580

A m nächsten Tag läßt sich Hagen vom Pferde stürzen und taumelt dem Bertram in die Arme. Der Junge hat der Kusine seine Liebe angetragen: „.Ich biete ihr meine Liebe, und die demütigt mich - mich, den Sohn ihrer Wohltäter [...] beleidigt mich [...] O Nietzsche, du hast recht, du allein - die Peitsche für die stumpfsinnigen, imbezilen Weiber!'" 581

Zum Schluß stellt sich aber heraus, daß der gewichtigste Grund, warum der Junge nicht aufs Gymnasium zurück kann und Bertram ihn eben nach Wien mitnehmen muß, ist, daß er beim Zuckerbäcker Schulden hat:

579 Rittmeister Brand. Bertram Vogelweid. Zwei Erzählungen. Gebr. Paetel. Bln. 1896, S. 269. 580 Ebd., S. 285. 581 Ebd., S. 322.

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1896 Marie von Ebner-Eschenbach: „der Übermensch ist eine Naschkatz!"

„Bertram brach in Lachen aus: .Beim Zuckerbäcker? Der blasierte Dekadent sitzt beim Zuckerbäcker und stopft sich mit Kuchen, der Ubermensch ist eine Naschkatz!'" 582 523 Breysig, Kurt, 583 Nietzsches ethische und sociologische Anschauungen. (SJb 20. Bd., H. 2, 1896, S. 1-23). Verfasser hält sich vor allem an die Werke ab „Zarathustra" und findet in Nietzsche „den ersten unter den Deutschen, der das Epigramm der Prosa, den Aphorismus, das Aperçu zu handhaben gewußt und diese Kunstform zu wahrhaft blendender Vollkommenheit ausgebildet hat". Er habe „kein Ende finden können in dem höchsten Genuß, der dem Menschen beschieden ist, in geistigem Produzieren". Der größte Fehler seiner Weltanschauung sei, daß er „in seinem eigenen höchsten Bedürfnis das Bedürfnis aller, einen Maßstab allen menschlichen Strebens und Denkens" gesehen habe. Er sei „ein Dichter unter den Denkern". Alle seine Schriften haben soziologische und ethische Erkenntnis in schwer trennbarer Mischung zum Gegenstand oder doch wenigstens zum Ziele. Immer wieder betont er, daß Nietzsche Willen, Verstand und Phantasie auf Kosten des Gemüts hochhalte. Der „Antichrist" ist ihm „wohl die feindseligste, erbittertste Schrift, die je gegen die christliche Kirche geschrieben ist". Die deutsche Wissenschaft habe nun die Aufgabe, den schädlichen Samen, den er ausgestreut habe, noch im Keime zu vernichten, sowie in der überreichen Ernte seines Schaffens die Hunderte von fruchtbringenden Wahrheiten, die er gefunden habe, aufzunehmen und zu verwerten. 524 anonym, Die Antisemiten und Friedrich Nietzsche. (NWAbi Nr. 197 v. 19. 7. 1896). Der folgenden Nummer ähnlich, macht sich lustig höchstwahrscheinlich über dasselbe Berliner antisemitische Blatt, das behauptet habe, Nietzsche sei Jude, wohl da er mehrmals „über die Verfechter der arischen Racentheorie die Geißel" habe klatschen lassen und noch dazu Heine als einen der größten deutschen Dichter gefeiert. 525 anonym, Der Jud' Nietzsche. (AIWs Nr. 31 v. 31. 7. 1896). Verweist auf „die Gelehrten eines Berliner antisemitischen Blattes" (s. Nr. 512), die entdeckt hätten, daß Nietzsche Jude sei.

582 Ebd., S. 392; sämtliche Stellen auch unverändert im 10. Band der gesammelten Werke: H . Fikentscher Vlg. / H . Schmidt & C . Günther Vlg. Lpz. (1928), S. 255, 264, 284, 324. 583 BREYSIG, KURT (Posen 5. 7. 1866 - Berlin 16. 6. 1940), Privatdozent, 1896 ao. Professor, 1923 o. Professor der Geschichte in Berlin; hat Nietzsches W e r k wahrscheinlich viel früher kennengelernt: „Zwei Enthusiasmen haben mich in den Jahren nach 1892 und nach 1899 ergriffen: der für Nietzsches Verkündigung und der für Georges Dichtung [...]" (K. B, Aus meinen Tagen und Träumen. Memoiren, Aufzeichnungen, Briefe, Gespräche. A. d. Nachlaß hg. v. Gertrud Breysig u. Michael Landmann, de Gruyter. Bln. 1962, S. 168; s. a. ebd., S. ix (Erinnerungen an Breysig v. R . Pannwitz: „Gemeinsam von Anfang an war uns Nietzsche als Vorbereiter von Zukunft und der schöpferische Mensch als ihr Mittelpunkt."), xiif., 72 (über das Nietzsche-George-Verhältnis), 91-95 (1895 / 96), 99 (1898), 102 (1900), 127 (Brief v. 23. 6. 1917 an Hans Driesch, in dem es über Max Scheler heißt: „[...] daß ich hier zum ersten Mal einen Denker von Wert und Stärke finde, der Nietzsches Erbe zu verwalten und zu mehren weiß [...]").

1896 Karl Heckel: Der ergänzende Gegensatz zu Wagner

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A W Friedrich Nietzsche: Aus den Sprüchen Zarathustras. (Fragmente). (Pan 2. Jg., 2. H. v. Aug. 1896, S. 85-88). A X Die junge Fischerin. Gedichtet und componirt von Friedrich Nietzsche. (In den Jahren 1862 und 1865)., (Ebd., 4 Bll. nach S. 120). 526 Koegel, Fr(itz), Friedrich Nietzsches Musik. (Ebd., S. 144). Ein kurzer Überblick über Nietzsches musikalisches Schaffen; die Musik sei „die Kunst seiner Jugend" gewesen. 527 Heckel, Karl, 584 Richard Wagner und Friedrich Nietzsche. Eine Betrachtung aus der Vogelschau. (NDRs 7. Jg., H. 8 v. Aug. 1896, S. 721-737). Versucht die „scheinbar plötzliche Scheidung der beiden Männer einfach aus ihrer innersten Natur und Entwicklung als nothwendig und unabwendbar darzustellen". Er konnte sich dabei auch auf den „umfangreichen Briefwechsel" seines Vaters Emil Heckeis stützen, woraus er zwei Briefe Nietzsches sowie eine Stelle aus einem Briefe Nietzsches an Rohde veröffentlicht. Er bezeichnet Wagner als Sohn der Reformation, als Denker und Verklärer der Vergangenheit, Nietzsche dagegen als „Sproß der Renaissance, als Seher einer Zukunft". Er empfindet Nietzsche als ergänzenden Gegensatz zu Wagner selber und dessen künstlerischer Offenbarung des Erlösungsbedürfnisses. 528 anonym, Nietzsche und seine Bewunderer. (N 13. Jg., Nr. 48 v. 29. 8. 1896, S. 717-720). Von den „Bewunderern" nimmt Verfasser so gut wie ausschließlich Kurt Breysig (Nr. 523) aufs Korn, denn dessen „Skizze" scheint ihm „eine allgemeine symptomatische Bedeutung für den geistigen Zustand, in dem sich so viele unserer jüngeren Publizisten befinden, zu haben, und ein echt typisches Beispiel für die konservative Strömung unserer Tage zu sein". Nach Aufweisung der Mängel an der Darlegung Breysigs und der Widerlegung seiner Behauptungen „sollte man glauben, daß von einer Ethik dieses Mannes [d. i. Nietzsches] nicht die Rede sein könne, und auch seine soziologischen Anschauungen nur in einem rein negativen Verhältnisse zu Allem stehen müßten, was man bisher als die nothwendige Voraussetzung zu der menschlichen Gesellschaftsbildung angesehen hat". Dem „junkerlichen Wesen", das durch „schriftstellernde Reserveoffiziere" vertreten sogar „in die deutsche Wissenschaft eingedrungen" sei, „ist Nietzsche entgegengekommen"; er habe sie aber nicht „geschaffen", sondern „stark erweitert und auf die Spitze getrieben". Dennoch meint Verfasser, solle „im Namen Nietzsche's selbst Einspruch erhoben werden, wenn weniger konsequente Geister den Versuch machen, für ihre aristokratischen, pseudokonservativen Ideen Sukkurs bei dem radikalen Denker zu holen, dabei aber einen Kompromiß zwischen ihm und der salonfähigen Schulweisheit anzubahnen sich bemühen". 529 Meyer, Johann Georg, 585 Friedrich Nietzsche als Aesthetiker und Patriot. (BurBl H. 9, 1896, S. 234-240). Verfasser befaßt sich so gut wie ausschließlich mit der „Geburt" und stellt fest, daß Nietzsche „im Grunde" weder „Metaphysiker" noch „Schüler Schopenhauers"

584 HECKEL, KARL (Mannheim 23. 6 . 1 8 5 8 - Schöngeising b. Mchn. 2 0 . 1 0 . 1923), Schriftsteller. 585 MEYER, JOHANN GEORG, geb. am 2. 3. 1856 zu Königsberg / Pr.

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1896 Umzug des Archivs nach Weimar

gewesen sei: Er sei sich „über die tiefe (oft allerdings inconséquente) Lehre Schopenhauer's wohl nicht klar geworden [...] und [...] auch selbst zu keiner eigenen klaren metaphysischen Anschauung gekommen". Doch seine Ästhetik findet die begeisterte Billigung des Verfassers: „[...] die Jugend soll nicht sokratisch und philisterhaft nur von kalten Vernunftsmotiven geleitet werden, sondern sich dionysisch an dem Genüsse neuer Ideen berauschen." Peter Hamecher erzählt aus seiner Schulzeit: „Bereits waren mir als Siebzehnjährigem Ibsen, Hauptmann und Nietzsche konfisziert worden, bei welchem Aktus ich mir von meinem Ordinarius eine Maulschelle holte, weil ich nicht zugeben wollte, daß Nietzsche ,ein Sozialdemokrat' sei."586 Im September 1896 siedelte die Schwester mit dem Archiv nach Weimar über und zwar zunächst in die Wörthstraße 5. Anfang Juli 1897 konnte sie dann samt Archiv endlich auf den Silberblick in eine Villa Luisenstraße 36 umsiedeln, die von Fräulein Meta von Salis-Marschlins zur Unterbringung des Kranken angekauft worden war und inzwischen an die Schwester vermietet wurde. Im April 1899 ging das Grundstück in den Besitz Adalbert Oehlers über, u m erst 1902 endgültig an die Schwester überzugehen. Ein Darlehen von 30.000 Mark, 587 hatte es der Schwester schon im Januar ermöglicht, sich „den handschriftlichen Nachlaß samt Autorenrechte" von der Vormundschaft endgültig anzueignen. Sowohl die „Münchner Allgemeine Zeitung" als auch das „Hamburger Fremdenblatt" berichteten vom U m z u g und meldeten dabei, daß die Schwester „im Verein mit Dr.Koegel und Steiner die Vorbereitungen für eine Gesamtausgabe" treffe. Das veranlaßte Rudolf Steiner an beide Redaktionen offene Briefe zu schreiben, in denen er beteuerte: „Die Nennung meines Namens in diesem Zusammenhang beruht auf einem Irrtum. Ich habe keinen Anteil an der Herausgabe von Nietzsches Werken."588

586 Richard Dehmel. Zu seiner Lebensbeschreibung. DAZgb v. 7. 9. 1926; HAMECHER, PETER (Lechinich b. Köln 20. 1. 1879 - Berlin Juni 1938), Schriftsteller. 587 Janz bringt den Wortlaut des von der Schwester am 26. 1. 1896 unterzeichneten Bürgschaftsvertrags, auf den hin ihr ein Darlehn in Höhe von 30 000 RM von Robert von Mendelssohn auf fünf Jahre vorgestreckt wurde. Die darin genannten Freunde und Verehrer Nietzsches heißen „Freiin Dr. Meta von Salis, Dr. Hermann Hecker, Graf Harry Keßler und Dr Raoul Richter". Uber ein von der Schwester zu bestellendes Curatorium, das im Falle ihres vorzeitigen Ablebens u. a. „über die zukünftige Gestaltung des Archivs zu beschließen hat", heißt es weiter: „Dem Curatorium sollen angehören die Bürgen, welche für je 6000 Mark Betheiligung eine Stimme haben, außerdem die Herren: Stadtrath Schenk in Weimar, Stadtrath Dr. Oehler in Magdeburg, Dr. Fritz Koegel." Als fünften Bürgen nimmt Janz wohl mit Recht den Berliner Bankier Robert von Mendelssohn an. (Friedrich Nietzsche. Biographie. Bd. III. C. Hanser. Mchn. 1979, S. 341ff.); MENDELSSOHN, ROBERT VON (Berlin 13. 12. 1858 - ebd. 20. 8. 1917), Bankier, Musikliebhaber, seit Ende der 80er Jahre Mitinhaber, seit 1908 Chef des Bankhauses Mendelssohn & Co. 588 Zu allem s. Nr. 211a, S. 469 f.

1896 Holz: Socialaristokraten

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Einen Einblick in die Wirkung Nietzsches auf die Kreise des Berliner, oder vielmehr Friedrichshagener Literatentums um die Mitte der neunziger Jahre gewährt folgendes, am 15. Juni 1897 uraufgeführtes Stück: 530 Holz, Arno, Socialaristokraten. Mänicke & Jahn. Rudolstadt u. Lpz. (Herbst 1896).589 (= Das Ende einer Zeit in Dramen.). Es handelt sich um ein Schüsselstück, in dem Bruno Wille, John Henry Mackay, Stanislaw Przybyszewski und Holz selber nur dürftig verschleiert als Dr. Benno Gehrke, Frederick S. Bellermann, Taddeus von Styczinski und Hahn auftreten. Alles umkreist die rein wetterwendische Entwicklung des „Schriftstellers" Gehrke vom Sozialismus über Sozialaristokratismus bis zum Bekenntnis zur völkischen „antikratischen, Sozialitäten Gesellschaftsform der Zukunft". Neben dem Sozialismus bildet Nietzsche den weltanschaulichen Ausgangspunkt der Dargestellten. In einem Gespräch mit dem jungen ahnungslosen Schriftsteller Herrn Hahn, dessen 4000 Mark die Verlegung der Zeitschrift „Der Sozialaristokrat" erst ermöglichen, belehrt der „Gelegenheitsdichter" Oskar Fiebig ihn über ein Werk von Gehrke: „Bloß Lieder eenes Ibermenschn [...] ? De janze Welt redt von Ibermenschn! Nitschkn ham Se doch jelesn?" worauf Herr Hahn mit „schweigender Zustimmung" antwortet. (S. 12) Etwas später erklärt der Verfasser selber: „O, ich lege jetzt keinen Wert auf die kleinen Sachen. Stammen noch aus meiner früheren Periode. Haben eigentlich nur noch literarhistorische Bedeutung." (S. 25) Und dann etwas ausführlicher zu seiner Stellung zu Nietzsche überhaupt: „Ich gehöre nicht zu den verworrenen Jüngern eines Nietzsche. Leutchen, die ihre zufällige Individualität in Gänsefüßchen mit einer gewissen Naivität heute in den Vordergrund zu stellen belieben. Mein Ideal ist nicht, wie das jener Pseudogröße einer überwundenen Epoche, der bloße sogenannte Ubermensch, sondern, wohlgemerkt, die Ubermenschheit! Ein Ideal, dessen erstmalige Schöpfung mein geistiges Eigentum ist." (S. 64 f.) Kennzeichnend wohl für das wahre Verhältnis der Dargestellten zu Nietzsche mögen die Worte Fiebigs sein: „Nitschkn hab'k ja ooch janz gehappt. Den hat natierlich Spredoskn! Ick hab η selbst noch nicht jelesn: Ich habe bloß mal erst so in die .Fröhliche Wissenschaft' geschmökert. Der Titl hat mer so jefalln." (S. 85). Erwähnungen Nietzsches sonst auf S. 49, 67, 90 sowie der „Herrenmoral" (S. 46).

589 Über das Stück selber sowie Holz' Verhältnis zu Nietzsche überhaupt s. Schickling, Dieter, Interpretationen und Studien zur Entwicklung und geistesgeschichtlichen Stellung des Werkes von Arno Holz. Diss. d. Univ. Tübingen 1965, S. 127-136; auf S. 103-118 behandelt er Nietzsche als „Exponenten dieses neuen Lebensgefühls", nämlich des der 90er Jahre, fußt aber dabei in verbreitungsgeschichtlicher Hinsicht fast ausschließlich auf der Darstellung von R. A. Nicholls. In einer Auseinandersetzung mit Franz Mehring, der meinte, Holzens jugendliche Lyrik widerlege dessen eigene Ästhetik, führt Holz Zarathustra als Zeugen gegen die „Selbstunterschätzung" an: „Mißtraue - wie Zarathustra, der neue philosophische Salontiroler, umflogen von seinem Adler und umzirkelt von seiner Schlanje, hier bedeutsam den Finger heben würde - mißtraue dem Apostel, der .Bescheidenheit' predigt. Bescheidenheit ist die Tugend der Impotenten." (A. H., Revolution der Lyrik. J. Sassenbach. Bln. 1899, S. 43; flüchtige Erwähnung erfährt Nietzsche noch auf S. 39, 46).

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1896 Ausflug auf den Hohentwiel

530a Dass. Komödie. In: Α. H. Werke (Hg. v. Wilh. Emrich u. Anita Holz), Bd. IV. Luchterhand. (Neuwied / T h . 1961). Bis auf eine Erwähnung des „Willens zur Macht" auf S. 65, was Nietzsche betrifft, unverändert. Sonstige Fundstellen: S. 14, 23, 40, 43, 55, 60, 75. 531 Biedenkapp, Dr. Georg, Denkdummheiten. Merkworte zur geistigen Selbstzucht. C. G. Naumann. Lpz. 1896. iv, 174 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.). Auf dem Titelblatt stehen Worte aus Pestalozzi und Nietzsche („Alles bei ihnen redet, Niemand weiß mehr zu verstehen. Alles gackert, aber wer will noch still auf dem Neste sitzen und Eier Brüten?"). Enthält sonst verschiedentliche Erwähnungen Nietzsches, so auf S. 3, 6, 7, 18 (eine längere Stelle aus „Menschliches" zur „Selbsterziehung"), 23 f. („Nietzsche - ich bin überzeugt, daß dieser wahrhaftige Denker durchaus nicht soviele Widersprüche sich hat zu schulden kommen lassen, als es scheint und behauptet wird; dieser Philosoph beansprucht mit Recht, ehrfürchtig studiert und tief begriffen zu werden - trotzdem scheint mir Nietzsche dem Superlativismus verfallen zu sein, wenn er schreibt [...] : ,Ich habe der Welt das tiefsinnigste Buch gegeben, das sie besitzt [...] '"), 25 f., 45 ff. (Verteidigung Nietzsches gegen den Vorwurf der Verrücktheit: „Eine Zahl gewissenloser Literaten, Literatinnen und Gelehrten hat es dann fertig gebracht, einen der frömmsten, ehrfürchtigsten und scharfsinnigsten Geister in den Ruf der Unmoral und Bestialität zu bringen."), 51, 53, 78 f., 84, 90, 106, 110 (Ähnlichkeit mit Dühring, dem Verfasser sehr geneigt ist: „Heute zweifle ich nicht, daß Nietzsche völlig aus sich heraus zu jenen Ansichten gekommen ist, in denen er sich mit Dühring berührt."), 119 (Möglicher Vergleich einer Zarathustra-Stelle mit einer aus Lassalles Schrift gegen Schultze-Delitzsch), 130, 133-137 (Nietzsche-Stellen zur Mangelhaftigkeit der Sprache), 140 ff., 146, 153. 532 Gerhard, H. F. (Hamburg), 590 Die künstlerischen Mittel der Darstellung in Nietzsches „Zarathustra". (Kr 3. Jg., Nr. 104 v. 26. 9. 1896, S. 1830-1842). Nietzsches „Zarathustra" findet er „eine der merkwürdigsten Dichtungen aller Zeiten und Völker": er sei zugleich der Heiland aller übernervösen, übersensitiven Menschen, der Theoretiker des rücksichtslosen Kampfes und der Praktiker der Welt- und Menschenflucht, der Optimisten des fern winkenden Ideals und der Pessimisten der Wirklichkeit. Die Objektivisten, Naturalisten, Subjektivisten, Idealisten, Romantiker und Symbolisten sehen alle in ihm etwas. Abschließend stellt er noch fest, daß „Faust der Zarathustra von Gestern; Zarathustra der Faust von Heute" sei. D e r Schriftsteller W i l h e l m v o n Scholz erzählt aus seiner Gymnasiastenzeit A n f a n g der 90er J a h r e zu K o n s t a n z v o m Einschreiben ins F r e m d e n b u c h im Hohentwielgasthaus: „Einige Tage vorher hatte ich ein Bild Friedrich Nietzsches mit seiner sehr einprägsamen Unterschrift gesehen, die ich oberflächlich aus dem Kopfe nachahmen

590 GERHARD, HANS FERDINAND (Wolfenbüttel 14. 3. 1868 - R a t z e b u r g 15. 9. 1930), Schrift-

steller, 1896 Redakteur des H C und seit 1903 dessen Beilage ZfLKW.

1896 Wilhelm von Scholz: Der unvergängliche Gedichtkreis „Die Sonne sinkt"

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konnte. Einer der anderen, der über alle unmittelbar zeitgenössischen literarischen Dinge mehr unterrichtet war als ich, kritzelte mit einer einigermaßen weiblich sein sollenden Hand dazu: .Elisabeth Förster-Nietzsche.' Der dritte wurde veranlaßt sich als .Schulze, Krankenwärter bei Nietzsches' den beiden ersten zuzugesellen [...] Wie erschrak ich, als ich vierzehn Tage drauf eine Notiz fand, die durch die Zeitungen lief: Es scheine dem Philosophen Friedrich Nietzsche etwas besser zu gehen. Er reise, sei neulich auf dem Hohentwiel gewesen und habe mit kräftiger Hand einen Spruch ins Fremdenbuch eingetragen, der durchaus seinen scharf aphoristischen Stil zeige: .Ich kann mir keinen größeren Gegensatz denken, als Poesie und Fremdenbücher!' [...] Wie oft habe ich [...] dem von mir bald immer tiefer verehrten Dichter und seiner gütigen gastfreundlichen Schwester in Weimar, in deren Haus auf dem Silberblick ich nach Jahren viele anregende Stunden mit bedeutenden Geistern der Zeit verbringen sollte, wo ich Max Klinger, Henry van de Velde, den Grafen Harry Keßler, Ludwig von Hofmann, Hans Olde, Wilhelm Hegeler und andere kennenlernte, diesen mir wie ein schweres Verbrechen erscheinenden Streich abgebeten."591 Etwas später heißt es: „Als Nietzsche alle Geister beherrschte und mit seinen großartigen Willensschriften beeinflußte, ergriff und beschäftigte er mich mit seinem unvergänglichen Gedichtkreis ,Die Sonne sinkt' tiefer als selbst mit dem .Zarathustra'."592 AY Friedrich Nietzsche: Aus der Einsamkeit des Denkers. Zeit der Fröhlichen Wissenschaft 1881 bis 1882. (NDRs 7. Jg., H. 10 v. Okt. 1S96, S. 1022-1027). Bringt 31 Sprüche, von denen 29 dann in den XII. Band der Gesamtausgabe (GXII) in teilweise anderem Wortlaut aufgenommen wurden (Nr. 79, 93, 111, 114, 115, 117, 118, 119, 121, 123, 125, 126, 127, 129, 130, 131, 132, 134, 135, 136, 137, 141, 143, 144, 145, 150, 151, 152, 155). 533 Riehl, A (lois) (Kiel), Friedrich Nietzsche als Denker. (Wh 7. Bd., H. 1, 2, 3, 5 v. Okt., Nov. u. Dez. 1896, S. 1-10, 51-60, 85-92, 140-150). Ihm ist die „mittlere" Periode im Leben Nietzsches „in manchem Betrachte die erfreulichste", es sei die Zeit seiner Genesung „von dem doppelten Gift der philosophischen und musikalischen Romantik". Doch sei Nietzsche nie ein „richtiger Philosoph der Aufklärung" gewesen; die neue Periode, „in die wir mit dem Zarathustra eintreten", könne man als einen Bund „der Romantik und des Positivismus" bezeichnen. 534 Eucken, Rudolf (Prof. in Jena), Die Lebensanschauungen der großen Denker. Eine Entwicklungsgeschichte des Lebensproblems der Menschheit von Plato bis zur Gegenwart. 2., umgearb. Aufl. Veit. Lpz. 1896. viii, 492 S.

591 W. v. S.. Berlin und Bodensee. Erinnerungen einer Jugend. List. Lpz. (1934), S. 255 f.; SCHOLZ, WILHELM VON (Berlin 15. 7. 1874 - Konstanz 29. 5. 1969), Dichter und Schriftsteller; HEGELER, WILHELM (Varel / Oldenburg 25. 2. 1870 - Irschenhausen 31. 10. 1943), Schriftsteller; HOFMANN, LUDWIG VON (Darmstadt 17. 8. 1861 - Pillnitz 23. 8. 1945), Maler. 592 Ebd., S. 86; s. noch S. 204 f.

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1896 Rudolf Eucken: Die innere Hohlheit nur durch Phrasen verbergen

Das Werk ist in drei Teile aufgegliedert, von denen der letzte die „Neuzeit" umfaßt. Dieser ist wiederum in drei Abschnitte getrennt, von denen der letzte „Die Epoche der Kritik und das Suchen neuer Wege" behandelt. Von diesem heißt die vierte und letzte Abteilung „Die Lebensanschauungen des modernen Realismus". Dem allem angehängt ist ein Schlußwort, in dem es heißt, daß „die treibende Kraft" der Bewegung, die sich gegen Vorherrschaft der Naturwissenschaft richte, „eine stärkere Entfaltung des Subjekts" sei. Doch „liegt hier die unglückliche Wendung nahe, daß das Subjekt [...] sich in seiner bloßen und leeren Empfindung als freischwebende Größe behandelt und zum Mittelpunkt der Wirklichkeit macht, zugleich aber das Leben in eine unablässige Selbstbespiegelung und eitle Reflexion verwandelt, sich in wunderlicher Mischung von Sophistik und Romantik in der bloßen Stimmung zu einem weltüberlegenen Kraftgefühl aufbauscht, dem kein großer und kräftiger Lebensprozeß entspricht, das daher seine innere Hohlheit nur durch Phrasen verbergen kann. Das ist die Philosophie vom .Ubermenschen' u. s. w. Sie ist aus der Zeitlage vollauf begreiflich und findet darin auch eine Entschuldigung. Gewiß bedarf unsere Zeit der Kraft, wie überhaupt die Bedeutung der Kraft wohl außer Frage steht. Aber man muß die Kraft auch haben, nicht sie sich künstlich einreden. Der wirklich Kräftige pflegt ebenso wenig von der Kraft viel Worte zu machen, wie der Gesunde von der Gesundheit, der Ehrliche von der Ehrlichkeit." (S. 484 f.) Verfasser hält der Gegenwart die Vorbilder Plato, Luther und Kant vor. 534a Dass. 3., umgearb. Aufl. 1899. xii, 492 S. Jetzt heißt die vierte und letzte Abteilung „Der Rückschlag gegen den Realismus" und kommt dem Schlußwort gleich. Darin heißt es nun: „Uberhaupt ist in der näheren Gestaltung des Subjektivismus eine neue Art Romantik unverkennbar, die mit der älteren manche Züge teilt, im anderen freilich erheblich abweicht. So wird diese Bewegung auch ähnlich zu beurteilen sein wie die ältere Romantik: eine interessante, bei aller Wunderlichkeit aus der geschichtlichen Lage wohl begreifliche Erscheinung voll reicher Anregungen und Umbildungen, aber durchaus eine Ubergangserscheinung, eine Befreiung, nicht eine Vertiefung von Kräften, ein Vorhalten, nicht ein Lösen bedeutender Probleme. Daher ist es recht verfehlt, wenn dieser Subjektivismus in seiner Unfertigkeit sich festlegt und abschließt, wie es auf philosophischem Gebiet vornehmlich in der Lehre vom .Ubermenschen' geschieht." (S. 483). Sonst der zweiten Auflage ähnlich. 534b Dass. 4. umgearb. Aufl. 1902. Über Nietzsche ausdrücklich auf S. 507-510. Die Bezeichnung „Der Rückschlag gegen den Realismus" trägt jetzt den Zusatz „Nietzsche". Abschließend zur Erscheinung Nietzsches meint Verfasser nun: „So müssen wir das Ganze mehr für ein glänzendes Meteor der Zeit als für ein bleibendes Gestirn erachten. Immerhin ist ein Lebenswerk, woran ein bedeutender und edler Mensch seine Seele setzt, in das er seine ganze Seele hineinlegt, schon durch seine innere Wahrhaftigkeit dem Durchschnitt der Kulturkomödie unvergleichlich überlegen. Und wo man dem Denker widersprechen muß, wird man dem Künstler oft um so mehr Anerkennung zollen." 534c Dass. 5. umgearb. Aufl. 1904. Über Nietzsche S. 502-507. Die Behandlung ist fast um das Doppelte erweitert, doch ist Verfassers Einstellung im wesentlichen unverändert.

1896 Der „Subjektivismus in seiner Unfertigkeit [...] in der Lehre vom .Übermenschen'"

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534d Dass. 6. verbess. Aufl. 1905. Ü b e r Nietzsche S. 500-506. Verfasser unternimmt jetzt eine fast zweiseitige Verteidigung des Christentums gegen Nietzsche, sonst ist seine Behandlung nur unwesentlich verändert. 534e Dass. 7. verbess. Aufl. 1907. Ü b e r Nietzsche S. 510-514. U m zwei volle Seiten gekürzt, da Verfasser auf zwei ihm offensichtlich glücklich erscheinende Prägungen gekommen ist, die eine wesentlich leichtere Erledigung ermöglichen: „Stimmungsphilosophie" und „Stimmungsdenker". Es bleiben da fast nur „die edle und vornehme Art des Mannes" und „sein mutiges Kämpfen gegen eine verflachende, gleichmachende, seelenlose Massenkultur" übrig. 534f Dass., d. h. was Nietzsche betrifft, mit der Überschrift: Zur Beurteilung Nietzsches, in: Prn 6. Jg., Nr. 16 v. 20. 1. 1909, S. 241 f. Unverändert. 534g Dass. 8. durchgeseh. Aufl. 1909. Was Nietzsche betrifft, so gut wie unverändert 534h Dass. 9., vielfach umgestaltete Aufl. 1911. Ü b e r Nietzsche S. 519 ff. Wiederum gekürzt, diesmal aber unter Hervorkehrung des zu Begrüßenden. 534i Dass. 10. Aufl. 1912. Ü b e r Nietzsche S. 522 f. Was Nietzsche betrifft, nur geringfügig geändert. 534j Dass. 12. Aufl. 1918. Ü b e r Nietzsche S. 531-536. Mit nur wenigen, unwesentlichen Änderungen. 534k Dass. 13. u. 14. Aufl. Verein wissenschaftl. Verleger W . de Gruyter. Bln. u. Lpz. 1919. Was Nietzsche betrifft (S. 530-534), unwesentlich verändert. 5341 Dass. 15. u. 16. Aufl. 1921. Ü b e r Nietzsche S. 541 ff. Im Wesentlichen unverändert. 5 3 4 m Dass. 17. u. 18. Aufl. 1922. Unverändert. 534n Dass. 20. unveränderte Aufl. (Hg. v. Walter Eucken). 1950. Ü b e r Nietzsche S. 484 ff. Unverändert. 5 3 5 Steiner, Dr. Rudolf, Kunst und Wissenschaft. (KöHZg 1. Morgenausg. v. 3. 10. 1896). Bringt eine Benachrichtigung hinsichtlich seiner Mitarbeit an der Weimarischen Goethe-Ausgabe sowie eine Zurückweisung der Meldung, er stehe in irgendeinem „offiziellen Verhältnisse zum ,Nietzsche-Archiv'". 593 A Z Friedrich Nietzsche: Gedanken aus der Zeit der „Morgenröte". (Z Bd. 17, 3. 10. 1896, S. 8-12). Vorabdruck von Stellen, die darauf im X I . Band der Gesamtausgabe auf S. 206-393 erschienen sind. 536 S c h i n k e l ) , M(oritz), Bei Friedrich Nietzsche. (BrZg 77. Jg., N r . 241, Kl. Ausg. v. 13. 10. 1896). Erzählt recht ins Einzelne gehend vom Zustand und Benehmen des Kranken in den ersten Wahnsinnsjahren, ob nach ihm Erzählten oder nach eigenem Erleben läßt sich nicht in allen Einzelheiten genau feststellen.

593 Jetzt gut zugänglich, sogar in Ablichtung, in: Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv. Briefe u. Dokumente 1894-1900. Hg. v. David Marc Hoffmann. (= Rudolf Steiner Studien Bd. VI). Rudolf Steiner Vlg. Dornach 1993, S. 39.

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1896 Friedrich Kirchner: „Er strebt mit cynischen Mitteln nach hedonischen Zielen."

537 Heuser, C., stud, theol. et phil., Friedrich Nietzsche, die Grundzüge seiner Philosophie und ihre Beziehungen zu den Fragen der Gegenwart. (ABl 11. Jg., N r . 14 f. v. 16. 10. u. 1. 11. 1896, S. 185 ff., 202-205). Dem Verfasser ist Nietzsche zugleich „Dichter, Philologe, Psychologe und Philosoph" in einer Person, doch geht es ihm hier um den Philosophen. Selbst wenn man seine Philosophie „als eine Erweiterung und Fortführung der schopenhauerschen" betrachte, besonders was das Erkenntnistheoretische und Metaphysische angehe, könne man ihm deswegen nicht den „Charakter" eines Philosophen aberkennen, und das unterscheide ihn von den „Halbphilosophen wie Eugen Dühring und anderen Materialisten". Die Bedeutung Nietzsches stehe fest: „In einer Zeit, wo die methodische Wissenschaftlichkeit und Gelehrtenhaftigkeit in einseitiger ungesunder Weise unser Volksleben zumal in politischer Beziehung beeinflußt, in einer Zeit der Abstraktionen, Theorieen und Utopieen steht er wie eine Säule, welche die durch keine gelehrte Reflexion zu erschütternde natürliche Notwendigkeit einer aristokratischen Nationen- und Ständegliederung aufrecht erhält." Er bleibe trotz seiner „Spott- und Hohnreden über das Deutsche Reich, den deutschen Patriotismus und den sogenannten Bismarckkultus", „einer der kraftvollsten und glänzendsten Verfechter des Nationalitätsprinzips [...], und das giebt ihm schon allein eine bleibende Bedeutung für das deutsche Volk". 538 anonym, (V 13. Jg., N r . 244 v. 17. 10. 1896). Gibt einen recht kurzen, doch tlw. lebensnahen Bericht über das Leben des Kranken in Naumburg wieder, anscheinend anläßlich des 52. Geburtstages. 539 Kirchner, Lic. Dr. Friedr. (Prof. am Kgl. Realgymn. zu Berlin), Geschichte der Philosophie von Thaies bis zur Gegenwart. 3., verm. u. verbess. Aufl. J. J. Weber. Lpz. 1896. Über Nietzsche, der erst in dieser Auflage hinzugekommen ist, als letzten behandelten Philosophen, auf S. 426 f.: „Seine zahlreichen Schriften [...] zeichnen sich durch geistreichen, aber unzusammenhängenden Stil aus", meint der Verfasser und verweist dazu auf die Schriften von Stein (Nr. 256a) und Türck (Nr. 182a). „Er strebt mit cynischen Mitteln nach hedonischen Zielen. Als Reaktion gegen den weichlichen Pessimismus Hartmanns heilsam, birgt sein System doch auch große Gefahren. An sich thörichte Utopien, wenn man sie bei Lichte betrachtet, wirken seine scharf zugespitzten Paradoxien geradezu hypnotisierend. Seine wegwerfende Art über alle bisherigen Philosophen zu urteilen, seine Vorliebe, sich als Antichrist und Antimoralist aufzuspielen, seine Verachtung der Frauen, des Pöbels, der Halbgebildeten, sein prophetischer Ton - alles dies stempelt ihn zum Philosophen fin de siècle [...] Seine Philosophie ist eine Art von sozialem Roman, von ethischer Mythologie." 539a Dass. 4. Aufl., bearb. v. Georg Runze (Prof. a. d. Univ. Berlin). 1911. Die Beurteilung Nietzsches, dem jetzt ein eigener Abschnitt zukommt (S. 484491), fällt recht zweischneidig aus: „Seine Beweise sind unvollständig, seine Kritiken lahm, seine geschichtlichen Urteile bis zur Absurdität einseitig. Aber er war ein Meister in psychologischer Analyse und er sah [...] nicht selten mit überraschender Leichtigkeit und Klarheit soziale Triebfedern, ethische Beweggründe, psychische Unterströmungen, die vor ihm eben niemand zu sehen vermocht hatte. Dadurch hat er uns vor neue Probleme gestellt und in gewissen Hauptfragen nicht viel weni-

1896 Friedrich Ferdinand: „Da kamst Du, der neuen Tag brachte."

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ger als alles, was bis dahin als Ergebnis festzustehen schien, neuer Revision zu unterziehen genötigt." Er habe gegen alle die „Quellgebiete seines Werdegangs gewütet", gegen die Frauen, die deutsche Literatur, den Genius Schopenhauers und Wagners, das evangelische Pfarrhaus, den preußischen Staat, die germanische Kultur und das Christentum, aber er habe auch die deutsche Sprache „zu einer Höhe künstlerischer Leistungsfähigkeit gefördert, wie solche niemals bis dahin erreicht war und erreicht werden konnte." Diesen Ausführungen werden dann die Beurteilung Kirchners aus der 3. Auflage und die des Verfassers aus der 8. Auflage des Deterschen „Abrisses der Geschichte der Philosophie" angehängt. 540 anonym, Über den Philosophen Friedrich Nietzsche. (KZg v. 23. 10. 1896). Berichtet wohl nach eigenem Anschauen vom trostlosen Zustand des Kranken. Er empfinde „zu Zeiten auch körperliche Schmerzen, die ihn laut aufschreien lassen. Die Nachbarn pflegen dann, den kranken Philosophen wie eine Art Barometer benutzend, zu sagen: Das Wetter ändert sich, der Professor schreit!"

Am 23. Oktober 1896 brachte die „Neue Freie Presse" folgenden Bericht: „Aus München, 22. Oktober, schreibt man uns: Gelegentlich des 52. Geburtstages von Friedrich Nietzsche durchläuft eine Notiz die Zeitungen, daß der Philosoph in dumpfes Brüten verfallen sei und seine vier Wände nicht verlasse. Nun fand ich aber im Fremdenbuche des Wirthshauses am Hohentwiel folgenden Eintrag: ,Ich kann mir keinen größeren Gegensatz denken, als Poesie und Fremdenbücher. Friedrich Nietzsche. - Mit meinem Bruder hier anwesend am 18. September 1896. Elisabeth Förster-Nietzsche. - Karl Schulze, Krankenwärter bei Nietzsches.' [...] Nietzsche ist also noch im Stande, größere Reisen zu machen und Gedanken aufzuzeichnen." 594 541 Ferdinand, Friedrich, An Friedrich Nietzsche. (Kr 3. Jg., Nr. 108 v. 24. 10. 1896, S. 2046). Ein vierzehnzeiliges Gedicht, das wie folgt anhebt: „Es kam die Zeit, der Götterthron verkrachte, / In leere Fernen starrten alle Blicke, / Verzweiflung, Ekel fluchte dem Geschicke, / Da kamst Du, der neuen Tag uns brachte."

Wohl vom Ende der 90er Jahre berichten folgende Worte Felix Weingartners, eines begeisterten Anhängers von Schopenhauer und Wagner: „Der .Ubermensch' Nietzsche stieß mich ab. Meine Versuche, mit der Gedankenwelt dieses Philosophen vertraut zu werden, mißlangen, obwohl die Bejahung des Lebens, zu der ich mich aus den Klammern der Verneinung durchgerungen hatte, mich eigentlich auf seine Bahn hätte leiten müssen. Vielleicht verstimmte mich die unduldsame Art des mit ihm getriebenen Kultus. Doch scheint mir viel eher, daß ich mich auf dieses Jonglieren mit Worten, das als Endsumme nur allzu oft Null ergibt, ebensowenig einstellen konnte, wie auf die Klangspiele der ,Neutöner', die mir das gleiche Resultat liefern. Wenn ich mit ehrlicher Mühe ein Kapitel Nietzsches durchgearbeitet hatte, mußte ich mich zuweilen fragen, was ich nun eigent-

594 N r . 11554, Abendbl. S. a. die diesbezügliche Erzählung von Wilhelm von Scholz auf S. 416.

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1896 Felix Weingartner: das Jonglieren mit Worten, das [...] nur allzu oft Null ergibt"

lieh gelesen hatte. Wie unendlich mehr sagten eine Seite, ja nur ein Satz des sonnenhellen, aber gewiß nicht bequemen Kant und des nachttiefen, bald hymnischen bald polternden Zauberers Schopenhauer [...]" 595 D a ß nicht jede Erwähnung der „Herrenmoral" durch eine Auseinandersetzung mit Nietzschescher Wertsetzung bedingt sein mußte, zeigt ein W e r k wie das von Käthe Schirmacher: Herrenmoral und Frauenhalbheit. R . Taendler. Bln. 1896. (= D e r Existenzkampf der Frau im modernen Leben. Seine Ziele und Aussichten. Hg. v. Gustav Dahms. H . 10, S. 293-334). Weder eine Erwähnung Nietzsches noch eine Anspielung auf eins seiner W e r k e findet sich in dem Buch, das sich darin erschöpft, eine aus persönlichem Erleben geschöpfte Darstellung von der Erniedrigung der Frau zu geben. 596 542 anonym, (BrZg 77. Jg., Nr. 780 v. 4. 11. 1896). Die Zeitung verteidigt sich gegen den Vorwurf der Schwester, der Berichterstatter (s. Nr. 536) habe sich an Nietzsche vergangen: „Friedrich Nietzsche gehört dem deutschen Volke, der Menschheit, sein Loos ist keine Familienangelegenheit."5963 543 anonym, (VZg Nr. 535, Morgen-Ausg. v. 13. 11. 1896, 3. Beil.). Den ersten Band der schwesterlichen Lebensbeschreibung (Nr. 417) findet Besprecher „vortrefflich" erzählt, wenn auch ihr Gegenstand ihm mindestens „zum Theil" der „Populärphilosophie" mit ihren „wechselnden Moden" angehöre. „Der Blick auf soziale Bestrebungen, deren Sieg nivellirend auch die geistige Aristokratie zu unterdrücken droht, und um sich greifende Reizbarkeit und Schwächlichkeit begünstigten das Ideal des Ubermenschen, von dem der feinfühlige, reizbare, von Frauenhand erzogene Nietzsche schwärmte." A m 15. N o v e m b e r druckte der „Vorwärts" einen Leserbrief an die B B Z g über eine mögliche Besserung in Nietzsches Zustand nach und meinte dazu: „Wie immer man sich zu den Lehren Nietzsche's stellen mag, der kühnen Voraussetzungslosigkeit seines Denkens, die ihn zu einer der merkwürdigsten geistigen Erscheinungen gestempelt hat, kann niemand seine Bewunderung versagen [...]" 597 544 Dr. N., Einkehr. (GlauTb Nr. 276 v. 27. 11. 1896). In einem Leitaufsatz befaßt sich Verfasser mit dem „öden Materialismus" und dessen eigentlichem Propheten „Fr. Nietzsche". Dieser „zuerst" habe „die Brandfackel

595 F. W., Lebenserinnerungen. 2. Bd. Füßli. Zur. 1929, S. 322; WEINGARTNER, FELIX (Zara / Dalmatien 2. 6. 1863 - Winterthur 7. 5. 1942), Kapellmeister. 596 SCHIRMACHER, KÄTHE (Danzig 6. 8. 1865 - Meran 18. 11. 1930), Frauenrechtlerin, absolvierte 1883 das städtische Lehrerinnenseminar, weiteres Studium in Paris und Zürich, wo sie bei u. a. bei Richard Avenarius hörte und 1895 den Doktor der Philosophie erwarb. Das Werk: Flammen. Erinnerungen aus meinem Leben. Dürr & Weber. Lpz. 1921, bietet einiges über ein näheres Verhältnis zu Avenarius aber keine einzige Erwähnung Nietzsches. 596a In der N r . 837 v. 27. 11. heißt es: wie Erkundigungen an berufener Stelle ergeben, erkenne der Kranke „zwar [...] Mutter und [...] Wärter, ist aber sonst allen anderen Eindrücken durchaus unzugänglich". 597 13. Jg., N r . 269.

1896 Richard Strauß: Uraufführung von Also sprach Zarathustra

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auch in den Tempel des sittlichen Guten geschleudert". „Nur ein Mittel giebt es, um eine Gesellschaft genesen zu machen, die an solchem Wahnwitz [...] erkrankt ist, [...] das Christentum."

Am 27. November 1896 leitete Richard Strauß die Uraufführung seiner Tondichtung „Also sprach Zarathustra" in Frankfurt am Main.598 5 4 5 Kühn, Dr. Paul, 599 Friedrich Nietzsche. ( L N N N r . 335 v. 3. 12. 1896, 2. Beil.). Berichtet zunächst rühmend über die von Horneffer in Leipzig gehaltenen Nietzsche-Vorträge. Eine gewisse Einseitigkeit stellt er erst im Zusammenhang mit der Darstellung des „Ubermenschenthums" fest, um dann auch „seine Auffassung vom Menschen Nietzsche" als „einseitig" zu kennzeichnen.

598 STRAUSZ, RICHARD (München 11. 6. 1864 - Garmisch-Partenkirchen 8. 9. 1949), Komponist; s. hierzu: „Als ich in Ägypten [1892 / 93] mit Nietzsches Werken bekannt geworden, dessen Polemik gegen die christliche Religion mir besonders aus dem Herzen gesprochen war, wurde meine seit meinem fünfzehnten Jahr mir unbewußte Antipathie gegen diese Religion, die den Gläubigen vor der eigenen Verantwortung für sein Tun und Lassen (durch die Beichte) befreit, bestärkt und begründet." In dem Aufsatz „Aus meinen Jugend- und Lehrjahren" enthalten in: Betrachtungen und Erinnerungen. Hg. v. Willi Schuh. AtlantisVlg. Zür., Freiburg i. Br. (1949), S. 169. S. a. die Erzählung Arthur Seidls, der seit dem gemeinsamen Studium in München 1882 / 83 mit Strauß befreundet war: „Einige Jahre später, an einer entscheidenden .Lebenswende', die ihn aus all' der bisherigen Umwelt heraus, nach fernem Land entrückte - da erfolgte, nicht ohne innere Voraussetzungen hierzu, ein geistiger Umschlag von Schopenhauer zu Nietzsche, in dessen Schriften sich zu vertiefen er damals die allerbeste Muße fand [...] Als ich dann im Sommer 1893, bei einem Abschiede von Weimar, den Dichter komponisten Strauß, denn das ist er - zuletzt aufsuchte, plauderten wir noch von diesem seinem neuen Gestirn Nietzsche und er las mir mit großer Wärme einige Stellen aus dessen Hauptwerken hervor." (aus dem Vortrag: Moderner Geist in der dramatischen u.instrumentalen Tonkunst, enthalten in: A. S., Moderner Geist in der deutschen Tonkunst. Vier Vorträge. „Harmonie". Bln. (1901), S. 73) Darauf führt Seidl hinsichtlich des 1893 komponierten „Guntram" den Beweis, „daß hier das erste Textbuch im Musikdrama nach Wagner mit grundsätzlich moderner Regung (bedeutsam genug im Geiste seines großen Antipoden Nietzsche) vorliegt". (S. 81) 599 KÜHN, PAUL (Frankenberg i. Sachsen 16. 10. 1866 - 1912), seit 1890 an der Universitätsbibliothek Leipzig tätig, seit 1901 als Bibliothekar; HORNEFFER, ERNST (Stettin 7. 9. 1871 Iserlohn 5. 9. 1954), promovierte 1895 zum Dr. phil. in Göttingen, vom 1. August 1899 bis zum 1. April 1901 Mitherausgeber im Nietzsche-Archiv, seit 1920 Professor der Philosophie in Gießen. Uber Horneffer und dessen Verhältnis zu Nietzsche schrieb Leo Kestenberg, der 1900 als 18jähriger Klavierstudent die Meisterkurse Ferruccio Busonis in Weimar besuchte: „Auch den bekannten Philosophen Ernst Horneffer lernte ich kennen, einen großen Bewunderer Nietzsches. Dieser lebte zu jener Zeit - schon schwer geistig umnachtet - im Hause seiner Schwester in Weimar, und Horneffer hat mich auch einmal an ihm vorbeigeführt — ein unvergeßlich trauriger Eindruck. Es war wenige Tage vor seinem Tode." (L. K., Bewegte Zeiten. Musisch-musikantische Lebenserinnerungen. Mösler Vlg. Wolfenbüttel u. Zür. 1961, S. 18); KESTENBERG, LEO (Rosenberg / Schles. 27. 11. 1882 - Tel Aviv 14. 1. 1962), Musiklehrer, 1933 nach Prag, dann über Paris nach Palastina.

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1896 Die erste Fortsetzung der schwesterlichen Lebensbeschreibung

546 Hanslick, Eduard, R. Strr-uß' „Also sprach Zarathustra". (In: E. H., Am Ende des Jahrhunderts. (1895-1899.), (Der „Modernen Oper" VIII. Teil.). Musikalische Kritiken u. Schilderungen. 3. Aufl. Allg. Verein f. Dt. Litt. 1899, S. 265-271). Hier geht es nicht nur um Verurteilung des Straußschen symphonischen Gedichts, sondern mit fast gleicher Heftigkeit um Ablehnung von „Nietzsches schwer verständlichem Buche" selber. Denn „bereits beginnt sich um die Fahne Nietzsches eine Art philosophische Heilsarmee oder Unheilsarmee zu scharen. Er und Ibsen sind die Leitsterne unserer jungen Literaten." Verwiesen wird auf die geistvolle, gediegene Nietzsche-Schrift von Ludwig Stein (Nr.256a), in der „die Gefahren für das Denken, für die Sittlichkeit, für die Wohlfahrt des Menschen" behandelt werden, „seit Richard Strauß kann man auch von ihren Gefahren für die Tonkunst sprechen." 547 Förster-Nietzsche, Elisabeth, Das Leben Friedrich Nietzsches. 2. Bd. (1. Abt.). C. G. Naumann. Lpz. 1897. 1 Taf., 1 Faks., ix S., 1 Bl., 341 S., 1 Bl. (= Pressestimmen zum 1. Band). Erschien schon im Dezember 1896. Verfasserin ergeht sich im Vorwort in langatmigen Angriffen gegen das Buch von Lou Andreas-Salomé (Nr. 308), das voller „Mißverständnisse und Erfindungen" stecke, da diese „den Charakter und die Entwicklung meines Bruders im Grundkern auf rein pathologische Ursachen zurückzuführen" suche. Sonst im Buche selbst wehrt sie sich am entschiedensten gegen einen möglichen Einfluß Rees auf, die Entstehung vom „Menschliches" sowie auf Nietzsches Abkehr von Wagner überhaupt. Sie bedient sich bei der Darstellung reichlich der Briefe ihres Bruders an Rohde und Gersdorff sowie eingestreuter Stellen aus „Ecce homo". Sie bringt auch viele seiner Briefe an Cosima, Wagner, Malwida von Meysenbug, sie selbst und die Mutter, an Frau Baumgartner und Freiherrn von Seydlitz sowie Briefe von Cosima und Richard Wagner an Nietzsche. Daneben werden einzelne Briefe folgender Personen miteingeflochten: Ritsehl, Liszt, Prof. Hagen, H. v. Bülow, Burckhardt,600 sowie anderes biographische Material. 547a Dass., jetzt auf zwei Bände verteilt: Der junge Nietzsche. A. Kröner. Lpz. 1912. viii, 453 S. (S. 440-453 = Anmerkungen u. Verzeichnis d. Zitate v. Dr. Richard Oehler). / Der einsame Nietzsche. 1914. xi, 592 S. (S. 551-592 = Anmerkungen u. Verzeichnis d. Zitate u. Namenregister v. Dr. Richard Oehler). Auch hier (s. Nr. 417) entspricht die Darstellung (S. 235-439, S. 1-101) im wesentlichen der der ersten Fassung, wiederum mit größeren und kleineren Auslassungen und einigen Ergänzungen. Am wichtigsten sind wohl die Abfertigung Bernoullis und mittelbar Overbecks im Vorwort zum zweiten Band und einiges Lesenswerte im zweiten und dritten Abschnitt desselben Bandes über Wagner, Overbeck und

600 In einem Brief an seine Eltern v. 12. 10. 1895 berichtete Heinrich Wölfflin von einem Besuch der Schwester bei Jacob Burckhardt „in biographischen Angelegenheiten": „Als der Alte merkte, daß man ihn ausholen wolle, simulierte er den schwachen, müden Greis, der alle Erinnerung verloren und überhaupt kaum mehr die Zunge bewegen könne, sodaß die Interviewerin froh war, als sie wieder zum Zimmer hinaus war." 0 . B. u. H . W . Briefwechsel u. a. Dokumente ihrer Begegnung 1882-1897. Hg. v. Joseph Gantner. B. Schwabe. Basel (1948), S. 105 f.).

1896 Die Redaktion: „Unsere Leser mögen nicht erschrecken"

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dessen Frau. Da die Erstauflage einen Anhang entbehrte, fehlen hier nur die Tafel und das Faksimile eines Briefes. 547b Dass. Lpz. 1922. 11-15. Tsd. Die Darstellung des ersten Bandes ist unverändert. Das jetzt auf den August 1922 datierte Vorwort zum zweiten Band ist um Abwehr und Angriff auf C. A. Bernoulli gekürzt; die Darstellung (S. 1-102) um einiges geändert: Kürzungen, bzw. Umgeschriebenes auf S. 19, 28 ff., 31, 75, 94; Zusätze auf S. 22 f., 24 f., 41, 84. 547c Dass. 1925. (11.-15. Tsd.). (= Das Leben Friedrich Nietzsches. Kleine Ausgabe in zwei Bänden. Bd. I / II). Mit einem Vorblatt und 5Tfn., sonst der Nr. 547b gegenüber unverändert. 548 Marschalk, Max,601 „Frei nach Nietzsche." (Z Bd. 17, 26. 12. 1896, S. 615619). Eine Ablehnung von Richard Strauß' Vertonung von „Also sprach Zarathustra" als „Sensationsmacherei".602 549 s., (LCB1 Nr. 52 v. 26. 12. 1896, Sp. 1881 f.). Besprechung der beiden ersten Nachlaßbände (GIX, GX); begrüßt besonders die Veröffentlichung der Vorträge „Uber die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen" und „Uber Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne". BA Lesefrüchte. (Gesammelt von Karl Knodt),603 (MDL 1. Jg., H. 3 u. 5 v. Dez. 1896 u. Febr. 1897, S. 140 ff., 238 f.). Bringt einiges auszugsweise aus „Jenseits" (Nr. 232, 234, 238, 239) und „Menschliches" (II, 111). Hierzu vermerkte die Redaktion: „Unsere Leser mögen nicht erschrecken, den Namen Fr. Nietzsche in dieser Zeitschrift zu finden. Dieser modernste Philosoph, ebenso bekannt durch seinen maßlosen Haß gegen das Christentum wie durch seine geistvolle Ausbildung der Philosophie des jämmerlichsten Pessimismus, aber auch bekannt durch seine unsagbar traurigen Lebensschicksale er befindet sich seit Jahren im Irrenhause - , bietet uns hier goldene, wohl beherzigenswerte Worte. Man fühlt sich versucht, in Änderung eines bekannten Spruches zu sagen: Wenn das am dürren Aste wächst, was darf man erst vom grünen erwarten!" BB (Geucke, Karl Ehrenfried),604 Nächte. Gassen- und Giebelgeschichten. Bilder aus Zeit und Zukunft von einem Mitmenschen. Herrn. Walther. Bln. 1897. vi S., 1 Bl„ 258 S. Das Werk besteht aus zahlreichen meist kurzen Prosastücken und Gedichten, des öfteren von Bibelstellen begleitet und betont christlich gefärbt. In einem Anhang:

601 MARSCHALK, MAX (Berlin 7. 4. 1863 - Poberow a. d. Ostsee 24. 8. 1940), Musikschriftsteller, 1895-1934 Musikreferent der „Vossischen Zeitung". 602 Ein ausführlicher Nachweis sonstiger Aufsätze und Schriften zu Strauß' „Zarathustra" findet sich in: Richard-Strauß-Bibliographie. Tl. 1 1882-1944. Bearb. v. Oswald Ortner. A. d. Nachlaß hg. v. Franz Grasberger. G. Prachtner Vlg. Wien 1964 (= Museion N F 3. Reihe, 2. Bd.), S. 49. 603 KNODT, KARL ERNST (Eppelsheim / Rheinhessen 6. 6. 1856 - Bensheim a. d. Bergstraße 30. 9. 1917), 1882-1903 Pfarrer in Ober-Klingen / Odenwald. 604 GEUCKE, KARL EHRENFRIED (Meerane / Sachsen 22. 6. 1864 - Berlin 25. 12. 1941), Schriftsteller.

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1896 Eugen Diederichs - Hans Luther

Stimmen der Menschheit, S. 242-258, werden mehrere Stellen aus bekannten Werken angeführt, bei denen die Bibel wieder obenan steht. V o n neueren Schriftstellern sind vertreten Wagner, Ibsen, Fechner, v. Gizycki, Hübbe-Schleiden und Karl Heckel, und dazu auch Nietzsche (S. 256), mit Zarathustra-Worten und dem „Mitternachtslied".

Uber die Zeit seiner Verlagsgründung und Niederlassung in Leipzig 1896 / 97 schreibt Eugen Diederichs: „Ibsen und Nietzsche hatten damals großen Einfluß auf mein Denken, ich verstand auch so gut das Anspringen Nietzsches gegen sein periodisches körperliches Versagen." 6 0 5

Sicherlich mit Bezug auf seine Gymnasialzeit auf dem humanistischen Leibnizgymnasium im Südosten Berlins, das er bis zur Reifeprüfung im Jahre 1897 besuchte, erzählte Hans Luther: „Unter dem, was ich wahrscheinlich viel zu zeitig zu lesen begann, stand Nietzsche an der Spitze. Ich habe ihm manche halbe Nacht geopfert. Ich bin ihm aber niemals verfallen, obwohl ich natürlich erst später den im Grunde genommen nicht heidnischen, sondern tief religiösen U n t e r t o n in ihm zu hören begann. Es wurde mir aber von meiner Schülerzeit an bewußt, wie vielerlei Wege die Menschen gegangen sind, u m einen Anschluß an die jenseitigen Dinge zu finden." 6 0 6

Uber den Einfluß Nietzsches auf die am Rande der Gesellschaft Stehenden, auf einsame, verlassene, deklassierte Menschen, schrieb Stephanus Fabijanovic. Daß er und sein Freund Maximilian Morocutti dem Anarchismus nahestanden, beweisen sowohl ihre eigenen Äußerungen wie auch ihre nähere Bekanntschaft mit „John" Most. Der Bosnier Fabijanovic war über London nach New York, wo er im November 1896 landete, ausgewandert. Ein 20jähriger, „organisierter Arbeiter" lernte er in Morocutti im Jahre 1897 einen Gleichgesinnten kennen. Neben Werken von Eduard von Hartmann, F.A.

605 E. D., Der deutsche Buchhandel der Gegenwart i. Selbstdarstellungen. Hg. v. G. Manz. 2. Bd., H. 1, S. 16; s. a. die Erwähnung Nietzsches in einem Brief an Ferd. Avenarius v. 22. 9. 1896 (in: E. D., Leben u. Werk. Ausgew. Briefe u. Aufzeichnungen hg. v. Lulu v. Strauß u. Torney-Diederichs. Diederichs. Jena (1936), S. 41); s. a. ebd., S. 54 f. (Eindruck vom kranken Nietzsche in Naumburg und Teilnahme an der Trauerfeier in Röcken), 123 f. (Brief an die Schwester v. 16. 1. 1905 betreffend einen Nietzsche-Auswahlband in der Reihe „Erzieher zu deutscher Bildung"), 133 ff. (über „Ecce homo", „das ich in der glücklichen Lage bin, leihweise in Abschrift in der Hand zu haben", an Fr. v. d. Leyen, 18. 4. 1906), 189, 215 (aus dem Jahre 1913: „Vor zirka 20 Jahren vertiefte Nietzsche durch die mit seinem Blut geschriebenen Prosa des Zarathustra das Sprachgefühl der deutschen Dichter, ja in uns allen."), 315, 361 (aus dem Jahre 1920: „Er - ein späterer Historiker - wird erkennen, daß ich den Verlag auf das Antäusgefühl, auf Friedrich Nietzsche aufbaute [...]"; DIEDERICHS, EUGEN (Lobnitz b. Naumburg 22. 6. 1867 - Jena 10. 9. 1930), Verlagsbuchhändler. 606 H. L., Politiker ohne Partei. Erinnerungen. DVA St. (1960), S. 14 f.; LUTHER, HANS (Berlin 10. 3. 1879 - Düsseldorf 11. 5. 1962), Verwaltungsjurist, im Jahre 1925 Reichskanzler.

1896 Zwei Verlassenen „eine ewig-große Hoffnung"

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Lange, Büchner, Hugo, Dostojewski, Karl Julius Weber, Lamenais, Giordano Bruno, Tolstoi, Zola, Kant, Dante, Tieck, M a l w i d a von „Meusenbug" und Gorki sind es vor allem die Gestalt und die W e r k e Nietzsches, die auf die beiden in den Jahren 1897-1905 einwirken. Es mögen drei Stellen A r t und Tiefe der Begegnung veranschaulichen: „Es mag schon die Möglichkeit vorhanden gewesen sein, daß Nietzsche gleich allen anderen großen Brandstiftern sich gewaltig vordrängte, um den Verzweifelnden alle Vorhänge der christlichen Kultur zu enthüllen, und so die Rolle des bewußten Fatalisten zu spielen, aber grundlegend war er doch zur selben Zeit, der große Künstler im Verzeichnen, wie Mut gefaßt werden sollte! Man bedenke nur, was er uns mit seinen Aufzeichnungen sagen wollte, in seinem Hauptwerk, wenn er seinen Liebling Zarathustra dreimal in Ohnmacht fallen läßt, ehe er sich auch nur zum Wort aufrafft!"607 „Es mag ja doch die Wahrheit sein, daß die vielen und nichtsdestoweniger akademischen Gegner von Nietzsches sich sammelnden Freischaren voller Ängste waren, aber als sie von seinem Tode hörten, da schmunzelten sie und rieben sich ihre feinen Hände. Nicht so bei uns zwei Verlassenen, denn wenn ich selbst auch nicht meinen Freund persönlich bei mir hatte, so kannte ich doch seine vorgefaßte Entschlossenheit für den weiteren und unerbittlichen Kampf für die schenkende Liebe!"608 „[...] die Schaltrichter, die da die gegenwärtige Kultur durch Bestechlichkeit aufrechterhalten, erzeugen viel niedrige Gesinnung, die Millionen von Auswurfsmenschen hervorbringt, damit auf eine gräßliche Entartung hinwirkend. Wir aber, die zwei Verlassenen, [...] fanden [...] die übrige Zeit, um mit dem großen Philosophen Friedrich Nietzsche zu plaudern, und damit verstopften wir uns die Ohren vor all den bösartigen Schaltrichtern. Hiermit wurde mir und meinem Freunde dieser erhabene Philosoph eine ewig-große Hoffnung in unserer deklassierten Lage. Und hätten wir nicht diese führende Macht des großen Philosophen besessen, so wäre es uns in diesem zwanzigsten Jahrhundert der Kultur der Christen wirklich sehr schlecht ergangen [...] Mittlerweile streuten wir natürlich unter hundertfachen Vermaskierungen den Samen der neuen Ansicht, ungeachtet dessen, ob wir von irgend jemanden das Recht dazu erhielten oder nicht."609 U b e r die Jahre 1896 / 97 auf der Universität Basel schreibt Carl Gustav Jung: „Nietzsche hatte schon für einige Zeit auf dem Programm gestanden, aber ich zögerte mit der Lektüre, da ich mich ungenügend vorbereitet fühlte. Nietzsche wurde damals viel diskutiert, aber meistens abgelehnt, am heftigsten von den .kompetenten' Philosophiestudenten, woraus ich meine Schlüsse auf die in höheren Sphären herrschenden Widerstände zog. Höchste Autorität war natürlich Jakob Burckhardt,

607 S. F., Zwei einsame Menschen und ihre Glückseligkeit. M. e. Geleitw. v. Alfred G. Sanftleben. Selbstvlg. Los Angeles (USA 1923), S. 32. 608 Ebd., S. 36. 609 Ebd., S. 82.

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1896 Carl Gustav Jung: „Ich war restlos begeistert"

von dem verschiedene kritische Äußerungen in bezug auf Nietzsche kolportiert wurden. Zudem gab es einige Leute, die Nietzsche persönlich gekannt hatten und darum im Stande waren, allerhand Curiosa nicht gerade sympathischer Art über ihn zu berichten. Meistens hatten sie auch nichts von ihm gelesen und hielten sich dementsprechend bei äußerlichen Mißverständlichkeiten auf, z. B. bei seiner .gentleman'-Spielerei, seiner Manier, Klavier zu spielen, seinen stilistischen Ubertriebenheiten, lauter Eigentümlichkeiten, die dem Basler von damals auf die Nerven gehen mußten. Diese Dinge dienten mir nun allerdings nicht zum Vorwand, die Nietzsche-Lektüre hinauszuschieben - im Gegenteil, sie waren für mich der stärkste Anlaß gewesen - , sondern es war eine geheime Angst, ich könnte ihm vielleicht ähnlich sein, wenigstens in dem Punkte des .Geheimnisses', das ihn in seiner Umwelt isolierte. Vielleicht, wer weiß, hatte er innere Erlebnisse gehabt, Einsichten, worüber er unglücklicherweise reden wollte und von niemandem verstanden wurde? Offenbar war er eine Ausgefallenheit, oder galt wenigstens als eine solche, als ein Jusus naturae, was ich unter keinen Umständen sein wollte. Ich fürchtete mich vor der möglichen Erkenntnis, daß ich wie Nietzsche .Auch einer' war. Natürlich - si parva componere magnis licet - war er ja ein Professor, hatte Bücher geschrieben, also traumhafte Höhen erreicht; er kam zwar auch aus einem Theologenhause, aber in dem großen und weiten Deutschland, das sich bis zum Meer ausdehnte, während ich nur ein Schweizer war und aus einem kleinen Grenzdörfchen stammte. Er sprach ein geschliffenes Hochdeutsch, kannte Latein und Griechisch, vielleicht auch Französisch, Italienisch und Spanisch, während ich nur über WaggisBaseldeutsch mit einiger Sicherheit verfügte. Er, im Besitze all dieser Herrlichkeiten, konnte sich schließlich eine gewisse Ausgefallenheit leisten, aber ich durfte nicht wissen, inwiefern ich selber ihm ähnlich sein könnte. Trotz meiner Befürchtungen war ich neugierig und entschloß mich, ihn zu lesen. Es waren die .Unzeitgemäßen Betrachtungen', die mir zunächst in die Hände fielen. Ich war restlos begeistert, und bald las ich auch .Also sprach Zarathustra'. Das war, wie Goethes,Faust', mein stärkstes Erlebnis. Zarathustra war der Faust Nietzsches, und Nr. 2 war mein Zarathustra, allerdings mit der angemessenen Distanz des Maulwurfhügels vom Montblanc; und Zarathustra war - das stand mir fest morbid. War Nr. 2 auch krankhaft? Diese Möglichkeit versetzte mich in einen Schrecken, den ich lange Zeit nicht wahrhaben wollte, der mich aber trotzdem in Atem hielt und sich immer wieder zu ungelegener Zeit meldete und mich zum Nachdenken über mich selber zwang. Nietzsche hatte sein Nr. 2 erst später in seinem Leben entdeckt, nach der Lebensmitte, während ich Nr. 2 schon seit früher Jugend kannte. Nietzsche hat naiv und unvorsichtigerweise von diesem Arrheton, dem nicht zu Nennenden, gesprochen, wie wenn alles in Ordnung wäre. Ich aber habe sehr bald gesehen, daß man damit schlechte Erfahrungen macht. Er war aber andererseits so genial, daß er schon in jungen Jahren als Professor nach Basel kam, nichts ahnend von dem, was ihm bevorstand. Gerade vermöge seiner Genialität hätte er doch beizeiten merken müssen, daß etwas nicht stimmte. Das also, dachte ich, war sein krankhaftes Mißverständnis: daß er Nr. 2 ungescheut und ahnungslos herausließ auf eine Welt, die von dergleichen Dingen nichts wußte und nichts verstand. Er war von der kindischen Hoffnung beseelt, Menschen zu finden, die seine Ekstase mitfühlen und die .Umwertung aller Werte' verstehen könnten. Er fand

1896 „Er kannte sich nicht aus in dieser Welt [...] und war darum ein Besessener"

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aber nur Bildungsphilister, ja tragikomischerweise war er selber einer, der, wie alle anderen, sich selber nicht verstand, als er in das Mysterium und das Nichtzusagende fiel und dies einer stumpfen, von allen Göttern verlassenen Menge anpreisen wollte. Daher die Aufschwellung der Sprache, die sich übersteigenden Metaphern, die hymnische Begeisterung, die vergebens versuchte, sich dieser Welt, die sich dem zusammenhanglosen Wissenswerten verschrieben hatte, vernehmbar zu machen. U n d er fiel - dieser Seiltänzer - sogar noch über sich selbst hinaus. E r kannte sich nicht aus in dieser Welt - ,dans ce meilleur des mondes possibles' - und war darum ein Besessener, einer, der von seiner U m w e l t nur mit peinlicher Vorsicht umgangen werden konnte. U n t e r meinen Freunden und Bekannten wußte ich nur zwei, die sich offen zu Nietzsche bekannten, beide homosexuell. Der eine endete mit Selbstmord, der andere verkam als unverstandenes Genie. Alle anderen standen v o r dem Phänomen Zarathustra nicht etwa fassungslos, sondern waren schlechthin immun. W i e mir der .Faust' eine Türe öffnete, so schlug mit .Zarathustra' eine zu, und dies gründlich und auf lange Zeit hinaus." 610

610 C. G. J., Erinnerungen, Träume, Gedanken. Aufgezeichnet u. hg. v. Aniela Jaffé. Rascher Vlg. Zür. u. St. 1962, S. 108 ff.; s. a. ebd., S. 79, 157 ff. (1910: Freud und Adler in ihrem Verhältnis zu Nietzsche), 193 (1916), 238. Jungs zwiespältiges Verhältnis zu Nietzsche läßt sich anhand brieflicher Äußerungen vielleicht noch etwas verdeutlichen: an Freud schreibt er am 25. 12. 09 / 31. 12. 09: „Von Dionysos möchte ich Ihnen gerne vieles sagen, wenn es für einen Brief nicht zuviel wäre, Nietzsche scheint davon sehr viel geahnt zu haben." (C. G. J. Briefe. Hg. v. A. Jaffé u. G. Adler. I. Bd. Walter-Vlg. Ölten u. Freiburg i. Br. (1972), S. 35); an Hermann Graf Keyserling am 2. 1. 1928: „Ich habe Nietzsches amor fati verehren müssen, bis es mir zu dick kam; dann baute ich ein kleines Haus weit draußen in der Nähe der Berge und setzte, in Stein gemeißelt, eine kleine Inschrift in die Mauer: Philemonis sacrum Fausti poenitentia, und .desidentifizierte' mich von dem lieben Gott." (S. 72); an denselben am 12. 5. 1928: „Auch bei Nietzsche kann man nie lachen. Das Gelächter der Entfremdung steckt nicht an." (S. 74); an Walter Robert Corti am 30. 4. 1929: „.Überentwicklung der intellektuellen Intuition' ist eine Diagnose, die ich auch von Schopenhauer und Nietzsche und vielen andern machen würde." (S. 91); an Arnold Künzli am 28. 2. 1943: „Ein Kapitel einer zukünftigen kritischen Philosophie wird betitelt sein: ,Die Psychopathologie der Philosophie'. Hegel zerbirst von Anmaßung und Eitelkeit, Nietzsche trieft von geschändeter Sexualität usw." (S. 410); an Willi Bremi am 11. 12. 1953: „Ich kann es leider nur als peinlich empfinden, daß Schweitzer die Antwort auf das katastrophale Ergebnis seiner .Geschichte der Leben-Jesu-Forschung' darin fand, daß er auf die cura animarum in Europa verzichtete und dafür ein weißer Heiland bei den Negern wurde. Eine fatale Analogie mit Nietzsche drängt sich auf: .Gott ist tot', und der Ubermensch ist erstanden, ganz nach der Regel, daß die Menschen, welche die Götter verwerfen, selbst zu Göttern werden [...]" (Bd. II, S. 361); an H. E. Bowman am 18. 6. 1958: Uber den „Zarathustra" als einen mißlungenen Versuch zur Wiederentdeckung des „Selbst"; er sei „ein Meteor" geblieben, „der die Erde nie erreichte, da die coniunctio oppositorum nicht stattfand und auch nicht stattfinden konnte". (Bd. III, 1973, S. 195); an J. F. Rychlak am 27. 4. 1959: „Unter den Philosophen waren es vor allem Plato, Kant, Schopenhauer, Ed. v. Hartmann und Nietzsche, die meine Bildung beeinflußten." (S. 246); an Margaret Sittler am 29. 3. 1960 gesteht er seine Unkenntnis der englischen Literatur und meint: „Was die Problematik anbelangt, so haben mir .Faust' und Nietzsche sehr viel mehr zu tun gegeben, als was ich von englischer Literatur wußte." (S. 192); an A. W. Rudolph, der an einer Doktorarbeit über Nietzsches Einfluß auf das Denken von C. G. Jung schrieb, am 5. 1. 1961: „Ein ausführlicher Be-

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1897 Wieder in die Literaturgeschichte aufgenommen

I m J a h r e 1897 w i r d Nietzsche wieder der A u f n a h m e in umfassendere literaturgeschichtliche W e r k e würdig: 550 Vogt, Prof. Dr. Friedrich u. Prof. Dr. Max Koch, 611 Geschichte der Deutschen Litteratur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Bibl. Inst. Lpz. u. Wien 1897. Erwähnt wird Nietzsche im letzten Abschnitt: Die jüngste Dichtung, S. 749: „Die naturwissenschaftlichen Lehren sind allmählich durch unzählige Kanäle auch in den Vorstellungskreis der breitesten Volksschichten geleitet worden, während die Gebildeten von Schopenhauer zu Eduard von Hartmanns,Philosophie des Unbewußten' (1869) übergingen, um dann von Friedrich Nietzsche (geboren 1844 zu Naumburg) Jenseits von Gut und Bös' die Umwertung aller bisher geltenden sittlichen Werte, das Recht der Herrenmoral des Ubermenschen zu lernen (,Also sprach Zarathustra', 1883-1891)." Sonst streift der Verfasser nur noch Nietzsches Einfluß auf Sudermanns „Glück im Winkel" (S. 756). 550a Dass. 2., neubearb. u. verm. Aufl. 2. Bd.: Die neuere Zeit. V o m 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Von Prof. Dr. Max Koch. 1904, S. 492 f. Etwas über eine halbe Seite wird nun dem „um jeden Preis nach Aufsehen erregenden neuen Anschauungen Hastenden" gewidmet, doch: „[...] so groß sein Einfluß auf die Jugend und Literatur ist, so verderblich zeigt sich die schwerlich lang

rieht über den Einfluß von Nietzsches Gedanken auf meine eigene Entwicklung wäre für mich eine zu anspruchsvolle Aufgabe. Meine Jugend verbrachte ich in der Stadt, wo Nietzsche als Professor der klassischen Philologie gelebt hatte; so wuchs ich in einer Atmosphäre auf, die noch unter der Wucht seiner Lehre vibrierte, obwohl sein Angriff meist auf Widerstand gestoßen war. Ich konnte mich dem Eindruck seiner echten Inspiration (.Ergriffenheit') nicht entziehen. Er war aufrichtig, was von so manchen akademischen Lehrern, denen Karriere und Prestige unendlich viel mehr bedeuten als Wahrheit, nicht behauptet werden kann. Was mich am meisten beeindruckte, war seine Begegnung mit Zarathustra und dann seine .religiöse' Kritik, die der Leidenschaft als echtem Motiv des Philosophierens einen Platz in der Philosophie zuweist. Die .Unzeitgemäßen Betrachtungen' öffneten mir die Augen, weniger die .Genealogie der Moral' oder seine Idee der .ewigen Wiederkehr' aller Dinge. Sein alles durchdringendes psychologisches Urteil gab mir eine tiefe Einsicht in das, was Psychologie zu leisten vermag. Alles in allem war Nietzsche für mich der einzige Mensch jener Zeit, der mir einige adäquate Antworten auf gewisse, damals mehr gefühlte als gedachte, dringende Fragen erteilte. Max Stirner, den ich zu gleicher Zeit las, machte mir den Eindruck eines Mannes, der eine unendlich bedeutsame Wahrheit mit ungeeigneten Mitteln auszudrücken suchte. Verglichen mit Stirners Werk erschien mir die Gestalt des Zarathustra als die gültigere Aussage." (S. 370 f.); nicht enthalten ist ein Brief an Freud v. 3. 3. 1912, in dem Jung Worte aus dem ersten Teil des „Zarathustra" anführt, um seine mögliche „Ketzerei" Freud gegenüber zu rechtfertigen (Jung / Freud Briefwechsel. Hg. v. W. McGuire u. W. Sauerländer. S. Fischer. Ffm. 1974, S. 544); s. a. Paul Bishop, „The Dionysian Self. C. G. Jung's Reception of Friedrich Nietzsche." (= Monographien u. Texte z. Nietzsche-Forschung. Bd. 30). de Gruyter. Bln., New York 1995; JUNG, CARL GUSTAV (Keßwil 26. 7. 1875 - Küsnacht 6. 6. 1961), Psychiater und Psychologe, Dr. med. 1902, hauptsächlich in Zürich und Basel tätig 611 KOCH, MAX (München 22. 12. 1855 - Breslau 19. 12. 1931), Literaturwissenschaftler, seit 1890 Professor in Breslau, 1924 emeritiert.

1897 Otto v. Leixner: eine „Mischnatur von Dichter und Denker, die im Kerne krankte" 4 3 1

andauernde Vorherrschaft der in blendenden Trugschlüssen und Sucht nach Paradoxen sich überstürzenden Philosophie Nietzsches." 550b Dass. 3., neubearb. u. erw. Aufl. 1910, S. 522 Nietzsche wird nun mehrmals (s. Namenverzeichnis) erwähnt, doch bleibt die Hauptstelle unverändert. Nietzscheschen Einfluß findet Verfasser bei Conrad, Sudermann, Spitteier und Schnitzler. 550c Dass. 4., neubearb. u. verm. Aufl. 3. Bd.: Neuere und neueste Zeit. Von der weimarischen Blütezeit bis zur Gegenwart. 1920, S. 230 f. Im wesentlichen unverändert; zu den unter Nietzscheschem Einfluß Stehenden werden noch Hermann Burte (S. 310) und Gött (S. 322, 347 f.) hinzugerechnet. 550d Die Deutsche Literatur vom Naturalismus bis zur Literatur des Unwirklichen von Paul Fechter. Bibl.Inst. Lpz. (1938 = 3. Bd. d. 5. Aufl. d. „Geschichte der Deutschen Literatur" von Vogt u. Koch). Verfasser betont immer wieder die Nähe zur Romantik: Die Lehre vom Ubermenschen sei, wie der Sozialismus, „Romantik mit umgekehrtem, der Zukunft zugewandtem Vorzeichen" (S. 5); Ein „Spielhagen-Nachklang, Romantik des bürgerlich verklingenden Jungen Deutschlands, das mit seinen genialen Revolutionären und geistvollen adligen Reisenden Nietzsche und den Ubermenschen vorbereiten half". (S. 90); Nietzsche als Romantiker der einzige echte Erbe „der Schlegels" (S. 321); „Die Jenaer Romantik war die Keimzelle des modernen, isolierten Individualismus, der nicht umsonst in Nietzsche gipfelte [...]" (S. 322). An drei Stellen unterstreicht er das Rauschhafte „der Nietzsche-, Wagner- und Makartzeit". (S. 85, 126 u. 254). Nietzsche ist ihm das größte Opfer des Dualismus des 19. Jahrhunderts und George dessen „erster Überwinder" (S. 249) „er verwirklichte bereits in seinem Leben den Willen zur Macht, den der Zarathustra-Dichter im Wesentlichen theoretisch betont hatte." (S. 299) „viel mehr als Nietzsche" habe George das neue Sprachgewissen, die Waage, auf der die Worte gewogen werden" geschaffen (S. 256) Eine deutlichere Abneigung drückt sich in der Kennzeichnung des Willens zur Macht als das, hinter dem „Nietzsche die Schwäche seines Wesens" berge, aus. - „Sein heimliches Ideal neben dem Heroischen ist das Punkt-Ich, das zeitlose des impressionistischen Moments, für dessen gestrige Äußerungen das heutige Ich schon keine Verantwortung mehr trägt." (S. 32) Uber das Verhältnis von Schlaf, Conradi, Przybyszewski, G. Hauptmann, Sudermann, Halbe, der „zu den wenigen Autoren seiner Generation" gehöre, „die dem Zarathustra die Gefolgschaft versagt haben", Hartleben, Dehmel, Liliencron, Gustav Falke, Wedekind, Gött und Paul Ernst, einen gefährlichen „Gegenspieler", zu Nietzsche wie auch sonst s. das Namenverzeichnis. Eine ausgesprochen Nietzsche allein gewidmete Darstellung gibt es in dieser Auflage nicht mehr. 551 Leixner, Otto von,612 Geschichte der Deutschen Litteratur. 4., verm. u. verbess. Aufl. 2. Tl. O. Spamer. Lpz. 1897. Im letzten, 48. Abschnitt: Ein Versuch. (Die Zeit von 1880 bis 1896), wird Nietzsche mit sechs Zeilen, als „Mischnatur von Dichter und Denker, die im Kerne krankte", abgetan. Doch begrüßt der Verfasser „die Wendung zum Idealanarchis-

612 LEIXNER VON GRÜNBERG, OTTO (Schloß Saar / Mähren 24. 4. 1847 - Großlichterfelde b. Berlin 12. 4. 1907), Kritiker und Literaturhistoriker.

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1897 Carl Vollmoeller: „der consequenteste, unerschrockenste Denker aller Zeiten"

mus, trotzdem dieser auch ein Irrtum ist und in der Fassung Nietzsches viel Unheil in unreifen Köpfen anrichtet [...] Er wirkt als Gegengift gegen die Uberspannung der Sozialdemokratie und wird helfen den berechtigten Individualismus umzugestalten, der innerhalb der Gemeinsamkeit sich zu behaupten vermag." (S. 1029) 551a Dass. 7., m. d. 6. gleichlautende Aufl. 1906. Die Behandlung Nietzsches ist um eine Zeile angewachsen, ohne daß sich aber die Einstellung des Verfassers geändert hätte. (S. 1032 f.) 551b Dass. in achter Aufl. neu bearb. u. bis z. Gegenwart fortgeführt v. Dr. Ernst Friedlaender. 1910. Als „Prophet" des Individualismus werden Nietzsche und seiner Wirkung jetzt über 13 Seiten (S. 865-879) gewidmet. Betont zunächst die verheerende Wirkung auf die Jugend „um die Wende des 9. Jahrzehnts des vorigen Jahrhunderts", da „seit jener Zeit [...] die Bewegung in ruhigere Bahnen eingelenkt" sei. Nach verhältnismäßig eingehender Darstellung des Lebens werden das Verhältnis zum Christentum („Je mehr Nietzsche das Kreuz mit Schmutz bewirft, eine um so größere Anziehungskraft übt es auf den Rasenden aus."), die „im engsten Zusammenhange" damit stehende „Herren- und Sklavenmoral", die Stellung als „Kulturkritiker" sowohl „der europäischen Kultur im allgemeinen" als auch „der deutschen im besonderen", der Schöpfer des Ubermenschen (er habe nicht erkannt, „daß der Nazarener den Ubermenschen kraft seines Gemütes bereits gelebt hatte"), die Stellung zur „sozialen Frage" („Mit ihr weiß er gar nichts anzufangen.") und zur Frau (er habe für die Frau wenig übrig gehabt, „und zwar aus dem einfachen Grunde, weil er sie zu oberflächlich kannte") dargestellt und beurteilt. Erst dem „Ästhetiker" verdanke „seine Zeit so manche wertvolle Anregung", hier seien seine Äußerungen die „einer feinbesaiteten Künstlerseele". „In seinen didaktischen Schriften schuf er mustergültige Kunstwerke für den Stil, wobei er die Sprache beherrschte wie kaum jemand zuvor." Ihm gegenüber stehen als „erklärte Gegner" Männer wie Paul Heyse, Adolf Wilbrandt und Otto Leixner und aus dem jungen Geschlecht solche wie Johannes Schlaf, dessen Gedankenreihen „unbedingte Beachtung" verdienen. S. a. Abschnitt 6: Neue Lyrik und Heimatkunst, S. 981 f., wo Nietzsche als Dichter, dessen Lyrik „uneingeschränktes Lob" verdiene, Erwähnung findet. Auf S. 1071 werden einige Werke über ihn angeführt. Im selben Jahr verglich Carl Gustav Vollmoeller in einem knappen Umriß Sturm und Drang und „Jüngstdeutschland": „Und was die großen Persönlichkeiten anbelangt - in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts treffen wir Richard Wagner, der Gründer des Reichs ist eine Persönlichkeit, die das ganze Ende des Jahrhunderts beherrscht: Bismarck, - und der Philosoph der Zeit und der Zukunft ist Friedrich Nietzsche, der Prediger des Individualismus, der Typus und Prophet des .neuen Menschen', der consequenteste, unerschrockenste Denker aller Zeiten und dabei einer der ausgeprägtesten Charactere in der Geschichte der Menschheit. - Seine Person ist es auch, die auf die bedeutungsvolle Strömung hinweist, welche sich in den letzten Jahren ,neben und im Gegensatz zum Realismus' in der Malerei, ebenso in der Philosophie und zuletzt auch in

1897 Otto Stock: Ein „Gemisch von [...] Naivität und [...] Prätension"

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der Dichtung bemerkbar zu machen beginnt. Das Schlagwort dafür ist schon gefunden; - es heißt: ,Neu-Idealismus'."613 552 Stock, Otto (Eldena b. Greifswald),614 (ZPhK 109. Bd., 1897, H. 1, S. 147150). Besprechung des Werkes von Ludw. Stein (Nr. 256a), das „alles Wesentliche" sage, das über Nietzsche zu sagen sei: „Die erkenntnistheoretischen Ansichten Nietzsches werden in ihrer ganzen Dürftigkeit und Dilettantenhaftigkeit bloßgestellt; seine sociologischen Aufstellungen, die negativ kritischen sowohl wie die positiv aufbauenden, werden mit spielender Leichtigkeit gepflückt. Das eigentümliche Gemisch von philosophischer Naivität und prophetenhafter Prätension, von bedeutender poetischer Begabung und wissenschaftlicher Unzulänglichkeit ist in einer Weise gekennzeichnet, die hoffentlich auch manchem Verehrer Nietzsches die Augen öffnen wird." Besprecher vermißt aber eine deutlichere Hervorkehrung der Sophistik als Parallele zu Nietzsche: „Hier herrscht jener schroffe Individualismus, erkenntnistheoretisch wie ethisch, den die Cyniker wenigstens ethisch nicht kennen." Auch habe Stein die Würdigung des Denkers als eine „negative entschiedener hervortreten" lassen sollen, „statt durch allzu ängstliche Rücksichtnahme auf die Sentimentalität der Nietzsches-Gemeinde alles Rückgrat zu verlieren". 553 Kirchner, Lic. Dr. Friedr. (Prof. a. Kgl. Realgymn. z. Bln.), Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. R. Salinger. Bln. 1897. 3. verbess. u. verm. Aufl. (= Philos. Bibl. oder Slg. d. Hauptwerke d. Philos, alter u. neuer Zeit. Bd. 94). Erwähnung erfährt Nietzsche unter den Stichwörtern: Antimoralismus (S. 31; „praktische Unsittlichkeit. So F. Nietzsches Buch Jenseits von Gut und Böse' 1886"); Moralprinzip (254; „F. Nietzsche lehrt: Nichts ist wahr, alles ist erlaubt! Leiden bereitet Lust, Leiden zufügen noch größere."); paradox (287; „F. Nietzsche liebt es, den Leser durch paradoxe Sätze zu fesseln"); philosophische Schreibart (301; als einer von denen, die „sich eines verständlichen, ja oft klassischen Stils befleißigt haben"); Schadenfreude (361; „Der Antimoralist Nietzsche lobt sie."); Sklavenmoral (408); Stil (424; als einer von denen, die sich „durch guten Stil" auszeichnen); subjectiv (428; den „praktischen" Subjektivismus vertreten „die Egoisten (Stirner, Nietzsche)."). 553a Dass. 4. neubearb. Aufl. v. Dr. Carl Michaelis. Dürr. Lpz. 1903. (= Philos. Bibl. Bd. 67). Antimoralismus (S. 39; „Nietzsches Herrenmoral nichts weiter als systematischer Antimoralismus"); Atheismus (53; Nietzsches System als „entschieden atheistisch"); Ethik (162 f.; „mit Jenseits von Gut und Böse beginnt keine neue Ethik, sondern hört die Ethik einfach auf"); Moralprinzip (313 f.); paradox (349); philosophische Schreibart (363); Schadenfreude (430); Sklavenmoral (478; „sie findet ihre theore-

613 Die Sturm- und Drangperiode und der moderne deutsche Realismus. Ein Vortrag. Herrn. Walther. Bln. 1897, S. 48 f.; VOLLMOELLER, CARL GUSTAV (Stuttgart 7. 5. 1878 - Los Angeles / USA 18. 10. 1948), Schriftsteller. 614 STOCK, OTTO, geb. 1867, promovierte 1888 zu Greifswald, danach Privatdozent ebendort.

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1897 Otto Ritsehl: Der Atheismus: „das einzige constante Element"

tische Verteidiger nur bei denen, die das absolut Neue dem Gesunden vorziehen"); Stil (495). 553b Dass. 5. Aufl. Neubearbeitung. 1907. Antimoralismus (49); Atheismus (71); Ethik (194); Mitleid (364; „Nach Nietzsche taugt das Mitleid gar nichts."); Moralprinzip (375); paradox (418); philosophische Schreibart (439); Schadenfreude (521); Sklavenmoral (582); Sollen (584; „Nietzsche leugnet, daß ein Sollen überhaupt vorhanden und auf irgend eine Weise begründet sei."); Stil (601); Ubermensch (657; „Nietzsche sieht in der Züchtung des Ubermenschen das Endziel der menschheitlichen Entwicklung [...] Es ist eins der Modewörter der Modernen geworden."). 553c Dass. 6. Aufl. Dritte Neubearbeitung. F. Meiner 1911. Antimoralismus (71); Atheismus (102); Ethik (279 f.); Mitleid (579); Moralprinzip (595); paradox (666 f.); philosophische Schreibart (702; „[...] ja oft vollendet klaren und schönen Stils befleißigt haben"); Schadenfreude (833); Skepsis (916, 919; „In neuester Zeit macht sich, durch Nietzsche angeregt und durch die Zeitverhältnisse befördert, besonders stark der ethische Skeptizismus geltend, der viele Kreise anzieht, aber nicht besser begründet ist als der erkenntnistheoretische Skeptizismus."), Sklavenmoral (920); Sollen (922); Stil (949); subjektiv (957); Übermensch (1032; die Darstellung von siebenfachem Umfang und entschieden geneigter). 554 Gizycki, Dr. Paul von,615 Vom Baume der Erkenntnis. Fragmente zur Ethik und Psychologie aus der Weltlitteratur, gesammelt u. hg. Bd. I: Grundprobleme; II: Das Weib; III: Gut und Böse. Ferd. Dümmler. Bln. 1897-1900. 1898 erschien der erste Band in zweiter Auflage, und auf diese beziehen sich die betreffenden Angaben. Mit Stellen aus „Menschliches" (8), „Jenseits" (4) und „Zarathustra" (2) gesellt sich Nietzsche in dem ersten Band des umfangreichen Werkes zu den häufiger angeführten Schriftstellern. Im zweiten Band steht nur die Peitschengeschichte aus dem „Zarathustra", im dritten aber sind nur Emerson und Goethe häufiger vertreten. Er enthält Stellen aus „Menschliches" (18), „Jenseits" (6), „Zarathustra" (1) und der „Genealogie"(l) sowie eine aus einem Brief an Malwida von Meysenbug. 555 Ritsehl, Otto D. theol. (a.-o. Prof. d. Theologie in Bonn),616 Nietzsches Weltund Lebensanschauung in ihrer Entstehung und Entwicklung dargestellt und beurteilt. J. C. B. Mohr. Freiburg i. Br„ Lpz. 1897. vi, 58 S. Verfasser läßt Nietzsche auf den ersten 46 Seiten selber zu Worte kommen, um darzutun, daß es drei Perioden in dessen Entwicklung gegeben habe: „[...] aus den atheistischen Voraussetzungen, die er von Schopenhauer mitgebracht hat", sei ein „überspannter Intellectualismus" hervorgewachsen, der sich zersetzt habe und in einen „instinctivistischen Standpunkt" übergegangen sei. „Das einzige constante Element in allen drei Perioden" sei der Atheismus gewesen. Durch „die Discrepanz zwischen Theorie und Praxis" aber sei es „überhaupt fraglich", ob Nietzsches Sa-

615 GIZYCKI, PAUL VON (Schloppe 22. 5. 1856 - 28. 3. 1908), philosophischer Schriftsteller. 616 RITSCHL, OTTO (Bonn 26. 6. 1860 - ebd. 28. 9. 1944), evangelischer Theologe, Sohn Albrecht Ritschis, 1889-1894 Professor in Kiel, darauf in Bonn.

1897 M. Joh. P. Lucchesi: ...Stirners Einziger eine Anticipation des Übermenschen"

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che, „wenn sie erst einmal den Reiz der Neuheit verloren hat, ein wesentlich größerer Erfolg bevorsteht, als derjenige Schopenhauers". 555a Dass. (ord. Prof. d. Theologie in Bonn), 2. Aufl. Freiburg i. Br. 1899. 2 B1L, 107 S. Die Seiten 1-7 (= 1-5 d.i.Aufl.) sind etwas umgeschrieben, die Seiten 76-107 (= 4658 d. 1. Aufl.) dagegen neugeschrieben. Am Anfang wie am Ende wird nun angesichts des inzwischen erschienenen zweiten Bandes (1. Abt., Nr. 547) der Lebensbeschreibung der Schwester das Persönliche mehr hervorgehoben und der Verfasser stellt nun fest, daß von den Hauptgedanken Nietzsches „doch nur das Ideal der geistigen Vornehmheit und Tapferkeit [...] als ein wirklicher, weil lebendiger Werth bestehen" bleibe. Während in der Erstauflage sich lediglich ein Hinweis auf die Schrift von Stein (Nr. 256a) befand, werden nun die Schriften von Tönnies (Nr. 567), Kaftan (Nr. 580) und Riehl (Nr. 610) gelobt. 556 Mumm, Reinhard (Düsseldorf),617 Nietzsche und der Nationalismus im Kyffhäuserbund. (ABl 11. Jg., 1896 / 97, S. 238 f., 255 ff.). Verfasser lehnt Nietzsche aus „deutschnationaler" sowie „christlicher" Sicht ab, läßt ihn aber dennoch zum Schluß als „Tod der herrschenden, flachen moralistischen Richtung [...], die an christlicher Ethik unter Verwerfung christlichen Glaubens festhalten will", gelten. 557 Sehuster, L., Nietzsche's Moralphilosophie. Litterar. Büro. Rheinbach b. Bonn 1897. 16 S. „Den innersten Kern" von Nietzsches Moralphilosophie findet Verfasser in der „Lehre von der Umwertung aller Werte", sein „letzter Zweck ist die Züchtung des Ubermenschen". Da aber weder die Umwertung noch der Übermensch dem Verstand Rechnung tragen, „kann Nietzsche's Lehre immer nur als eine Möglichkeit unter anderen Möglichkeiten gelten": „[...] der Glanz und der Reichtum des Stiles sind ihm eigen. Aber der Philosoph kann weder unsern Verstand überzeugen, noch unsere Vernunft zu sich hinüberlocken." Vorläufer findet Verfasser in Rousseau und Diogenes; als Künstler sei er Klinger verwandt. „Dem weitgehenden Interesse an den Gedanken Friedrich Nietzsches" verdankte 1897 die erste „eingehendere Darstellung und Beurteilung" der Gedanken von Max Stirner und zugleich die erste, der Universität Leipzig vorgelegte Doktorarbeit 618 über diesen ihre Entstehung. Darin heißt es u. a.: „Beider Weltanschauungen stehen in unversöhnlichem Gegensatz zum Christentum wie zu den herrschenden Zeitrichtungen überhaupt, beide sind Vertreter eines absoluten Individualismus [...] in der That ist Stirner ein Nietzsche vor Nietzsche, wobei der poetische Philosoph des Ubermenschen seinen nüchternen Vorgänger

617 MUMM, REINHARD (Düsseldorf 25. 7. 1873 - Berlin 25. 8. 1932), evangelischer Pfarrer, seit 1900 Herausgeber der „Kirchlich-sozialen Blätter", Anhänger Adolf Stoeckers, 1912-1932 christlich-soziales Mitglied des Reichstages. 618 Die Individualitätsphilosophie Max Stirners. Aug. Hoffmann. Lpz.-Reudnitz. 102 S.; LUCCHESI, MATTEO JOHANNES PAUL, geb. am 22. 10. 1869 zu Dresden, seit Juli 1896 dritter Diakonus an der Dresdener Trinitatiskirche.

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1897 Karl Bleibtreu: er lebe „vollkommen im Wolkenkukuksheim"

nicht notwendig gekannt zu haben braucht [...] Stirners Einziger ist eine Anticipation des Ubermenschen im Zarathustra." Seine Betonung der Macht nehme, „was Nietzsche mit seinem .Willen zur Macht' meint", voraus. „Nietzsches Herren- und Sklavenmoral findet sich vorgebildet bereits bei Stirner." Verfasser verzichtet aber zuletzt auf einen weiteren Vergleich, bei dem „sich manche Verschiedenheiten zeigen würden". Es solle genügen, „auf die Verwandtschaft der beiden hinzuweisen, als beredte Zeichen der Zeit, in der die Schlagwörter das Denken so oft regieren". 558 Bleibtreu, Karl, Byron der Ubermensch, sein Leben und sein Dichten. Herrn. Costenoble. Jena (1897). 2 B1L, 263 S. Der Uberschrift wegen fühlt sich der Verfasser verpflichtet, sich mit der „Nietzsche'schen Phrase vom .Ubermenschen'" (S. 2) auseinanderzusetzen. Dies tut er aber erst auf S. 137 ff., nachdem er verschiedentlich auf die „aphoristische Geistreichigkeit" des „poetisirenden Philosophen" (S. 74), den „baaren Widersinn der Nietzsche'schen verrückten Verbrechertheorie seines .Ubermenschen'" (S. 90) und seine „verehrte Ubermenschenbestie"(S. 103) hingewiesen hat. „Sein [d. i. Byrons] dämonischer Kraftüberschuß, sein im Selbstgenuß schwelgender Urwille, den nur kindisches Unverständniß mit blasirter Zerrissenheit verwechseln kann, fand lange vor Nietzsche das Jenseits von Gut und Böse. Aber es ist Nietzsche aus einem dichterisch angehauchten Denker in einen denkenden Dichter übersetzt und aus einem deutschen Philologen in einen englischen Lord." Nietzsche lebe „trotz all' seiner Betonung realistischer Lebensanschauung dennoch vollkommen im Wolkenkukuksheim". Zum Schluß stimmt er Byron zu, daß Christus der Übermensch sei: „Dieser Gott-Mensch ist der Ubermensch, nicht die Nietzsche'sehe Bestie." (S. 248) 619 559 anonym, Die Gefahr Nietzsche. (EKA 48. Jg., 1897, S. 244 f.). Bringt unter dieser Uberschrift die Gedanken eines Pastor Neidhardt, die dieser „kürzlich in einem Vortrag in Hamburg" entwickelt habe. Sie zielen eher auf die „Nietzscheaner" als auf den Denker selber: „Die heute Nietzsche zujubeln, sind nicht erst durch ihn krank geworden, sondern sie standen schon nicht mehr auf gesunden Füßen, als sie zu ihm kamen. Wenn Nietzsches Philosophie ihnen den Todesstoß giebt, so erfüllt sie doch vielleicht noch eine Mission als Sturmwind, der den Baum des Lebens schüttelt, um die kranken, faulenden Früchte abzuwerfen." 559a Ein ähnlicher Bericht, ohne Überschrift, auch in H N Nr. 9 v. 12. 1. 1897.

619 S. a. sein Napoleon-Drama: Der Übermensch. Charakterbild in fünf Akten. Als Bühnenmanuskript bei A. Entsch. Bln. 1896. 123 S. In der einleitenden „Historischen Bemerkung" heißt es u. a.: „Nur heutige Napoleonforscher gewannen ein wahres Bild des großen Ubermenschen, des Einzigen, der diesen Nietzsche-Titel verdient, da in ihm das Höchste und Niedrigste sich komisch paarte [...] Wir wollen den Ubermenschen in seiner Realität sehen, aus unverfälschten Einzelzügen des allzu Menschlichen das große Gesammtbild zusammensetzen [...] Ungeschwächt muß das Grundmotiv festgehalten werden, daß der Ubermensch - nicht als erotischer Sklave des Weibes, aber in rätselhafter Verknüpfung Josefines mit seinem ,Stern' und .Schicksal' - durch das Weib emporkam und am Weibe unterging." Es handelt sich bei dem Werk um eine Neugestaltung des unter dem Titel „Schicksal" (1886) und „Napoleon" erschienenen Dramas.

1897 Paul Weisengriin: er sei „höchstens fähig, mit Vollendung Selbstanalyse zu treiben"

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559b Mit der Überschrift „Über die Gefahr Nietzsche" auch in HC Nr. 18 v. 12. 1. 1897. 559c Mit der Überschrift „Die Gefahr Nietzsche" auch in HFB1 Nr. 10 v. 13. 1. 1897. 559d Mit der Überschrift „Über die Gefahr Nietzsche" noch in BNN Nr. 25 v. 16. 1. 1897; StP Nr. 62 v. 24. 1. 1897; MgZg v. 1. 2. 1897. 560 Driesmans, H.,62° Geistige Antipoden? (Schluß). (BRf Nr. 11 v. 14. 1. 1897, Beibl.). Dieser allein vorhandene Schlußteil folgt wohl auf eine vorangegangene allgemeine „Darstellung des Standpunktes" Nietzsches und Moritz von Egidys. Verfasser stellt hierin „eine geradezu frappante Übereinstimmung" in ihren Ansichten fest, sowohl im Inhalt als auch „in der Form der Wiedergabe". Sie „harmonieren [...] in ihren Gedanken" über den Staat, die Kirche, Liebe und Ehe und das Gerichtswesen - es gebe eben „eine Menge von hochwichtigen Berührungspunkten [...] zwischen den scheinbar extremsten Charakteren". 561 Weisengrün, Dr. Paul (Wien), Zur Psychologie Nietzsche's. (WRs Bd. 1, Nr. 4 v. 15. 1. 1897, S. 186-190). Mit diesem Aufsatz möchte der Verfasser Nietzsche „vor den Nietzscheanern retten, ohne ihn den Philosophieprofessoren, den falschen Systematikern und den Moralisten preiszugeben". Nietzsche sei „instinctsicher" gewesen, aber seine „Instinctsicherheit" sei bloße „Philologendenkgewohnheit, höhere Interpretationskunst". Die „Grundformel seines Wesens" sei, daß er „Dekadent durch und durch" sei: „Sein Verhältniss zu seinem Übermenschen ist das der Romantiker zu Shakespeare oder zum deutschen Mittelalter". „Als Individualpsychologe" sei er „höchstens fähig, mit Vollendung Selbstanalyse zu treiben, nie aber Seelenkunde des fremden Ichs". BC Friedrich Nietzsche: Von Gesellschaft und Staat. (Z Bd. 18, 16. 1. 1897, S. 106113). Vorabdruck von Stellen, die darauf im XI. Band der Gesamtausgabe auf S. 30-79 erschienen sind. 562 O(ppeln)-Br(onikowski, Fr.) v.,621 Das Leben Friedrich Nietzsches. (Kr 4. Jg., Nr. 120 v. 16. 1. 1897, S. 132-138). Verfasser gesteht, „außer Stande" zu sein, „hier im Tone, in dem man über Angelegenheiten Nietzsches in deutschen Blättern zu reden pflegt, d. h. im albernen Reporterstil", das „bedeutende Werk" der Schwester (Nr. 547) „zu bemäkeln oder gnädig zu belobigen", und begnügt sich daher mit einer Zusammenstellung längerer Auszüge aus dessen Vorrede. Darauf folgen 24 kurze Sprüche Nietzsches, welche nachher im elften Band der Gesamtausgabe (GXI, S. 80-84) erschienen sind. 563 Linde, Dr. Max, Berlin, Die Gefahr Nietzsche. (HC Nr. 35 v. 22. 1. 1897). Stellt sich auch entschieden gegen das entstellte „Spiegelbild der Nietzsche'schen Philosophie", das Pastor Neidhardt in seinem Vortrag geboten habe. Man müsse

620 DRIESMANS, HEINRICH (Bockenheim b. Frankfurt 7. 5. 1863 - Berlin 7. 5. 1927), studierte in Leipzig und Berlin, Verfasser rassenkundlicher und politischer Untersuchungen, Schriftleiter der Zeitschrift „Ernstes Wollen". 621 OPPELN-BRONIKOWSKI, FRIEDRICH VON (Kassel 7. 4. 1873 - Berlin 9. 10. 1936), Übersetzer und Schriftsteller.

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1897 Ferdinand Tönnies: „Im Kerne [...] immer ein ästhetischer Schöngeist geblieben."

nun jedem anraten, „die Nietzsche'sehen Schriften: ,Also sprach Zarathustra', .Genealogie der Moral', .Geburt der Tragödie' u. s. w. zu lesen". Die Redaktion fügte beiden Stellungnahmen folgende Erklärung hinzu: „Der Umstand, daß die Nietzsche'sehe Lehre neuerdings stark in den Mittelpunkt des heutigen geistigen Lebens gerückt ist, hat uns zur Veröffentlichung der obigen Zuschriften veranlaßt; mit dem Inhalt derselben identificirt zu werden, lehnen wir ab." 564 Mönckeberg, Carl, Straßburg i. Elsaß,622 Nochmals die Gefahr Nietzsche. (Ebd.). Erwidert auf die Darstellung Neidhardts (Nr. 559b) und stellt Nietzsche in eine Reihe mit Luther und Goethe, und letzteren als unmittelbaren „Anreger und Vorgänger Nietzsche's" dar. Es sei „sehr verdienstlich und folgerichtig", daß der Pastor „kleine Mädchen und kleine Knäbchen vor der .Gefahr Nietzsche'" warne, denn „für haltlose, unreife Menschen ist immer die reife Frucht der Erkenntniß schädlich". Verfasser sei aber kein „Nietzschianer" und findet die „künstliche Geniezüchtung [...] ein Unding". Dennoch fragt er zum Schluß: „Aber welcher Dichter, welcher Religionsstifter hätte sich nicht geirrt?" 565 anonym, Moderne Sophistik. Ein Wort über den Nietzsche-Kultus. (AELKZg 30. Jg., Nr. 3-7 v. 22. u. 29. 1., 5., 12. u. 19. 2. 1897, Sp. 49-52, 74-78, 98 ff., 124127, 148-151). „[...] da man neuerdings versucht, durch öffentliche Vorträge die Nietzsche-Gemeinde zu erweitern und insbesondere die studirende Jugend für ihn zu interessieren, so mag es angezeigt sein, auch hier ein Wort über die neueste Philosophie zu sagen." Nietzsche ist dem Verfasser eher als ein „Europäer von Übermorgen, ein Hellene von vorgestern", denn „Sophist ist er selbst durchaus in seiner radikalen Skepsis, in seinem Mißtrauen gegen jedes System". Dazu sei er „viel zu undeutsch, viel zu paradox, viel zu krankhaft [...] Wir trauen unserem deutschen Volk und der Macht der christlichen Bildung in ihm die Kraft zu, die Krankheit des NietzscheKultus ohne Mühe zu überwinden." BD Friedrich Nietzsche: Die Gefahr Wagner. (Z Bd. 18, 23. 1. 1897, S. 167-174). Vorabdruck von Stellen, die darauf im XI. Band der Gesamtausgabe auf S. 99-137 erschienen sind. 566 Tönnies, Prof. Dr. F. (Hamburg), Nietzsche und die Humanität. (EK 5. Jg., Nr. 4 f. v. 23. u. 30. 1. 1897, S. 28 ff., 36 f.). Vorabdruck des Schlußabschnittes des folgenden Werkes, S. 96-114. 567 Ders., Der Nietzsche-Kultus. Eine Kritik. O. R. Reisland. Lpz. 1897. xii, 115 S. Erschien auch schon im Januar. „Der schwärmerische, phantastisch-leidenschaftliche, überschwengliche Künstlergeist - das ist der echte Nietzsche. Im Kerne seines Wesens ist er immer ein ästhetischer Schöngeist geblieben." Dem Verfasser ist „das neueste und flüssigste Element in diesen Systemen [von Comte und Spencer], aus der Biologie hervorsprießend, die Sociologie". Nietzsche habe aber mit diesen Gedanken [d. h. biologischen und

622 MÖNCKEBERG, CARL (Hamburg 11. 10. 1873 - 1939), seit 1900 Schriftsteller in Hamburg, 1900-1902 Mitherausgeber der Wochenschrift „Der Lotse", später Redakteur der „Neuen Hamburger Zeitung".

1897 Klaus Groth: „eine Abneigung gegen diese stilistischen Blender"

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soziologischen Erwägungen] nur „gespielt", überall fehle „die wissenschaftlich brauchbare Begründung". D e m Verfasser ist ferner „der Geist des Zeitalters [...] nach seinen überwiegenden Merkmalen wissenschaftlich, nicht künstlerisch". T r o t z alledem gibt er an, von „frühester Jugend [d. h. v o m 16.-20. Lebensjahre] an, für diesen A u t o r geschwärmt" zu haben. 623

623 Mit Bezug auf diese Schrift gibt Tönnies eine Stelle aus einem Brief Rees zur Übersendung bekannt: „Ihrer Meinung über Nietzsche stimme ich völlig bei. .Menschliches, Allzumenschliches' und die Schriften drum rum sind seine reifsten Produkte, die späteren sind pathologisch, Schriften eines Geisteskranken [...]" wozu Tönnies dann vermerkte: „das war nun nicht eben meine Meinung." (F. T., Paul Rèe, in: DFW, a. a. O., S. 669). Sonst enthält der Aufsatz, der durch das Erscheinen der „Philosophie von Paul Ree" 1903 hervorgerufen zu sein scheint, eine ausführliche Darstellung der Meinung Tönnies' zum Nietzsche-Rée-Verhältnis überhaupt. Das Buch fand auch die Zustimmung Lous, die am 6. 2. 1897 für dessen Ubersendung dankte: „[...] ich habe es sofort, mit großer Freude, gelesen und bin allen Ihren Ausführungen voll Interesse und voller Zustimmung gefolgt. Ich wünschte, ich könnte Ihnen im Lauf der Zeit auch persönlich einmal wiederbegegnen und über vieles im Buche berührte mit Ihnen sprechen." (F. N., P. R., L. v. S. Die Dokumente ihrer Begegnung [...] hg. v. Ernst Pfeiffer. Insel. (Ffm. 1970), S. 490). An derselben Stelle bringt Pfeiffer eine Aufzeichnung Lous aus dem Jahre 1888 über eine briefliche Äußerung Tönnies': „Tönnies über Nietzsche, ob seine Wahrheitsliebe, Ruhmgier oder Zerstörungslust größer sei. - Keines davon, sondern eine Verwechselung, dämonischer Art, von sich selbst mit dem, wovor er beständig kniet. Dies ist es was immer, auch in den zerstörenden Wahrheitstendenzen, Höhen um ihn aufbaut, und auch was den unheimlichen Abgrund in seiner Natur aufreißt. Dies Gemisch von Wahrheitsdrang und Ruhmgier, Begeisterung und Eitelkeit, richtet sich als Zerstörungssucht gegen Alles, was außerhalb dieses dämonischen Kreises steht. Gewiß ist N. einer der reichsten, unheimlichsten, verborgensten Menschen, die gelebt haben. Unerwartet, aus dem Dunkel, wirkend, - so daß man fast fühlt, es müsse selbst aus dem verborgenen Dunkel der Irrenzelle sein Geist noch einmal mit einem Werk herausspähen, - sei es auch in einer gigantischen Fratze." S. a. die Meinung von Klaus Groth, der in einem Brief v. 1. 3. 1897 an Tönnies schrieb: „Einen so eifrigen, ja in diesem Fall begierigen Leser finden Sie nicht. Ich habe eine Abneigung gegen diese stilistischen Blender mit ihren glänzenden Halbwahrheiten, sodaß ich auch nicht einmal dazu komme, von ihnen zu genießen, was wohl zwischendurch schmackhaft und naschhaft zu finden ist. Gegen Nietzsche hatte ich eine Abneigung, die an Haß grenzt, so wenig ich auch von ihm kannte. Mir ist der Hochmut dieser Weltverbesserer, die ihre halbreifen Gedanken (deren wir im langen denkenden Leben auch viele gehabt) als Offenbarungen verkünden, später auch verlangen, daß man deren Gegenteil ebenso demütig gläubig hinnehmen soll, durchaus unerträglich. Sie haben mir jetzt so viel mildernde Züge in das Bild Ihres .Helden' hineingezeichnet, daß ich mit Wehmut auf eine Erscheinung blicken kann, die wie ein Meteor glänzend am Himmel der Wissenschaft und Kunst emporstieg und nach kurzem Glanz in schmerzlicher Düsterniß verschwunden ist. Der blendende Glanz dauert aber noch fort, täuscht und verlockt das Wenige von unserer Jugend, das überhaupt noch einem Ideal nachstrebt, auf Irrwege, Denkende wie Producierende, Wissenschaft und Kunst. Ihr Buch kommt wie ein Wort zu rechter Zeit. Ich wünsche Ihnen recht viele eifrige Leser. Sie haben dafür, glaube ich, die rechte Zeit gewählt, jedenfalls den rechten Ton getroffen. Sie haben selbst so viel Güte und Liebe für den mutigen Kämpfer und den stürzenden Helden über, kennen ihn so von Grund aus, daß auch ein Bewunderer Ihnen das Recht zusprechen muß, ihn für Irrungen zu tadeln und für Ubermut und Anmaßung in seine Schranken zu verweisen." (Zwei Briefe K. Gs. DL Bd. 1, Nr. 24 v. 16. 3. 1901, S. 800): GROTH, KLAUS (Heide / Dithmarschen 24. 4. 1819 - Kiel 1. 6. 1899), plattdeutscher Schriftsteller.

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1897 Bartels: „eine Decadencenatur wie wenige"

567a Auch in: F. T., Der Nietzsche-Kultus. Eine Kritik. Hg. v. Günther Rudolph. Akademie Vlg. Bln. (1990). 164 S. und zwar auf S. 7-97. Unverändert. Enthält auch: „Ethische Cultur" und ihr Geleite. S. 98-104 (Nr. 245); S. 105-164: Anhang, enthaltend: Friedrich Nietzsche und Ferdinand Tönnies. Der „Wille zur Macht" widerlegt von den Positionen eines „Willen zur Gemeinschaft"; Zu dieser Ausgabe; Anmerkungen; Bibliographische Hinweise u. Personenregister. 568 Neidhardt, Pastor Karl, Die Gefahr Nietzsche. (HC v. 26. 1. 1897). Verteidigt sich gegen die „Kritiken" von Mönckeberg (Nr. 564) und Linde (Nr. 563), die ihn „nur in der Uberzeugung bestärkt haben, von einer .Gefahr Nietzsche' zu sprechen". Die Abwehr richtet sich fast zu gleichen Teilen sowohl gegen Nietzsche selber als auch gegen die „Nietzschejünger". 569 Bartels, Adolf, Die Deutsche Dichtung der Gegenwart. Die Alten und die Jungen. Eine Litteraturgeschichtliche Studie. Eduard Avenarius. Lpz. 1897. Verfasser erwähnt Nietzsche nur an vier Stellen, doch ist seine entschiedene Ablehnung bemerkenswert. Ihm ist Nietzsche „eine Decadencenatur wie wenige, der Philosoph und Prophet der Decadence", der als „der größere Magus" des letzten „Sturm und Dranges" Peter Hille „verschlungen" habe und bei den Symbolisten „namentlich [...] zur Geltung" gekommen sei: „[...] hatte doch auch er schon etwas wie eine symbolistische Poesie geschaffen, die jetzt formell vielfach maßgebend wurde; kurze prosaische Stücke im Orakelton oder aus lauter farbigen, aber unklaren Bildern bestehend, wurden die Lieblingsform des Symbolismus." 569a Dass. 2. Aufl. (Neue erw. Ausg.) 1899. (Die Bezeichnung „Eine Litteraturgeschichtliche Studie" ist weggefallen). Was Nietzsche betrifft, ist nur eine kurze Erwähnung im Zusammenhang mit Hebbel (S. 23 d. 1. Aufl.) entfallen und auf S. 252 ein Zugeständnis: „[...] (dessen persönliche Größe und dessen Kämpfen gegen die Decadence ich selbstverständlich nicht verkenne) [...]", eingerückt. 569b Dass. 3. verbess. Aufl. 1900. Stimmt der Bezeichnung „Alexandrinertum" für die Zeit um und nach 1870 zu und meint dazu: „Charakteristischer Weise geriet denn auch der bedeutendste aufstrebende Geist dieser Zeit, Friedrich Nietzsche, in einen unheilvollen Gegensatz zur deutschen Entwicklung." (S. 173 f.) Die deutschen Symbolisten, „zumeist Decadents, bewußte Verfallszeitler, Feministen und Sexualisten", seien durch Nietzsche erst „Überwinder und Ubermenschen, Propheten und Erlöser" geworden. Nietzsche selber aber könne man „nur in der Geschichte der deutschen Gesamtkultur gebührend" würdigen. Er rage in die Geschichte der deutschen Dichtung „gewissermaßen nur von außen herein". „Zarathustra" sei ja nur „eine Mischung, keine völlige Durchdringung des Gestalteten und Gedanklichen", „so ziemlich dasselbe" gelte „mit wenig Ausnahmen" auch von seinen Gedichten. Doch möchte Verfasser „die persönliche Größe Nietzsches" sowie dessen „unleugbare Verdienste um die Überwindung der Decadence" durch „diese rein ästhetischen Urteile" unberührt wissen. (S. 259 ff.) 569c Dass. 4. verbess. Aufl. 1901. Was Nietzsche betrifft, unverändert. Fundstellen: S. 178, 189 f., 266 f. 569d Dass. 5. verbess. Aufl. 1903. Was Nietzsche betrifft, unverändert. Fundstellen: S. 185, 196, 232, 274 f.

1897 „kurze Prosastücke im Orakelton oder aus lauter farbigen, aber unklaren Bildern"

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569e Dass. 6. verbess. Aufl. 1904. Was Nietzsche betrifft, unverändert. Fundstellen: S. 186 f., 199, 236, 279. Über Hermann Conradi, den „charakteristischen Vertreter der Jüngstdeutschen", heißt es, daß er „wohl der erste Nietzscheaner" gewesen sei (S. 241). 569f Dass. 7. verbess. Aufl. 1907. Was Nietzsche betrifft, unverändert. Fundstellen: S. 191, 203, 245, 289 f. 569g Dass. 8. verbess. Aufl. 1910. Was Nietzsche betrifft, unverändert. Fundstellen: S. 198, 211, 256, 304 f. 569h Dass. 9. stark verm. u. verbess. Aufl. H. Haessel. 1918. Die alten Fundstellen finden sich auf S. 237, 257, 335, 399 ff. Verfasser hat seinen Skeptizismus dem „Zarathustra", dem „Hauptwerke" Nietzsches, „wie Nietzsche überhaupt, gegenüber auch jetzt noch nicht überwunden". (S. 400) Sonst neu sind die Erwähnungen auf S. 254 f., 565 („Zarathustra" doch zur „Höhenkunst" gehörig), 653 (die „reiferen Dichtungen" expressionistisch) und S. 416-424: Da Verfasser immer noch der Meinung ist, Nietzsche könne in einer Geschichte der Dichtung „nicht gewürdigt werden", stützt er sich gegen Schluß des Lebensumrisses weitgehend auf die Darstellung Wundts („Die Nationen und ihre Philosophie", 1916). Bei der Lösung „unserer Aufgabe", „daß unsere Kultur unserer sittlichen Lebensanschauung" entspreche, könne „man wohl von dem entschiedenen Dekadenten, dem kranken Jongleur Nietzsche absehen". Etwas abgemildert wird solche Grundeinstellung gelegentlich durch Sätze wie der folgende: „Aber als Persönlichkeit überragt er doch das ganze Geschlecht, dem er angehört, ist auch wirklich ein großer Europäer, eine Erscheinung, in der unendlich viel zusammenläuft." 569i Dass. m. Untertitel: Die Jüngsten. 1.-10. Tsd. 1921. Uber Nietzsche gänzlich umgeschrieben auf S. 19 f. (Der Naturalismus schließe sich, „außer an ausländische Dichterschulen, vor allem an die große Zeiterscheinung Friedrich Nietzsche [...] an, den man wohl am besten als Dichterphilosophen bezeichnet. Sein dichterisches Hauptwerk ,Also sprach Zarathustra' [...] ist schwerlich wie R. M. Meyer wollte, das moderne Epos, aber wahrscheinlich das Größte, was der moderne Expressionismus hervorgebracht hat, und auch die meisten seiner Gedichte und Sprüche haben den expressionistischen Charakter."), 87 (ein „Judenfreund aus reinem Widerspruchsgeist") und sonst beiläufig auf S. 209, 210. (= Teilausgabe d. 10. Aufl.) In den übrigen später erschienenen Teilen: Die deutsche Dichtung von Hebbel bis zur Gegenwart. (Die Alten und die Jungen). Ein Grundriß. 1. Tl.: Die Alten / 2. Tl.: Die Jüngeren. 10.-12. Aufl. H. Haessel. Lpz. 1922, finden sich die übrigen Erwähnungen Nietzsches so gut wie unverändert. 1. Tl., S. 250, 275, 278; 2. Tl., S. 96 ff., 113-120. Anführenswert ist der Zusatz zum zweitletzten Absatz auf S. 120: „[...] wenn auch wohl ein schlechter Deutscher." Sonst enthält dieser Teil nur sechs Zeilen zusätzliches Schrifttum. 569j Dass. 11.-20. Tsd. 1921. Was Nietzsche betrifft, unverändert. 570 Wilhelmi, J. H.,624 Th. Carlyle und F. Nietzsche. Wie sie Gott suchten, und was für einen Gott sie fanden. Vandenhoeck & Ruprecht. Gött. 1897. 2 Bll., 88 S.

624 WILHELMI, J O H A N N HEINRICH, geb. a m 2 3 . 11. 1 8 5 1 z u H e d d e s b a c h /

Baden.

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1897 J. H . Wilhelmi: Carlyle „eine Epoche", der „Feuilletonphilosoph [...] eine Episode"

Dem Verfasser bedeutet Carlyle „eine Epoche", Nietzsche dagegen, „der ,Feuilleton-Philosoph', nur eine Episode". Dieser habe „dem Egoismus des alten Adam, dem intensivsten Ich-Kultus auf den kürzesten Ausdruck verholfen und ihm ein neues, in Geistreichigkeit glitzerndes Mäntelchen umgehängt, das seine Blöße und Mißgestalt nicht verhüllen kann". Was es dennoch erlaube, die beiden nebeneinander zu stellen, sei der „eigentümliche Parallelismus [...] ihrer beiderseitigen Entwicklung [...] eine ganz von religiösen Antrieben beherrschte innere Entwicklung", bei der es sich „um nichts Geringeres" handle „als die Frage nach einem Gott in der entgötterten Welt dieser Zeit" Sie seien beide „aus einer christlich behüteten Jugend in die scharfe Luft des modernen Geisteslebens" gekommen, haben „im Ringen um die Wahrheit [...] das Studium der Theologie aufgegeben", „ringen sich los aus dem großen Nein und erreichen mit äußerster Kraftanstrengung eine neue, aber entgegengesetzte Weltbejahung". Nietzsche werde durch „den Schatten des Göttlichen, das er verleugnet hat, in den Abgrund geführt", während Carlyle entdecke, „daß Gott nicht tot ist". 570a Dass. 2. durchgeseh. Aufl. 1900. 114 S., 1 Bl. Enthält einen längeren Zusatz (S. 32-34) mit einem Vergleich, was „die vollständigste Gottentfremdung" betrifft, Maupassants und Nietzsches und eine Kürzung um einige Zeilen (S. 18), mit der die Betonung der „ehemaligen christlichen Gesinnung" Nietzsches weitgehend geschwächt ist; sonst nur wenige unwesentliche Änderungen. 571 Hanstein, Adalbert von, 625 König Saul. Drama in vier Aufzügen. Gg. Freund. Lpz. 1897. viii, 118 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.). In einer Vorbemerkung erläutert Verfasser den Grundgedanken, aus dem er „den Charakter meines König Saul zu gestalten versucht habe", wie folgt: „...die Gestalt dieses alten Judenkönigs ist die vielleicht des ältesten und ersten großen Zweiflers, der über hergebrachten Priesterzwang in mühevollem Kampfe triumphiert, und dann, durch hieratische Machinationen zum Wahnsinn getrieben, sich selbst an Stelle Gottes setzt...Ich glaube, daß dieser König Saul in seiner Lebens- und Geistesentwickelung kein schlechter Spiegel des modernen Zeitgeistes ist, der gleichfalls den schweren Kampf gegen die Gedankenunterdrückung so lange kämpfen mußte, bis er, endlich befreit, durch den krassen Materialismus zur Nietzsche'sehen Übermenschenphilosophie kam und heutzutage schon wieder den Rückweg zur Mystik antritt." (S. vii). Das Stück wurde am 13. März 1897 in Berlin uraufgeführt. 572 Welcker, Heinrich, 626 Die erste Pflicht. Schauspiel in drei Aufzügen. Herrn. Haacke. Lpz.1897. 110 S. Es geht in diesem Gegenwartsstück um die „Pflicht" des angehenden Künstlers Dr. Arnold Schweizer, der sich noch als Gymnasiallehrer der klassischen Sprachen abplagt, nämlich um die der Kunst gegenüber. Sein Schwiegervater hält ihm entgegen: „Ihre Sehnsucht nach der Kunst ist allein an Ihrem Unglück schuld. - Wenn Sie noch eine alte Neigung hatten, so war es Ihre Pflicht, sie zu überwinden, bevor

625 HANSTEIN, ADALBERT VON (Berlin 29. I I . 1861 - H a n n o v e r 11. 10. 1904), Schriftsteller. 626 WELCKER, HEINRICH, geb. am 8. 12. 1868 zu E r f u r t , nach Studium in Jena u n d Leipzig zunächst Referendar u n d danach Rechtsanwalt, Verfasser m e h r e r e r Schauspiele.

1897 G. Fr. Fuchs: „einem Karlstadt zur Zeit des Bildersturms" gleich

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Sie heirateten." (S. 54) Kurze Zeit später erklärt Arnold seiner ersten Liebe Francisca, der Schwester eines Rittergutsbesitzers: „Siehst du, es giebt Philosophen und Dichter, die haben uns Kraftmenschen gezeichnet, stolze, selbstbewußte Siegematuren. Denen wollte ich auch einst ähnlich sein [...] Aber es ging mir, wie uns Allen, die Zeit kam bald, wo man meine Freiheit säuberlich einpferchte [...]" (S. 62) Doch ihre Gegenwart ermutigt ihn endlich zu folgendem Schluß: „Herrschsüchtig muß man sein, selbstsüchtig muß man sein, und mit spitzen Elbogen sich Raum schaffen zum Atmen! Das ist unsere erste Pflicht!" (S. 65) In einer längeren Unterhaltung des Helden mit dem Bruder der Francisca am Anfang des letzten Aufzuges erfährt man vom inzwischen verflossenen mehrjährigen gemeinsamen Lebenswandel der Francisca und Arnold. Letzterer aber, seiner Gönnerin nun müde, möchte zur Frau zurückkehren. Francisca will aber nicht verzichten, Martha, die erste Frau, verzweifelt erneut und stürzt sich aus dem Fenster in den Tod, verzeiht aber verendend noch ihren Mann, Francisca verschwindet in die Nacht hinein und Arnold spricht die letzten Worte des Stückes: „Still und einsam wollen wir unseren Weg gehen und in unserer Kunst arbeiten." 573 Fuchs, Georg Friedrich, 627 Friedrich Nietzsche. Sein Leben und seine Lehre mit besonderer Berücksichtigung seiner Stellung zum Christentum. Chr. Belser. St. 1897. 41 S. Nach „allgemeinen, auf das christlich-sittliche Wesen der Lehre Nietzsches" bezüglichen Sätzen beleuchtet der Verfasser als „besondere Partie [...] das Verhältnis von Mann und Weib, ein Gebiet, auf dem die christliche Lehre unter den verschiedenartigen Völkern ihre großartigen neuen Ideen in Fluß gebracht hat", und wie Nietzsche sich zu der „christlichen Auffassung der Geschlechter als sittlicher Gleichheit (nicht Einerleiheit) teilhaftig und gleichen sittlichen Wertes" verhalte. Daß man aber Nietzsche „ernsthaft [...] als einen deutschen Schriftsteller und Philosophen zu nehmen" habe, will der Verfasser dann beweisen mit dessen „Urteilen über deutsche Klassiker", um schließlich darzutun, daß er „mit allen seinen natürlichen Gaben der Pfahlwurzel" entbehrt habe, „die ein Herz fest macht". Hierzu wendet er sich dem Lebensgeschichtlichen zu: „Das Experiment seiner ersten Periode ist gescheitert: die Kunst an die Stelle Christi und des Christentums zu setzen", so mache er „in der zweiten und dritten den Versuch, auf atheistischer und materialistisch-darwinistischer Grundlage ein System aufzubauen, welches das, was das Christentum durch die Erlösung und Seligkeit gibt, ersetzen will durch die Erziehung, die Ausbildung der natürlichen Anlagen der besonders begabten Menschen und die Fortpflanzung ihrer Gaben in der Menschheit". Zum Schluß ruft er zur ernsten Abwehr auf und vergleicht Nietzsche mit „einem Karlstadt zur Zeit des Bildersturms, einem Thomas Münzer zur Zeit des Bauernkriegs und Rousseau und Voltaire zur Zeit der französischen Revolution". 573a Dass. 2. Aufl. 1899. Unverändert. 574 (Mehring, Franz), Nietzsche gegen den Sozialismus. (NZ 15. Jg., 1. Bd., Nr. 18 v. 30. 1. 1897, S. 545-549).

627 FUCHS, GEORG FRIEDRICH (Flomborn b. Alzey 3. 4. 1840 - 1900), Pfarrer und Schriftsteller.

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1898 Franz Mehring weiter gegen den Modephilosophen des deutschen Bürgertums

Schopenhauer, Hartmann und Nietzsche werden als „die drei Modephilosophen" des deutschen Bürgertums hingestellt. Die ersten beiden werden schnell abgetan, um zu Nietzsche zu gelangen und dessen Ansichten über den Sozialismus, wie sie in der „Zukunft" (BD) erschienen waren, als Abklatsch und Plagiat von Gedanken von Leo und von Treitschke darzutun. Zum Schluß heißt es: „Es ist beinahe noch eine Beleidigung für die Börsenjobber und die Reptile, wenn man sagt, daß sie den Sozialismus aus denselben Gedankenkreisen heraus bekämpfen, wie Nietzsche."628 574a Auch in 187a, S. 188-193. Unverändert. 574b Auch in 187b, S. 17-24. Unverändert. 574c Auch in 187c, S. 167-172. Unverändert. 575 Driesmans, Heinrich, Friedrich Nietzsche. (Versöh H. 8 v. Febr. 1897, S. 269281). Bietet eine recht „versöhnliche" Darstellung der Lehren Nietzsches und knüpft zunächst an Stirner, von dem Nietzsche sich „nicht wesentlich" unterscheide, an, obwohl Stirner „Anarchist" und Nietzsche „Aristokrat" sei. Im Christentum habe er den „Geist der Neuwertung der Lebenswerte" übersehen; allein diesem gegenüber verirre „er sich selbst in ein Gefühl von Ressentiment". Dennoch heißt es: „Es hat nie einen so eigenartigen, einen so frei und hoch stehenden Menschen gegeben, wie Friedrich Nietzsche; selbst Stirner und Dühring sind nur Schüler vor diesem Meister. Eine solche Fülle von, das ganze Leben umfassenden und durchdringenden, Gedanken hat nie ein Schriftsteller in seinen Werken vereinigt, und einen so lebendigen, .blitzartigen' Styl hat nie einer geschrieben." Man müsse seine Gedanken „nur aus ihren extremen und radikalen Einkleidungen" herauslösen. Man wolle schließlich, „daß die meisten solche Auserlesene werden", und glaube, „daß dies nur auf dem Wege eines zweckmäßigen Zusammenarbeitens zu erreichen ist". 576 Mönckeberg, Carl, Straßburg i. El., Jung, kein Jünger! (HC Nr. 53 v. 2. 2. 1897). Verteidigt sich gegen Einwände des Pastor Neidhardt (Nr. 568) als einer, dem Nietzsche „wie ein bewunderungswürdiger Freund" sei, „zu dem ich aufblicke, ohne es mir einfallen zu lassen, sein Eigenthümlichstes und Persönlichstes verallgemeinern zu wollen". Recht lesenswert ist die Darstellung der damaligen jungen Menschen unmittelbar vor der Begegnung mit den Schriften Nietzsches: „Was nothwendig war, sahen wir wohl ein und verschrieben uns dem socialistischen Zeitgeist, aber wir folgten unserer Wahrheit ernst, nicht jubelnd, sehnten uns aus der

628 Ähnliche Gedanken entwickelt der Verfasser in seiner „Geschichte der Deutschen Sozialdemokratie." 2. Tl.: Von Lassalles Offenem Antwortschreiben bis zum Erfurter Programm. 1863 bis 1891, J. H . W . Dietz Nf. 1898. (= Die Gesch. d. Sozialismus in Einzeldarstellungen. 3. Bd., 2. Tl.), worin es heißt: die Kritiker der „Modernen Schule" hätten „ihr paar rasselnden Schlagworte von Nietzsche gelernt, dem Philosophen der großkapitalistischen .Ubermenschheit', der seinerseits die alten Hefte Leos und Treitschkes plünderte, um überhaupt etwas vom Sozialismus sagen zu können, und wäre es nicht mehr, als der erste beste Jobber oder das erste beste Reptil davon zu sagen hat. Begabte Jünger Nietzsches wurden Bismarckische Pack- und Preßknechte des gewöhnlichsten Schlages, feierten überschwenglich die russische Knute, härteten ihre Hand durch Begrüßung mit dem schlimmsten Polizeigesindel des Sozialistengesetzes".

1897 Aug. Sturm: Ein modernes Schauspiel aus dem Reiche des Naumburger Philosophen 4 4 5

Masse nach Einsamkeit und hatten Heimweh nach lachender Schönheit. Vielen kam die Lebensfreude abhanden, und die ,Mode' Schopenhauer war für manche noch lange nicht vorbei." 577 Walde, Philo vom, Friedrich Nietzsche und die Sozialpädagogik. Kritische Randglossen. (SchlSZg 26. Jg., Febr. 1897). Verteidigt seinen Gegenstand gegen den Angriff eines Kollegen Bartsch, Nietzsches Ideal sei „der Egoist, der in schrankenloser Selbstherrlichkeit sein Leben auslebt". Verfasser dagegen meint: „Nietzsche ist Optimist, er ist der Heiligsprecher der ewigen Lebenswiederkehr! Er glaubt an die Gottähnlichkeit des Menschen!" Die „Sozialpädagogik" könne „noch viel fließendes Wasser" aus „dem großen Individualisten" schöpfen. 578 Lanzky, Paul, Sophrosyne. Neue Gedichte. E. Pierson. Dresd. u. Lpz. 1897. viii, 128 S. Enthält folgende Widmung: „Seinem Meister Friedrich Nietzsche über die Qual hinaus P. L." und ein 20zeiliges Gedicht „Friedrich Nietzsche. Nach dem Gemälde von Stöving" (S. 55). 579 Sturm, August,629 Ein Künstlertraum. Modernes Schauspiel in einem Acte aus dem Reiche des Naumburger Philosophen Friedrich Nietzsche. Albin Schirmer. Naumburg 1897. 35 S. (= Der neueren Dichtungen 11. Bd.). In einem längeren Vorwort drückt der Verfasser seine Einstellung zu Nietzsche deutlich aus: Anerkennung der „Sehnsucht der Künstlerseele nach Freiheit vom Alltäglichen" sowie Ablehnung des „Pessimisten Schopenhauer"; Verurteilung aber der „entsetzlichen Lästerungen des Humanismus, der Ziele des reinen, von Irrthümmern verschiedenen Christenthums". Im Stück selber will der Lehrer Johannes Falk, der Nietzsche immerzu im Munde führt, seinen Beruf trotz Frau und Kind aufgeben, um zur Bühne zu gehen und der Kunst zu leben. Die Herde verachtet er, muß aber im Traume erleben, wie es um seine Kunst bestellt ist, wenn die „Vielzuvielen" sie verlassen: „Nun fühl' es, daß Alles, was Du bist, auf der Vorwelt ruht, von der Mitwelt gestützt wird; die Kunst ist der Sonnenglanz des Lebens, das Licht braucht Materie, es leuchtet nicht allein." Erwacht will er das Angebot eines Theaterdirektors nun ablehnen, wird aber von der Frau mit folgenden Worten zur Annahme überredet: „Aber Du hast den Werth der Liebe, des Lebens, der Andern, der Pflicht erkannt, den jener Poet [d. i. Nietzsche] verkennt [...]" 580 Kaftan, D. Julius (ord. Prof. d. Theologie a. d. Univ. Berlin), Das Christentum und Nietzsches Herrenmoral. Ein Vortrag gehalten im Berliner Zweigverein des Evangelischen Bundes. G. Nauck. Bln. 1897. 24 S. Nachdem der Verfasser Nietzsches Werdegang und dessen Herrenmoral umrissen hat, stellt er zum Schluß dieser die Lutherworte: „Durch die Liebe jedermanns Knecht, durch den Glauben aber Herren und Könige aller Dinge", entgegen. 580a Dass. 3. Aufl. 1902. 24 S. Unverändert.

629 STURM JULIUS AUGUST (Göschitz b. Schleiz 14. 1. 1852 - Naumburg 20. 11. 1923), Rechtsanwalt und Justizrat, seit 1878 auch schriftstellerisch tätig und seit 1884 in Naumburg wohnhaft.

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1897 Paul Mongré: Sant' Ilario. Gedanken aus der Landschaft Zarathustras

581 Mongré, Paul (d. i. Prof. Dr. Felix Hausdorff), 630 Sant' Ilario. Gedanken aus der Landschaft Zarathustras. C. G. Naumann. Lpz. 1897. viii, 378 S., 3 Bll. „Der Philosoph nach Nietzsches Traum", d. h. „der cäsarische Züchter und Gewaltherr mit ökumenischen Zielen", ist dem Verfasser ein „recht unbedenklicher Altruist". Diesem entgegen stellt er den „Egoisten", auf dessen Seite er „alle Vernunft und Wissenschaft" findet. „Was wir Neueren erstreben [...]: dem Individuum bei gegebenem Volumen ein Maximum von Oberfläche anbilden, seine Verwundbarkeit, die Fülle seiner Beziehungen, das Bereich seiner Erlebnisse steigern, seine Empfindlichkeit auf alle Töne und Farben und Vierteltöne und Zwischenfarben stimmen." „Man bemüht sich umsonst", meint er gegen Schluß, „die immer erneute Parteinahme gegen sich selbst, die schmerzliche Stufenfolge von Selbstentzweiung und Selbstüberwindung aus Nietzsches Entwicklung fortzudenken; der bei modernen Seelen ohnehin schon so hoch hinauf getriebene .innere Widerstand' ist bei ihm ein Maximum - daher die Widersprüche vor- und rückwärts, die beständige Überschreitung der Gleichgewichtslage". „Nietzsche hatte, wie Wagner, ein Auge für bezaubernde Halbwahrheiten, Beiden fehlt der dürre Ernst der wissenschaftlichen Verallgemeinerung." Dem Verfasser ist die Philosophie „Religion oder Kunst auf Umwegen", daher sind ihm „die philosophischen Gedanken, die aufblitzenden und schon wieder verschwindenden Perspektiven, jene Plötzlichkeiten und Abgrundblicke, die uns mitten im Nebel etwas vom Hochgebirge verrathen", die wertvollsten. Zarathustra-Worte finden sich auf S. 81, 85, 96, 200, 222 f., 225, 238 f., 289, 313 ff., 349 f. Zum Schluß bringt er eine Anzahl Sonette und Rondels, unter denen sich folgende zwei befinden: „Der Ubermensch. (Novalis an Nietzsche.)" und „Die blaue Blume. (Nietzsche an Novalis.)", die er als Gegenpole auftreten läßt. Sonst strotzt das Werk von Nietzscheschem Wortschatz und Nietzschescher Ausdrucksweise. 582 Bartsch, M., Bemerkungen zu den „Kritischen Randglossen von Philo vom Walde". (SchlSZg 26. Jg., Nr. 6 f. v. 11. u. 18. 2. 1897, S. 64-67, 78 ff.). Erwidert auf die Abwehr vom Waldes (Nr. 577) und gibt zunächst an, daß ihm Nietzsche „eigentlich eine große Nebensache" gewesen, zu deren Erwähnungen in seinem Vortrag er durch Biedenkapps Aufsatz (Nr. 510) veranlaßt worden sei. Verfasser erhärtet seinen Standpunkt, daß Nietzsche „Vertreter eines egoistischen Individualismus" sei, lang und breit durch Nietzsche-Stellen und die eigene dazugehöri-

630 HAUSDORFF, FELIX (Breslau 8. 11. 1868 - Bonn 26. 1. 1942 durch Selbstmord angesichts der Judenverfolgungen und der bevorstehenden Verschickung), Astronom, 1902 ao. Professor der Mathematik in Leipzig, 1910 in Bonn, 1913 o. Professor in Greifswald und 1921 zurück nach Bonn, Schöpfer der axiomatischen Grundlage von Mengenlehre und Topologie, sonst Verfasser von: Das Chaos in kosmischer Auslese. Ein erkenntniskritischer Versuch. C. G. Naumann. Lpz. 1898 / Ekstasen. Herrn. Seemann Nf. Lpz. 1900. 2 Bll., 216 S. (= ein Gedichtband, in dem sich auf S. 206: „Zarathustras Liebeslied", wie auch sonst in manchem Gedicht Anklänge an Nietzsches Gedanken und Wendungen finden lassen) / Der Arzt seiner Ehre. Komödie in einem Akt m. e. Epilog. 1910. Leipziger Bibliophilen-Abend. 12 Bll., 8Holzschn., 71 S., 1 Bl. (= beschränkte Aufl. v. 99 Exempl.). Einiges Nähere zu Hausdorff bei Hoffmann, Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs, a. a. O., bes. S. 372 f.

1897 Wilhelm Arent: „eine sehr feine, parallelenwütige, höchstgeistreiche [...] Klügelei"

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gen Auslegungen. Zum Schluß führt er Worte anderer Gegner der „Nietzscheschen Weltanschauung" an, nämlich von Achelis, Hübbe-Schleiden und Ludwig Stein. Wie offen ein „Führer" der Jüngstdeutschen noch im Jahre 1897 seine Ablehnung und noch dazu seine Unkenntnis Nietzsches aussprechen konnte, beweisen Worte von Wilhelm Arent: „Nietzsche schrieb ein Werk - wahrscheinlich in seiner von den guten Baslern ,Gifthütte' getauften Wohnung zu Basel: - ,Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik'. Ich kenne dies Werk leider nicht, wie ich überhaupt von Nietzsche fast nichts gelesen habe (desto mehr allerdings über ihn und Extrakte seiner Schriften, wie sie Anhänger und Schüler bieten.) Nur in seinem Zarathustra blätterte ich, seine Hymne an die Einsamkeit und ähnliches an Gedichten aus seinem Nachlasse bewundere ich, und jüngst wurde mir die so prächtig pietätvolle Biographie der Schwester Nietzsche's, der Frau Förster, zugesandt. Aber der geistreiche österreichische Novellist [...] Josef Stolzing hat mir kurz und prägnant den Inhalt skizziert. Auf Grund dieser Wiedergabe des Inhalts der Broschüre komme ich zu dem Schluß: Nietzsche's Arbeit ist mehr eine sehr feine, parallelenwütige, hochgeistreiche, ästhetisch-historische Klügelei und dürften Nietzsche's Resultate betreffs des Falles Wagner nicht als vom Vollblutodem, von der heißen Thatsachen-Wahrheit des Lebendigen Lebens getragene unumstößliche Axiome verehrt werden."631 583 Engels, Eduard (Ulm a. d. D.), Darwin und Nietzsche. (Kr 4. Jg., Nr. 125 v. 20. 2. 1897, S. 346-353). Verfasser ist im wesentlichen der Vorstellung der „natürlichen Auslese" verpflichtet, erkennt aber, daß man sie nicht länger „blind walten" lassen dürfe. Man müsse „ein bestimmtes Ideal aufstellen", und „unter all den vielen Idealen", die bisher aufgetaucht seien, findet er den „Ubermenschen des Nietzsche am wenigsten willkürlich". Doch geht er dann dazu über, die Einwände gegen dessen Verwirklichung aufzuführen, und stellt zum Schluß fest, daß sich vom „Standpunkt des Darwinismus dem stolzen Traum einer Höher- und Herrlichergestaltung unseres Geschlechts nur ein wenig günstiges Horoskop stellen" lasse. 584 Holtzmann, H. (Straßburg i. E.),632 (DLZg 18. Jg., Nr. 7 v. 20. 2. 1897, Sp. 247 ff.). Besprechung der Nietzsche-Bücher von Kaftan (Nr. 580) und Ritsehl (Nr. 555). Verfasser findet es „durchaus gerechtfertigt, wenn die Werte des ersten Stilisten, den die deutsche Litteratur der Gegenwart hat, nunmehr auch theologischerseits eingehend auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden". Obwohl er beide Werke lobt, ist ihm das Ritschis „sehr viel eingehender".

631 W . Α., Auf neuen Bahnen. Aug. Deubner. Bln. 1897, S. 79 f.; ARENT, WILHELM, geb. am 7. 3. 1864 zu Berlin, vornehmlich Lyriker, lebte seit 1897 in Berlin körperlich siech und geistig umnachtet und ist später verschollen. 632 HOLTZMANN, HEINRICH JULIUS (Karlsruhe 17. 5. 1832 - Baden-Baden 8. 8. 1910), evangelischer Theologe, Professor für Ν. T . in Straßburg 1874-1904.

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1897 Philo vom Walde: der Zarathustra ein „Werk genialster Wortfiguration"

585 Kalbeck, Max, Zarathustra und Struthiocamelus. Eine musikalische Satire. ( N W T 31. Jg., N r . 83 v. 24. 2. 1897). Eine Verulkung von Strauß u n d seiner Vertonung des „Zarathustra" anläßlich des Konzertes am 21. März in Wien. Ein Beispiel möge zur Kennzeichnung genügen: „Zarathustra erneuert, verjüngt und steigert sich in Struthiocamelus: das Kameel ist ein Vogel Strauß gewordenΓ 586 Poppenberg, Felix, Nietzsche-Episoden. (Fr 4. Jg., März 1897, S. 350-357). Eine warme Besprechung der beiden ersten Bände der Lebensbeschreibung (Nr. 417, 547), bei der die Gestalt Wagners und die der Cosima etwas über Gebühr gewürdigt werden. 587 Walde, Philo vom, Friedrich Nietzsche und seine Philosophie. (MB1 März-Aug. 1897, S. 34 ff., 44 ff., 67 ff., 80 f., 92 f.). Verfasser möchte hiermit eine planmäßige „Charakteristik des Nietzsche'sehen Werdens und Wirkens" vorlegen, denn „der Zarathustrismus ist die subjektivste aller Philosophien". Umreißt das Leben und die Weltanschauung, die n u r eine scheinbare Ähnlichkeit mit der Stirners habe. Verweist auch auf Heine als den, der Nietzsche die „Werthungsweise" übermittelte. Eigentümlich ist das Urteil über den „Zarathustra", „diese sublimste Verschmelzung von Verismus und Symbolismus, dies Werk genialster Wortfiguration", das aber „nur als letztes Nietzsche-Werk verstanden werden" könne, angesichts des Inhalts des Aufsatzes, in dem zur Stützung der eigenen Darstellung fast ausschließlich Stellen aus dem nämlichen Werk angeführt werden. Von einiger Wichtigkeit ist ein Brief der Mutter an den Verfasser vom 13.Februar 1897 über den Zustand und die Pflege des Kranken. 588 anonym, Die „Umwertung aller Werte". (StP N r . 177 v. 5. 3. 1897). Ein längerer Bericht über die Vorträge des Nietzsche-Apostels Horneffer, in denen man Nietzsche „als nachahmenswertes Beispiel, als Lehrer und Halbgott" habe anpreisen wollen. Aber „eine Z u k u n f t wird nach unserer felsenfesten Uberzeugung die Philosophie Nietzsches, wenn es überhaupt eine ist, nicht haben. Die Geschichte wird über sie, wie über ihren Urheber [...] hinweggehen [...] und sie hinwegfegen, wie Spreu vor dem Winde." 589 Paulsen, Friedrich, Z u m Nietzsche-Kultus. (VZg Sonntagsbeil. N r . 11 v. 14. 3. 1897). N i m m t die Nietzsche-Bücher von Tönnies (Nr. 567) und Kaftan (Nr. 580), die er beide „namentlich jugendlichen Lesern Nietzsches empfehlen" möchte, zum Anlaß, Nietzsche des „intellektuellen Anarchismus" zu bezichtigen. Er findet, die Nietzsche-Begeisterung „Jungdeutschlands" sei eine „Reaktion des Subjekts gegen das lange Niedergeredet- und Niederkorrigirtwerden, dem es in der Schule und in der Kirche, in der Gesellschaft und im Staat ausgesetzt ist". 590 λ, (LCB1 N r . 12 v. 27. 3. 1897, Sp. 388 ff.). Besprechung der Fortsetzung der schwesterlichen Lebensbeschreibung (Nr. 547), in der der Verfasserin gegenüber ein weitaus kritischerer Standpunkt eingenommen wird: „Warum will sich also die Verfasserin nicht auf die Aufgabe beschränken, zu deren Lösung sie befähigt ist wie kein Anderer, uns das thatsächliche Material zu geben, dessen wir zum Verständnis der Persönlichkeit und der Schriften ihres Bruders bedürfen?"

1897 Ein erfundener(?), äußerst judenfeindlicher Briefwechsel um den Meister

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591 anonym, (V 14. Jg., Nr. 76 v. 31. 3. 1897, Unterhaltungsbl. Nr. 64, S. 255) Eine Besprechung von Maximilian Ferdinands „Sexual-Moral der Gegenwart", dessen Verfasser „vollständig im Banne der Nietzsche'schen Philosophie" stehe, indem er „für die Herrscherstellung des Starken" schwärme. Das Werk sei klar und habe einen „Sinn", doch stehe dessen Verfasser „der modernen Arbeiterbewegung, der Sozialdemokratie [...] gegenüber [...] auf dem beschränkten Standpunkte des reaktionären Kleinbürgers". 592 Erdmann, Karl, (Kw 10. Jg., Nr. 13 v. April 1897, S. 297 f.). Eine längere, recht schneidende Besprechung der ersten Abteilung des zweiten Bandes der schwesterlichen Lebensbeschreibung (Nr. 547). Das Werk sei zwar „unentbehrlich", da es u. a. „viel Thatsächliches und sachlich Wertvolles" enthalte, aber, „wüßte man nicht aus gelegentlichen Bemerkungen das Gegenteil", so könnte man vermuten, „Frau Förster habe nichts von den Werken ihres Bruders gelesen". - „Daß [...] dieses Bild der unendlich reichen und verwickelten Natur des Bruders einigermaßen gerecht werde, das zu glauben werden die Kenner seiner Schriften schwerlich geneigt sein." 593 Briefe eines jungen Deutschen und einer Jüdin. Hg. v. Johannes Dahlmann. Verein f. Dt. Schriftthum. Bln. (1897). 150 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.). Die Briefe umspannen die Zeit vom 30. Oktober 1895 bis zum 12. März 1896 und erzählen von der wohl zufälligen Begegnung eines jungen Deutschen Albert, eines werdenden Schriftstellers, mit einer verheirateten Jüdin Sarah in Berlin, woraus über Literatur und Philosophie ein inniges Verhältnis erwächst, bis hin zum Selbstmord Alberts. Schon am 19. November schreibt Sarah: „Sie versprachen mir jüngst, [...] einmal einen Abend zu schenken, wo Sie aus den Werken unseres gemeinsamen Meisters Nietzsches mir vorlesen wollten. Ich sehne mich recht danach, durch Ihren Mund seine erhabenen Worte wiedergegeben zu hören." Worauf Albert am selben Tage antwortet: „Wie freue ich mich, in Ihnen einen Menschen gefunden zu haben, der sich gleich mir für den großen Nietzsche begeistert. Ich kann kaum aussprechen, wie leidenschaftlich und schwärmerisch ich diesen Mann verehre. Es waren wundersame Stunden, wo ich ihn kennen lernte. Noch gar nicht lange ist es her. Ich habe ihn niedergetrunken wie ein Verschmachtender [...] Und die Empfindung, daß mir gerade das geboten wurde, was ich brauchte, wurde dadurch verstärkt, daß viele, unendlich viele der Gedanken verborgen in meiner Seele ruhten wie schlummernde Quellen in der Erde, Gedanken, welche während früherer Zeiten schon in glücklichen Stunden hervorgebrochen waren [...] Ich bin noch kein Gesunder, erst ein Genesender [...] Die leidenschaftliche Sehnsucht wenigstens und der Wille, gesund zu werden, wurzeln tief in mir, seit ich Nietzsche las [...] Darin sehe ich überhaupt die wesentliche Bedeutung dieses Denkers, daß er unserer Zeit das Bild des gesunden und starken Menschen mit leuchtenden Farben wieder als Ideal vor die Augen gemalt hat, - unserer Zeit, die in so arger Krankheit darniederliegt [...]" Sarah, die sich seit dem 20. mit Du anreden läßt, eröffnet sich in Sachen Nietzsche erst am 24. November weiter: „Das asketische Ideal ist überwunden. Nietzsche hat es gestürzt. Man hat eingesehen, daß es eine Thorheit ist, sich selbst zu vernichten; sich ausleben ist jetzt das Ziel [...] ist nicht die Ehe die ärgste Fessel? [...] Wie häufig muß ich an das Wort unseres Meisters Nietzsche denken [...] : Auch das Konkubinat ist entheiligt - durch die Ehe!" Und am 25. antwortet AI-

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1897 R. Hasse: E r entstamme „einer Klasse, die den Höhepunkt [...] überschritten" habe

bert: „Im Namen Friedrich Nietzsches thun wir uns zusammen zu heiligem Bunde, und Zarathustra legt die Hände auf unser Haupt und spricht den Segen; und wo wir zusammenkommen, da wird er mitten unter uns sein. Nach seinen Geboten geloben wir zu leben wie treue Jünger, und über den gemeinen Haufen wollen wir uns erheben und die Alltagsseelen verachten." Am 9. Dezember vermerkt er: „In der Verschwisterung der Sterne Nietzsches und Shakespeares wird der Sieg liegen, der Sieg der Zukunft."Und am 10. erfolgt ein längerer Erguß: „Ich las [...] soeben in dem Zarathustra und ließ alles Denken fahren und weidete mich allein an der hohen Poesie des Werkes. Sieh [...], das hat man noch gar nicht eingesehen, daß unser Meister nicht nur der größte Denker unserer Tage ist, sondern auch der größte Dichter. Im Einzelnen wie im Ganzen. Er hat wie kein Anderer das Drängen zum Bild, zur Beseelung des Unlebendigen, wie kein Anderer die Freude an dem wesen- und lebengebenden Beiwort [...] Vielleicht ist er der größte Dichter der Deutschen nach Goethe." Am 3. Januar 1896 gesteht er dann: „Ich bin Schopenhauerianer und Nietzscheaner, Materialist und Religionsfanatiker, Anarchist und Sozialdemokrat, Antisemit, Bismarckianer und Tolstoianer gewesen; alles Ideenröcke, welche unsere Zeit fertig liefert, habe ich anprobiert, aber keiner will mir sitzen." U m den 13. Februar herum kommt eine kleine Unstimmigkeit auf; Sarah zürnt, Albert bettelt und sein Verhältnis zu Nietzsche wird - laut Brief vom 25. Februar - mitbetroffen: „Was ist Nietzsche? Was ist der Ubermensch, von dem er redet? Er ist der Traum dieses kleinen, kranken Geschlechtes, der Sehnsuchtstraum nach Größe und Gesundheit, nach den alten, mächtigen, aus Felsen gehauenen Menschen der Vorzeit [...] Der Ubermensch wird nicht Erfüllung werden. Er ist der Mensch der Vergangenheit, nicht der Zukunft. Wir werden nicht wieder gesund." Und weiter am 26.: „Wir glaubten Ubermenschen zu sein, wenn wir auf alle anderen Organismen verächtlich herabschauten, wenn wir lachend einen alten dummvernarrten Ehemann hintergingen oder uns verkleideten und Ulk trieben [...] laß uns den großen Meister wieder versöhnen. Ich will den Zarathustra wieder zu Dir mitbringen und Dir vorlesen; und wir wollen uns weiden an dem leuchtenden Bilde des großen Menschen [...] und wenn wir des Lesens satt sind, laß uns die Lampe löschen und an's Fenster setzen!" Sarah macht aber am 9. März kurzen Prozeß und verbietet ihm den Zugang zu ihrem Haus. Im Nachwort berichtet der Herausgeber, daß Albert sich in der Nacht auf den 13. März erschossen habe. Eine nicht so unterschwellige judenfeindliche Einstellung läßt sich im Werk nicht leicht überhören. 594 Hasse, Robert, Zur Moralphilosophie Friedr. Nietzsche's. (Ni 1. Jg., Bd. 2, H. 4 v. April 1897, S. 25-31). Verfasser weist die Behauptung zurück, daß „die modernen Großkapitalisten jene Herrenklasse" vorstellen, „deren Leben in Schönheit und Glück Nietzsche in so leuchtenden Farben malt" - er denkt hierbei wahrscheinlich an Mehring (Nr. 574). Nietzsche stamme „aus einer Klasse, die den Höhepunkt ihrer Entwicklung überschritten hat", und vermöge sich nicht „zur Erkenntnis seiner Klasse für die fernere Entwicklung der Menschheit in aufsteigender Linie durchzuringen". Dem Verfasser ist eben „der Emanzipationskampf des Proletariats nothwendige Vorbedingung alles Weiteren"; es ist ihm gerade der „vielgeschmähte .Klassenkampf'", der dem Zwecke diene, den „höheren Menschentypus heranzuzüchten".

1897 Eberh. Vischer: Pflicht sei, keinen „unbewußten Christen aus ihm zu machen".

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595 anonym, Aus der Biographie Fr. Nietzsches. (NMZg 18. Jg., Nr. 7 f., 1897, S. 85 f., 97 f.). Umreißt das Nietzsche-Wagner-Verhältnis, wie es im zweiten Band der Lebensbeschreibung (Nr. 547) dargestellt wird. 596 Bettelheim, Anton, 633 Prediger und Propheten. (Cosmopolis Vol. 6, No. 16, 1897, S. 275-278). In den ersten zwei von drei Abschnitten betitelt: Deutsche Bücher, bespricht der Verfasser Werke von Fr. Naumann, Paul Göhre und Peter Rosegger; im dritten wendet er sich dem zweiten Band der Lebensbeschreibung der Schwester (Nr. 547) zu und erzählt dessen Inhalt nach. 597 V(ischer), E(berhard),634 Eine „unzeitgemäße Betrachtung" über Nietzsche. (KB1RS 12. Jg., Nr. 14 v. 3. 4. 1897, S. 58). Veranlaßt durch „ein paar schmeichelhafte Äußerungen" über Nietzsche hinsichtlich seines Auftretens gegen Strauß, die in der Lebensbeschreibung der Schwester (Nr.547) mitgeteilt wurden, bringt der Verfasser die ersten zwei auf Nietzsche bezüglichen Stellen aus dem Briefwechsel Kuh-Keller (s. S. 29, Anm. 21). 598 Widmann, J . V., „Kölnische Zeitung", „Temps", Nietzsche und Brahms. (Β v. 8. 4. 1897). Veranlaßt durch zwei Aufsätze, die sich gegen Brahms richteten und dazu den Spruch Nietzsches: „Brahms steht mir am höchsten, wenn er die Melancholie seines Unvermögens besingt", verwerteten, meint Widmann, wenn man Nietzsche von diesem Spruch her beurteile, habe man „die Wahl zwischen einem in seiner Autoreneitelkeit gekränkten und sich rächenden oder einem überhaupt seiner musikalischen Uberzeugungen niemals ganz sichern, wetterwendischen Schriftsteller". 599 (Vischer, Eberhard), Über Friedrich Nietzsche. (KB1RS 12. Jg., Nr. 15 f. v. 10. u. 17. 4. 1897, S. 61 f., 65 f.). Eine recht bissige Besprechung der Lebensbeschreibung der Schwester (Nr. 547) und eine wohlwollende des Werkes von Kaftan (Nr. 580). Letzteres erlaubt dann auch dem Verfasser, die eigene Stellungnahme darzutun. Obwohl er auch meint, man müsse „von Nietzsche lernen, was zu lernen ist. Und dessen giebt's vieles, ganz besonders für uns, die an Christus glauben", schließt er mit den Worten: „Nietzsche selber wollte kein Christ sein und war in gewissem Sinne auch der Antichrist, für den er sich ausgab. Wohl noch nie hat einer, der auf Größe Anspruch machte, in solch giftiger Weise gegen alles, was christlich heißt, geschrieben, und auch gar nichts Gutes daran gelten lassen. Es ist unsere Pflicht, diese Thatsache zu respektieren und uns vor der bekannten Versuchung zu hüten, ihn, nun, da er sich nicht mehr wehren kann, wider seinen Willen zu einem unbewußten Christen zu machen." 600 Hofmiller, Josef (Freising), Nietzsche und Wagner. (Z Bd. 19, 10. 4. 1897, S. 58-67).

633 BETTELHEIM, ANTON (Wien 18. 11. 1851 - ebd. 29. 3. 1930), zunächst Rechtsanwalt und dann vor allem Journalist. 634 VISCHER, EBERHARD (Göttingen 28. 5. 1865 - Basel 2. 2. 1946), Professor der Theologie in Basel.

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1897 Richard Wulckow: Die „perversen und gefährlichen Philosophemen"

Verfasser bespricht den zweiten Band der Lebensbeschreibung (Nr. 547) und stellt fest, daß er Klarheit über Nietzsches Verhältnis zu Richard Wagner und „über die psychologischen Voraussetzungen seines Buches .Menschliches, Allzumenschliches'" bringe. 601 Riehl, A(lois), Nietzsches Lehre von dem Übermenschen. (Wh 8. Jg., 2. AprilHeft 1897, S. 33-41). In Nietzsches Gedankenkreis nehme diese Lehre „die Stelle der Religionsphilosophie" ein. Er habe aber dabei „die Lebenskraft und Erneuerungsfähigkeit des Christentums" unterschätzt. Obwohl er die „Ausdrucksfähigkeit unserer Sprache erweitert und Probleme aufgeworfen" habe, „welche die Philosophie der Kultur und Moral noch beschäftigen werden", bleibe der Weg, den er selbst zu ihrer Lösung gezeigt habe, „verbaut". 602 (Wulckow, Schuldirektor a. D. Dr. Richard),635 Ein Wort über Nietzsche. (WiesTbl 45. Jg., Nr. 176 v. 14. 4. 1897). Verfasser läßt sich durch die Vorträge Horneffers über Nietzsche dazu anregen, etwas über diese „Erscheinung eines moralisch Irren" zu sagen. „Eine höchst unerfreuliche Beigabe zu seiner trostlosen Weltanschauung ist sein Größenwahn." Umsomehr sei dies alles zu beklagen, da er „ein glänzender Schriftsteller, ein Aphorist ersten Ranges" gewesen sei. Man müsse vor allem gegen die „Nietzsche-Aposteln" Front machen, die „seinen perversen und gefährlichen Philosophemen eine Verbreitung im deutschen Volk verschaffen wollen". 603 Aegis, Ein Nietzsche-Kritiker. (Sozi Nr. 16 v. 17. 4. 1897, S. 97 f.). Empfiehlt das Werk von Tönnies (Nr. 567) allen denen, die meinen, „Nietzsche's sozialwissenschaftliche Ignoranz gegen den Sozialismus ausspielen zu können. Was für Unheil Nietzsche'sche Schriften in Arbeiterköpfen anzurichten im Stande sind, das muß man erlebt haben, um es glauben zu können." Doch glaubt Besprecher seine Zustimmung einschränken zu müssen hinsichtlich der Verharmlosung von Nietzsches Angriffen auf „die beiden Machtgebiete lähmender Reaktion [...] : die Religion und die Moral [...] Man muß die Gemeinheiten erfahren haben, die der Moralfanatismus züchtet, um Nietzsche's Trompetenstößen als erlösender Befreiung entgegen zu jubeln." Als „Anarchist" zeiht er in diesem Zusammenhang auch den Marxismus und die Sozialdemokratie eines „schlaffen, kontemplativen Quietismus". In einer kleinen, 119 Seiten umfassenden Schrift zur Verteidigung der christlichen Weltanschauung schrieb Professor Dr. W. Heinzelmann: „Entbehrte die Philosophie des Weltschmerzes oder des Weltelends, oder die Philosophie des Ekels am Dasein, wie man sie nennen könnte, in ihren edleren Vertretern Schopenhauer und Eduard von Hartmann nicht ganz alles idealen Gehalts, so tritt uns in den Schriften eines Friedrich Nietzsche die letzte Konsequenz des mit dem Pessimismus sich einigenden nihilistischen Atheismus entgegen eine Denkweise, von der wir uns nur mit Grauen abwenden können. Mit der Anpreisung des

635 WULCKOW, RICHARD (Danzig l. IO. 1832 - Darmstadt 31. 7. 1911), seit 1876 am Lehrerseminar in Darmstadt.

1897 Margarethe von Wrangell: „Er nimmt nur viel und gibt wenig."

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niedrigsten Sinnengenusses und der Verherrlichung der gemeinsten Selbstsucht des von allen sittlichen Schranken und Normen sich bewußt und geflissentlich losreißenden Eigenwillens - Nietzsche nennt ihn den .Willen zur Macht' - verbindet sich hier ein so fanatischer, aus dem Abgrund geborener Haß gegen alles Hohe und Heilige, gegen alles, was dem Menschen teuer und wert ist, gegen jede Religion und Sittlichkeit, vor allem gegen die Trägerin und Hüterin alles Heiligen und Sittlichen, die christliche Religion, daß wir diese Anschauung, wenn wir es hier überhaupt mit einer einheitlichen Denkweise zu thun haben - denn nicht einmal die Denkgesetze erkennt der .Ubermensch' Nietzsche als bindend an - nur als die Philosophie des Wahnsinns bezeichnen können. Das Shakespeare'sche .Vernunft wird Unsinn' trifft hier zu, der Verfasser selbst schmachtet jetzt bekanntlich in der Nacht des Irrsinns. Einen andern Ausgang konnte ja auch diese Art des Denkens nicht nehmen. Und die praktische Konsequenz auf sozialem Gebiete kann keine andere sein als die Anarchie"^ Einer gleichaltrigen Freundin schilderte die zwanzigjährige Margarethe von Wrangell, die damals gerade das Lehrerinnendiplom erworben hatte, in einem Brief aus dem Frühjahr 1897 ihre Eindrücke beim Lesen Nietzsches: „Ich machte mich an Nietzsche, und wenn mir manches an ihm wohl sehr gefällt, Stil, einige verblüffende Ideen und Lebenswahrheiten, so bin ich doch im ganzen etwas enttäuscht. Er beweist ganz klar unsere große Beschränktheit, schlägt vor, uns von altem Herkommen, alten Fesseln, den eignen und denen der Sitte, freizumachen, dem Verdruß, dem Zorn, dem Haß, der Liebe zu entsagen. Nun gut, aber was dann? Was gibt er uns für eine Entschädigung? Er sagt: solchen freien Geistern muß als der wünschenswerteste Zustand jenes furchtlose Schweben über Menschen, Sitten, Gesetzen und der herkömmlichen Schätzung der Dinge genügen. Schöne Geschichte! Auf eine Zukunft nicht hoffen sollen, die Gegenwart und die Menschen der Verachtung wert finden, und dies alles um eines bißchen Schwebens willen! Und das sollen freie Geister sein! Inwiefern sind sie denn frei, wenn ihnen alles, was sie verachten und abwerfen sollen, vorgeschrieben und eingetrichtert wird? Schwärmt er für die Freiheit, so soll er keine Fesseln geben, und reißt er die alten nieder, so soll er keine neuen vorschreiben, nämlich die Fessel, daß man keine haben darf. Aber klug ist er und schlau durchschaut er mancherlei. Er nimmt nur viel und gibt wenig. Er sagt auch, daß es falsch sei, wenn man für die abgelegte Religion einen Ersatz in der Philosophie suche. Man sollte nicht allein die Religion sondern auch das Bedürfnis nach einem Ersatz ausrotten. Das finde ich sehr kühn gesprochen. Wenn es einen glücklich macht, etwas anzubeten, und wenn es auch nur ein Tongötzlein ist, warum soll man's ihm nehmen? Dem einen sein Schweben und dem anderen sein Götzlein."637

636 Christentum und moderne Weltanschauung. Ein apologetischer Beitrag. C. Villaret. Erfurt 1897, S. 48 ff. Verfasser zeichnet als „Oberlehrer am Königlichen Gymnasium zu Erfurt"; HEINZELMANN, W. (Salzwedel 16. 5. 1840 - 1905), Verfasser v o n religiösen und pädagogischen Schriften. 637 Andronikow, Fürst Wladimir, Margarethe v o n Wrangell. Das Leben einer Frau 1876-1932.

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1897 Tod der Mutter: „Sie ward auch nicht irre an seinem Herzen"

E t w a ein J a h r später, auf der Zeichenschule in Reval, heißt es noch: „Ich will ordentlich Nietzsche lesen und keine Bekanntschaften in der Schule machen." 638 604 Albrecht, O., 639 Pastor in Naumburg a. S., Rede am Grabe der Frau Pastor Nietzsche, am 23. April 1897 auf dem Friedhof in Röcken bei Lützen gehalten. (PBll 39, 9, S. 525-529). Bietet kaum etwas über das Übliche hinaus. Vermerkt soll nur folgende Äußerung des Redners werden: „Sie ward auch nicht irre an seinem Herzen - ich weiß es als aus der einsamen Gedankenwelt des Weltweisen und Dichters neue, fremde, unerhörte Lehren hervorgingen, die sie ängstigten und bekümmerten." In K. Georgs „Schlagwort-Katalog"640 wird folgende Zeitschrift verzeichnet: Der Denker. Zeitschrift für Übermenschen. Red.: H. J. Dewald. G. Heckenast Nf. Preßburg. 1. Jg. Mai 1987-98. 52Nrn. hoch 4° 605 Walde, Philo vom, Die Mutter Friedrich Nietzsches. (BT 26. Jg., Nr. 224 v. 4. 5. 1897, Abendausg.). Ein Nachruf auf den Tod der Mutter, bei dem einige Einblicke in das Leben des kranken Nietzsche gegeben werden. 606 Biese, Alfred, Coblenz, Altes und Neues über Friedrich Nietzsche. (DWB1 Nr. 18 v. 6. 5. 1897, S. 216-219). Verfasser umreißt mit sehr wenigen Worten das meiste des damaligen NietzscheSchrifttums. Die eigene Einstellung verrät sich vielleicht am deutlichsten im folgenden Urteil: „Seine Weisheit ist alte Sophistik in neuem Gewände." Was „in den letzten Jahren den großen Erfolg" seiner Schriften hervorgerufen habe, sei „vor allem der Zauber des Stils", und damit wirke er narkotisierend „auf unfertige oder blasierte Gemüter". Von all den kaum mehr als angezeigten Arbeiten lobt er die von Tönnies (Nr. 567) am meisten. 607 Gast, Peter (Annaberg im Erzgebirge), Nietzsche und Brahms. (Ζ Bd. 19, Nr. 32. v. 8. 5. 1897, S. 266-269). Erwiderung auf den Aufsatz von Widmann im Berner „Bund" (Nr. 598). Nietzsche habe aus Dankbarkeit ein Exemplar seines „Hymnus an das Leben" an Brahms geschickt, da er erfahren hatte, dieser habe „Jenseits" schon gelesen und wolle sich dann an die „fröhliche Wissenschaft" machen. Hierzu bringt Gast das Dankschrei-

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Aus Tagebüchern, Briefen und Erinnerungen dargestellt. Langen-Müller. Mchn. 1936, S. 89 f.; WRANGELL, MARGARETHE VON (verh. Fürstin von Andronikow, Moskau 7. 1. 1877 Stuttgart 31. 3. 1932), Agrikulturchemikerin, Professorin der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim. Ebd., S. 9 6 .

639 A L B R E C H T , O T T O W I L H E L M F E R D I N A N D ( A n g e r m ü n d e 2 . 12. 1 8 5 5 - 1 9 3 9 ) , T h e o l o g e , M i t -

herausgeber der Werke Luthers. 640 3. Bd. Hann. 1901, S. 1811; ein Standort für die Zeitschrift ließ sich aber weder in Deutschland, Osterreich, der Tschechoslowakei noch den USA nachweisen.

1897 Riehl: Das moralische Schema „nur schlechte Hegeische Geschichtskonstruktion"

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ben von Brahms. Einige Aufmerksamkeit dürfen auch seine Ansichten über das, was Nietzsche zu Brahms hinzog und von ihm abstieß, verdienen. 608 Widmann, J. V. (Bern), Brahms und Nietzsche. (Ebd., 5. Jg., N r . 33 v. 15. 5. 1897, S. 326 ff.). Findet die Entgegnung Gasts (Nr. 607) nicht stichhaltig und besteht darauf, daß die scharfen Worte Nietzsches gegen Brahms im „,Fall Wagner' gekränkter Eitelkeit" zuzuschreiben seien. Gasts Behauptung, „die Karte von Brahms hat Nietzsche gefreut", gelten lassend, führt er drei kurze Stellen aus Briefen Nietzsches an den Verfasser an, die beweisen sollen, wie „wetterwendisch der große Philosoph" sei. Hier im Falle der Besprechung seiner Werke durch Carl Spitteier (Nr. 96). 609 Servaes, Franz, Goethe am Ausgang des Jahrhunderts. S. Fischer. Bln. 1897. 4 Bll., 48 S. Verfasser gibt Hinweise auf Nietzsches Stellung zu Goethe auf S. 29, 32 f., 45, sonst verrät sich Nietzsches Einfluß in der Fragestellung und Sprache des Verfassers.641 610 Riehl, Alois, Friedrich Nietzsche. Der Künstler und der Denker. Ein Essay. Frommann. St. 1897. 1 Taf., 132 S. (= Frommanns Klassiker der Philosophie VI). Eine Um- und Ausarbeitung von früher erschienenen Aufsätzen (Nr. 475, 483, 533, 601). Im ersten Teil (S. 9-25) ist die Schrift um mehrere Zeilen umfassende Stellen verkürzt und um absatzlange vermehrt, letztere zumeist eine Frucht des inzwischen erschienenen ersten Bandes der Lebensbeschreibung (Nr. 417) sowie der beiden Nachlaßbände (GIX, GX). Im zweiten nur unwesentlich geänderten Teile findet sich nur ein Neues: Nietzsche habe sich ein großes Verdienst erworben, indem er „dem Naturalismus in der Behandlung der Sprache den Stil gegenübergestellt und wieder gezeigt, was Stil in der Sprache ist". Im dritten Teil, Abschnitt 1-4, finden sich hauptsächlich kleinere Hinzufügungen aus dem zweiten Band der Lebensbeschreibung (Nr. 547). Der fünfte Abschnitt dieses dritten Teiles ist das einzige bisher Unveröffentlichte an der Schrift. Hierin findet der Verfasser, das moralische Schema Nietzsches sei „nur schlechte Hegeische Geschichtskonstruktion, deren Resultate bereits vor der Untersuchung festliegen". Bis auf eine längere Stelle entspricht dann wieder der sechste Abschnitt dem früher erschienenen Aufsatz. Sonst

641 S. a. den Sammelband des Verfassers: Praeludien. Ein Essaybuch. Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1899, in dem sich anfiihrenswerte Erwähnungen Nietzsches finden, so auf S. 66 (zu Liliencron: „Nietzsche und Liliencron, beide sind sie Priester und Künder des Lebens, geschworene Feinde beide von mönchischer Entsagung und grauer Abstraktion."), 72 (im Zusammenhang mit Holz: „Und auch auf geistigem Gebiete trat der Impressionismus die Herrschaft an: in Nietzsche, dem genialsten aller Aphoristiker, haben wir einen impressionistischen Philosophen, der die zeitlose Abstraktion verwarf und die Weisheit in der prismatischen Strahlenbrechung ihres ersten unmittelbarsten Aufleuchtens zu zeigen verstand."), 91, 96, 138 (zu Dehmel: „Was bei Nietzsche doktrinäre Erkenntnis, zuweilen auch visionäres Schauen ist, das ist bei Dehmel bereits innerstes menschliches Erleben geworden."), 141, 152 f., 165 ff. (zu einem Gedicht von Paul Scheerbart: „[...] in Wirklichkeit ist es Nietzsche durchaus nicht entgegengesetzt, vielmehr dessen radikale Konsequenz, das Zerreißen seiner letzten bebenden Lüge."), 231, 386 f. (zu Bismarck, als der menschlichen Erscheinung, die wohl Nietzsches Sehnsucht nach dem Übermenschen ermutigt und beflügelt haben könne).

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1897 Hans Gallwitz: Der Mangel an Religion habe seinen reichen Geist verpuffen lassen

ist in der gesamten Schrift eine etwas ablehnendere Einstellung gegenüber Nietzsche zu bemerken, als in den einzelnen Aufsätzen. 610a Dass. 2., durchgeseh. Aufl. 1898. Bis auf einen siebenzeiligen Zusatz auf S. 122 unverändert. 610b Dass. 3., verbess. u. ergänzte Aufl. 1901. 1 Taf., 175 S., 4 Bll. (= Vlgs.-anz.). S. 134-141 sind neugeschrieben, 149-164 wesentlich erweitert, und 164-169 entsprechen den Ausführungen des 1900 erschienenen Aufsatzes (Nr. 1153); die Seiten 171175 enthalten neu Namen- und Sachregister. 610c Dass. 4., verbess. u. ergänzte Aufl. 1901. Im wesentlichen unverändert. 610d Dass. 5. Aufl. o. J. viii S., 1 Taf., 167 S. Etwas erweitert, aber im wesentlichen unverändert geblieben. 610e Dass. 6. Aufl. 1920. 1 Taf., viii, 171 S„ 4 Bll. (= Vlgs.-anz.). Bis auf zwei kleinere Zusätze (S. 8, 6zeilig, u. 104, 13zeilig) und eine Streichung (S. 154, 2zeilig) unverändert. 610f Dass. 8. Aufl. 1923. 1 Taf., viii, 156 S., 2 Bll. (= Vlgs.-anz.). Namen- und Sachregister sind fortgefallen, sonst unverändert. 611 Gallwitz, H. (Sigmaringen), (PJb Bd. 88, H. 2 v. Mai 1897, S. 324-342). Eine Sammelbesprechung der Nietzsche-Bücher von Tönnies (Nr. 567), Ritsehl (Nr. 555) und Kaftan (Nr. 580) und der vier Aufsätze von Riehl (Nr. 475, 483, 533, 601). „Den ersten Platz" verdiene die Schrift von Tönnies, „nicht nur weil sie auf genauester Kenntnis der Nietzscheschen Schriften beruht, sondern vor allem, weil N.s Meinungen und Irrungen für den Verfasser die Bedeutung einer persönlichen Angelegenheit haben". Besprecher findet auch, daß „den Einwänden gegen einzelne Sätze N.s in der Regel beigestimmt" werden müsse. An den Aufsätzen Riehls lehnt er die Bezeichnung Nietzsches als eines „Buddhistischen Heiligen" ab; er sei in allen drei Perioden „immer Kraftmensch": „Sein Extravagiren und seine Haltlosigkeit in jeder Phase der Entwicklung rühren daher, daß er niemals die recht Stellung zum Objekt findet." In dem Bemühen, „jegliche Abhängigkeit von den Objekten der Erfahrung von sich abzustreifen", habe er „die letzten Konsequenzen der Kantschen Freiheitslehre gezogen". Besprecher lehnt Ritschis These ab, der Atheismus sei „das Stück [...], in welchem N. sich immer gleich geblieben ist", da dieser als „negativer Begriff [...] niemals ein Bindeglied zwischen verschiedenen Perioden fruchtbarer, schöpferischer Thätigkeit [...] sein" könne. Wolle man „N. gerecht werden, so muß man zugestehen, daß er ernster und strenger als andere Denker sein Leben in den Dienst der Moral gestellt hat". Kaftans Werk wird kurz abgetan: er urteile schließlich, „als ob der Inhalt der Moral als eine unverbindliche Größe gegeben sei und von jedem Vernünftigen als selbstverständlich anerkennt werden müsse", und so könne man „freilich N . nicht gerecht werden". Durch einen „Mangel seines Innern" sei sein „reicher, tiefer Geist wie ein Feuerwerk verpufft": „Es ist der Mangel an Religion, die ihr größter Prophet in diesem Jahrhundert als Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit gedeutet hat." „Er hat aber nicht nur sich selbst verzehrt, auch auf dem Acker der Moralwissenschaft hat er viele dürre, theoretische Formeln, Gesetze und Vorurtheile verbrannt und den Boden für eine neue Saat bereitet."

1897 Leo Berg: Der Übermensch in der Litteratur

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612 Salis-Marschlins, Meta von (Dr. phil.), Philosoph und Edelmensch. Ein Beitrag zur Charakteristik Friedrich Nietzsche's. C. G. Naumann. Lpz. 1897. 2 Bll., 110 S., 1 Bl. Das Werk erschien erst nach Mai 1897. Sieht in Nietzsche einen Verkünder der langsam emporkommenden „Aristokratisierung", die sich der „großen Schlammwelle der Demokratisierung" entgegenstemme. Bekanntschaft mit Nietzsches Schriften in Venedig im Sommer 1881 durch einen „dalmatinischen Maler", einen Herrn R(askowitsch), Schützling von Peter Gast, der Nietzsche auch persönlich kannte. Nachdem sie im Kreis der Malwida in Rom im Winter 1878 / 79 von Nietzsche gehört hatte, lernte sie im Sommer darauf in Naumburg Mutter und Schwester und am 14. Juli 1884 als Studentin in Zürich Nietzsche persönlich kennen. Uber „seine Stellung zu den Frauen und die zunehmende Schärfe des Tons im Urtheil über sie", meint die Verfasserin, müsse man ihm das Recht zugestehen, „in einem Punkte fehlzugreifen". Sie traf ihn, der gerade in Begleitung von Helen Zimmern und den Engländerinnen Fynn war, vom 8.-10. September 1886 in Sils Maria wieder. A m 3. Mai 1887 in Zürich begegneten sie einander nochmals. Sie waren beide sieben Wochen zur gleichen Zeit in Sils und haben des öfteren miteinander gesprochen (Ende Juni - Anfang September 1887). Ende Juli 1888 traf sie ihn wieder in Sils auf „ein paar Wochen". Unter den vielen Gesprächsstellen bringt die Verfasserin auch Stellen aus elf Briefen Nietzsches an sie. 613 Berg, Leo, Der Ubermensch in der modernen Litteratur. Ein Kapitel zur Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Albert Langen. Paris, Lpz., Mchn. 1897. xi S., 1 Bl., 281 S., 1 Bl. Verfasser will mit diesem Werke „die Genealogie des Begriffes ,Ubermensch'" geben und beginnt, da „der alte Jehovah tot" sei, mit einer Darstellung des neuen Gottesbegriffes bei Kant, Fichte und Feuerbach unter Hinweisen auf Schelling und Hegel. Dabei findet er aber auch schon Andeutungen des „Uber- und Unterganges des Pantheismus in den Individualismus, [...] des Uberwesens in den Ubermenschen", in den Sprüchen des Angelus Silesius. Er setzt seine Untersuchung über Stirner, Kierkegaard, Carlyle, Emerson, Schopenhauer, Flaubert, Renan und Comte fort, um darauf nach Deutschland zurückzukehren, das „den Ruhm" habe, „wie es den Keim des Ubermenschen ausgestreut hat, daß in ihm auch der Baum des neuen Glaubens in die Krone geschossen ist". Er knüpft bei Paul de Lagarde an und führt dann unmittelbar auf Nietzsche, bei dem „alle die Motive zusammenkommen, die in einzelnen vorher zu den Ideen des neuen Adels, der starken Individualität, des neuen Heros führten". Bei ihm werde „aus einem Begriffe ein neuer Gott, nachdem aus dem alten Gotte ein Begriff" geworden sei. Auf dem Gebiet der Literatur sieht er ähnliche Strömungen in Kleist (Michael Kohlhaas), O t t o Ludwig (Erbförster), Immermann (Merlin), Hebbel (Judith), Wagner (Siegfried) und Heine; ebenso bei Dostojewski (Raskolnikow) und Ibsen (Kronprätendenten, „das hier angeschlagene Thema vom königlichen Ubermenschen klingt durch Ibsens ganze Dramatik hindurch"). Strindberg (Tschandala, An offener See) ist ihm „derjenige moderne Dichter, der zuerst von Nietzsche ausgegangen ist". In Wilbrandts „Osterinsel" (Nr. 358 „[...] die bedeutendste Arbeit" und „einer der vortrefflichsten Romane, die unsere Zeit hervorgebracht hat") sieht er „einstweilen das wichtigste und lehrreichste Phänomen, das die Begegnung Zarathustras mit den deutschen Bildungsidealen"

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1897 Stanislaus Przybyszewski: Auseinandersetzung mit dem Anarchismus

hervorgebracht habe. Bei Paul Heyse (Über allen Gipfeln, Nr. 359) „kapituliert der Übermensch vor der höheren Tochter". Weitere Gestaltungen findet er bei Hans Hoffmann (der eiserne Rittmeister, Landsturm, Der Teufel im Sande), J. V. Widmann Qenseits von Gut und Böse, Nr. 249) und Viktor Naumann (Ikaros). Bei den „Jungdeutschen" angelangt stellt er fest, daß die „Geschichte des Übermenschen" in ihrem Falle „beinahe die Geschichte ihrer Bewegung ausmacht". Er behandelt darauf Karl Bleibtreu (Der Übermensch, s. Anm. 619), Hermann Conradi (Phrasen, Nr. 89), Arno Holz („[...] der gesundeste und mithin uninteressanteste Typus des Jungdeutschthums"), Hauptmann (Heinrich in der „Versunkenen Glocke" sei aber „kein Übermensch, nicht einmal ein Mann, sondern ein schwaches, schwankendes Menschenkind, das ins Licht will, aber in die Finsternis hineinstolpert"), Ludwig Fulda, Richard Voß, Hartleben (Hannajagert, „[...] die Komödie von dem weiblichen Übermenschen"),642 Sudermann (Heimat), Laura Marholm (Karla Bühring), Wedekind (Der Erdgeist), Langbehn („Das philosophische Grundbuch des jungen Deutschland war bis vor kurzem nicht das Zarathustra-, sondern das Rembrandtbuch"), Dehmel (Der Mitmensch), Przybyszewski, Mackay, Maria Janitschek, Julius Hart, Franz Evers, Robert Steinhauser (Nr. 315), Morgenstern, um sehr anerkennend mit Björnson (Über unsere Kraft, „[...] das Schwanenlied des Übermenschen") zu schließen. Anführenswert sind einige Eindrücke des Verfassers vom frühen „Nietzscheanismus": „Nachdem Nietzsche aber sein Zauberwort ausgesprochen hatte, war in Deutschland plötzlich alles Übermensch [...] Man machte Schulden, verführte Mädchen und besoff sich, alles zum Ruhme Zarathustras. Einen sogar kenne ich, der meint, zu den besonderen Rechten des Übermenschen gehörte auch, in Gesellschaft um sich herumzuspeien und mit den Fingern in schmutziger Gier zu essen. Bei einem Renkontre mit den Nachbarn, die gegen diese Schweinerei energisch protestierten, berief er sich stolz auf seine Individualität, und daß er Nietzscheaner wäre [...] Ein Anderer giebt seinem kleinen Buben Schnaps zu saufen, und wenn man sich solcher Gemeinheit verwundert, erklärt er ganz entschieden: der soll ja doch der Übermensch werden und muß früh dazu angehalten werden." (S. 216 f.) 1897 erschien der Roman von Stanislaus Przybyszewski „Satans Kinder", 643 in dem es um Mord, Diebstahl, Brandstiftung, Selbstmord, Kindestötung und Aufwieglung der Massen in einer deutschen Kleinstadt geht. Der Held unterhält eine lockere Verbindung zu einem anarchistischen „Centraikomitee" in London, dessen „Menschheitsideen" er und einige der Mitverschworenen aber verachten. Gordon „will zerstören, nicht u m aufzubauen, sondern nur um zu zerstören", und seine Kinder, eben „Satans Kinder", findet er überall:

642 Das Werk Hartlebens (S. Fischer. Bln. 1893. 110 S.) scheint eher dem Geiste Stirners und Ibsens verpflichtet. 643 A. Langen. Paris, Lpz., Mchn. 1897. 312 S., 3 Bll. (= Vlgs.-anz.). 2. Aufl. F. Fontane. Bln. 1905, überklebt: Georg Müller. Mchn. 1919, nur in der Seitenzählung anders.

1897 „Noch nie hat die bürgerliche Angst [...] besser verkleidet"

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„Der, der da dem Gotte flucht und den Atheismus predigt, der, der einen Menschen unglücklich macht und die Umwertung der Werte lehrte, um sein böses Gewissen zu beruhigen, der, der keinen Raum für seinen Ehrgeiz findet und die Ordnung der Dinge umstürzen will, der Gekränkte und der Unzufriedene - sie alle arbeiten für mich!" (S. 94) Von den Verschworenen werden Bakunin und Schopenhauer erwähnt und zwar als Pessimisten, und ein Priester weiß davon zu erzählen, daß selbst in der Schule „ein paar Exemplare von Büchner, Strauß und Renan von Hand zu Hand circulieren".

Eine eigentliche Auseinandersetzung und Stellungnahme findet sich aber nur im Zusammenhang mit der Erwähnung Nietzsches. Der ausgesprochene Anarchist Hartmann fragt den Helden Gordon, was er „eigentlich über Nietzsches Philosophie" denke, da meint dieser: „.Seine Philosophie interessiert mich nicht im geringsten. Als Philosoph ist er nicht besser und nicht schlechter als irgend ein anderer bürgerlicher Philosoph [...] Die ganze bisherige Philosophie wurzelt immer in der Ethik des Bürgertums, der einzigen Ethik, die das Bürgertum hat, nämlich der Heiligkeit und Unantastbarkeit des Besitzes [...] Was macht Nietzsche? Er ist ja auch von der pessimistischen Lebensanschauung ausgegangen; er ist sich ganz klar, daß das Leben nichts taugt; um aber die Grenzen zwischen Dein und Mein nicht zu verrücken und weil er das banale Mittel der Erlösung durch den Tod verschmäht, so lehrt er die Menschen: Werdet Ubermenschen! [...] d. h. werdet edel und weise, arbeitet mit Begriffswerten, kümmert euch nicht um den Gang der bürgerlichen Weltordnung, sondern zerbrecht nur ihre Tafeln, natürlich auf dem Papier, und verachtet sie [...] Noch nie hat die bürgerliche Angst, daß das Besitztum am Ende doch angetastet werden könnte, sich besser verkleidet [...] Im Grunde ist es ja dasselbe, was das Christentum lehrt [...] Die einen fahren nach Indien und gehen bei den Brahmanen in die Lehre, die andern suchen sich zu reinigen und zu adeln durch die Mittel des reinen Menschentums, die dritten werden gar Ubermenschen! Lächerlich, diese zitternde Angst, die sich nun zur Abwechslung den Ubermenschen geschaffen hat.'" Hierauf erwidert Hartmann: „,Sie urteilen furchtbar leichtsinnig und einseitig. Sie springen mit einem Menschen wie Nietzsche wie mit einem Schulbuben um [...] "'(S. 61 ff.) Gordon läßt den Einwand zum Teil gelten, verteidigt seinen Standpunkt aber weiter mit den Worten: „,Das ist's ja eben, warum ich die Anarchisten verachte. Sie wollen den Besitz abschaffen, aber sie verehren die Menschheit [...] N u r insofern halte ich mich für ein Stück der Menschheit, als ich mit ihr etwas gemeinsam habe: den Besitz. H a b ' ich Besitz, dann habe ich Liebe zur Menschheit, und darf nicht zerstören [...]"' Recht Nietzschesch klingt es aber doch, wenn Gordon sagt: „,Ich will die Macht nur in der That genießen, Macht als Besitz ist mir ebenso lächerlich als das lumpige, verschuldete Gut, auf dem ich sitze.'" (S. 64) Dem Mitverschworenen Botko gegenüber, der dem Gordon an Kaltblütigkeit am meisten ähnelt, meint Stefan Wronski, der sich durch Brandstiftung an einem seiner bürgerlichen Quäler rächen will, andere Beweggründe aber gelegentlich vorschiebt: .„Nietzsche hat die Werte auf dem Papier umgewertet. Ich werte sie in mir um. Ich will das Böse, das sogenannte Böse mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der ein Müller oder Schulze das Gute thut.'" (S. 112)

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1897 Hermann Türck: Der bornierte Stirner „im Grunde viel klarer und präziser"

614 Türck, Hermann, Der geniale Mensch. O. Rassmann. Jena u. Lpz. 1897. 4 Bll., 263 S., 2 Bll. Über Nietzsche zusammen mit Stirner, Ibsen und Strindberg im letzten Abschnitt: „Der bornierte Mensch als Gegensatz zum genialen, und die Philosophie des Egoismus", S. 243-263. Nennt Stirner Nietzsches Vorgänger, der, „nur mit ein wenig andern Worten, aber im Grunde viel klarer und präziser als Nietzsche", die Lehre „des Anarchismus oder der auf sich beschränkten oder bornierten Individualität entwickelt" habe, und stellt Nietzsche neben Stirner, Ibsen (bes. in „Hedda Gabler" und „Baumeister Solneß") und Strindberg (bes. in „Fräulein Julie") als Vertreter der „sittlichen, intellektuellen und künstlerischen Borniertheit" hin. 614a Dass. 2. Aufl. 1897. 4 Bll., 263 S. Zur Aufsatzüberschrift wurde „: Stirner, Nietzsche und Ibsen" hinzugefügt, sonst bis auf wenige stilistische Änderungen ein unveränderter Abdruck der ersten Auflage. 614b Dass. 3. stark verm. Aufl. Ferd. Dümmler. Bln. 1898. ix S., 1 Bl., 378 S., 1 Bl. Verfasser berichtet im Vorwort: „Die Vorlesung über Stirner, Nietzsche und Ibsen ist durch eine größere Abhandlung über Nietzsche vermehrt worden, die sich im wesentlichen mit dem Hauptteil meiner Schrift .Friedrich Nietzsche und seine philosophischen Irrwege' [Nr.182] deckt." Der betreffende Abschnitt heißt nun: „Der bornierte Mensch als Gegensatz zum genialen, und die Antisophie des Egoismus: Stirner, Nietzsche und Ibsen", S. 305-366. Nietzsche-Fundstellen sonst auf S. 47 ff., 67 ff., 195, 236 f., 251, 257, 259, 260, 277 ff., 282, 298, 370 f. Zum dritten Abschnitt sind Absätze hinzugekommen, in denen der Apostel Johannes, Jacob Böhme und Luther auf Seiten der „Guten" zu Worte kommen. In drei Absätzen ist auch einiges zum Schluß des vierten Abschnittes hinzugefügt. Der Schluß des fünften Abschnittes ist leicht geändert und um zehn Absätze verlängert. Dem achten Abschnitt sind 31 Absätze angehängt, in denen ein erneuter Seitenhieb gegen Nietzsche geführt wird. Der ganze neunte Abschnitt (= Das weltliche Ubermenschentum Alexanders, Cäsars, Napoleons, S. 253-282) ist neu. Hierin will Verfasser gezeigt haben, „daß das weltliche Ubermenschentum nur äußerlich und in seiner Entfremdung von sich selbst, in seiner krankhaften Entartung mit dem Stirner-Nietzscheschen Ubermenschentum verwandt ist, in seiner ursprünglichen und reinen Gestalt aber eine innere Beziehung zum religiösen Ubermenschentum eines Christus und Buddha aufweist". Dabei entdeckt er in Anaxarchus wiederum einen Vorgänger Nietzsches. Zwischen dem letzten und vorletzten Absatz des zehnten (früher neunten) Abschnittes werden drei neue Absätze eingefügt. Zum elften (früher zehnten) Abschnitt fügt er seinen Worten über Nietzsche 48 neue Absätze hinzu, bevor er darauf zu Ibsen übergeht. Den Worten über Ibsen ist lediglich die Besprechung einer Aufführung von „Baumeister Solneß" im Burgtheater neu beigegeben. Obwohl Nietzsche seine Anhängerschaft dem „spitzfindigen Scharfsinn des MoralischSchwachsinnigen" verdanke, muß der Verfasser gestehen: „Nietzsche ist konsequent, er ist keiner von den Halben [...], er verfolgt das asketische Ideal bis in seine letzten Schlüpfwinkel hinein." Im ganz neuen zwölften Abschnitt (= Schlußbetrachtung) wendet er sich in einem Vergleich mit Napoleon wieder gegen Nietzsche.

1897 Der Moralisch-Schwachsinnige sei aber „konsequent, er ist keiner von den Halben" 4 6 1

614c Dass., 6. verbess. Aufl. 1903. xv, 422 S„ 5 Bll. Dem Vorwort vom Juli 1903 sind auch die Vorworte zu sämtlichen früheren Auflagen, mit Ausnahme des zur 2., angehängt. Es seien in vorliegenden Auflage „nur geringefügige Verbesserungen" angebracht. Sonst verweist Verfasser auf anderswo erschienene Arbeiten und Neuauflagen anderer Werke. Der betreffende Aufsatz nun auf S. 327-410. Sonstige Fundstellen: S. 47 ff., 67 ff., 205, 246 f., 268, 278, 280, 281, 298 ff., 304, 414 f., 374 ff. Im zweiten Abschnitt wird nun auch Newton zu den Gegenspielern Nietzsches „Egoisten" zugerechnet. An anderer Stelle behauptet der Verfasser, „von anderer sehr gut orientierter Seite" zu wissen, daß Nietzsche „erblich belastet gewesen" sei. Auch habe einer, „der im NietzscheArchiv gearbeitet hat", ihm mitgeteilt: „[...] er fand dort eine handschriftliche Bemerkung Nietzsches, in seiner Familie habe ein unwiderstehlicher Hang zum Lügen geherrscht; er selbst habe nur mit großer Mühe dagegen ankämpfen können." Strindberg, „der sich selbst", nach der dritten Auflage, „einen Schüler Nietzsches" genannt habe, fehlt nun ganz. Die ersten drei zum Schluß angehängten Blätter enthalten Auszüge, ausschließlich anerkennende versteht sich, aus nicht weniger als 42 Besprechungen des Werkes. 614d Dass. 7. verm. Aufl. (= 11.-12. Tsd.) 1910. xiv S., 1 Bl., 529 S., 4 Bll. Der betreffende Abschnitt jetzt auf S. 375-488. Nietzsche-Fundstellen sonst nun auf S. 54 ff., 77 ff., 234, 280 f., 304, 318, 320 f., 322, 341 ff., 347 f., 520 ff. Vor der „Schlußbetrachtung" als XII. Abschnitt ist nun ein Abschnitt „Pandora- und Sündenfall-Mythus" eingefügt. 614e Dass. 8. Aufl. (13.-20. Tsd.). Wilh. Borngräber. Bln.1917. xvi, 364 S„ 2 Bll. (= Vlgs.-anz.). Der betreffende Abschnitt auf S. 256-334. Mit dieser Auflage wurde dem Werk ein Namenverzeichnis angefügt, sonst keine wesentliche Änderungen, was Nietzsche betrifft. 614f Dass. 11. verbess. Aufl. (= 31.-35. Tsd.). 1920. xvi, 406 S., 1 Bl. Der betreffende Abschnitt, der nun: „Der bornierte Mensch als Gegensatz zum genialen; die Misosophie des Egoismus: Stirner, Nietzsche und Ibsen" heißt, auf S. 285-374. Hier macht Türck die Quellen der persönlichen Äußerungen über Nietzsche auch namhaft: Professor Max Heinze und Dr. Max Zerbst; sonst nur unwesentliche Änderungen. 614g Dass. 14., verbess. Aufl. m. e. neuen Einl. Verus-Vlg. Weimar 1931. 4 Bll., 429 S., 1 Bl. Über Nietzsche S. 310-396. Die neue Einleitung (S. 3-16) befaßt sich mit dem „Verhältnis des genialen, schöpferischen Menschen zur Religion und zur Wissenschaft". Verfasser meint, Nietzsche habe „schärfer gesehen als alle Freidenker", da er beide verworfen und somit ihre Zusammengehörigkeit negativ bewiesen habe. Zerbst wird nicht länger erwähnt. Sonst bis auf einige Streichungen und wenige Zusätze unverändert. 615 Schellwien, Robert, Nietzsche und seine Weltanschauung. Eine kritische Studie. Alfr. Janssen. Lpz. 1897. 45 S., 1 Bl. Verfasser stellt dem „Willen" Nietzsches, den er als „Individualwillen" auslegt, den „schöpferischen Allwillen" entgegen, der „sich in der Mannigfaltigkeit der Individualwillen bejaht und durch die Negativität hindurch, die der Individualwille

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1897 Ilse Frapan; „ehe könne eine Frau einen großen Mann ehren und verstehen"

nothwendig an sich trägt, als Allwille zum Leben aufrecht erhält vermöge einer relativen Verneinung dieser Negativität". Er findet auch, daß die Nietzschesche Philosophie „offenbar Anregungen" vom Darwinismus empfangen, ihn aber zugleich „verinnerlicht" habe. Doch sei Nietzsche ein „tiefgründiger Denker", wovon „wohl am wenigsten die Nietzscheaner einen erschöpfenden Begriff" haben. Zum Schluß ruft er aus: „Wenn er [d. i. Nietzsche] nur gewußt hätte, wie viel weiser sein Herz war, als sein Verstand! Es war das Schicksal dieses Mannes, vermeintlich unvermeidbare intellektuelle Konsequenzen zu ziehen gegen den Einspruch des Herzens." Eine bemerkenswerte Einsicht in die zweideutige Einstellung der Frau zu Nietzsche sowie ein einsichtiges Urteil über manch Gegenschriftchen liefert eine kurze Novelle der Schriftstellerin Ilse Frapan: 616 Sie. Novellen. (In: I. F., In der Stille.Novellen und Skizzen. Gebr. Paetel. Bln. 1897, S. 1-48). Die Frau Justizrätin Sophie Heller begräbt gerade ihren überraschend gestorbenen, wohlhabenden Mann. Da alle sie bemitleiden möchten, in dem Glauben, sie habe 16 Jahre eine glückliche Ehe geführt, kehrt sie allein nach Hause zurück und verbringt die darauffolgende Zeit allein mit der Niederschrift ihrer Gedanken über das eheliche Verhältnis im allgemeinen und das zu ihrem Gatten im besonderen. Sie war „aus der Gewalt des Vaters in die des Gatten" gekommen. Dieser hatte „ihr die Menschen gezeigt, wie er sie sah - kaltherzig und schadenfroh bei fremdem Unglück", so hatte sie ihre frühere Meinung von einer „Welt von Freunden" über Bord geworfen. Er hatte nach dem Spruch gehandelt: „Wer Gefühl hat, der ist schwach; wer es hat und noch dazu zeigt, der ist dumm; aber wer es nicht hat und es dennoch zeigt, der ist unüberwindlich." Kurz vor seinem Tode hatte er, schon Reichstagsabgeordneter, in der Absicht, auch noch Minister zu werden, eine Schrift gegen Nietzsche verfaßt, die auch an den Kaiser gesandt wurde. Als sie ihre Verwunderung über diese Gegnerschaft des Gatten aussprach, erklärte er ihr „bleich vor Wut": „Wer hat ihm erlaubt, unsere Geheimnisse der Herde preiszugeben? Die allererste Wahrheit, daß die Wahrheit das Geheimniß der Auserwählten sein und bleiben muß, die hat er vergessen! Warum? Aus Eitelkeit, aus ganz gemeiner kleinmenschlicher Eitelkeit, weil es ihn juckte, von der Horde Laffen angestaunt zu werden!" Die „Flugschrift" fand dann auch reißenden Absatz, „obgleich sie sich nicht sehr von anderen, ungefähr gleichzeitig veröffentlichten unterscheidet. Sie war, wie jene meistens auch, im Ton moralischer Entrüstung gehalten, Christenthum und Ethik wurden warm in Schutz genommen, das Zusammenstehen aller ,Guten' gegen solche jugendverderbliche Irrlehren gefordert." Diesen Gatten zählt sie eben zu den kleinlichen Menschen, eher könne eine Frau einen großen Mann ehren und verstehen.644

644 FRAPAN, ILSE (eigentl.: Elise Therese Levien, verh. seit 1898 mit dem Armenier H . Akunian, Hamburg 3. 2. 1849 - Grand Lancy b. Genf 2. 12. 1908 durch Selbstmord), zunächst,

1897 Leixners Also sprach Zarathustras Sohn: „auch sie waren ja leidende Menschen"

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Eine eher an Heyses „Uber allen Gipfeln" erinnernde Gestaltung findet sich in einem Werke von Otto Leixner: 617 „Also sprach Zarathustras Sohn [...]" Aus der Geistesgeschichte eines Modernen. 2. Aufl. O. Janke. Bln. (1903). 3 Bll., 222 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.). Die Erstausgabe erschien 1897. Die Darstellung umfaßt knappe sechs Jahre (Spätherbst 1891 bis Sommer 1896) im Leben des zu Beginn 26jährigen Dr. phil Karl Schreiner. Er ist Lehramtskandidat in Berlin und Verfasser einer zu zwei Dritteln fertigen Fortsetzung und Uberwindung Nietzsches, die eben den Titel trägt: „Also sprach Zarathustras Sohn". Er liest daraus seitenlang in einer Gesellschaft der „Freiherren aus eigenen Gnaden": „Du sprachst Weltenuntergänge, Gottüberwindungen, Du Hammerschwinger, Blitzeschmieder, Du Donnerzüngiger [...] Du hattest in Dir Todesängste von Deiner weichen Schwachheit und wandest Dich in Fieberkrämpfen, und da träumtest Du die Werke des Starken, die Härte des Edelsten [...] Und nun, Ihr Jünger, tretet in den Tempel! Ich will Euch künden den echten Herrn, der sich selbst krönt im eigenen Reiche [...] In meines Vaters Seele hat gelebt die Sehnsucht und sah hundertäugig hinaus in das Land des Kommenden. Ich habe keine Sehnsucht mehr. Den Stab des Königs habe ich geworfen auf die Lande meines Selbst." Man sieht Karl in seiner tiefsten Niedertracht die Verführung seiner Freundin Elisabeth, einer 20jährigen Gelehrtentocher, vorbereiten. Doch mißlingt ihm der Versuch; die Mutter, die als Geheimrätin jahrelang zu Hause in Thüringen gehungert hat, um den Sohn „ohne Sorge leben zu lassen", stirbt, er erkrankt, aber Elisabeth und seine Schwester Marie versorgen ihn, und mit Hilfe des Schwagers Kurt kommt er langsam zu sich: „Das Wort Kurts, daß die Aufgabe des Einzelnen sei, ,in den sittlichen Kosmos hineinzuwachsen', wurde langsam zum Grundsatze seiner Anschauung des geschichtlichen Werdens." Er nimmt eine Dozentur für neuere Geschichte und Philosophie an und hält seine Antrittsvorlesung über „Die sittlichen Gedanken und das Gesellschaftsleben". „Begraben war der harte ,Sohn Zarathustras', der vom Gipfel verächtlich hinabsah auf die ,Allzuvielen'. Auch sie waren ja leidende, irrende Menschen oft von falschem Herrentum unterdrückt, und auch für sie muß kämpfen im Geiste der Liebe und Wahrhaftigkeit, wer sich durch das Urgesetz des Lebens mit ihnen verbunden weiß."

bis 1883, Lehrerin am Paulsenstift zu Hamburg, gefördert von Fr. Th. Vischer, Heyse u. Julius Rodenberg, 1892-1901 Studienjahre in Zürich, Schriftstellerin. Aus der ersten Zürcher Zeit schrieb sie in einem Brief an Heyse v. 14. 3. 1893 über die damals dort studierende „Jugend": „Sozialismus, Blasiertthun, Gleichberechtigung und Verachtung der Frau, Haß auf den Darwinismus, u Ausbeutung ,der Bestie' im Menschen, - es reimt sich nicht, aber es bleibt alles zugleich u in denselben Köpfen. Jeder einzelne Student (sofern er nicht kneipt, was aber hier nicht Usus ist!) beschäftigt sich eifrig mit der .Umwertung der Werthe', mit der Zurückkrempelung der verschrumpften Menschlichkeit, deren Hauptfeindin die Ethik ist! ,Sie entrüsten sich moralisch!' ist so ziemlich die höchste Beleidigung, die einer aussprechen kann. Natürlich steht hinter alle dem Nietzsche, den sie aber auch .kreiert' zu haben vorgeben." (n. Kraft-Schwenk, Christa, Ilse Frapan. Eine Schriftstellerin zwischen Anpassung und Emanzipation. Königshausen + Neumann. (Würzb.) 1985, S. 54).

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1897 Karl Knodt: Die Gefahr [...] und ihre Nachwirkung in der neuen deutschen Lyrik

BE Nietzsches Briefe an Louise Ott. (Hg. v. Henri Lichtenberger 645 in: Cosmopolis Mai 1897, S. 470-474). Enthält die sieben Briefe Nietzsches an Madame Ott, ohne daß ihr Name erwähnt wird. BEa Hierzu gibt es einen 15seitigen Separatdruck, bei dem die S. 11-15 die Briefe Nietzsches enthalten. BF Lesefrüchte (Aus Nietzsches Zarathustra) Mitgeteilt v. Karl Ernst Knodt. (MDL 1. Jg., H. 8 f. v. Mai u. Juni 1897, S. 380-384, 430 ff.). Da Nietzsche „ebensoviel Gold als Gift in seinen Schriften" biete, will der Herausgeber mit diesen Stellen durch „Nietzsche gegen Nietzsche" feien. 618 Knodt, Karl Ernst, Die Gefahr „Nietzsche" und ihre Nachwirkung in der neuesten deutschen Lyrik. Eine Abhandlung. (Ebd., S. 364-369, 395-402). Schließt sich der Meinung Schrempfs (Nr. 393) an: „Nietzsche [d. i. im Gegensatz zu Kierkegaard] habe die richtige Methode für sich nicht gefunden, da er sonst nicht wahnsinnig geworden wäre." Mit Kaftan (Nr. 580) weist er auf die „verbotene Tragik des Schicksals Nietzsches" hin, die in „seinem leidvollen Lebenslos, in seiner kranken Beanlagung" und in seinem „verzweifelten Kampf gegen Gott" sich offenbare. Die Nachbeter, zu denen er Conradi, Henckell, Arent und vor allem Dehmel, dessen „Weib und Welt" Verfasser aus Nietzsche im einzelnen zu widerlegen sucht, zählt, haben „das en masse vermaterialisiert, was Nietzsche immer nur mit Beschränkung auf die von ihm gesuchten, höheren Menschen frei gegeben hat". 619 Geiger, Albert, 646 Nietzsche als Liederdichter. (DDh 17. Jg., H . 12 v. Mai 1897, S. 266-269). Befaßt sich verhältnismäßig eingehend mit der „Entwicklung des Liederdichters Nietzsche", wobei dieser sich „aufs deutlichste" als ein „Formgenie" zeige. N u r äußerst selten glaubt er eine „stilistische Schrulle", „eine bizarre Geistreichelei" vermerken zu müssen. 620 anonym, Das Leben Friedrich Nietzsche's. (DtWacht v. 20. 5. 1897). Liefert eine recht warme und lange Besprechung des ersten Bandes der Lebensbeschreibung (Nr. 417) mit viel Verständnis sowohl für die Verfasserin als auch für ihren Gegenstand. 621 Sv., Friedrich Nietzsche über Musik. (NMZg Bd. 18, 1897, S. 184 f., 196 f., 209 Bringt „eine Blütenlese" der Aussprüche Nietzsches über Musik und Musiker. Die häufig vorkommenden Bemerkungen „abgeschmackt" und „ungereimt" verraten die Einstellung des Verfassers. 622 Diederichs, H.,647 (BMs Bd. 44, 1897, S. 305 ff.).

645 LICHTENBERGER, HENRI (Mülhausen / Elsaß 12. 3. 1864 - Biaritz 4. 11. 1941), französischer Germanist, seit 1887 Professor der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Nancy, seit 1905 an der Universität Paris. 646 GEIGER, ALBERT (Bühlerthal / Baden 12. 9. 1866 - Karlsruhe 15. 1. 1915), Dichter, Dramatiker, Erzähler. 647 DIEDERICHS, HEINRICH, geb. am 27. 2. 1840 zu Mitau, Oberlehrer, Hofrat, Sekretär und Bibliothekar der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst.

1897 Zwei weitere von Fritz Koegel besorgte Nachlaßbände: 1876 - 1885

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Im allgemeinen die Schrift von Wilhelmi (Nr. 570), besonders ihre Kennzeichnung Carlyles anerkennend, weist der Besprecher aber die Behauptung zurück, daß „in Nietzsche religiöse Regungen und Momente zu finden" seien. Es ist ihm „ein Trost, daß diese Philosophie sich nicht mehr überbieten läßt, denn damit ist zugleich die Hoffnung gegeben, daß bald eine Reaktion des idealen Geistes, durch den einst das deutsche Volk allen anderen vorangeleuchtet hat, eintreten wird". GXI Friedrich Nietzsche / Werke, Band XI. / Schriften und Entwürfe / 1876-1880: / Die Pflugschar. / Die Sorrentiner Papiere. / Der neue Umblick. / Nachträge zu den „Vermischten Meinungen / und Sprüchen". / Nachträge zu „Der Wanderer und sein / Schatten". / Vorarbeiten und Nachträge zur „Morgenröthe". / Leipzig / Druck und Verlag C. G. Naumann. / 1897. vii S.,1 BL, 437 S. 8°. (= Nietzsche's Werke. Zweite Abtheilung. Band XI.). S. 415-437 = Nachbericht vom Herausgeber Fritz Koegel. Der Band erschien schon im Mai 1897 in einer Auflage von 2000 Stück, wurde aber im Dezember von der Schwester aus dem Buchhandel zurückgezogen, „weil in wissenschaftlich ganz verfehlter Weise veröffentlicht". GXIa Dass. 1901. (= 2., völlig neu gestaltete Ausgabe. 1. u. 2. Tsd.). xiii S. (= Inhaltsverz. u. Vorwort der Herausgeber Ernst und August Horneffer), 1 Bl., 422 S., 5 BU. (S. 393-422 = Nachbericht u.Anmerkungen). Die Auflage der Neufassung betrug nur 1500 Stück. GkXIb Dass. 3. u. 4. Tsd. (1901). GXIb Dass. Alfred Kröner Verlag in Leipzig / 1919. Dritte Ausgabe. Sonst unverändert. GXII Friedrich Nietzsche / Werke, Band XII. / Schriften und Entwürfe. / 18811885: / Die Wiederkunft des Gleichen. / Nachtrag zur „Fröhlichen Wissenschaft". / Vorarbeiten und Nachträge zu / „Also sprach Zarathustra". / Bruchstücke zu den Liedern Zarathustra's. / Gedicht-Fragmente. / Böse Weisheit: Aphorismen und Sprüche. / Zweite Auflage. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899. vi S., 1 Bl., 440 S. 8°. (S. 427-440 = Nachbericht vom Herausgeber Fritz Koegel)· (= Nietzsche's Werke. Zweite Abtheilung. Band XII.). Zuerst Ende Mai 1897 in einer Auflage von 2000 Stück erschienen, soll auch dieser Band aus demselben Grunde von der Schwester schon im Dezember 1898 aus dem Buchhandel zurückgezogen worden sein. GXIIa Dass., 1901. (= 2., völlig neu gestaltete Ausgabe. 1. u. 2. Tsd.). χ S. (= Vorwort der Herausgeber Ernst u. August Horneffer), 1 Bl., 437 S., 7 Bll. (S. 421-437 = Nachbericht und Anmerkungen). Die Auflage der Neufassung betrug nur 1500 Stück. GXIIb Dass. Alfred Kröner Verlag in Leipzig / 1919. Neugestaltete Ausgabe. 3. Auflage. Sonst unverändert. Aus diesem Jahre gab Heinrich Geizer folgende Geschichte wieder: „Als im Frühjahr 1897 Band XI und XII von Nietzsches Schriften erschienen, hatten 50 Reichsboten der Reihe nach auf das Exemplar der Reichstagsbibliothek

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1897 Heinrich Geizer und die Nachfrage nach dem Nachlaß in der Reichtagsbibliothek

pränumeriert. Kaufen konnte es natürlich keiner dieser führenden Geister auf dem Gebiete des Staatslebens."648 623 (Stümcke, Heinrich), Nietzscheana. (WöRs 3. Jg., H. 6 v. Juni 1897, S. 313). Bespricht vornehmlich die Lebensbeschreibung der Schwester (Nr. 547), „der besten Kennerin des Philosophen". Sie habe „nicht nur ein schönes Denkmal schwesterlicher Pietät errichtet, sondern auch eine treffliche schriftstellerische Leistung geboten". Am Rande erwähnt werden noch die Schriften von Runze, Kaftan, Ritsehl, Tönnies und Duboc. 624 Bonus, Arthur, 649 Der Umsturz der Herren. (Wh 8. Jg., 1. Junih. 1897 (= 89. Heft), S. 129-135). Die Überschrift ist so zu verstehen, daß „der Umsturz" von den „Herren" ausgehen werde, denn „das neue Selbstbewußtsein der Arbeiterklasse" sei „ein ganz natürliches und selbstverständliches Ergebnis unserer ganzen geistigen Entwicklung seit der Reformationszeit". Der Philosoph des Herrenrechts dagegen - eben Nietzsche - vertrete den „Sklavenaufstand der vom christlichen Ideal längst überwunden geglaubten vorsündflutlichen Herrenansprüche". 625 Walde, Philo vom, Friedrich Nietzsche und das Naturheilverfahren oder Philosophie und Lebensbejahung. (DNA 25. Jg., Nr. 6-11 v. Juni-Nov. 1897, S. 163-167, 199-202, 240-243, 268-271, 301 ff., 334-338). 625a Hiervon gibt es auch einen Sonderdruck. 1897. 18 S.,1 Bl. Behandelt Nietzsche als den „Lebensbejaher", den Philosophen „der Biologie", „der alles nach physiologischen Werten wertet"; er sei trotz allen Bedenken „unser Philosoph". 626 anonym, Decadenz. Ein idealer Aufstieg. (LZg Nr. 133 v. 12. 6. 1897) Uber mehr als zwei volle Spalten läßt Verfasser sich über seinen Gegenstand aus und dabei über das, was „über all diesem Gebrodel von unklarem Gefühl, von unreinen Neigungen schwebt wie ein Gespenst", nämlich „der Geist des Philosophen, wenn man diesen Namen für einen begabten Dilettanten, der in Allem macht, gelten lassen will, der so recht bezeichnend für die Generation der Dekadenz geworden ist, Nietzsche". 627 Saenger, S., Friedrich Nietzsche und die Kathederphilosophie. (VZg Sonntagsbeil. Nr. 24 f. z. Nr. 272 u. 284 v. 13. u. 20. 6. 1897).

648 H . G., Jakob Burckhardt als Mensch und Lehrer, in: Z K G VII, 1. H . 1899, S. 21, A n m . 1. 649 B O N U S , A R T H U R ( N e u p r u s s y / W e s t p r . 2 1 . 1. 1 8 6 4 - B i s c h o f s t e i n 9 . 4 . 1 9 4 1 ) , e v a n g e l i s c h e r

Theologe. U b e r Bonus' Verhältnis zu Nietzsche meinte Max Maurenbrecher anläßlich einer Besprechung der ersten drei Bände von Bonus' „Zur religiösen Krisis" (NRs 24. Jg., Bd. 1, H . 2 V. Febr. 1913, S. 280 f.): „Der N a m e Nietzsche k o m m t bei Bonus auffallend selten vor. Es ist, als habe er sich seit 20 Jahren so sehr in Nietzschesche Luft hineingeatmet, daß er gar nicht mehr merkt, wie nietzschisch eigentlich alles das ist, was er sagt. Von Nietzsche hat er die Betonung des Willens in der Religion [...] Nietzsche ist es gewesen, der den protestantischen Pfarrer zwang, nicht mehr Pfarrer zu sein, über das Christentum hinauszuwachsen und den .Neuen Mythos', die Grundform einer neuen Welt-Anschauung zu suchen."

1897 Samuel Sänger erregt „den Unwillen des Chefredakteurs und der Besitzer"

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Verfasser glaubt mit Nietzsche, daß man zugleich „Held" und „Philosoph" sein müsse, „mit dem Sinn und den Sinnen". Hiermit habe er „eine heilsame, dringend nothwendige Erinnerung, Ermahnung, Einschärfung" gegeben und zugleich „den Schlüssel zum Verständnis" seiner eigenen Persönlichkeit. Als „Kathederphilosophen" müssen Stein (Nr. 256a), Tönnies (Nr. 567) und Riehl(Nr.610) herhalten.650 628 anonym, Aus Friedrich Nietzsches „Böser Weisheit". (BT 26. Jg., Nr. 301 v. 17. 6. 1897). Bringt 36 Sprüche aus dem Abschnitt „Böse Weisheit" im eben erschienenen 12. Band der Gesamtausgabe (GXII), der zusammen mit dem 11. (GXI) „eine Fülle von Gedanken, manchmal so glänzend, daß man kaum ihre Tiefe ahnt", biete. 628a Dass., d. h. von den im BT veröffentlichten Sprüchen 19 und zwar von den S. 357-361, 368 f., 372, 377, 382, 393, 396, 400, 404, 407, 412, 417; auch in: V 14. Jg., Nr. 139 v. 18. 6. 1897, Unterhaltungsbl. Nr. 118, S. 471. 629 Β., Α., Carlyle und Nietzsche. (Gr v. 24. 6. 1897, S. 589 f.). Bespricht Wilhelmis Werk (Nr. 570), dessen Vergleich bei manch anerkennendem Wort abgelehnt wird. Nietzsche habe zwar viel aus Carlyle entnommen, doch bestehen „die Ähnlichkeiten zwischen [...] beiden [...] in Gegensätzen". Abschließend beklagt Besprecher, daß es „immer noch nötig" sei, „daß ernsthafte Männer" Nietzsche als „Philosophen und Propheten kommentieren". Obwohl „er ein ungemein reich begabter Geist" gewesen, könnte man seine Schriftstellerei „unbefriedigte und zurückgetretene Eitelkeit nennen". 630 Grotthuß, Jeannot Emil Frhr. v.,651 Das Christenthum und Nietzsche's Herrenmoral. (DAbI 15. Jg., 1897, S. 270-275). Verfasser lehnt Nietzsche vom Standpunkt des christlichen Adels aus ab: „[...] weil alle wahrhafte Aristokratie sich dessen bewußt ist, daß sie nur bestehen kann auf dem Grunde des aristokratischen Princips, dieses Princip aber sich aus der Idee der göttlichen Autorität herleitet." Das Christentum habe „die Mittelmäßigkeit [...] gegen das Vornehme, Große, Aristokratische eine Demuth" gelehrt, durch die sie sich doch nicht habe erniedrigt fühlen können. Sonst pflichtet der Verfasser den Ansichten Kaftans bei und bedient sich eines längeren Auszuges aus dessen Werk (Nr. 580), um „das System Nietzsche's" zu umreißen. Dennoch vergleicht er die Größe von Nietzsches Schicksal mit der eines Ikarus, Prometheus und Luzifer.

650 Man lese hierzu die Schilderung des Verfassers in einem Nachruf auf Georg Brandes (VZg N r . 61 v. 13. 3. 1927, Unterhaltungsbl.:) „Eine Abhandlung über .Nietzsche und die Kathederphilosophen' die die Wirkung des Mannes auf uns Jungen rein psychologisch zu erklären unternahm, schickte mir Julius Rodenberg beinahe erschrocken über T o n und Tendenz nach Paris zurück, und Paul Schienther, der sie Anfang 1897 verstohlen, als Kontrebande, wie er mir schrieb, in der Sonntagsbeilage der .Vossischen Zeitimg' abdruckte, erregte damit den U n w i l l e n des Chefredakteurs und der Besitzer."; SAENGER, SAMUEL (Saagar b. Riga 17. 2. 1864 - Los Angeles / U S A 6. 5. 1944), politischer Schriftsteller, Gymnasiallehrer, Mitarbeiter an verschiedenen Berliner Zeitschriften, zuletzt im Auswärtigen Dienst bis zur Auswanderung 1939 über Paris in die USA. 651 GROTTHUSZ, JEANNOT EMIL, FRHR. V. (Riga 5. 4. 1865 - Berlin 31. 8. 1920), bis zur Gründung der Zeitschrift „Der Thürmer" im Jahre 1898 als freier Schriftsteller in Berlin tätig.

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1897 Hermann Duncker: Stirner als „Vollender und Zusammenfasser der [...] Fragmente"

Im Jahre 1897 fingen Wedekinds Beiträge zum „Simplicissimus" unter dem Decknamen „Hieronymus" an. Im ersten, „Ein politisches Lied", schlägt er zur Erschließung neuer Einnahmequellen für den Staat vor, man solle die Gedanken und Bücher versteuern. Als Beispiel führt er dann an: „Bitte, stell' dir vor, welche Unsummen / Nur allein durch Nietzsche zusammenkummen, / Wenn jedem Deutschen, der nietzscht, / Etwas in die Staatskasse glitscht."652 631 Duncker, Hermann (Leipzig),653 Eine Philosophie für das Proletariat. (SMh 1. Jg., Nr. 7 v. Juli 1897, S. 405 ff.). Verfasser möchte „das erwachte Selbstgefühl der Masse" zunächst auf „die ,Ichphilosophie', wie sie aphoristisch aus den modernen Kunstschöpfungen von Ibsen, Dostojewski, Dehmel u. A. herausklingt, wie sie in Friedrich Nietzsche ihren jüngsten und blendendsten Vertreter gefunden hat", lenken, um auf Stirners „Einzigen zu kommen": „Man hat Nietzsche oft den Nachfolger Stirner's genannt [...] Aber dem Inhalt nach möchte man das Verhältniss umkehren, da ist Stirner der Vollender und Zusammenfasser der Nietzsche'schen Fragmente." Doch: „Nietzsche ist Aristokrat, Stirner Plebejer (dies Wort im eigentlichen Sinne genommen). Nietzsche schreibt für den bildungsmüden Gebildeten in einem raffinirten, künstlerischen Stil, der zum Verständniss unendlich viel Musse und positives Wissen voraussetzt - [ . . . ] Stirner wendet sich an den Egoisten, der das Joch jahrhundertlanger Knechtschaft von Vorurtheilen und Einbildungen, aber auch von Staatsgewalt und Ausbeutung abschütteln soll." 632 Rode, Albert,654 Hauptmann und Nietzsche. Ein Beitrag zum Verständnis der „Versunkenen Glocke". 2. verm. Aufl. Jean Haring. Hamburg 1897. 22 S.655 Verfasser versucht, den „engen Zusammenhang" zwischen Hauptmanns „Versunkener Glocke" und der Philosophie Nietzsches an Hand der „Genealogie" und des „Zarathustra" darzustellen. Er stellt in Aussicht, daß „wir [...] von dem Dichter der Tragödie einen zweiten Teil noch zu erwarten haben" könnten, der „den vollendeten Ubermenschen zum Gegenstand" haben werde.

652 Nr. 17 v. Juli 1897, S. 6; auch in: F. W., Ges. Werke. 8. Bd. G. Müller. Mchn. 1924, S. 5963. Geraume Zeit später schrieb er: „Als ich vor fünfundzwanzig Jahren anfing, Zeitungsfeuilletons zu schreiben, erging es mir immer gerade umgekehrt wie Schmock in den Journalisten'. Schmock wurde alles weggestrichen bis auf die Brillanten, mir wurden immer gerade die Brillanten herausgestrichen [...] Damals war Nietzsche gerade Weltberühmtheit geworden. Sobald mir beim Schreiben nun ein eigener Gedanke aufstieß, schrieb ich zur Einführung die Worte: .Bekanntlich sagt Nietzsche,' [...]" (NWT Nr. 122 v. 5. 5. 1912, S. 15). 653 DUNCKER, HERMANN ( H a m b u r g 24. 5. 1874 - Berlin 22. 6. 1960), Gesellschaftswissenschaft-

ler, kommunistischer Schriftsteller, 1893 als Musikstudent in Leipzig Mitglied der SPD. 654 RODE, ALBERT JULIUS, geb.am 22. 11. 1866, promovierte 1890 zu Kiel, Gymnasiallehrer in Hamburg. 655 Die im Juni desselben Jahres erschienene Erstausgabe fehlt sowohl in Hamburg wie auch sonst wo.

1897 Eine Vision im ersten Heft von Wilhelm Schwaners „Volkserzieher"

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A m 1. Juli 1897 erschien die erste N u m m e r einer von Wilhelm Schwaner in Berlin neubegründeten Zeitschrift: Der Volkserzieher. Blatt für Familie, Schule und öffentliches Leben. Gleich hinter dem Leitaufsatz des Herausgebers, „Unsere Ziele", steht: „Eine Vision. / Von Friedrich Nietzsche: Lehr- und Betrachtungsstunden für Erwachsene [...] daß sie einen Zipfel des Zukunfts-Schleiers gehoben hat."656 633 Schmidkunz, Hans,657 Von den Sophisten bis Nietzsche. (WMh Bd. 82, Nr. 490 v. Juli 1897, S. 509-515). Verfasser möchte auf „Vorläufer der Standpunkte Nietzsches" sowie auf dessen „Beeinflusser" aufmerksam machen und zwar vornehmlich unter dem Augenmerk des „ethischen Skeptizismus". Erwähnt werden Stirner, Montaigne, Renan, Zola, Lichtenberg, Abälard, Algazel, Demokrit und die Sophisten (Protagoras, Thrasymachus, Gorgias, Kallikles), und das Wissen um eine solche Reihenfolge, meint er, verdanke man dem Werk des Professor Kreibig (Nr. 507). Man werde „das Thema .Nietzsche' [...] nicht mehr genug erörtern ohne Beziehung auf die hier gegebene Kritik Nietzsches". Der Aufsatz läuft darauf in eine sehr eingehende, wohlwollende, wenn auch nicht in allem zustimmende Besprechung des Werkes über, dessen „Höhepunkt" eben die Behandlung Nietzsches sei: „Zum Entscheidenden in Kreibigs Kritik gehört die Bloßstellung der so gar nicht echt aristokratischen Herrenmoral Nietzsches." 634 Stein, Prof. Dr. Ludwig (Bern), Friedrich Nietzsche als „philosophischer Classiker". (NFPr Morgenbl. Nr. 11803 v. 3. 7. 1897, 3 S.). Lehnt die Einreihung Nietzsches unter die „Klassiker der Philosophie" entschieden ab, lobt aber Riehls (Nr. 610) Betonung des Künstlerischen sowie dessen Bloßstellung der philosophischen Mängel bei Nietzsche. 634a Auch in Nr. 374a, S. 160-166. Unverändert. BG Nietzsche, Friedrich, Politischer Betrug. (DVE 1. Jg., Nr. 2 v. 15. 7. 1897, S. 12).

635 Schmitz, Oskar A. H.,658 Über Dichtung. (Pan 3. Jg., H. 1 v. Juli 1897, S. 31 ff.).

656 SCHWANER, WILHELM (Corbach 10. II. 1863 - Rattlar / Waldeck 13. 12. 1944), Volkserzieher, Verfasser zahlreicher völkischer Schriften. 657 SCHMIDKUNZ,HANS (1863 - 1934), Erziehungswissenschaftler und Psychologe, Privatdozent in München 1889-1894, zuletzt Professor in Greifswald. 658 SCHMITZ, OSKAR ADOLF HERMANN (Homburg v. d. H . 16. 4. 1873 - Frankfurt a. M. 18. 12. 1931), Schriftsteller. Es ist umso erstaunlicher, daß Erwähnungen Nietzsches in seiner Lebensbeschreibung so selten und so dürftig sind. Über das Jahr 1894, in dem er durch Karl Wolfskehl dem George-Kreis nahegekommen ist, schreibt er: „Man darf nicht vergessen, daß es damals in Deutschland weder einen modernen Prosastil, noch eine künstlerische Versbehandlung gab, denn die zum Teil später bekehrten Naturalisten rühmten sich ja gerade ihrer Form- und Stillosigkeit. Nietzsche hatte noch nicht gewirkt [...]" (Dämon Welt. Jahre der Entwicklung. G. Müller. Mchn. 1926, S. 87). U n d weiter: „Wolfskehl [...] ließ, bald naiv-kindlich, bald feinschmeckerisch-weise alles gelten, was er als .lebendig' empfand. Das war aber nichts anderes als das Nietzschesche Jenseits v o n Gut und Böse', das den Maßstab einer Erscheinung in ihr selbst, in ihrem eigenen Wesen und dem Grad seiner Verwirklichung sucht. Jedenfalls war dies für mich ein wesentlicher Schritt zu meiner späteren Pola-

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1897 Ο. Α. Η. Schmitz: „das junge Geschlecht Zarathustra"

Eine Abhandlung über das Verhältnis der „Persönlichkeit" zur „Ausdrucksform" im allgemeinen und das Wesen des „künstlerischen Schaffens" im besonderen, die wegen der Bezeichnung der gesamten „jungen Generation" schöpferischer Menschen, unter besonderer Erwähnung von Hofmannsthal, George und Fuchs, als „das junge Geschlecht Zarathustras", gleich zu Anfang sowie der Mahnung zum Schluß: „Vergesset mir des Lebens nicht, ihr rosenbekränzten Tänzer, ihr schönen Kinder Zarathustras!" anführenswert erscheint. 636 anonym, (HFB1 N r . 154 v. 4. 7. 1897) Eine etwas längere Besprechung der kleinen, „überaus" interessante Schrift von Rode (Nr. 632). 637 Paulsen, Friedrich), (DLZg 18. Jg., Nr. 27 v. 10. 7. 1897, Sp. 1046 ff.; über Nietzsche Sp. 1047 f.). In einer Sammelbesprechung von drei Werken über Rousseau, Spencer und Nietzsche widmet der Verfasser etwas mehr als die Hälfte seiner Ausführungen dem Gegenstand Nietzsche, das Werk Riehls (Nr. 610) nur als Anlaß dazu nehmend. Zum „Schöpfer einer neuen Kultur, eines neuen höheren Menschentypus [...] hat ihm denn doch nicht viel weniger als alles gefehlt [...]" 638 S., M., Neues von Friedrich Nietzsche. (DtWa 8. Jg., N r . 186B v. 12. 7. 1897, S " Berichtet recht anschaulich aus dem Leben des Kranken in der Zeit zwischen dem Tode der Mutter und der Ubersiedlung nach Weimar, ob aus ihm Erzählten oder eigenem Erleben läßt sich nicht eindeutig feststellen. 639 Immisch, Otto, Schriften über Friedrich Nietzsche. (BlLU 1897, S. 588 ff.). Verfasser entwickelt zuerst seine eigenen Gedanken über Nietzsche als durchaus zeitbedingte Erscheinung, um dann die Verkennung dieser Zeitbedingtheit bei Steiner (Nr. 405) zu bemängeln. Die „höchst erfreuliche Schrift" Riehls (Nr. 610) dagegen findet das fast uneingeschränkte Lob des Besprechers. 640 Bolin, Wilhelm (Helsingfors), Zur Würdigung Nietzsche's. (Ν N r . 41 v. 10. 7. 1897, S. 624 f.). Einer durchaus anerkennenden Besprechung von Riehls Nietzsche-Buch (Nr. 610) stellt der Verfasser einen Vergleich Nietzsches mit Schelling voran: von Kant und Fichte zu Schelling und von diesem über Schopenhauer zu Nietzsche, so stellt sich der Verfasser die „inzwischen durchlaufene Entwicklung unseres Geisteslebens" vor. Der eigentlichen Besprechung ist dann eine Lobpreisung Feuerbachs als Vorläufer Nietzsches in dessen Stellung zur Metaphysik eingeflochten: „Alle positiven Ergebnisse der Philosophie, soweit sie echte Wissenschaft und nicht eitel Begriffs- und Wortspielerei, weisen unvermeidlich auf Ludwig Feuerbach hin - " 641 -t., (NAZg Nr. 266 v. 18. 7. 1897) An dieser unscheinbaren Anzeige des letzten Bandes von Uberwegs „Geschichte der Philosophie" (Nr. 63c) sind einige Sätze doch anführenswert. Es habe sich „eine große Veränderung in der Vorstellung vom Wesen der Philosophie bereits vollzo-

ritätsphilosophie, der mich schon damals über das verarmende Entweder-Oder hinausbrachte und immer verhindert hat, daß ich in den Zeitkämpfen mit einer Partei innerlich verschmelzen konnte." (Ebd., S. 90 f.); sonstige Erwähnungen auf S. 220 u. 291.

1897 Überführung des Kranken nach Weimar in die Luisenstraße

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gen [...] Die Wirkungen, die von Karl Marx und Friedrich Nietzsche ausgegangen sind und noch ausgehen, lassen sich doch in keiner Weise zurückführen auf einige abstrakte Sätze [...] Bei Beiden ist in Zweifel gezogen worden, ob sie überhaupt unter die Philosophen zu rechnen seien. Sollen sie aber wirklich ausgeschlossen werden aus dem Kreise der Wahrheitsverkündiger, - wer ist dann Philosoph? Was bleibt dann noch als eigentliche Philosophie?" 642 anonym, (KZg Nr. 667, 1. Morgen-Ausg. v. 21. 7. 1897). Eine warme Empfehlung des Werkes von Wilhelmi (Nr. 570), der die Lebensauffassungen beider Denker entwickle, „bei Nietzsche radical und einfach, bei Carlyle dagegen complex und voller Geheimnisse". Seine Kritik sei „maßvoll und besonnen", nur habe sie bei Carlyle vielleicht „etwas schärfer zugreifen können". 643 Trost, K.,659 Zur neuesten Nietzsche-Literatur. (NAZg Nr. 259 v. 21. 7. 1897, S. 1 f.). Begrüßt recht flüchtig das Erscheinen des 11. und 12. Bandes der Gesamtausgabe (GXI, GXII) und nimmt dann das Werk von Riehl (Nr. 610) zum Anlaß, ziemlich breit und eigenständig mit Nietzsche fertig zu werden und zwar von dem Standpunkt aus, „daß Nietzsches ganze Entwicklung von frühester Jugend an bedingt war durch konstitutionelle Geisteskrankheit". - „Die Krampfung an Stelle des ruhigen Wollens und Könnens, die Affektation der Kraft, weil der willensschwache Hysteriker durchaus als cäsarischer Gewaltmensch erscheinen soll, schlägt in dieser Weise unmittelbar in Verrücktheit um." In der Nacht vom 22. zum 23. Juli um 1 Uhr erfolgte die Uberführung des kranken Nietzsche von Naumburg nach Weimar, in die Luisenstraße 36 auf dem Silberblick. Einblicke in das tägliche Leben im Archiv vom August 1897 bis zum August 1900, eingehende Schilderungen sowohl der Trauerfeier in Weimar als auch der Beisetzung zu Röcken, Eindrücke von Besuchen im Zimmer des Kranken sowie von Begegnungen im Archiv mit u. Α.. Frl. von Schorn, Hans Olde, Liliencron, Arthur Seidl, Conrad Ansorge, Arnold Kramer, Max Heinze, Curt Stoeving, Ernst Horneffer, Peter Gast, Kurt Breysig, Eduard Betz, Raoul Richter und Carl von Gersdorff bieten die Tagebucheintragungen des Harry Graf Keßler. Besonders einprägsam sind die Darstellung der Schwester und die Wiedergabe ihrer Äußerungen über Cosima und deren Verhältnis zu Wagner und ihrem Bruder. Einiges Mündliche von Max Heinze über Nietzsche als Schüler in Pforta und aus den Jahren 1883 / 84 wurde auch festgehalten. Keßler beriet damals schon mit der Schwester über die Herausgabe der erst 1908 erschienenen Prachtausgabe des „Zarathustra". 660 644 anonym, (BNN Nr. 349 v. 29. 7. 1897).

659 TROST, KARL (1839 - 1903). 660 H . G . K., Aus den Tagebüchern. Z u m Gedenken seines 100. Geburtstages a m 23. Mai 1969. Mitgeteilt v. Bernhard Zeller. ( J b D S G 12. Jg., 1968, S. 72-81).

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1897 Max Dessoir: Er weise „rückwärts"

Eine knappe sachliche Besprechung des zweiten Bandes ersten Halbbandes der schwesterlichen Lebensbeschreibung (Nr. 547). 645 Dessoir, Max,661 Shakspere und Nietzsche. (Wh 8. Jg., H. 10 (= 94. Heft), 2. Aug.-Heft 1897, S. 289-301). Durch die weltanschaulichen Ähnlichkeiten zwischen Shakespeare und Nietzsche, glaubt der Verfasser, von dem „uns genau bekannten Individuum Nietzsche auf den weniger bekannten Shakspere zurückschließen zu können". So will er einiges zugunsten Shakespeares in dem alten Streit um die Verfasserschaft der Dramen liefern. Nietzsche ist ihm „der letzte Vertreter der Weltanschauung der Renaissance, deren größter Shakspere ist". Eben daraus folgt aber, daß „Nietzsche rückwärts" weise, und der Verfasser ruft aus, „wir harren aber derer, die uns vorwärts führen". 646 W„ P., Litterarisches. (GeraZg Nr. 193 v. 19. 8. 1897). Bespricht „die harmlose kleine dramatische Dichtung" Sturms (Nr. 579), der dennoch eine gewisse Bühnenwirksamkeit zugesprochen wird. 647 Schümm, Fanny, Naumburg, 662 Die Blinde aus dem Nietzschehause. (DtWa 8. Jg., Nr. 197 v. 20. 8. 1897, Unterhaltungsbeil.). Erzählt von einer alten blinden Frau, die bei Nietzsches Mutter in Naumburg bis zu deren Tode ein Unterkommen fand, und dabei einiges Wenige über Mutter, Sohn und Tochter. 648 Walde, Philo vom, (Zeitb Nr. 197 v. 24. 8. 1897). Eine recht wohlwollende Besprechung des Werkes von Riehl (Nr. 610), denn „Friedrich Nietzsche ist einer der gewaltigsten Geister unserer Zeit, den man vielleicht hassen und bekämpfen, an dem man aber nicht mehr vorbei gehen kann". 649 König, Karl,663 Nietzsche. (Pro 1. Jg., 1897, Sp. 907 ff., 931 ff.). Nach einer verhältnismäßig langen Einleitung, in der als „sittlicher Kern" von Nietzsches Leben und Lehre „der heroische Kampf gegen Leiden und Krankheit" unterstrichen wird, folgt eine zustimmende Besprechung der Nietzsche-Schriften von Wilhelmi (Nr. 570) und Riehl (Nr. 610). 650 (Sturm, August), Litterarisches. (GeraZg Nr. 202 v. 29. 8. 1897). Bringt einen Brief an die Redaktion der Zeitung, hervorgerufen durch die Kritik (Nr. 646) seines Dramas. Er habe nämlich „alle Schriften" Nietzsches „genau studiert" und habe nur „vom rein christlichen Standpunkte aus einmal fragen" wollen, „was uns als Christen dieser durchaus christusfeindliche Deutsche dennoch bringt"? „Die Nietzschesche Schätzung der Kunst" dagegen sei groß und bleibe ewig. Angehängt ist ein Brief der Schwester an den Verfasser, in dem sie ihm für die Ubersendung des Werkes dankt. BH Jugendgedichte von Friedrich Nietzsche. (Pan 3. Jg., 2. H. v. Sept. 1897, das Blatt nach S. 102 u. S. 103 f.). Bringt sechs Jugendgedichte Nietzsches, eins davon im Lichtdruck.

661 DESSOIR, MAX (Berlin 8. 2. 1867 - Königstein / Taunus 19. 7. 1947), Philosoph und Psychologe, Dr. phii. et med., seit 1897 Professor in Berlin, 1906 Begründer der „Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft". 662 SCHÜMM, FANNY, geb. am 28. 11. 1869 zu Naumburg, studierte Theologie, die Familie Schümm wohnte Weingarten 16,. 663 KÖNIG, KARL, geb. am 23. 5. 1868 zu Langensalza, Studium in Jena, seit 1903 Pastor.

1897 Carl Neumann: „der größte Schüler und Verehrer Jacob Burckhardts"

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651 Breysig, Prof. Dr. Kurt, Ein Besuch bei Jakob Burckhardt. (Ζ Bd. 20, 21. 8. 1897, S. 334-338). Es handelt sich bei dem Aufsatz um eine Würdigung Burckhardts zu dessen Tode, der die Schilderung eines Besuches des Verfassers bei ihm im März 1896 angehängt wird. Anführenswert ist die Gesprächsstelle, die Burckhardts Verhältnis zu Nietzsche streift: „Noch ergreifender war mir die Art, wie Burckhardt von Nietzsche sprach, der ihm einst in Basel persönlich nahegestanden hatte. E r bedauerte vor Allem, daß er, ein gar nicht philosophischer Kopf, ihm so wenig habe sein können. ,Man hatte immer das Gefühl, Dem kann man mit seiner Prosa nichts Neues sagen, Der steckt Unsereinen hundertmal in den Sack.' Auch von Nietzsches griechischen Studien sprach er mit unparteiischer Würdigung: er hat kühne Gleichnisse gehabt." (S. 337 f.)" 4 651a Auch (d. h. die Stelle über Nietzsche) in: Κ. B., Aus meinen Tagen und Träumen. de Gruyter. Bln. 1962, S. 80. Unverändert.

664 S. a. die Meinung des Burckhardt-Schiilers Carl Neumann, der meinte, Nietzsche möge „als der größte Schüler und Verehrer Jacob Burckhardt's gelten" und habe vermeint, „in Burckhardt einen Gesinnungsgenossen zu haben". „Aber es ist mir sicher, daß Burckhardt, bei aller Hochachtung vor Nietzsche und dessen imponierender Unabhängigkeit, ganz andere, eben seine eigenen Wege ging."(Jacob Burckhardt. Ein Essay. DRs 24. Jg., H. 6 v. März 1898, Bd. 94, S. 382 f.) Besondere Beachtung verdienen diese Äußerungen, da der Verfasser über 30 Jahre später zu einer wesentlich anderen Auffassung der Gegebenheiten gelangte: „[...] ich neige immermehr zu der Meinung, daß es bei Nietzsche doch keine Täuschung gewesen ist, wenn er an eine Gemeinsamkeit mit dem älteren Manne glaubte [...] aus einer starken Erinnerung gemeinsamer Gesinnungen und Anschauungen muß es doch erklärt werden, daß Nietzsche bis zu allerletzt die Hochschätzung Burckhardts festhielt [...] Und damit man nicht glaube, lediglich Burckhardt sei der Anregende und Gebende gewesen: Das Maß von Pessimismus, das Burckhardt, wie es scheint, mindestens schon aus seinen Züricher Jahren mitgebracht hat, wird durch Nietzsche, der um 1870 völlig auf gemeinsamem Boden mit R. Wagner und Schopenhauer stand, verstärkt worden sein. Ein Einschlag, der für Burckhardt manches bedeutete [...] Die erschütternde Hauptsache ist wohl diese: die Dankbarkeit Nietzsches hatte ihre Wurzel in dem Vorbild des in Burckhardt für ihn verkörperten Typus des entschlossen erwählten Einsiedlertums [...] Das Denkmal Burckhardts in Nietzsches Werk ist die Gestalt des Zarathustra." (Jacob Burckhardt. Bruckmann. Mchn. 1927, S. 252-258). Noch um 1924 hatte Neumann gemeint: „Vielleicht war es aber, klar oder unbewußt, das Entsetzen Burckhardts, daß man ihn für Nietzsches Konsequenzen beim Wort nehmen könne, welches ihn zu den unmißverständlichen Retraktionen seiner Nachlaßbücher für den Fall bewog, daß man in seinen geschichtlichen Formeln weltanschauliche Postulate hätte wittern mögen. Seit die griechische Kulturgeschichte und die sogen, weltgeschichtlichen Betrachtungen gedruckt sind, ist jeder Zweifel ausgeschlossen, wie der Ethiker Burckhardt vom Ubermenschen des Hellenismus und der Renaissance und wie er von heidnischer Härte und Unbußfertigkeit dachte." (Die Kunstwissenschaft d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. Hg. v. J. Jahn. F. Meiner. Lpz. 1924, S. 56); NEUMANN, CARL (Mannheim 1. 7. 1860 - Frankfurt / Main 7. 10. 1934), Kunst- und Kulturhistoriker, Schüler Burckhardts seit 1882, 1894 Privatdozent, 1897 außerordentlicher Professor in Heidelberg, danach in Göttingen, Kiel und zuletzt wieder in Heidelberg.

4 7 4 1897 O. Kirn: „von vornehmer Schöngeisterei zum macht-materialistischen Sensualismus"

652 Kirn, O . (Leipzig),665 Schriften über Fr. Nietzsche. (AELKZg 30. Jg., 1897, Sp. 772-775). Von der Einstellung aus, „Nietzsches Entwicklung durchmißt den Weg [...] von vornehmer Schöngeisterei zum macht-materialistischen Sensualismus, allerdings nicht ohne recht häufiges Hinüberschwanken zu dem ursprünglichen Ausgangspunkt", bespricht der Verfasser die Nietzsche-Schriften von Riehl (Nr. 610), Kaftan (Nr. 580) und Tönnies (Nr. 567). Bei der ersten bedauert er, daß die „trostlose Zerfahrenheit unseres Philosophen" nicht „schärfer beleuchtet" worden sei. Kaftans Arbeit findet weitgehende Zustimmung, wogegen bei der von Tönnies „eine durchgreifende Gesamtanschauung, welche Nietzsche's Irrthümern gegenübergestellt" werden könnte, vermißt wird: „[...] gegenüber solchen Irrwegen modernen Denkens, wie Nietzsche sie repräsentirt, hat nur derjenige einen festen Stand, dessen Weltanschauung und sittliche Uberzeugung im Ewigen wurzelt." 653 Rubenstein, Dr. Fr., 666 Berlin, Das wahre Gesicht des Ubermenschen. (DR Sept. 1897, S. 371-375). Verfasser möchte wissenschaftlich untersuchen, ob der Nietzschesche Ubermensch „wirklich eine Entwicklung, einen Fortschritt, ein Kulturziel vorstellt oder vielleicht das Gegenteil". Sich auf die Annahme stützend, daß der Kulturweg der Menschheit vom „wilden Krieger und Mörder" zum friedlichen, versöhnlichen Mann geführt habe, meint er, daß die „Gewissenlosigkeit [...] ein psychischer Defekt" sei, Nietzsches Ubermensch also entweder ein Wahnsinniger oder ein Rückfall, ein atavistischer Typ". Er sei „der Unsinn der Erde". Lesenswert ist noch die Gleichsetzung der Pöbelherrschaft mit der des Tyrannen: „Man hat die Sozialdemokraten vielfach verspottet, weil sie in Nietzsche, dem .Aristokraten', ihren geistigen Führer sehen. Mit grobem Unrecht! Gemeinsam ist beiden der Drang zum Zerstören [...] Nietzsche, in Verkennung seines Wesens, haßte die Sozialdemokraten und nannte die Tölpel." - „Man muß die Keime des Wahnsinns und Rückschritts zertreten [...] oder deutet das Auftreten dieses Zerstörers darauf hin, daß unsere Kultur eine Leiche birgt, die, zur Zersetzung reif, ihrer Würmer harrt?" 654 Loewenthal, Dr. Eduard,667 Der Nietzsche Unfug. (NHor Ί . Jg., Nr. 1 v. 10. 9. 1897) Verfasser wendet sich gegen „die neueste Mode-Philosophie". Nietzsche ist ihm „nichts als ein Sozialpolitiker und Moral-Plauderer, der den Zweck verfolgt, alle Moral über den Haufen zu werfen und das Recht des Stärkeren zum ethischen Dogma zu erheben": „Für die deutsche Wissenschaft ist es aber hohe Zeit, in ihrem eigenen Interesse dem Nietzsche-Unfug ein Ende auf Nimmer-Wiedersehen zu bereiten."

665 KIRN, OTTO (Heslach b. Stuttgart 23. 1. 1857 - Leipzig 18. 8. 1911), Theologe und Philosoph, 1886 Lic. theol. zu Tübingen, 1889 Dr. phil. ebenda, 1890 ao., 1894 o. Professor in Basel, seit 1896 in Leipzig. 666 RUBENSTEIN, FRIEDRICH (Stettin 26. 7. 1863 - Berlin II. 6. 1900), Dr. med., Psychologe. 667 LÖWENTHAL, EDUARD (Oehringen / Württ. 12. 3. 1836 - Berlin 26. 3. 1917), promovierte 1859 in Tübingen zum Dr. phil., vielseitig journalistisch tätig, mehrmals für den Friedenspreis vorgeschlagen, nach längeren Auslandsreisen seit 1888 wieder in Berlin, gründete die „Allgemeine Deutsche Universitätszeitung".

1897 Fr. Rubenstein: „Man muß die Keime des Wahnsinns und Rückschritts zertreten"

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654a Auch in: NTBl Nr. 237 v. 11. 10. 1897. Unverändert. 655 Barth, Paul,668 Zwei Schriften über Nietzsche. (Wh 8. Bd., Nr. 12 = Nr.96 = 2. Septh. 1897, S. 363-367). Eine Besprechung der Schriften von Tönnies (Nr. 567) und Riehl (Nr. 610), die beide „geeignet sind, Nietzsches Aphorismen den Nimbus zu rauben, den die Energie ihrer Sprache um sie verbreitet, und ihre Halbwahrheit zu enthüllen": „[...] er giebt nur gleißende Vorwände für die Rücksichtslosigkeit, Gewissenlosigkeit, die Anbetung des Erfolges. Darum muß er bekämpft werden, wie die genannten beiden Schriften es thun." Dennoch möchte der Besprecher den „großen Anhang und den großen Beifall, den die Philosophie Nietzsches [...] weit und breit findet, als ein Symptom einer Zeitkrankheit, den Optimisten entgegenhalten". 656 Servaes, Franz (Berlin), Friedrich Dionysos und Wolfgang Apollo. (Zeit XII. Bd., Nr. 156 v. 25. 9. 1897, S. 201 ff.). Der elfte Band der gesammelten Werke (GXI) erlaube uns einen Einblick in die Zeit, in der Nietzsche Goethe sehr nahegestanden habe. Das Verhältnis sei zwar schon in den „officiellen Werken" zu spüren gewesen, doch finde sich erst hier der „greifbare Niederschlag". „In einem vor allem sind sie einig: in der unbedingten Bejahung des Lebens und der Natur - und die gleichen Führer erkennen sie zu diesem Ziel: die Griechen [...]" 657 Lublinski, S.,669 Die versunkene Glocke und der falsche Nietzsche. (ML 66. Jg., Nr. 38 v. 25. 9. 1897, Sp. 1138-1146). In dem nämlichen Stück sei Hauptmann eine „Titanen-, zu einer einfachen Künstlertragödie" geworden, „weil er in einer Zeit lebt, die viel Sehnsucht nach Titanismus in sich trägt, aber dabei den Titanen und den Schwächling in wunderlicher Weise verwechselt. Oder, noch präziser ausgedrückt: Gerhart Hauptmann ist ein Zeitgenosse Friedrich Nietzsches und der Sozialdemokratie [...]" Die Meinung aber, daß „diese beiden Großmächte der Zeit [...] absolute Gegensätze seien", beruhe auf einem „Irrtum". „Alle Erscheinungen der Zeit, namentlich Nietzsche und Karl Marx, die Bourgeoisie und das Proletariat", seien „einzig und allein einem unermeßlich erhöhten Persönlichkeitsgefühl entsprungen [...] Sie alle vertreten einen Individualismus, der im weitesten Sinn eine Befreiung und Entlastung des Einzelmenschen von allen Ketten und Vorurteilen der Gesellschaft wie der Arbeit erstrebt." Nietzsche habe „unser Gemüt" entfesselt, „unsern Instinkt und unsere Nerven. Was rätselvoll und stumm in den dunkelsten Tiefen des Unterbewußtseins gährte, ließ er plötzlich ans Tageslicht treten [...] So aber, wie Nietzsche, empfindet auch das Volk, diese dumpfe, dunkle Masse, [...] in welcher doch ein unersättlicher Durst nach dem Wunderbaren und Uberlebensgroßen ewig lebendig ist [...] In Nietzsches Tagen hatte die Masse aber schon die sozialistische Parteiuniform angezogen und erschien wie die Verkörperung der Herde, des Banausentums. Der Zarathustrasän-

668 BARTH, PAUL (Baruthe / Schles. 1. 8. 1858 - Leipzig 30. 9. 1922), Gesellschaftswissenschaftler, seit 1897 Professor in Leipzig. 669 LUBLINSKI, SAMUEL (Johannisburg / Ostpr. 1 8 . 2 . 1 8 6 8 - Weimar 26. 12. 1910), Schriftsteller und Kritiker, zunächst Antiquar in Verona, Venedig und Heidelberg, seit 1895 in Berlin journalistisch tätig, verfaßte auch mehrere Bühnenwerke.

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1897 Samuel Lublinski: Die Versunkene Glocke und der falsche Nietzsche

ger warf sich ihr mit dem ganzen furchtbaren Pathos seiner Persönlichkeit entgegen [...] Trotzdem bestehen viele Berührungspunkte zwischen Nietzsche und dem Begründer der Internationale", von denen Verfasser aber n u r den „Haß gegen das Spezialistentum" anführt. Nietzsches Ziel habe „eine aristokratische Färbung" getragen, „weil er die Demokratie mißverstand. Aber [...] in ihrem innersten Wesen war die große chaotisch gährende Masse ihm kongenial." Seine Anhänger seien „aus andern Kreisen" gekommen, und als Beispiel führt Verfasser Karl Busse über eine gute Spalte hin an. Dieser habe „nur das Volkslied", dem aber „die dämonische N a t u r mit allen ihren Schrecken und taumelnden Freuden" fehle, als Lyrik gelten lassen. „Die F o r m f ü r eine [...] wahrhafte individualistische Dichtung müßte viel kolossaler u n d zugleich viel elastischer sein. Der naturreligiöse Hymnus wäre [...] die einzige lyrische Dichtform, in welcher ein überschwellendes Titanengefühl restlos aufginge." Auch Bismarck passe nicht mit Nietzsche zusammen: „Der gute Europäer [...] steht im tiefen Gegensatz zu dem schwerfälligen, büreaukratisch gebundenen Preuß e n t u m [...]" - „Am meisten Recht" zur Jüngerschaft „des gewaltigen Zarathustra" haben „die Symbolisten u n d Mystiker jeder Art. Hier sind in der Tat dunkle Kräfte entfesselt worden, die ungestüm ans Oberlicht drängen [...]" - „Die Jungen", die zunächst „den naturalistischen Lebensausschnitt, die impressionistische Skizze" verlangt haben und zu denen Hauptmann dann auch gezählt wird, seien auf den „Altmeister Goethe" verfallen, und diesen haben sie ebenso wie Nietzsche mißverstanden. - „Die angeblichen Nietzscheaner [...] sind recht harmlose Menschen, die ihren Nietzsche und ihren Goethe mehr von der gemütlichen Seite nehmen. U n d die proletarische Masse, in welcher wirklich und wahrhaftig ein titanischer Drang und ein ungeheures, metaphysisches Bedürfnis lebt, liegt vorläufig noch in den Banden eines nüchtern Parteidogmas [...]" 658 Klein, Robert, Nietzsche und unsere Zeit. (Ges 13. Jg., H . 10 v. O k t . 1897, S. 48-55). Weist den Satz, den „jeder von uns wohl schon vernommen hat, Nietzsche ist ein Befruchter, ein Neuschöpfer oder gar gefährlicher Verführer unserer jungdeutschen Litteratur", entschieden zurück, findet aber einen solchen in Darwin, „von dessen Geist sich gewissermaßen wie von Planeten Ringe lösen und diese, in D u n s t zerfließend, sich dem Denk- und Empfindungsvermögen der Generation assimilieren [...]" Nietzsche sei „nur ein gleichzeitiger Typus dieser Generation", „der Zeitgemäßeste unter den Zeitgemäßen". Dies erkläre, daß „er so rasch anerkannt u n d verstanden worden" sei von Schriftstellern wie Ola Hansson und „Prcybiscewsky". F ü r das „Zerfließen der Form" (aus welchem „Unvermögen" auch „die aphoristische F o r m Nietzsches entsprungen ist") wird Peter Altenberg als „typisches Beispiel" angeführt. Z u m Schluß meint er: „[...] wir möchten wieder auf vertrautem Fuße mit der Ewigkeit leben, und, in der Erde wurzelnd, den Himmel verstehen durch eine Kunst, die, wie die Böcklins, ihres organischen Wachstums und synthetischen Fühlens wegen Philosophie, und eine Philosophie, die ihrer organischen Synthese wegen Kunst."

1897 Robert Klein: „der Zeitgemäßeste unter den Zeitgemäßen"

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659 Langguth, Dr. Α.,670 Friedrich Nietzsche als Burschenschafter. (BurBl 12. Jg., N r . 1 v. 1. 10. 1897, S. 5-10). Der Verfasser hält Nietzsche für „ein Ereignis allerersten Ranges in der europäischen Kultur, dessen Wirkungen für die Zukunft noch gar nicht abzuschätzen sind". Doch erschöpft sich sein Aufsatz in einer Beschreibung von Nietzsches Leben als Burschenschafter ganz nach der Darstellung der Schwester im ersten Band der Lebensbeschreibung (Nr. 417). 660 Kalk, Ch., Nietzsche und der Sozialismus. Unvorsichtige Aphorismen. (N1 3. Jg., Nr. 1 v. Okt. 1897, S. 21 ff.). Verfasser scheint ehrlich bemüht, Nietzsche, den „Ungleichheitsfanatiker", mit dem Sozialismus in Einklang zu bringen, muß aber schließen, daß er „der ideale Vertreter des modernen Menschen" sei, „in dessen vergleichendem Kopfe der dionysische Rausch nach dem Durchkosten aller bisherigen Kulturen und manche apollinischen Träume einer selbst geschaffenen Zukunft nach einer dramatischen Geburt ringen". 661 Mensch, Dr. Ella (Darmstadt), Friedrich Nietzsche und die Frauen. (DFb 3. Jg., N r . 19 ν. 1. 10. 1897, S. 189 f.). Seit dem Erscheinen eines Aufsatzes von Lou Andreas-Salomé (Nr. 263) Nietzsche nähergetreten, stellt die Verfasserin fest, daß der „Dichterphilosoph" sich in seinen „Aussprüchen über die Frauen" in „eine Linie" mit Schopenhauer, Eduard von Hartmann und Strindberg gestellt habe, deren Abneigung sie sich in einigen wenigen Sätzen erklärt. Doch im Falle Nietzsches, dem es vergönnt gewesen, „einen ganzen Kreis von Elitefrauen kennenzulernen", steht sie vor einem Rätsel, dessen Lösung schließlich heißt: „Wenn Nietzsche von den Weibern redet, ist es immer, als wenn in ihm plötzlich der Kosmopolit die Führerschaft an den deutschen Kleinstädter abträte, dessen Kenntnisse vom Weibe nicht über einige abgedroschene Sentenzen hinausgediehen sind [...] die große Kompliziertheit unserer Gesellschaftsprobleme entgeht ihm, er versäumt es, seine Ideen durch die Erfahrung bestätigen oder korrigieren zu lassen [...]" 662 Förster-Nietzsche, Elisabeth (Weimar), Wie der Zarathustra entstand. (Z 6. Jg., 21. Bd., H . 1 v. 2. 10. 1897, S. 11-24). Unter Beigabe mehrerer Stellen aus „Ecce homo" und Briefen ihres Bruders an sie, erzählt die Schwester, wie der Zarathustra entstanden ist. Stark gekürzt und etwas umgearbeitet als „Die Entstehung von ,Also sprach Zarathustra'" in GVIe aufgenommen. 663 W(idmann), J. V., Nietzsche-Näschereien. (B 48. Jg., Nr. 285-288 v. 14.-17. 10. 1897, jeweils 2. Bl., S. 1 f.). Nimmt die Aufforderung Steiners, man solle Nietzsche ernst nehmen und nicht nur als „leckere Lektüre genießen" wollen, zum Anlaß, gerade Nietzsche einen Teil der Schuld an der Erzeugung des modernen Geschlechts „der bloß spielenden Wolkenkuckuksheimer" zuzusprechen. Verfasser verrät dabei aber sehr deutlich ein zwiespältiges Verhältnis zu Nietzsche. Aus dem soeben erschienenen elften Bande der Werke bietet er verschiedenes, hauptsächlich um immer wieder etwas daran

670 LANGGUTH, ADOLF (Großgeschwende 10. 9. 1851 - Berlin 6. 2. 1908), Bibliothekar.

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1897 Widmann: Schuld an der Erzeugung „der bloß spielenden Wolkenkuckkuksheimer"

auszusetzen. Festgestellt werden u. a. „zu viel geistige Treulosigkeit und Urteilsunsicherheit"; die „Selbstwertschätzung neben der Geringschätzung für Geister, die Jahrtausenden die tiefsten und stärksten Anregungen gegeben haben", müsse den Leser warnen, „einem solchen Denker auch nur drei Schritte zu trauen". Dennoch sei „das Gedankenmeer des Philosophen [...] reich an immer bewegten, hüpfenden Stellen und tief gehenden Wogen." 664 Stettenheim, Dr. Ludwig,671 „Villa Silberblick". (FZg 42. Jg., Nr. 287, Abendbl. v. 16. 10. 1897). Berichtet über die Häuslichkeit der Schwester und des von ihr betreuten Kranken in Weimar. Verfasser scheint aber nur ihm Erzähltes über Benehmen und Zustand des Kranken wiederzugeben: „Fremde Gesichter regen den Kranken immer auf, dann verläßt ihn seine gewohnte Ruhe, und es können bedenkliche Zufälle eintreten. Daher wird Niemand, und mag er auch den edlen nun zerstörten Geist noch so verehren, zu ihm gelassen." 664a Auch in HC Nr. 20983 v. 19. 10. 1897. Verkürzt. 664b Auch in MgZg Nr. 534 v. 20. 10. 1897. Verkürzt. 664c Auch in FOZg Nr. 246 v. 21. 10. 1897. Verkürzt. 664d Auch in DtWa 8. Jg., Nr. 248 v. 22. 10. 1897. Verkürzt. 664e Auch in HallZg Nr. 502 v. 26. 10. 1897. Verkürzt. 665 anonym, (VZg Nr. 496, Morgen-Ausg. v. 22. 10. 1897, 3. Beil.). Eine etwas längere, wohlwollende Besprechung des ersten Teiles des zweiten Bandes der schwesterlichen Lebensbeschreibung (Nr. 547), in der Verfasserin „feinsinnig, gewandt und beredt" zu Werke gegangen sei. Hervorgehoben werden WagnerFreundschaft und -Entfremdung und die Entstehung der Erkrankung: „Seine Schicksale kann man nicht ohne lebhafte Antheilnahme lesen, auch wenn man der Ansicht ist, daß nur eine Modelaune sich seinen philosophischen Aphorismen zuwendet", und zwar „in der Besorgung vor den das Niedertreten der Kultur androhenden Bestrebungen der Sozialdemokratie". 666 Simmel, G. (Berlin), (DLZg 18. Jg., Nr. 42 v. 23. 10. 1897, Sp. 1645-1651). Eine weitgehende Ablehnung der Schrift von Tönnies (Nr. 567), da sie an Nietzsche „vom Standpunkt eines modernen, sozialistisch gefärbten Evolutionismus" herantrete und seine „Werthungen nach einem definitiven Maasstabe kritisirt, den Nietzsche selber nicht anerkennt". Der Auffassung von Tönnies hält er entgegen, daß „hier eine strenge und feine Moral zu Worte" komme: Nietzsche habe „die thatsächlich in den ethischen Schätzungen von je wirksame, aber in der ethischen Systematik bisher übersehene Kategorie der Vornehmheit sozusagen für die Moralwissenschaft entdeckt". Als andere bleibende Leistung komme „seine psychologische Analyse" hinzu. Dennoch rühmt der Verfasser an Tönnies Schrift, daß sie „die Irrthümer" nachweise, „zu denen Nietzsche durch seine .ideologische' Geschichtsauffassung verführt worden ist". Die damals in Berlin wirkende Henriette Schrader-Breymann schrieb am 24. O k t o b e r 1897 an ihre Nichte Margarete Breymann, die zu der Zeit ihr medizinisches Studium in Göttingen anfing:

671 STETTENHEIM, LUDWIG (Hamburg 27.10. 1866 - Leipzig O k t . 1935), Dr. phil., Schriftleiter.

1897 Henriette Schrader-Breymann: „ein Opfer der tiefeingreifenden Übergangsperiode"

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„Um mich ein wenig in eine andere Welt zu versetzten als die von Gartenplänen, Zahlen und Grundrissen usw., lese ich jetzt das Leben von Nietzsche, von seiner Schwester verfaßt. Mein Widerwille gegen ihn verwandelt sich bei dem Studium des Buches in tiefes Mitleid, und ich fange an, zu begreifen, wie dieser unglückliche Mensch zu seinen Absurditäten gekommen ist; leider habe ich zuerst nur den zweiten Band aus der Bibliothek bekommen können; Frau Elisabeth Förster-Nietzsche selbst ist nicht sehr tief; aber sie gibt höchst interessantes Material, aus dem man sich selbst seine Schlüsse ziehen kann. Nachdem ich das genannte Werk durchgenommen habe, werde ich das von Frau Salomé lesen. N. ist ein Opfer der tiefeingreifenden Ubergangsperiode, in der unser geistiges Leben sich jetzt befindet, und die Schriften über ihn, besonders das reichhaltige Material in bezug auf Persönlichkeiten und Verhältnisse, die auf N. wirkten, geben viel Stoff zur Psychologie unserer Zeit."672 Im Oktober 1897 reiste der Holländer Albert Verwey zu Stefan George nach Berlin, und beide besuchten kurz darauf Melchior Lechter, über den Verwey dann erzählt: „In seiner Wohnung, Kleiststraße 3, war nichts - vom gebrannten Fenster bis zum Einband und Serviettenzeug - das nicht von ihm selbst gemacht oder nach seinen Zeichnungen und unter seiner Aufsicht angefertigt war. Nach Jahren verborgener Arbeit hatte er eben, durch eine große Ausstellung Aufsehen erregt in der Welt der Berliner Kunstkenner. Daß um den Kronleuchter an der Decke seines Zimmers die Namen Nietzsche, Wagner, Böcklin gemalt waren, bewies mir genügsam, daß er in einer andern Welt lebte als der meinen. Aber man brauchte ihn nur zu sehen, inmitten seiner Arbeit, strahlend von Güte und Eifer, um zu verstehen, daß man mit diesem Mann nicht streite. Gerne sah ich nach dem Spruch von Nietzsche, den er in seinen Werkstattschrank eingeschnitten hatte: .Trachte ich denn nach Glück? Ich trachte nach meinem Werke.'"673

672 Lyschinska, M. J., Henriette Schrader-Breymann. Ihr Leben aus Briefen und Tagebüchern zusammengestellt u. erläutert. 2. Bd. de Gruyter. Bln. 1922, S. 581; SCHRADER-BREYMANN, HENRIETTE (Mahlum 14. 9. 1827 - Schlachtensee b. Berlin 25. 8. 1899), Volkserzieherin. 673 Mein Verhältnis zu Stefan George. Erinnerungen aus den Jahren 1895-1928. Heitz. Straßburg 1936, S. 19; LECHTER, MELCHIOR (Münster 2. 10. 1865 - Raron / Wallis 8. 10. 1937), Maler, Buchkünstler. Die besondere Vertrautheit Lechters mit Nietzsche wird auch durch seine langjährige Freundin (1919 bis zu seinem Tode) Marguerite Hoffmann bezeugt: „In Dostojewsky, Balzac, Huysmans, Péladan und vor allem in Nietzsche hatte er sich eingehend vertieft." (M. H., Mein Weg mit Melchior Lechter, in: Castrum Peregrini H . 72 / 74, 1966, S. 25; s. a. S. 37, 42). Kurt Hildebrandt erzählt von seinem ersten Besuch in Lechters Atelier im Jahre 1907: „Er behandelt mich nicht mit freundlicher Höflichkeit sondern mit herzlicher Sympathie. Als später ein gemeinsames Gespräch auf Nietzsche gerät, sagt er auswendig das Dionysische Gedicht ,An den Mistral' - mit dichterischem Feuer, mit klangvoller Stimme, Georges Lesen ähnlich - denn damals galt ihm noch Nietzsche ebensoviel wie Wagner (und Lißt)." (K. H., Erinnerungen an Stefan George und seinen Kreis, a. a. O . , S. 35). U b e r das Bekanntwerden Verweys mit dem W e r k Nietzsches gibt eine Briefstelle v. 26. 9. 1908 an Karl Wolfskehl Aufschluß: „Ich habe [...] mich in Nietzsche vertieft, von dem ich im Jahr 1888 gelesen hatte was damals von ihm erschienen war (bis einschließlich

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1897 Melchior Lechter

Ähnliches berichtete Friedrich Kurt Benndorf über eine Schöpfung Lechters aus den Jahren 1898-1900, für die er 1900 auf der Pariser Weltausstellung den Grand Prix erhielt und die dann im Zweiten Weltkrieg sogutwie ganz zerstört wurde: „Der westfälische Maler Melchior Lechter [...] hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Raum-Traum in die Wirklichkeit gezaubert, der [...] mit seinen Gemälden und Glasfenster-Mosaiken den Gedanken der,Weihe am mythischen Quell' verbildlicht. In diesem Räume aber - dem Pallenbergsaal des Kölner Kunstgewerbemuseums - liest man an der Decke um den innersten Reliefkranz der Engel (- in weiteren Umkreisen stehen Sätze aus der christlichen Mystik und Sprüche aus Nietzsches Zarathustra) in feierlicher Schrift und in dreimaliger Wiederholung, ohne Nennung dessen, der das Wort prägte: ,Gott. - Und die Träume.' Mit diesem Worte hatte Mombert sein Werk ,Die Schöpfung' abgeschlossen, das im Jahre 1897 ans Licht kam." 674 667 Stern, Maurice von, Meta von Salis und Friedrich Nietzsche. (SLB 6. Jg., No. 5 v. 1. 11. 1897, S. 1025 f.). Bespricht das Nietzsche-Buch (Nr. 612) der Verfasserin, die er für eine „Nietzscheanerin von Geburt an, zugleich Verheißung und Erfüllung des vorausgesagten .neuen Typus'", hält. Doch möchte er auch zugleich selber zu Nietzsche Stellung nehmen: „Nietzsche ist ein ästhetisch ungemein verfeinerter Geist, aber es mangelt ihm an Liebe. Das Wort von den Vielzuvielen ist lieblos, und es bildet den Kern seiner Soziologie." Er sieht in Nietzsche „die gramentstellten Züge eines armen, bejammernswerten Menschen, der um Lieb' und Leben betrogen wurde", und meint deshalb zum Schluß: „Ich aber sage: der Glückliche, der Heitere soll unser Prophet sein." 667a Mit der Uberschrift: Meta von Salis-Marschlins und Friedrich Nietzsche, auch in: M. R. v. S., Typen und Gestalten moderner Belletristik und Philosophie. (In

der drei ersten Bücher von Zarathustra). Anlaß des Wiederlesens war das Erscheinen von Bernoulli II. - nebenbei gesagt: schlechter als der erste Teil, und ein wahrer Zitaten-wust, worin nur die Mitteilung, Ariadne sei Cosima Wagner, etwas Neues ist. Die Folge war ein Gedicht, worin ich ein Bild von N . gegeben habe, so wie es mir jetzt vorschwebt." (Wolfskehl u. Verwey. Die Dokumente ihrer Freundschaft 1897-1946. H g . v. M. Nijland-Verwey. Schneider. Heidelberg 1968, S. 66; s. ebd., S. 71 (Brief v. 26. 10. 1908: „Was sagen Sie zum Ecce homo. Mich hat das Buch sehr ergriffen. G a r nicht mehr .gescheit' im Derlethischen Sinn, aber überklar und voll der atemlosen Leidenschaft des Gezeichneten!") u. 159 (Brief an D e H a a n v. 20. 9. 1920 über Bertrams „Nietzsche": „[...] ein gutes Buch [...]"). S. a. im Antiquariatskatalog 880 v o m Basler Erasmushaus zu den N u m m e r n 212 m. Abb. auf S. 86 den eigenhändigen Besitzereintrag auf einem Exemplar von Steiners Nietzsche-Buch: „Melchior Lechter. Berlin. Juni 1895", und 325 mit dem Vermerk zu einem Exemplar der 5. Auflage von „Zarathustra": „die eigenhändige, kalligraphische Widmung Lechters in roter und schwarzer T i n t e : , [ . . . ] Seiner einzigen Schwester Anna zu ihrem Wiegenfeste: 1896 von ihrem Bruder Melchior Lechter. Berlin den 22. August 1896."'; VERWEY, ALBERT (Amsterdam 15. 5. 1865 - Noordwijk aan Zee 8. 3. 1937), niederländischer Dichter. 674 F . K. B., M o m b e r t . Geist und W e r k . W . Jess. Dresden (1932), S. 267.

1897 Richard von Schaukai

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Darstellungen ausgewählter Werke und persönlichen Erinnerungen). Österr. Vlgs.anst. Linz, Wien, Lpz. 1902, S. 47-50. Einleitend, über knappe zwei Seiten hin, wird das Werk „Lieder und Sprüche" von Meta von Salis-Marschlins besprochen, sonst sind aber nur wenige, unwesentliche Änderungen zu vermerken. In einer kleinen N o t i z brachte „Der Reichsbote" Alfred Kerr in einen Zus a m m e n h a n g mit Nietzsche u n d zwar als einen „Anbeter dessen, [...] was bekanntlich nichts wie kunterbuntes, unsittliches, zuweilen vernunftloses Pat h o s in d r ö h n e n d e m Wortschwall ist". 675 A u c h Richard v o n Schaukai scheint d e m Nietzscheschen W e r k , zu mindest d e m „Zarathustra", n o c h k u r z v o r der J a h r h u n d e r t w e n d e begegnet zu sein, wie aus folgender Eintragung „Aus einem Tagebuch 189 [...]" hervorgeht: „,Also sprach Zarathustra.' Vieles fand mich ganz vorbereitet [,..]"676 668 Meyer, Dr. Johann Georg, Friedrich Nietzsche als Ethiker. (BurBl 12. Jg., H. 4 f., Wintersemester 1897, S. 90-97, 117-122). Als Zweck des Aufsatzes will Verfasser es verstanden wissen, „der Jugend eine Waffe" gegen die Gefahr, die die Ansichten der zweiten Periode (d. h. alles nach den „Unzeitgemäßen") darstellen, „in die Hand zu geben", denn „aus dem deutschen Patrioten ist ein .Heimathloser' und Deutschenverächter, aus dem Verehrer der Religion ein fanatischer Hasser derselben [...] geworden". Weitgehend Nietzsche selber zu Worte kommen lassend stellt der Verfasser Ansicht gegen Ansicht, um dann behaupten zu können: alles (d. h. „tiefe Gedanken von psychologischer Wahrheit, von großer Menschen- und Selbstkenntnis") werde von „Widersprüchen und Unklarheiten überwuchert". Doch da, „wo er als Dichter spricht, ahnen wir den ganzen Reichthum seiner Gefühle", und so endet der Verfasser mit einigen Versen aus „Ruhm und Ewigkeit". 669 anonym (Carl Jentsch), 677 Nietzscheana. (Gr 56. Jg., 1897, N r . 31, S. 238 f.). Eine warme Empfehlung der Nietzsche-Bücher von Ritsehl (Nr. 555) und Tönnies (Nr. 567) als gegnerischen Schriften, noch dazu mit der Begründung, „weil man niemandem die Lektüre dieses Schwärmgeistes anraten kann". Verfasser selbst gesteht, „bisher immer noch besseres und notwendigeres" zu tun gehabt zu haben.

675 Nr. 279 v. 28. 11. 1897. 676 R. v. S., Um die Jahrhundertwende. Langen Müller. Mchn., Wien o. J., S. 154; s. noch S. 98 (über die letzten Gymnasialjahre, noch zu Anfang der 90er Jahre, und die Mitschüler, „die mit einem unverdauten Büchner und Darwin herumwarfen, die Taine und Brandes, Lange und Nietzsche fraßen und diskutierten, eine begabte, ironische, phrasenhafte Gesellschaft"); SCHAUKAL, RICHARD VON (Brünn / Mähren 27. 5. 1874 - Wien 10. 10. 1942), Schriftsteller, Studium und Promovierung 1898 zum Dr. jur. in Wien. 677 JENTSCH, CARL (Landeshut / Schles. 8. 2. 1833 - Bad Ziegenhals 28. 7. 1917), zunächst römisch-, darauf altkatholischer Geistlicher und schließlich seit Anfang der 80er Jahre und dem Austritt aus dem geistlichen Stande Schriftleiter bzw. Mitarbeiter an verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften.

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1897 Otto Henne am Rhyn: Eine der „Säulen dieses verderblichen Einflusses"

670 Henne am Rhyn, Otto, 678 Kulturgeschichte der jüngsten Zeit. Von der Errichtung des Deutschen Reiches bis auf die Gegenwart. O t t o Wigand. Lpz. 1897. xi, 609 S. (= Allgemeine Kulturgeschichte von der Urzeit bis auf die Gegenwart. 7. Bd.: Die jüngste Zeit). U b e r Nietzsche zusammenhängend auf S. 452-459, sonst einzelne Hinweise auf, bzw. Seitenhiebe gegen ihn. Gleich zu Anfang stellt Verfasser Nietzsche als eine der „vier Säulen dieses verderblichen Einflusses" dar, nämlich neben Zola, Ibsen und Tolstoi: Alle vier in ihrer Krankhaftigkeit bilden „das in Europas Litteraturen herrschende Hospital". Zu der Darstellung Nietzsches schöpft er fast ausschließlich aus der anscheinend schon gängig gewordenen Nietzsche-Literatur (Ritsehl, Achelis, Stein, Tille, Steiner, Türck, Zerbst, Duboc u. Α.). Z u m Schluß stellt er all dem Carneris „Ethik der Erziehung" entgegen. 671 Möller, O t t o M., Ubermenschen. Roman. Einzig autorisierte Ubers, a. d. Dan. v. Ernst Brausewetter. Herrn. Hiller. Bln., Eisenach, Lpz. (1897). 128 S. (= Kürschners Bücherschatz N r . 57). Ein junger Mensch, Alfred Meißner, aus Kopenhagen, „unabhängig und recht wohlhabend", hält sich den Sommer über in dem dänischen Badeort Oerby auf. Er lernt den Provisor der Stadtapotheke, Gottfried Carlsen, näher kennen, der durch schwere und anhaltende Arbeit hochgekommen ist und Alfred f ü r einen „Ubermenschen" hält: „Es sind Leute, die unter allen Umständen obenauf bleiben, ohne sich selbst sonderliche Mühe zu geben - die immer die erste Violine spielen, und die, wenn ihnen auch ein kleines Unglück zustößt, immer, wie die Katzen, auf die Füße fallen. Sie verwunden sich niemals, die genießen, sie lieben. Sie sind von Geburt an begünstigt, denn sie können nur in einer reichen und angesehenen Familie geboren werden; das Abplagen, das für uns Proletarier erforderlich ist, u m emporzukommen, kennen sie nicht und brauchen sie auch nicht; schon ihr N a m e verschafft ihnen Ansehen." Der Begriff „Ubermensch" verknüpft sich in der Vorstellung Meißners mit den Namen Brandes, Ibsen und Kröger (S. 55 f.). Carlsen ist mit einem Fräulein Rönning, dem Meißner schon zweimal vorher zufällig begegnet

678 HENNE AM RHYN, OTTO (Skt. Gallen 26. 8. 1828 - Weiz / Steiermark 1. 5. 1914), 1885-

1912 Staatsarchivar in Skt.Gallen, veröffentlichte auch: Aria, das Reich des ewigen Friedens im 20. Jahrhundert. Pforzheim 1895 / Das Christentum und der Fortschritt. Zur Versöhnung von Religion und Forschung. Lpz. 1892. In einem weiteren Band des angeführten Werkes (Die Kultur im Ubergange vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert. Bd. VIII. 1908) führte er den Kampf gegen Nietzsche, wenn auch nur noch am Rande, weiter. Er machte ihn für den „Größenwahn unter der Jugend", für die Aufstachelung des Selbstbewußtseins und der Eitelkeit „der sich bekanntlich sämtlich für groß hakenden jungen Dichter" verantwortlich: „Sein Aphorismenstil wurde vorbildlich für den zerfahrenen Stil der jüngeren Dichtergruppe, nicht weniger auch trug sein Haß gegen sein Vaterland zur größeren Wertschätzung fremder als heimischer Dichtergrößen bei." Er brandmarkt „seine Wissenschaft vom Staate, von dem er überhaupt nichts gründliches kannte", und die Lehre von der „ewigen Wiederkunft" wird als „wahnwitzige Erweiterung des alten Glaubens an die Seelenwanderung" abgetan: „Der [...] schon an sich fürchterliche Gedanke ist also reiner Unsinn." - „Was uns insbesondere gegen ihn erbittert hat, ist sein geradezu abscheuliches Urteil über die Frauen im Allgemeinen."

1897 Paul Blau: Häckel, Marx und

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ist, verlobt. Meißner verhilft Carlsen zu einem heißersehnten Reisestipendium nach Wien. Dieser überläßt seine Verlobte dem Schutz des Freundes, der sich schnellstens in sie verliebt. In einem Kirchturm retten sie sich aus Liebe zu einander gegenseitig vor dem Selbstmord. Erna ist kurz vor dem Rückkehr Carlsens soweit, ihm den Verlobungsring zurückzugeben, da überrascht Carlsen die Liebenden und schießt auf Erna. Sie hängt noch am Leben, Carlsen wird verhaftet, Meißner erklärt etwas widerwillig seine Bereitschaft, Erna zu heiraten, wird aber unerklärterweise abgewiesen. Der Sommer ist vorüber, es ist November, Meißner verläßt die Stadt allein und im selben Zug wird Carlsen weggeführt. In einer dreiseitigen Nachschrift sieht man Meißner in Genua, leicht ergraut und sich immer noch als Maler versuchend. Zufällig stößt er auf eine sechs Monate alte dänische Zeitung, in der zwei Anzeigen stehen, die auf einen leidlichen Erfolg Carlsens und dessen Eheschließung mit Erna schließen lassen. Paul Blau kam 1897 als Hauptgeistlicher an das Augustahospital und die Kaiser-Augusta-Stiftung nach Berlin und hat die damaligen geistigen Verhältnisse in seinen Erinnerungen wie folgt geschildert: „Es war die Zeit, wo die Naturwissenschaft oder besser die Naturphilosophie die geistige Führung an sich zu reißen suchte, wo Häckels Welträtsel das meistgelesene Buch waren, das in keinem Salon fehlen durfte, wo das philosophische Bedürfnis wesentlich bei Nietzsche seine Befriedigung suchte, und wo der Geschichtsmaterialismus nach Marxschem Rezept die Köpfe verwirrte." 679 Wahrscheinlich während der letzten Jahre seiner Gymnasiastenzeit (18911899) in der Latina der Franckeschen Stiftungen zu Halle an der Saale hat Oswald Spengler Nietzsche gelesen, dessen „Zarathustra" er heimlich mit in den Gottesdienst nahm. Aus Unveröffentlichtem berichtet A. M . Koktanek: „Der zweite große Ertrag der geheimen Studien war Nietzsches .Zarathustra'. Dieses Buch wirkte so stark auf ihn, daß er - nach seinen eigenen Worten - tagelang wie in einem Rausch umherging und glaubte, das Alltagsein nicht mehr ertragen zu können. Spengler schaffte sich den .Zarathustra' auch für seine Privatbücherei an und las sogar der Familie abends daraus vor [...] Vor dieser .Gemeinschaft einander nicht verstehender Menschen, die ich Elternhaus nannte', deklamierte Oswald .Zarathustras Nachtlied' [...] Zunächst ergriff Spengler am .Zarathustra' wohl Reinheit und Kraft der Sprache [...] Der dithyrambische Schwung, der wahrsagerische Zug, der in Wortklängen und Bildern statt in Begriffsreihen die Welt erfassende Geist, der gedankenschwere Lyrismus - all dies berührte Spenglers Herzsaite." 680

679 P. B., Bergan! Die Geschichte einer Lebenswanderung. II. Bd. Aufstieg: Kandidatenzeit und erste Amtsjahre. J. F. Steinkopf Vlg. St. (1939), S. 120; BLAU, PAUL (Suhl / Thür. 15. 5. 1861 - Posen 19. 12. 1944), 1901-1904 Hofprediger des Fürsten zu Stolberg in Wernigerode, zuletzt Generalsuperintendent in Posen. 680 A. M. K., Oswald Spengler in seiner Zeit. C . H . Beck. Mchn. (1968), S. 51 ff. S. a. S. 70 ff. (Nietzsches Einfluß auf die 1904 geschriebene Dissertation), 150 (Einfluß auf den „Untergang des Abendlandes"), 462 (Von der Schwester wurde neben dem „Faust" auch der „Za-

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1897 Oswald Spengler: „aus seinem Ausblick einen Überblick gemacht"

672 Veeck, O. (Bremen),681 F. Nietzsches Stellung zum Christentum. (= Vortrag, gehalten im bremischen Protestantenverein am 3. Nov. DPBl 30. Jg., Nr. 47-50 v. 20. u. 27. 11. u. 4. u. 11. 12. 1897, S. 372 ff., 377-380, 391 f., 394 f.). Er richtet sein Augenmerk auf den „späteren Nietzsche" und dessen „Waffengang mit dem Christentum" und bedauert, „daß ein solches Talent auf eine so gefährliche Bahn geraten und in überwundene Anschauungen zurückgefallen ist". 673 Ziegler, Prof. Dr. Theobald (Straßburg i. E.), Friedrich Nietzsche über die Burschenschaft. (BurBl 12. Jg., Nr. 5 v. 1. 12. 1897, S. 130 f.). Angeregt durch den Aufsatz Langguths (Nr. 659) bringt Ziegler, der in jenem Winter gerade eine Vorlesung über Nietzsche gehalten habe, hier eine von jenem übersehene Stelle aus der fünften Rede „Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten", die mit dem Ursprung der Burschenschaft zu tun hat. 674 Ho[e]chstetter, S„ Nietzsche's Gefühlsseite. (Nl 3. Jg., Nr. 3 v. Dez. 1897, S. 154-161). Ein wahres Hohelied auf den großen, königlichen „Verschwender": „Wer seine Seele in sich aufgenommen, der hat nur noch ein Gefühl im Herzen - ein Wort auf den Lippen für ihn: Dank - grenzenlosen Dank." Gerichtet vor allem gegen manche Art von Nietzschejüngern, verteidigt Verfasserin ihn auch gegen den Vorwurf, er habe „mit so ,cynischer Rohheit' über das Weib geurtheilt". Sie schöpft in allem vornehmlich aus dem „Zarathustra": „ - im Zarathustra gab er seine Seele und sein Gefühlsleben - das ist es, was dieses Buch so unendlich theuer macht." 675 Grot, Prof. Nikolaus (Moskau),682 Nietzsche und Tolstoi. (Z Bd. 21, 4. 12. 1897, S. 414-424).

rathustra" mit in den Sarg gelegt, da er „sie immer mit auf die Reise" genommen habe); sowie die Meinung Koktaneks in der Einleitung zu: O. S., Briefe 1913-1936, C. H. Beck. Mchn. (1963), S. 12: „Von der Dissertation über Heraklit bis zum letzten Buche, durch ein volles Menschenalter, kehren stets die gleichen Erlebnisqualitäten wieder: vornehm, stolz, groß, streng; Verachtung, Ekel, Haß und Härte. Darin lebt aristokratische Prätention, der Anspruch auf eine Ausnahmestellung, das Leitbild, das Nietzsche der ersten Generation, auf die er wirkte, eingepflanzt hat: .Redlichkeit' und .Reinheit'." S. a. Naeher, Jürgen, Oswald Spengler m. Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten. Rowohlt. (Reinbek b. Hamburg Juli 1984 = rm 330) die vielen den Nietzscheschen Einfluß betreffenden Stellen, bes. die, welche Unveröffentlichtes bringen, z. B. S. 11 „[...] in einer gewissen Epoche braucht man einen großen Mann seiner Zeit, an dem man sich, sei es noch so sehr aus der Ferne, halten und aufrichten kann. Fehlt er, so kann man innerlich zum Krüppel werden. Was hätte aus mir werden können, wenn Nietzsche 1900 noch gelebt hätte, geschrieben hätte! Was wäre aus Nietzsche geworden, hätte er Wagner nicht gehabt!", 32, 33, 85 (eine kurze Ubersicht des Verhältnisses zum Nietzsche-Archiv); Im Schlußabsatz des Vorworts vom Dezember 1922 zu dem Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes" (1. Bd., S. ix) stehen folgende Worte: „Zum Schlüsse drängt es mich, noch einmal die Namen zu nennen, denen ich so gut wie alles verdanke: Goethe und Nietzsche. Von Goethe habe ich die Methode, von Nietzsche die Fragestellungen, und wenn ich mein Verhältnis zu diesem in eine Formel bringen soll, so darf ich sagen: ich habe aus seinem Ausblick einen Uberblick gemacht." SPENGLER, OSWALD (Blankenburg am Harz 29. 5. 1880 - München 8. 5. 1936), Kulturgeschichtler. 681 VEECK,OTTO, geb.1860, promovierte 1888 zu Halle mit einer Arbeit über Trendelenburg. 682 GROT, NIKOLAUS (1852 - 1899), russischer Schriftsteller.

1897 Karl Böttcher schildert einen Besuch bei der Schwester in Weimar

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Verfasser sieht in den „beiden moralischen Protagonisten unserer Zeit" den „unversöhnlichen Gegensatz der kantischen reinen und praktischen Vernunft und die alte Antiethik des Demokrit und Sokrates, des Aristoteles und Plato, des Nominalismus und Realismus" oder „die Hyperkultur des Westens gegenüber osteuropäischer werdender Kultur". Obwohl beide Richtungen ihm als Extreme erscheinen, gehört seine Neigung eher der von Tolstoi. 675a Dass. Autorisierte Ubers, a. d. Russ. v. Dr. Alexis Markow. Hugo Steinitz. Bln. 1898. 24 S. Der Schlußsatz fehlt, sonst unverändert. 676 Böttcher, Karl,683 In geistiger Umnachtung. Studien und Stimmungsbilder aus Irrenhäusern. V. Bei Friedrich Nietzsche. (RigaTbl 22. Jg., Nr. 265 v. 4. 12. 1897). Beschreibt einen Besuch bei der Schwester in Weimar gegen Ende der 90er Jahre, bei dem er nicht nur zusammen mit ihr „Diner" habe einnehmen, sondern auch trotz „Mittagsschläfchens" das Zimmer des „Geisteskranken" betreten dürfen. Etwas später dann erlebte er auch den wachen Nietzsche und überliefert einige belanglose Äußerungen des „in den vordersten Reihen beim Kampf der Geister schwer verwundeten, zu Tode getroffenen Helden". 676a Auch in RemZg Nr. 284 v. 4. 12. 1897, 2. Bl. Unverändert. 676b Auch in MStLZg Nr. 284 v. 5. 12. 1897. Unverändert. 676c Auch in BBC Nr. 571 v. 7. 12. 1897. Etwas verkürzt. 676d Auch in DZgb Nr. 287 v.8. 12. 1897. Wie zu Nr. 676a. 676e Auch in DrZg Nr. 287 v. 9. 12. 1897. Stärker verkürzt. 676f Auch in NBLZg Nr. 586 v. 16. 12. 1898. Verkürzt. 676g Auch in: K. B., Bei Friedrich Nietzsche. (In: K. B., Auf Studienpfaden. Gefängnisstudien. Landstreicherstudien. Trinkstudien. Irrenhausstudien. Th. Schröder. Zür. u. Lpz. 1900, S. 196-203). Mit wenigen belanglosen kleineren Änderungen gegenüber Nr. 676. 676h Dass. in: ZürP 22. Jg., Nr. 147 v. 27. 6. 1900, d. h. der Nietzsche betreffende Abschnitt, in unverändertem Nachdruck nach Nr. 676a. 676i Dass., wiederum die Nietzsche betreffende Stelle, in: NZZg v. 27. 6. 1900, unverändert. 677 anonym, Öffentliche Vorträge von Diakonus Graf über die Nietzschesche Philosophie. (ChTbl Nr. 297, 303 u. 311 v. 10., 17. u. 27. 12. 1897). Der Vortragende habe sich „als ein[en] genaue[n] Kenner und ein[en] gerechte[n] Beurteiler Nietzsches" gezeigt, „der bei klarer und entschiedener Abweisung der Aufstellungen des Denkers Nietzsche dem Menschen und Künstler Nietzsche volle Gerechtigkeit widerfahren" lasse. Er könne in ihm „den großen Denker nicht finden". Es sei „unverantwortlich [...], wenn man die Nietzschesche Philosophie in das Volk" werfe. 678 λ, (LCBl Nr. 49 v. 11. 12. 1897, Sp. 1589 f.). Besprecher des Nietzsche-Buches von Riehl (Nr. 610) bemängelt in der Hauptsache das Vorhaben des Werkes, eben die Aufnahme Nietzsches unter die „Classiker der

683 BÖTTCHER, KARL JOHANN (Dennheritz / Sachsen 12. 5. 1852 - Groß-Lichterfelde 10. 12. 1909), Schriftsteller.

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1897 Grottewitz: Darwin, Haeckel und Brehm

Philosophie". Ihm ist nur derjenige Philosoph, der „das Ganze einer Weltanschauung bringt, welches sich mit logischer Consequenz aus gewissen Voraussetzungen entwickelt", und dem es „ernstlich darum zu thun ist, die Wahrheit, die sich in dem bunten Spiel der Erscheinungen birgt, zu ergründen". „Gerade [...] die strenge Folgerichtigkeit und der Zusammenschluß ihrer Gedanken zu einem wohlgegliederten Systeme" hätten die Philosophen „der Masse zugänglich" gemacht. Einige Andeutungen Riehls über die Sprache der „späteren Schriften" hätte Verfasser gern näher ausgeführt gesehen, „damit endlich der Legende ein Ende gemacht würde, als ob der impressionistische Stil Nietzsche's das non plus ultra der Sprachvollendung sei". 679 F., L., (KöHZg v. 12. 12. 1897). Eine knappe, lobende Besprechung der ersten beiden Bände des schwesterlichen Werkes (Nr. 417 u. 547). 680 Grottewitz, Curt, Nietzsche's Herrenmoral und die Naturwissenschaft. (ML 66. Jg., Nr. 50 v. 18. 12. 1897, Sp. 1519-1524). Verfasser zählt sich zu denen, die Nietzsche „als Jüngling einst so begeistert" habe, und die ihn „nun hassen und noch immer lieben". Aus den Ergebnissen der Naturwissenschaft, vornehmlich aus Darwin, Haeckel und Brehm, will er Nietzsches Herrenmoral, die auf dem Egoismus beruhe, berichtigen, indem er aufzeigt, daß neben dem Egoismus auch der Altruismus nichts „Angewöhntes, Angelerntes, Sekundäres" sei, sondern „ein ganz eminentes Bildungsprinzip des Lebens". Aber selbst wenn „die Theorie von dem alleinigen Egoismus fällt", so bleiben ihm Nietzsches Taten „trotzdem groß und zeitbewegend". Nur sei er eben „kein Reformator", der „einen Mittelweg zu finden" suche, sondern „ein Revolutionär". 681 ü, Die Beziehungen Richard Wagners zu Friedrich Nietzsche. (DZgb Nr. 222 v. 20. 12. 1897). Beschreibt den Bruch mit Wagner ganz nach der schwesterlichen Darstellung im ersten Teil des zweiten Bandes der Lebensbeschreibung (Nr. 547). Es sollte gegen Ende des Jahres 1897 ein Berliner Wochenblatt im Stile der Münchner „Jugend", an dem O t t o Julius Bierbaum und Dr. Ludwig Abels, damals in Berlin, beteiligt waren und an dem Christian Morgenstern mitarbeiten sollte, den Titel „Zarathustra" tragen. Morgenstern setzte sich aber eifrig dagegen, und die Zeitschrift erhielt daraufhin den Namen „Das Narrenschiff. Blätter für fröhliche Kunst". Sie brachte aber trotz des ursprünglichen Titelvorschlages im ganzen ersten Jahr lediglich zwei einzeilige Sprüche Nietzsches. Unter den namhafteren Mitarbeitern des ersten Jahrganges waren Rilke, Morgenstern, Holz, Hille, Hartleben, Dehmel, Scheerbart und Schlaf.684

684 C. M., Ein Leben in Briefen, 1952 a. a. O., S. 96 f.; ABELS, LUDWIG (Wien 16. 3. 1867 Paris 2. 6. 1937), war kurze Zeit Herausgeber der Zeitschrift, lebte seit 1898 in Niederösterreich, 1933 ins Ausland.

1898 Karl Knortz: „giftiger Hasser und abstoßender Schimpfbold"

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682 Knortz, Karl (Evansville, Indiana), Friedrich Nietzsche und sein Übermensch. Zür. u. Lpz.1898. 40 S. Nietzsche sei es vorbehalten geblieben, „die schrecklichen Konsequenzen der Darwinistischen Lehre für die Menschheit zu ziehen". Verfasser findet, daß „der jetzige Kampf ums Dasein mit Meineid, Grausamkeit, Lüge, Schwindel und List, also mit Nietzscheschen Herrentugenden" geführt werde. Nietzsche selber „dürfte als giftiger Hasser und abstoßender Schimpfbold schwerlich seinesgleichen finden", und sein Stil sei „selten von einer unangenehmen, erzwungenen Maniriertheit und von der Sucht, unter jeder Bedingung, selbst bei der Wiedergabe längst bekannter Wahrheiten originell zu sein, frei zu sprechen". Nebst einem Briefe Nietzsches an den Verfasser vom 21. Juni 1888 ist dessen Behauptung vermerkenswert, daß er nach Veröffentlichung eines Artikels über Nietzsche in einer New Yorker Zeitung zu der Uberzeugung gekommen sei, daß er durch weitere Veröffentlichungen nicht nur ihn, sondern auch die gesamte neue Philosophie Deutschlands in Mißkredit gebracht hätte. 682a Längere Auszüge auch in: BhFr 19. Jg., Nr. 2 u. 8 v. 17. 1. u. 11. 4. 1901). Einigen, w e n n auch mittelbaren Aufschluß ü b e r das z u n e h m e n d e Bekanntw e r d e n Nietzsches liefert folgender Bericht, der im F e b r u a r h e f t des Jahres 1898 der „Zeitschrift f ü r Bücherfreunde" (Bd. 2, 1897, S. 605) erschien: „Friedrich Nietzsche, der bekanntlich schon zeitig, lange ehe er dem Zustande geistiger Umnachtung verfiel, ein kranker und nebenbei sehr augenleidender Mann war, beschränkte sich bei eigenhändigem Schreiben auf das alleräußerste, diktierte meist seine Briefe, wie auch selbst seine Werke, für die er mühsam vorher, auf losen Streifen, auf besonderem, für Augenkranke vorbereitetem Papier, Notizen machte. Hierin liegt der Grund, weshalb die Handschrift dieses Philosophen im Autographenhandel bis jetzt so gut wie völlig unbekannt geblieben. Ein um so bemerkenswerteres Ereignis ist es, daß dieser Tage eine ganze Korrespondenz Nietzsches zum Verkauf gekommen ist, welche das Dresdener Antiquariat von Richard Bertling für einen Verehrer dieses vielumstrittenen Genies zu einem ansehnlichen Preise erwarb. Die in Rede stehende Sammlung besteht aus mehr als hundert eigenhändigen Schriftstücken Nietzsches an seinen Verleger Schmeitzner und gewährt einen Einblick nicht nur in die Entstehungsgeschichte seiner Werke, sondern nimmt Bezug auch auf mancherlei die Außenwelt interessierende Dinge, die der Autor mit dem ihm persönlich nahestehenden Verleger besprach. Der ganze Ton, in dem diese Korrespondenz gehalten ist, legt dafür Zeugnis ab, wie der schon damals schwerleidende Mann im Verkehr stets liebenswürdig blieb und selbst bei geschäftlichen Angelegenheiten, die gegen seinen Wunsch gingen, überreizte Stimmungen von sich fernzuhalten wußte." Der Wortlaut des Berichtes legt nahe, daß dessen Verfasser sich auf das gedruckte Angebot der Firma Sigismund & Volkening in Leipzig bezog: „Originalbriefe von Friedrich Nietzsche. Wertvoll für jeden Autographensammler, nämlich für Verehrer Nietzsche's." 10 S. Die Aufstellung enthält 119 Nummern, von denen 106 Mitteilungen von Nietzsche, 9 von der Schwester, 1 von Schmeitzner an Nietzsche und zwei von Fritzsch an Schmeitzner, meist mit wörtlicher Wiedergabe von Aus-

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1898 Ludwig Woltmann: „von den Philosophen nur Schopenhauer gründlich gekannt"

zügen, sind. Zum Schluß heißt es: „Der Besitzer [...] hat [...] noch eine Anzahl Briefe von Richard Wagner, Hans von Bülow, Julius Wolf, Hans Herrig, Dr. Bernhard Förster etc. etc., die alle auf diese Zeit und Bücher Bezug haben [,..]"685 683 Woltmann, Ludwig, Dr. med. et phil.,686 System des moralischen Bewußtseins mit besonderer Darlegung des Verhältnisses der kritischen Philosophie zu Darwinismus und Socialismus. H. Michels. Düsseldorf 1898. xii, 391 S. Das Werk zerfällt zunächst in drei Bücher: Theorie der moralischen Erfahrung, Entwicklungsgeschichte des moralischen Bewußtseins, Der Inhalt des sittlichen Lebens; das zweite Buch wiederum in neun Kapitel, von denen das letzte, Das Moderne Menschentum, sieben Abschnitte enthält. Im letzten Abschnitt, Die Ethik der Gegenwart, meint Verfasser einleitend: „Die einzige Möglichkeit, den Socialismus vor geistiger Erstarrung zu bewahren, besteht darin, die Ideen des wirtschaftlichen Kollektivismus und Materialismus mit den Prinzipien der kritischen Moralphilosophie und den höchsten Gedanken Piatons, Jesu und Kants innerlich zu einer ethischen Ökonomie zu verbinden [...] Große moralisch wirksame Individuen von Bedeutung und Einfluß auf die gegenwärtige Menschheit sind Tolstoi und Nietzsche, von denen der erstere den moralischen Gehalt des Jesuchristentums klar und deutlich den Mitlebenden erneuert hat, und der letztere, anknüpfend an die Vervollkommnungstendenz der Darwinschen Entwicklungslehre, seine Predigt vom Übermenschen in die neuen Gesetzestafeln der Menschheit eingegraben hat." Es folgen etwas über zwei Seiten, die Tolstois „Erneuerung des Christentums" gewidmet sind, und darauf über dreieinhalb mit der Uberschrift: Nietzsches Lehre vom Ubermenschen, S. 264-267. Verfasser bedauert, daß Nietzsche „von den Philosophen nur Schopenhauer gründlich gekannt" habe: „Drei Viertel" seiner Kritik sei „gegen eingebildete Götzen gerichtet, [...] und man darf nicht sagen, daß er das Christentum, die kantische Philosophie und den Socialismus nicht verstanden habe, sondern man kann geradezu nachweisen, daß er gar keine sachliche Kenntnisse von denselben besessen hat". Dennoch sei sein Ubermensch „eine Entwicklungsstufe in der Geschichte der menschlichen Persönlichkeit, welche in gerader Linie die persönlichen Lebensideale der Vergangenheit fortsetzt. Ist denn ein gar so großer Unterschied zwischen dem Weisen der Platonischen Republik und der Stoiker, zwischen Jesus und dem Ubermenschen? Denn der Ubermensch ist der wirklich vollendete Mensch, der sich von allen Überwelten und Hintergöttern befreit hat, der Mensch, der auf sich selber steht."

685 Eine solche Zusammenstellung macht es wahrscheinlich, daß Schmeitzner entweder selber noch der Besitzer gewesen oder kurz zuvor gestorben sei. S. hierzu bei M. B. Brown, a. a. O., S. 275 u. 279Í., w o belegt wird, daß auch die weitaus meisten Verlagsbestände Schmeitzners v o n der Leipziger Firma Si[e]gesmund u. Volkening 1886 übernommen worden sind. 686 WOLTMANN, LUDWIG (Solingen 18. 2. 1871 - 30. 1. 1907 bei Sestri Levante a. d. Riviera ertrunken), Rassenforscher, promovierte zunächst 1895 zum D o k t o r der Medizin und 1896 zu Freiburg im Breisgau mit einer Arbeit über die Ethik zum Dr. phil., kurze Zeit Arzt, dann Lehrer und zuletzt Privatgelehrter, gründete 1902 die „Politisch-Anthropologische Revue".

1898 Gustav Naumanns Antimoralisches Bilderbuch

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1898 fand Nietzsche Aufnahme in Karl Georgs: Schlagwort-Katalog. Verzeichnis der Bücher und Landkarten in sachlicher anordnung. II.Band 188892, und zwar mit den Titeln von vier Schriften über ihn.687 684 Naumann, Gustav,688 Antimoralisches Bilderbuch. Ein Beitrag zu einer vergleichenden Moralgeschichte. H. Haessel. Lpz. 1898. iv, 377 S., 1 Bl. Ganz vom Nietzscheschen Geist angeregt und angefüllt holt der Verfasser Beispiele aus der Bibel, von Burckhardt, aus ethnographischen Werken und dergleichen, um seinen Grundsatz des „Antimoralin" zu rechtfertigen. Die Zitate aus Nietzsches Werken sowie die Hinweise darauf sind vor allen Erwähnungen anderer Schriften bei weitem am zahlreichsten. Längere Anführungen bzw. Auseinandersetzungen befinden sich auf S. 19-23 und 221-247: „Immerhin wird eine Epoche mit Herreninstinkten unserem Geschmacke besser zusagen, als eine dem Herdenideale zuneigende, und im Hinblick auf die Mattheit, Müdigkeit der Gegenwart erwarten und erhoffen wir ein baldiges wiederkehren der Herrenzeit." (S. 243 f.) Im „Schlußwort" greift er bis auf indische Spruchsammlungen, bezeichnenderweise nach Nietzsche zitiert, zurück, um das Alter des „Antimoralin" darzulegen, kommt aber dann auf das „wichtigere Heraufkommen und Erstarken der Antimoral in unserer Zeit". Er fängt dabei mit Max Stirner und dessen „Der Einzige und sein Eigentum" an, kommt dann auf Nietzsche, der „seine Antimoral nicht, wie es bei Stirner der Fall gewesen ist, für die Gesamtheit, sondern nur für die ausgereifte Individualität verkündet", nur habe dieser „seine Erkenntnis insofern wieder zur Moral ausbauen zu dürfen geglaubt, als er den Gegensatz des bisherigen Gut, das Böse, nunmehr geradezu als wesentliche Ingredienz für den Einzelnen dargestellt hat". Als dritten führt er Paul Mongré an, der mit „seinem antichristlichen Heiland Nietzsche, wo dieser zur Herrenmoral, also Moral, aufruft, mit bescheiden ablehnender Skepsis zu begegnen" wisse. Der Ethik stellt der Verfasser die Ästhetik gegenüber, der Moral den Geschmack: „Bist du Entwickelter, ein Einzelner, kein Unfertiger und Dutzendmensch, so urteile und handle getrost nach deinem Geschmack; deinen Geschmack freilich mußt du eben haben." (S. 360) In dieses Jahr fällt die Bekanntschaft Robert Musils mit dem Werke Nietzsches:

687 L. Lemmermann. Hannover 1898, S. 774. Im III. Bd. 1893-97 (1901), S. 1151, werden die zwölf Bände der Gesamtausgabe aufgeführt und dazu die Schriften über ihn auf 20 vermehrt. Im IV. Bd. 1898-1902, S. 1215 f. stehen neben Werkausgaben und dem ersten Briefband schon 60 Schriften zum Gegenstand. 688 Verfasser sonst von: Geschlecht und Kunst. Prolegomena zu einer physiologischen Ästhetik. H. Haessel. Lpz. 1899. 193 S. Das Werk trägt Nietzsche-Worte auf dem Titelblatt, hat einen Umschlag genau wie die vier Teile des Zarathustra-Kommentars (s. Nr. 911) und ist inhaltlich überhaupt ganz vom Nietzscheschen Geist getränkt; auf S. 158 heißt es ausdrücklich: „Es ist also Nietzsche, welchem dieses Buch seine Anregung verdankt [...] Aber Wenige sind bisher diesen Spuren Nietzsche's gefolgt; wir nennen etwa: Bölsche, Driesmans, Mongré, Zerbst."

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1898 Robert Musil: „Und doch entscheidender Einfluß"

„Schicksal; Das ich Nietzsche gerade mit achtzehn Jahren zum ersten Male in die Hand bekam. Gerade nach meinem Austritt vom Militär. Gerade im soundsovielten Entwicklungsjahr."689 „Nietzsche. Habe ich in meiner Jugend auch nur 1/3 von ihm aufgenommen? Und doch entscheidender Einfluß." 690 Auch Hans Vaihinger wandte sich um diese Zeit dem Studium des Denkers zu: „[...] ca 1898 trat ein Neues in meinen geistigen Horizont ein, die Bekanntschaft mit den Schriften Nietzsches [...] Hier war ein ganz frisches Quellwasser, hier waren Ideen, unabhängig von den traditionellen Fragestellungen und Formulierungen - und diese revolutionären Ideen deckten sich in vielen Punkten mit den meinigen I"

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Als drittes von vier Momenten (neben dem Voluntarismus, der biologischen Erkenntnistheorie und dem Pragmatismus), die das Verständnis seines Hauptwerkes „erleichtern", erwähnt er dann auch: „[...] die Philosophie von Friedrich Nietzsche, die in den 90er Jahren ihren Siegeslauf um die Welt begann. Als ich Ende der 90er Jahre Nietzsche las, dem ich bis dahin, durch falsche sekundäre Darstellungen abgeschreckt, fern geblieben war, erkannte ich zu meinem freudigen Erstaunen eine tiefe Verwandtschaft der ganzen Lebens- und Weltauffassung, die teilweise auf dieselben Quellen zurückgeht: Schopenhauer und F. A. Lange. Damals, als ich Nietzsche, diesen großen Befreier, kennen lernte, faßte ich den Entschluß, mein im Pulte liegendes Werk, dem die Rolle eines Opus Postumum zugedacht war, doch noch bei Lebzeiten erscheinen zu lassen. Denn ich durfte nun hoffen, daß der Punkt, auf den es mir ankam, die Lehre von den bewußtfalschen aber doch notwendigen Vorstellungen, eher Verständnis finden werde, da er auch bei Nietzsche sich findet: freilich bei ihm nur als einer der vielen Töne seiner reichen, polyphonen Natur, bei mir als ausschließliches Hauptprinzip [,..]"692

689 R. M., Ges. Werke: Tagebücher, Aphorismen, Essays und Reden. Hg. v. Adolf Frisé. Rowohlt. Hamb. 1955, S. 37; mit dieser Eintragung v o m 15. 5. 1905 vergleiche die zahlreichen sonstigen Erwähnungen Nietzsches (s. d. Namenverzeichnis im genannten Werke); seitdem vollständiger und mit ausführlichsten Erläuterungen zweibändig: R. M. Tagebücher. (1976); man lese auch in der längeren Würdigung von Rathenaus „Zur Mechanik des Geistes" (NRs April 1914, S. 560) den folgenden Satz: „Wir Deutschen haben - außer dem einen großen Versuch Nietzsches - keine Bücher über den Menschen; keine Systematiker und Organisatoren des Lebens." MUSIL, ROBERT, EDLER VON (Klagenfurt / Kärnten 6. 11. 1880 - Genf / Schweiz 15. 4. 1941), Schriftsteller. 6 9 0 Ebd., S. 401. 691 Aus der „Vorrede zur zweiten Auflage" von: H . V., Die Philosophie des Als ob. Reuther & Reichard. Bln. 1913, S. iiif.; VAIHINGER, HANS (Nehren b. Tübingen 25. 9. 1852 - Halle 18. 12. 1933), Dr. phil 1876, habilitierte sich für Philosophie 1877 in Straßburg, 1884 ao. Professor, 1896-1906 Professor in Halle, früh erblindet und vorzeitig in den Ruhestand, 1905 Begründer der Kantgesellschaft.

692 Dass., 1911, S. iiif.

1898 Paul Hensel: „Zeit seines Lebens ein Epigone aus dem 18. Jahrhundert"

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Friedrich Spielhagens bei L. Staackmann in Leipzig im Jahre 1898 erschienene Novelle „Faustulus" wird oft als mit durch das Erscheinen von Nietzsche und dessen Gedanken veranlaßt genannt, doch ist nichts daran, weder in der Hauptgestalt des Arno, noch in der Sprache, das eine solche Behauptung bekräftigen dürfte. Es wäre ja auch leicht anachronistisch, da die Handlung im Jahre 1854 spielt. 685 Gallwitz, Hans, Friedrich Nietzsche. Ein Lebensbild. Carl Reißner. Dresd. u. Lpz. 1898. 3 Bll., 1 Taf., 274 S. Erschien schon im März 1898. (= Männer der Zeit. Lebensbilder hervorragender Persönlichkeiten der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit. Hg. v. Dr. Gustav Diercks. 4. Bd.). Die Darstellung schöpft ganz aus gedruckten Werken über Nietzsche, vornehmlich aus der Lebensbeschreibung der Schwester. Die Stellungnahme des Verfassers, der ein Neffe Nietzsches war, ist ganz die des protestantischen Menschen, doch sieht er in Nietzsche den „redlichen Heiden", der seine „tragische Schuld" nicht selbst geschaffen, sondern die, welche „die deutsche Bildung in Jahrhunderten angesammelt hat, abgebüßt" habe. 686 Stöcker, Helene, (DFb wahrscheinl. Jan. 1898, S. 56). Eine recht lobende Besprechung des ersten Teiles des zweiten Bandes der Lebensbeschreibung (Nr. 547). 687 Henne am Rhyn, Dr. Otto, Der Übermensch vor und nach Nietzsche. (DV 1. Jg., 1898, S. 425-434, 489-506). Obwohl der Verfasser den „Edelmenschen" dem „Ubermenschen" Nietzsches vorzieht, ist er „darin mit Nietzsche völlig einverstanden, daß die Menschheit eine Aristokratie haben muß, wenn sie nicht im Gleichheitstaumel alle die Wohltaten, die ihr hervorragende Geister in Kunst, Literatur, Wissenschaft und sogar in der Politik erweisen, einbüßen und damit in eine fortschritts- und culturlose Barbarei versinken will". Sonst verfolgt er Gedanken und Gestalt des Ubermenschen von der klassischen Zeit bis zu den „Nachfolgern von Ibsen und Nietzsche". 688 Hensel, Paul (Straßburg i. E.),693 (VWPS 1898, H. 1, S. 115-121). Eine im großen und ganzen zustimmende Besprechung von Riehls Nietzsche Buch (Nr. 610), doch kann der Besprecher weder Riehls Verurteilung der Romantik unterschreiben, noch dessen Hoffnung, „daß auf den .Antichrist' eine Umkehr zur deutschen Philosophie hat erfolgen können", teilen. Dem Besprecher ist Nietzsche „Zeit seines Lebens ein Epigone aiis dem 18. Jahrhundert" gewesen.

693 HENSEL, PAUL (Groß-Barthen b. Königsberg 17. 5. 1860 - Erlangen 11. 11. 1930), 1889-1898 Privatdozent in Straßburg, 1898-1902 in Heidelberg ao., 1902-1930 in Erlangen o. Professor der Philosophie; s. seinen Brief an die Schwester Lili v o m 10. 2. 1904: „Man kann sich nur insofern Anhänger Nietzsches überhaupt nennen, als man dadurch zu erkennen geben will, daß man das Kulturproblem für das wichtigste aller Probleme erklärt und in diesem Sinne sind wir alle Nietzscheaner [...]" (P. H., Sein Leben i. Briefen. Wolfenbütteler Vlgs.-anst. Wolfenbüttel-Hannover (1937), S. 180); s. a. ebd., S. 110 (1896), 113 f. (1897, über Riehls Nietzsche-Buch), 173 (1903), 179 f. (u. a. über den „Antichrist").

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1898 J. E. Grotthuß: Er habe „aus der Not eine Tugend gemacht"

689 anonym, Ludwig Bamberger und Friedrich Nietzsche. (BasN 54. Jg., Nr. 2 v. 3. 1. 1898). Bringt das Wesentliche von Nr. 230 nach dem Nachdruck in Nr. 230a. 690 Wildberg, Bodo, Ein Engländer über Nietzsche. (DtWacht Nr. 3 v. 4. 1. 1898). Würdigt Havelock Ellis' Darstellung Nietzsches in dem Buche „Behauptungen" (Affirmations) als „wohl das Gründlichste und zugleich Klarste, was bis jetzt in England über Nietzsche geschrieben worden ist". 691 Grotthuß, Jeannot Emil Frhr., Probleme und Charakterköpfe. Studien zur Litteratur unserer Zeit. Greiner & Pfeiffer. St. 1898. viii S., 1 BL, 418 S., 2 Bll. Der 2. Abschnitt: Friedrich Nietzsche, S. 22-74; da das Werk ohne Namenverzeichnis, seien hier die sonstigen auf Nietzsche bezüglichen Stellen auch angefühlt: S. 3 ff., 103 f., 118 ff., 161, 173 ff., 269 f., 273, 321, 323. Verfasser meint, „was sich in der modernen Litteratur gärend ans Licht drängt, der Naturalismus eines Zolas, der Individualismus eines Ibsens, die politische Machtmoral und der nationale Chauvinismus Neudeutschlands finden ihre philosophische Ausgestaltung und Rechtfertigung in dem großen Nietzsche-Zarathustra". Die Sozialdemokratie dagegen sei eine „ausgleichende Kraft" gegen „den antichristlichen, alle Zügel abstreifenden Individualismus der oberen Gesellschaftsklassen". Beide sind dem Verfasser „drohend anschwellende Mächte". Nietzscheschen Einfluß findet er bei Hauptmanns „Die versunkene Glocke", Sudermanns „Die Heimath", „Katzensteg", „Sodoms Ende", „Es war" und „Glück im Winkel". Erst mit „Johannes" habe sich für letzteren „der Kampf zwischen alter und neuer Moral" entschieden, wohl zugunsten jener. Auch seien Richard Dehmel und Ibsens „John Gabriel Borkmann" von Nietzsche beeinflußt. Verfasser meint, „ganz prosaisch ausgedrückt: Nietzsche hat aus der N o t eine Tugend gemacht". 691a Dass. 11.-12. Tsd. o. J. viii, 425 S., 10 Taf. Durch neuen Satz haben sich die betreffenden Seitenzahlen etwas verschoben: S. 3 ff., 103 f., 119 ff., 162, 174 ff., 273 f., 277, 326 f., 328, sonst unverändert. 692 Grupp, Dr. G., Nietzsche's Bedeutung für unsere Zeit. (HBKD Bd. 122, H . 2 f. v. 16. 1. u. 1. 2. 1898, S. 89-100, 176-185). Nach ziemlich allgemein gehaltenen Erörterungen zieht Verfasser gegen Gallwitzens Versuch (Nr. 685), Christus mit dem Übermenschen zu vergleichen, sowie gegen den Protestantismus im allgemeinen, heftig zu Felde. Nietzsches „Anschauungen schillern zwischen einem tugendhaften Puritanismus und einem cynischen Epicureismus bunt und unfaßbar; seine Phantasie schwelgt zwischen dem dionysischen Orgiasmus und einer impotenten Leere, die man vergebens als einen erhabenen Piatonismus auszugeben sich bemühen wird". „Wahres und Brauchbares ist kaum bei ihm zu finden, seine Lehre ist fast durchweg verwerflich, gefährlich, ein wahres Gift für die moderne Gesellschaft." Lehren könne uns Nietzsche nur, „mit der Humanitätsschwärmerei Einhalt zu tun und die sociale Begeisterung zu mäßigen", denn der Verfasser glaubt fest, daß die „Ungleichheit unvermeidlich" sei. 693 Lanzky, Paul, Zarathustras Lebensabschied. (DDh 18. Jg., H. 5 v. Febr. 1898, S. 104). Ein 36zeiliges Gedicht, das auf den Schluß zuläuft: „Nicht Nebel, nicht Nacht, nicht der Abgrund vermag / Den ringenden Willen zu tödten."

1898 Anselm Salzer: In einem Topf mit Sozialdemokratie und Anarchie

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694 Gerok, Gustav, Reisefrüchte aus Graubünden. Meta von Salis-Marschlins Nietzsche. (CW 12. Jg., Nr. 5 v. 3. 2. 1898, Sp. 111-116). Bespricht zwei Werke der Verfasserin, darunter das Nietzsche-Buch (Nr. 612), und erzählt von einem Besuch bei ihr. Abschließend meint er: „Mir persönlich hat das Buch zu einer Würdigung Nietzsches verholfen, wie es weder seine Schriften allein, noch berufsmäßige Kritiken vermocht hätten [...]" 695 Lindemann, Wilhelm, Geschichte der Deutschen Litteratur. 7. Aufl. Hg. u. tlw. neu bearb. v. Anselm Salzer.694 3. Abt. Herder. Freiburg i. Br. 1898, S. 1080 f. Aus katholischer Sicht wertend wird der Verfasser schnell mit Nietzsche fertig, den er kurz in Beziehung zum Sozialismus setzt, da beide zur Schaffung einer „.Anklagelitteratur' gegen die bestehenden Verhältnisse" wesentliches beigetragen haben: Nietzschesche Sätze, „durch welche der Selbstmord als ein Trostmittel bezeichnet, der Sieg der Sclavenmoral (des Christentums) über die Herrenmoral (Verbrecher- oder Bestienmoral) bedauert, Frechheit, Lüge, Bestialität als die höchsten Ideale hingestellt werden, mußten sinnverrückend wirken [...] Es darf uns da nicht wundern, wenn einige für die Socialdemokratie, andere für die Anarchie schwärmten und in dem Professor Nietzsche, Proudhon und Kaspar Schmidt ihre Führer erkannten." 695a Dass. 8. Aufl. Hg. u. tlw. neu bearb. v. Dr. Max Ettlinger. 1906, S. 1039. Dem Gegenstand kaum mehr Raum gewährend nennt der neue Herausgeber den Einfluß Nietzsches auf den Naturalismus und Symbolismus zwar immer noch „besonders verhängnisvoll", meint aber, daß man über seiner „dithyrambischen Sprachgewalt", seiner geistvollen „Aphoristik" und „der Ablehnung des jetzigen Menschheitszustandes" über seine „positiven Leitideen" zu wenig klar geworden sei. Es lasse sich nämlich nicht leugnen, „daß diese Fieberperiode mancherlei günstige Rückwirkung auf die gedeihliche Gesamtentwicklung der Poesie geübt hat". Ansonsten wird Nietzsches Wirkung auf die „Weltanschauungspoesie", dessen auffallendster Vertreter Dehmel sei, vermerkt (S. 1051). 695b Dass. 9. u. 10. Aufl. 2 Bde. (1915 = unveränderter Neudr. v. 1923). Uber Nietzsche jetzt im 2. Band, S. 633 f., 652. Mit geringfügigen, unwesentlichen Erweiterungen, sonst in der Einstellung und Ablehnung unverändert. Aus der Zeit kurz vor seinem Abitur Ende der 90er Jahre in Berlin berichtet Rudolf Pannwitz: „dann brachte mir mein freund ernst hoffmann ein kleines heft über nietzsche das mich tief erstaunte auch erschütterte aber noch nicht weiter führte, dann borgte er mir den Zarathustra, ich wurde auf das furchtbarste ergriffen, ich dachte an keine kritik aber auch an keinen billigen rausch fühlte nur daß ich das brauchte wie nichts und doch ohnmächtig sein würde je so zu denken fühlen leben, ich las und schrieb mir da ich das Buch zu kaufen nicht geld hatte drei schulhefte voll das was

694 SALZER, ANSELM (Waidhofen / Ybbs 8. 10. 1856 - Seitenstetten 24. 3. 1938), Benediktiner, zuletzt Direktor des Gymnasiums zu Seitenstetten.

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1898 Rudolf Pannwitz: „ich wurde auf das furchtbarste ergriffen."

ich a m wenigsten e n t b e h r e n k o n n t e heraus, a m wichtigsten w a r m i r das stück , v o m w e g e des schaffenden'." 6 9 5

695 R . P., Grundriß einer Geschichte meiner Kultur 1881 bis 1906. Fr. Ludw. Habbel. Regensburg 1921, S. 22. Uber die erste Gymnasiastenzeit in Berlin hatte er gemeint: „Schopenhauer und wagner bezeichneten die moderne Schopenhauer der fast geglaubte philosoph wagner der grosze deutsche der neuen zeit, nietzsche nach seinem bruch mit wagner wurde abgelehnt aber ohne leidenschaft weil ohne begriff." (Ebd., S. 14) Dann, aus der Zeit um die Jahrhundertwende in Marburg und Berlin: „am tiefsten lebte ich in nietzsche george kant göthe jean paul und den vorsokratikern [...] nietzsches Zarathustra kaufte ich mir antiquarisch und eroberte ihn mir immer eigener [...] ich [...] las nietzsches morgenröte die mein denkproblem ja meine denkmethode zur entscheidung brachte [...]" (Ebd., S. 28, 30,31); die oben im Text angeführte Stelle lautet in einer über 40 Jahre später geschriebenen Fassung im wesentlichen gleich, wenn auch etwas abgeklärter: „Ein zwei Jahre älterer weitläufiger Verwandter, Ernst Hoffmann, später Philosophieprofessor in Heidelberg, brachte mir vieles nahe, wovon ich noch nichts wußte: das was damals in den geistigen Vordergrund trat: so nach Kant auch Nietzsche, ihn zunächst durch die kleine Schrift von André Lichtenberg [wohl Henri Lichtenberger], dann den Zarathustra und die Gedichte. Ich war gewohnt, auch das Fremdeste und Bedrohlichste aufzunehmen und mir nach Möglichkeit einzuverleiben, dann nicht etwa mich damit auseinander, sondern ineinander zu setzen. Bei der großen Erschütterung durch Nietzsche war das, worum es mir ging, die Frage: werde ich jemals den Forderungen auch nur entfernt entsprechen können?" (Udo Rukser, Uber den Denker Rudolf Pannwitz. M. e. Selbstbiographie v. Pannwitz u. e. Bibliographie. A. Hain. Meisenheim a. Glan 1970, S. 144 = Monographien z. philos. Forschung. Bd. 64). S. a. Rudolf Paulsens Erinnerungen an die gemeinsame Schülerzeit auf dem Steglitzer Gymnasium: „Woran er mir in edler Begeisterung vorlesend Anteil gab, das war vor allem Nietzsches .Zarathustra'. Nicht wenig sprach er auswendig. Er hatte sich so ziemlich das ganze Buch abgeschrieben (mit der Feder), weil ihm zum Kauf das Geld fehlte. Nietzsche war für ihn die entscheidende Begegnung unter den NichtZeitgenossen. Pannwitz war prädestiniert, und so hat er sich später auch gelegentlich den .heute Regierenden der unsterblichen Dynastie Nietzsche' genannt." („Aus Nietzsches unsterblicher Dynastie". Rudolf Pannwitz zum achtzigsten Geburtstag. Persönliche Erinnerungen, in: Christ u. Welt 14. Jg., Nr. 21 v. 26. 5. 1961, S. 16). S. a. die Ausführungen von Pannwitz in: D. Pädagogik d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. Hg. v. E. Hahn. Bd. II. F. Meiner. Lpz. 1927, S. 112 („Meine Helden und Heilige waren fast alle kritisch verwiesen und moralisch abgelehnt [d. i. von der frühen Wandervogelbewegung]: Nietzsche, George, Stifter, Hölderlin, Böcklin, Wagner."), 113 f. („Nach Erscheinen meiner .Krisis der Europäischen Kultur' (1917) kam ich in brieflichen Verkehr mit Wyneken. Das Gemeinsame war inzwischen stark angewachsen. Wyneken hatte ursprünglich einen Teil von Nietzsches Menschenschöpfung in sich verwirklicht und Werte des individualen Aristokratismus mit einer Leidenschaft gelebt, die ihn obzwar nicht im Range doch vor der Zukunft neben George stellt [...] Er ist nach und nach mit George der erste und einzige Pädagoge der neuen Zeit im antiken Sinne. Die Jugendbewegung aber hat, um es kurz zu sagen, George und ihm nicht einiges sondern alles zu danken - wie diese beiden Nietzsche nicht einiges sondern ihre Größe zu danken haben."), 121 (wo er meint, daß seine „.Deutsche Lehre' [...] neben dem .Faust' und dem .Zarathustra' als drittes steht [...]"), 122 (Es „besteht seit drei Jahren eine paneuropäische Bewegung, deren Schöpfer und Führer Coudenhove-Kalergi jenseits des Nationalismus wie des Internationalismus in vollkommener Unabhängigkeit ein aus der Distance des Orientes und dem Geiste von Nietzsche gefaßtes Ideal Europas und des Europäers in überpolitischer Wirksamkeit verwirklicht."), 122 f. („Dostojewskij, Nietzsche und die unmittelbare Gegenwart lehren, daß das Chaos heraufkommt, wo die Religion untersinkt."), 123 („Jedenfalls ist das Christentum in

1898 Achelis: „keine vertiefte Erkenntnis, keine Veredlung des Charakters" zu erhoffen 495 696 Achelis, Th., Friedrich Nietzsche. (DPBl 31. Jg., Nr. 6 v. 5. 2. 1898, S. 44 f.). Liefert eine recht wohlwollende Besprechung der „feinsinnigen Schrift" von Riehl (Nr. 610), deren Darstellung in den meisten Fällen zugestimmt wird, doch bleibt das Schlußurteil zum Gegenstand selber gänzlich ablehnend: aber „im ganzen wird sich [...] unsere Uberzeugung schwerlich ändern, daß auf diese rücksichtslose, allen Gesetzen der Methode und Logik spottende Weise keine wahrhafte Aufklärung, keine vertiefte Erkenntnis und keine Veredlung des Charakters zu erhoffen ist." 697 Mayer, E. W., 6 9 6 (ThRs 1. Jg., Okt. 1897 - Dez. 1898, S. 385 ff.). Bespricht die Werke von Ritsehl (Nr. 555) und Riehl (Nr. 610), sie beide sehr sachlich rühmend und sich erst gegen Schluß folgendermaßen einschränkend: „Mit alle dem scheint dem Ref. noch nicht alles zur Abwehr eines speeiösen Argumentes gesagt zu sein, was vorgebracht werden kann und muß, angesichts des Zaubers, welchen der mittels der Deszendenztheorie verstärkte Nietzscheanismus auf die studierende Jugend und auf männliche und weibliche .Schwärmer im 31. Jahre' ausübt." 698 W „ H „ Nietzsche - njetschewo! (Herold 4. Jg., Nr. 6 v. 5. 2. 1898, S. 21 f.). Eine entschiedene Ablehnung dessen, der „der Anmaßung und Selbstherrlichkeit des Götzen ,Person' [...] das Wort geredet" habe.

lischen Form eine rückgewandte Religion, in seiner protestantischen Form der Rest einer protestantischen Bewegung, deren Ziele Kant und Nietzsche sind."), 129 (über Georges Verhältnis zu Nietzsche als dessen „Brecher und Verbrecher, Trüber und Verdränger, der zeitlich mögliche, Fortpflanzung vermögende, das Leben meisternde Ubergang des alten zum neuen Menschen, der hieratisch-heroische spätchristliche und frühklassische erste Mensch und Chorführer."), 130 (die eigene Gefolgschaft Georges etwas einschränkend meint er: „[...] obwohl der Kampf oft sehr schwer, da ich als einziger durchaus Treuer und Nachfolgender einem Größeren, ja dem Größten verpflichtet war: Nietzsche."), 142 (meint er, daß die „pädagogische Wissenschaft die Naturgesetze ihres Gegenstandes kennen lernen und der unkritischen Pädagogik sich widersetzen" solle. „Dann wird auch Nietzsche, der das äußerste Ausmaß eines Erziehungszieles darstellt, etwas ernsthafter aufgefaßt werden. Er ist bereit, die Menschheit als Materie aufzuopfern, um den höchsten Typus, den immanent transzendierenden Ubermenschen, zu gewinnen."); PANNWITZ, RUDOLF (Crossen a. d. Oder 25. 5. 1881 - Ciona-Carona / Tessin 23. 3. 1969), Kulturphilosoph, Erzieher im Hause Georg Simmeis und Reinhold und Sabine Lepsius', gründete 1904 mit Otto zur Linde zusammen die Zeitschrift „Charon", seit 1920 in Dalmatien und seit 1948 in Tessin; PAULSEN, RUDOLF (Berlin 18. 3. 1883 - ebd. 30. 3. 1966), Schriftsteller, „stieß" schon im Mai 1931 zur NSDAP und dann zur SA-Reserve. HOFFMANN, ERNST (Berlin 13. 1. 1880 - Heidelberg 28. 1. 1952), seit 1922 Philosophieprofessor in Heidelberg. 696 MAYER, EMIL WALTER (Lyon 9. 9. 1854 - Gießen 18. 3. 1927), damals Professor am Berliner Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, später an der Theologischen Fakultät zu Straßburg; über die Zeit um die Jahrhundertwende und etwas davor schrieb er geraume Zeit später: „Ich las sehr viel neue und neueste Literatur und veröffentlichte eine Reihe einschlägiger Artikel in der Christlichen Welt, darunter einen solchen über Friedrich Nietzsche, der eben damals sozusagen in ,Mode' kam. Ich glaubte beobachtet zu haben, daß hier und da auch Theologen geneigt waren, den modernsten deutschen Denker als einen Vertreter gewisser im Grunde gut christlicher Ideen zu preisen, und, indem ich eine kurze, vielleicht etwas einseitige, aber meines Erachtens doch nicht ungerechte Skizze der neuen ,Moral' entwarf, übte ich eine ziemlich strenge Kritik an dieser." (Die Religionswissenschaft d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. Hg. v. E. Stange. Bd. 5. F. Meiner. Lpz. 1929, S. 139).

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1898 Helene Stöcker: Keiner könne „an ihm vorübergehen"

699 Steiner, Rudolf, (ein Bericht „über den fünften meiner Vorträge über ,die Hauptströmungen des deutschen Geisteslebens von der Revolutionszeit (1848) bis zur Gegenwart'", gehalten am 1. 2. 1898 in der „Freien litterarischen Gesellschaft" in Berlin. ML 67. Jg., Nr. 6 v. 12. 2. 1898, Sp. 139 f.). „Ich versuchte die Bedeutung Ibsens und Nietzsches für das moderne Geistesleben zu schildern." Erst Nietzsche habe „die Emancipation der menschlichen von der übrigen Natur gelehrt": „Der Mensch, der nur nach dem Gesetze lebt, soll eine Brücke sein, zwischen dem Tiere und dem Ubermenschen, der das Gesetz selbst schafft." Zum Schluß erwähnt er auch Zola als eine Persönlichkeit, „die im Sinne der Weltanschauung Nietzsches wirkt". 699a Auch in: R. S., Biographien und biographische Skizzen 1894-1905. Vlg. d. Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung. Dornach 1967, S. 123-126. Bis auf den Einleitungssatz unverändert. 700 Stöcker, Helene, Friedrich Nietzsche und die Frauen. (ML 67. Jg., Nr. 6 f. v. 12. u. 15. 2. 1898, Sp. 128-132, 153-158 = Vortrag, gehalten am 26. Jan. 1^98 im „Verein studierender Frauen" zu Berlin). Verfasserin ist der Ansicht, daß „keiner, der daran geht, sich eine eigene, moderne Weltanschauung zu bauen, an ihm vorübergehen" könne: „Er stellt eben die eine Seite unserer Kultur dar, wie der Sozialismus - im weitesten Sinne gefaßt - die andere." Trotz manch bitteren Wortes über die Frau, findet sie daneben viele sehr hohe. Im Inhalt der Nr. 772 weitgehend ähnlich. 701 Schulz, Alexander, Prangenau, Friedrich Nietzsche oder „Jenseits von Gut und Böse". (LZgfOW 29. Jg., Nr. 8 v. 25. 2. 1898, S. 85-88). Erkennt in Nietzsche den, der im Gegensatz zu der Parole der französischen Revolution und den Zielen der Sozialdemokratie „die Revolution von oben predigte, einen aristokratischen Anarchismus proklamierte". Als Feind der bestehenden Moral stimme er mit Marx überein. Verfasser enthält sich weitgehend der Kritik, schließt aber mit der Losung: „Wohl der Meisten!" - „Diesseits von Gut und Böse." 702 Waldmann, Dr. Wilhelm,697 Friedrich Nietzsche. Ein Blick in seine Werke vom Standpunkte eines Laien. Fr. Fleischer. Lpz. 1898. 32 S. Das Werk erschien im März 1898. Verfasser meint, Nietzsche wolle „uns verleiten, zurückzugreifen zu einem Zustande, den wir mit unserem ehrlichsten Erkennen ablehnen; der Menschengeist kann nicht zurück!" - „solange wir unsere Menschennatur haben und Menschen-Bedürfnisse, solange ist das Ubermenschenidol ein Hirngespinst." Seine Philosophie als Lehre stelle „unmögliche Forderungen". Zum Schluß bekennt er sich als Arzt und meint: „[...] die Religion des Mitleids, der Nächstenliebe wird bestehen, - Nietzsches Lehre vom Ubermenschen wird sehr bald überwunden und vergessen sein." Neben Schriften Nietzsches stützt er sich weitgehend auf die von der Andreas-Salomé (Nr. 308) und von Riehl (Nr. 610).

697 WALDMANN, WILHELM, geb. am 30. 11. 1832 zu Worbis, Dr. med.

1898 Eugen Heinrich Schmitt: „diese historische Kolossalgestalt"

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703 Schmitt, Dr. Eugen Heinrich, 698 Friedrich Nietzsche an der Grenzscheide zweier Weltalter. Versuch einer Beleuchtung vom Standpunkte einer neuen Weltanschauung. Alfred Janssen. Lpz. 1898. ν S., 1 Bl., 151 S. Verfasser meint, es sei „ganz ungerecht und ganz unmöglich, diesen Geist, diese historische Kolossalgestalt mit dem kleinlichen Maßstabe der bisherigen Weltanschauung und der bisherigen Moral zu messen". Er habe „nur die schon vollendete innere geschichtliche Zersetzung der moralischen Grundlagen der bisherigen Welt zum klar bewußten Ausdruck gebracht". „Während Sokrates der große Frager und Zweifler ist angesichts der Weltanschauung der naiven Sinnlichkeit, ist Nietzsche der große Frager und Zweifler angesichts der niedergehenden Weltanschauung des abstrakten Gedankens, welche eben Sokrates verbreitet hatte." Nur habe Nietzsche Sokrates einseitig beurteilt und habe nicht auch die Größe von dessen Tat zu würdigen gewußt. Erst „in jenem dritten Reich, welches den Kultus der Geisteshoheit der christlichen Idee mit dem Kultus der Leibesschönheit, wie ihn die Hellenen übten, verschmilzt", werde die „lebendige Vollgestalt" des „Allbewußtseins" sich kulturell verwirklichen. Aus dieser Sicht ist dem Verfasser neben Nietzsche Tolstoi „einer der Großen und Heiligen und Propheten der lebendigen Gottheit". 703a Dass. Neue Ausgabe. E. Diederichs. Lpz. 1902. 1 Bl., v, 151 S. Mit leicht geändertem Untertitel: Versuch einer Beleuchtung durch eine neue Weltanschauung; sonst ein unveränderter Abdruck der ersten Auflage. 704 Bernhard, Johannes, 699 Friedrich Nietzsche Apostata. Ein Vortrag. Lübcke & Hartmann. Lübeck 1898. 56 S. Verfasser will vor allem nachweisen, „wie allein die christliche Ethik dasjenige lehren und zu leisten vermag, was, im Gegensatz zu Nietzsche, als das Wahre und für die Menschheit Nötige erscheinen muß". Sein Grundsatz „des Willens zur Macht" sei falsch, weil „unter keinen Umständen der Mensch ein intelligentes, .moralinfreies' Raubtier" sei; der Ubermensch ist ihm daher „das unheimliche Phantom eines krankhaft überreizten Geistes". Er geht dabei kurz auf die Dicht- und Malkunst ein und macht zwei auffallende Bemerkungen: „[...] der modernen Pöesie, die ohne Nietzsche nicht mehr scheint fertig werden zu können, ist nicht zu trauen", und die moderne Malerei mute „uns in ihren Auswüchsen Starkes zu, wenn sie verlangt, daß wir an himmelblaue Bäume, an rosenrotes Gras und an eine mit grünem Rande umgebene Sonne glauben sollen". Sonst ist der Verfasser mit dem damaligen Nietzsche-Schrifttum wohl vertraut und erwähnt die Schriften von Schellwien (Nr. 215), Türck (Nr. 182), Kaftan (Nr. 580), Wilhelmi (Nr. 570), Runze (Nr. 513a), Gallwitz (Nr. 685), Waldmann (Nr. 702), Rode (Nr. 632) und Gast. 705 Gallwitz, H., (PJb Bd. 91, März 1898, S. 555-562). Besprechung von Mongrés „Sant' Ilario" (Nr. 581). Ein genaueres Eingehen auf den Inhalt des Werkes findet der Besprecher deshalb für empfohlen, „weil der Verfasser sich als einen Schüler Nietzsches zu erkennen gibt". Es sei die Weltanschau-

698 SCHMITT, EUGEN HEINRICH (Znaim / Ungarn 1851 - Berlin 1916), Anarchistenführer, bis 1896 im ungarischen Staatsdienst, gab seit 1897 die Zeitschrift „Ohne Staat" heraus. 699 BERNHARD, JOHANNES, geb. 1846 zu Boren, seit 1882 Prediger an der St.Lorenzkirche in Lübeck.

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1898 Eva: Der letzte Mann. Apokalyptischer Roman

ung des „Menschliches, Allzumenschliches", die hier wiederkehre. Nietzsche aber habe „sein Philosophiren in den Dienst der Persönlichkeitsbildung gestellt; er ist, trotzdem er sich den Immoralisten nennt, dennoch durchaus ethisch gerichtet". Mongré dagegen bemühe sich, „die Persönlichkeit von jedem Zwange der Logik, der Gewöhnung, der Moral und der Religion zu befreien und löst dabei die Kontinuität der Person selbst auf". 706 C(onrad), M. G., (Ges H. 3, 1898, S. 208). Zerreißt das Werk von Mongré (Nr. 581), als nachgemachten Nietzsche - „aber nur auf den ersten Blick [...] Alles ist schief an dem Buch, alles nur halb richtig [...] Nichts ist echt [...], nicht einmal der Verfassername." 707 K(retzer), Dr.E(ugen), (FZg Nr. 118, 1898) Sammelbesprechung der Nietzsche-Bücher von Gallwitz (Nr. 685), Schmitt (Nr. 703) und Lichtenberger, letzteres in der französischen Urfassung, und nur dieses findet vor den Augen des Besprechers Gnade. 708 Morgenstern, Christian, An Friedrich Nietzsche. (Enthalten in: C. M., Ich und die Welt. Gedichte. Schuster & Loeffler. Bln. 1898, S. 54).700 Sicherlich Nietzsche weitgehend zur Last zu legen ist folgender recht eigenartiger Roman: 709 Eva, Der letzte Mann. Apokalyptischer Roman. Vita Dt.Vlgs.-haus. Bln. (1898). 271 S. Dem Leontes, „Präsident[en] der fünften europäischen Republik", den das Vertrauen seiner Mitbürger auf diesen „ehrenvollen Posten gerufen" habe und der nun die „bevorstehende Auflösung der Truppe" veranlassen soll, schildert seine Frau Juana die Lage: „Es giebt tausende, denen die schäumende Uberkraft wie dir die Adern zersprengt, tausende, die sterben würden für ein Leben, wirkliches Leben, Götterleben über der Herde!" Unmittelbar darauf offenbart sie sich als „Eva, die Adam den Apfel giebt; Brunhilde, die nur dem Starken sich entgürtet; die Hindin, die dem Sieger wahllos folgt [...] das Weib, das Ewig-Unveränderliche, das Männer gebiert und liebt!" (S. 22) Leontes weigert sich dann, die Auflösung des Heeres zu bestimmen und erklärt sich selber als obersten Kriegsherrn. Es folgt dann grausam geschilderte Schlacht auf grausam geschilderte Schlacht, und die „Helden" waten recht nibelungenhaft im Blut zwischen den Leichen. „Wie weggefegt waren Formen und Ideen vergangener Jahrhunderte, das Moralisierende, Subtile, Psychologische. Man warf sich zurück auf die Urquellen des Künstlerischen, der dramatischen Wirkung." (S. 125) Es gelingt der Herde aber doch durch Anwendung von Sprengstoff die Oberhand wiederzugewinnen, und Leontes und Juana befinden sich als letzte Uberlebende auf der Flucht. Kurz vor dem gemeinsamen Untergang finden sie Un·

700 S. a. darin „Prometheus" (S. 49) und „Ein fünfzehnter Oktober. Vier Abendstimmungen am (53.) Geburtstag Friedrich Nietzsches" (S. 77-81). Aus dem Nachlaß veröffentlichte seine Frau Splitter ähnlichen Inhaltes aus dieser und späterer Zeit: An Nietzsche (ein Vierzeiler, 1896), Bei einer erneuten Lektüre der „Morgenröte" (Vierzeiler, 1905), Nietzsche und die Zeit (Zweizeiler, 1907), in: C. M., Epigramme und Sprüche. 3. Aufl. R. Piper. Mchn. 1920, S. 8, 51 u. 66; s. a. „Nietzsche", ein Vierzeiler in: C. M., Melancholie. 10.-18. Tsd. B. Cassirer. Bln. 1921, S. 82.

1898 Max Halbe: „Stirb zur rechten Zeit!"

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terschlupf bei Freunden, die vor Ausbruch der Grausamkeiten an die Küste geflüchtet waren, und damit man nicht denke, die Juana sei mit ihren Ansichten eine Ausnahme, macht „das junge Weib" Senta folgendes Geständnis - sie spricht vom Meer: „Wenn er so heimkommt, ganz salzberieselt, stark atmend mit breiter Brust und sonnenverbrannt - dann bin ich stolz. Dann liebe ich es auch, weil es Männer macht [...] U n d manchmal denke ich - Ölbäume, siehst du, und Frieden, ein ruhiges Leben - es wäre schön! Aber es ist etwas anderes in uns Frauen, ein Thörichtes, Wildes, das Wildheit will und Gefahr und Zittern." (S. 256 f.) Anführenswert sind etwa noch die Worte des „Vater Jehonadah", der in der Einöde schon fünfzig Jahre der Wahrheit dient, an einem Buch schreibt und nun der Juana offenbart: „Und er sprach von dem, der kommen sollte, dem Sohn, dem Werdenden. ,Er wird erst der Wahre sein,' sagte er. ,Der Starke, Gesunde, Freie. Wir hatten zuviel zu kämpfen, den Widerspruch zu überwinden, den anerzogenen und vererbten Widerspruch in uns selbst. Kampf macht hart und bitter. Er ist ein Purpurgeborener, der Herrscher einer neuen Generation von Sonnenkindern, die nicht erst um ihr Lebensrecht zu kämpfen haben, hineingeboren, heiter genießend, herrschend ohne Sünde, ohne Bitterkeit, königlicher Priester und demütiger Gläubiger, der allein heiligen Religion des Lebens.'" (S. 145) 710 Halbe, Max, Ein Meteor. Mittheilungen eines Alltagsmenschen. (DRs 24. Jg., Bd. 94, H. 6 v. März 1898, S. 321-354). Erzählt von einem jungen Genie, dessen erstes Werk, „Lieder eines Verlorenen", zu der Zeit erschienen war, als Nietzsche gerade aufgekommen sei. .„Stirb zur rechten Zeit!' hieß eins seiner Worte. Es wurde viel discutirt und galt bald als unumstößliches Axiom. Meine Freunde waren sämmtlich zum freien Tode entschlossen, wenn die Stunde geschlagen haben würde. Uber den Zeitpunkt waren sie sich nicht ganz einig, aber das würde sich finden. Im Allgemeinen ging die Ansicht dahin, daß man sich nicht überleben dürfe. Sie standen alle zwischen zwanzig und zweiundzwanzig." Der Freund Fritz Johst irrt von einer lebendigen Maria zu einer erfundenen Marianne, während der Erzähler Arzt wird. Gegen Ende des dreiunddreißigsten Lebensjahres des Freundes treffen sie sich wieder, der Freund übergibt ihm ein weitgehend autobiographisches Manuskript und bittet ihn, ihn am nächsten Tage zu besuchen. Der Freund hat sich aber bei der Ankunft des Arztes schon erschossen: „Auf dem Tische qualmte die Petroleumlampe. Daneben lag eine Photographie und ein aufgeschlagenes Buch. Es war Nietzsche's Zarathustra. Stirb zur rechten Zeit! las ich blau unterstrichen auf dem offenen Blatt. Es war Seite 102 [...] Für ein Genie haben wir ihn gehalten. Er war nur ein Meteor gewesen. Die ,Lieder eines Verlorenen' waren sein Lebenswerk geblieben." 711 Biedenkapp, Dr. Georg, Nietzsche's Lehre von der ewigen Wiederkunft aller Dinge. (FrkJ v. 22. 3. 1898). Verfasser setzt sich mit der Vorstellung der „ewigen Wiederkehr" auseinander und meint, man könne Nietzsche in diesem Falle den „Vorwurf der Leichtfertigkeit" fast nicht ersparen. BI Gedichte und Sprüche / von / Friedrich Nietzsche. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1898. 1 Bl., xxii S. (= Inhaltsverz. u. Einleitung der Herausgeberin Elisabeth Förster-Nietzsche), 203 S. (S. 189-203 = Nachbericht der Her-

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1898 Gedichte und Sprüche

ausgeberin), 6 Bll. (= Vlgs.-anz. d. Gesamtausgabe, der Einzeldrucke, eines Porträts, französischer u. englischer Ubersetzungen, der schwesterlichen Lebensbeschreibung mit Stellen aus sieben Besprechungen dazu, sowie Werke Zerbsts, Tilles, Mongrés, F. Ν. Fincks, Brodtbecks, Meta von Salis-Marschlins, Lauterbachs, Koegels, Kniepfs und Adalbert Svobodas). Erschien schon Anfang April 1898. Diese Ausgabe verdreifachte die Zahl der veröffentlichten Dichtungen unter Ausschluß von zwei, die im VIII. Band der Gesamtausgabe erschienen waren: „Timon Spricht" und „.Menschliches, Allzumenschliches'". B l a Dass., 21.-25. Tsd. A. Kröner. Lpz. 1916. xvi (= Vorwort ν. E. Förster-Nietzsche), 222 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.). Inhaltlich nicht unwesentlich verändert, das Vorwort gestrafft. BIb Dass., 26.-30. Tsd. 1919. (S. 217-222 = Nachbericht jetzt v. R. Oehler gezeichnet).). Bla gegenüber sonst unverändert. BIc Dass., 36.-40. Tsd. 1922. 1 Bl., xvi, 222 S. Inhaltlich unverändert. B J Nietzsche, Friedrich, Staat, Heer und Schule. (DVE 2. Jg., Nr. 14 v. 3. 4. 1898, S. 105). Unter dieser Uberschrift und mit einem Bild Nietzsches brachte die Zeitschrift auf dem Titelblatt der Nummer den Aphorismus 320 „Eulen nach Athen" (Bd. III) und 395 „Befehlen lehren" (Bd. II). 712 Ommerborn, Chr./ 0 1 Nietzsche-Symphonie. (Ebd., S. 106). Ein Prosalied ganz im Sinne Zarathustras: „Nur einmal noch wollte mir die Sonne scheinen - als Zarathustras Geist im Traume auf mich kam und meine Seele tränkt mit Glut [...]" 713 Schlüter, Willy, 702 Friedrich Nietzsche, der Fürsprecher des Lebens. (Ebd., S. 106 ff.). Geißelt die Freidenker, Sozialisten, Theosophen, Spiritisten, Occultisten, Pessimisten, protestantischen Geistlichen ihrer Lebensfremdheit wegen und stellt ihnen allen die Gestalt Nietzsches - „dieses gewaltigen Menschen, der durch seine Sprüche und Lieder unserem Zeitalter ein ganz neues Gepräge gegeben hat" - entgegen. „[...] wichtiger als alles, was Nietzsche über Moral und Seelenleben vermutet und behauptet, ist die herrliche Musik seiner Sprache, sind die Symbole, welcher er uns gegeben." Wie aus alledem schon vermuten läßt, hat Verfasser vor allem den „Zarathustra" vor Augen. 714 Schwaner, Wilhelm, Im Kerker frei geworden. (Ebd., S. 108 f.). Schildert eine zweimonatige Freiheitsstrafe in Plötzensee und wie ihm dort Nietzsche zum „Lebensretter" geworden sei. 715 Prometheus, Cyprianus, Ein Märchen. Frau Dr. E. Förster-Nietzsche gewidmet. (Ebd., S. 109).

701 OMMERBORN,JOHANN CHRISTIAN JOSEF, geb. am 2 8 . 4 . 1 8 6 3 zu Lennep / Westf., Unterhaltungs- und später politischer Schriftsteller. 702 SCHLÜTER, WILLY (Hamburg 28. 7. 1873 - Berlin 7. 11. 1935), Erzähler.

1898 Kühne, aber wirre „Originalität der Ideenwelt"

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Erzählt, wie im Jahre 1925 das wahre Christentum sich wieder offenbart, „der edle Nazarener" nach Deutschland k o m m t und jeden zu sich ruft, „wer da glaubt, mein Jünger zu sein". Als letzten führt die gute Schwester „mühsam und halb zögernd Friedrich Nietzsche heran", und Jesus und er „sinken sich in die A r m e " . 7 1 6 L., W . , Nietzsches Weltanschauung. (Ebd., S. 111). Eine äußerst sachliche Besprechung des Werkes von Schellwien (Nr. 215), das sich „gegen Nietzsches individualistische

Weltanschauung" richte.

7 1 7 ff., Gedichte und Sprüche von Friedrich Nietzsche. ( H C N r . 189 v. 24. 4. 1898). Eine längere Besprechung des nämlichen Bandes (BI), da „man der genialen Eigenart Nietzsche's nicht früher gerecht werden wird als man völlig aufhört, ihn als Propheten der neuen Weltanschauung zu nehmen, u m ihn allein als subjectiven, individuellen Geist von Reichthum der Phantasie und kühner, aber wirrer Originalität der Ideenwelt zu schätzen". 7 1 8 (Förster-Nietzsche, Elisabeth), Friedrich Nietzsche in Weimar. (FZg v. 27. 4. 1898). Bringt einen Bericht aus dem „Magdeburger Centrai-Anzeiger", der einen Brief der Schwester an die Redaktion über den damaligen Zustand des Kranken enthält. 7 1 9 Kühl, Gustav (Kiel), 703 Dehmel und Nietzsche. (Zeit X V . Bd., N r . 187 v. 30. 4. 1898, S. 71 ff.). „Aus dem tragisch in sich abgeschlossenen Vollmenschen Goethes, aus dem über seine Tragik hinauswollenden Ubermenschen Nietzsches" habe Dehmel „den Allmenschen entwickelt, dem ein tragischer Gegensatz von Ich und Welt im Grunde gar nicht mehr faßbar ist". 7 0 4

703 KÜHL, GUSTAV (Lübeck 9.9.1869 - Berlin 20.10.1906), hat auch über Mörike geschrieben. 704 S. zu diesem Aufsatz die Randbemerkungen Dehmels: „Nietzsche redet immer fort von Lebensbejahung, hat sie aber nie gehabt. Mein höchster Wille ist vollkommen das zu sein, was mich in Einklang mit dem Leben setzt, nicht aber etwas zu werden, was mich hinweg setzt über das Leben [...] Ein Allmensch will ich sein, kein Ubermensch [...] Zarathustra, der über dem Leben Tanzende, ist keineswegs ein Ausdruck für den Einklang mit dem Leben. Und seine unglückliche Liebe zu denen, die ,an sich zugrunde gehen', wohl erst recht nicht!" (Elisabeth Darge, Lebensbejahung in der deutschen Dichtung um 1900. Maruschke & Berendt. Breslau 1934, S. 41; laut Anmerkung: „Aus dem Dehmel-Archiv zitiert bei: Slochower, Harry, R. Dehmel, der Mensch und der Denker. Dresden 1928, S. 178 f." Vgl. ferner: „Das war Nietzsche's Unzulänglichkeit, daß er ,nie das Weib fand, von dem er Kinder haben mochte', dieser übermenschliche Homunculus! Sich selbst im Gleichgewicht zu jedem Andern fühlen, das ist die wahre Welt- und Gottes-Weisheit; das Uber- wie das Unterlegenheitsgefühl, das ist das Allzumenschliche." (Brief Dehmels an Friedrich Binde, den späteren Volkskommissar, v. 17. 3. 1896, abgedruckt in: Unbekannte Briefe Richard Dehmels. Mitgeteilt v. Helmut Henrichs. Euphorion. Bd.28, 1927, S. 476). Eine gewisse Zweideutigkeit in der Stellung Dehmels zu Nietzsche läßt sich noch aus den Tagebuchaufzeichnungen im Kriege herauslesen: Im Sommer 1915 spricht er abschätzig von „Nietzsches romantischer Herrenmoral" und der „antiken Söldnerwirtschaft" als dem „Non plus ultra wirklicher Sklavenmoral" (R. D., Zwischen Volk und Menschheit. Kriegstagebuch. S. Fischer. Bln. 1919, S. 293 f.); im Januar 1916 über den „Willen zur Macht", der „nur ein Bestandteil der Kraft, und nicht einmal ein stets vorhandener" sei (Ebd., S. 376 f.); doch im Mai 1916 heißt es: „Aber grade die Besten sind von Natur am allerverschiedensten veranlagt

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1898 M. Evers: gerade den „fähigsten und belesensten" Primanern am „gefährlichsten"

Nietzsche als Gefahr für die Schule stellte ein Gymnasialdirektor M. Evers dar. Unter den „sittlichen Gefahren" stehe neben Utilitarismus, Blasiertheit, Skeptizismus, Pessimismus, Materialismus und Naturalismus schon 1898 das „Nietzschetum". Es geht dem Verfasser darum, „die beste Abwehr gegen [...] das allermodernste ,Ubermenschentum' des recht- oder mißverstandenen Nietzscheanismus" zu finden: „Es mag allerdings fraglich sein, ob gerade diese neueste Form der Hybris schon an alle Primaner herantritt. An viele aber jedenfalls, und gerade an die fähigsten und belesensten Köpfe am gefährlichsten. Dies um so sicherer, da bereits alle Zeitungen und Blätter davon als etwas Altbekanntes reden und überall schon im öffentlichen Leben die Beispiele auftauchen, die auch der Primanerwelt nicht verborgen bleiben. Jedenfalls sind akademische und litterarische Kreise schon weithin angesteckt. Gerade auf jugendliche, noch nicht ausgereifte Mannesseelen übt ja der geheimnisvoll abgerissene und phantasievoll blendende .Zarathustra'-Stil des hernach so unseligen Wahngenies einen verführerischen Zauber aus. Der früher charakterisierten jeunesse dorée paßt die .Herrenmoral' vortrefflich; mit der .Umwertung aller Werte' hängt sie sich ein scheinbar philosophisches Mäntelchen um ihren krassen Egoismus; und mit der Darwinistischen .Zuchtauslese aller Stärksten im Kampf ums Dasein' sucht sie ihr rücksichtsloses Strebertum auch naturwissenschaftlich zu begründen." Zur Abwehr wird dann neben Stellen aus Goethe und Schiller der Religionsunterricht in Anspruch genommen: „Da gilt's eben und da ist's sehr leicht zu zeigen: wie die wahre und einzige .Umwertung aller Werte' ausschließlich Christus in der Welt vollzogen hat [...] Nietzsche dagegen oder wenigstens sein Troß bringen nur die Rück-wertung aller Werte ins brutale Heidentum; und in Folgerichtigkeit davon die Unter- und Entwertung aller Welt- und Lebensauffassung sogar tief unter das klassisch-edle Heidentum hinunter in die Barbarei nackter oder überfirnißter Tier-Menschheit."705

[...] (Nietzsche und Marx k o m m e n nie unter einen H u t , so wenig wie Luther und Loyola." (Ebd., S. 412); BINDE, FRITZ (Heiburg / Sachsen-Meiningen 30. 5. 1867 - Riehen 10. 9. 1921), Uhrmacher, Sozialist, Anarchist und zuletzt, seit seiner Bekehrung 1902, Prediger und Evangelist; s. das W e r k von dem mit ihm seit 1894 befreundeten J. C . J. O m m e r b o r n : Mein Freund und Weggenosse Fritz Binde. Bücherei Montanus. Barmen-Wiehl. (1921), 119 S. m. mehr. Tfn.: „[...] Binde stand bereits zu sehr unter dem Einfluß Nietzsches, ich zu sehr unter dem Einfluß Stirners [...] In Wirklichkeit war Fritz Binde mir eine Nasenlänge voraus, denn Nietzsche ist nichts anderes als der geistige Verfeinerer Stirners [...]" (S. 60) „Aber im allermodernsten Flohhüpfstil denken und fühlen taten auch wir. Alles war an uns sprunghaft, Stimmungen unterworfen, die Nerven der Zeit streikten, die Kunst schrieb im Veitstanz. Halb im Dialekt des allermodersten Philosophen, des bereits geisteskranken Nietzsche, halb im Dialekt der misera plebs [...]" (S. 64) „Seine feste Uberzeugung ging dahin, die gesamten modernen Widerstandsbestrebungen gegen das Alte, Ü b e r k o m m e n e , zusammenzufassen und in der Bindeschen Geistesrevolution zu kritallisieren. Genau wie Landauer es auf seine Weise gewollt haben mag, nur daß Binde ihm turmhoch überlegen gewesen ist. Hegel, Stirner, Nietzsche, Hartmann, Egidy, Eugen Heinrich Schmitt u. A. als Einheit, und diese Einheit trug den Stempel Fritz Binde." (S. 83) 705 Auf der Schwelle zweier Jahrhunderte. Die höhere Schule und das gebildete Haus gegenüber

1898 Paul Christ: „eine pathologische Erscheinung [...] ein philosophischer Dilletant"

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B K (Ein Brief Nietzsches an Hans von Wolzogen vom Anfang Dezember 1876), (BB Bd. 21, Nr. 3 / 4 v. März / April 1898, S. 84). Enthalten in dem Aufsatz: 1878-1898. (Eine Geschichte der Bayreuther Blätter), S. 79-90. Nietzsche bedauert, aus Gesundheitsgründen an dem Unternehmen nicht teilnehmen zu können. 720 Christ, Prof. P., 706 Über Friedrich Nietzsche. (ThZs 15. Jg., 1. u. 2. Viertelsjahresheft 1898, S. 54-64, 104-118). (= Nach einem Vortrag in der Versammlung des Liberal-theologischen Vereins in Zürich gehaltenen Vortrag). Schon kann der Verfasser behaupten: „.Nietzsche und kein Ende!' möchte man gegenwärtig nicht selten ausrufen." Sein Gegenstand ist ihm „eine pathologische Erscheinung [...] in jedem Falle". Er fühlt sich durch „freiere Theologen", die „in Anerkennen und Hervorheben von Lichtseiten an ihm des Guten zu viel getan haben", zu seinen Äußerungen gezwungen. „Wie kein Theologe, so ist Nietzsche eigentlich auch kein Philosoph, sondern ein philosophischer Dilletant von glänzendem Talent." Der Aufsatz erschöpft sich in einem Vergleich Nietzsches mit Schopenhauer, von dem „sein ganzes Philosophieren" ausgehe, sowie in einer Kritik von Nietzsches Ethik. Angesichts dieser Einstellung wirkt es ein wenig komisch, daß Verfasser an einigen Stellen Nietzsche gegen Schopenhauer ausspielt und behauptet, er sei diesem gegenüber dann „vollkommen im Rechte". 721 Walde, Philo vom (Neiße), Friedrich Nietzsche in Weimar. (WRs Bd. 2, 1. 5. 1898, S. 441-446). Beschreibt einen erneuten Besuch bei Nietzsche, diesmal in Weimar, und bringt dabei vieles ihm von Mutter und Schwester über die Pflegejahre Erzählte. Zum Schluß bringt die Redaktion einen Brief der Schwester, der Gerüchte, es sei eine Besserung in Nietzsches Zustand eingetreten, unterbinden sollte. 721a Dass. in W F J Nr. 145, 1898, S. 578 ff. Der jetzige fünfte Absatz ist an dieser Stelle neu, es fehlt der Brief der Schwester, sonst unverändert. 722 Ders., Also sprach Friedrich Nietzsche. (MBl 24. Jg., H. 5 v. Mai 1898, S. 66 f·)·. Ein zwanzigstrophiges Gedicht, in dem Nietzsches Begegnung mit Zarathustra in der Bergeseinsamkeit mit voller Begeisterung geschildert wird. „Er lehrte mich, mir selbst zu trau'n - / Er ist der Leitstern meinem Nachen - / Er hieß mich, ernst vorauszuschau'n, / Nach rückwärts aber froh zu lachen."

den Jugendgefahren der Gegenwart. Eine Pädagogik des Kampfes. Fachgenossen, Eltern und Erziehern, Jugend- und Schulfreunden vorgelegt. Weidmann. Bln. 1898, S. 211 ff. Z u r Entstehung der Schrift heißt es im Vorwort: „Die vorliegende Schrift ist aus einem Berichte erwachsen, welchen ich für die 6. Rheinische Direktorenversammlung 1896 auf Grund von 35 Berichten verschiedener Schulen über die Frage zu erstatten hatte: Welche geistigen und sittlichen Gefahren für die Schüler der höheren Lehranstalten, vorzugsweise die erwachseneren, machen sich in der Gegenwart besonders fühlbar, und durch welche Einrichtungen und Einwirkungen vermag die Schule denselben entgegenzuarbeiten?"

(S. v). Erwähnungen

Nietzsches sonst auf S. 46 u. 51; EVERS, MATTHIAS (Mengershausen b. Gött. 21. 8. 1845 Engelburg / Schw. 24. 8. 1906), Gymnasialdirektor in Barmen. 706 CHRIST, PAUL (Zürich 25. 10. 1836 - 15. 1. 1908), Professor der Theologie in Zürich.

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1898 Richard Friedrich: Der „Dynamitard im Reiche der Kultur"

723 Lanzky, Paul, Friedrich Nietzsche als Dichter. (DDh 18. Jg., H. 11 v. Mai 1898, S. 242 f.). Bespricht die Gedichtausgabe in dem „Miniaturbändchen" (BI) und meint, die darin enthaltenen Dichtungen bilden „einen Commentar zu den rein philosophischen Werken": „So hat in Nietzsche überhaupt der Philosoph den Dichter ergänzt und widerlegt. In jenem finden wir, was er im allgemeinen und für sich selber erreichen wollte-, in diesem, was er als Mensch litt." 724 Hofmiller, Josef (Freising), Nietzsches Nachlaß. (Z 23. Bd., 6. Jg., Nr. 33 v. 14. 5. 1898, S. 279-291). „Die bedeutende Folge" der „skandinavischen Invasion" am Anfang der neunziger Jahre ist dem Verfasser „das Bekanntwerden Nietzsches", dessen Wirkungen abzumessen, vielleicht in den nächsten hundert Jahren möglich sein werde. So leitet der Verfasser das ein, was im Grunde eine Besprechung der beiden Nachlaßbände, elf und zwölf (GXI, GXII), ist. Darin kann er einiges zur Herabsetzung „der jetzt herrschenden maßlosen Uberschätzung Emersons" finden. Er stößt sich aber entschieden an der Wiederkunftslehre, die „ebenso gut nicht da sein könnte". Er erklärt sie sich aus Nietzsches Anfälligkeit für Traumzustände und einer besonderen Art von religiösem Atavismus. 725 Rom, Carl, Friedrich Nietzsche als Dichter. (ZuG 2. Jg., Nr. 16, 1898, Sp. 505 ff·)· Eine längere, sehr sachlich gehaltene, beschreibende Besprechung des von der vortrefflichen Schwester herausgegebenen Gedichtbandes (BI), die mit der Versicherung schließt: „Mag man sich zur Philosophie Nietzsches stellen, wie immer man will, dem Menschen und Dichter wird kein Gebildeter seine Teilnahme versagen können!" 726 Friedrich, (Richard),707 Nietzsche-Kultus. (NSKB1 5. Jg., Nr. 20 ff. v. 22. u. 29. 5. u. 5. 6. 1898, Sp. 305-310, 325-330, 339-344). Nietzsche ist dem Verfasser der „Dynamitard im Reiche der Kultur" und sein Kultus, „unter den mancherlei Kulten vergangener Jahrzehnte der jüngste, [...] der gefährlichste". Es sei ihm gelungen, „eine merkbar wachsende Gemeinde um sich zu sammeln, deren Apostel durch Vorträge und Schriften immer siegesfreudiger den Nietzsche-Kultus auf ihre Fahnen zu schreiben bemüht sind". Diese „NietzscheVerehrer" teilt er in zwei Klassen ein: „1., die sich von der Form und Selbstsicherheit des Philosophen blenden lassen, und 2. in solche, welche sich mit ihm auf dem antichristlichen Standpunkt zusammenfinden." In der Hauptsache aber verfolgt der Verfasser die Entwicklung der „Hegeischen Philosophie", die ihm „Ausgangspunkt jener zersetzenden Ideen" sei, „welche gegenwärtig in scharfem Widerspruche zur Lehre des Christentums auch das Edelste und Heiligste unterwühlen". Vertreter der „heterodoxen Hegeischen Schule" erkennt er in Bauer, Strauß, Heine und vor allem in Feuerbach, dem „Vorläufer der materialistischen Weltanschauung". Er streift dann kurz Darwin, Moleschott, Karl Vogt und Stirner, sowie die politische Außerungsform des Materialismus: „Ohne den Materialismus bliebe die Sozialdemokratie überhaupt undenkbar." Die „Väter der modernen Sozialdemokratie" erkennt er in

707 FRIEDRICH, RICHARD, geb. 1857, später Pfarrer an der Hofkirche zu Dresden.

1898 Otto Julius Bierbaum: Nietzschlingen zur Warnung

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Marx, Engels und Lassalle und den „eigentlichen Parteiphilosophen" in Feuerbach. Nietzsches Weltanschauung ist dann auch „die Blüte des Materialismus": „Uber sie hinaus ist keine Entwicklung desselben mehr möglich." 726a Auch in: EV 12. Jg., Nr. 46-50 v. 10., 14., 17., 21. u. 24. 6. 1899, S. 378 f., 386 f., 395 f., 401 f., 414 f. Unverändert. 726b Dass. Sonder-Abdr. G. Wigand. Lpz. 1898. 23 S. Unverändert. 727 Bierbaum, Otto Julius, Nietzschlingen zur Warnung. (J 3. Jg., H. 19, S. 320). Ein neunzeiliges Gedicht. 728 Müller, Hans von (Marburg i. H.), Nietzsches Vorfahren. (Z Bd. 23, 6. Jg., H. 35 v. 28. 5. 1898, S. 403 f.). Bringt einen Auszug aus dem Kirchenbuch zu Bibra, Nietzsches Vorfahren von 1709 bis 1784 betreffend. 729 Br(ey)s(i)g, K(urt), (LCB1 Nr. 21 v. 28. 5. 1898, Sp. 833 f.). Besprechung von Wilhelmis Werk (Nr. 570); bezeichnet das Buch als „Zufallsschrift", da es sich bei Carlyle und Nietzsche um zwei „incommensurable Größen" handle, und meint dazu, „wollte man Nietzsche und Carlyle recht einseitig, aber kurz und schlagend charakterisieren, man müßte sagen, daß der Eine ein Aristokrat der Gedankenform war, während der Andere seinen Ehrgeiz darin setzte, vor seinen Lesern nie anders als im Schlafrock zu erscheinen". Auch könne Wilhelmi seine „religiöse Parteilichkeit" nicht verleugnen, und „so wird denn dieses gedankenreiche Büchlein, mehr als ein Citatenschatz und eine Sammlung anregender, aber mit innerer Vorsicht aufzunehmender Bemerkungen, denn als das, was es sein will, als ein abschließendes Urtheil über einen großen Sociologen und einen großen Socialpublicisten angesehen werden müssen". 730 Dilthey, Wilhelm, Die drei Grundformen der Systeme in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. (AGPh Bd. XI, N.F. Bd. 4, H. 4, 1898, S. 552 f.).708

708 S. a. den: Briefwechsel zw. Wilh. Dilthey u. d. Grafen Paul Yorck v. Wartenburg 18771897. M. Niemeyer. Halle / Saale 1923, S. 229 f.: die Meinung Yorck v. Wallenburgs am 30. 12. 1896: „Bandloser selbständiger Nietzscheanismus und genußsüchtiges Heerdenbewußtsein sind nur verschiedene Tonarten desselben Systems."; der Dilthey dann beipflichtet, S. 238 f.: „Nietzsche hat doch wirklich das furchtbare Wort der Zeit ausgesprochen. Der zweite Band seiner Biographie von seiner Schwester (Verhältnis zu R. Wagner) ungeheuer amüsant. Zwei gescheite aber ohnmächtige Gegenschriften gegen ihn von Tönnies und Riehl. Die berühmte .Socialisierung' ist nur die andre Seite desselben jetzigen Lebensgefühls. N u r das geschichtliche Bewußtsein, daß der Mensch weder seine Häute abschälen und sich finden kann wie er an sich ist (worüber Nietzsche verrückt wurde) noch eine Gesellschaft machen (sowenig als eine Religion), kann über diese Standpunkte hinausführen." Weitere verstreute Erwähnungen Nietzsches ähnlichen Inhalts in den Werken Diltheys sind von J. Kamerbeek angeführt in: Dilthey versus Nietzsche (Studia philosophica Bd. 10, 1950, S. 52-84). S. bes. die Erwähnungen in dem Aufsatz über Hölderlin (Das Erlebnis und die Dichtung. Lessing, Goethe, Novalis, Hölderlin. Vier Aufsätze. Teubner. Lpz. 1906), S. 330 (die „neue F o r m des philosophischen Romans", die Hölderlins „Hyperion" verkörpere, habe „in dem Zarathustra Nietzsches ihre höchste F o r m gewonnen"), 332 („In dem Helden des Fichteschen Idealismus entsteht die Erfahrung Nietzsches, daß Kraftbetätigung als solche letzte und höchste Freude sei."), 339, 341 („das aristokratische Bewußtsein" als verwandter Zug bei

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1898 Wilhelm Dilthey: „Er verwarf aus Unkenntnis die Psychologie als Wissenschaft"

(= Jahresbericht üb. d. nachkantische Philosophie v. W. Dilthey, Α. Heubaum u. A. Schmekel). Über Nietzsche als „schreckendes Beispiel dafür, wohin das Brüten des Einzelgeistes über sich selbst führt". 730a Auch in: Wilh. Diltheys ges. Schriften. IV. Bd. Teubner. Lpz. u. Bln. 1921, S. 528 f. In seiner „seit 1898 mehrmals gehaltenen Vorlesung,,: „Die Kultur der Gegenwart und die Philosophie" hebt Dilthey Nietzsche mehrmals hervor: „Der gemischte Stil von Schopenhauer, Mommsen und Nietzsche wirkt stärker als das Pathos von Fichte und Schiller."709 „Der düstere Stolz und der Pessimismus eines Byron, Leopardi oder Nietzsche hat die Herrschaft des wissenschaftlichen Geistes über die Erde zu seiner Voraussetzung. In ihnen macht sich aber zugleich die Leere des Bewußtseins geltend, da alle Maßstäbe aufgehoben worden sind, alles Feste ist schwankend geworden, eine schrankenlose Freiheit der Annahmen, das Spiel mit grenzenlosen Möglichkeiten lassen den Geist seine Souveränität genießen und geben ihm zugleich den Schmerz seiner Inhaltslosigkeit."710 „Schopenhauer, Richard Wagner, Nietzsche, Tolstoi, Ruskin und Maeterlinck lösten sich ab in ihrem Einfluß auf die Jugend."711 „Die letzte Folgerung, welche jemand aus der Verneinung der Erkenntnis in ihrem diskursiven, logischen Verfahren ziehen konnte, ist in Nietzsche repräsentiert und von ihm ausgesprochen. Der kulturschaffende Mensch ist ihm erst der Künstler, dann das wissenschaftliche Bewußtsein, endlich, da er auch an dessen Mission verzweifelt, der wertschaffende, wertsetzende Philosoph [...] Er verwarf aus Unkenntnis die Psychologie als Wissenschaft [...] Er blieb in der Benutzung historischer Tatsachen für das Verständnis der Zweckzusammenhänge der Kultur vollständiger Dilletant [...] Er hat den Zweck des Individuums losgelöst von der Entwicklung der Kultur [...] und darum inhaltlich entleert; formal aber verliert er das Verhältnis zu einem Fortschreitenden und Festen."712

Hölderlin und Nietzsche), 347 (hier findet sich der eingehendere Vergleich), 390; YORCK VON WARTENBURG, PAUL, GRAF (1. 3. 1835 - 12. 9. 1897), über das Verhältnis der „Geburt" zu seiner einzigen zu Lebzeiten, 1866 erschienenen Arbeit „Die Katharsis des Aristoteles und der Oedipus Coloneus des Sophokles" s. die Einleitung von Karlfried Gründer zum Neudruck von J. Bernays' „Grundzüge der verlorenen Abhandlung des Aristoteles über die Wirkung der Tragödie" (G. Olms Vlg. Hildesheim, New Y o r k 1970, S. ixff.). 709 W . D., Ges.Schriften VIII. Bd.: Weltanschauungslehre. Abhandlungen zur Philosophie der Philosophie. Teubner / Vandenhoeck & Ruprecht. St. u. Gött. (1968), S. 191. 710 Ebd., S. 194. 711 Ebd., S. 197. 712 Ebd., S. 199 ff. Moritz Schlick erzählt von einer Äußerung Diltheys, in der dieser seiner Freude über das außerordentliche Wachsen des philosophischen Interesses um die Jahrhundertwende Ausdruck gab, und berichtet dann weiter: „Now this gratifying upsurge in the desire for philosophic enlightenment was above all traceable, in Dilthey's opinion, to two causes, and these two causes went under the labels of Socialism and Nietzsche [...] when a thinker of so eminent a historical talent attaches predominant importance to these two fac-

1898 Heinrich Schoeler: Seine „Lehren haben sich als Irrlehren erwiesen"

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731 Schoeler, Dr. Heinrich von,713 Kritik der wissenschaftlichen Erkenntnis. Eine vorurteilsfreie Weltanschauung. Wilh. Engelmann. Lpz. 1898. Laut Vorwort will das Werk „den Wahn [...] zerstören, als ob die Naturwissenschaften die dunklen Rätsel der kosmischen, organischen und psychischen Prozesse erklärt hätten", und „das Interesse der Menschheit wieder mehr der Welt des Schönen und dem veredelnden Einflüsse des Familienlebens sowie der Begründung eines glücklicheren individuellen Daseins" zuleiten. Im achten Abschnitt (S. 190-218) wird „der Nietzscheanismus" als „ein Seitenstück zu dem Wahne Schopenhauers, das Problem der Welt gelöst zu haben", behandelt. Zwei krankhafte Züge ließen sich an Nietzsche entdecken, meint der Verfasser: die „Sucht, die Sonnen des geistigen Firmamentes (Wagner, Schiller, Kant, Dante u.a.) zu schwärzen", und „der Widerwille gegen das sittliche Fühlen". Seine „Lehren haben sich als Irrlehren erwiesen, als Irrlichter, die den unvorsichtigen Wanderer in den Sumpf eines frivolen philosophischen Nihilismus locken [...]" Doch als Stilist sei er „der unerreichte Meister einer mächtigen, lebensvollen, geistsprühenden, verführerischen und fascinierenden Sprache [...]" Gegen Schluß folgert der Verfasser: „Der Kampf gegen das Sittliche ist daher ein Zeichen geistiger Degeneration, das jede Philosophie, die ihn unternimmt, zu einer Philosophie der moral insanity stempelt." Im Jahre 1898 schuf Arnold Kramer714 ein Standbild Nietzsches nach dem Leben, das ihn im Lehnstuhl sitzend darstellt.

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tors, there are certainly good reasons for it [...] The two words express two utterly opposed tendencies in the aspirations of our time. For Socialism, in a word, society is supreme, and it tends in its main forms towards the democratic ideal; for Nietzsche the individual is supreme, and he champions with enthusiasm the aristocratic ideal." [= „Nun war, in Diltheys Augen, der erfreuliche Aufschwung im Verlangen nach philosophischer Aufklärung vor allem auf zwei Ursachen zurückzuführen, und diese zwei Ursachen liefen unter den Bezeichnungen Sozialismus und Nietzsche [...] wenn ein Denker von solch hervorragender geschichtlicher Begabung diesen zwei Umständen eine vorherrschende Wichtigkeit zuschreibt, gibt es gewiß dafür gute Gründe [...] Die zwei Wörter drücken zwei völlig entgegengesetzte Richtungen in den Bestrebungen unserer Zeit aus. Dem Sozialismus steht, mit einem Wort, die Gesellschaft über allem, und er neigt in seinen Hauptformen dem demokratischen Vorbild zu; Nietzsche steht der Einzelne über allem, und er verficht mit Begeisterung das aristokratische Vorbild."] (Moritz Schlick, Philosophical Papers. Vol. I ( 1 9 0 9 - 1 9 2 2 ) . Ed. by Henk L. Mulder and Barbara F. B. van de Velde-Schlick. Transi, by Peter Heath. D. Reidel Pubi. Co. Dordrecht, Holland ( 1 9 7 9 ) , S. 1 1 3 f.). Über die Einstellung Schlicks meinte Feigl in einem „Memoir" als Art Vorwort: „As regards his philosophy of life, in particular, I would hardly venture to name anyone apart from Guyau, Nietzsche and Ruskin." [= „Was seine Philosophie des Lebens im besonderen betrifft, würde ich kaum wagen, jemanden außer Guyau, Nietzsche und Ruskin zu nennen. "] (S. xx); S C H L I C K , M O R I T Z (Berlin 1 4 . 4 . 1882 - Wien 22. 6. 1936 ermordet), Dr. phil. 1904, seit 1922 Professor der Philosophie in Wien. S C H O E L E R , H E I N R I C H V O N (Pernau / Livland 1 9 . 1 2 . 1 8 5 0 - Nürnberg 3 0 . 1. 1 9 1 7 ) , Philosoph. K R A M E R , A R N O L D (Wolfenbüttel 1 7 . 5 . 1 8 6 3 - Braunschweig 9 . 5 . 1 9 1 8 ) , Bildhauer.

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1898 Carl Jentsch: Zarathustra „eine ungenießbare Kuriosität

732 Jentsch, Carl, Friedrich Nietzsche. (Gr 57. Jg., 2. Vierteljahr, Nr.17, 19, 22, 23, S. 176-189, 276-288, 432-444, 473-485; 3. Vierteljahr Nr.31, 33, S. 213-225, 297-308 v. 28. 4. - 4. 8. 1898). Der Verfasser, der Nietzsche bisher abgeneigt gewesen sei, ohne etwas von ihm gelesen zu haben, findet nun, daß „seine Sentenzen soviel Lebensweisheit und Gedankenblitze enthalten, daß man sie neben Goethes Prosasprüche stellen darf". Nietzsche ist ihm zugleich auch „der moderne Mikrokosmos im strengsten und zugleich umfangreichsten Sinne des Wortes", nur habe dieser nicht das Glück des Verfassers gehabt, „durch allen Wirrwarr und alle Verrücktheiten des Lebens immer das Walten einer ordnenden Vernunft durchschimmern zu sehen". Der Verfasser findet im „Geist des Neuen Testaments die Vollendung jenes antiken Philosophengeistes, der alle bloß äußerliche Scheingröße verachtet", und von dieser Uberzeugung aus bekrittelt er Nietzsche immerzu, wenn er auch immer wieder Worte des Lobes dazwischenstreut: letztenendes bleibt ihm Zarathustra „eine ungenießbare Kuriosität". Bezeichnend für die Stellungnahme des Verfassers ist, daß er, der „von der Nietzscheliteratur wenig gelesen" habe, das Buch von Gallwitz (Nr. 685) als das bedeutendste empfiehlt. 732a Dass. um zwei Drittel gekürzt und mit geringen stilistischen Änderungen unter der irreführenden Uberschrift: „Friedrich Nietzsche und Ibsen" in: Wandlungen. Lebenserinnerungen. 2. Tl. Fr. Wilh. Grunow. Lpz. 1905, S. 314-346. Ahnlichen Aufsätzen über Ibsen wurden die S. 346-373 entnommen und unvermittelt den vorangehenden angehängt. Lediglich eine Erwähnung Nietzsches im Zusammenhang mit Ibsen findet sich auf S. 350 f.: „Das erste, woran ich bei dem Lesen von Brand dachte, war der Zarathustra, und wie hoch Ibsen über Nietzsche stehe. Nietzsche hat zwar in seiner Jugend Verse geschrieben - welcher deutsche Jüngling täte das nicht? - , aber ein Dichter ist er nicht; wäre er einer, [...]" Auf Unstimmigkeiten mit dem Verleger C . G . Naumann im Jahre 1898 verweist folgende Erzählung von Adolf Spemann, dem Sohn des Verlegers Wilhelm Spemann: „Ins Jahr 1898 fällt auch der Versuch von Stadtrat Dr. Oehler in Weimar, dem Vetter und Vormund des seit Jahren in tiefster Umnachtung lebenden Friedrich Nietzsche, das Lebenswerk des großen Denkers und Dichters in den Verlag Spemann zu überführen, da das Verhältnis Nietzsches oder vielmehr seiner für ihn handelnden Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche zu ihrem Verleger unhaltbar geworden war. Infolge der sehr verwickelten Rechtslage und der formal noch zu Recht bestehenden Bindung an den Verlagsvertrag kam aber dieser entscheidende Abschluß nicht zustande; vor allen Dingen aber standen Spemann und sein Sohn der Gedankenwelt Nietzsches ablehnend gegenüber."715

715 A. S., Wilhelm Spemann. Ein Baumeister unter den Verlegern. J. Engelhorns Nf. A. Spemann. St.(1943), S. 209 f. Mit dem Sohn ist wahrscheinlich der Zweitälteste Gottfried gemeint; SPEMANN, WILHELM (Unna 24. 12. 1844 - Stuttgart 29. 6. 1910), gründete 1871 den Verlag W . Spemann in Stuttgart.

1898 Arthur Bonus; Unter den Geistern der sieben Embryonen Zarathustras

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Die ablehnende Einstellung des Vaters findet auch in folgenden Worten seinen Ausdruck: „Besonders die Verehrung für Schiller war tief in seiner ganzen Weltanschauung begründet, [...] und seine innere Abneigung gegen die Lehren Friedrich Nietzsches, die er zu wiederholten Malen als sehr gefährlich bezeichnete, fand in der Stellung des Dichterphilosophen gegen Schiller nur neue Nahrung." 716 Uber dieselbe Zeit schrieb ein anderer Sohn des Verlegers von seinem damaligen Studentenstand aus: „Der Liberalismus der führenden Schichten der bürgerlichen Gesellschaft wirkte sich zersetzend aus. Nun meldeten sich die scharfen und durchdringenden Stimmen der Kulturkritiker, Nietzsche, vor allem Tolstoi war hohe Mode, und noch mächtiger und tiefgehender, wenn auch nicht in dieser Schärfe, Jakob Burckhardt."717 Uber das Verhältnis zu Wagner heißt es dann: „Nietzsche war Großstädter und hatte kein Organ für das Volkstum [...] Ist es ganz echt, wenn ein Deutscher so südliche Musik preist? Ist es nicht immerhin ein merkwürdiger musikalischer Prophet, der uns Deutsche über unsere künstlerischen Sünden zur Buße rufen will und nichts anderes zu kennen scheint als Bizets Carmen? Und gerade die Tiefen des Volkstums suchte Wagner wieder, aber Nietzsche steckte bei all seinem Feingefühl doch schon so in der abendländischen Zersetzung, daß er für das kulturgeschichtlich Bedeutsame in Wagners Ringen offenbar kein Gefühl mehr hatte und sich dafür lieber der französischen Freigeisterei in die Arme warf, d. h. also dem Liberalismus huldigte [...] Nietzsche hatte einen durchdringenden Blick für die Zersetzungserscheinungen, aber er war selbst ein Zersetzer, er ist der Schrei eines Schwerkranken nach Gesundheit und darum ergreifend, aber Kranke sind immer gefährlich; er hungert nach Liebe und steckt selbst noch voll Gift, in der Form des feinsten Kulturträgers ein müder Abendländer."718 733 Dr. Pfannkuche,719 Macht und Recht. Nietzsche und Carlyle. (DVSt 9. Jg., Nr. 10 v. 20. 5. 1898, S. 293-298). Verfasser untersucht als „Nationalsozialer", inwiefern Macht und Recht „in einem unlöslichen Gegensatze" stehen. Er verwirft dabei, fast nur im Vorübergehen, Nietzsches „Gleichsetzung von Macht und Recht" als „nicht nur unsittliche, sondern auch unwahre Phantasterei", um Carlyle ausführlich anzuführen und ihm beizupflichten. 734 Brand, Franz (d. i. Arthur Bonus), Unter den Geistern der sieben Embryonen Zarathustras. Gedichte und Sprüche Friedrich Nietzsches aus dem Jahre 1868. (PJb Bd. 92, H. 3 v. Juni 1898, S. 385-396).

Ebd., S. 245. 717 Spemann, Franz, Aus meiner Studentenzeit. Erinnerungen und Ausblicke. J. F. Steinkopf. St. o. J., S. 8; SPEMANN, FRANZ, geb. am 30. 1. 1877 zu Stuttgart, studierte zunächst Theologie und dann Musikgeschichte. 718 Ebd., S. 40 f., s. a. S. 42 (Nietzsches Verhältnis zu Burckhardt), 74 ff. (Carl N e u m a n n über Burckhardts Verhältnis zu Nietzsche). 719 PFANNKUCHE, AUGUST (Neuendorf 9. 6. 1870 - 1929), evangelischer Pfarrer in Osnabrück, Herausgeber von Carlyles „Heldenverehrung". 716

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1898 Bruno Schönlank und die Fastnachtspäße in den „Preußischen Jahrbüchern"

In einer gelungenen Satire werden das Nietzsche-Archiv und Nietzsche-Nachbeter verhöhnt. Der Verfasser gibt vor, Nietzsche in seiner Leipziger Studentenzeit gekannt und „Schätze jenes Jahres" von Nietzsches Hand bekommen zu haben, von denen er hier einiges veröffentliche. 735 Sch(önlank), B(runo),720 Ein „Fund". (LVZg 5. Jg., 1. Beil. z. Nr. 120 v. 27. 5. 1898). Hinsichtlich des Juniheftes der „Preußischen Jahrbücher" und dessen leitenden Artikels „Unter den Geistern der sieben Embryonen Zarathustras" (Nr. 734) erlaubt sich der Herausgeber der LVZg hier die Frage, ob „gerade Friedrich Nietzsche, der geniale Dichter und Denker, der einem, auch vom schroffsten Widersacher respektierten, tragischen Siechtum verfallene Dulder die passende Zielscheibe für die abgestandenen Fastnachtsspäße irgend eines Hans Taps" sei? 736 Bonus, (Arthur), (PJb Bd. 93, H. 1 v. Juni 1898, S. 132-141). Eine sehr lobende Besprechung von Gallwitzens Nietzsche-Buch (Nr. 685) mit kurzer Erwähnung und Bemängelung des von Kaftan (Nr. 580). Da Nietzsche „ein Opfer seines Kampfes" gegen Gott geworden sei, sei er „für uns Gottesanbeter die verehrungswürdigste Gestalt aus der neueren Kriegsgeschichte des Geistes". Er habe „die Thür aufgerissen und die religiöse Atmosphäre entbunden, herausströmen lassen". .„Antichristen' sind die Retter des Christenthums; ob mehr positiv wie Luther, Kierkegaard, Lagarde, oder mehr negativ wie Nietzsche, das ist lediglich Sache der geschichtlichen Situation." Es gilt dem Besprecher als „sicher, daß Nietzsche [...] das Problem der Religion - aller Religion! - wieder entdeckt hat und damit eben das eigentliche Problem unserer Kultur". Einige abweisende Bemerkungen hat er noch für die „ethische Kultur", die Schwester und das Nietzsche-Archiv. 737 Im „Notizbuch" der „Zukunft". Bd. 23, 4. 6. 1898, S. 453 f. Eine Zurechtweisung der „Preußischen Jahrbücher" wegen Veröffentlichung von dem „schnöden, witzlosen Bierulk": „Unter den Geistern der sieben Embryonen Zarathustras" (Nr. 734). Verfasser ist wohl Maximilian Harden. 738 anonym, Unpolitische Betrachtungen. (EZgLN 57. Jg., Nr. 129, 135, 141, 147, 165 v. 5., 12., 19. u. 26. 6. u. 17. 7. 1898). Der Aufsatz befaßt sich zunächst mit dem „sozialpolitischen Standpunkt" Nietzsches, vor allem was die Sklaverei betrifft, und dann fast ebenso sehr mit seiner „Metaphysik", um mit seinen Äußerungen zum Erziehungswesen zu schließen. Im großen und ganzen eine ihrem Gegenstand sehr gewogene Arbeit. 739 (Avenarius, Ferdinand), Friedrich Nietzsches Gedichte. (Kw 11. Jg., H. 18 = 2. Junih. 1898, S. 182-187). Zeigt die von der Schwester herausgegebene Gedichtsammlung (BI) mit rechter Begeisterung an und bringt dazu Aus hohen Bergen, aus: Ruhm und Ewigkeit und Spruchartiges. 740 anonym, (Geg Nr. 24 v. 11. 6. 1898, S. 383).

720 SCHÖNLANK, BRUNO (Mühlhausen / Thür. 1859 - Leipzig 30. 10. 1901), Schriftsteller, sozialdemokratischer MdR, wurde schon als Student evangelisch, verschiedentlich journalistisch tätig seit 1883, Schriftleiter beim „Vorwärts", gründete 1894 die „Leipziger Volkszeitung".

1898 Erneuter Angriff Schönlanks auf Bonus und Delbrück

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Eine kurze wohlwollende Besprechung von Bergs Werk (Nr. 613), in dem der Verfasser versuche, „den Einfluß Nietzsches und seiner barocken Idee" aufzuzeigen. 741 Goldschmidt, Kurt Walter,721 Eduard Bellamy. (BrZg Nr. 421 v. 19. 6. 1898). Diese Würdigung des eben verstorbenen amerikanischen „Utopisten" läuft in einen Vergleich mit Nietzsche aus, denn auch dieser sei „revolutionärer" Utopist gewesen, der „nach neuen, höheren Zukunftsformen" hinweise und „unter allen Utopisten vielleicht der größte Künstler ist". Verfasser hofft auf eine Versöhnung beider Ideale, in der „der höchst differenzierte Mensch mit den stärksten Lebensinstinkten, und der planvoll wirthschaftende Sozialmensch Bellamys sich gleichmäßig verwirklichen können". 742 Ernst, Otto, Bücher vom letzten Jahre. Eine kritische Plauderei. (NZ 16. Jg., 2. Bd., Nr. 39 v. 25. 6. 1898, S. 395-403). Uber zweieinhalb Seiten hin stellt Verfasser „eine Nietzsche-Episode", die es „ganz vor Kurzem" gegeben habe, dar, um darauf Spielhagens „Faustulus" zu besprechen: „Der Roman spielt in den fünfziger Jahren, also vor Nietzsche; aber der Held ist ein Nietzschescher Herrenmensch, der die Kurzbeinigkeit der Nietzscheschen Philosophie an Leib und Seele gründlich erfährt." In der Abfertigung Nietzsches unterscheidet er zwischen dem Philosophen, „der ganzen individualistisch übergeschnappten Philosophie à la Nietzsche", und dem Prosa-Lyriker, dem eine gewisse Genialität nicht abgesprochen wird. Besprecher geht dann zu Werken von Hermann Bahr und Georg Hirschfeld über. Der Schlußteil der Sammelbesprechung im folgenden Heft enthält nichts über Nietzsche. 743 Förster-Nietzsche, Elisabeth (Weimar), Nietzsches Ahnen. (Z 6. Jg., Bd. 23, Nr. 39 v. 25. 6. 1898, S. 576-578). In einem offenen Brief an den Herausgeber Maximilian Harden kräftigt die Schwester die Ansicht, daß die Familie adliger polnischer Abkunft sei. 744 Die Geister der sieben Embryonen Zarathustras. (PJb Bd. 93, H. 1 v. Juli 1898, S. 94-101). Unter dieser Uberschrift veröffentlichte die Redaktion (d. i. Hans Delbrück) einige witzige Zuschriften, die die Satire von Brand (Nr. 734) gezeitigt hatte, den Begleitbrief von Bonus zur Satire selbst sowie einen Nachtrag: Pöbel kontra Zarathustra. 745 Sch(önlank), B(runo), Die Preußischen Jahrbücher, Friedrich Nietzsche und „Bonus". (LVZg 5. Jg., Nr. 149, 2. Beil. v. 1. 7. 1898). Nennt die Erwiderung Delbrücks und Bonus' (Nr. 744) einen „kläglichen Rücktritt", den „Ausdruck der tödlichen Verlegenheit". Es sei nichts daran zu ändern, daß sie „in einer .wissenschaftlichen' Zeitschrift einen ebenso taktlosen wie unfeinen ,Spaß' getrieben haben". 746 Thiel, Peter Johannes (Elberfeld), Wider die moderne Dichtung! Neue Folge der „Naturischen Briefe". I. Nietzsche und die „Helden" in der modernen Dichtung. (Rhl 2. Jg., H. 7. v. 15. 7. 1898, S. 103-106).

721 GOLDSCHMIDT, KURT WALTER, geb. am 2. 7. 1877 zu Breslau, seit 1907 Dozent für Literatur und Philosophie in Berlin.

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1898 Peter Joh. Thiel: E r vielleicht allein werde „die Moderne überleben"

Obwohl „wir [...] im Zeitalter Nietzsches" leben, findet Verfasser wenige von „Nietzsches .Herrenmenschen'" unter den Helden in den modernen Dramen und am wenigsten bei Hauptmann. Selbst sein „Glockengießer Heinrich" sei „nur der verunglückte Neuauflage seines Johannes Vockerath". Bei Sudermann finde man allerdings einen „Zug zur Größe", doch erst Bleibtreu, „dem berühmten Unbekannten", gebühre unter den Modernen „die Krone": „Nietzsches Adlerflug der Fantasie läßt auch ihn die höchsten Gipfel spielend überfliegen." Er vielleicht allein werde „die Moderne überleben [...], wenn die Hauptmann und Untermannen längst zum öden Haideland versandet sind". 747 X, (LCB1 Nr. 28 v. 16. 7. 1898, Sp. 1062 f.). Besprechung von Gallwitz' Werk (Nr. 685); begrüßt die Betonung der „sittlichen Energie" bei Nietzsche, doch habe der Verfasser sich nicht gefragt, „wie sich mit der sittlichen Feinfühligkeit die cynische Frechheit" vertrage: „Ob es auch nur einen einzigen Jünger Zarathustra's giebt, der in munterm Tanzschritt den steilen, entsagungsreichen Weg zu einem höheren Menschenthum gehen mag, ist zweifelhaft, daß aber jene Frechheiten und Gaukeleien ein dankbares Publicum gefunden haben, zumal sie in der handlichen, leicht colportierbaren Form des Aphorismus geboten werden, ist unzweifelhaft." B L Vom freien Tode. / Vom bleichen Verbrecher. / Von der Keuschheit. / Auf den glückseligen Inseln. / Vom Freunde. / Das Tanzlied. / Vom höheren Menschen. (Also sprach Zarathustra.), p A T 14. Jg., lfd. Nr. 711, 714, 716 f., 719 f., 727 f. v. 16. 7., 6., 20. u. 27. 8., 10. u. 17. 9., 5. u. 12. 11. 1898, S. 274 f., 299, 317, 322 f., 338, 347, 403, 411). Vermerkenswert bei dem Abdruck dieser Stellen aus dem „Zarathustra" I-III ist die Tatsache, daß den Lesern die Angabe des Werkes anscheinend schon genügte und die Nennung des Verfassers erübrigte. 748 Stürmer, Dr. Fr. Fr., Zur Abwehr. (ASA Beil. z. Nr. 167 v. 20. 7. 1898). Worte der Entrüstung über die bedauerliche „Nietzsche-Verhöhnung" von Bonus in den „Preußischen Jahrbüchern" (Nr. 734). 749 Necker, Moritz, Nietzsche als Lyriker. (Wage H. 30 v. 23. 7. 1898, S. 504 f.). Eine recht eingehende, kritisch abwägende, doch im ganzen hochanerkennende Besprechung des Gedichtbandes (BI): „Unser modernes Deutsch ist ohne ihn nicht zu denken [...] er hat die Sprache intimer gemacht, als sie war, und nicht zufällig oder naiverweise, sondern mit redlichem künstlerischem Bemühen." 750 Drews, Dr. Arthur, 722 (PJb Bd. 93, H. 2 v. Aug. 1898, S. 353-360). In der umfangreichen Besprechung von Eduard von Hartmanns „Ethische Studien" (Nr. 185a) setzt sich Besprecher mit niemandem so oft und eingehend auseinander wie mit Nietzsche. Hartmanns Beschäftigung mit ihm sei teils daraus erwachsen, daß „Nietzsche gegenwärtig beinahe der einzige philosophische Schriftsteller" sei, „der auch außerhalb der Fachkreise in nennenswerthem Maße gelesen wird [...] und doch zumal auf die studirende Jugend, sowie auf die journalistische und künstlerische Bohème einen Einfluß" ausübe, „der eine nüchterne und ernüchternde Beur-

722 DREWS, ARTHUR (Vetersein 1. 11. 1865 - Achern 19. 7. 1935), promovierte 1889, 1898 Professor an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe.

1898 Arthur Drews: Seine „neue Moral" beruhe auf einem rein zufälligen Einfall

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theilung geradezu herausfordert". „Mit bekannter Virtuosität" entwickele Hartmann die Grundideen Nietzsches, an denen dann „ungeheuerliche Übertreibung und Einseitigkeit", Aberwitz, philosophische Bedeutungslosigkeit, gänzliche „Abhängigkeit von Affekten, Unempfindlichkeit gegen Selbstwiderspruch" und eine „weiblich" geartete Natur trotz „Antipathie gegen das Weib" u. a. aufgezeigt werden. Dem Stirner gewidmeten Aufsatz wird auch einiger Raum gegönnt, mit da es scheine, Nietzsche sei durch dessen Erwähnung in der ersten Auflage der „Philosophie des Unbewußten" auf ihn aufmerksam gemacht worden. Während Stirners absoluter Egoismus „aus objektiven Gründen erkenntnistheoretischer oder metaphysischer Art abgeleitet" sei, beruhe Nietzsches „neue Moral" auf einem rein zufälligen Einfall, auf persönlichem Belieben. Die Leser allein der „Ethischen Studien" werden „daraus mehr wirkliche Belehrung und positive Erkenntniß schöpfen als aus allen Schriften Nietzsches zusammengenommen". 751 Stock, O t t o (Eldena b. Greifswald), (DLZg 19. Jg., Nr. 31 v. 6. 8. 1898, Sp. 1228-1233). Eine Besprechung der Nietzsche-Bücher von Gallwitz (Nr. 685) und Lichtenberger, letzteres in der französischen Urfassung. Das Werk von Gallwitz wird im allgemeinen gelobt, nur vermisse man „manchmal die klare, nüchterne Kritik", und der Verfasser bemühe sich „vergebens darum, zwischen den Grundgedanken des Christenthums und Nietzsches Weltanschauung eine innere Verwandtschaft zu konstatiren". Lichtenbergers Werk dagegen gehöre „dem Besten, was überhaupt über N . geschrieben worden ist", an, nur hätte er der „objektiven Wahrheit", dem „berechtigten und werthvollen Nerv des Nietzscheschen Denkens", mehr Beachtung schenken sollen. 752 Hauri, Dekan J. (Davos),723 Friedrich Nietzsche. Zwei Vorträge. I. Die Herrenmoral und der Übermensch. (KB1RS 13. Jg., Nr. 32-35 v. 6., 13., 20. u. 27. 8. 1898, S. 127 ff., 131 ff., 135 ff., 139-142). Durch Stellen aus „Zarathustra", „Jenseits" und der „Genealogie" vermittelt der Verfasser seinen Lesern eine verhältnismäßig ausgewogene Darstellung der Lehre dieses „letzten Propheten einer neuen Weltanschauung". Erst gegen Schluß stellt er mit erstaunlicher Sachlichkeit fest: „Dieser Geist sagt ein entschiedenes Nein zu allen unsern Idealen, nicht nur zu denen des christlichen Glaubens, sondern auch zu denen der Moral, der Moral der Gläubigen und der Atheisten, ein Nein zu unserer Philosophie, zu unserer Kultur, zu allen Tafeln der heutigen Werte." Der zweite Vortrag folgte in derselben Zeitschrift erst ein Jahr später (Nr. 844). 753 (fentsch, Carl), Nietzsche und Novalis. (Gr 1898, S. 111 f.). Verfasser habe in Novalis „den ganzen Nietzsche" gefunden, nur in annehmbarerer Gestalt, zum Teil da Novalis seine „Schriftstellerei [...] bloß Zeitvertreib und Bildungsmittel" gewesen sei. Er sei zwar Aristokrat, Monarchist und Pantheist gewesen, habe aber „keine pessimistische Ader" gehabt. Dem Nietzscheschen „Ekel an den .Vielzuvielen'" setze er die Liebe entgegen. 754 Garin, Paul, Religion und Moral. (MAZg Nr. 165 ff., Beil. z. 16.-18. 8. 1898, S. 1-4, 1 ff., 1 ff.).

723 H A U R I , J O H A N N E S ( 1 8 4 8 - 1 9 1 9 ) .

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1898 Kurt Martens' Teniawsky: Die Deutschen „alle elend und verzweifelt wie er selbst"

Verfasser setzt sich fast ausschließlich mit Nietzsche, der „den Gegenstand zum letztenmale behandelt" habe, auseinander. Seine Wirkung, weit hinausgehend „über seinen Lehrer und Vorläufer" (d. i. Schopenhauer) verdanke sich der Tatsache, daß er „nicht nur die ungeheure Summe pessimistischen Empfindens der Zeit mit wirklich virtuoser Geste zusammengefaßt", sondern „ihm auch die über alles wirksamste Einkleidung, die poetische verliehen hat", und - „das wichtigste von allem - er hat einen Ausweg gezeigt: den Ubermenschen". In seiner frühen Berufung nach Basel liege „das entscheidende Unglück seines Lebens, [...] seinem ist die Seele entrissen - das Erleben". Diesem allem stellt der Verfasser die christliche Religion und Moral entgegen, indem er Nietzsches Verurteilung derselben heftig bekämpft. Gegen Schluß geht er etwas näher auf Schopenhauer ein, dessen „Forschung nach einem allgemein gültigen Moralprinzip ein Anachronismus" gewesen sei, wie Nietzsches Fragestellung „eine Leugnung der Tatsachen". 755 Steiner, Rudolf, Nietzsche in frommer Beleuchtung. (ML 67. Jg., Nr. 33 v. 20. 8. 1898, Sp. 769-772). Als einer, der zu denen gehöre, „die [...] mutig genug sind, ,Ja' zu sagen, wo Nietzsches Psychologie Geschichte und Natur, die gesellschaftlichen Institutionen reinigen will von den tausendjährigen Vorurteilen und Altweiberempfindungen der Theologie", als einer, dem es obliege, „treue Wache zu halten gegen das Andringen aller derer, die ihn [d. i. Nietzsche] ausnützen wollen im Dienste irgendwelcher althergebrachten Anschauungen", macht der Verfasser Front gegen den „frommen Gärtner" Gallwitz (Nr. 685). 755a Auch in Nr. 211a, S. 471-475. Der Sperrdruck fehlt, sonst unverändert. V o n Kurt Martens erschien 1898 der „Roman aus der Décadence", den der Ich-Erzähler Just, Protokollant am Amtsgericht in Leipzig Mitte der 90er Jahre, „ein Fragment meiner Entwicklungs-Chronik" nennt. Einen geistreichen Mittelpunkt bildet die Gestalt des Dimitri Teniawsky, eines „Spielgenossen" des Czaren Nikolaus aus der Kinderzeit. E r ist schon vor zehn Jahren nach Leipzig gekommen, um „die bekannten Juristen und Volkswirthschaftler zu hören", und, auf Nietzsche gebracht, meint er: „,Was geht mich Nietzsche an! Ich bin kein Deutscher, der Zarathustra wie einen Mediziner konsultiert, weil ihm nicht wohl zu Mute ist. Dazu war euer Nietzsche, soviel ich ihn verstehe, selbst kein Deutscher, sondern ein Slave oder zum mindesten ein Europäer.' ,Du streichst ihn also doch heraus,' warf ich dazwischen; denn es machte mir Freude zu sehen, wie prächtig er sich noch ereifern konnte. J a , den Deutschen gegenüber allerdings. Denn sie möchten am liebsten Commentare zu seinen Büchern schreiben und sie in gereimte Jamben gießen. Und dann mühen sie sich, sein Lachen und seinen Prophetengang ihm abzukucken. Keinen Stümper giebt es, der sich nicht stolz von ihm beeinflußt fühlte. Und sind doch im Grunde alle elend und verzweifelt gerade wie er selbst. Nur daß er zuerst auf den Gedanken kam, den Grund des ganzen Elends bloßzulegen und zu träumen von einem Menschen, der es überwindet. Das ist der Unterschied.'" 724

724 F. Fontane. Bln., S. 35 f. S. a. dass., Grethlein. Lpz. u. Zur. (1922). Durch neuen Satz haben sich aber die angegebenen Fundstellen wie folgt verschoben: S. 49 f. u. 347-351.

1898 Teniawsky's Anarchisten: „eine Rotte guter Europäer"

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Den letzten Abschnitt des Werkes nennt der Erzähler dann den „Tag des Dimitri", „nicht nur weil das Werk des Dimitri Teniawsky ihn krönte, sondern weil von den ersten Morgenstunden an die Stimmung jener fröhlichen Energie darüber ausgebreitet lag, die wir an Dimitri vergöttern, mit der allein man das Leben sich erobert". „Das Werk des Dimitri" wird dann in dessen eigenen Worten beschrieben: „Das W e r k der Zerstörung ist im Gange! Geeignete Kräfte haben sich zusammengethan, eine Rotte guter Europäer, Vertreter fast aller Nationen [...] Das P r o g r a m m ist möglichst allgemein gefaßt. Es lautet einfach: Quieta movere! U m s t u r z des Bestehenden! Radikale Auflösung der herrschenden Sitten, Lebens-Anschauungen und Gewalten! Lebensweri bleibt allein das Unzerstörbare: die Kraft des menschlichen Geistes und die Schätze seiner Empirie [...] Gekämpft wird nicht mit den plumpen, unwirksamen Keulenschlägen der Terroristen, sondern mit der gesetzlich unverbotenen Waffe der intellektuellen Agitation [...] Gegenseitiges Vertrauen, gegenseitige Kontrolle und besonders der Ehrgeiz und kriegerische Instinkt jedes Einzelnen sind sicherste Garantie [...] Freunde giebt es in allen Parteien [...] Fast alle Führer der Sozialdemokratie stehen zu uns [...] Unser eigentliches Feld wird das Kulturleben der breiten Volksmassen bleiben, also insbesondere der gesellige Verkehr, Wissenschaft, Kunst und Litteratur, das Erziehungswesen, die öffentlichen Vergnügungen [...] A u f diese Weise werden wir in harmlosen geselligen Gesprächen Kinder gegen die Eltern, Unterthanen gegen die Obrigkeit, Gläubige gegen den Klerus aufstacheln. Die Herzen einer erregten Jugend werden uns zufliegen; denn das Ideal der Schrankenlosigkeit zeigt ihnen niemand deutlicher als wir." 7 2 5

725 Ebd., S. 281-285. Über seine Zeit in München im Jahre 1901 schrieb er später: „Daheim beschäftigte ich mich damals hauptsächlich mit Nietzsches Werken. Ich las und las sie immer wieder, von vorn nach hinten, von hinten nach vorn und Aphorismen mitten heraus, mit innigster Sympathie und Bewunderung mehr für den Dichter und Menschen als für den Philosophen; indes, ich kann nicht sagen, daß ich zu irgend einer Zeit meines Lebens dem Erlebnis Nietzsche ganz verfallen wäre. Albert Soergel schreibt von mir in seiner Literaturgeschichte .Dichtung und Dichter der Zeit': ,Man kann kaum einen Dichter finden, der einige Hauptgedanken Nietzsche so innerlich verarbeitet hätte, wie Martens. Zwei vor allem: den Gedanken der Vornehmheit und den der Rangordnung.' Eigentlich sind es nur diese beiden Ideenkomplexe, die mich bei Nietzsche so anzogen. Wahrhaft schöpferisch, aus den großartigsten Willensimpulsen heraus hat Nietzsche sie behandelt, als erster seit Plato und Aristoteles ihren Wert einer verpöbelten Menschheit vorgestellt. Von der .Genealogie der Moral' ließ ich mich, fast widerwillig, überzeugen, in all seinen übrigen Schriften bestachen mich immer zahlreiche Glanzstellen, während mich manche apodiktische Behauptungen zu entschlossenem Widerspruch reizten [...]" (K. M., Schonungslose Lebenschronik. 2. Tl. 1901-1923. Rikola-Vlg. Wien, Bln., Lpz., Mchn. 1924, S. 20 f.) S. a. S. 23, 204 sowie im 1. Teil 1870-1900. 1921, S. 160: .„Die späten Zeiten', eine im Geiste Nietzsches konzipierte und mit einem gewissen Tempo hingehauene Farce für Merians .Gesellschaft'." und S. 163. „Die späten Zeiten" auch in dem Sammelband: Die gehetzten Seelen. Novellen von K. M. F. Fontane. Bln. 1897, S. 109-128. Die Fürstin Katharina Annowna und ihr Liebhaber Serge Ossipowitsch sind sich überdrüssig, und, um die Trennung erträglicher zu machen, schlägt Katharina vor, Serge mit dem Mündel ihres verstorbenen Mannes zu verkuppeln. Er heiratet die noch nicht Sechzehnjährige, läßt sie aber unberührt: „So genießt man selige Stunden in der Erwartung dauernden Genießens und vermeidet die Furcht vor allzuraschem Ende."

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1898 Paul E. Kaiina: „eine harmlose Protuberanze Schopenhauer's"

756 λ, (LCBl Nr. 34 v. 27. 8. 1898, Sp. 1259 f.). Eine kurze Besprechung der französischen Urfassung von Lichtenbergers Werk (Nr. 831), das „ein recht hübsches, recht lesbares" sei, obwohl es nicht „irgend etwas wesentlich Neues" bringe; auch werden „die Probleme so vereinfacht, daß wir häufig nur stilisierte Bilder der Dinge bekommen". 757 Brausewetter, Ernst,726 Ein Weib als Dichterin. (Lou Andreas-Salomé.) Eine Studie. (ML 67. Jg., Nr. 34 v. 27. 8. 1898, Sp. 801-805). Schenkt „dem mächtigen Einfluß" Nietzsches auf die Lou besondere Aufmerksamkeit und erkennt in Nietzsche das „Vorbild" für den „Lebenskämpfer im Roman", wohl den Professor Kuno in „Im Kampf um Gott". 758 anonym, Der Übermensch in der Litteratur. (BrZg N r . 607 v. 31. 8. 1898). Eine längere sachliche Besprechung des Werkes von Berg (Nr. 613). Bei Nietzsche habe sich der Begriff zum Gotte gestaltet, nachdem „aus dem alten Gott für die Philosophie ein Begriff geworden war". 759 Kaiina, Paul E., Fundament und Einheit in Friedrich Nietzsche's Philosophie. Wilh. Friedrich. Lpz. (1898). vi S., 1 Bl., 124 S. Erst nach Mai 1898 erschienen. In einem erdichteten Gespräch sokratischer Art zwischen einem Albrecht und einem Oskar entwickelt jener den Gedanken, daß Nietzsche „einzig und allein durch Schopenhauer zu seinen Resultaten gekommen" sei: er sei von Schopenhauers Erkenntnis, daß die Welt schlecht sei, ausgegangen, habe aber dessen „metaphysische Erklärung" dazu abgelehnt; er habe „Zeit seines Schaffens die Resultate Schopenhauer's benutzt, um mit ihnen nach Akrobaten-Manier seine Trie's zu machen", sei also in Wirklichkeit nichts als „eine harmlose Protuberanze Schopenhauer's". Die „Grund-Voraussetzung", unter der „die Philosophie des Ubermenschen möglich" sei, wolle er in der „Verneinung der Vernunft" sehen, und „an Stelle der Vernunft" setze er „die Sprache, das leere Spielen mit nichts besagenden Worten", womit dann „der Pessimismus vernichtet und der Ubermensch gegeben" sei. Eben hierin zeige sich bei ihm „der gänzliche Mangel an philosophisch-kritischer Begabung". In Bezug auf Nietzsches Ansicht von der Sprache führt er S. Stern als Vorläufer und dessen 1835 erschienene „Vorläufige Grundlegung der Sprachphilosophie" an. Selbst der Stil bleibt nicht ungeschoren: Nietzsche sei „ein Halunke, ein Hochstapler", da er „auf das Gewand, in dem er aufgetreten ist, so ungeheures Gewicht gelegt" habe. In einem Anhang (S. 103-124) setzt sich der Ver-

Madja hält ihrem Manne die Treue, bis Katharina sie ihrem Sohne, einem „sehr schlanken, kräftigen Burschen von sechzehn Jahren" vorstellt und dieser sie verführt. Diesen Dimitri Alexandrowitsch hat Katharina „aus dem Kadettenhause genommen, weil sie sich nun endgültig darüber klar ist, daß er zum Nihilisten erzogen werden muß, aber um Gotteswillen nicht zum weinerlichen Nihilisten alter Schule; nein, nein, sie meint die jungen, die Nietzsche gelesen und lachen gelernt haben. Sie zerstören nicht aus Haß, sondern aus unbändigem Vergnügen. Sie arbeiten auch nicht mit der Bombe, wenn sie vornehm sind; sie brökkeln nur sachte ab, hier und dort, wo es sehr verlockend ist, die Dummheit und die Sitte in Wort und Lebensweise zu brüskieren." (S. 120); MARTENS, KURT (Leipzig 21. 7. 1870 Dresden 16. 2. 1945 durch Freitod), D o k t o r der Rechte, seit 1895 freier Schriftsteller, seit 1898 in München, seit 1927 in Dresden wohnhaft. 726 BRAUSEWETTER, ERNST (Königsberg / Ostpr. 2. 6. 1863 - Berlin 31. 10. 1904), vornehmlich Übersetzer nordischer Literatur.

1898 Leopold von Schroeder: neben einigen „Blüthen echten Talents wieviel Häßliches"

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fasser dann mit Riehls Nietzsche-Buch (Nr. 610) auseinander. Der „verehrte Herr Professor" habe behauptet, daß „die Einheit bei Nietzsche eine persönliche" sei, dennoch aber versucht, „eine sachliche verständlich zu machen". Nach dieser Bemängelung stellt er vieles fest, worin Riehl mit ihm übereinstimme, nur dringe jener nicht weit und nicht scharf genug vor. Das Buch ist „Dem Andenken Arthur Schopenhauer's" gewidmet, doch greift der Verfasser auch häufig auf Kant, Locke und Hume zurück sowie in die Gegenwart nach den Ansichten von Lou AndreasSalomé (Nr. 308), um seine Abfertigung zu untermauern. Nebenbei greift er wiederholt die Schwester und das Nietzsche-Archiv an. 760 Schroeder, L. v.,727 Neue Belletristik. (BMs 40. Jg., 1898, 46. Bd., S. 273-279). Die Sammelbesprechung neueren Schrifttums leitet Besprecher mit der Verdammung der Ermordung der Kaiserin Elisabeth ein und bringt die Tat in Verbindung mit der „Umwerthung aller Werthe [...] Die bürgerliche Gesellschaft, die einem Nietzsche zujauchzt und ihn zu ihrem geistigen Führer erhebt, hat kein Recht sich über Luccheni und sein Verbrechen zu entrüsten." Somit leitet er zu einer Besprechung der „Gedichte und Sprüche" (BI) über. Da Nietzsche „als Philosoph nicht ernst zu nehmen" sei, habe Besprecher gemeint, ihn „doch als Sprachkünstler, als Dichter von gewaltiger Begabung" ansehen zu können. Die vorliegende Sammlung habe aber solche Voraussagung „nur zum Theil" bestätigen lassen: „neben einigen [...] Blüthen echten Talents wieviel Häßliches, Unerquickliches, Abstoßendes, Frivoles und geradezu Unsinniges!" Auf den folgenden knapp vier Seiten bespricht er dann drei weitere Werke anderer. 761 Andreas-Salomé, Lou, (Zeit 16. Bd., Nr. 205 v. 3. 9. 1898, S. 157). Bespricht das Werk von Mongré (Nr. 581) als Beispiel eines bedenklichen Unterfangens, nämlich der Abfassung einer „Aphorismensammlung". Solche Werke müßten einen „allerersten Rang" besitzen, aus ihnen müsse „entweder die schöpferische Originalität eines Meisters [...] oder einer gewaltigen Persönlichkeit" sprechen, oder es müssen „Äußerungen eines Solchen" sein, „der uns längst durch seine Lebenswerke überaus theuer" geworden sei. „Auf alle drei Weisen" werde Nietzsche heute gelesen: „von denen, die sich von ihm als ihrem Meister leiten lassen, von denen, die vielleicht ganz ohne ihm beizustimmen, die merkwürdige Gewalt seiner geistigen Persönlichkeit darin kosten wollen, von denen endlich, die Nietzsche solange kennen, lieben oder bewundern, daß sie auch noch seine am wenigsten bedeutungsvollen Worte dankbar als Nachtrag und Ergänzung in sich aufnehmen." Doch von Nietzsches „zahlreichen Aphorismen" sei das vorliegende Werk nur ein „zweiter Aufguß". Was es biete, habe man „in Nietzsches Werken aus erster Hand". 762 Kühl, Gustav, (Ebd., Nr. 208 v. 24. 9. 1898, S. 205 f.).

727 SCHROEDER, LEOPOLD VON (Dorpat 12.12.1851 - Wien 8. 2. 1920), Indologe, promovierte 1877 zu Dorpat, seit 1894 Professor in Innsbruck, seit 1899 in Wien; s. a. BMs 40. Jg., 1898, 45. Bd., S. 168, wo in einer ähnlichen Sammelbesprechung Nietzsche wieder einleitend dazu herhalten muß, von der Warte christlicher Entrüstung aus als Beispiel für die „in offenbarster Scheußlichkeit gipfelnde Philosophie" der „neueren sogenannten .schönen' Litteratur" zu gelten. Sogar Ibsen, „der auch früher, und gelegentlich noch später Erfreuliches geschaffen", k o m m e „der Richtung Nietzsches immer mehr nahe".

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1898 Karl Henckell: „ein Renner auf allen Bahnen der Seele"

Bespricht die „Gedichte und Sprüche" (BI) und bemängelt neben der Herausgabe manchen Gedichtes auch die „oft genug" sich offenbarende „Vorliebe des Feuerwerkers für Sprachkunststücke" und den unglückseligen „Mangel an Naivetät, der das eigentliche Verhängnis seines Riesengeistes war". Dennoch stehen auf den „letzten Seiten der Sammlung [...] Wunder neben Wunder", welches Geständnis das Geheiß hervorruft: „.Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füßen, denn der Ort, da du auf stehest, ist ein heiliges Land!'" Im Wintersemester 1898 / 99 hielt Kurt Breysig in Berlin Vorlesungen über „Moderne Sozial- und Staatstheoretiker von Rousseau bis auf Nietzsche", die im darauffolgenden Wintersemester wiederholt wurden. BM Friedrich Nietzsche. (Gedichte: Vereinsamt, „Mein Glück!", An den Mistral, An die Melancholie, Höchstes Gestirn des Seins, Venedig, in: Sonnenblumen. Blütenlese der Lyrik aller Völker, in Sammelmappen und Einzelblättern. Hg. v. Karl Henckell. Vlg. v. Karl Henckell. Zür. u. Lpz. Mappe IV (1898 / 99), Nr. 1 vermutlich v. 1. 10. 1898, 4 S.728 Mit einigen Angaben über Leben und Werk, die mit dem Satz schließen: „Ein Tänzer durch Himmel und Hölle, ein Taucher in Höhen und Tiefen, ein Fechter auf allen Böden des Geistes, ein Renner auf allen Bahnen der Seele." (S. Ernst Zinn in den Anmerkungen zu: Rainer Maria Rilke, Sämtl. Werke. Bd. VI. Insel-Vlg. (Ffm.) 1966, S. 1322 f., für eine vollständige Liste der 96 gewürdigten Dichter). 763 Joël, Prof. Karl,729 Stirner. (NDRs 9. Jg., H. 10. v. Okt. 1898, S. 995-1015). An dieser vernichtenden Verurteilung zweier Werke von John Henry Mackay als „Evangelisten" Stirners (Max Stirner. Sein Leben und sein Werk. Bln. 1898 / Max Stirners kleine Schriften. Bln. 1898) ist die entschiedene Zurückweisung einer Zusammenstellung von Stirner und Nietzsche (S. 1004 f.) vermerkenswert. 763a Auch in: K. J., (Prof. a. d. Univ. Basel), Philosophenwege. Ausblicke und Rückblicke. R. Gaertner. Bln. 1901, S. 228-262. Ein getreuer Abdruck bis auf einen erweiterten Absatz auf S. 244 f., worin der Verfasser auf Friedrich Albert Lange als denjenigen hinweist, der Nietzsche auf

728 S. a. im vierten Band seiner Gesammelten Werke (J. M. Müller. Mchn. 1923) die Gedichte „Friedrich Nietzsche" (S. 64 f., dem Inhalt nach vor 1897 geschrieben: „Das heroische Mitleid rühm ich, / Seine Taten und seine Lieder, / Deine Lehre sät Irrtums Saat.") und „Im Nietzschehain. Zu Sils Maria. Giovanni Bertacchi" (S. 339 f., eine Ubersetzung aus dem Italienischen). 729 JOËL, KARL (Hirschberg / Schlesien 27. 3. 1864 - Bad Ragaz / Schweiz 22. 7. 1934), Dozent in Basel seit 1893, 1898 ao., 1902 o. Professor der Philosophie ebendort. Auf Nietzsche wird er schon zu seiner Leipziger Studentenzeit (1883-1886) gestoßen sein, wie aus folgender Bemerkung zu schließen: ,„Das Prinzip der Kultur* suchte ich in einem Vereinsvortrag (des Akademisch-Philosophischen Vereins zu Leipzig) vielmehr in .möglichst vielen großen Männern', und diesen auch durch Schopenhauer genährten Heldenkult fand ich damals mit staunender Erregung wieder in Nietzsches .Unzeitgemäßen Betrachtungen'." (Die Philosophie d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. M. e. Einf. hg. v. Dr. Raymund Schmidt. (1. Bd.) 2., verbess. Aufl. Felix Meiner. Lpz. 1923, S. 83).

1898 Wilhelm Busch: „so laß sie, uns lieber nicht mitplappern"

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Stirner aufmerksam gemacht haben könne, und E. v. Hartmanns Behauptungen in dieser Hinsicht entschieden zurückweist. Erwähnungen Nietzsches in dem Sammelband sonst auf S. 26, 81-85, 124, 157, 164, 199, 223, 225, 236. 764 anonym, (LCB1 Nr. 39 v. 1. 10. 1898, Sp. 1588). Besprechung der „Gedichte und Sprüche" (BI), die als „Industrieproduct aus dem Nietzsche-Archiv" bezeichnet werden. Bemängelt vornehmlich Vor- und Nachwort, die als „Parodie gewisser Unarten der Goethephilologie beabsichtigt" sein könnten. 765 Heilborn, Ernst,730 Lou Andreas-Salomé (Fr 6. Jg., H. 1 v. Okt. 1898, S. 2529). Vermerkenswert an dieser Würdigung der „Frau Lou" ist die Darstellung des Verhältnisses zu Nietzsche und die Beurteilung des Nietzsche-Werks der Verfasserin: „Sie überwand, und schied den fremden Tropfen aus ihrem Blute. Zeugnis dieses Uberwindens wurde ihr Buch [...] Sie gab damit, soweit ich, der ich mich nicht rühmen darf Nietzschephilolog zu sein, die einschlägige Litteratur kenne, das Beste, was wir über ihn besitzen [...] Indem sie sein Schaffen erläuterte und seinen Wandlungen mit tiefstem Verständnis nachging, gab sie zugleich die schärfste, die unerbittliche Widerlegung seiner Philosopheme [...]" (S. 25 f.) 766 Lh„ Ein Wächter Nietzsches. (DtW v. 2. 10. 1898). Greift R. Steiner hinsichtlich zweier Aufsätze im „Magazin" als schlechten „Wächter" und „Schüler" Nietzsches an. An eine Verwandte Grete Meyer, „eine bevorzugte Briefpartnerin" seiner letzten Jahre, schrieb Wilhelm Busch am 10. Oktober 1898: „Du willst was wissen von der vorläufig neusten Philosophie. Ja, das geht man nich so. Zu dergleichen brauchts eine verbohrte Betriebsamkeit. Ich selbst, der ich natürlich keine Lust habe, meine sauerverdiente sogenannte Weltbetrachtung über die Hecke zu schmeißen, um dafür eine andre, jedenfalls nicht weniger hypothetische, mir anzuquälen, las von dem, was du meinst, nur wenig. Daher sag ich, unter Vorbehalt, nichts weiter als dies: Stülpe alles um; zu recht sag unrecht, zu gut sag bös, nenne den Teufel ,mein Bester!', und du hast die Moral von der Geschieht, sagen wir ziemlich, im Sack. Das Meisterdeutsch, den hinterrücks wühlenden Tiefsinn, die drumherum sind, könntest du nur bewundern bei höchsteigner Besichtigung. Was aber die ,Schnäcke' betrifft, die jetzund von den Papageien in allen Ecken wiederholt werden, so laß sie uns, lieber nicht mitplappern."731 767 Lanzky, Paul (Vallombrosa), Friedrich Nietzsche als Mensch. (WRs Bd. 4, Nr. 23 v. 15. 10. 1898, S. 884-888).

730 HEILBORN, ERNST (Berlin 10. 6. 1867 - ebd. 16. 5. 1942 im Gefängnis), Journalist, führende Mitarbeit an der „Frau", „Cosmopolis" und dem „Literarischen E c h o " , seit 1936 Schreibverbot. 731 W . B., Sämtl. Briefe. Kommentierte Ausg. i. 2 Bdn. Bd. II. W.-B.-Ges. H a n n o v e r (1969), S. 136; s. z. dieser Stelle die Meinung des Herausgebers im N a c h w o r t : „Friedrich Nietzsche, der gleich ihm - nur eben mit einem .hinterrücks wühlenden Tiefsinn' und in einem forcierten ,Meisterdeutsch' - unter anderem dem Menschlichen, allzu Menschlichen nachgegangen war, lehnte er aus simplem Selbsterhaltungstrieb ab (10. 10. 98)." Ebd., S. 332; BUSCH, WILHELM (Wiedensahl 15. 4. 1832 - Mechtshausen 9. 1. 1908), Schriftsteller und Zeichner.

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1898 Helene Stöcker: „die Religion der Freude"

Verfasser hat Nietzsche zur Zeit der Entstehung der „Morgenröte" kennengelernt und ist ihm nach der Veröffentlichung des zweiten Teiles vom „Zarathustra" persönlich nähergetreten. Er bringt hier aber aus den Gesprächen herzlich wenig und aus dem „seit Jahr und Tag" bestehenden Briefwechsel mit Nietzsche überhaupt nichts. Er betont den Widerspruch zwischen „Einsicht" und „Gemüth" bei Nietzsche und will damit das Widersprüchliche in dessen Schriften und den endgültigen Untergang des „Meisters" erklären. 767a Auch in Nr. 270c. Mit zwei größeren Lücken. 768 Saar, C„ Friedrich Nietzsche. Essay. (ProvZg Nr. 243 v. 16. 10. 1898, 2 Bll. u. Nr. ? v. ?). Eine begeisterte Darstellung Nietzsches, dessen Schriften „eine Schule der Vornehmheit, die höchsten die jemals auf Erden geschrieben" worden seien: „Er kommt, er ist nahe, der große Mittag." 769 Tille, Dr. Alexander (Glasgow), Zarathustras Leben. (DNJk 1. Jg., Nr. 4 v. 22. 10. 1898, S. 86-90). Verfasser bringt eine Nacherzählung des Inhaltes vom Zarathustra I-IV. 770 Ders., Zarathustras Lehre. (Ebd., 1. Jg., Nr. 5 v. 29. 10. 1898, S. 109-113). Faßt den Zarathustra als „Anwalt der Entwicklung" auf, dem diese „zwei verschiedene Seiten gezeigt" habe: die des „ungeheuren Kreises" und die andere einer „geraden Linie, die aus der Unendlichkeit kommt und nach der Unendlichkeit geht", auf welch letztere „weit mehr" Nachdruck entfalle. 771 Steiner, Rudolf, Ein wirklicher Jünger" Zarathustras. (ML 67. Jg., Nr. 43 v. 29. 10. 1898, Sp. 1010 ff.). Den „wirklichen Jünger Zarathustras" findet er in Eugen Heinrich Schmitt in dieser Lobpreisung von dessen Nietzsche-Buch (Nr. 703). 771a Auch in Nr. 211a, S. 475-479. Unverändert. 772 Stöcker,Helene, Unsere Umwertung aller Werte. (ML 67. Jg., Nr. 43 v. 29. 10. 1898, Sp. 1012-1019). Von der Uberzeugung erfüllt, daß „eine Zeit, in der es eine Lust ist, zu leben", angebrochen sei, stützt sich Verfasserin in diesem ihrem Glauben ausschließlich auf Nietzsche, der „die Religion der Freude", „die alles Irdische vergeistigt, vergoldet, vergöttlicht", verkündet habe. „Nietzsche, der trotz vieler feinen Dinge über uns ja nicht immer die Konsequenzen seiner Grundanschauung gezogen hat - vielleicht, weil ihm ,die Frau' oder ,das Weib' nie zu einem ausgesprochen persönlichen Problem geworden ist, - hat uns dennoch die Befreiung gebracht mit seinem: ,Werde, der du bist' - und er wird wohl auch gewußt haben, was er sagte, als er die Behauptung aufstellte: ,Das vollkommene Weib ist ein viel höherer Typus des Menschen als der vollkommene Mann.'" Zum Schluß hält sie Ausschau nach Männern, die „starke, stolze, freie Naturen, Siegfriede, lachende Löwen" seien. 772a Dass. in: H. S., Die Liebe und die Frauen. 2., durchgeseh. u. verm.Aufl. (1908), S. 6-18. Nicht ganz unwesentlich umgeschrieben und etwas verkürzt. Erwähnungen Nietzsches finden sich noch auf S. 19, 33, 55, 92 f., 94, 108, 112, 136, 150, 214. 773 Mongré, Paul, Leipzig, Stirner. (Zeit Nr. 213 v. 29. 10. 1898, S. 69-72). Eine Würdigung Stirners anläßlich des Erscheinens der Lebensbeschreibung von Mackay, die in einen Vergleich mit Nietzsche ausläuft. Verfasser kann sich keinen

1898 Max Kruse schafft eine Büste

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„ärgeren Fehlgriff" denken als den, Stirner als „geistigen Vorfahren Nietzsches hinzustellen". Man dürfe „sich nicht täuschen, und das hochentwickelte übersociale Individuum Nietzsches mit Stirners primitiven Gesellschafts-Atom [...] verwechseln": „Für den unmittelbaren Bestand der heutigen Sittlichkeit mag Nietzsches Gedanken bedrohlicher sein, während es vielleicht dem .Einziger' vorbehalten ist, in langsam destructiver Nachwirkung die Menschheit zu .dissociiren', also das Sonnensystem socialer Gestaltungen Schritt für Schritt zum chaotischen Nebularzustand zurückzuführen." V o m Ende O k t o b e r 1898 an verbrachte Max Kruse mehrere Wochen auf dem Silberblick zu, um eine Büste von Nietzsche zu schaffen. In einem noch unveröffentlichten Manuskript „Aus den Erinnerungen des Bildhauers Max Kruse. Kösen, 4.-7. 4. 1918" (GSA Nietzsche Archiv 2460) hat er die Eindrükke aus dieser Zeit festgehalten: „N. freute sich immer, wenn ich kam und streckte mir schon, wenn ich in die Tür trat, die Hand entgegen. Es war ein merkwürdiger Eindruck, diesen Prophetenkopf, die verkörperte Tragödie lächeln zu sehen. Es war ein liebenswürdiger Irrer. Gesprochen hat er nie, und ich glaube auch nicht, daß er es noch konnte, obgleich die Schwester mir jeden Tag etwas erzählte, was er gesagt haben sollte. Während der Sitzungen las ihm Frau Dr. etwas vor, oft französisch. Es machte den Eindruck, als wenn er verstünde. Aber in kurzer Zeit übermannte ihn der Schlaf. Einmal drehte sie auch eine kleine Spieldose, und da hoppste er vor Vergnügen und schlug in die Hände wie ein Kind, es war erschütternd. Als die Büste fertig war und die Sitzungen beendet, wollte er alle morgen wieder an die Stelle, wo ich ihn modelliert hatte. Die Schwester war überglücklich und hat lange geweint vor der fertigen Arbeit. Es ist mir heute noch rätselhaft, wer sie dazu vermocht hat, später an dem Werk herumzunörgeln, sodaß ich ungeduldig wurde und die Büste für mich behielt [···] Da [...] ich die Idee hatte, das Nietzsche Archiv müsse ein geistiges Zentrum Deutschlands werden, so wollte ich mir einen Wirkungskreis in Weimar schaffen [...] Im Jahre 89732 war Nietzsche noch verfehmt und geächtet bei allen Staats erhaltenden Gesellschaftskreisen, aber ich hatte mir doch vorgenommen, da ich fand, daß Frau Dr. zu einsam auf ihrem Hügel lebte, den Großherzog733 hinauf zu bringen [...] so lud ich ihn ein, sich die Büste im Archiv anzusehen [...] es ging auch alles prachtvoll. Der Gr. Herzog war ganz hingerissen von dem Gedicht ,die Türme vor St. Marko sah ich wieder'. Die Tränen standen uns in den Augen J" j"734

732 Wohl irrtümlich für „99". 733 K A R L A L E X A N D E R , G R O S Z H E R Z O G V O N SACHSEN-WEIMAR ( W e i m a r 2 4 . 6 . 1818 - e b d . 5.

1. 1901), herrschte seit 1853, Gründer des Goethe-Schiller-Archivs. 734 KRUSE, CARL MAX (Berlin 14. 4. 1854 - Bad Kösen Herbst 1942), Bildhauer, Maler, Graphiker, schuf eine Büste Nietzsches im Jahre 1898.

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1898 Fritz Schumacher macht den Kohleversuch eines Denkmals

774 Siebert, Dr. phil. Otto, 735 Geschichte der neueren deutschen Philosophie seit Hegel. Handbuch zur Einführung in das philosophische Studium der neuesten Zeit. Vandenhoeck & Ruprecht. Gött. 1898. viii, 496 S. Uber Nietzsche, dessen „System [...] ein romantischer Anarchismus" sei, auf S. 243 ff., in dem Abschnitt: Arthur Schopenhauer und seine Anhänger. 774a Dass. 2. verm. u. verbess. Aufl. 1905. x, 598 S. Uber Nietzsche auf S. 243-250. Verfasser widmet seinem Gegenstand jetzt mehr als den doppelten Raum und behandelt ihn merklich ernsthafter. Die Ablehnung stützt sich weitgehend auf die inzwischen erschienene Arbeit von Drews (s. Bd. II). Verfassers völkisch-christliche Grundeinstellung tritt hier deutlich zutage. Es verwundere, „daß ernstdenkende Männer und Frauen Nietzsche noch immer nicht in einer Weise von sich weisen, wie unser Volksleben es verlangt [...] mit der grimmigsten Wut griff er das Christentum und den Gekreuzigten an und wurde schließlich selbst ein Gekreuzigter, ein körperlich und seelisch Gebrochener." Im Jahre 1898 machte der Baumeister Fritz Schumacher den Kohleversuch eines Nietzsche-Denkmals - „ein stilles Rundtempel in einsamer Hochebene; oben breitet ein Menschheitsgenius die Arme sehnend in die Höhe, unten recken sich finstere Giganten in ihren Fesseln" - , der die Aufmerksamkeit des Nietzsche-Archivs weckte und ihm eine Einladung nach Weimar brachte. E r verbrachte einen Tag bei der Schwester, Ernst Horneffer und dem Kranken und nahm im Jahre darauf an der Trauerfeier in Weimar teil. 736 Schon auf dem Gymnasium erwarb sich Wilhelm Lehmann den „Zarathustra", obwohl seine Darstellung wenig von der Wirkung des Werkes spüren läßt: „Ich hatte Privatstunden erteilt, mir mit dem Erlös Nietzsches Zarathustra gekauft. Bei einem Damenkaffee wurde dieses mein Buch herumgezeigt, und meine Mutter sagte, sie habe es mir gekauft - das war eine Unwahrheit." 737

735 SLEBERT, OTTO, geb. 1869 in Magdeburg, Pastor in Fermersleben bei Magdeburg. 736 F. S., Stufen des Lebens. Erinnerungen eines Baumeisters. DVA. St. u. Bln. (2. Aufl. 1935), S. 199 ff.; eine Abbildung der „Skizze zu einem Nietzsche-Denkmal" findet sich im Anhang unter den Tafeln; wie bleibend die Wirkung Nietzsches auf den Verfasser gewesen sein mag, bezeugen Geleitworte aus Nietzsches Werken, die drei der vier Teile des Buches vorangestellt werden; SCHUMACHER, FRITZ (Bremen 4. 11. 1869 - Lüneburg 5. 11. 1947), Baumeister, leitete 1909 das Hamburger Bauwesen, bis 1933 Oberbaudirektor. 737 Mühe des Anfangs. Biographische Aufzeichnung, in: W. L., Sämtl. Werke. 2. Bd. S. Mohn. 1962, S. 399. Sein Biograph, David Scrase, führt eine Tagebucheintragung v. 10. 3. 1903 an, in der es heißt: „Ich beginne jetzt also kurz vor Schluß meines 21. Jahres, Nietzsche zu lesen." Wozu Scrase vermerkt, man müsse vielleicht das „systematisch" hinzufügen, denn Lehmann habe sicherlich vorher Nietzsche gelesen. Er führt dann noch eine aus dem „Menschliches" abgeschriebene Stelle an (D. S., Wilhelm Lehmann. A Critical Biography. Vol. 1: The Years of Trial (1880-1918). Camden House. Columbia / South Carolina / USA 1984, S. 73 f.): LEHMANN, WILHELM (Puerto Cabello / Venezuela 4. 5. 1882 - Eckenförde 17. 11. 1968), Schriftsteller.

1898 Hoechstetter: „der Pessimismus eines ganzen Volkes ringt [...] nach Erlösung"

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D e r Schilderung eines Besuches bei Paul Deussen in Berlin nach der Jahrhundertwende läßt sich vielleicht auch noch die Andeutung einer Einstellung entnehmen: „Ich konzentrierte mich auf englische Philosophie, machte aber auch einen Besuch bei Professor Deussen, der, längst mehr Indologe als Philosoph, fast erblindet, lange Stellen aus den Veden hersagte, die Daumen drehend, beinahe selbst ein buddhistischer Mönch, auf dem Katheder saß. Er war mit Nietzsche zusammen in Schulpforta, ohne Nietzsches Genialität zu spüren."738 775 Hoechstetter, S(ophie), Sehnsucht - Schönheit - Dämmerung. Die Geschichte einer Jugend. Roman. Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1898. 384 S. Der Roman handelt von vier jungen Menschen um die Jahrhundertwende. Ulrich Gernot, ein 22jähriger „studiosus philosophiae, Schriftsteller und Maler", bereitet einen Vortrag für den „litterarischen Verein" zu Stuttgart vor. Das Thema lautet „der Ahnherr Nietzsches" und stellt einen Vergleich Nietzsches mit Napoleon dar: „Ich habe Nietzsche zu allen Zeiten gelesen - mit krankem Herzen - in der Stunde schmerzlichster Enttäuschung - und in frohen, glücklichen Tagen. Immer aber ist mir aus ihm ein Strom von Leben geflossen - immer tönte mir ein Jubelklang von Kampfesfreude und Waffenklirren herein in das Alltagsleben. ,Also sprach Zarathustra' und Jenseits von Gut und Böse' - sind das nicht Siege menschlichen Geistes, wie sie riesenhafter nicht gedacht werden können? Unwillkürlich - ungerufen steigen aus dem Pulverdampf und Kanonendonner zwei andere Namen vor meinen Gedanken auf: Austerlitz - Jena - und drängen zu der Vergleichung Bonaparte Nietzsche [...] Die leidenschaftliche Ruhmsucht einer Nation ringt auf der einen, der Pessimismus eines ganzen Volkes ringt auf der andern Seite nach Erlösung." (S. 18-23) Ulrichs erstes Theaterstück, das zu Anfang des Romans dann auch in Weimar aufgeführt wird, hat zwar Ibsen zum Vorbild, doch „das Ganze war der breitgetretene Gedanke Nietzsches: ,Der Mensch ist etwas, das überwunden werden muß.'" (S. 31) Der andere junge Mann, Tim Römer, arbeitet mitunter an „einer Philosophie der Zukunft [...], deren Basis Jenseits von Gut und Böse' war". (S. 71) Er beschreibt sich auch als einen ungeratenen Pfarrerssohn, „gleich Friedrich dem Einzigen". (S. 42) Von der jungen Leonore Westmark, auch einer Schriftstellerin, heißt es: „Sie liebte ja Nietzsche und hatte einmal gesagt, daß sie immer den Wunsch der Selbstvernichtung habe, wenn sie in ihm lese." (S. 82) Die andere junge Frau, die dann freiwillig aus dem Leben scheidet, meint: „,Du sagtest mir ein Nietzschewort am ersten Abend - und so möchte ich es geendet wissen mit ihm, der das Sterben lehne zur rechten Zeit [...] "' (S. 253) Leonore und Tim verfassen auch Bücher mit genau dem gleichen Geleitwort aus dem „Zarathustra". (S. 307) Weitere Erwähnungen Nietzsches auf S. 44, 111, 113, 117, 158 f., 187, 214, 221.739

738 Ebd., S. 434. 739 Lesenswert ist noch die kurze Besprechung, die Lou Andreas-Salomé dem Werk widmete und in der es heißt, man vermöge kaum dem Roman „mit Aufmerksamkeit von Seite zu Seite weiter zu verfolgen; anstatt auf Gestalten und Gedanken stößt man auf Schemen und Nietzsche-Phrasen [...] Leider ist es kein Anfänger-Roman." (DLE 1. Jg., S. 248).

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1898 Was die Erotik in den Gedichten angehe: „wohl einzig in der deutschen Litteratur"

775a Dass. m. neuer Überschrift: Schön ist die Jugend. Roman aus der Wende des 19. Jahrhunderts. Einhorn Vlg. Dachau b. Mchn. o. J. 183 S„ 2 Bll. (= Vlgs.-anz.). Stark gekürzt und etwas umgeschrieben; was Nietzsche betrifft fehlen folgende Stellen: S. 18-23, 31, 71, 117 der 1. Auflage; neu dagegen sind die Seiten 14-19: Die Handlung beginnt jetzt gerade in Weimar und zwar kurz vor Nietzsches Sterbestunde, dessen, „der Abgott unseres geistigen Herzens ist", meint Tim; des Großen, „dessen Name Jahrhunderte überdauern würde", die Verfasserin. (S. 15 f.) Ulrich und Tim erleben nun diese Stunde in der unmittelbaren Nähe des Sterbehauses: „Das Bild der unantastbaren Reinheit stand über dieser Stille, in der eine große Seele sich erdab wandte [...] im strahlenden blauen Licht des hohen, halkyonischen Augusttages schied Zarathustra von den Seinen, um zur ewigen Gestalt zu werden." (S. 16 ff.) Sie erzählen sich dabei, wie sie - jeder für sich den Kranken noch vor kurzer Zeit in Anwesenheit der Schwester haben sehen können. Die sonstigen Fundstellen befinden sich jetzt auf S. 10, 31, 43, 44, 66 f., 83, 100, 105, 125, 149 f. 776 Walde, Philo vom, Neiße, Friedrich Nietzsche als Dichter. (DVSt Nr. 9, 1898, S. 379-382). Bespricht die „Gedichte und Sprüche" (BI) und überschlägt sich dabei mit seinem Lobe; zu dem Gedicht „Aus hohen Bergen" meint er: „Schöneres hat nie ein Dichter gesungen!" Vermerkenswert ist noch folgende Feststellung: „Nietzsche hat sein Lebenlang kein Liebesgedicht verbrochen, und diese Sammlung steht, was den Punkt Erotik angeht, wohl einzig in der deutschen Litteratur da [...]" 777 Stöcker, Helene, Zur Nietzsche-Lektüre. (DVE 2. Jg., Nr. 45 f. v. 6. u. 13. 11. 1898, S. 353 f., 361 f.). „Nietzsche gehört nur in die Hand derjenigen, die bereit sind, sein Verlangen nach jahrelangem, ernstem, eindringendem Studium, nach .Auswendiglernen' zu erfüllen und die genügende innere Freiheit haben, ihn auch zuweilen - ablehnen zu können." Verfasserin geht aber dennoch weiter und behauptet, „[...] kein Mensch, der daran geht, sich eine eigene, moderne Weltanschauung zu bauen, kann an ihm vorübergehen", doch müsse man dort die Grenze ziehen, „wo es sich um Fragen des wirtschaftlichen, sozialen Lebens handelt". Zum Schluß, nachdem sie sich etwas überlang über Nietzsche und die Frau ausgelassen und dabei Peter Gast, den sie sonst lobend anführt, in seinem Verständnis Nietzsches der Enge bezichtigt hat, wiederholt und unterstreicht sie: „Wer danach strebt, seine Zeit geistig in sich aufzunehmen, zu erfassen, der kann ohne Nietzsche gar nicht auskommen - es wäre, wie die Griechen verstehen wollen ohne Plato." B N Friedrich Nietzsche über Richard Wagner. (WRs 3. Jg., Nr. 1 v. 15. 11. 1898, S. 7 ff.). Unter dieser Uberschrift „freut sich die Redaktion", „den Freunden des großen Denkers einige noch ungedruckte Aphorismen bieten zu können, wenn auch dieselben bereits den Schatten der Verdunklung dieses strahlenden Geistes deutlich merken lassen". B N a Dass., bis auf die letzten fünf Absätze, in: D A T XV. Jg., No. 731 ν. 3. 12. 1898, S. 19. Unverändert. B O (Friedrich Nietzsche), Bismarck und die Deutschen. (Z Bd. 25, 19. 11. 1898, S. 321-325).

1898 Alfred Kerr: „ein verzweifelt Kreischender", der „sieghafte Überlegenheit kündete"

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Eine Zusammenstellung „bisher unbekannter Aphorismen" aus den Jahren „1884 und 85". 778 Reiving, Paul, Vom Übermenschen. (PZg Nr. 282 v. 24. 11. 1898). Eine wohlwollende Besprechung des Werkes von Berg (Nr. 613). 779 Asmus, Wilhelm, 740 Ein Besuch im Nietzsche-Archiv. (WeiZg Nr. 280 v. 30. 11. 1898). Bietet eine Beschreibung des Archivs und einen kurzen Umriß von Nietzsches letzten Jahren, ohne Neues oder Eigenes zu bringen. 780 Ziegler, Theobald, Hölderlin und Nietzsche. Hie gut Württemberg allewege! Ein literarisches Jahrbuch aus Schwaben. Erster [und einziger] Band. Vlg. Eugen Salzer. Heilbronn 1898, S. 23-44. Vergleichsflächen findet er im Wahnsinn, Mangel an „männlicher Leistung" von früher Jugend an, in der „Mißachtung des eigenen Volkes", in der „Griechenbegeisterung" und auch darin, daß „endlich beide Künstler Dichter" seien. Sie haben sich auch beide an dem Empedokles als tragischem Helden berauscht. Doch widerspricht sich der Verfasser zum Schluß und entschuldigt Nietzsches Herabsetzung unter Hölderlin mit den Worten, daß jener nicht zum Dichter geworden sei, „weil dazu die brutalen Machtinstinkte nicht taugen". Auch dem „Philosophen" Nietzsche könne man einen anderen Schwaben vorziehen, nämlich Hegel. 780a Mit umgestellter Überschrift: Nietzsche und Hölderlin, auch in: T . Z., Menschen und Probleme. Reden, Vorträge und Aufsätze. Georg Reimer. Bln. 1914, S. 383-399. Sogutwie unverändert. Wie abschätzend der Kritiker Alfred Kerr über die Erscheinung Nietzsches urteilte, geht aus seiner Besprechung von Hauptmanns „Fuhrmann Henschel" v o m 1. Dezember 1898 hervor: „Er [d. i. der Dramatiker Hauptmann] kann uns zurückführen. Die Deutschen gaben der Welt die neue Politik, die neue Musik, die neue Philosophie. Wenn man die drei Werte betrachtet, Bismarck, Wagner, Nietzsche, und nach dem Gemeinsamen forscht, findet sich mancherlei von der Bestie. Am wenigsten in der Persönlichkeit des armen Nietzsche. Doch in der Theorie dieses magenkranken Mannes, der vor Schwäche umfiel und das Ideal der Starken aufstellte; der zerrüttet durch Schlafmittel war und ein tänzerisches Ideal aufstellte; der ein verzweifelter Kreischender war und sieghafte Überlegenheit kündete. Neben ihn tritt der Blut- und Eisenmann; daneben der sächsische Agitator. Sie sind nicht bloß von der Größe [...] etwa an der Tassowelt und der Iphigeniensphäre: sondern sie sind von innerlichster Menschenkultur überhaupt getrennt. Dieser Gerhart kann uns zurückführen." 741

740 ASMUS, WILHELM (eigentl. Wilhelm Schlei-Asmus, Lübeck 17. 2. 1837 - Weimar 20. 2. 1902), studierte Theologie und Philosophie, wurde Schauspieler und seit Mitte der 70er Jahre Journalist. 741 A. K., Das neue Drama. Erste Reihe der Davidsbündler-Schriften. S. Fischer. Bln. 1912. 4. Aufl., S. 44 f. S. a. ebd., S. 33, wo er in einem v. 1. 7. 1896 datierten Aufsatz über den „Ahnherrn" (d. i. Ibsen) des neuen deutschen Dramas K. Frenzel bezüglich dessen Verurtei-

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1898 Nochmals Aufnahme in eine lyrische Blütenlese

Ganz ähnliche, nur noch etwas schonungslosere Gedanken hatte Kerr ungefähr zur selben Zeit in sein Tagebuch vermerkt: „Hundert Jahre nach der reinen Vernunft: Philosophastereien eines magenkranken Mannes, der vor Schwäche umfiel - und das Ideal der Starken aufstellt; der zerrüttet durch Schlafmittel ein tänzerisches Ideal aufstellt; der ein Nazarener war [...] und ein hellenisches Ideal hißt; der ein verzweifelt Kreischender war - und heitere Ruhe lehrt; der ein Schlotternder war [...] und siegreiche Überlegenheit satzt; der, noch vor offiziell ausbrechendem Blödsinn, Richard Wagner befehdet - aber zugleich gewisse Methoden des Leipzigers zum eigenen Nutzen verwendet; vielleicht allerdings hatten sie das Beide von Schopenhauer stibitzt." - „[...] der chloralschwache Ubermensch; der musizierende Nationalspekulant; der Blut- und Eisenherr [...]" - „Für Deutschland war dieser Letzte so viel; doch weniger für die Welt. Der Andre, welcher seine ,Philosophie' unter dem Einfluß dieser Gestalt formt, ist ein schaudernd-entsetzter Poet. Und des Dritten Ewigkeitswerk vom Tristan darf niemals wegzudiskutieren sein."742 BP Fuenf Freundesbriefe von Friedrich Nietzsche. (Pan 4. Jg., 3. H. v. Dez. 1898, S. 167-170). Je ein Brief an Gustav Krug, R. v. Seydlitz und Paul Deussen sowie zwei an Heinrich von Stein, alle aus den 80er Jahren. 781 Biedenkapp, Dr. Georg, Ein Nietzsche-Bund in Sicht? (Zgt Nr. 49 v. 5. 12. 1898). Läßt sich von den Schriften von Kalthoff (Nr. 1001) und Schmitt (Nr. 703) zu der Überlegung anregen, ob es nicht an der Zeit sei, einen Nietzsche-Bund zu gründen, dessen Ansichten besonders in der Erziehung zu verwirklichen wären. B Q (Friedrich Nietzsche), Vereinsamt, Venedig, Die Sonne sinkt, in: Die Perlenschnur. Eine Anthologie moderner Lyrik. Hg. v. Ludw. Gemmel.743 Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1898, S. 257-262. Das Werk erschien im Dezember 1898. „[...] die Aufnahme sollte sich in erster Linie durch das gesamte Schaffen oder durch die Persönlichkeit, wie sie sich aus den Werken darstellt, rechtfertigen." Die Gedichte Nietzsches sind den „Gedichten und Sprüchen" (BI) entnommen. Enthalten sind sonst Arbeiten von: Ferd. Avenarius (2 S.), Hans Benzmann (7), Hans Bethge (5), O. J. Bierbaum (12), Emanuel Frhr. v. Bodman (5), Max Bruns (6), Carl Busse (10), Conradi (8), Anna Croissant-Rust (10), Dehmel (23), Adolph Donath (3), Franz Evers (10), Gustav Falke (18), Cäsar Flaischlen (10), Julius Hart (8), O. E. Hartleben (4), Karl Henckell (3), Arno Holz (5), Wilhelm Holzamer (10), Ludw. Jacobowski (4), Maria Janitschek (3), Kurt Kamiah (3), Liliencron (45), Anton Lindner (5), Thekla Lingen (4), John Henry Mackay (4), Karl Maria (3), Morgenstern (20), Hermione v. Preuschen-Telmann (6), Paul Remer (9), Hugo Salus (6), Ludwig

lung von Ibsens „Gespenstern" einer Roheit bezichtigt, die „nietzscheanisch" wäre. KERR, ALFRED (eigentl. Kempner, Breslau 25. 12. 1867 - Hamburg 12. 10. 1948), Journalist. 742 A. K., Es sei wie es wolle, Es war doch so schön. S. Fischer. Bln. 1928, S. 290-293; s.a. S. 369 u. 142. 743 GEMMEL, LUDWIG, geb. am 25. 6. 1866 zu Berlin.

1898 Hedwig Dohm: „nur mit und über Frauen" könne er nicht reden

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Scharf (4), Richard Schaukai (10), Georg Schaumberg (4), Thassilo v. Scheffer (14), Johannes Schlaf (3), Wilh. v. Scholz (3), Ernst Schur (4), Fritz Stern (11), Paul Wilhelm (5) und Bruno Wille (9). 782 Dohm, Hedwig, Nietzsche und die Frauen. (Z Bd. 25, Nr. 13 v. 24. 12. 1898, S. 534-543). Verfasserin wundert sich über „die Männer ersten Ranges", die „sobald die Frauenfrage auftaucht, [...] ihre Vernunft, ihre Logik verleugnen und verraten". Nach einleitenden Worten über Guy de Maupassant, Strindberg und Schopenhauer kommt sie auf den „genialen, erschütternden Dichter" Nietzsche, der „zugleich ein glühender Denker" sei. Sie schwärmt fortwährend für ihn, „nur mit und über Frauen" könne er nicht reden. 782a Auch in: H. D., Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung. Dümmler. Bln. 1902, S. 20-33. Leicht gekürzt und etwas umgeschrieben, jedoch im wesentlichen unverändert. 783 S., H., (NZ 17. Jg., 1. Bd., Nr. 13 v. 24. 12. 1898, S. 407-410). Eine längere Auseinandersetzung mit dem Werk von Berg (Nr. 613), das „kein gelehrtes Werk, aber eine geistreiche feuilletonistische Plauderei" sei. Verfasser habe „das psychologische Problem nicht in seiner vollen Tiefe zu fassen, nicht soziologisch zu erklären" vermocht. Er gehöre zu den „Literaten, die von der materialistischen Untersuchungsmethode literaturgeschichtlicher Erscheinungen nichts wissen wollen", und habe nicht erkannt, „daß die sozialen Verhältnisse den Ubermenschenkult eminent begünstigten". Erst „die sozialistische Gesellschaft" werde die „Vorbedingungen des .Herrenmenschenthums' gewähren". Auffallend ist, wie wenig Nietzsche bei dem allem im Mittelpunkt steht. 784 Meysenbug, Malwida von, Der Lebensabend einer Idealistin. Nachtrag zu den „Memoiren einer Idealistin". Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1898. 1 Taf., 2 Bll., 475 S. (Fundstellen zu Nietzsche: S. 4, 41-68, 143, 158-162, 346, 392). Bringt eingehendes über den Sorrentiner Aufenthalt 1876 / 77; über die Zeit unmittelbar darauf schöpft die Darstellung aus Briefen der Verfasserin an Paul Ree. Sonst nur einige Stellen, die deutlich belegen, daß die Verfasserin Nietzsche seit „Menschliches" nicht mehr beipflichten konnte. 784a Auch in Nr. 270b, 2. Bd., S. 203-548. (Fundstellen zu Nietzsche: S. 207 f., 232 f., 235-252, 303, 312-315, 440, 470). 784b Auch in: M. v. M., Ein Leben für die Anderen. Aus den Memoiren einer Idealistin. (Eingeleitet u. bearb. v. Dr. Arno Sachse). Vlg. d. Nation. (Bln. 1953), S. 402, 410-419 u. 421 ff. entsprechen den S. 207 f. u. 235-252; die beiden längeren Stellen jeweils mit größeren Lücken. Wichtig ist bei den Nietzsche betreffenden Stellen, daß seine Gestalt hier durchaus anspricht und das in einem Staat, der ihn sonst verschwieg oder anpöbelte. Sachse verstand es, in seiner Einleitung dreimal (S. 9, 10, 21) auf Nietzsche und sein Verhältnis zu Malwida und der Zeit hinzuweisen. In Ungarisch-Altenburg wurde Raoul Francé 1898 stellvertretender Leiter einer staatlichen Versuchsstation für Pflanzenphysiologie. Nach der Tagesarbeit holte er sich die Philosophen hervor, und darunter war

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1898 Raoul France: „der Unvergleichliche, Berauschende, Hinreißende"

„vor allem Nietzsche, der Unvergleichliche, Berauschende, Hinreißende [...] Menschlich zog mich von meinen vier Heroen am meisten Nietzsche an. Diese flammende, absolute Wahrhaftigkeit, dieses innere Verbluten an dem Problem der Wahrheit, die prachtvolle Bejahung des Lebens und alles Schönen der Schöpfung, diese Urteile in Schwarz-Weiß, die er über Lieblinge und Gegner fällt, dazu die Heldenhaftigkeit im Ertragen eines so schweren Krankheitsschicksals, wer hat um 1899 das im geistigen Europa nicht mit Enthusiasmus erfüllt? [...] Wie konnte doch nur er, der so unbedingt mit uns Lebende, in seiner Wagnerverehrung und Wagnerfeindschaft [...] so tief deutsch Empfindende, den Blick dermaßen verloren haben, des Lebens Götter im Süden zu suchen! Was sollen uns Griechen sein, wenn wir keine Griechen sind?"744 A n anderer Stelle meinte er: „Das war die Tat Nietzsches. Dadurch unterscheidet er sich von allen Philosophen vor ihm. Ihm erschien als erstem die Wahrheit fragwürdig. Daß er sie verneinte, daran zerbrach sein Geist. Aber das war sein persönliches Unglück 745 ." In den Tagebüchern des Malers Paul Klee sind die Erwähnungen Nietzsches recht spärlich und knapp, doch nicht ganz belanglos: „Viele Paradoxe, Nietzsche in der Luft. Verherrlichung des Selbst und der Triebe. Sexualtrieb ohne Schranken. Neu-Ethik."(München Ende 1898 oder Anfang 1899).746 „Eine Aufführung von Strauß' Zarathustra, vom Komponisten dirigiert (Hofkapelle), machte mir großen Eindruck. Las eine Broschüre von Merian." (München April 1900).747 „Gorki: Literatur. Kunst. Ich brauchte ein anderes Futter. Vielleicht in der Art der Nietzsche-Zitate im Feuilleton des Berner Bund." (Bern Juni 1902).748 U b e r sein „Selbststudium" Ende der 90er Jahre in Karlsruhe berichtet Heinrich Köhler von dem Einfluß August Stumpfs, eines dortigen katholischen Geistlichen:

744 R. H . F., D e r Weg zu mir. Der Lebenserinnerungen erster Teil. Kröner. Lpz. 1927, S. 202207; FRANCE, RAOUL HEINRICH (Wien 21. 5. 1874 - Budapest 3. 10. 1943), Biologe. 745 Ebd., S. 228; s. a. S. 21, 106, 208. 746 P. K., Tagebücher 1898-1918. Hg. v. Felix Klee. DuMont Schauberg. Köln (1957), S. 38; KLEE, PAUL (Münchenbuchsee b. Bern 18. 12. 1879 - Locarno-Muralto 29. 6. 1940). 747 Ebd., S. 48; an den Vater schrieb er ausführlicher am 17. 3. 1900: „Der Dirigent Strauß ist wohl umstritten. Sein bestes Werk - allgemein bekannt - ist .Zarathustra'. Statt nach überlieferten Regeln baut er sein herrlich klingendes und geistreiches Haus auf einem strengen philosophischen System auf. Ich habe mir die Sache vor dem zweitmaligen Hören genau angesehen - Zarathustra-Broschüre von Hans Merian, Leipzig - , da ist das ganze geniale poetische, stimmungsvolle und virtuose Gefüge zerlegt mit vortrefflicher Klarheit [...] D e r Erfolg war übrigens urkräftig." (P. K. Briefe an die Familie 1893-1940. Bd. 1: 1893-1906. Hg. v. Felix Klee. DuMont. Köln (1979), S. 88). Die Erwähnungen Nietzsches selber in den Briefen (s. d. Namenverzeichnis am Ende des zweiten Bandes) sind wenig ergiebig. 748

Ebd., S. 131.

1898 Eugen Wolff: „Wirr mischt sich [...] das Löwen-Gebrüll [...] mit dem Ächzen"

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„Ihm verdanke ich es, daß ich mich zuerst in die Werke Friedrich Nietzsches und später auch in die Philosophie des von Stumpf besonders verehrten Max Scheler versenkte, wobei mir die kristallklare Sprache des ersteren wesentlich besser zusagte und mir auch sehr viel mehr gab [...]" 7 4 9 7 8 5 Wolff, Eugen, Gedichte und Sprüche von Friedrich Nietzsche. 7 8 5 a A u c h in: E. W . , Zwölf Jahre im litterarischen Kampf. Studien und Kritiken der Litteratur der Gegenwart. Schulze. Oldenburg u. Lpz. 1901, S. 508-512. Eine Besprechung des Gedichtbandes (BI), in der Verfasser „allen Ernstes" meint, „daß man der genialen Eigenart Nietzsches nicht gerecht wird als man völlig aufhört, ihn als Propheten der neuen Weltanschauung zu nehmen, u m ihn allein als subjektiven, individuellen Geist von Reichtum der Phantasie und kühner, aber wirrer Originalität der Ideenwelt zu schätzen". Die Ablehnung der Gedanken Nietzsches findet man auf S. 146 f. des Sammelbandes: „Wirr mischt sich denn das Löwen-Gebrüll des Übermenschen mit dem Ächzen des Dekadenten."; doch äußert er sich am Ende des Vorworts (S. viii) wie folgt: „Ohne das Krankhafte in der heute ebenfalls kritiklos überschätzten Philosophie Nietzsches zu verkennen, jauchze ich mit ihm freudig entgegen den Höheren, Stärkeren, Sieghafteren, Wohlgemuteren, solchen, die rechtwinkelig gebaut sind an Leib und Seele." 750

Eine undatierte, wohl dem Dezember 1898 zuzuschreibende Eintragung in das Tagebuch von Paula Modersohn-Becker lautet: „Ich lese jetzt den Zarathustra. Neben viel Verworrenem und Dunklem, welche Perlen! Dies Umschaffen und Neuschaffen der Werte! Dies Predigen gegen die falsche Nächstenliebe und Aufopferung seines selbst. Falsche Nächstenliebe lenkt ab v o m großen Ziele. Mit dieser Auffassung als Rüstzeug wäre manche große Seele

749 H. K., Lebenserinnerungen des Politikers und Staatsmannes 1878-1949. Hg. v. Josef Becker. Kohlhammer. St. 1964, S. 41. Anführenswert ist auch Herausgebers Anmerkung zu Stumpf als einem „.katholischen Nietzsche' von starkem Einfluß auf den deutschen Katholizismus (bis ca. 1923)"; KÖHLER, HEINRICH (Karlsruhe 29. 11. 1878 - ebd. 6. 2. 1949), seit 1901 im Staatsdienst, auch verschiedentlich politisch tätig. 750 S. a. E. W., Geschichte der Deutschen Literatur in der Gegenwart. Hirzel. Lpz. 1896, S. 75, wo es heißt: „Ein endgültiges Urtheil über Sudermann als Dramatiker wird durch das dritte Drama ,Heimath' [d. i. nach „Ehre" und „Sodoms Ende"] ermöglicht. Nun entdecken wir völlig des Dichters Herz: er ficht in Friedrich Nietzsche's Reihen, um dessen halb genialische, halb verrückte Morallehre Jenseits von Gut und Böse' sich ganz Jung-Berlin, das unreife und unklare, schaart - im Augenblick, denn lange dauert keine Mode. Der Grad von Individualismus, der da - wie die Heldin der ,Heimath' und jüngst der Held vom .Glück im Winkel' - spricht: ,Ich bin ich!' ist crasser Egoismus, so sehr sich die Träger dieser Gesinnung renommistisch als .Ubermenschen' aufspielen. Es wirkt erheiternd und trostreich zu beobachten, wie in den von der Presse emporgelobten Tagesgrößen die wüstesten Gegensätze, wie Socialismus und Egoismus, durch einander brodeln. Wir möchten der Zigeunermoral, welche die Sängerin Magda in der .Heimath' verkündet, denn doch das Recht bestreiten, sich als moderne Weltanschauung zu geben. Sittlich und religiös ist diese Ich-Lehre schon gar nicht." Sonst nur beiläufige Erwähnung Nietzsches auf S. 105 im Zusammenhang mit einer an ihn erinnernde Äußerung des Teufels in Klingers „Faust".

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1898 Paul Modersohn-Becker: „Er hält die Zügel stramm und verlangt das Äußerste"

nicht vom Alltagsleben in kleine Teile zerstückelt. Diese Auffassung muß der nächsten Generation angeboren werden."751 Vermutlich Anfang März 1899 schrieb sie wieder über das Werk: „Also sprach Zarathustra beendet. Ein köstliches Werk. Er wirkt auf mich berauschend mit seiner morgenländischen Psalmensprache, mit seiner tropischen Fülle leuchtender Bilder. Manches Dunkle stört mich nicht [...] Der Nietzsche mit seinen neuen Werten ist doch ein Riesenmensch. Er hält die Zügel stramm und verlangt das Äußerste der Kräfte [...] Mir war es sonderbar, klar ausgesprochen zu sehen, was noch unklar und unentwickelt in mir ruhte. Ich fühle mich wieder freudig als moderner Mensch und Kind meiner Zeit." 752 Ihr Mann O t t o Modersohn war von diesem Einfluß garnicht begeistert und vermerkte in seinem Tagebuch am 28. Juni 1902: "Egoismus, Rücksichtslosigkeit ist die moderne Krankheit. Nietzsche der Vater. Gegenteil von christlicher Nächstenliebe. Finde es schrecklich barbarisch, brutal, nur an sich zu denken, für sich zu sorgen, andere Menschen mit den Füßen zu treten. So ist Rilke und seine Frau. Verwandt damit ist Äußerlichkeit, wie sie H V und seine Frau charakterisieren [...] Leider ist Paula auch sehr von diesen modernen Ideen angekränkelt."753 Aus der Künstlersiedlung Worpswede unmittelbar nach der Jahrhundertwende erzählte Heinrich Vogeler von der jungen neuvermählten Künstlerin: „An schöpferische Kräfte der Masse glaubte Paula nicht. Sie hielt die Wiederaufrichtung eines kaiserlichen Frankreichs für die einzige Rettung der Pariser Kultur. Sie glaubte, daß Führertypen wie Napoleon und Bismarck Gestalter des Lebens waren, Riesen, unabhängig von äußeren Verhältnissen, die sie umgaben. Sie betonte (und daher kam wohl auch diese Anschauung) ihre große Verehrung für Nietzsche."754 1899 erreichte August Horneffer, der gerade im Vorjahr in Berlin promoviert hatte, „der Ruf seines Bruders Ernst an das Nietzsche-Archiv in Weimar, dem er auch Folge leistete. Nietzsche war ihm kein Unbekannter, denn schon dem Primaner hatte es der Zarathustra angetan": 755

751 P. M.-B. in Briefen und Tagebüchern. Hg. v. Günter Busch u. Liselotte von Reinken. S. Fischer. (2. Aufl. 7.-10. Tsd. F f m . 1979), S. 147; MODERSOHN-BECKER, PAULA (Dresden 8. 2. 1876 - Worpswede 21. 11. 1907), Malerin, seit 1901 mit dem Maler Otto Modersohn verheiratet. 752 Ebd., S. 156. Liselotte von Reinken verweist auf die erwähnten Tagebuchstellen und meint, die Malerin habe sich „über Wochen" hin mit dem „Zarathustra" beschäftigt. (L. v. R., Paula Modersohn-Becker mit Selbstzeugnissen u.Bilddokumenten dargestellt. Rowohlt. (Reinbek b. H a m b . 1983), S. 39). 753 Ebd., S. 324; MODERSOHN, OTTO (Soest 22. 2. 1865 - Rotenburg / Hannover 10. 3. 1943), Maler, Mitgründer des Künstlervereins „Worpswede", seit 1901 mit Paula Becker verheiratet. 754 H . V., Erinnerungen. Hg. v. Erich Weinert. Rütten & Loening. Bln. (1952), S. 116. 755 August Horneffer zum 75. Geburtstag v. G e o r g Thiel, in: Aus meinem Freimaurerleben. Erfahrungen und Winke. Akazien-Vlg. H a m b u r g (1957), S. 218; HORNEFFER, AUGUST

1898 Wilhelm Weigand: Der Übermensch. Ein Lustspiel.

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„Friedrich Nietzsche, dessen Stern eben damals aufging, hatte es mir angetan. In den Jahren 1899 bis 1903 war ich in Weimar als Mitherausgeber seiner Nachgelassenen Werke im Nietzsche-Archiv tätig. Mich an der Steigerung des Menschen zum Übermenschen zu versuchen, fand ich eine herrliche Aufgabe, des Schweißes der Edelsten wert. Die Entfaltung der Persönlichkeit, wie sie Goethe schon als höchstes Glück der Erdenkinder gepriesen und bis zu hoher Vollkommenheit in seinem Leben verwirklicht hatte, diese Entfaltung der Persönlichkeit, zu der Nietzsche in allen seinen Schriften aufgerufen hatte, besonders im Zarathustra durch erhabene Bilder und packende Worte [,..]" 756 786 Weigand, Wilhelm, Der Ubermensch. Ein Lustspiel in drei Akten. (Frühling 1898). Enthalten in: W. W., Lustspiele. Der Ubermensch. Don Juans Ende. Der neue Adel. Der Wahlkandidat. Vlg. v. Herrn. Lukaschik / G.Franz. Mchn. 1899, S. 1-88. Ein Gegenwartsstück um die Bloßstellung des dreiundzwanzigjährigen Dr. phil. Goswin Baumann, eines Menschen „mit blassen interessanten, aber sehr nervösen Gesichtszügen", der zu Anfang von kaum etwas anderem als seinen „Uberwindungen" zu reden versteht und u. a. auf seine schwachen Nerven stolz ist: „denn die Neurose ist der Meilenstein jeder Kulturentwicklung." Den Leitgedanken des Stükkes drückt der Entlarver Dr. med. Ströll aus: „Jaja, Herr Baumann, so sieht's aus, wenn die großen Ideen eines hohen Geistes in kleine Köpfe geraten. Gottvoll, solch eine Comödie der Ideen!" (S. 39) Ende des Jahres 1898 fing mit den ersten beiden Bänden J a k o b Burckhardts „Griechische Kulturgeschichte" zu erscheinen an, die dann mit Band drei und vier 1900 bzw. 1902 abgeschlossen wurde. Nietzsche hatte in seiner „Götzendämmerung" (S. 136) geschrieben, daß Burckhardt, angeregt durch die „Geburt", seinem W e r k e „einen eigenen Abschnitt über das genannte Phänomen", nämlich das „Dionysische" am griechischen Wesen, eingefügt habe. Theobald Ziegler brachte dann eine ähnliche, vermutlich sich auf Nietzsches Bemerkung stützende Feststellung: „[...] so war es sachlich doch ein großer Triumph für Nietzsche, daß J a k o b Burckhardt den Grundgedanken des Buches v o m Vorhandensein eines Dionysischen acceptierte und seiner griechischen Kulturgeschichte einverleibte [...]" (S. 33). Auf die „Geburt" wird in der „Kulturgeschichte" in den Anmerkungen an vier Stellen ausdrücklich hingewiesen: Bd. III, S. 210, A n m . 3 u. 4; 243, A n m . 2; 249, A n m . 2; Bd. IV, S. 400, A n m . 2. 757 (Treptow a. d. Regas 5. 7. 1875 - Berlin 8. 10. 1955), Mitherausgeber der Zeitschrift „Die Tat", seit 1911 im Freimaurerwesen tätig. 756 Ebd., S. 12; s. a. S. 47, 77, 84 („Mein religionswissenschaftliches Werk: ,Der Priester', ungefähr Friedrich Nietzsches Standpunkt bekräftigend und erweiternd, war 1912 erschienen."), 114 (über die Zeit um 1913: „Aber ich kam aus der durch Schopenhauer und Nietzsche inspirierten Kampffront her, in der das Hauen und Stechen mit Rücksichtslosigkeit gehandhabt wurde."), 125. 757 Eine eingehende Beurteilung des Nietzscheschen Einflusses auf das Werk findet sich in der

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1898 Jacob Burckhardts Griechische Kulturgeschichte

7 8 7 Werner, R . M., 0 b N D L 6. Bd., 1899, I 10:797-813). Bespricht die Literatur der „Berichtsjahre 1894 / 95" über den „deutschen Führer der jungen Generation", dabei nur auf das W e r k von L o u Andreas-Salomé (Nr. 308) näher eingehend. 7 8 8 Ruhemann, Alfred, 758 Belgien. ( D L E 1. Jg., N r . 7 v. 1. 1. 1899, Sp. 447 f.). In einer Ubersicht über literarische Aufsätze aus belgischen Zeitschriften und Zeitungen wies Verfasser ausschließlich auf solche hin, die sich mit der Gestalt Nietzsches, „dieses erhabenen Geistes", befaßten, und zwar auf solche von H e n r y Gauthier-Villars, Georges Dwelschauwers, Beck de Druween und Leblé.

Einleitung Felix Stähelins zum ersten Band der von ihm besorgten Ausgabe des Werkes (= J. B.-Gesamtausg. 8. Bd. DVA. St., Bln., Lpz. 1930, S. xxiii-xxix). Die Fundstellen der Anmerkungen in dieser Ausgabe: Bd. III, S. 193, Anm. 113 f.; 223, Anm. 185; 228, Anm. 197; Bd. IV, S. 385, Anm. 318. Zum Verhältnis der beiden Werke zueinander sowie zum Nietzsche-Burckhardt-Verhältnis überhaupt s. a. Karl Joël, der ja seit 1893 Dozent in Basel war, J a c o b Burckhardt als Geschichtsphilosoph", S. 10: „So offenbart sich Nietzsches .Geburt der Tragödie' als unverkennbare Parallele zu Burckhardts .Griechische Kulturgeschichte' im Kultus des Mythus, aber auch im Protest gegen die ihn auflösende Philosophie, und der hier von Nietzsche schwer angeklagte Sokrates ist auch für Burckhardt unleidlich und beide verbinden ihn mit Euripides, in dem sie den Verfall der Tragödie finden. Jene beiden Werke entstanden gleichzeitig in der Zeit des regsten Geistesverkehrs Burckhardts und Nietzsches, die .Griech. Kulturgeschichte' der Anlage nach etwa ein Jahr zuvor, und im Abschluß als (Nietzsche nur indirekt bekanntes) Kolleg etwa ein Jahr nach der .Geburt der Tragödie', die darin später citiert wird und gemäß deren großer, jüngst von Bethe auf strengerem Wege gesicherter These auch Burckhardt verkündet: .aus der Musik [...] erhebt [...] sich [...] das zunächst dionysische, dann dem ganzen Mythus gewidmete Drama'." S. a. ebd. bes. S. 4, 7, 9, 11, 96 f., 102, 105, 106 f., 108, 112, 113, 115, 117 ff. Enthalten in: Festschrift zur Feier des 450jährigen Bestehens der Universität Basel. Helbing & Lichtenhahn. Basel 1910; 1918 als Einzelschrift im gleichen Verlage (S. 8, 14 f., 53, 109, 124, 127-132). Bei der Erstveröffentlichung von Burckhardts „Weltgeschichtliche Betrachtungen" (Ende des Jahres 1903 bei W. Spemann, Bln. u. St.) beschrieb der Herausgeber Jakob Oeri, ein Neffe des Verfassers, den „Nebenzweck" des Unternehmens folgendermaßen: „Friedrich Nietzsche hat sie, als sie zum zweiten Male vorgetragen wurden, gehört, und seit er am 7. November 1870 darüber an Freiherrn von Gersdorff geschrieben hat, hat die Frage, wie man sich das Verhältnis zwischen den geschichtlichen Grundanschauungen beider Männer vorzustellen habe, viel zu denken gegeben. Sie wird nunmehr leicht beantwortet werden können, freilich vielleicht zur Enttäuschung derjenigen, die eine ganz nahe Verwandtschaft der Ansichten erwarteten." (S. viii) Mit dem Werk Bethes meint Joël zweifellos „Prolegomena zur Geschichte des Theaters im Alterthum. Untersuchungen über die Entwickelung des Dramas, der Bühne, des Theaters." Hirzel. Lpz. 1896, im dem der Verfasser, sich der eigenen „Polemik" gegen Wilamowitz und Dörpfeld vollauf bewußt, das „Werkchen" den beiden Gelehrten dennoch widmete. Nietzsche wird darin mit keinem Worte erwähnt. In seinem 1924 erschienenen „Die griechische Dichtung" (Akademische Vlgs.-ges. Athenaion. Wildpark-Potsdam, S. 165) steht ganz schlicht: „Aus dem Geiste der Musik geboren, ist die attische, die klassische Tragödie stets musikalisch geblieben [...]"; BETHE, ERICH (Stettin 2. 5. 1863 - Leipzig 19. 10. 1940), promovierte 1887 zu Göttingen, habilitierte sich 1891 in Bonn, danach in Rostock und 1897-1903 o. Professor der klassischen Philologie Basel, ab 1903 in Gießen und seit 1906 in Leipzig. 758 RUHEMANN, ALFRED, geb. 1856, Literaturwissenschaftler und Übersetzer aus dem Italienischen.

1898 Karl Hofer: Sein „völlig ungeformtes Gesicht"

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Aus der Zeit um 1898 / 99 erzählt der Maler Karl Hofer von einer mitunter körperlichen Abneigung Nietzsche gegenüber: „Auf andere Weise scheiterte später mein Versuch, in die Gedankenwelt Nietzsches einzudringen, obwohl hier dichterisch-plastische Elemente das Werk erhöhen. Diesem gewiß großen Denker gegenüber empfand ich eine im Instinkt ruhende Abneigung, insbesondere gegen seine Konzeption des Ubermenschen, die ich heftig und radikal als eine, wie ich zu fühlen glaubte, Uberkompensation seiner defekten Physis ablehnte [...] Der Ubermensch wollte mir als ein geistig verklausulierter Atavismus erscheinen, wie denn auch die primitiven Totschläger Hitlers in den übersteigerten Konstruktionen dieses Neurotikers ihre Legitimation zu finden glaubten. Psychologisch überaus aufschlußreich ist es, wie Nietzsche mit dem Instinkt des Gleichgearteten das Angreifbare in Wagners Werk herausfand. Dieses innere Widerstreben gründete sich auch auf eine den Zeitgenossen gewiß als Argument unverständliche Abneigung gegen die physische Erscheinung Nietzsches, dessen völlig ungeformtes Gesicht mit der lächerlichen Zier seines .Schnurrbartes (welch gräßliches Wort), die hektischen Augen, all das schob für mich eine Nebelbank vor sein Werk. Gewiß kein zureichender Grund, aber für mich ausreichend, auch wenn ich weiß, daß diese subjektive Empfindung Ungerechtigkeit bedeuten könnte." 759 Frederick Delius vertonte verschiedene Lieder Nietzsches im Jahre 1898: Nachtlied Zarathustras, Der Wanderer und sein Schatten, Der Einsame, Der Wanderer, Nach neuen Meeren; das erste, für Baß und Orchester wurde am 30. Mai 1899 in London uraufgeführt, dann auf dem Tonkünstlerfest zu Basel 1903 und bildete darauf den Schlußteil zur „Messe des Lebens" (für Soli, Chor und Orchester). Der zweite Teil der „Messe" wurde zum erstenmal auf dem Tonkünstlerfest zu München im Juni 1908 gespielt.760 789 Schücking, Theo, Erinnerungen an Friedrich Nietzsche. (BW 2. Jg., H. 1,1899, S. 18 ff.).

759 K. H., Erinnerungen eines Malers. F. A. Herbig. Bln. (1953), S. 55; HOFER, KARL (Karlsruhe 11. 10. 1878 - Berlin 3. 4. 1955), Maler. 760 DELIUS, FREDERICK (Bradford / England 29. 1. 1863 - Graz-sur-Loing 10. 6. 1934), deutscher Abstammung, sein Vater war erst im Jahre 1850 mit 28 Jahren Engländer geworden, 1879-1881 in Chemnitz, August 1886 - Frühling 1888 in Leipzig, sonst verschiedentlich zu kürzeren Aufenthalten in Deutschland. Hubert Foss schrieb über ihn: „His philosophy was a selfcentred Nietzschism; it did not extend Nietzsche's doctrines to world affairs." [= „Seine Philosophie war ein ichbezogener Nietzscheanismus; er bezog Nietzsches Lehren nicht auf weltliche Angelegenheiten."] In: Warlock, Peter, Frederick Delius. Reprinted with additions, annotations and comments by Hubert Foss. Oxford Univ. Pr. N e w Y o r k 1952, S. 181. S. a. die Lebensbeschreibung von der Hand der Schwester: Delius, Clare, Frederick Delius. Memories of my Brother. Nicholson & Watson. London 1935, S. 179: „Early in life he shed all forms of ecclesiasticism and became a desciple of Nietzsche." [= „Früh im Leben warf er alle Formen der Ekklesiastik ab und wurde Jünger Nietzsches."] sowie ebd., S. 210 u. 222.

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1899 M. Helles Übermenschenthum und Zuchtstaat. Ein Anarchistenideal beleuchtet

Erzählt von ihrer Begegnung mit Nietzsche im Frühjahr 1883 in Rom. Dabei waren auch ihr Vater Levin Schiicking und die Schwester Elisabeth. Sie verkehrten alle auch im Kreise um Malwida von Meysenbug. 790 Helle, M., Ubermenschenthum und Zuchtstaat. Ein Anarchistenideal beleuchtet. Mainzer Vlgs.-Anst. Mainz 1899. 1 Bl., 63 S. Was Nietzsche, den „Abgott der Moderne", von einem Plato, Rousseau, Renan oder Bellamy unterscheide, sei seine Verschmähung des „unsicheren und langsamen Weges der Erziehung", um die „höchste Entwicklung des Menschen" zu verwirklichen, und seine Betonung einer „rationellen Züchtung" des „höheren Typus Mensch". Dem Verfasser, als „normal Denkendem", ist „der Zuchtstaat und sein Resultat, der Ubermensch, ebensowenig wünschenswerth als möglich". Nietzsches „große Wirkung auf die Dichter", die sich „in immer noch steigendem Maße von ihm beeinflussen lassen und dadurch sein Andenken beständig wach erhalten", ohne welche von seinen Theorien „wenig mehr die Rede sein würde", erkläre sich „zum größten Theil durch die weite Perspektive in das Reich unbegrenzter sinnlicher Freiheit, das er ihnen eröffnet zu haben scheint". Als Beispiele gelten dem Verfasser Ibsen, Hauptmann und Strindberg. Erst gegen Ende aber erkennt man, worauf es ihm eigentlich ankommt: auf die „unternehmenden Literaturjünglinge", die „individualistischen Anarchisten", deren „Väter" Nietzsche sei. Hier führt er Kurt Martens, Krapotkin und Max Halbe an, um sie mit Goethe und Tolstoi zu bekämpfen, sowie eine „Renaissance des Christenthums" anleuchten zu lassen, „die alles, was bisher geschaffen, an Herrlichkeit und Größe weit hinter sich lassen wird." 791 W(achler, Ernst), Die schöpferischen Deutschen der Gegenwart. (Kynast 1. Jg., H . 4 v. Jan. 1899, S. 233 ff.). Zu den „Persönlichkeiten [...], wie sie größer kein andres Zeitalter aufweist", zählen „Bismarck und Moltke, Wagner und Böcklin, Treitschke und Nietzsche", und gerade um die Meinung des letzteren über Bismarck geht es dem Verfasser. Es werden dazu die Äußerungen, die in der „Zukunft" (BL) erschienen waren und jedem „doppelt wichtig" seien, der in ihm „den bedeutendsten deutschen Denker seit der romantischen Spekulation sieht, [...] seine Philosophie für unsere geistige Kultur für fruchtbarer hält, als den Pessimismus Schopenhauers und seine später kühle Beurteilung der Wagnerischen Bühnenkunst für erörternswert" finde, nachgedruckt. „Die geistige Entfremdung" Wagner gegenüber wird gestreift und zum Schluß festgestellt: Zum „Ausgang einer deutschen Geisteskultur" habe Nietzsche den Weg eröffnet: „in einem demokratischen Zeitalter der unerschrockene Verkünder aristokratisch-germanischer Lebensanschauung", dessen Ansichten denen von Bismarck, Moltke, Gobineau, Herder, Goethe, Stein und Luther ähnlich seien.761

761 S. seine Würdigung Nietzsches als einzigen von dem philosophische Einwirkungen ausgegangen seien: „Die Erscheinung dieses glänzenden Geistes darf in der That mit der seines Antipoden im vorigen Jahrhundert verglichen werden [...] Nur daß Rousseau, der Demokrat, die Gleichheit aller Menschen lehrte; Nietzsche, der Aristokrat, ihre Ungleichheit, ganz im Einklang mit seinem großen Zeitgenossen, dem Grafen Gobineau, und der anthropologischen Forschung [...] Nietzsches künstlerisches Hauptwerk, das Lehrgedicht Also

1899 Rudolf Steiner: Der Übermensch als „der reine und absolute Egoist"

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792 Menzer, Dr. Paul (Berlin),762 Stirners und Nietzsches Erziehungsideal. (HN Nr. 4 v. 5. 1. 1899, Morgenausg.). Verfasser vergleicht den Aufsatz „Das wahre Princip unserer Erziehung" von Stirner mit Nietzsches zweiter „Unzeitgemäßen" und kommt zu dem Ergebnis, daß beide „dasselbe pädagogische Ziel" verkünden: „Ausbildung der Persönlichkeit des Einzelnen soll das Endziel der Erziehung sein, an die Stelle der zur Zeit nur formal gebildeten Menschen sollen lebensvolle, handelnde Individuen treten". Auch in der weiteren Entwicklung beider Denker findet er „bei aller Verschiedenheit derselben und der endgültigen Ausgestaltung ihrer Lehren, doch auch eine gewisse Gleichförmigkeit". Der Aufsatz scheint durch die Schulreform des Jahres 1892 veranlaßt, durch die „die Beschäftigung mit der Antike sich eine gewisse Einschränkung gefallen lassen mußte". Zu Anfang des Jahres 1899 erschien ein Werk, das auf den im ausgehenden Jahrhundert schon breit gewordenen Strom des „Egoismus" aufmerksam machen wollte, und diesem sind Geleitworte von Fichte, Nietzsche („Formt in euch ein Bild, dem die Zukunft entsprechen soll, und vergeßt den Aberglauben, Epigonen zu sein!") und Fontane beigegeben: Der Egoismus. Unter Mitwirkung v. W.Bölsche (Der Egoismus in der Natur), H. Schacht (Familienegoismus), K. Jahn (Vom nationalen Egoismus / Der Egoismus in der Kunst). M. Mellin (Vom Egoismus der Geschlechter), W. Borgius (Vom Egoismus im Rechtsleben), P. Ernst (Der Egoismus in der Politik), A. Haas (Der Gruppen-Egoismus in der Geschichte), A. Döring (Der Egoismus in der Erziehung), H. Brennen (Der Egoismus in der Liebe), R. Steiner (Der Egoismus in der Philosophie). J. Hart (Der Egoismus in der Litteratur), L. Andreas-Salomé (Der Egoismus in der Religion) hg. v. Arthur Dix 763 (Der Egoismus der sozialen Gruppe / Der Egoismus in der Wirtschaft). Freund & Wittig. Lpz. 1899. Nietzsche wird in der Einleitung des Herausgebers und in dem Aufsatz von Hart nur gestreift, bildet aber dann den Gegenstand des letzten Absatzes in Steiners Aufsatz, der, sehr weit ausholend, mit den Anfängen der griechischen Philosophie einsetzt. Die Schlußsätze lauten: „Seinen Typus Mensch als Ideal hat Nietzsche poetisch verklärt in seinem Zarathustra. Er nennt ihn den Übermenschen. Dieser ist der von allen Normen befreite Mensch, der nicht mehr Ebenbild Gottes, Gott wohlgefälliges Wesen, guter Bürger u. s. w., sondern er selber und nichts weiter sein will - der reine und absolute Egoist." Bei seinem Versuch zu erklären, „warum Chamberlains .Grundlagen des X I X . Jahrhunderts' bei Erscheinen auf mich wie auf unzählige andere so ungeheuer stark wirkte", meinte Hermann Graf Keyserling u. a.:

sprach Zarathustra, darf als ein letzter Gipfel unserer humanistischen Bildungsliteratur gelten." (DZs 2. Jg., H. 4 v. Jan. 1900, S. 210). 762 MENZER, PAUL (Berlin 3. 3. 1873 - Halle 21. 5. 1960), Philosoph, seit 1906 Professor in Marburg, 1908-1948 in Halle. 763 DIX, ARTHUR (Kölln b. Oliva / Westpr. 30. 11. 1875 - Berlin 25. 3. 1935), Journalist, später Schriftleiter der Berliner „National-Zeitung".

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1899 Richard Voß schildert einen Besuch bei dem Toten, der „immer noch lebte"

„Wer irgendwie lebendig war, begann einer alles relativierenden Objektivität müde zu werden und sehnte sich nach einer persönlichen Beziehung zur Welt. Diese fand eine nicht geringe Zahl schon damals in der Rückbekehrung zu einem religiösen Bekenntnis, dem sie sich für immer entwachsen geglaubt hatte, oder in der Intensivierung ihrer lebendig verbliebenen Religiosität. Einige eiferten Nietzsche nach im Unterfangen, die alten Werttafeln zu zerbrechen. Doch weder die Rekonvertiten noch die Nietzscheaner bedeuteten damals im großen viel."764 V o n einem Besuch beim kranken Nietzsche in Weimar, vermutlich während des Jahres 1899, erzählt Richard Voß: „Nach den schwankenden Gestalten noch eine Erscheinung aus einem Grabe. Nein - schrecklicher als ein Grab war in Weimar die Gruft, in welcher ein Lebender die Tage, die Monate, die Jahre verbrachte. Und dieser Lebende war Friedrich Nietzsche! Ich besuchte seine Schwester, die durch treue Schwesterliebe ihres großen Bruders Unsterblichkeit teilt. Eine fast überzarte Gestalt trat mir entgegen, eine fast überfeine Wesensart enthüllte sich mir. Und bei solcher fraulichen Zartheit und Feinheit diese Liebeskraft und Willensmacht! Ich war gerührt und ergriffen. Ich hatte für den Lebend-Toten Blumen mitgebracht, Rosen und Nelken. Seine Schwester wollte, ich sollte sie ihm selbst übergeben. Sie sagte: .Scheuen Sie sich nicht. Er ist sanft wie ein Kind und wird Sie mit einem Kinderlächeln begrüßen. Es ist kein furchtbarer, es ist fast ein lieblicher Anblick. Also kommen Sie und bringen Sie meinem Bruder Ihren Blumengruß selbst.' Ich aber folgte der Schwester nicht zum Bruder, brachte Friedrich Nietzsche meine Blumen nicht, ich war feige. Ein Grauen faßte mich bei der Vorstellung, ich sollte den Sänger des .Zarathustra' sehen, einen fast lieblichen Anblick bietend und mit einem Kinderlächeln mich grüßend. Meine Rosen und Nelken legte ich unter Friedrich Nietzsches Büste, die im Zimmer feierlich aufgestellt war und die mit Blumenschmuck einen .fast lieblichen Anblick' gewährt haben würde, wenn - in den weit offenen Augen nicht schon die Flamme des Wahnsinns geglüht hätte. Also verließ ich das Haus, darin der große Tote immer noch lebte, mit einem Grauen in meiner Seele."765 Paul Goldscheider, der Else Lasker-Schüler erst im Jahre 1927 in Berlin kennenlernte, überliefert folgende Äußerung und die sich daran anschließende Nacherzählung von ihr: „.Friedrich Nietzsche hat die Sprache geschaffen, in der wir alle dichten.' Es war eines der grauenvollsten Erlebnisse ihrer Jugend, sagte sie, als sie einst mit einer Gruppe junger Künstler in das Heim Nietzsches eingeladen wurde, wo die Schwe-

764 H . G . K., Reise durch die Zeit. I: Ursprünge und Entfaltungen. Liechtenstein Vlg. Vaduz (1948), S. 133; KEYSERLING, HERMANN, GRAF (Koenno / Livland 20. 7. 1880 - Innsbruck 26. 4. 1946), philosophischer Schriftsteller. 765 R. V., Aus einem phantastischen Leben. Erinnerungen. J. Engelhorns N f . St. 1920, S. 367 f.; s. a. ebd., S. 90, 95; VOSZ, RICHARD (Neugrape b. Pyritz 2. 9. 1851 - Berchtesgaden 10. 6. 1918), anfänglich Bühnenschriftsteller, darauf Erzähler.

1899 Else Lasker-Schíiler: Er habe „die Sprache geschaffen, in der wir alle dichten"

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ster Nietzsches - Elisabeth F ö r s t e r - N i e t z s c h e - ihnen den damals s c h o n irrsinnigen N i e t z s c h e zeigte. Sie haßte Elisabeth F . N . seither." 7 6 6 7 9 3 D ' A n n u n z i o , Gabriele, der T r i u m p h des Todes. R o m a n . 2. Aufl. S. Fischer. Bln. 1 9 0 2 . 2 Bll., ix S., 1 BL, 5 8 0 S., 2 Bll. (Il t r i n o f o delle m o r t e . R o m a n z o . E r schien zuerst 1 8 9 4 in Milano; A . d. Ital. ν. M . Gagliardi; laut Kayser. Bd. 3 1 , 18991902, S. 5 9 , erschien die erste deutsche Ausgabe ebd., 1 8 9 9 m . 5 3 2 S. D a kein E x emplar dieser Auflage zu ermitteln war, k o n n t e nicht festgestellt werden, o b das z u r 2. Gesagte auch für die 1. Auflage zutrifft.) Das W e r k enthält auf der Titelseite einen Leitspruch aus J e n s e i t s " : „Es giebt Bücher, [...] welche die Tapfersten zu ihrer Tapferkeit herausfordern." N o c h dazu enden die einleitenden W o r t e an F r a n c e s o P a o l o M i c h e t t i mit der Z u v e r s i c h t : „ W i r aber, mein einsamer Heiliger, lauschen der Stimme des edlen Zarathustra; u n d w i r bereiten mit fester Zuversicht in der K u n s t die A n k u n f t des U b e r m e n s c h e n v o r . " 7 6 7

766 In: Lasker-Schiiler. Ein Buch zum 100. Geburtstag der Dichterin. Hg. v. Michael Schmid. P. Hammer Vlg. Wuppertal 1969, S. 51. Man lese auch in ihr: Mein Herz. Ein Liebesroman mit Bildern und wirklich lebenden Menschen. Bachmair. Mchn. u. Bln. 1912, S. 57 f., wegen der Gesellschaft, in die sie Nietzsche hineinstellt: „Ich denke an den Nazarener, er sprach erfüllt vom Himmel und prangte schwelgend blau, daß sein Kommen schon ein Wunder war, er wandelte immerblau über die Plätze der Lande. Und Buddha, der indische Königssohn, trug die Blume Himmel in sich in blauerlei Mannigfaltigkeit Erfüllungen. Und Goethe und Nietzsche (Kirnst ist Reden mit Gott) und alle Aufblickende sind Himmelbegnadete und gerade Heine überzeugt mich [...] Hauptmanns Angesicht und auch ihres, Dalai Lama [d. i. Karl Kraus], wirken blau." Sigrid Bauschinger (Else Lasker-Schüler, ihr Werk u. ihre Zeit. L. Stiehm. Heidelb. (1980), S. 66 f.) meinte: Uber ihren Anfängen schwebte „der Geist Friedrich Nietzsches, und aus den Gedichten und Gesängen und der freirhythmischen Prosa klingen Zarathustra-Töne [ ... ] Der Bildbereich des Kindes, des Kindlichen und der Kindheit, damit verbunden der des Spiels, läßt sich auf Nietzsche zurückführen und bleibt bei aller formalen Variation unverändert bis ins Alterswerk erhalten."; LASKER-SCHÜLER, ELSE (Elberfeld / Wuppertal 11. 2. 1869 - Jerusalem 22. 1. 1945), Dichterin, nach Scheidung der ersten Ehe um die Jahrhundertwende mit Herwarth Waiden verheiratet. 767 S. hierzu die Meinung der Lady Blennerhassett, die schon im Februar 1898 bemerkte: „[...] unter dem Einfluß von Nietzsche, sind die Romane geschrieben worden, die d'Annunzio's Ruhm über die heimathlichen Grenzen trugen." (Ein italienischer Romandichter. Gabriele d'Annunzio, in: DRs Bd. 94, 24. Jg., H. 5 v. Febr. 1898, S. 239; auf S. 245 f. bringt sie dann auch das obenerwähnte Vorwort in vollem deutschen Wortlaut); s. a. Ernst Schur, Gabriele d'Annunzio: Der Triumph des Todes, in: Ges 16. Jg., 1900, Bd. 1, S. 365-371; weitaus bissiger war die Verurteilung, die schon die italienische Urfassung hervorrief. H. Schneegans, Straßburg, schrieb eine 14seitige Abfertigung, in der das Ganze dem zu Last gelegt wird, „welcher den Deutschen die tiefsten Bücher, die sie besitzen, gegeben zu haben meint [...] Hält doch Meister Nietzsche die Unterdrückung tierischer Instinkte durch das Gewissen für widernatürlich und verkehrt! Ist doch nach seiner Lehre die Befriedigung jeder sinnlichen Begierde gesund und natürlich, ja noch mehr, etwas Wünschens- und Hoffenswertes, etwas Großes, Wertvolles, Vornehmes, Aristokratisches, ja sogar ein herrliches Ideal!" Zum Schluß fragt er, wer an der Verschlimmerung des krankhaften Gemütszustandes Schuld sei, um mit der Scheinfrage zu antworten: „Muß der, der sich vermißt, den Deutschen die tiefsten Bücher gegeben zu haben, auch das Litteraturleben anderer Völker vergiften?" (Wh Mitte Okt. 1895, S. 33-47); D'ANNUNZIO, GABRIELE (Pescara / Abruzzi 12.

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1899 Otto Ernsts Obersekundaner: „.Nichts ist wahr; alles ist erlaubt!'"

794 Ernst, Otto, Jugend von heute. Eine deutsche Komödie in vier Akten. 8.-10. Tsd. L. Staackmann. Lpz. o. J. Das Werk erschien zuerst im Jahre 1899.768 Erich Goßlar, dem Studienfreund des Helden Hermann Kröger, der sich nach „Willensmenschen - brutalen Instinktmenschen" sehnt und vom Mann als „geborenem Herrenmenschen", von der Frau als „geborenem Sklavenmenschen" und „festester Stütze aller Sklavenmoralen" und von den „Allzuvielen" redet, werden auch persönliche Züge Nietzsches angedichtet: eine eigenartige Empfindlichkeit und ein Verlangen nach einer „reinlichen Umgebung", womöglich auch in dessen „romantischem Hange": „Ich bin für den alten Glauben, alten Adel, alte Privilegien, alte Bücher." Aber auch Clara Hendricks, Blumenmalerin und Freundin des Helden, weiß aus ihren Jahren in Paris um den „Ubermenschen", wenigstens soviel, daß sie die beiden „modernen Menschen" Erich Goßlar und Egon Wolf, den lächerlichen Literaten des Stückes, als solche bezeichnen kann. Es bleibt aber dem jungen naseweisen Obersekundaner Hans Kröger überlassen, Nietzsche ausdrücklich anzuführen: „Wahr? .Nichts ist wahr; alles ist erlaubt!' sagt Nietzsche." (S. 95) Natürlich kehrt sich der Held doch zum Schluß von seinen beiden Verführern ab, doch nicht ohne den Ideen, denen er auf der Universität begegnet ist, Dank zu wissen: „Sie waren brennend interessant wie alle Reaktion. Sie setzten gegen das schleichende Unrecht das brutale Unrecht, gegen den Stumpfsinn den Wahnsinn. Und ich segne diese Ideen; denn sie haben es mir unmöglich gemacht, ein Spießbürger zu werden." 795 Kretzer, Lic. Dr. Eugen (Frankfurt), Die Wiederkunft des Gleichen und andere Schriften und Entwürfe Nietzsches aus den Jahren 1876-1885. (FZg Nr. 15, 1899). Besprechung der Nachlaßbände XI und XII (GXI, XII), deren Inhalt den Verfasser zu einer Suche nach dem Buche Nietzsches veranlaßt: JDas Buch Nietzsches ist nach seiner eigenen Meinung nicht der .Zarathustra', sondern die Schrift, deren Schlußteil die Lehre von der ewigen Wiederkunft bringen sollte, ein philosophisches Werk, die .Umwerthung aller Werthe - der Wille zur Macht.'" Doch zählt sich Verfasser zu den „Ungläubigen" und meint, „so bleibt eben Alles beim Alten und der Weisheit letzter Schluß, die Lehre von der ewigen Wiederkunft, ist von Nietzsche .erfunden' in des Wortes verwegenster Bedeutung, erfunden zum Heil der Menschheit, wie auch er selbst leise andeutet".

3. 1863 - Gardone / Gardasee 1. 3. 1898). In diesem Zusammenhang s. folgende Feststellung: „Nietzsche war in Italien u m die Jahrhundertwende einer der meistgelesenen Autoren, eine Kenntnis seiner Hauptschriften kann also bei allen Futuristen vorausgesetzt

werden."

(Baumgarth, Christa, Geschichte des Futurismus. Rowohlt (März 1966), S. 128); BLENNERHASSETT, LADY, CHARLOTTE (geb. Gräfin von Leyden, München 19. 2. 1843 - ebd. 11. 2. 1917), D r . phil. h. c., Verfasserin einiger biographischen Werke. SCHNEEGANS, HEINRICH (Straßburg 11. 9. 1863 - Bonn 7. 10. 1914), Literaturhistoriker, D r . phil. 1888, Professor der romanischen Philologie in Erlangen, Würzburg und Bonn. SCHUR, ERNST (Kiel 24. 11. 1876 - Berlin 6. 3. 1912), Lyriker. 768 Z u r Aufführungsgeschichte s. Kummer, Fr., Dt. Literaturgesch. d. 19. Jhs. Carl Reißner. Dresden 1908, S. 694: „Die meistgegebenen Stücke. Spieljahr 1900 bis 1901. Moderne Bühnenschriftsteller. Sudermann 1366 Aufführungen (Johannesfeuer), O t t o Ernst 1134 (Flachsmann als Erzieher und Jugend von heute) [...]"

1899 Franziska Kapff-Essenthers „Überweib"

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796 Kapff-Essenther, F. v.,769 Jenseits von gut und Böse. Herrn. Hillger Vlg. Bln., Eisenach, Lpz. (1899). 128 S. (= Kürschners Bücherschatz Nr. 130). Ein bislang erfolgloser Schriftsteller Franz Perger ist mit Schuld an dem Tode seiner Geliebten Lina, einer „Mantel-Näherin aus dem niederen Volke". Selber erst kurz vor dem Ertrinken gerettet, bekommt er dann doch noch die Nachricht, daß sein zuletzt eingesandtes Manuskript angenommen worden sei. Er faßt sich und fährt nach Berlin, wo er ein erfolgreicher Mitarbeiter der dortigen „Tageszeitung" wird. Verhältnismäßig bald ehelicht er auch die Schwester des Herausgebers und Chefredakteurs, die zugleich Mitinhaberin der Zeitung ist: „Sie war eine große Seele. Nicht um sonst trug sie den Namen einer anderen großen Seele, den Vornamen Malvida, auch der Lieblingsschriftstellerin ihrer Mutter, Malvida von Meysenbug. Nach der berühmten Freundin Nietzsches und Wagners, nach der .Idealistin', war Malvida getauft. Sie hatte sich hinweggesetzt über herkömmliche Vernunftgründe, als sie Franz Perger heiratete." (S. 75) Sie bezeichnet sich selbst als „Uberweib" und steuert Franz auf ein anderes hin, auf Louise, die Frau eines Börsenspekulanten. Malvida meint: „Es ist eine große Gefahr für mich, daß du noch gar zu wenig weißt vom Weibe." (S. 61) Erst durch die eigene Frau also lernt Franz „die dämonisch schöne Moral des Übermenschen" kennen. Als er ihr seine Mitschuld am Tode Linas gestehen will, erklärt Malvida ihm: „Es ist doch selbstverständlich. daß wir Ubermenschen die sogenannten Verbrechen nicht im Sinne des Gesetzes, sondern nur nach ihren inneren Motiven beurteilen." (S. 64) Die Louise dagegen ist ein „Uberweib", das Nietzsche gar nicht kennt: „Ich habe niemals Nietzsche gelesen", entgegnet sie. „Es wäre traurig, wenn ich eines Buches bedürfte, um ich selbst zu sein. Ich habe alles aus mir selbst geschöpft. Ja, ich will herrschen!" (S. 83) „Im Sinne der Alltagsmoral war Louise ein schlechtes, sittlich ver-

769 Worauf die Verfasserin ausdrücklich hinzielte, erhellt aus folgenden, einem Widmungsexemplar im Besitze der Wiener Universitätsbibliothek entnommenen Worten: „Die .Umwertung' der Moralbegriffe gehört gewiß zu den merkwürdigen Erscheinungen am Ende des Jahrhunderts. D e r Philosoph Friedrich Nietzsche hat diesen Begriff formuliert, aber nur zusammengefaßt, was in der Atmosphäre unseres Kulturlebens lag. ,Gut' und ,Böse' sind relative Begriffe. In dem berühmten Roman Dostojewsky's .Raskolnikow' hält der Held eine Mordthat für ,gut\ weil ein bösartiges Wesen dadurch beseitigt wird. Mein Roman behandelt ein verwandtes Thema, ins ganz moderne Leben übersetzt, in jenes Berlin, das über Nacht glänzende Erfolge schafft und die modernen Helden des Tages zeitigt. Solche Erfolge haben eine Sophistik zur Folge, welche sich über ,Gut" und ,Böse' hinwegsetzen zu dürfen glaubt. Aber seit Kain den Abel erschlug, lebt ein urewiges Gesetz in der Menschennatur, dem sich auch nicht der kühnste Übermensch zu entziehen vermag, man nennt es das Gewissen! [...]"; Es handelt sich hierbei wohl um denselben Roman, der Ende 1898 in Folgen in der „Kattowitzer Zeitung" mit der Überschrift „Übermenschen" erschienen war. Hierzu schrieb die Verfasserin in der Ausgabe zum 11. September 1898: „In jeder meiner Schriften ist eine tiefere ethische Idee, ganz besonders in .Übermenschen' [...] Ich glaube, die Philosophie von Nietzsche hat noch niemals eine natürlichere Illustration gehabt. So kommt es und so ist es." KAPFF-ESSENTHER, FRANZISKA (geb. Essenther, in 1. Ehe v o n Kapff, in 2. Blumenreich, Schloß Waldstein b. Leitomisch / Böhmen 2. 4. 1849 - Berlin 28. 10. 1899 durch Freitod), Schriftstellerin, Erzieherin.

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1899 Wilhelm Uhde: Der heilige Geis: des Neuen Testaments rede auch im Zarathustra

fallenes Weib, gefährlich in jedem Sinne. Aber sie heuchelte keine Tugend. Sie war, was sie war, mit vollem Bewußtsein und mißachtete jeden als einen beschränkten Tölpel, der sie nicht verstand. Sie hatte wie Messalina die Macht und den Mut zu dem, was man das Böse nennt. Sie hatte nicht im mindesten den Ehrgeiz, gut zu sein oder auch nur für gut gehalten zu werden. Sie stand Jenseits von Gut und Böse'." (S. 100) Erst durch die Wirklichkeit, den Verlust Franzens an Louise, entscheidet sich Malvida gegen das Ubermenschentum: „Was ich verlange, Malvida, ist sehr viel. Aber du bist ja kein Philisterweib. Für uns giebt es keine Norm, als meine und deine Natur. Was die Menschen sich unter Ehe vorstellen, geht es uns etwas an? Ist die Ehe nicht auch eine Gemeinschaft der Seelen? Was ich verlange: - Du bleibst meine Freundin, mein guter Kamerad!" „Niemals!" schrie sie auf. „Für mich giebt es keinen Ausweg, ich teile dich mit keinem andern Weibe, gleichviel welchen Namen sie hätte. Wenn du willst, bin ich kein Ubermensch, mag's gar nicht mehr sein. Mach' nur ein Ende, Franz! Geh' und lasse dich vor mir nicht mehr blicken!" (S. 93) Nur durch Zufall mißlingt ein vorsätzlicher Mordversuch an Louise, und Franz landet im Irrenhaus, woraus Malvida ihn aber doch rettet. Er führt sie dann an den Ort des ersten Unfalls, der Lina das Leben kostete, und in einem letzten Wahnanfall stürzt er davon und springt in „die aufschäumenden Wogen". 797 Uhde, Wilhelm, Am Grabe der Mediceer. Florentiner Briefe über deutsche Kultur. C. Reißner. Dresden u. Lpz. 1899. Erwähnungen Nietzsches bzw. Nietzsche-Stellen auf S. 24 f., 28, 29, 49, 70, 95-100 (Vergleiche mit Michelangelo und Jesus: „Die Bilder der sixtinischen Kapelle muten mich an wie eine gewaltige Illustration des .Zarathustra'." - „Er ist kein Kärrner, der ein Stückchen Objektivität herankarrt, sondern ein Mensch, der seine, durch die Verhältnisse unserer Zeit und tausend andere Bedingungen gefärbte Individualität in einer religiösen Weltanschauung offenbart [...] Der Wahn der Objektivität ist bei Jesus wie bei Nietzsche der Beweis von der Größe des künstlerischen Feuers und der Echtheit der persönlichen Gesinnung." - „Derselbe heilige Geist, der im neuen Testament spricht, redet in Nietzsches Zarathustra [...J Wollte man die beiden Religionen neben einander stellen, um sie in ihrem Werte gegen einander abzuschätzen, so würde der Lehre Jesu wohl der Sieg zuerkannt werden müssen [...] So fehlt der Gedanken von der Notwendigkeit der staatlichen Organisation unter den Keimen der Zarathustra-Religion [...] Dadurch leidet dessen praktischer, aktueller Wert." - „[...] und nicht als Geschenk, dessen Besitz schon glücklich macht, ist, wie ich immer wieder sagen möchte, das zu begrüßen, was Nietzsche uns gab. Sein Verdienst ist nur, neue zeitgemäße Ziele aufgestellt zu haben; erst der Kampf für und gegen sie macht die Menschen glücklich und legt den Grund zu einer hohen Kultur."), 106 („Die Menschheit pendelt zwischen zwei Gefahren hin und her, der Entartung in Brutalität und der Entartung in Schwäche; für jene hat Jesus, für diese Nietzsche eine Formel der Erlösung gefunden. Welchen von beiden eine Zeit zu folgen hat, hängt davon ab, ob sie von der gesunden Mitte mehr nach der einen oder andern Richtung hin abschwenkt. Für uns ist das Christentum ein Gift, das die Entwicklung unseres Geistes hemmt."), 110 f., 118 f., 123, 127 f. BR Briefe Richard Wagners an Emil Heckel. Zur Entstehungsgeschichte der Bühnenfestspiele in Bayreuth. Hg. v. Karl Heckel. S. Fischer. Bln. 1899, S. 31 bzw. 68 f.

1899 Eine Umfrage nach dem größten Denker des Jahrhunderts nennt auch „Nitzsche"

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Ein Telegramm (Dez. 1871 / Jan. 1872) sowie ein Brief (v. 19. 10. 1873) Nietzsches an Emil Heckel im Erstdruck; s. a. ebd., S. 27, 29, 35, 45 ff., 66, 70 f., 119 f. für weitere Äußerungen Heckeis über Nietzsche im persönlichen Verkehr. 798 Mehring, Franz, Aesthetische Streifzüge. IX. (NZ 17. Jg., Bd. 1, 18. 1. 1899, S. 569-576). Verfasser untersucht das Verhältnis des Naturalismus zu Nietzsche und bespricht dabei die Nietzsche-Werke von Duboc (Nr. 452a) und Tönnies (Nr. 567), deren gelegentliche Preisung Nietzsches er aber nicht teilen kann. Er meint, daß die „unintelligente Wut" auf den Sozialismus „dem Denker Nietzsche den Todesstoß gegeben" habe. Er meint ferner, daß der Nietzsche der dritten Periode dem Naturalismus nur „die sicherste Rückendeckung" bedeute „gegen gefährliche Verwechselung mit der revolutionären Arbeiterbewegung" und liefere ihm darüber hinaus „viele zwar konfuse, aber wunderschöne Schlagworte". 798a Auch in 187a, S. 178-188. 798b Auch in 187b, S. 25-38; nur der einleitende Absatz fehlt. 798c Auch in 187c, S. 173-183. 799 Danzer, Karl M., Nietzsche. (DZg v. 21. 1. 1899). Eine Würdigung dessen, der, „mehr Psychologe und Menschen- und Völkerkenner", „die moralischen Entwicklungsgesetze der Menschheit" aufgedeckt habe. 800 Die Schwester Nietzsches an Dr. Eugen Schmitt. (BudTbl Nr. 24 v. 24. 1. 1899) Mit solcher Uberschrift veröffentlichte die Zeitung „wörtlich" einen begeisterten Brief der Schwester vom 19.Januar 1899 an H. E. Schmitt zu seinem NietzscheBuch (Nr. 703), in dem sie ihn auch zu sich nach Weimar einlädt. A m 25. Dezember 1898 (Nr.52) legte die „Berliner Illustrine Zeitung" ihren Lesern einen 27teiligen Fragebogen unter der Bezeichnung „Die Bilanz des Jahrhunderts" vor. I m neuen Jahr, am 1. Februar, 5. und 12. M ä r z 1899 (Nr. 8, 10 u. 11), wurde das Ergebnis veröffentlicht. Aus den gelegentlich zu bestimmten Fragen angegebenen Zahlen geht hervor, daß an die sieben Tausend Leser sich beteiligt hätten. Nietzsches N a m e erscheint nur unter der Frage: „5. W e r ist der größte Denker des Jahrhunderts?" Hierzu schreibt die Zeitung: „Bei der Beantwortung dieser Frage zersplitterten sich die Stimmen in mehrere große Teile. Die Hauptanzahl vereinigte sich jedoch auf den deutschen GeneralFeldmarschall Hellmuth v. Moltke. Es erscheint uns charakteristisch für das Volk der Dichter und Denker, daß es dem Schlachtendenker den Vorzug giebt vor den Darwins, den Kants, den Schopenhauers. Während Moltke rund 1200 Stimmen erhielt, bekam Kant bloß 1000, Darwin 800, Schopenhauer 700 Stimmen. Eine geringe Mehrheit fand sich für Alexander von Humboldt, Nitzsche [so!], Hegel und von Helmholtz." 770

770 Jetzt leicht zugänglich im Nachdruck: Facsimile Querschnitt durch die Berliner Illustrine. Hg. v. Fr. Luft. Scherz. (Mchn., Bern, Wien 1965), S. 4 6 4 9 (= Facsimile Querschnitte durch alte Zeitungen u. Zeitschriften Bd. 6).

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1899 Die erste Doktorarbeit

801 Weitbrecht, Carl (Stuttgart), 771 Wilhelm Jordan. Zu seinem 80. Geburtstage. (DLE 1. Jg., N r . 9 v. 1. 2. 1899, Sp. 541-549) Diese Würdigung des Schriftstellers besteht im Wesentlichen aus einem Vergleich Jordans mit Nietzsche, denn „unreife Begeisterung f ü r das, was an Nietzsche Mode werden konnte, hat die Thatsache verschleiert, daß alles Gesunde an Nietzsche schon vor ihm bei Jordan da war". 802 Ritsehl, 0 ( t t o ) , (ThLZg 1899, N r . 13, Sp. 400-404). Eine Besprechung von von Hartmanns „Ethischen Studien" (Nr. 185a) und dabei von dem Aufsatz „Nietzsches ,Neue Moral'" (Sp. 401). Besprecher teilt von Hartmanns Ansicht nicht, Nietzsche habe das Stirnersche Werk gekannt.

Als erste Dissertation erschien noch zu Lebzeiten Nietzsches die Erlanger Arbeit: 803 Tienes, D r . Georg A. (Barmen), Nietzsche's Stellung zu den Grundfragen der Ethik genetisch dargestellt. C. Sturzenegger. Bern 1899. 50 S., 1 Bl. (= Berner Studien z. Philos, u. ihrer Gesch. Bd. 17. Hg. v. D r . Ludw. Stein). Verfasser will einen „Beitrag zur Würdigung und zum Verständnis von Nietzsche's Moralphilosophie und damit von ihm selbst leisten" und durchmißt dazu dreimal zeitfolgend die Werke des Denkers. Beim ersten Gang, nach der „Herleitung der Moral", findet er, daß es Nietzsche gelungen sei, „seine früheren, gelegentlichen, oft disparaten Ausführungen zu einem organischen Ganzen, einem geschlossenen System zu verschmelzen"; bei der zweiten Durchsicht, nach den „Grundprinzipien der Moral", kennzeichnet er die „drei Epochen der Nietzscheschen Entwicklung" als „Gefühlsmoral, Vernunftsmoral, Instinktmoral": er mache schließlich „das aufsteigende Leben" und dessen „Forderung zum Prinzip der Moral" und stelle somit „die Ethik unter die Biologie": beim dritten Gang verfolgt er die Nietzschesche Auffassung vom „Willen" und findet in dieser Hinsicht, daß „sich zwei disparate Auffassungen die Wage halten: die theoretische entschieden deterministisch-fatalistisch, - die praktische, in verschiedener Stärke u n d Deutlichkeit, aber wenigstens relativ indeterministisch; am meisten [...] der Zarathustra [...]" BS Förster-Nietzsche,Elisabeth, Jakob Burckhardt und Friedrich Nietzsche. Briefwechsel mit einer Einleitung. (NDRs 10. Jg., H . 2 v. Febr. 1899, S. 151-161). Bis auf die ersten beiden, ein Vorabdruck der Briefe, die darauf in den gesammelten Briefen erschienen sind. BSa Auch in: FZg 43. Jg., N r . 41 v. 10. 2. 1899, 1. Morgenbl.). U n t e r Auslassung des letzten Satzes des letzten Briefes und starker Kürzung der einleitenden Worte der Schwester. 804 Gerschmann, Hans, 772 Friedrich Nietzsche, der Denker und Dichter. Vortrag, gehalten in der Litterarischen Gesellschaft zu Königsberg am 2. Febr. 1899. (KöHZg Sonntagsbl. N r . 6 f., 1. Beil. z. N r . 31 u. 37 v. 5. u. 12. 2. 1899).

771 WEITBRECHT, CARL (Neu-Hengstett b. Calw 8. 12. 1847 - Stuttgart 10. 6. 1904), Literaturwissenschaftler, seit 1893 Professor der Ästhetik und deutschen Literatur an der Technischen Hochschule zu Stuttgart. 772 GERSCHMANN, HANS, Lehrer am städtischen Realgymnasium zu Königsberg.

1899 Karl von Levetzow: „Christos-Dionysos lächelte schon - zu Zarathustra."

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Eine recht lange Darstellung zunächst des Lebens, dann auch der Philosophie Nietzsches, bei der das Krankhafte betont wird. Manche Ideen seien „zum Teil unsinnig, zum Teil nur ästhetische Kapricen [...] Vieles Thatsächliche [...] ist rein aus der Luft gegriffen." Bei Erwähnung der „Größe" fehlt selten der Hinweis auf das Faule. 805 Levetzow, Karl Frhr. von (Wien),773 Christus - Dionysos. (WRs 3. Jg., Nr. 7 v. 15. 2. 1899, S. 165 ff.). Anläßlich der Ausstellung des Klingerschen Bildes „Christus im Olymp" in Wien meint der Verfasser: „Christus im Olymp, das heißt die große Güte nicht statt der großen Grausamkeit, mit ihr, neben ihr; die große Güte in der großen Grausamkeit, das ist Christus-Dionysos [...] Christus-Dionysos heißt der Begeisterer der neuen kommenden Ära [...] Diese Idee wird die Erahner der neuen Cultur begeistern, dem neuen Mittage der Menschen [...] Diese Idee war schon der Begeisterer für die erste Ahnungskunst der Neuheraufsteigenden. Christus-Dionysos lächelte schon - zu Zarathustra." 805a Auch in: Nr. 150a, Bd. II, S. 963-966. Unverändert. 806 Henne am Rhyn, Dr. O(tto), Zur Frage der Ausführbarkeit von Friedrich Nietzsches Ideen. (DNJb Bd. 1, 1. Jg., Nr. 21 v. 18. 2. 1899, S. 652-659). Der Aufsatz enthält den Kern des Verfassers „Anti-Zarathustra" (Nr. 807), auf dessen baldiges Erscheinen auch zum Schluß hingewiesen wird. 807 Ders., Anti-Zarathustra. Gedanken über Friedrich Nietzsches Hauptwerke. Alfred Titel's Vlg. Altenburg, S.-A. 1899. xv, 160 S. Unter den Hauptwerken versteht der Verfasser „Zarathustra", „Jenseits", die „Genealogie" und die „Götzendämmerung". Er erstrebt hiermit die „Entlarvung eines .Dilettanten', der ,Operntexte' für tiefe Weisheit ausgibt und dem es gelungen ist, seine kolossalen Vorurteile bei einer verblendeten Gemeinde geradezu als das Gegenteil, als Vernichtung von Vorurteilen erscheinen zu lassen". Empfehlende Anzeigen erfuhr das Werk in: StGBl Nr. 25, 1899 (Dr. L.); KZg v. 31. 5. 1899, 3 Bll.; PrßZg Nr. 184 v. 6. 7. 1899 0- B.); LZg Nr. 86 v. 27. 7. 1899 (J. J.). Alle Anzeigen finden sich im Anhang zu Verfassers „Ubermenschen und Edelmenschen" (Nr. 914) wiederabgedruckt. 807a Dass. 2., veränderte Aufl. (1903). xv, 164 S. (davon S. 161-164 = Vlgs.-anz., nämlich „Pressestimmen" sowohl zu dem vorliegenden Werk als auch zu Nr. 914). Unveränderter Abdruck der ersten Auflage. 808 K(err), A(lfred), Berliner Plauderbrief. Übermenschen. (KöAZg Nr. 97 v. 26. 2. 1899). Nimmt sich die Bühnenwerke von Max Halbe (Die Heimatlosen) und Julius Türk (Kraft; s. S. xlix) vor, um an ihnen „die ganze Unhaltbarkeit" der „greulichen Nietzscheanischen Weltanschauung" aufzuzeigen: „Diese leidige Mode ist wirklich eine der gefährlichsten, welche bis jetzt die Welt erlebt hat." Verfasser möchte Nietzsche selber dennoch nicht schmähen, schließlich sei er „ein Stilist und ein Lyriker hohen Ranges", nur solle „ein Lyriker [...] keine Sittengesetze aufstellen".774 773 LEVETZOW, KARL MICHAEL FRHR. V. (Dobromielitz / Böhmen 10. 4. 1871 - Mührau / Mähren 4. 10. 1945). 774 Das „Mitte der neunziger Jahre in Berlin" spielende Stück von Halbe (Die Heimathlosen.

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1899 Ellen Key: Das unwissende „Geschwätz [...] vom Propheten der Zügellosigkeit"

In e i n e m A u f s a t z ü b e r „Die F r e i h e i t der P e r s ö n l i c h k e i t " , der m i t e i n e m G e l e i t w o r t aus Stirner beginnt u n d e i n e m H i n w e i s auf S c h o p e n h a u e r schließt, meint Ellen Key: „Für jeden ernsten Leser Nietzsches ist trotz seiner unbewußten und seiner absichtlichen Widersprüche das ganz klar, was einer seinen Commentatoren dargelegt: daß Nietzsches großer Grundgedanke - daß jeder mit allen Kräften seines Körpers, seiner Seele und seines Willens streben soll, seine Persönlichkeit zu steigern und wenn möglich zu einer H ö h e des Ubermenschen zu gelangen, - daß dieser Gedanke mittelbar der Gattung und nicht bloß dem Individuum zugutekommen wird und mithin im letzten Grunde kein egoistisches, sondern ein altruistisches Ziel wird. U n d wie Nietzsche selbst seine Lehre v o m Ubermenschen verwirklichte, darüber weiß man jetzt so viel, daß es für immer zu Ende sein sollte mit dem unwissenden Geschwätz über Nietzsche, als Propheten der Zügellosigkeit [...]. Die Ethik des Christentums war ihm zur zweiten Natur geworden, und jede unfeine Handlung für ihn ein Ding der Unmöglichkeit." 7 7 5

Drama in fünf Aufzügen. 1. u. 2. Tsd. G. Bondi. Bln. 1899. 141 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.), behandelt das Schicksal der aus Danzig durchgebrannten Lotte Burwig, die in Berlin verkommt und sich zum Schluß aus dem Fenster stürzt. Ihr Gegenspieler und Verführer ist der Rittergutsbesitzer Eugen Döhring, den eine andere Gestalt „die blonde Bestie, wie sie im Buche steht" (S. 101), heißt, und der selber bei seinem ersten Auftreten u. a. fragt: „Wie heißt's in unserer Bibel? Stirb zur rechten Zeit!" (S. 34) 775 NDRs 10. Jg., H. 3 v. März 1899, S. 323; auch in: Ε. K., Essays. Autorisirte Übertr. v. Francis Maro. S. Fischer. Bln. 1900, S. 110 ff.; s. a. darin das Geleitwort aus „Zarathustra" zum Aufsatz „Culturveredelung", das aus „Menschliches" zu „Stille" sowie in dem Aufsatz „Typen" über Vauvenargues als geniale „Skizze" der Natur zu Nietzsche (S. 136 f., 149 ff.) und Henri Amiel als einen dessen „Vorläufer" (S. 153-156, 163, 166). Weitere Aufschlüsse über ihre Einstellung zu Nietzsche liefert der Aufsatz „Die Wenigen und die Vielen (1895)" in: E. K., Die Wenigen und die Vielen. Neue Essays. Autorisirte Übertr. v. F. Maro. S. Fischer. Bln. 1901, S. 7-72, bes. S. 11 („Dieser Genius hat seiner Zeit die Idee des Übermenschen vorgeführt, des Übermenschen mit einem so starken Willen zur Macht, einer so intensiven Vertiefung in das Ich, daß sie bei dem Denker selbst zum Zusammenbruch des eigenen Ich geführt hat."), 48 („Nietzsches Seherstimme ward zur rechten Stunde gehört, als die Gefahr drohte, daß die Vielen, die ,Heerdenmenschen' mit ihren Forderungen die Wenigen überstimmen würden. Aber nicht Nietzsche, sondern der gewaltige Übermensch, der dem Gedankenleben dieses Jahrhunderts vielleicht tiefere Impulse gegeben, als irgend Einer, Spinoza, hat in seiner Ethik für immer das Gebiet und die Grenzen des Übermenschen abgesteckt."), 72 (Ihre Neigung gehört letztlich ganz deutlich den Seufzern „der großen, einförmigen, für die Cultur noch unfruchtbaren Wüste [...], die die Gegenwart hören lernte, durch ihren Wegweiser, den Sozialismus".) In ihrem einige Jahre später erschienenen: Der Lebensglaube. Betrachtungen über Gott, Welt und Seele. Übertr. v. F. Maro. S. Fischer. Bln. 1906, begegnete sie der Gestalt Nietzsche noch einmal, mit ähnlich geteilter Empfindung. Da sie den Schluß zieht, daß „die Lehre vom Menschensohn dem Anbruch des Menschen im Wege" stehe, d. h. des „in jeder Beziehung höheren Menschen", tut sie kurz da, „in wie hohem Grade" Nietzsches Verkündigung gegen das Christentum notgetan habe (S. 65 f.). Sein „Ewigkeitsgedanke" sei der „des modernen, vom Leben berauschten Mystikers" gewesen: „[...] aus der Tiefe der Lebensfrömmigkeit, die seine Religion war, nahm für ihn der Ewigkeitsgedanke die Form der ewigen Wiederkunft an." (S. 503 ff.). Von einer eingehenderen Auseinandersetzung mit Nietzsche zeugen auch folgende Sätze aus einer Würdi-

1899 Julius Hart: kein „Schöpfer, kein Eigner, sondern nur ein Schmarotzer"

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809 B„ O., Bei Nietzsche. (BrMZg Nr. 109 v. 5. 3. 1899). Die nichts Neues bringende Schilderung eines Besuches im Archiv. 810 Schlaikjer, Erich, 776 Der Nietzsche-Kultus. (DH 5. Jg., Nr. 10 v. 5. 3. 1899, Beibl., S. 9 f.). Bespricht sehr ausgiebig die „ausgezeichnete Arbeit" von Tönnies (Nr. 567): „Aus dem reichen Arsenal der Gesellschaftswissenschaften holt er die Waffen, mit denen er seinem Gegner die tötlichen Schläge beibringt." Am deutlichsten drückt sich Besprechers Abneigung gegen Nietzsche in folgendem Urteil aus: „die wirtschaftlichen Zusammenhänge" seien „ihm eine verschlossene Welt", und da begreife man „leicht, wie bei seinem Philosophieren über moralische Probleme nur ein ratloses Irrlichterieren herauskommen konnte". A m 5. M ä r z 1899 erschien ein Aufruf „An die Leipziger Verehrer Friedrich Nietzsches!" in den „Leipziger Neuesten Nachrichten" zur Gründung einer Vereinigung, u m „den keimkräftigen culturerneuernden Ideen des Denkers allgemeine Anerkennung zu verschaffen". Welchen Widerhall er hatte, ließ sich nicht feststellen. 811 Hart, Julius, Der neue Gott. Ein Ausblick auf das kommende Jahrhundert. E. Diederichs. Florenz u. Lpz. 1899. 5 Bll., 350 S„ 2 Bll. (= Zukunftsland. 1. Bd.: Im Kampf um eine neue Weltanschauung.) Fundstellen zu Nietzsche: S. 14, 31, 79-97, 100 f., 104-111, 113, 155, 242-246. „Am Ende des Jahrhunderts" sieht der Verfasser einen „Nietzscheschen Bacchantenzug, der die längst begrabenen Ideale der Renaissance als Götzenbilder mit sich führt". Hierin, ebenso wie in den „Glocken des Mittelalters", die „am Anfang dieses Jahrhunderts geläutet haben", erkennt er die Romantik, „die schwerste Krankheit, an der solange unsere Kultur dahinsiechte". Die Empfindungen der Nietzscheschen Welt sind ihm „romantisch-dilettantisch-weibisch" und der „Herrenmensch Nietzsches ein guter alter Vertrauter aus der Kindheit, der romantische Hurone, der Naturmensch Rousseaus, der Held aus dem Stamme der Chateaubriandischen Natchez, Coopers letzter Mohikaner". Nietzsche sei kein „Schöpfer, kein Eigener, sondern nur ein Schmarotzer, ein schwärmerischer Nachempfinder, ein Dilettant". Aber noch wesentlicher begründet ist die Verurteilung Nietzsches in der Ansicht, daß er als „ein romantischer Geist und Denker aufgetreten" sei, in seiner „Ruhmeshalle erblickt man kaum einen Germanen". Da „der Romane nichts als der ewige Anarchist" sei, „ein geborener Macht- und Gewaltbekenner", hofft Hart auf die

gung der Malwida anläßlich des Erscheinens vom „Individualitäten": „Malvida v. Meysenbug unterschätzt ganz gewiß die Bedeutung von Nietzsches späterer Epoche [...] Ganz gewiß hat Malvida v. Meysenbug recht darin, daß, wenn nichts Nietzsches Entwickelung unterbrochen haben würde, seine zweite Epoche nicht seine letzte hätte verbleiben müssen, sondern daß es ihm in einer dritten wahrscheinlich gelungen wäre, das, was nun stets in seinen Werken wirr und unvollendet bleiben wird, zu einem harmonischen Gedankengebäude zusammenzufügen." (Malvida v. Meysenbug. Zeit N r . 388 v. 8 . 3 . 1902, S. 152); KEY, ELLEN (Sundsholm / Schweden 11. 12. 1849 - Strand am Vättersee 25. 4. 1926), Schriftstellerin. 776 SCHLAIKJER, ERICH (Apenrade / Schlesw. 20. 11. 1867 - Berlin 11. 2. 1928), Schriftsteller.

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1899 Ernst Wiehert

„blonden nordischen Männer". Doch ist Nietzsche ihm auch „Sproß und echter Vertreter der westlichen slawischen Welt", und „die eunuchische Romantik des Ubermenschen war der Ausdruck des unfruchtbaren polnischen Geistes". Doch Stirner, „der an Tiefe des Geistes, an Weite des Blickes, an kritischem Scharfsinn, über Nietzsche so weit emporragt, daß allerdings die Beiden gar nicht miteinander verglichen werden sollten", habe zumindest die „Synthese aus dem rein idealen, absoluten Ich Fichtes und dem realen Ein-Ich des Buddhas und des Christus" geahnt, die dem Verfasser als Ideal vorschwebt. 811a Mit derselben Überschrift in: DNJb Bd. 1, 1. Jg., N r . 24 v. 11. 3. 1899, S. 762767). Eine Selbstanzeige des Werkes. Uber Nietzsche S. 764. 812 L(erda), G., (NZ 17. Jg., 1. Bd., N r . 26 v. 15. 3. 1899, S. 828 f.). Eine anerkennende Besprechung des 1898 italienisch erschienenen Nietzsche-Werkes von E. G. Zoccoli. Dem Besprecher ist Nietzsche nur der höchste „Ausdruck einer pathologischen Geistesrichtung, die in der modernen Gesellschaft Boden gewinnt, nicht eine isoline Erscheinung". 813 M(esser), M(ax)/ 77 Friedrich Nietzsche: „Schriften und Entwürfe." (FBI N r . 75 v. 16. 3. 1899, S. 13 f.). Besprechung der zuletzt erschienenen Nachlaßbände (GXI, GXII), welche im großen und ganzen sowohl in inhaltlicher wie auch in formeller Hinsicht das kaum verhüllte Mißfallen des Verfassers ernten: „Wir hoffen, daß wie die meteorisch vorübergegangene ,Philosophie des Unbewußten', auch die des .Uberbewußten' in der gesunden deutschen Volksnatur ihr Korrektiv noch sicher finden wird." 814 Förster-Nietzsche, Elisabeth (Weimar), Nietzsche und die Franzosen. (Z Bd. 26, 18. 3. 1899, S. 462-472). Unter Verwertung von Briefen und Stellen aus „Ecce homo" entwirft die Schwester hier ein Bild von Nietzsches Verhältnis zu Frankreich und den Franzosen. Der Aufsatz wurde bis auf einen „unvollendeten Essay aus dem Sommer 1885" über Stendhal, Mérimée, Taine, Renan, St. Beuve, Flaubert, Baudelaire, Victor Hugo, Michelet und Georg Sand (S. 466-470) in leicht geänderter Fassung und anderer Anordnung in die Abschnitte 5, 6, und 7 der Einleitung zu der Übersetzung von Lichtenbergers Nietzsche-Buch (Nr. 831) eingeflochten. 815 Conrad, Michael Georg (München), Zarathustra. (Ebd., S. 475). Ein Lobgedicht auf Nietzsche-Zarathustra. 815a Auch in: M. G. C., Salve Regina. Lyrischer Cyklus. Schuster & Loeffler. Bln., Lpz. 1899, S. 95 f. 815b Auch in: Naturalismus. Hg. v. Walter Schmähling. Reclam. St. (1977) = Die dt. Lit. Ein Abriß i. Text u. Darstellung. Bd. 12. RUB 9645, S. 199 f. Unverändert.

Im Schlußabschnitt der eigenen Lebensbeschreibung äußert sich der Richter und Schriftsteller Ernst Wiehert zu den geistigen Strömungen und Einflüssen der zweiten Jahrhunderthälfte: 777 MESSER, MAX (Wien 7. 7. 1875 - ebd. 25. 12. 1930), Dr. jur., zunächst Hof- und Gerichtsadvokat, dann Kritiker.

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„Büchners .Kraft und Stoff' trat für eine materialistische Weltanschauung ein und richtete in den Köpfen der Halbgebildeten viel Unheil an. Darwins Lehre von der Zuchtwahl, Anpassung und Vererbung wurde von vielen, die auch nicht eine Seite seiner Schriften gelesen hatten, in ihren angeblichen Schlußsätzen als unumstößliche wissenschaftliche Offenbarung aufgenommen und zur Zertrümmerung der sittlichen Welt praktisch in Anwendung gebracht. Es ist bezeichnend, daß der große Forscher durch keinen Lehrsatz populärer geworden ist, als durch den von ihm niemals ausgesprochenen, daß der Mensch nämlich vom Affen abstamme. Stirner's ,Der Einzige und sein Eigentum', anfänglich wenig beachtet, stellte den Egoismus als leitendes Prinzip hin, und Nietzsche endlich unternahm eine Umwertung aller sittlichen Begriffe, unterschied eine Herren- und eine Heerdenmoral, begeisterte sich für den Ubermenschen und stellte ihn jenseits von Gut und Böse. Auch ihm erging es übrigens ähnlich wie Darwin, daß man die neue Weisheit nicht aus ihm selbst holte, sondern mit Schlagwörtern operierte, die nur im Zusammenhang des ganzen Vortrages richtig verstanden werden konnten." 778 816 anonym, Der neue Gott. (KVZg Nr.277 v. 22. 3. 1899). Nimmt das Werk von Hart (Nr. 811) - „Also Nietzsche wird eigentlich nur bekämpft im Interesse einer Ansicht, die kaum besser ist." - mit zum Anlaß, über Nietzsche christlich zu zetern. 817 Cohn, Dr. Richard,779 Friedrich Nietzsche's Ideen. (DNJb 1. Bd., 1. Jg., Nr. 26 v. 25. 3. 1899, S. 807-816). Eine Zurückweisung der Behauptungen von Otto Henne am Rhyn (Nr. 807). 818 Naumann, Gustav, Das Meer in Nietzsches Zarathustra-Dichtung. (In: Allerlei Leute. Ein Stammbuch Hermann Adolf Haessel von Freunden dargebracht am 26ten März 1899 zu seinem achtzigsten Geburtstage. Fischer & Wittig. Lpz. 1899, S. 49-60). Verfasser findet, daß in dieser Dichtung „die See uns allenthalben entgegentönt und entgegenleuchtet", denn „zu drei Vierteln hat sie der warme Anhauch südlicher Seewinde gereift". Die See sei Nietzsche-Zarathustra „einer lieben Heimat gleich" gewesen und dies zu verfolgen, bekräftige das Gefühl, wie stark das Werk „persönlich empfunden" und „einen wie stark individuellen Geschmack sie auch noch in Nebenwerk und Einzelzug zum Ausdruck" bringe.

778 E. W., Richter und Dichter. Ein Lebensausweis. Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1899, S. 295 f. In seinem R o m a n „Herrenmoral" (C. Reißner. Dresd. u. Lpz. 1897) heißt es zwar von der Heldin, sie „vertiefe sich in philosophische Abhandlungen, deren Verfasser in geistreichelnder Manier naturwissenschaftliche oder sociale Probleme als ideale Wahrheiten nachzuweisen, wenn nicht gar eine Umwerthung alles bis dahin für wahr und heilig Gehaltenen vorzunehmen bemüht seien" (S. 10), und von ihrem Gegenspieler, daß er zu den „Ausgewählten" gehöre, sie stünden „unter anderem Gesetz, bestimmen selbst das Maß ihrer Pflicht - für sie gilt nicht die Herdenmoral" (S. 43), doch zielen sonstiger Inhalt und Verlauf der Erzählung auf das Unrecht der geltenden Moral gegen die Frau; WLCHERT, ERNST (Insterburg / Ostpr. 11. 3. 1831 - Berlin 21. 1. 1902), gründete zusammen mit Paul Heyse 1871 die Genossenschaft deutscher Dramatiker und Komponisten, 1888-1896 Kammergerichtsrat in Berlin, nachher im Ruhestand. 779 COHN RICHARD, geb. am 22. 10. 1872 zu Breslau, Dr. med.

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1899 Κ. W. Goldschmidt: „unser größter Lyriker"

819 Schlaikjer, Erich, Zur Psychologie des Nietzsche-Kultus. (DH 5. Jg., Beibl., Nr. 13 v. 26. 3. 1899, S. 9 f.). Verfasser läßt sich erneut (s. Nr. 810) von Tönnies (Nr. 567) dazu anregen, den Beweggründen des Nietzsche-Kultus nachzuspüren. Er findet sie nicht bei den Fabrikanten und Junkern, sondern bei der künstlerischen Jugend, der gesunden wie bei der kranken. 820 G(oldschmidt), K. W., Friedrich Nietzsche als Lyriker. (MB1 25. Jg., Nr. 4 v. April 1899, S. 62 f.). Zwei Stellen mögen Ton und Inhalt des Aufsatzes kennzeichnen: „Man kann [...] den Lyriker Nietzsche nicht verstehen, ohne sich die Essenz seiner Philosophie wenigstens in einer knappen Formel verdeutlicht zu haben [...]: Er hat - unter Übertragung gewisser darwinistischer Leitgedanken auf ethisches Gebiet - die Transzendenz des Menschheitszweckes durch seine Immanenz ersetzt." - „Hätte uns Nietzsche nur den .Zarathustra' und den unsagbar wundervollen Nachgesang zu Jenseits von Gut und Böse', ,Aus hohen Bergen' - das Herrlichste, was seit Goethes Faust in deutscher Sprache gedichtet wurde - geschenkt, er wäre, von allen anderen abgesehen, schon unser größter Lyriker." 821 Büchner, Prof. Dr. G. (Darmstadt), Übermensch und Edelmensch. (NHZg Nr. 155 v. 2. 4. 1899). Sieht durch die soziale Befreiung den Edelmann sich zum „Edelmenschen" entwikkeln und zwar im strengen Gegensatz zum Übermenschen Nietzsches. 822 Meyer, Richard M. (Berlin), (DLZg 20. Jg., Nr. 14 v. 3. 4. 1899, Sp. 532-536). Eine Besprechung von Harts „Der neue Gott" (Nr. 811), bei dem dem Besprecher „die überragende Bedeutung Nietzsches [...] deutlicher als aus mancher Lobpreisung hervorzugehen" scheine. Sowohl in der Form wie auch im Inhalt sei Nietzsches Einfluß auf Hart unverkennbar, doch sei dieser ein „theoretischer Gegner Nietzsches" und stehe „näher zu Schopenhauer und seinen Indern". 823 Conrad, M. G., Nietzsche-Litteratur. (Ges 2. April-Heft 1899, S. 73 f.). Eine Besprechung der Werke von Moeller-Bruck (Nr. 825) und E. H. Schmitt (Nr. 703), in der beide als „bedenkliche Superlativisten und Drauflosbehaupter" bezeichnet werden. Dem ersten eher gewogen, dem er auch „Talent, Eifer und Ehrlichkeit" zugesteht, meint Conrad, daß Schmitts „Versuch, Nietzsche zu christianisieren", leider noch nicht das albernste sei, was wir in der Nietzsche-Literatur erleben.780 824 Ploch, Arthur, 781 Heinrich Heine und die ewige Wiederkunft aller Dinge. (FZg Nr. 107 v. 18. 4. 1899).

780 S. das Begleitschreiben v. 21. 2. 1899 an den Herausgeber der Zeitschrift Ludwig Jacobowski: „Beifolgend eine Besprechung von mir zur Nietzsche-Literatur. Darin habe ich Arthur Moeller-Bruck, irre ich nicht auch Gesellschafts-Mitarbeiter etwas unsanft angefaßt. Das wird hoffentlich den Abdruck nicht hindern. Moeller verdiente für sein schauderhaftes Geschmiere .Tschandala-Nietzsche' noch ganz anders auf die Finger geklopft zu werden. Seine Jugend (23 Jahre!) entschuldigt ihn, aber sie entschuldigt nicht uns, wenn wir stillschweigend zu Mitveriibern seines anmaßlichen Bombastes hergeben. Also bringen Sie die Besprechung zur Nietzsche-Literatur bald, bitte." (Auftakt z. Lit. d. 20. Jhs. Briefe a. d. Nachlaß v. L. J „ a. a. O., S. 285). 781 PLOCH, ARTHUR, geb. am 24. 11. 1874 zu Stockheim / Oberhessen, promovierte erst 1904 zu Halle mit einer Arbeit über Grabbe.

1899 Arthur Moeller-Bruck: Tschandala Nietzsche

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Führt eine Stelle aus Heines italienischen Reisebildern an, in der die Hypothese der ewigen Wiederkehr „wetterleuchtet", doch sei sie ihm „kaum mehr als ein schöner poetischer Einfall, eine flüchtige Träumerei, eine Seifenblase der Phantasie" gewesen. Dennoch meint der Verfasser, könne man Heine „nicht mit U n r e c h t als einen Vorläufer Nietzsches bezeichnen". 8 2 5 Moeller-Bruck, Arthur, 7 8 2 Tschandala Nietzsche. Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1899. 54 S. (= Die moderne Literatur in Gruppen- und Einzeldarstellungen. Bd. 1). „Der erste, der mit visionärer Deutlichkeit erkannte, daß sich in unserer Zeit wie die F r u c h t im Mutterschoß - in ihren primitivsten Keimen Entwicklungsfaktoren regten, die dereinst zu einer machtvollen europäischen Neukultur auswachsen würden, war Friedrich Nietzsche." „Durch den Individualismus den Mythus und durch diesen Mythus die neue Kultur zu gewinnen: das ist die Metamorphose, die Nietzsche einer Gegenwart vorgeschrieben hat", meint der Verfasser und beurteilt Nietzsche weniger als Philosophen und Ethiker, sondern vielmehr als Künstler, als Verfasser der Gedichte und des Zarathustra. Daher nennt er die „Geburt" die „denkbar erschöpfendste Psychologie des künstlerischen Schaffens", Nietzsches „erste U m w e r t u n g aller Werte". D o c h bleibt dieser dem Verfasser nur ein „Vorläufer", denn „was er eigentlich nie besessen hat, war der praktische Kontakt mit der Gegenständlichkeit der Dinge", beides „Leben und Kunst tragen bei Nietzsche dieses Merkmal der Einseitigkeit". Nietzsche habe „gar nicht gewußt, daß er in dieser F o r m , die er seinen Dichtungen gegeben hat, den Kunststil einer ganzen Epoche ausdrückt". - Die weiteren elf Bändchen dieser Reihe von „Gruppen- und Einzeldarstellungen" verfolgen nun die Welle, die von Nietzsche ausgegangen sei:

782 MOELLER-BRUCK, ARTHUR (Solingen 23. 4.1876 - Berlin 30. 5. 1925 durch Freitod), in einer Besprechung von u. a. Hauptmanns „Florian Geyer" meinte er: „Man wende nicht ein, daß die beiden Begriffe ,groß' und .intim' einander überhaupt ausschlössen: Nietzsches .Also sprach Zarathustra' beispielsweise, das größte Buch dieses Jahrhundertendes und vielleicht einer noch weit umfassenderen Zeitspanne, gehört zugleich zu den intimsten." „Monumentale Erscheinungen" der modernen Dichtung erkennt er in Verlaine, Huysmans und in den „Psychologen wie Dostojewski, Ola Hansson, Przybyszewski u. s. w., den größten nicht zu vergessen: Friedrich Nietzsche!" (Vom modernen Drama. Ges 12. Jg., Juni 1896, S. 934 u. 937 f.). Die Verwandtschaft Dehmels mit Nietzsche streifte er dann in den Aufsätzen „Der Mitmensch" und „Richard Dehmels Lyrik" (Ebd., 12. Jg., Sept. 1896, S. 1201-1206; 13. Jg., Febr. 1897, S. 247-255). S. a. Hans-Joachim Schwierskott, Arthur Moeller van den Bruck und der revolutionäre Nationalismus in der Weimarer Republik. Musterschmidt-Vlg. Gött. (1962), bes. S. 21-29. Ludwig Schemann schrieb über ihn u. a.: „Wiewohl nun auch mich mancherlei von diesem modernen Denker - er war unter anderem Nietzsche-Enthusiast, während mich meine Wege immer mehr von Nietzsche ab- und eher zu Hartmann hingeführt hatten - trennte, hatte ich doch meine Freude an diesem himmelstürmenden Jugendmut, an dieser Zielsicherheit, diesem stolzen durch keinerlei Nichtbeachtung zu brechenden Selbstbewußtsein [...]" (L. S., Lebensfahrten eines Deutschen. Erich Matthes. Lpz., Hartenstein 1925, S. 331). S. dagegen die in einem im Juli 1954 stattgefundenen Gespräch geäußerte Meinung der Witwe, nach der ihr Mann „zu praktisch gewesen" sei, „um Nietzscheaner zu sein". (Mitgeteilt von Fritz Stern in: The Politics of Cultural Despair. A Study in the Rise of the Germanic Ideology. Univ. of Cal. Pr. Berkeley u. Los Angeles / USA 1963, S. 286).

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1899 Eduard Grimm: „Er hat sich von seinem Volke gewandt"

2. „Neutöner!" 36 S. (bes. Hermann Conradi, über Nietzsche S. 5 f., 8, 10, 13, 20, 36). 3. Die Auferstehung des Lebens. 52 S. (bes. Ludw. Scharf u. D. v. Liliencron, über Nietzsche S. 9-12, 17-20, 22-27, 36 f., 43, 48 f., 51 f.). 4. Die deutsche Nuance. 174 S. (bes. A r n o Holz, Joh. Schlaf u. G. H a u p t m a n n , über Nietzsche S. 36, 78). 5. Mysterien. 47 S. (bes. Stanislaw Przybyszewski, über Nietzsche S. 8, 16, 30, 37). 6. Richard Dehmel. 1900. 98 S. (über Nietzsche S. 7, 24, 48, 53, 67 ff., 73, 87 f., 90). 7. Unser aller Heimat. 74 S. (bes. Joh. Schlaf, Max Halbe u. Herrn. Stehr, über Nietzsche S. 23, 25 f., 41, 50, 60). 8. Bei den Formen. 1901. 56 S. (bes. A r n o Holz, über Nietzsche S. 14, 18, 26 f., 36). 9. Stilismus. 74 S. (bes. O . J. Bierbaum u. Stefan George, über Nietzsche S. 10, 36, 38 f., 60 f., 70). 10. Das junge Wien . 1902. 61 S. (bes. Hugo von Hofmannsthal u. Peter Altenberg, über Nietzsche S. 12, 28). 11. Der neue H u m o r . Varietestil. 46 S. (bes. Paul Scheerbart u. Frank Wedekind, über Nietzsche S. 44 f.). 12. Propheten. 39 S. (bes. Maximilian Dauthendey u. Alfred Mombert, über Nietzsche S. 25, 28 f., 38 f.). 825a Dass. jetzt einfach: Die moderne Literatur. 1902. viii, 793 S., 1 Bl. (= N o t i z des Verfassers). Die Seitenzählung ist eine durchgehende, doch sonst so gut wie unverändert; die Hauptstelle zu Nietzsche auf S. 1-52. 826 H e n n e am Rhyn, Dr. 0 ( t t o ) , Replik auf den Artikel von Dr. Richard C o h n über Fr. Nietzsches Ideen. (DNJb 2. Bd., 1. Jg., N r . 31 v. 29. 4. 1899, S. 978-982). 827 Friedrich, Pfarrer Dr. (Richard, Freiberg i. Sa.), Die Entwicklung Friedrich Nietzsches. Vortrag. (EV 12. Jg., 1899, N r . 25 ff., S. 213 f., 219 f., 227 ff.). Betont das „Doppelseelige" an Nietzsche, besonders in dessen Verhältnis zu Wagner. Anführenswert ist das vom Verfasser vermittelte Zeugnis eines der „ehemaligen Lehrer" in Schulpforta, daß Nietzsche „ein hervorstechender Schüler gewesen sei". 828 Grimm, Eduard, 783 Das Problem Friedrich Nietzsches. C. A. Schwetschke. Bln. 1899. 2 Bll., 264 S., 4 Bll. Verfasser, Hauptpastor an der Nikolaikirche zu Hamburg, meint, „eine Fülle von Geist, einen Reichtum an Problemen, das wird man stets an Nietzsche rühmen können". Doch bleibe der G e n u ß seiner Vorträge ein solcher „an Einzelnem". Er findet sonst wenig an Nietzsche, was er bejahen könne, und ruft freudig aus: „Er hat sich selbst von seinem Volke gewandt; so braucht das deutsche Volk ihn nicht erst von sich abstreifen." Der Einfluß seiner Philosophie „rührt zu einem guten Teile mit daher, daß dieser Unzeitgemäße weit mehr Zeitgemäßes an sich hat, als

783 GRIMM, EDUARD (Jena 7. 8. 1848 - vor 1935, lt. Kürschner), Dr. theol. u. phil., seit 1892 Hauptpastor zu Sankt Nikolai in Hamburg.

1899 Eduard Grimm: „Er hat sich von seinem Volke gewandt"

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er selbst sich wohl eingestehen möchte". Etwas neu ist Verfassers Einteilung der Entwicklung Nietzsches in fünf Zeitstufen. 829 Huch, Rudolf, 784 Mehr Goethe. Georg Heinr. Müller. Lpz. u. Bln. Ende 1899. 2. bis 4.Tsd. 170 S., 3 Bll. (= Vlgs.-anz.). Die Erstausgabe erschien im selben Jahre. Fundstellen zu Nietzsche: S. 23 f., 29 ff., 36-40, 42-62, 65-81, 85, 97, 102, 109, 112, 141, 160. Verfasser nimmt Goethe als Maßstab, um die „Moderne" zu messen und ihre Mängel aufzudecken. Dabei stößt er am häufigsten auf Nietzsche und die Literatur der Nietzscheaner. Er findet, daß bei Nietzsche zweierlei ins Auge falle: „das Feminine und Scholastische". Der „Zarathustra" ist ihm „auch ein Teil der schalen Komödie ,Moderne Literaturgeschichte"', doch meint er, „Götz von Berlichingen und die Leiden des jungen Werthers haben die Litteratur jener Zeit nicht annähernd so beeinflußt, wie der .Zarathustra' unsere moderne [...]" Angesichts der „Moderne" läßt er dennoch bei Nietzsche zweierlei gelten: er habe die Kunst der Sprache geübt und sei höchst geistreich gewesen. 829a Dass. G. Müller. Mchn. u. Lpz. 1904 (= 5.-7. Tsd.). 188 S. Fundstellen zu Nietzsche: S. 24 f., 30 ff., 37-41, 43-63, 66-82, 90, 102 f., 107 f., 114, 117, 155, 178. Was Nietzsche betrifft sonst unverändert. 830 Duboc, Julius (Dr. phil.), Hundert Jahre Zeitgeist in Deutschland. Geschichte und Kritik. 2. durchgeseh. u. ergänzte Aufl. O. Wigand. Lpz. 1899, S. 126 ff. Von Nietzsche heißt es: „Seine Wirkung war eine doppelte. Einerseits steigerte er die erregte Stimmung der Geister und damit die ohnehin schon hoch gestiegene Hypernervosität des Zeitalters, die Grundlage der Neurasthenie, die ihrerseits wiederum in das Verlangen nach starken Reizen ausmündete. Andererseits zeigte und verhieß er diesem die schrankenloseste, ausschweifendste Befriedigung, indem er den Willen zur Macht im Ubermenschen, dem geborenen Aristokraten, der sich Alles erlauben durfte, zur höchsten Lebenswahrheit erhob." Verfasser geht dann zu Ibsen und dessen „Baumeister Solneß" über, um zu zeigen, „wie sich dies künst-

784 HUCH, RUDOLF (Porto Alegre / Brasilien 28. 2. 1862 - Bad Harzburg 13. 1. 1943), Bruder der Ricarda, Jurist, zuerst in Wolfenbüttel, dann in Bad Harzburg, als Schriftsteller in der Hauptsache Erzähler; ähnlichen Anstoß verrät seine: Winterwanderung. Eisgedanken und Frühlingsahnen. G. Müller. 2. Aufl. Mchn. u. Lpz. 1904, S. 51 f. (Die Auffassung vom verderblichen christlichen Einfluß sei ein „Schluß, wie alle seine Schlüsse, nicht aus der Betrachtung der Wirklichkeit gewonnen, sondern abstrakt gezogen", doch habe er nicht kategorisch unrecht, da „seine Auffassung redlich empfunden und geistreich begründet" sei. Bei seinen „positiven Vorschlägen zur Besserung" erblicke man aber „mit Erstaunen und Bedauern einen der bedeutendsten Menschen der letzten Jahrzehnte an der Grenze, wo es zweifelhaft ist, ob die Nachwelt ihn noch ernst nehmen werde".), 104 (über die ProgrammMusik, „die nun glücklich Nietzsches abstrakte Grübeleien in Tönen wiedergeben will".), 125 ff. (Nietzsches unglückliche Einwirkung auf die Sprache, besonders im Zarathustra, dessen Sprache „durchweg etwas Gezwungenes und Übertriebenes" habe), 189 f. (über die ewige Wiederkunft aller Dinge, die „ästhetisch abstoßend" sei), beiläufige Erwähnungen noch auf S. 27, 105, 132, 133, 147, 180; s. a. R. H., Mein Weg. Lebenserinnerung en. Bernhard Sporn. Zeulenrode 1937, S. 45 (zu Nietzsches Meinungen über Frauen); die einzige Erwähnung Nietzsches im ganzen 420seitigen Werk, die Huchs Abneigung noch ungeschwächt zeigt.

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1899 Eugen Kalkschmidt: „das lodernde Feuer [...] pathetischer Trunkenheit"

lerisch wiederspiegelt". In der ersten Auflage des Bandes war er Nietzsche noch übergangen, doch im zweiten Bande (1893), im Anhang zu Ibsen, hatte er sich in einer Anmerkung wie folgt geäußert: „Es müßte hier noch Fr. Nietzsche erwähnt werden, von dem Ibsen alle diese Herrlichkeiten [d. s. die „Gewissenhaftigkeit als Spiegelfechterei, Einbildung und Schwächlichkeit"] entlehnt hat [...] In Nietzsche's wohl schon von früh auf pervers organisirter und auf Wirrsal angelegter Einbildungskraft haben sich in der That alle bisher mitwirkenden Einflüsse zu den ungeheuerlichsten Gedanken-Phantasmen verdichtet. Ihm hier oder in dem ersten Band eine breitere Stelle einzuräumen, was vielleicht Manche erwartet haben dürften, widerstrebt mir [...]" Er nennt noch abschließend Steins Aufsatz (Nr. 256) einen „zutreffenden" und führt „die erstaunliche und betrübende Zunahme der Unsittlichkeit und des Verbrecherthums in der Jugend" als ein weiteren „Beleg" für „die Gefahren des Nietzsche-Rausches" an (S. 160). U b e r das Treiben der M ü n c h n e r Bohème im J a h r e 1899 erzählte Eugen Kalkschmidt, der damals als junger Mitarbeiter im Verlage Callwey anfing: „Die Liebe wurde dort weder lyrisch noch tragisch genommen, sondern resolut erprobt wie etwas, das eben zum richtigen Erdendasein gehört. Die Malweibchen und Stilsucherinnen, die in ihren wallenden Reformkleidern das Bild belebten, dachten über dieses Thema nicht viel anders als die Kunststudenten und Literaten, die ihren Zarathustra' gelesen hatten und über den wahrhaft modernen Stil stundenlang diskutierten. Freiheit hieß die Parole, Freiheit vom Zwang des Elternhauses und der Schule, Freiheit von alter Überlieferung, Freiheit für die Kunst wie für das Leben, aber eine Freiheit möglichst mit Geist und Grazie."785 K u r z darauf erlebte d a n n der Erzähler selber den „Zarathustra": „Tauchenten und Möwen sorgten am rauschenden Isarkanal für weitere Unterhaltung. Wer keine zweisame Geselligkeit fand, der konnte hier auch seinen einsamen Weltschmerz an die frische Luft tragen oder sich durch tiefsinnige Verse von ihm befreien. Das habe auch ich in Abend- und Morgenstunden fleißig besorgt. Denn ich las jetzt endlich den .Zarathustra' - er berauschte mich durch Bildersprache und heroischen Stil wie ein starker Wein. Ich mußte Jakob Burckhardt und Treitschke zu Hilfe rufen, um mich gegen das lodernde Feuer von Nietzsches pathetischer Trunkenheit zu behaupten." 786 In einem seiner ersten Briefe an Karl Wolfskehl, durch den er im F r ü h j a h r 1899 in den Kreis u m Stefan George eingeführt w o r d e n war, schrieb Friedrich Gundolf: „Nun aber raten Sie was ich jetzt außer George, den Blättern und Zarathustra lese? Die Apokalypse; (mein Vater hat sie nämlich mitgenommen). Dies Werk erscheint

785 E. K., Vom Memelland bis München. Erinnerungen. Stromvlg. Hamburg-Bergedorf (1948), S. 236; KALKSCHMIDT, EUGEN (Memel 10. 12. 1874 - München 1. 2. 1962), damals vorübergehend Schauspieler, darauf vornehmlich Biograph. 786 Ebd., S. 237 f., weitere, eher nebensächliche Erwähnungen Nietzsches auf S. 261 u. 279.

1899 Friedrich Gundolf: Zarathustra und die Apokalypse

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mir das wahre und vollständige Gegenstück zum Zarathustra. Es wirkt gewaltig auch in der Ubersetzung auf mich und es ist lohnend die beiden Werke zu vergleichen. Ein Jüdisches unterscheidet wohl wesentlich die Apokalypse vom Zarathustra: Es ist praktischer, zeitlicher, fast so sehr Pamphlet als Offenbarung, so sehr auch der Stil, äußerer und innerer, von Ewigkeiten und Unendlichkeiten erfüllt ist, die Apokalypse gibt oft Invektiven in Form von Offenbarungen, Zarathustra Offenbarungen in Form von Invektiven."787 In seinem Antwortschreiben vom 1. August dankt Wolfskehl für die Uberlassung des ersten Bandes der Gesamtausgabe: „Ihren Nietzsche I hat der junge Briiel mir zurück gelassen, er ist mir ans Land gefolgt und ich lese jetzt zum ersten Male die unzeitgemäßen Betrachtungen die ihren titel vollauf rechtfertigend auch heute noch nicht veraltet sind - was ja nicht gegen ihre Bedeutung spräche - ob sie zwar den späteren Nietzsche nur als Unterstrom ahnen lassen, bis auf die wundervolle Zielsetzung vom Samba der Kultur, der menschlichen bewußtseinsentwicklung!"788 Auch das Erscheinen des ersten Briefbandes scheint Gundolf tief beeindruckt zu haben: „Nietzsches Briefwechsel I habe ich bei Meister Lechter angelesen und werde mir ihn vielleicht zu Weihnachten schenken lassen. Viel interessantes und relativ ziemlich wenig Gleichgültiges was derartigen Sammlungen immer anzuhaften pflegt. Wilamowitz mag mit merkwürdigen Gefühlen die Wirkung seines angriffs auf Nietzsche lesen."789 Und in einem Brief vom 19. Dezember 1900 schilderte er seinen Besuch in Weimar, der zunächst Goethe galt: „Nietzsches Haus sah ich in der Frühe von den Morgenwinden umfegt auf der Höhe über der Stadt und Hügelland unter fahlgoldnen Schneewolken. Auf der Veranda wo er weilte stand die Schwester und posirte - so schien es aus der Ferne - vor sich selbst, die tragisch traurige Hüterin des Genies."790 Vom Nachlaß erscheint Gundolf dann ganz überwältigt: „Das große Ereignis dieser Woche ist für mich daß ich in den besitz der ganzen II. Abteilung von Nietzsches Werken gelangt bin und mich vor diesem brandenden Meer von Gedanken kaum zu wahren weiß. Alle andern Denker auch die gedankenreichsten Plato und Goethe müssen einleiten vorbereiten und einen langen saftigen Stengel aufschießen lassen eh sie die blüte auswölben Aber dort ist der Rosengarten des Algabal oder der Engel in Faust II denn man - die Teufel wenigstens verbrennt daran. Von allem formenden, system und dergl. abgesehen rein an Fülle

787 Karl und Hanna Wolfskehl Briefwechsel mit F. G. 1899-1931. Hg. v. Karlhans Kluncker. Bd. I. Castrum Peregrini Presse. Amsterdam 1977, S. 42, Brief v. 18. 7. 1899. (= Publications of the Institute of Germanic Studies Univ. of London. Vol. 24); GUNDOLF, FRIEDRICH (eigentl.: Gundolfinger, Darmstadt 26. 6. 1880 - Heidelberg 12. 7. 1931), Literaturwissenschaftler. Ebd., S. 44. 789 Ebd., S. 86, Brief v. 3. 12. 1900. 790 Ebd., S. 89. 788

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1899 Henri Lichtenberger: „Individualist aus Altruismus"

der Einfälle im gedanklichen glaube ich nicht daß irgend ein Weiser der Erde Nietzsche gleichkommt." 791 831 Lichtenberger, Henri (Prof. a. d. Univ. Nancy), Die Philosophie Friedrich Nietzsches. Eingeleitet u.übers.v.Elisabeth Förster-Nietzsche. Carl Reißner. Dresd. u. Lpz. 1899. 1 Taf., lxxix S., 1 Bl„ 216 S. In der Einleitung gibt die Schwester an, daß Herr von Oppeln-Bronikowski „der eigentliche Ubersetzer" gewesen sei. Sonst enthält die Einleitung eine Zusammenfassung der Einflüsse auf Nietzsche: „Griechentum, Ritsehl, Schopenhauer, Wagner, Pascal, Montaigne, Stendhal, Goethe, Emerson, Burckhardt, Gobineau, Stifter, Byron, Heine, französische Kultur, Vereinsamung und Migräne." Die Behauptung von Einfluß seitens Blanqui, Le Bon, Ree, Stirner, der Lou Andreas-Salomé und Jordan wird entschieden zurückgewiesen. Im Hauptteil des Werkes meint Lichtenberger, „wie Nietzsche Atheist aus Religion und Immoralist aus Moral, so ist er auch Individualist aus Altruismus geworden, [...] bei dem Historiker und Philosophen eine Fülle von Beobachtungen finden können, die nicht allein als Kundgebungen des Nietzscheschen Ich, sondern auch an sich sehr wertvoll sind". „In einer Zeit, wie der unsrigen, die sich sicherlich nicht durch einen Überfluß an physischer wie moralischer Energie auszeichnet", scheint dem Verfasser Nietzsches Philosophie dazu berufen, „einen wohltätig anregenden Einfluß auszuüben". 831a Dass. Elisabeth Förster-Nietzsche und Henri Lichtenberger, Nietzsche und sein Werk. Dresd. 1928. 309 S., 1 Bl. (Von E. Förster-Nietzsche S. 7-62). Gobineau wird von der Schwester nicht mehr erwähnt, dafür aber Nietzsches Einfluß auf Vaihinger, Maximilian Harden und Oswald Spengler. Es wird dazu Nietzsche nun als einem „leidenschaftlichen deutschen Patrioten" mehr Raum gewidmet. Auch ist die Polemik gegen Ree, Stirner u. A. entfallen. Im Hauptteil wird anstelle des Schlusses und des Anhangs ein sechstes Buch: „Der Wille zur Macht" und ein

791 Ebd., S. 116, Brief v. 26. 6. 1901; sonstige, mehr beiläufige Erwähnung findet Nietzsche auf S. 61 (1899), 75, 83 (über Curt Stoeving und seine „wundervolle Nietzschebüste"), 85, 94 (über Breysigs „Kulturgeschichte der Neuzeit", die „so weit hinter dem rückbleibend was schon Nietzsche gewußt, fürs Wissen erobert hat", 1900), 122, 126 (1901), 154, 166 (1902); Bd. II, S. 14 (über Hillebrand, „von dem ganz dünne schmächtige Aderchen wohl schon zu dem fluß führen der dann in Nietzsches Catarakt am mächtigsten dröhnt."), 30 (1905), 48, 55 (1907), 116 (Brief v. 19. 10. 1914: „Ich lese eben wieder Nietzsche und bin immer wieder überwältigt von dem Blick! dieses Mannes, der alles was der Blick erreichen, fassen, deuten, durchdringen und verwandeln kann hat - alles, nur die Schau nicht. Aber welches Wissen, welchen Willen, welches Wort! Wie bodenlos flach, nein, wie außer aller Möglichkeit eines Vergleichs, ist alles was selbst die Zeit - Gescheitesten seit Menschengedenken über die Gründe und Wirkungen der ,Welt' sagen, neben seinen Sätzen: er besteht mit voller Gewalt neben dem Weltkrieg als gleichartiges Erdbeben, und verbläst nicht zu Gescheitheit oder Tiefsinn - eine Probe die nur die höchsten Dichter, Helden und Profeten bestehn: er ist so apprehensiv wie eine wirkliche Schlacht, sein Drohn und Donnern ein wirkliches Einsetzen von Blut und Seele!"), 124 (Brief v. 9. 3. 1915: „Übrigens ist mir dieser Tage auch der Zarathustra in die Hand gefallen und hat mich gleichfalls im tiefsten bestätigt: es ist auch eine deutsche Wahrsagung, der kein anderes Volk was entgegenzusetzen hat."), 154 (1926), 183, 186 (1929), 209, 212 (1930), 237 (1931).

1899 Grotthuß: der stärkste „von allen Schwindelanfällen unseres Jahrhunderts"

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siebtes: „Schluß", angehängt, die völlig neu bzw. umgeschrieben sind. Im inzwischen erschienenen „Willen zur Macht", der „für die Nietzschekenner keine Überraschung" gewesen sei, findet er die Bestätigung dessen, was man „längst gewußt hat, daß das Denken Nietzsches durchaus systematisch" gewesen sei. Im Schluß gibt der Verfasser einen Überblick über den neueren Einfluß Nietzsches, vor allem auf Frankreich. 832 anonym, Xenien, Sprüche und Gedanken von Einem. Druckerei Glöß. Dresden 1899, S. 91-97. Enthält recht beißende, aber wenig gelungene, zum Teil deutlich judenfeindliche Stellen über Nietzsche: Nietzsche als Pole / Nietzsche und Goethe / Nietzsches „Antichrist" / Der Jude als „Übermensch" / Wille zur Macht / Umwerthung aller Werthe / Schiller über Nietzsche / Der Nietzschekultus. 833 (Grotthuß, J. E. v„), (DTh 1. Jg., H. 8 v. Mai 1899, S. 182 f.). Um den stärksten „von allen Schwindelanfällen unseres Jahrhunderts", den „Nietzscheanismus", abzuwehren, verweist Verfasser auf eine Stelle in den „Fragmenten" von Novalis, in der nicht nur der „Kern der ganzen Nietzscheschen Lehre" enthalten sei, sondern diese auch „mit wenigen, aber den Nagel auf den Kopf treffenden kritischen Bemerkungen rettungslos" abgetan werde. 834 Sandberg, Dr. Richard (Breslau),792 Aus Nietzsches Leben und Schaffen. (Z Bd. 27, 6. 5. 1899, S. 246-260). Besprechung des zweiten Bandes der Lebensbeschreibung (Nr. 547), in der „uns diese Weltanschauung als eine einheitliche, in ihrer Entwicklung kontinuierliche" entgegentrete. 835 Schwann, Mathieu,793 Sophia. Sprossen zu einer Philosophie des Lebens. C. G. Naumann. Lpz. 1899. xii S„ 2 Bll., 216 S„ 4 Bll. (= Vlgs.-anz.). Das Geleitwort zum ersten Abschnitt ist Nietzsche entnommen („Den Conservativen in's Ohr [...] man muß vorwärts!"). Ihr Nietzsche „ist ein Mann, mit den herrlichsten Geistes- und Gemüthsfähigkeiten und -künsten ausgestattet, der vor meinen Augen wie ein erhabenes Phenomen vorüberzieht" und „viele wundervolle Einsich-

792 SANDBERG, RICHARD, geb. 1861, damals Leiter einer Heilanstalt in Thalheim bei Landeck und davor an einer ähnlichen Einrichtung im Kloster Leubus, beides in Schlesien. Aus zwölf Briefen des „Nietzsche-Verlegers" C. G. Naumann an ihn aus der Zeit v o m 11. 2. 1895 bis 8. 7. 1897 geht hervor, daß er in dieser ganzen Zeit an einem W e r k , das t r o t z wiederholten Zuredens und Unterstützung des Verlegers wohl nie zustandegekommen ist, über Nietzsches Krankheit v o m psychiatrischen Standpunkt aus gearbeitet hat. W o h l am wichtigsten in den Äußerungen Naumanns ist folgender Bericht: „Mit Koegel selbst habe ich ja öfter darüber Meinung ausgetauscht, weil Breiting, der Nietzsche in Genua behandelt hat, sich mir gegenüber für den luetischen Charakter seines Leidens erklärte. W e n n wir bezweifelten, so thaten wir es eigentlich deshalb, weil wir nie von entsprechenden Proceduren in Ns Behandlung bei Binswanger hörten." Aus dem Darauffolgenden geht ziemlich eindeutig hervor, daß auch Sandberg zu einem ähnlichen Schluß gekommen war. Die Bekanntschaft Nietzsches mit dem Basler Arzt Karl Breiting, der in Genua ein Krankenhaus leitete, erfolgte im Frühjahr 1883, Breiting besuchte ihn darauf Mitte August und Nietzsche suchte ihn wieder im Herbst in Genua auf. 793 SCHWANN, MATHIEU, geb. am 22. 6. 1859 in Godesberg, später hauptsächlich Wirtschaftsschriftstellerin.

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1899 Mathieu Schwann: „ein erhabenes Phänomen" - „ein Edelmensch"

ten in Leben und Dinge" vermittele; „in sich selbst aber vermittelt er vor Allem die Einsicht, daß man nicht nur in ihm, sondern auch hinter ihm lesen muß. Man muß nicht nur zu Nietzsche gelangen wollen, sondern durch ihn zu sich selbst [...]" Was Verfasserin erstrebt, ist, daß jeder zugleich „Individualist und Sozialist, Egoist und Altruist, ein wahrer Adliger und ein wahrer Demokrat" werde. In solchem Zusammenhang sei Nietzsche „kein Aristokrat, kein Mann, der einen Adel von gestern producirt, sondern [...] ein Edelmensch" und reiche „einem der edelsten Demokraten die Hand [...], dem Demokraten Proudhon": „Denn Proudhon's ganzes Sehnen und Denken geht nach dem gleichen hohen Ziele, dem Ziele der Gerechtigkeit, wie sie dasjenige des sogenannten Aristokraten Nietzsche war." Diese Darstellung der Gedanken Nietzsches findet sich in dem ersten Abschnitt „Aristokratie und Demokratie" (S. 1-46), sonst wird er nur gestreift (S. 92, 173 f., 176). Das Hauptanliegen der Verfasserin drückt sich gegen Schluß in folgender Losung aus: „[...] zur Menschwerdung des Menschenwesens in jedem von uns." 836 Messer, Max, Antimoralisches. (ML 68. Jg., Nr. 18 v. 6. 5. 1899, Sp. 409-413). Verfasser hat hier die „Geisteswerke Friedrichs des Großen im Reiche der Gedanken, das ist Friedrich Nietzsche", vor Augen. Unter den „großen Säemännern" der Gegenwart ist ihm Nietzsche „der Größten Einer", wenn auch „wol der Unverstandenste und Falscherfaßteste". Aus dieser Einstellung heraus bespricht er die Werke von Naumann (Nr. 684) und Schwann (Nr. 835), als solche „wackerer Fährleute", als von „Schülern und Helfern" am großen Werke Nietzsches geschrieben: „Naumann gelangt zum vollkommenen Realismus Stirners, verwirft die .ewige Wiederkunft', den .Übermenschen* und stellt sich auf die Basis des Sumerischen Ichs. Mathieu aber verwandelt den Ü&ermenschen zum £i/e/menschen und den Egoismus zum Altruismus, und die Lebensliebe zur Menschenliebe. Beide aber [...] bewahren [...] eine große Ehrfurcht vor dem reichsten, unabhängigsten, unglücklich-glücklichsten Geiste des Jahrhunderts, vor Friedrich Nietzsche!" Verfasser hofft dennoch, „daß ein Zustand der menschlichen Gesellschaft erreicht werden wird, in welchem eben die vollkommene Freiheit des Individuums die vollkommen gerechte und dauerhafte soziale Ordnung bedingt und erzeugt". 836a Auch in: M. M„ Moderne Essays. C. Reißner. Dresd. u. Lpz. 1901, S. 159166. Neu ist lediglich die Bezeichnung Nietzsches als „des Achilles der modernen Literatur". 794 837 anonym, Ein Buch der Abrechnung. (WestfFb 11. Jg., Nr. 32 v. 6. 5. 1899, S. 252. Zeigt Nr. 832 des verhängisvollen Erfolges wegen, „den die Schriften des inzwischen dem Wahnsinn verfallenen Philosophen Friedr. Nietzsche, des ausgesproche-

794 S. a. die Erwähnungen Nietzsches in einer Besprechung der Werke von John Henry Makkay (S. 52 f. = N D R s 8. Jg., H. 3 v. März 1897, S. 306 f.; eine Zusammenstellung mit Tolstoi, beide als „Felsensäule der heutigen Menschheit"); in einem Aufsatz über Nietzsche, Maeterlinck und Emerson „Die moderne Seele" (S. 86 f. = Zeit X V . Bd., N r . 185 v. 16. 4. 1898, S. 43 f.); m. d. Überschrift: „Der .wahnsinnige' Strindberg" (S. 129, 131 f. = M L 67. Jg., Nr. 13 v. 2. 4. 1898, Sp. 292, 294); in der Besprechung von Ricarda Huchs „Blüthezeit der Romantik" (S. 236 f. = M L 1899, Nr. 45, Sp. 1074 f.).

1899 Herbert Eulenberg: „der unserm Deutsch [...] neue Schwingung und Färbung gab"

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nen .Antichristen' und Predigers des .Übermenschen' [...] gewonnen haben", an und bringt auch daher die beiden gereimten Sprüche „Nietzsche als Pole" und „Antithese". 838 Bartels, Adolf, Die Philosophie Friedrich Nietzsches. (WeiZg Nr. 109 v. 10. 5. 1899). Eine recht geschickt anerkennende Besprechung des Buches von Lichtenberger (Nr. 831), bei der auch der Beitrag der Schwester hinlänglich gewürdigt wird. Besprecher bedauert Nietzsches Bevorzugung der Franzosen sowie auch manches Urteil über die Deutschen, schließt aber mit der Behauptung, daß auch ein Friedrich Nietzsche „nur bei uns möglich gewesen". 839 Th., H., (DtWa 10. Jg., Nr. 131 v. 14. 5. 1899, Beil.). Eine längere empfehlende Besprechung des Werkes von Henne am Rhyn (Nr. 807) über einen, der sich „in den Wahn versetzte, ein Reformator der Welt werden zu können". Aus seinem Leipziger Studentenleben im Sommer 1899 erzählt Herbert Eulenberg, der damals gerade sein zweites Bühnenstück, „Anna Walewska", fertigstellte: „Da war vor allem ein recht schnodderiger Mainzer Schmock, Fritz Stern, der sich für einen großen Dichter der Zukunft hielt und dabei nur eine sehr kleine musikalische Begabung hatte. Er warf mit Gedanken und Aussprüchen Nietzsches um sich, auf den sich zu berufen damals besonders in der Jugend an der Tagesordnung war. Nie ist wohl ein Denker mit seinen Einfällen und widersprechenden Ansichten bei uns so in aller Munde gewesen, wie es dem .Weisen von Sils Maria' geschieden war. Mit ihm setzte sich damals ein jeder auseinander, der einen Anspruch auf Geistesritterschaft erhob. Die Schauspieler und Sprecher trugen ihn vor. Die Tondichter setzten seine Gedichte und Gesänge in Musik, und die Lehrer der Weisheit in den Hochschulen bemühten sich, nach dem Vorbild von Georg Brandes in den Geist der Lehren Nietzsches einzudringen. Ich selber stand auch eine längere Zeit ganz unter seinem Bann und bewunderte mit allen die hinreißende glänzende Sprache dieses Mannes, der unserm Deutsch wieder eine ganz neue Schwingung und Färbung gab." 795 840 Bonus (Arthur), Nietzsche und Lagarde. (CW Nr. 24 v. 15. 6. 1899, Sp. 562571).

795 H . E., So war mein Leben. Die Fähre. Düsseldorf-Kaiserswerth (1948), S. 93 f. S. a. ebd., S. 94 f. (über einen Besuch Eulenbergs bei der Schwester in Weimar im Jahre 1899, bei dem er auch Peter Gast antraf). Anläßlich der Veröffentlichung von Briefen O t t o Erich Hartlebens - „eines gar nicht reichen Geistes" - äußerte sich Eulenberg einleitend dazu, um auf einen viel schlimmeren Fall zu kommen, nämlich den „Fall Friedrich Nietzsche, dessen künstlerischer Nachlaß bekanntlich von seiner für diese ernste Aufgabe durchaus unzulänglichen Schwester verwaltet wird [...] Man soll uns das reine Andenken des größten Deutschen, den wir seit Sedan hatten, nicht weiter besudeln." (DRh H. 10 v. O k t . 1908, S. 129 f.); EULENBERG. HERBERT (Mühlheim a. Rh. 25. 1. 1876 - Düsseldorf 4. 9. 1949), Dramatiker.

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1899 J. Hauri: „ein gewaltiger Warnungsruf an die Geister der Zeit"

Verfasser nimmt das Erscheinen von Nietzsches „Gedichten und Sprüchen" und Lagardes „Gedichten" zum Anlaß, „beide Gestalten als Dichter" sowie überhaupt zu vergleichen. Der Vergleich fällt zugunsten Lagardes aus, der in „seiner weniger bunten Welt stellenweise eine Ausdrucksfähigkeit und Schlagkraft" erreiche, „an die Zarathustra nicht herankommt". 841 Kolb, Annette (München)796 Wagner-Entweihung. (WRs 3. Jg., Nr. 16 v. Juni 1899, S. 389 f.). Mit der Uberschrift kennzeichnet die Verfasserin eine Münchner Aufführung der „Walküre", vergleicht aber in ihren Bemerkungen Wagners „Unbefangenheit" mit Nietzsches „düsterem Hochmut". 842 Walde, Philo vom, (Kynast 1. Jg., H. 9 v. Juni 1899, S. 167 f.). Bespricht das Werk von Lichtenberger (Nr. 831), der Nietzsche „tief erfaßt und [...] objektiv dargestellt" habe, und rühmt dabei eingehend auch den Beitrag der Schwester, die, da Nietzsches Anschauungen aus seinen Erlebnissen stammen, hierin „als oberste Autorität [...] angesehen werden" müsse. 843 Seydlitz, R(einhart) Frhr. v., Friedrich Nietzsche. Briefe und Gespräche. (NDRs 10. Jg., H. 6 v. Juni 1899, S. 617-628). Eine durchaus schwärmende, wenn auch gerade dadurch etwas dürftige Darstellung seiner Freundschaft (Sept. 1876 - Dez. 1888) mit Nietzsche, der zahlreiche Briefstellen und einige Gesprächsfetzen eingeflochten sind. 844 Hauri, Dekan J., Friedrich Nietzsche. Zwei Vorträge. II. Zur Beurteilung Nietzsches. (KB1RS 14. Jg., Nr. 22-25 v. 3., 10., 17. u. 24. 6. 1899, S. 91 ff., 95 ff., 99 ff., 103 ff.). Dieser zweite Vortrag (s. Nr. 752) befaßt sich in der Hauptsache mit einer Darstellung des Lebens Nietzsches, das so gut wie ausschließlich der Beschreibung der Schwester nachgezeichnet ist. Anführenswert ist folgender Satz: „Ich sehe ihn noch dem Universitätsgebäude zuschreiten, eine kleine fein aber kräftig gebaute Gestalt, in gewählter Kleidung, den grauen Cylinder über der breiten Stirn, unter den hellen, glänzenden Augen, den Mund verdeckend, ein starker, wohlgepflegter Schnurrbart." Verfasser gesteht auch hier, daß er „nicht nur für den Menschen Nietzsche Teilnahme" empfinde, sondern daß ihm „auch gewisse Elemente seiner Gedankenwelt sympathisch sind": „Uberall, in der Presse, in der Litteratur, auf dem Gebiet der Wissenschaft, des Staats- und Gesellschaftslebens, der Schule, macht eine demokratische Verflachung sich geltend, die eine selbständige Ansicht schwer aufkommen läßt, die um der Gleichheit und Brüderlichkeit willen die Freiheit unterdrückt [...] Wenn Nietzsche über uns die Geißel schwingt, wer wagt zu sagen: Wir haben sie nicht verdient?" - „Sein Schicksal ist ein gewaltiger Warnungsruf an die Geister unserer Zeit. Es sagt all den kleinen Geistern, die mit Kulturfortschritt oder ethi-

796 KOLB, ANNETTE (München 3. 2. 1870 - ebd. 3. 12. 1967), Schriftstellerin; über ihre damalige Einstellung schrieb sie noch geraume Zeit später: „Nietzsches Auffahrt überwand ich unschwer. Selbst von einem so großen Geist beirrte sie mich nicht. Die Nähe war eine Beeinträchtigung auch für ihn [...] Selbst für ihn. Daher die Bitterkeit, der schmerzliche Unterton bei Nietzsche, der seine eigene Desertion niemals verwand [...] Und so dünkte mir denn auch der ,Fall Wagner' an allen Ecken und Enden ein ,Fall Nietzsche'." (A. K., Blätter in den Wind. S. Fischer. (Ffm.) 1954, S. 71).

1899 Otto Lyon: „die späteren Schriften sind ausnahmslos zu verwerfen"

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scher Kultur, mit ästhetischem oder anderm Idealismus das Christentum ersetzen wollen, daß sie die lebendige Quelle verlassen haben und sich selbst löcherige Brunnen bauen, die kein Wasser geben." 845 Oppeln-Bronikowski, F. von, (DU 3. Jg., Nr. 23 v. 3. 6. 1899, S. 455 f.). Bespricht das Werk von Lichtenberger (Nr. 831) und widmet dem Beitrag der Schwester dabei den größten Raum. Besprecher empfiehlt das Werk dann aber, neben dem ersten Band der schwesterlichen Lebensbeschreibung (Nr. 417) und dem „vortrefflichen Buch" von Riehl(Nr.610), trotz einiger Bedenken wärmstens als „Hand- und Ubersichtsbuch für das große, Nietzsche-unkundige oder parteilich voreingenommene Publikum". 846 Ders., Nietzsche als Systematiker. (DNJk 1. Jg., Nr. 39 v. 24. 6. 1899, S. 813 ff·)· Eine sehr lobende Besprechung und Empfehlung des Nietzsche-Buches von Lichtenberger (Nr. 831), bei der der Besprecher u. a. feststellt, „die ,décadence', der pathologische Zug", sei Nietzsches ganzem Wesen eigentümlich, denn es sei wie „eine prophetische Vorahnung seines eigenen Geschickes gewesen, wenn er von der griechischen Tragödie sagt, auch sie sei durch Selbstmord gestorben". 847 Stein, Ludwig (Professor a. d. Univ. Bern), Gedankenanarchie. (DR 24. Jg., Juli-heft 1899, S. 44-53). Meint, daß „der verhängnisvolle Einfluß Nietzsches auf die Jugend unseres Kulturkreises nur ein Beweis mehr dafür" sei, „daß die Gedankenanarchie die traurige Signatur des absterbenden Jahrhunderts" bilde. „Die einzigen [,..]aner, von denen ernstlich gesprochen werden könnte, sind Nietzscheaner [...] Wie tief muß die philosophische Bildung der Deutschen gesunken sein, wie weit muß auch die spekulative und dialektische Gedankenanarchie um sich gegriffen haben, wenn der philosophische Gedankenanarchist Friedrich Nietzsche der einzige deutsche Denker (nebenbei polnischer Abstammung) ist, der sich rühmen kann, getreue Anhänger, hingebungsvolle Jünger zu besitzen." 847a Auch in: Nr. 374a, S. 287-299. Unverändert. 848 Lyon, Otto (Dresden),797 Martin Greif und die moderne Kunstbewegung. Ein Gedenkblatt zu Martin Greifs 60. Geburtstage. (ZfdU 13. Jg., 1899, H. 7, S. 441471). Einleitend geißelt Verfasser die „moderne Zügellosigkeit", den „zügellosen Selbstsinn", der überall um sich greife, und holt dann zeitlich weit aus, um die letzte Entwicklung der deutschen Literatur seit dem 17. Jahrhundert über Klassik und Romantik bis auf die „Pfadfinder und Bahnbrecher der modernen Kunstanschauung" zu umreißen. Arno Holz dient ihm dann als Beispiel derer, die „ihre Kunst gar nicht mehr dem Gesetz des Charakteristischen, das unbedingt aufrecht erhalten werden muß", unterwerfen. Der „neuen Bewegung" hafte auch „die Einseitigkeit und Ausschließlichkeit der Kunstanschauung" an: „Sie kennt nur die eine Kunst, die sie gerade vertritt; alles, was nicht mit den Mitteln moderner Technik gearbeitet

797 LYON, OTTO (Spittewitz b. Meißen 10. 1. 1853 - Dresden 10. 5. 1912), zunächst Gymnasiallehrer und seit 1899 Stadtschulrat in Dresden, 1887 Mitbegründer der „Zeitschrift für den deutschen Unterricht".

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1899 Grotthuß: „in der Regel konfuses Zeug, vorsichtiges Um-den-Brei-herum-Tasten"

ist, erkennt sie nicht als Kunst an." - „Ebenso einseitig" sei die moderne Anschauung, „daß die Kunst nur einen einzigen Zweck habe, nämlich den: ästhetisch zu wirken". „Der Zweck aller Kunst" sei dagegen „das Streben, den Menschen in seiner Ganzheit und Gesundheit, in der vollen und reinen Harmonie aller seiner Kräfte und Organe wiederzugewinnen oder wiederherzustellen". In diesem Zusammenhang streift er kurz die Namen oder Werke von Hauptmann, Sudermann, Heinz Tovote und Przybyszewski. Darauf (S. 4 6 0 - 4 6 9 ) legt er das „dritte Grundgebrechen" der modernen Kunst bloß: das Nietzschetum, „d. i. die blinde Nachahmung des falsch oder gar nicht verstandenen Einsiedlers von Sils-Maria". Dieser sei eben „nicht leicht zu verstehen, weil er in Aphorismen und Paradoxen spricht" und weil seine „endgiltige Meinung" schwer festzustellen sei. Gerade aber die Form findet Verfasser nicht neu und führt Tertullian, Clemens Alexandrinus und die deutsche Mystik als Vorbilder an. Was die Gedanken betreffe, so seien diese von Alexander von Abdera, Duns Scotus, La Rochefoucauld und Stirner schon vorgeprägt. Das abschließende Urteil lautet: „Wer seine Schriften mit gesunder Kritik liest und das Gute aus dem Unwahren und Thörichten auszuscheiden weiß, wird sicher Nietzsche mit Vortheil lesen. Aber die späteren Schriften sind ausnahmslos zu verwerfen [...]" Martin Greif dagegen sei „ein genialer Dichter", der treu „an seiner ureigenen Art dichterischen Schaffens" festhalte, „sich von seinem vaterländischen, patriotischen, nationalen Dichten durch keinen Ansturm der Zeit" wegdrängen lasse und „nichts Rhetorisches in seinem Wesen, seinem Schaffen und Dichten" habe. 848a Dass. auch in: O. L., Das Pathos der Resonanz. Eine Philosophie der modernen Kunst und des modernen Lebens. B. G. Teubner. Lpz. 1 9 0 0 , S. 3 3 - 6 3 ) . Der Umfang der Auseinandersetzung mit Nietzsche ist verdoppelt. Lesenswert unter den Zusätzen und Einschieben, denn nur um solche handelt es sich bei der Erweiterung, sind folgende: „Ungesund sind aber sprachliche Bildungen Nietzsches wie: .gemalte Gedanken', womit er seine Schriften" bezeichne, oder: „,die braune Nacht'", mit welch letzterer Wendung er an die „Zeit des Lohenstein-Hofmannswaldauschen Schwulstes" erinnere; Nietzsche sei „im Grunde nichts anderes als die Verkörperung des wiedererwachten griechischen Sophismus in unserer ideenlosen und gedankenarmen Zeit"; „Zu dem Zuchthausintellekt Lombrosos und der Zuchthausmoral Nietzsches tritt ganz von Selbst und mit Notwendigkeit der Zuchthausstaat Bebels." Im offenbaren Gegensatz zu Nietzsches „Pathos der Distanz" gipfelt Verfassers Auffassung in dem Satz: „Das Genie ist das Pathos der Resonanz." Er sieht in Nietzsche „einen letzten Ausläufer einer überwundenen philosophischen Periode, einen letzten Vertreter der rein deduktiven Individualphilosophie", lediglich einen „Bach aus dem Strome Schelling-Schopenhauer". Erwähnungen Nietzsches sonst auf S. 13, 80 ff., 85, 87, 90, 91, 92, 94 f., 99, 151 f., 154, 159 f. 849 (Grotthuß, J. E.), Nietzsche-Prometheus? - Die Tragödie des Einsamen. - Genie, Wahnsinn und Verbrechen. - Die Umwertung aller Werte und die Artillerie des Herrn Josef Lauff. (Im „Tagebuch" von: DTh 1. Jg., H. 10 v. Juli 1899, S. 376380).

Verfasser kann nicht umhin, Nietzsche „in seinem ganz persönlichen Sein und Gebahren so rein und keusch wie nur ein Kind" zu finden, dennoch habe dieser „das Feuer stehlen wollen", anstatt es aus der Hand des „alleinigen Spenders allen Lieh-

1899 Friedrich von Oppeln-Bronikowski: „Romantiker der Philosophie"

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tes" zu empfangen. „Nie hat ein Dichter ein erschütternderes Schauspiel geschrieben, als es diese Tragödie des Einsamen ist!" - „Die letzten Nietzsche'schen Schriften bieten durchaus das Schauspiel eines an Monomanie leidenden, im übrigen aber noch nicht sichtbar erkrankten Geistes; nur war dieser Geist eben der eines Nietzsche, einer genial veranlagten Persönlichkeit, eines hochbegabten Denkers und Künstlers, eines ausgezeichneten Stilisten." Doch was er gelehrt habe, sei „in der Regel konfuses Zeug, vorsichtiges Um-den-Brei-herum-Tasten, dunkle, mysteriöse Andeutungen, mit einem Wort viel blauer Dunst ohne irgend einen greifbaren Kern". Verfasser findet dann die „Umwertung" in der Gestalt der „Sozialdemokratie", der „Diener der Kirche", der „Anhänger Nietzsches" und des Bruno Wille und Josef Lauff schon in vollem Gange. 850 Oppeln-Bronikowski, Friedrich von, Friedrich Nietzsche als Dichter-Philosoph und Künstler. Essai. (DU 3. Jg., N r . 27 ff. v. 1., 8. u. 15. 7. 1899, S. 519-523, 541545, 567-571). Verfasser sieht Nietzsches „poetisches Talent" als „ernstlich behindert" durch seine „moralisch-philosophische und wissenschaftlich-intellektualistische Doppelbegabung". Doch habe diese „vielseitige Begabung ihn auch nicht zur einseitigen .Begriffsspinne' verkümmern lassen"; „das Ich ist in der Tat der Brennpunkt, in dem sich alle Strahlen der Innen- und Außenwelt vereinigen", und „dieses Zusammenwachsen aller Triebe und Affekte um einen Mittelpunkt, das Ich", mache ihn in Gefolge von Fichte und Novalis zum „Romantiker der Philosophie". Ahnlich dem Barock aber habe er sich stilistisch auch „zum Uberbieten des Ausdrucks, zum Übertrumpfen des Maßes, zur Verheerung treiben lassen", und die „Zunahme des Barocks in den späteren Werken ist unleugbar". Darüber hinaus „durchklaffen den ganzen Riesentorso des Nietzsche'schen .Systems'" zwei „Widersprüche": die „antike, seiende, ruhende Seele" und die „christlich-moderne, die das Werden, das Wirken liebt". 851 Seidl, Dr. Arthur (Weimar), Neuere Nietzsche-Literatur. (DLE 1. Jg., H . 19 v. 1. 7. 1899, Sp. 1195-1201). Besprechung der Werke von Lichtenberger (Nr. 831), Gallwitz (Nr. 685), Knortz (Nr. 682), Kaiina (Nr. 759), Moeller-Bruck (Nr. 825), Henne am Rhyn (Nr. 807), Schmitt (Nr. 703) sowie der Erwähnung Nietzsches in den Philosophiegeschichten von Siebert (Nr. 774), Überweg-Heinze (Nr. 63c) und Falckenberg (Nr. 81b). N u r die Werke von Lichtenberger und Schmitt finden weitgehende Zustimmung, doch bei jenem findet der Besprecher, daß der „gallische Geist Halt machen" müsse „vor .Also sprach Zarathustra'! [...] dies ist unser, so laßt uns sprechen und so es behaupten". Zur Verbreitungsgeschichte des Nietzscheschen Werkes sind folgende Beobachtungen Seidls, die er im Archiv auf das Erscheinen des Werkes von Gallwitz hin gemacht haben will, bemerkenswert: „[...] wieviel fern abstehende Zirkel es für Nietzsche und sein Lebensproblem lebhaft zu interessieren gewußt hat [...] Das aber ist auf alle Fälle ein großer Gewinn, und wenn man da z. B. verfolgte, wie dies bis in die Blätter von der Farbe der .Kreuzzeitung' oder der .Preußischen Jahrbücher' seine guten Früchte trug, kann man doch nicht umhin, es für ein entschiedenes Verdienst anzusehen, was alles das Buch im guten bereits gewirkt hat."

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1899 Eduard von Hartmann und Schopenhauer abgelöst

852 Quenzel, Karl,798 (ADUZg 13. Jg., N r . 13 v. 1. 7. 1899). Eine knappe Abfertigung von Henne am Rhyns „Anti-Zarathustra" (Nr. 807): „Sein Buch gegen Nietzsche bedeutet nicht nur eine Bloßstellung für ihn, sondern für den ganzen geistigen Mittelstand Deutschlands, dessen Sprachrohr er ist. Auf dieses Buch eingehen, hieße Nietzsche verhöhnen. Auch braucht Nietzsche keine Verteidiger." 853 anonym, Übermenschenthum und Zuchtstaat. (DWo 19. Jg., 7. H . v. Juli 1899, S. 302). Eine äußerst sachliche „Registrierung" der nämlichen Schrift von M. Helle (Nr. 790) als einen „Beitrag zur Nietzsche-Literatur". 854 Naumann, O., Friedrich Nietzsches antichristliche Philosophie. (L Bd. 10, H. 7 f. v. Juli u. Aug. 1899, S. 582-602, 670-686). Aus Besorgnis hauptsächlich um die akademische Jugend sieht der Verfasser, aus christlicher Sicht argumentierend, in Nietzsche den jüngsten und energischsten Gegner des Christentums. 855 Nicoladoni, Alexander,799 Jenseits von Gut und Böse! Vortrag, gehalten in der „Gesellschaft der Namenlosen in Linz" [...] im März 1894. E. Mareis. Linz 1899. 83 S. Verfasser möchte seine Zuhörer mit Nietzsches Ansichten „über die Entstehung und den Wert der heute geltenden moralischen Vorurtheile" bekannt machen. Er holt dazu ziemlich weit aus und behandelt zunächst (S. 3-52) vornehmlich die Ansichten von Rudolf Ihering, den griechischen Sophisten („Das Ende der sophistischen Moralphilosophie ist also derselbe Ubermensch, den Friedrich Nietzsche als das Ziel der Entwicklung alles Menschlichen hinstellt [...]"), Bernard de Mandeville (bei dem man „die Anfänge der Lehre von der doppelten Moral" finde), Stirner und Paul Ree. Nietzsche ist dem Verfasser ein positivistischer Ethiker, der sich zwar nicht in der Begründung seiner Ansicht von anderen ähnlich Denkenden wesentlich unterscheide, der aber „den Entwicklungsgang der Moral [...] ganz verschieden" dargestellt habe. Er sei „der Modephilosoph unserer Zeit geworden, [...] der Positivist, der Verkünder eines energischen Lebensinhaltes, der Herold des Willens zur Macht", und habe als solcher „den Philosophen des Unbewußten Eduard Hartmann und den Vertreter des Pessimismus [...] Arthur Schopenhauer abgelöst". - „[...] in der Warnung vor allzu weit gehenden Gleichmachern, vor Verdummung und Verflachung, vor Verweichlichung und Unbildung, liegt Nietzsches positive Bedeutung!" 856 Krukenberg, Elsbeth,800 Gebt Frieden. Als Manuskript gedruckt. Bonn Juli 1899. Enthält auf S. 28 f. ein 40zeiliges Gedicht „Nach Nietzsche", das zur Aufmunterung der Frauen dienen möchte: „Der Löwin gleich / Will sich die Frau die Welt für sich und ihre Kinder / Erobern [...]"

798 QUENZEL, KARL (Berlin 6. 9. 1875 - e b d . 6. 8. 1945), L i t e r a t u r w i s s e n s c h a f t l e r .

799 NICOLADONI, ALEXANDER (Salzburg 26. 6. 1847 - Linz 20. 4. 1927), Rechtsanwalt, schrieb auch geschichtliche Arbeiten. 800 KRUKENBERG, ELSBETH (geb. Conze, Giebichenstein b. Halle 5. 2. 1867 - Stammheim / Kr. Calw 16. 8. 1954), in der Frauenbewegung tätig.

1899 Stefan Zweig: „Plötzlich war die alte, behagliche Ordnung gestört"

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Recht anschaulich schildert Stefan Zweig die vielen neuen Eindrücke, die auf den jungen Gymnasiasten in dem Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts hereinstürmten. Da heißt es u. v. a.: „Täglich erfanden wir neue Techniken, um die langweiligen Schulstunden für unsere Lektüre auszunutzen; während der Lehrer über Schillers .Naive und sentimentalische Dichtung' seinen abgenutzten Vortrag hielt, lasen wir unter der Bank Nietzsche und Strindberg, deren Namen der brave alte Mann nie vernommen [...] Wenn wir zum Beispiel den damals noch verfemten Nietzsche diskutierten, erwähnte plötzlich einer von uns mit gespielter Überlegenheit: .Aber in der Idee des Egoismus ist ihm doch Kierkegaard überlegen' [...] Am nächsten Tag stürmten wir in die Bibliothek, die Bücher dieses verschollenen dänischen Philosophen aufzutreiben [...] Nietzsche revolutionierte die Philosophie [...] Plötzlich war die alte, behagliche Ordnung gestört, ihre bisher als unfehlbar geltenden Normen des .ästhetisch Schönen' (Hanslick) in Frage gestellt, und während die offiziellen Kritiker unserer .soliden' bürgerlichen Zeitungen über die oft verwegenen Experimente sich entsetzten und mit den Bannworten .dekadent' oder .anarchisch' die unaufhaltsame Strömung zu dämmen suchten, warfen wir jungen Menschen uns begeistert in die Brandung, wo sie am wildesten schäumte."801 857 Loewenfeld, Dr. Hans,802 Der lachende Löwe. (DNJb Bd. 2, 1. Jg., Nr. 41 v. 8. 7. 1899, S. 1290-1296). Eine recht nichtige Erzählung, zu der Titel sowie Auslösung der Handlung der Nietzscheschen Gedankenwelt entnommen sind. Weil „das Ubermenschliche Aufsehen macht", will der Chefredakteur einer Pariser Zeitung, daß sein Feuilletonist eine Geschichte über die „blonde Bestie, den Löwen, der lacht", schreibe. 858 Ernst, Otto, Die Philosophie Nietzsches. (DH Nr. 28 v. 10. 7. 1899). Meint, „Nietzsches Philosophie wie die individualistische Philosophie überhaupt" werde man doch als „Geisterschwindel" erkennen. „Die Bewunderung" für seine

801 S. Z., Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines alten Europäers. G. B. Fischer. (Bln. u. Ffm.) 1968 (29.-34. Tsd.), S. 46-51; s. a. S. 156 (über seinen Eindruck von der Schwester) u. 319 (Beschreibung einer Nietzsche-Handschrift in seinem Besitz: „Da war Nietzsches .Geburt der Tragödie' in einer ersten, unbekannten Fassung, die er lange vor der Veröffentlichung für die geliebte Cosima geschrieben [...]"); s. noch: S. Z. Briefwechsel m. Hermann Bahr, Sigmund Freud, Rainer Maria Rilke u. Arthur Schnitzler. Hg. v. Jeffrey B. Berlin, Hans-Ulrich Lindken u. Donald A. Prater. S. Fischer. (Ffm. 1987), S. 98 (Brief an Bahr v. 19. 6. 1925: „Und dann waren wir mit Rolland bei der guten Forster-Nietzsche [so] in Weimar: sie ist noch vollkommen geistig-hell und von rührender Pietät für ihren .Fritz'.") u. S. 194 (Brief an Freud v. 20. 2. 1931: „Es wird Ihnen aufgefallen sein, daß ich all die andern Männer, die man mit Ihnen gerne zusammennennt, gar nicht erwähne, weil keiner von ihnen jene Höhe und jene Zeitwichtigkeit erreicht, von der aus gesehen, er neben Ihrer Leistung überhaupt sichtbar wird: Nietzsche ist der Einzige Name, den ich überhaupt im Zusammenhange ausspreche."); ZWEIG, STEFAN (Wien 28. 11. 1881 - Petropolis / Brasilien 22. 2. 1942, Freitod), Schriftsteller. 802 LOEWENFELD, HANS (Berlin 6. 2. 1874 - Wiesbaden 19. 5. 1927), Spielleiter an Theater und Oper und Musikschriftsteller, wirkte in Hamburg, Magdeburg, Stuttgart und Leipzig.

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1899 Ella Mensch: Die „Wurzeln seiner Bildung liegen in der deutschen Kultur"

„geniale Gedankenlyrik" werde dadurch „beeinträchtigt aber keineswegs aufgehoben". 859 Mensch, Dr. Ella, Elisabeth Förster-Nietzsche über die Philosophie ihres Bruders. Randbemerkungen bei der Lektüre des Lichtenbergerschen Werkes. (NBh 34. Jg., N r . 14 v. 15. 7. 1899, S. 157 ff.). Geht, es kaum mehr als erwähnend, über das klar gedachte und gut geschriebene Werk Lichtenbergers (Nr. 831) hinweg, um gegen das dazugehörige Vorwort der Schwester entschiedene Einwände anzubringen. Entgegen der Ansicht der Schwester habe sich Nietzsche in der Frauenfrage „mit Schopenhauer zu der .großen Vernunft Asiens'" bekannt. Allzusehr habe die Verfasserin das Romanische an ihrem Bruder hervorkehren wollen, dabei sei er „so deutsch wie Schumann und die Wurzeln seiner Bildung liegen in der deutschen Kultur". Es sei dazu schade, daß er Ibsen nicht gekannt habe, denn „aus den Werken des nordischen Riesen" hätte ihm „ein neues Frauenideal [...] aufdämmern können". Hinzukomme, daß die Schwester zu den „weiblichen Ausnahmen und bevorzugten Elitenaturen" gehöre und noch nicht gelernt habe, ¿oziai zu denken". 860 Lublinski, S. (Berlin), Der Liberalismus und die moderne Literatur. (Ges 15. Jg., 2. Juliheft 1899, S. 81-92). Es geht dem Verfasser darum, daß die „moderne Literatur" wieder zu einer „Höhenkunst" gelange, und er möchte „eine Renaissance des Liberalismus als das einzige und schlechterdings entscheidende Mittel" dazu hinstellen. Er sieht in dem „Neuidealismus" noch lange keine Uberwindung des Naturalismus und nimmt sich das Schaffen von Hofmannsthal, Altenberg, Hartleben und Hauptmann vor, um seine diesbezüglichen Behauptungen zu beweisen. Er gerät dann an Nietzsche, mit dem er sich am ausführlichsten auseinandersetzt (S. 86 ff.). Das System Nietzsches weise vor allem zwei Seiten auf, eine „imperatorische" und eine „individualistische", und obwohl er „im einzelnen immense Anregungen und Offenbarungen zu geben vermag", bleibe der Nietzscheanismus „in seinen beiden Grundgedanken oder auch in der Einheit dieser beiden Gedanken unfruchtbar für eine idealistische Fortentwicklung der modernen Literatur - weil er dazu viel zu naturalistisch ist". 861 K., Anti-Zarathustra. (WeZg Mittags-Ausg. Nr. 18920 v. 20. 7. 1899). Eine lobende Besprechung von Henne am Rhyns Werk gleichen Namens (Nr. 807), die aber auf knappem Raum auch versucht, Nietzsches Leben und Werk zu umreißen. Die Schrift wird „allen zur Lektüre angerathen, weil wir völlig Henne's am Rhyn Standpunkt theilen", sie scheine dazu berufen, „einem Auswuchse unserer ethischen Entwicklung den Garaus zu machen". 862 Oppeln-Bronikowski, Friedrich von, Gedanken über das Pathologische bei Nietzsche. Eine Plauderei. (ML 68. Jg., H. 29 v. 22. 7. 1899, Sp. 681-686). Nietzsche ist ihm der „letzte große Sohn" des Humanismus, „die lebendige Proklamation der Persönlichkeit in der Welt des Geistes, deren Bestand durch die Entpersönlichung des Wissens immer mehr in Frage gestellt wird". So ist es auch überall „die Form seiner selbsteigenen Persönlichkeit, die unbestreitbar manchen pathologischen Zug aufweist". 863 Grosse, Johannes, Nietzsches Geisteskrankheit. (Z 28. Bd., 7. Jg., H . 44 v. 29. 7. 1899, S. 208-214).

1899 Marie Hecht: Bei „selbständigen Naturen" könne er nur eine Ablehnung zeitigen

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Nietzsche ist dem Verfasser einer, der „seine bedeutendsten Gedanken zu einer grandiosen Psychologie des menschlichen und des genialen Geistes gefaßt" habe, und „an den äußersten Konsequenzen des Denkens, die er unerschrocken gezogen hat, intellektuell und sittlich zugrunde" gegangen sei. Die Werke nach „Menschliches" enthalten „nirgends neue grundlegende Gedanken", doch „wetterleuchtet darin bes. in .Zarathustra' der Wahnsinn eines glänzenden Geistes, der .geniale' Wahnsinn eines .genialen' Künstlers". 863a Tlw. nachgedruckt in D t W 2. Jg., Nr. 49 v. 6. 8. 1899, nämlich das zum Gesundheitszustand Gesagte. 864 Hecht, Marie, Friedrich Nietzsches Einfluß auf die Frauen. (Fr 6. Jg., H . 8, 1899, S. 486-491). Indem sie den Einfluß eingesteht und zu erklären versucht, stellt sie aus christlicher Sicht fest, daß er bei „in sich geschlossenen, besonnenen, selbständigen Naturen" nur eine Ablehnung zeitigen könne. 864a Auch in: Literarische Manifeste der Jahrhundertwende 1890-1910, Hg. v. Erich Ruprecht u. Dieter Bänsch. Metzler. St. 1970, S. 543-549. Mit Anmerkungen der Herausgeber, sonst unverändert. 865 Götze, Dr. R., Leipzig,803 Nietzsches Krankheit. (DredK 5. Jg., H . 44 / 45 = Bayreuther Festspielausg. H. 2 v. Aug. 1899, S. 824 f.). Verfasser habe „mehrere Irrenärzte befragt, manchen gesprochen, der den kranken Nietzsche gesehen und seinerseits sich bei Psychiatern befragt hat", und die Mehrzahl sei der Meinung, Nietzsche sei „einer abscheulichen Injektion erlegen". Doch glaubt Verfasser eher an eine erbliche Ursache, die durch ungeheuer schmerzliche Gedankenarbeit zutagegetreten sei: „Er hat ohnehin größere intellektuelle Arbeit verrichtet als wir alle." 866 Gebhardt, Max (Hirschberg), Nietzsche. (Pro 3. Jg., Nr. 32 v. 12. 8. 1899, Sp. 594-599). Da Philosophie „die Wissenschaft von den Prinzipien, den letzten Gründen des Seins" sei und Nietzsche dazu „gar nichts" beigebracht habe, so habe man es bei ihm nicht mit Philosophie „im eigentlichen Sinne zu tun", sondern „höchstens mit der Moralphilosophie". Hierin erscheine der „absolute Egoismus Nietzsches als der notwendige Rückschlag gegen den absoluten Altruismus Schopenhauers". Auch seine „Verachtung der Masse" lasse sich als „Konsequenz des Schopenhauerschen Pessimismus" verstehen. Vorläufer Nietzsches findet der Verfasser in den „Anhängern der jüngeren Sophistik" und einen Widerleger in Plato. N u r eines könne er an Nietzsche bejahen, er sei „jedenfalls Sprecher des vielen Männern unbewußten Abneigungsgefühles gegen jene versanftelnde Auffassung der christlichen Sittlichkeit gewesen, die wenigstens unter dem jüngeren Theologengeschlecht so gut wie verschwunden" sei.

803 GOETZE, RUDOLF, geb. am 23. 9. 1863 zu Glauchau / Sachsen, Dr. med., Nervenarzt in Würzburg, Naunhof b. Leipzig und Gießen.

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1899 Hans Merian über einen „der bedeutendsten Tonschöpfungen unserer Tage"

867 Seiling, Prof. Max (München-Pasing),804 Nietzsche und Mainländer. (FZg Nr. 225 v. 15. 8. 1899, Morgenbl.). Veranlaßt durch Nietzsches einzige Erwähnung Mainländers in der „fröhlichen Wissenschaft" ergreift der Verfasser die Sache des letzteren und legt nahe, daß Nietzsche von Mainländer und dessen 1876 erschienenem Hauptwerk über Schopenhauer, d. h. über dessen „Irrtümer", „belehrt worden" sei. 868 Merian, Hans,805 Richard Strauß' Tondichtung Also sprach Zarathustra. Eine Studie über die moderne Prográmmsymphonie. Carl Meyers Graph. Inst. Lpz. 1899. 55 S. Nach dem Vorwort handelt es sich hier um die Ausarbeitung von Gedanken, die zuerst zu Anfang des Jahres in der „Leipziger Kunst" erschienen waren. Verfasser analysiert „den Bau der Zarathustra-Symphonie", einer „der bedeutendsten Tonschöpfungen unserer Tage", und zeigt „den Parallelismus zwischen dem musikalischen .Programm' des Komponisten und dem Zarathustra-Buche Nietzsches" auf. Strauß sei „dem Nietzscheschen .Zarathustra' nicht kapitelweise gefolgt, sondern hat die Zarathustra-Philosophie als Ganzes gefaßt und seine Tondichtung auf ihren Endergebnissen frei aufgebaut". ' 869 W., R., Bei Friedrich Nietzsche in Weimar. (BLAz Nr. 407 v. 31. 8. 1899). Schildert das Archiv und gibt einiges ihm von der Schwester Erzählte um den Kranken wieder. 869a Auch in Feld-P Nr. 205 v. 1. 9. 1899. Unverändert. 869b Auch im Pforzheimer Anzeiger Nr. 205 v. 2. 9. 1899. Stark verkürzt. 869c Auch im Rochlitzer Tageblatt Nr. 206 v. 6. 9. 1899. Stark verkürzt. 869d Auch in NBLZg Nr. 414 v. 6. 9. 1899. Stark verkürzt. 869e Auch in TIStZg v. 15. 9. 1899, S. 12. Unverändert.

804 SEILING, MAX (Mittenwald 1852 - Speyer 1928), als Ingenieur in Helsingfors hatte Verfasser, unwissend um Nietzsches Zusammenbruch, schon Anfang 1889 versucht, mit ihm in Briefwechsel zu kommen (s. Bernoulli, Bd. 2, S. 334 f.). Schon 1888 hatte er in einer überaus beherzten Darstellung Mainländers (Mainländer, ein neuer Messias. Eine frohe Botschaft inmitten der herrschenden Geistesverwirrung. Th. Ackermann. Mchn. 2 Bll., 144 S.: „Gleich Sokrates und Christus drückte er mit dem freiwilligen Tode seiner großen Lehre das Siegel auf." S. 6), auf S. 5 auf die irrtümliche Äußerung in der „Fröhlichen Wissenschaft", Mainländer sei Jude, hingewiesen. Im selben Werk bringt er auf S. 84 eine halbseitige Stelle aus „Der Wanderer und sein Schatten" zum Selbstmord. Eine letzte Erwähnung findet sich auf S. 139, wo er sich über das Werk von Druskowitz, die er als einen Mann anspricht, äußert. Er hatte sich auch 1894 in Sachen Mainländer-Nietzsche geäußert; jener sei „der legitime Nachfolger Schopenhauers", er theoretisiere „nicht nur, wie Nietzsche, über die Notwendigkeit alles Geschehenden, er nimmt vielmehr im Gegensatz zu diesem, auch die demokratische Bewegung als das, was sie ist, als ein Glied in der Kette der großen, sich mit unabänderlicher Notwendigkeit vollziehenden Menschheitsbewegung." (Ein Rettungsweg z. friedl. Lösung d. sozialen Frage, in: DZu 2. Jg., Nr. 15 v. 1. 8. 1894, S. 109 f.). S. a. seine Darstellung der eigenen Wagner-Begeisterung und die folgende Ansicht über den „gesunden" Nietzsche: „Was ich zuerst nur geahnt und wessen ich mir dann immer deutlicher bewußt wurde, das fand ich zu meinem Entzücken in Nietzsches begeisternd wirkender Schrift ,Richard Wagner in Bayreuth' endlich aufs treffendste ausgesprochen." (BB Bd. 24, Nr. 7-9 v. Juli-Sept. 1901, S. 256). 805 MERIAN, HANS (Basel 18. 2. 1857 - Leipzig 2 9 . 5. 1902), M u s i k k r i t i k e r .

1899 Friedrich von Oppeln-Bronikowski: die „Religionsstifter-Seele"

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869f Auch in NYStZg Sonntagsbl. Nr. 38 ν. 17. 9. 1899. Unverändert. 870 Zuckermann, S., Ein Besuch im Heim Friedrich Nietzsches. (BNN N r . 419 v. 7. 9. 1899). Berichtet über einen Besuch auf dem Silberblick in Weimar und überliefert einiges zur letzten Lebenszeit des Kranken, wohl aus dem Munde der Schwester. Viele Fehler im Einzelnen aber bezeugen eine ziemliche Flüchtigkeit in der Beobachtungsgabe. 870a Mit der Überschrift: Im Heime des verstorbenen Friedrich Nietzsche, auch in: K1J 22. Jg., Nr. 236 v. 28. 8. 1900. Inhaltlich weitgehendst unverändert. 871 Oppeln-Bronikowski, Friedrich v., Nietzsche und die Lehre von der Ewigen Wiederkunft. (MAZg Beil., Nr. 205 v. 9. 9. 1899). Verfasser ist der Meinung, daß es Nietzsches „Religionsstifter-Seele" gewesen sei, die den Gedanken von der „Ewigen Wiederkunft" geboren habe. Sie habe „psychologischen, nicht moralischen Werth" und lehre uns wieder einmal, daß „kein Mensch ohne Irrthum und Wahn, d. h. ohne subjektiven Glauben auskommt". 872 anonym, (Gr 58. Jg., 3. Vj„ Nr. 39 v. Sept. 1899, S. 626 f.). Gegen Ende einer längeren Sammelbesprechung wird Lichtenbergers Werk (Nr. 831), das „unser Urteil in keinem Punkte" habe ändern können: „an der Ich-Sucht ist er zu Grunde gegangen", seine Schriften seien „eine Art Pandoragabe", vorgenommen. Es bleiben dennoch neben Worten der Anerkennung für den Verfasser und die Schwester folgende: „Wer in seinem theistischen Glauben feststeht [...], der liest Nietzsche mit Nutzen, denn es giebt wenig alte Wahrheiten, über die der geistreiche Mann nicht neues Lichte verbreitet hätte." 873 S(ittard), J(oseph), (HC Nr. 425 v. 10. 9. 1899). Eine empfehlende Besprechung des Werkes von Lichtenberger (Nr. 831), bei der auch der „weitschweifigen" Einleitung der Schwester länger gedacht wird. 874 λ, (LCB1 Nr. 37 v. 16. 9. 1899, Sp. 1252). Eine recht kühle Besprechung des Werkes von Lichtenberger (Nr. 831), die nur die Erwähnung der Einflüsse auf Nietzsche in der Einleitung der Schwester als „recht dankenswerth" empfindet. Eine Besprechung der französischen Urfassung war schon früher erschienen (LCBl Nr. 34 v. 27. 8. 1898, Sp. 1259 f.), in der es heißt: das Werk sei „ein recht hübsches, recht lesbares Buch", doch „im Interesse der Klarheit und Ordnung werden die Probleme so vereinfacht, daß wir häufig nur stilisierte Bilder der Dinge bekommen". 875 m. g., (Zeit Nr. 260 v. 23. 9. 1899, S. 205). Zeigt die zweite Auflage des Werkes von Riehl (Nr. 610a) an, das „gerade dem mittleren Lesepublicum, welches den großen Psychologen nur aus den dünkelhaften Entstellungen der Zeitungen kennt", empfohlen wird. 876 Schultz, Dr. Richard, Nietzsches Beziehungen zu den Franzosen. (KöHZg Sonntagsbl. N r . 39, 1. Beil. z. Nr. 225 v. 24. 9. 1899). Befaßt sich mit Nietzsches „Uberschätzung der französischen Cultur und Litteratur" und verbindet damit eine günstige Besprechung des Werkes von Lichtenberger (Nr. 831). 877 Meisenbach, Hilda, St. Louis, Mo., Friedrich Nietzsche. (MisBll N r . 267 v. 24. 9. 1899, S. 19).

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1899 Max Falkenfelds Marx und

Eine recht allgemein gehaltene Darstellung, an der folgendes vielleicht vermerkt werden müßte: „Sein Ideal ist der sogen. .Herrenmensch' mit der ,Herrenmoral', die urwüchsige, in sich selbst vollendete, abgeschlossene Persönlichkeit - die nackte Schönheit und Gesundheit des Naturmenschen." 878 Schmitt, Dr. Eugen Heinrich, Das Gallwitzsche Nietzsche-Buch. (ML Nr. 42, 1899, Sp. 989-992). Obwohl im ganzen lobend meint der Besprecher, Gallwitzens (Nr. 685) Standpunkt gehe nicht „über ein verfeinertes und sittlich vertieftes historisches Christentum" hinaus und halte „insbesondere den metaphysischen Grundbegriff dieses Christentums, den äußerlich mit menschenähnlicher Planmäßigkeit seine Welt ordnenden äußeren Herrn fest". Dennoch begrüßt er, daß „der Verfasser auf die innige Ubereinstimmung von Grundgedanken Nietzsches mit den erhabensten Grundideen der Evangelien wiederholt hinweist": „Es ist nun der große Gedanke, daß der Mensch als Individualität eigentlich der geistigen, das heißt universalen Seite seines Bewußtseins nach ursprünglich selbst allumfassendes Leben sei, schon einmal aufgetaucht im Verlaufe der Geschichte: in Christus, der sich eins wußte mit dem Göttlichen Leben und dem Leben der Menschenbrüder." - „Nietzsche geht immer wieder von dem großen kulturellen Ereignis aus, daß ,Gott tot' sei, und sieht in diesem Begräbnis des Theismus, im Niedergang des Gedankens eines äußerlich herrisch willkürlich leitenden äußeren Gottes und Fürsten dieser Welt eine weltbefreiende Tatsache, nach welcher der Mensch erst frei aufatmen könne, nun erst seine eigene Göttlichkeit entfaltend." - „Die Lehre Nietzsches zeigt demnach zwei Seiten. Die eine zeigt dem Zeitalter sein Spiegelbild im Gorgonenschild der Wahrhaftigkeit, welches er jener großen Lüge entgegenstellt: [...] die ehrliche, kraftvolle, prächtige Bestie [...] der schleichenden und heuchelnden .christlichen' und humanitären Tierheit" gegenüber. „Die andere Seite [...] ist aber jenes Allleben der Individualität in poetischer, in prophetisch-visionärer Form erfaßt in der Lehre vom Übermenschen oder vom Menschen als ,Gott', [...] der [...] nur eine Tugend kennt, die .schenkende Tugend' dieses sich hingebenden sonnenhaften Allbewußtseins." 879 Eßwein, Hermann,806 Hölderlin und Nietzsche. (Rfa 1. Jg., 2. Bd., Nr. 18 v. 25. 9. 1899, S. 169-174). Verfasser holt gleich zu Anfang weit aus, um das Romantische an der Gegenwart zur eigentlichen Periode der Romantik in Beziehung zu bringen. Ihm schwebt als Höhepunkt des deutschen Geistes „die völlige Verschmelzung von Romantischem und Hellenischem" vor, und er erkennt in Nietzsche wie in Hölderlin die „in diesem Kampfe höchst ehrenvoll Besiegten". 880 Falkenfeld, Max, Marx und Nietzsche. Wilh. Friedrich. Lpz. 1899. 29 S., 4 Bll. Ein recht verworrenes „Schriftchen", das der „Versöhnung" zwischen Sozialismus und Individualismus dienen möchte. Unter anderem wird neben Nietzsche auch Theodor Fontane gegen die Vorwürfe der Sozialisten, vor allem Franz Mehrings, verteidigt. 881 w., (NZZg v. 26. 9. 1899).

806 ESZWEIN, HERMANN, geb. am 13. 5. 1877 zu Mannheim, veröffentlichte später Arbeiten über Strindberg und Kubin.

1899 Die billigere Gesamtausgabe in Kleinoktav

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Eine Besprechung des Buches von Lichtenberger (Nr. 831), das „dem Zusammentreffen französischer Feinheit mit deutscher Gründlichkeit" zu verdanken sei. Auch der einleitende Beitrag der Schwester wird begrüßt, wenn auch mit der Einschränkung, daß sie gegen Schluß einiges vorbringe, was „zum Teil überflüssig, zum Teil unfein, ja klein" sei. 882 anonym, Die Entwicklung eines modernen Titanen. (DtVfr v. 30. 9. 1899, S. 647 f.). Der „Titane" ist natürlich Friedrich „Nitzsche" (so durchweg) und der Anlaß, sich mit ihm zu beschäftigen, der erste Band der Lebensbeschreibung (Nr. 417). Er schleudere „seine wahnwitzigen Sätze wie vom Olymp [...], bis sein Größenwahn sich zum Größenwahnsinn entwickelt, in welchem er dann elendiglich untergeht". In der Zeit v o m März bis Ende September 1899 erschienen in rascher Folge die Bände der Gesamtausgabe in Kleinoktav und zwar in einer Auflage von zwischen 1500 (Band I) und 3000 (Band VI) Stück; die Bände II bis V, VII und VIII in einer Auflagenhöhe von je 2000: G k l Die Geburt der Tragödie. / Unzeitgemäße Betrachtungen. / Erstes bis viertes Stück. / Von / Friedrich Nietzsche. / 6. / 7. Tausend der Geburt der Tragödie / und der Unzeitgemäßen Betrachtungen. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899. 2 Bll., 1 Taf., ix S., 2 Bll., 616 S., 4 Bll. (= Vlgs.-anz.). S. 591-616 enthalten Nachberichte v. Arthur Seidl u. vergleichende Seiten-Tafel. (= Nietzsche's Werke. 1. Abt., Bd. I). G k l a Dass., 9. / 10. Tausend der Geburt der Tragödie. / Unzeitgemäße Betrachtungen: / 9. / 10. Tausend der drei ersten Stücke, / 10. / II. Tausend des vierten Stückes. 1903. xiii S., 1 Taf., 2 Bll., 617 S., 6 Bll. (= Vlgs.-anz.). S. 591-617 = Nachbericht u. vergleichende Seiten-Tafel. G k l b Dass., 23. / 24. Tausend der Geburt der Tragödie. / Unzeitgemäße Betrachtungen: / 23. Tausend des ersten und zweiten Stückes. / 23. / 24. Tausend des dritten und vierten Stückes. 1909. Gklc Dass., Alfred Kröner in Leipzig / (1917). 1 BL, 1 Taf., xiv S., 1 Bl., 608 S. S. 591-608 = Nachbericht. G k l l Menschliches, / Allzumenschliches. / Ein Buch für freie Geister. / Von / Friedrich Nietzsche. / Erster Band. / 6. und 7. Tausend. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899. 3 Bll., 414 S., 2 Bll. (= Unter Freunden. Ein Nachspiel), xxxvi S. (= Nachbericht v. Arthur Seidl, Aphorismen-Register u. Vergleichende Seiten-Tafel), 2 Bll. (= Vlgs.-anz.). (= Nietzsche's Werke. 1. Abt., Bd. II). G k l l a Dass., 28. Tsd. / Alfred Kröner Verlag in Leipzig / 1916. 3 Bll., 444 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.). S. 415-444 = Unter Freunden, Aphorismen-Register, Nachbericht v. Peter Gast, Aug. 1903, Lesarten-Verzeichniss). G k l l l Menschliches, / Allzumenschliches. / Ein Buch für freie Geister. / Von / Friedrich Nietzsche. / Zweiter Band. / 6. und 7. Tausend. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899. 3 Bll., 375, xxi S. (= Nachbericht v. Arthur Seidl, Aphorismen-Register u. Vergleichende Seiten-Tafel), 6 Bll. (= Vlgs.-anz.). (= Nietzsche's Werke. 1. Abt., Bd. III).

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1899 Auflagenhöhe gleich 2 000 - 3 000 Stück

GkIV Morgenröthe. / Gedanken über die moralischen Vorurtheile. / Von / Friedrich Nietzsche. / „Es giebt so viele Morgenröthen, / die noch nicht geleuchtet haben." / Rigveda. / 4. und 5. Tausend. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899. 3 Bll., 372, xv S. (= Nachbericht v. Arthur Seidl, AphorismenRegister u. Vergleichende Seiten-Tafel), 3 Bll. (= Vlgs.-anz.). (= Nietzsche's Werke. 1. Abt., Bd. IV). GkIVa Dass., 8. und 9. Tausend. 1905. 3 Bll., 391 S. (S. 373-378 = veränderter u. erw. Nachbericht v. P. Gast; S. 379-391 = Aphorismen-Register u. Vergleichende Seiten-Tafel). GkIVb Dass., 28. Tsd. Alfred Kröner Verlag in Leipzig (1920). 3 Bll., 386 S. (S. 373-386 = Aphorismen-Register u. Nachbericht v. Peter Gast, Febr. 1905). GkV Die / fröhliche Wissenschaft / („la gaya scienza"). / Von / Friedrich Nietzsche. / Ich wohne in meinem eignen Haus, / Hab niemandem nie nichts nachgemacht / Und - lachte noch jeden Meister aus, / Der nicht sich selber ausgelacht. / Über meiner Hausthür. / 4. und 5. Tausend. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899. 3 Bll., 362, xix S. (= Nachbericht v. Arthur Seidl, Register u. Vergleichende Seiten-Tafel), 6 Bll. (= Vlgs.-anz.). (= Nietzsche's Werke. 1. Abt., Bd. V). GkVI Also / sprach Zarathustra. / Ein Buch für Alle und Keinen. / Von / Friedrich Nietzsche. / 16.-18. Tausend. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899. 3 Bll., 1 Taf., 476, xviii S. (= Die Entstehung von „Also sprach Zarathustra" ν. E. Förster-Nietzsche, Nachbericht v. Peter Gast u. Vergleichende SeitenTafel), 8 Bll. (= Vlgs.-anz.). (Nietzsche's Werkes. 1. Abt., Bd. VI). GkVIa Dass., 31.-33. Tausend. 1902. GkVIb Dass., 41.-43. Tausend. 1904. GkVIc Dass., 62.-64. Tausend. 1907. GkVId Dass., 94.-96. Tausend. / Alfred Kröner Verlag in Leipzig / 1913. GkVIe Dass., 264.-266. Tausend. / Alfred Kröner Verlag in Stuttgart / 1921. 3 Bll., 1 Taf., 476, xi S. Die Vergleichende Seiten-Tafel fehlt. GkVII Jenseits von Gut und Böse. / Zur Genealogie der Moral. / Von / Friedrich Nietzsche. / 10. und 11. Tausend des Jenseits von Gut und Böse. / 8. und 9. Tausend der Genealogie der Moral. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899. 5 Bll., 484, xvi S. (= Nachbericht v. Peter Gast u. Vergleichende Seiten-Tafel), 9 Bll. (= Vlgs.-anz.). (= Nietzsche's Werke. 1. Abt., Bd. VII). GkVIIa Dass., 14. und 15. Tausend des Jenseits von Gut und Böse. / 11. und 12. Tausend der Genealogie der Moral. 1902. GkVIIb Dass., 19.-21. Tausend des Jenseits von Gut und Böse. / 15.-17. Tausend der Genealogie der Moral. 1905. GkVIIc Dass., Alfred Kröner Verlag in Leipzig. (1918). 5 Bll., 487 S. S. 485 ff. = Nachbericht von Peter Gast. GkVIId Dass., 1923. GkVIII Der Fall Wagner. / Götzen-Dämmerung. / Nietzsche contra Wagner. / Der Wille zur Macht / (I. Buch: Der Antichrist). / Dichtungen. / Von / Friedrich

1899 Theobald Ziegler: „die große Gegenströmung gegen den Socialismus eingeleitet"

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Nietzsche. / 8. und 9. Tausend des Fall Wagner und der Götzen- / Dämmerung; 7. und 8. Tausend der Dichtungen; 6. und 7. / Tausend von Nietzsche contra Wagner; / 5. und 6. Tausend / des Antichrist. / Leipzig / Druck und Verlag von C. G. Naumann / 1899, vi S., 2 Bll., 474 S., 6 Bll. (= Vlgs.-anz.). S. 435-474 = Nachberichte v. Arthur Seidl u. Vergleichende Seiten-Tafel). (= Nietzsche's Werke. 1. Abt., Bd. VIII). Ein Werk, bei dessen Abfassung Nietzsches Gedankenwelt zumindest eine kleine aber auffällige Rolle gespielt haben wird, ist zweifellos das von C. A. Friedrich vom betont christlichen Standpunkt aus verfaßte und 1899 erschienene: Der Uebermensch, der allein die soziale Frage lösen kann. 807 Den im Titel erwähnten Ubermenschen findet Verfasser in dem Menschen, „der nach dem Vorbilde Jesu Christi ein Ubermensch werden will", und „nur" ein solcher könne „die soziale Frage lösen". 883 Ziegler, Theobald, Friedrich Nietzsche. 1.-3. Tsd. Georg Bondi. Bln. 1900. xii, 302 S., 1 Bl. Erschien schon Ende 1899. (= Vorkämpfer des Jahrhunderts. Eine Sammlung von Biographien. 1. Bd.). Laut Vorwort „eine vielfach wortgetreue Wiedergabe" von Vorlesungen, die der Verfasser im Winter 1897 / 98 an der Straßburger Hochschule über Friedrich Nietzsche gehalten hatte. Nach ihm begann die „geistige Zerrüttung" zwischen den Jahren 1882 und 1885; dies will er vor allem am Stil festgestellt haben. Trotzdem und trotz der Bemängelung vieles Einzelnen an Nietzsche bleibt dieser dem Verfasser ein „Vorkämpfer", der „die Fahne des .ethischen Personalismus' wieder ergriffen und die große Gegenströmung gegen den Socialismus kräftig eingeleitet und theoretisch begründet" habe. Vermerkenswert sind die Ansichten des Verfassers über den Einfluß Nietzsches auf Rohde und Ree. Zum Dionysischen bei Nietzsche meint er, „was daran philologisch haltbar war, hat Erwin Rohde später in seinem Meisterwerk ,Psyche' des näheren ausgeführt", nämlich in der 1898 erschienenen zweiten Auflage, Bd.II, S. 38-102. Zu Rees „Ursprung der moralischen Empfindungen" heißt es: „[...] klingt doch gleich das Vorwort [...] ganz Nietzschisch in die Schlußworte aus: ,in dieser Schrift sind Lücken, aber Lücken sind besser als Lückenbüßer'; diesen pointierten Aphorismus könnte Nietzsche souffliert haben." 884 Wolff, Johanna und Gustav, Ahasver. Vlg. d. Dramaturg.Instituts. Bln. 1899. Mit einem Geleitwort aus „Zarathustra" und folgender Stelle zur Hauptgestalt des Stückes: „Uberwindend und Neues aufrichtend ging er schon durch die vorchristlichen Zeiten; mit dem Volke Israels schrie seine Sehnsucht nach einem Messias, und doch verwarf er den Erlöser, der ihm eine unreife und unvollendete Ausgestaltung des geahnten Menschentums erschien. - Im Mittelalter steht Ahasver als der ruhelose Faust; das tiefgründigste Forschen sowohl als der schwärmerische Frauenkultus jener Tage lassen ihn unbefriedigt. Weiter schreitet er - und kommt zu uns als der große Zauberer Zarathustra [...] Doch auch er hatte seine Irrlichter; er hat den

807 Vlg. v. Wilh. Friedrich. Lpz. 68 S., 1 Bl. (= Citate).

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1899 M. R. v. Stern: Seine Liebe küsse „die Stufen eines neuen Menschheitstempels"

Schrei seiner Zeit nicht verstanden und ist vorbei gegangen am Weibe, mißachtend dessen Wachsen und Werden - das war nicht seine kleinste Schuld!" 885 Heubaum, A(lfred),808 (AGPh 12. Bd., N.F. Bd. 5, H. 3, 1899, S. 361-375). In dieser Sammelbesprechung von 13 Werken über Nietzsche (Türk[so], Nr. 182; Zerbst, Nr. 216; Schellwien, Nr. 215, 615; Achelis, Nr. 306a; Maxi, N r . 360; Kretzer, N r . 363; Steiner, Nr. 405; Runze, N r . 513a; Ritsehl, N r . 555; Tönnies, Nr. 567; Wilhelmi, N r . 570 u. Riehl, Nr. 610) hebt der Besprecher das von Riehl zur besonderen Würdigung hervor. Er findet bei ihm den eigenen Standpunkt vertreten: „Nietzsche interessiert uns nur als Persönlichkeit [...], sofern er in unserer Zeit möglich war und bis zu gewissem Grade ihrem Denken und Empfinden Ausdruck verlieh." 886 Stern, Maurice Reinhold von, Jeannot Emil von Grotthuss und Friedrich Nietzsche. 886a Auch in Nr. 667a, S. 61-65. Bemängelt die Ausführungen von Grotthuß (Nr. 630): „Nietzsche aus der Natur seines Leidens heraus und überhaupt als spontane Erscheinung erfassen zu wollen, halte ich für durchaus unhistorisch und unpsychologisch." - „Die Zersetzung der ethischen Begriffe auf wissenschaftlicher Grundlage", die eine „unleugbare Tatsache" sei, habe verursacht, daß an Stelle der „Klassen-Utilität" die „Massen-Utilität als Grundlage der Moral" getreten sei, und an diesem Punkte setze die Kritik Nietzsches ein, „und zwar mit unerbittlicher, grausamer Schärfe". Er erscheine „lieblos aus übergroßer Liebe, die über die Zeit hinausbrandet und mit ihren Wellen die Stufen eines neuen Menschheitstempels küßt". Zu dieser Stelle meinte der Verfasser in der Buchausgabe anmerken zu müssen: „An anderer Stelle dieses Buches habe ich in einer Abhandlung (s. Nr. 667) älteren Datums gegen Nietzsche den Vorwurf mangelnder Liebe erhoben. In dieser Beziehung habe ich mein Urteil einer teilweisen Revision zu unterwerfen gehabt. Nietzsche erscheint allerdings lieblos, aber nur, weil seine Liebe die durchaus unpersönliche Form des Willens zur Veredlung der Menschheit angenommen hat." 887 Seliger, Paul (Leipzig-Gautzsch),809 (DR Bd. 24, Okt. 1899, S. 126). Eine Besprechung des Werkes von Lichtenberger in der Ubersetzung von OppelnBronikowski (Nr. 831), in dem Verfasser „eine erschöpfende und sich durch große Klarheit auszeichnende Darlegung der Grundgedanken der Lehre Nietzsches" gebe. Besprecher ist nämlich der Ansicht, daß man dem Verfasser zugeben könne, „daß Nietzsche in der That ein festgefügtes und wohlgegliedertes System im Kopfe gehabt hat und lediglich durch seinen Gesundheitszustand verhindert worden ist, es im Zusammenhange darzulegen". 888 Messer, Max, Die moderne Seele. Herm.Haacke. Lpz. 1899. (Darin: Der Ubermensch, S. 89-96).

808 HEUBAUM, ALFRED (Sagen 17. 7. 1863 - 7. 12. 1910), später Direktor der Kgl. AugustaSchule zu Berlin. 809 SELIGER, PAUL (Lauban / Preußisch-Schlesien 29. 8. 1853 - Gautzsch b. Leipzig 1910), Bühnendichter.

1899 Max Messer: „Der zweite Christ wird der Übermensch sein!"

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Unternimmt die Nutzbarmachung des Begriffes „Übermensch" zur Erneuerung der christlichen Idee, denn „das Wesen der modernen Seele ist ihre Sehnsucht, über sich selbst hinauswachsend, den Gesamtorganismus des Menschen zu einem neuen, höheren Organismus zu erheben. Aus dieser Sehnsucht blüht uns die wahre, innerste Idee des Christentums wieder auf [...] Was Jesus Christus den ,Gottmenschen', .Gottessohn'" genannt habe, heiße „in unserer, den religiösen Uberlieferungen feindlichen Zeit: der Übermensch". Nietzsche selbst ist dem Verfasser „der erbarmens- und bewunderungswürdigsten Denker unseres Jahrhunderts [...] In welche Irrwege ward er verstrickt, zu welchen Martern des Geistes vom Schicksal verdammt, da er es unternahm, das in ihm verborgen wurzelnde Ideal des Herzens durch das Ideal des Verstandes zu ersetzen!" 888a Dass. 3. Aufl. Herrn. Seemann Nf. Lpz. 1903, S. 97-104. Der gesperrt gedruckte Schlußabsatz fehlt: „Denn, sagen wir es klar und eindeutig: der zweite Christ wird der Übermensch sein! Ihn erwarten wir alle, demütige Johannesse, ihn verkündend, und bereit vor seiner Glorie in den Staub zu sinken!", sonst unverändert. 889 Förster-Nietzsche, Elisabeth, Friedrich Nietzsche über Weib, Liebe und Ehe. (NDRs 10. Jg., H. 10 v. Okt. 1899, S. 1058-1078). Aus Werkstellen, Briefen und Gesprächsteilen stellt hier die Schwester ein Bild von Nietzsches Verhältnis zur Frau zusammen. 890 Bartels, Adolf, Die Modernitis. (Kw 13. Jg., H. 1 = 1. Okth. 1899, S. 8 f.). „Die Modernitis ist [...] die ungesunde Reaktion auf die ungesunde Aktion", und Verfasser ist „es einigermaßen klar, daß es Friedrich Nietzsche ist, der das ganze Unheil angerichtet hat [...] Hoffentlich kommt uns bald der Mann, der über Nietzsche und die Kunst [...] mit warmem Respekt vor diesem Hochbedeutenden, aber doch ohne Trunkenheit, klar Durchdachtes schreibt. Ich wage einstweilen nur das Paradoxon, daß Nietzsche die höchsten Anschauungen von der Kunst gehabt hat, selbst einer der feinsten Sprachkünstler gewesen ist und doch das besondere Wesen der Kunst als Kunst nicht allzutief erfaßt hat." Die Bevorzugung Heines vor Goethe dient dem Verfasser als ausreichender Beweis. 891 Bonus, Zum Nietzsche-Problem. (DH 5. Jg., Beibl. z. Nr. 40 f. v. 1. u. 8. 10. 1899, S. 9 f., 9 f.). Das „ausgezeichnet geschriebene" Nietzsche-Buch von Riehl (Nr. 610) dient dem Verfasser nur zum Anlaß, seine eigenen Gedanken über Nietzsche zu entwickeln: es gelte „das Problem Nietzsché zu fassen als einen dreimaligen Versuch, von zum Teil geradezu entgegengesetzten Standpunkten aus die Kultur der Zeit zu überrennen"; man müsse „die ganze Nietzschesche Weltdichtung in drei Gesängen [...] als ein Experiment ernstlich auf etwa annehmbare Ergebnisse prüfen". Dabei sei „die kulturwertliche Ausbeute völlig leer an Schlußresultaten, aber überraschend groß an neuen, genialen Fragestellungen". 892 anonym, Neues über Friedrich Nietzsche und das Nietzsche-Archiv. (NTB1 v. 5. 10. 1899). Erzählt von einem „unlängst" im Archiv abgestatteten Besuch und dabei hochlobend vom dem Wirken der Schwester und dem Zustand des Kranken, von letzterem wohl aber nach Erzählungen der Schwester, und nichts Neues bietend.

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1899 Ziegler: ein Meteor und Irrlicht, „ein Gestirn, das leuchtet, schwerlich wärmt"?

893 Hüppert, Dr., Bensheim, Die moderne Litteratur in ihren Vorzügen und Mängeln. (G Wissenschaftl. Beil. Nr. 40 v. 5. 10. 1899, S. 313-316). Lesenswert an dieser längeren Rede, gehalten auf der Generalversammlung der deutschen Katholiken zu Reisse, ist die gänzliche Ablehnung „des jüngsten Philosophen des Unglaubens": „So wenig der katholische Philosoph den Leitsätzen des wahnsinnigen Nietzsche folgen darf, ebensowenig darf und kann der katholische Künstler den auf dieser gottlosen Philosophie aufgebauten ästhetischen Grundsätzen huldigen. Sie sind auch so falsch wie die Philosopheme eines Nietzsche." 894 Heyn, P. (Siegroth / Schlesien), Die Wahrheit über Nietzsche. (KMs 19. Jg., H. 1 f. v. 9. 10. u. 6. 11. 1899, S. 41-50, 91-100). Verfasser behandelt die Werke ab „Morgenröte" und will „denen die Augen öffnen, die Nietzsche bisher für einen harmlosen Schwärmer gehalten und an seinen Schlagworten von der .blonden Bestie', dem .Herdentier' und dem .lachenden Löwen' sich mit billigem Witze ergötzt haben", denn ihm ist Nietzsche „eine schwere Gefahr [...] für unsere gebildete deutsche Jugend". 895 Landauer, Gustav (Friedrichshagen), Der neue Gott. (Ges 15. Jg., 4. Bd., 2. Okt.-heft 1899, S. 119-122). Bespricht das gleichnamige Werk von Hart (Nr. 811), dem Besprecher „ein schlechter Freund" wäre, wenn er es unterließe „zu bekennen", „daß ich dieses Buch gar nicht liebe". Er vermißt an dessen Optimismus, daß es ein solcher „trotz und neben dem Pessimismus" sei: „[...] eine Selbstgewißheit und Weltanerkennung ließe ich mir gern gefallen, wenn sie getränkt wäre von Skeptizismus." „Dieses Heraufkommen des höchsten Glückes aus den allertiefsten Leiden, diese Wonnefülle als Kind der kritischen Zweifelssucht, das ist es, was Friedrich Nietzsche zu einer so prächtigen, so erquicklichen, so liebenswerten Erscheinung macht." Hiermit leitet Besprecher zu einer Verteidigung des Denkers über, da „sich ein ganzer Abschnitt des Buches" gegen ihn richte. Er findet das nicht nur „ungerecht", sondern „auch unklug; denn es finden sich die besten Gedanken Harts in anmutiger Schärfe und erfreulicher Klarheit schon bei Nietzsche". 896 Ziegler, Theobald, Die geistigen und socialen Strömungen des Neunzehnten Jahrhunderts. 1.-5. Tsd. Georg Bondi. Bln. 1899. (= Das Neunzehnte Jahrhundert in Deutschlands Entwicklung. Hg. v. P. Schlenther. Bd. 1). Im letzten von vier Teilen: „1871 bis zum Ende des Jahrhunderts", und darin im 3.(bzw. 14.) Kapitel: „Fin de siècle", gibt es zwei Abschnitte: „Friedrich Nietzsche" (S. 586-598 m. e. Taf. η. d. Gemälde v. C. Stoeving) und „Die Wirkung Nietzsches" (S. 598-605), denen „Der Anarchismus" voraufgeht und „Andere Vertreter des Individualismus" folgt. Zum Schluß heißt es: „So ist der Einsame, dem vor seinen ersten Jüngern graute und der am liebsten gegen den Strom schwamm, selbst ergriffen worden vom breiten Strom der Mode und der Masse, und sein vom Größenwahn verzerrtes Bild nur immer verzerrter geworden. Erst wenn dieser Strom abgelaufen ist, wird sich bestimmen lassen, ob er ein vorübereilendes Meteor und Irrlicht war, oder ein Gestirn, das leuchtet, schwerlich wärmt." 896a Dass. m. leicht geänderter Uberschrift: Die geistigen und sozialen Strömungen Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert. 15.-20. Tsd. Ungekürzte Volksausg. 1911.

1899 Ernst Ziel: „ein Abstieg zur Vergangenheit, eine Hintertreppe des Rückschritts"

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Über Nietzsche zusammenhängend auf S. 588-607 (m. e. Taf. η. d. Statue v. Max Klein). Hinsichtlich Nietzsches Wirkung weiß der Verfasser jetzt zu bemerken: „[...] in dem Maße, in dem sich unsere Dichter diesen beiden [Ibsen ist mitgemeint] genähert und sie zu Führern und Vorbildern genommen haben, sind sie auf Irrund Abwege geraten, sich selbst immer unverständlicher, uns nur immer ungenießbarer geworden." (S. 674) Sonst nur wenige stilistische Änderungen in der Darstellung Nietzsches. 896b Dass. Die geistigen und sozialen Strömungen im 19. und 20. Jahrhundert. 21. bis 23.Tsd. Neue, vollst, überarbeitete Volksausg. 1916. Zusammenhängend über Nietzsche auf S. 517-533. Trotz der „Überarbeitung" sind die Nietzsche betreffenden Stellen nur geringfügig geändert worden. 897 Ziel, Ernst, 810 Von heute. Gedanken auf der Schwelle des Jahrhunderts. H. Haessel. Lpz. 1899. vi, 161 S. Enthält „Aphorismen", die „im Laufe der letzten zehn bis fünfzehn Jahre als gelegentliche geistige Niederschläge aus verschiedenartigen Studien [...] entstanden" seien - „Findlinge des Gedankens". S. darin S. 9 („Eine Religion des Mitleids muß kommen (gemäß Schopenhauer und trotz Nietzsche's, des Mitleids nicht im Sinne des weltflüchtigen Christentums sondern im Geiste eines ganz durchweltlichten Humanismus."), 109 („Strindberg in seinem Verhältnis zum Weibe unterliegt dem Einflüsse Nietzsches."), 112 f. („Friedrich Nietzsche - ein Stern aber ein Irrstern! Fühlt sich als Aufstieg zur Zukunft und ist nur ein Abstieg zur Vergangenheit, eine Hintertreppe des Rückschritts. Will ein begreiflicher Denker sein und ist nur ein - immerhin großartig veranlagter - Repräsentant der romantisirenden Undeutlichkeit. Nach dem .Willen zur Macht' schreit er - den Wahn der Macht hat er - den Wahn der Größe. Und daß dieser philosophische Größenwahn eines kranken Dekadenten ein so großes beifallklatschendes Publikum gefunden, ist das einzig Wichtige an dem ganzen Nietzsche; denn es beweist uns, wie krank wir selbst sind [...] In einer Zeit der Collektivirung auf allen Gebieten des Lebens, [...] ist Nietzsche das potenzine und rabiat gewordene Ich, [...] der Fanatiker des Zuchtlosen Individualismus, ein überreizter Idealanarchist." 898 Oehler, August, Der Tragiker. (BK 4. Jg., Nr. 4, 1899, S. 118). Ein zehnzeiliges Gedicht, das Nietzsche zum Gegenstand der Verehrung haben soll: „Wir scheiden aus dem hause eines Wunderbaren [...] / [...] / [...] Hier war er mit dem heldentum und mit der sage / Allein und sah von hier das viel besungne meer / [...] / Jezt seien seine tage frommen dank geweiht [...]" 8 n

810 ZIEL, ERNST (Rostock 5. 5. 1841 - Berlin 16. 2. 1921), Schriftsteller, 1872 bis 1883 Schriftleiter der „Gartenlaube". Rudolf Steiner besprach das W e r k und ärgerte sich gerade über die Geißelung Nietzsches als Fanatikers des zuchtlosen Individualismus, eines überreizten Idealanarchisten. Dieser hätte den Verfasser zweifellos „unter die Kategorie der ,Bildungsphilister' gereiht", doch dürfe man dabei nicht vergessen, „daß Nietzsche den Ausdruck... im Hinblick auf...Strauß geprägt hat", und man könne sich „nur recht viele...solchen Schlages" wünschen. (ML v. 10. 3. 1900, Sp. 241-244) 811 U b e r das Gedicht schreib Claude David: „Zweifellos an die Gestalt Nietzsche denkt jedoch August Oehler bei seinem Gedicht ,Der Tragiker' (B. f. d. Κ., IV, 4). Es sind dies die ersten Symptome eines Einflusses, der sich noch deutlicher abzeichnen wird." (Stefan George. Sein

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1899 G. Runze: Wie bei Julius Bahnsen "ein pessimistischer Zug [...] unverkennbar"

899 Deter, Chr. Joh., Kurzer Abriß der Geschichte der Philosophie. 6. bis auf die neueste Zeit fortgeführte Ausg. v. Prof. D. Dr. Georg Runze (ao. Prof. d. Theol. in Berlin). W. Weber. Bln. 1899, S. 140. Im Anschluß an Ed. v. Hartmann wird Nietzsche als einer, der auch von Schopenhauer ausgegangen sei, gekennzeichnet, „der in grundsätzlicher Verneinung aller Transzendenz und aller Ethik eine optimistisch-eudämonistische Disseitigkeitslehre empfiehlt, deren Prinzip der .Wille zur Macht', deren nächstes Ziel eine .jenseits von Gut und Böse' zu verwirklichende aristokratisch-ausschließliche .Herrenmoral' mit dem fernen Ziele der Züchtung des .Ubermenschen' und deren Methodik eine radikale .Umwertung aller Werte' sein soll. Lesenswerteste Schriften: Jenseits von Gut und Böse, 1886. Genealogie der Moral, 1887. Also sprach Zarathustra, 188391." Doch sei bei ihm, wie auch bei Julius Bahnsen, „ein pessimistischer Grundzug [...] ebenso unverkennbar". Erwähnung der „Genealogie" noch mal auf S. 145. 899a Dass. (jetzt:) Abriß der [...] 7. Aufl. umgearb. u. bis auf die neueste Zeit fortgeführt. 1901. Die Behandlung ist wesentlich erweitert und die Ablehnung ausdrücklich geworden: „Nietzsches Gedankenbau ist keine eigentliche Philosophie [...] Die poetische Kraft und Klarheit seiner Sprache verdeckt oft die Oberflächlichkeit seines Denkens [...] Der Atheismus Nietzsches wirkt um so trostloser, als er die stoische Lehre von der .ewigen Wiederkunft' des Daseinskreislaufes als einzigen Mittelweg zwischen dem Gottesglauben und dem brutalen Materialismus geistloser Indifferenz wählt." (S. 168 f.) An anderer Stelle meint Verfasser, daß Nietzsches Einfluß „hauptsächlich auf seiner bis ins Krankhafte gesteigerten Virtuosität in psychologischer Analyse des intellektuellen und moralischen Bewußtseins" beruhe. Auch gehöre er, zusammen mit Wundt und Fechner, zu den „Vorkämpfern der Sprachpsychologie" und habe „in der .Genealogie der Moral' wertvolle Fingerzeige gegeben, wie man die Ergebnisse der Sprachforschung für die Lösung der philosophischen Probleme furchtbar machen könnte". (S. 158) Neu ist noch der beiläufige Vergleich mit Ed. v. Hartmann auf S. 164. 899b Dass. 8. überarbeitete Aufl. 1906, S. 177 f. Neu ist die Erwähnung des „Antichrist", der in seiner „maßlosen Übertreibung schon den Stempel des Wahnsinns" trage, sonst kaum verändert. 899c Dass. 10. u. 11. neu bearb. Aufl. v. Dr. Max Frischeisen-Köhler (Privatdozent a. d. Univ. z. Berlin). 1912, S. 172 f. Nietzsche dient dem Verfasser als einziges Beispiel der „Richtung auf systemfreie Philosophie", und seine Darstellung beansprucht bedeutend weniger Raum. Bei ihm verliere die Philosophie „alle Züge von Wissenschaftlichkeit [...], um sich visionärem Prophetentum und den Formeln orientalischer Spruchweisheit anzunähern. Charakteristisch ist hierfür die Auflösung der Darstellung in Aphorismen." Seine Entwicklung sei „letzthin in der Zwiespältigkeit seiner Natur, die ein Ausdruck der Zerrissenheit unseres modernen Kulturbewußtseins ist, begründet. Die beiden Ten-

dichterisches W e r k . Hanser. Mchn. 1967, S. 439); OEHLER, AUGUST (lt. G . P. Landmann, Stefan George u. s. Kreis. E. Bibliographie. H a m b . I960, S. 278: eigentl. Mayer, August, 1881 - 1920, übersetzte 1917 u. 1920 T e x t e aus dem Griechischen).

1899 Monty Jacobs: Ein begnadetes Kiinstlertum „als Triebfeder und Urgrund"

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denzen, welche in der Aufklärung und in der Romantik ihren geschichtlichen Ausdruck gefunden haben, sind in ihm vereinigt." 900 J., M.,812 Eine neue Nietzsche-Biographie. (BBC Nr. 485 v. 15. 10. 1899). Bespricht das Werk von Ziegler (Nr. 883), das als „eine populäre Darstellung [...] zwischen den kämpfenden Moralisten und dem großen Publikum" vermitteln wolle. Die wichtigste Anforderung habe das Buch aber dennoch erfüllt: „Die Aufdekkung eines unendlichen Schönheitscultus, eines begnadeten Kiinstlertums als Triebfeder und Urgrund in Nietzsche's Schaffen." 901 Friedlaender, S.,813 Im Banne Friedrich Nietzsche's. (WaM Nr. 42 v. 16. 10. 1899). Eine Würdigung zum „Geburtstag des Philosophen, der nicht, wie der Mißverstand der Thoren wähnt, gegen alle unsere Ideale, gegen alles Gute, Wahre, Schöne: sondern gegen die entsetzliche Zahmheit unserer Ideale seinen gewaltigen Krieg" beginne. 902 Trost, Karl, Die Philosophie Nietzsches und die Probleme der Gegenwart. (NAZg Nr. 244 v. 17. 10. 1899). Begrüßt das Werk von Grimm (Nr. 828), dem „die erkenntnistheoretischen Gebrechen des Nietzscheschen Philosophirens so klar vor Augen stehen". Nietzsche habe zwar „für das Faule und Faulige am modernen Leben [...] noch am meisten Verständniß, nicht aber für seine jungen und modernen Kräfte". Er sei schließlich „der schlimmste der Bildungsegoisten" gewesen. 903 anonym, Friedrich Nietzsche und die Kultur. (BT Nr. 555 v. 31. 10. 1899). Berichtet über einen Vortrag von Johannes Müller in der Hochschule für Musik, aus dem „statt der erwarteten Verurtheilung eine warme Schutzrede für den genialen Philosophen und Menschen" sich entwickelte: „Man konnte die Enttäuschung auf vielen Gesichtern lesen, als der Redner immer lebhafter forderte: Respekt vor der Persönlichkeit Friedrich Nietzsches!" 904 Repke, J., P. prim, Freiburg / Schles.,814 Friedrich Nietzsche. Seine Moralkritik und sein Moralideal. (Rb 27. Jg., Nr. 258 ff. v. 1., 2. u. 3. 11. 1899). Betont das Zerstörerische und Gottlose in Nietzsches Moral. Sein Ideal hänge „auf das Engste zusammen mit seiner materialistisch-monistischen Psychologie". Trotz gänzlicher Ablehnung vergleicht Verfasser Nietzsche dennoch mit Ikarus, Prometheus, dem ersten Menschenpaar, Nebukadnezar und Napoleon. 905 anonym, Subjektivismus. (Ebd., 27. Jg., Nr. 266 v. 10. 11. 1899). Setzt sich mit den Äußerungen Johannes Müllers zum Gegenstand auseinander und zwar mit solchen, die dieser in seinen „jetzigen" Vorträgen (s. Nr. 903), „einer Apologie Nietzsches", mache. „Herr Dr. Müller hat offenbar keine Ahnung davon, welche sittliche Verirrung die Herrenmoral Nietzsches, seine Theorie vom Ubermenschen, [...] seine Verachtung des Weibes [...], seine Geringschätzung des Volkes,

812 JACOBS, MONTY (Stettin 5. 1. 1875 - London 29. 12. 1945), promovierte 1897, Journalist in Berlin, flüchtete 1938 nach England. 813 FRIEDLÄNDER, SALOMO (Gollantsch / Posen 4. 5. 1871 - Paris 9. 9. 1946), philosophischer Schriftsteller und Humorist, promovierte 1902. 814 REPKE, JOHANNES, geb. 1859, später Superintendent zu Michelau.

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1899 Arno Neumann: „ein gesundes Gegengift [...] gegen mattherzige Demokratisierung"

[...] seine materialistische Theorie des Menschen [...] in der gebildeten Jugend angerichtet hat [...]" 906 Neumann, Arno, 815 Die Gedankenarbeit Friedrich Nietzsches. (WeiZg N r . 267 v. 12. 11. 1899, Sonntags-Beil., 3. Bl.). Würdigt das Werk von Grimm (Nr. 828) und lobt, daß es nur auf die „unpersönliche Seite des Gegenstands" hinziele, „so sehr, daß irgendwelche Leidenschaftlichkeit der Erörterung selbst im Stile des Buches unmöglich wird". Dem Besprecher ist Nietzsche trotz seiner Ausfälle gegen Christen- und Deutschtum „ein gesundes Gegengift [...] gegen eine mattherzige Demokratisirung und Trivialisirung der moralischen Wertbestimmungen". 907 de Gourmont, Remy (Paris),816 Pariser Briefe. Nietzsche in Frankreich. - Aus der Provinz. (WRs 3. Jg., Nr. 24 v. 15. 11. 1899, S. 569-572). Aus dem Manuskript übers, v. Clara Theumann. Verfasser glaubt, „daß die französische Literatur von Nietzsche gut beeinflußt wird", und daß die „scheinbare Ungerechtigkeit, die im socialen Kampf den Schwachen durch den Starken zerschmettert, unser letzter Rettungsanker, unsere letzte Kräftequelle als Schutz gegen die Vorherrschaft der Schwächern und des Verfalls" sei. 908 Steiner, Rudolf (Berlin), Lyrik der Gegenwart. Ein Uberblick. IV. (Ges 15. Jg., Bd. 4, 1899, S. 317-323 = Vorlesung, gehalten am 14. 11. 1899 in Berlin). „Der Traum vom Ubermenschen ist seine Philosophie; sein wirkliches Seelenleben mit der tiefen Mißstimmung über die Unangemessenheit des eigenen Daseins gegenüber allem Ubermenschentum erzeugte die Stimmungen, aus denen seine lyrischen Schöpfungen entsprungen sind." Die Vorträge behandelten neben Nietzsche, der nach Mackay am ausführlichsten erwähnt wird: Storm, C. F. Meyer, Keller, Joh. Georg Fischer, Fontane, Heyse, Martin Greif, J. J. David, F. v. Saar, SchoenaichCarolath, E. v. Wildenbruch, A. v. Puttkamer, H. u. J. Hart, Liliencron, Bierbaum, G. Falke, O. Ernst, A. v. Wallpach, W. v. Scholz, H . Salus, Hartleben, F. Avenarius, L. Jacobowski, C. Busse, M. Boelitz, P. Remer, K. Geucke, F. Lienhard, Ricarda Huch, A. Ritter, M. Stona, Th. Lingen, Conradi, Dehmel, L. Scharf, Morgenstern, F. Evers, H. Benzmann, M. Bruns, K. Henckell, B. Wille, C. Müller, G. Renner, P. Bornstein, E. v. Bodman, George, Hofmannsthal, Schlaf, Holz, Flaischlen, Schaukai, Rilke u. H. Bethge.817

815 NEUMANN, ARNO (Weimar 11. 6. 1872 - Jena 5. 8. 1926), später Oberrealschulprofessor in Jena. 816 GOURMONT, REMY DE (Château de La Motte i. d. Normandie 4. 4. 1858 - Paris 25. 9. 1915), Schriftsteller, 1883-1891 Bibliothekar an der Bibliothèque Nationale, lebte darauf in Paris zurückgezogen. Franz Blei berichtet über ein Gespräch mit ihm „über den Einfluß Nietzsches auf die französische Geistigkeit. Er gab nur sehr eingeschränkt solchen Einfluß zu als Befreiung zu sich selber, aber diese Befreiung vollzöge sich durchaus innerhalb der klassischen Ordnung französischer Kultur, nicht der anarcho-romantischen deutschen. Er nannte diesen Einfluß pascalisch vorbereitet [...]" (F. B., Zeitgenössische Bildnisse. A. de Lange. Amsterdam 1940, S. 135). 817 Erwähnenswert ist Steiners Vortragstätigkeit an der Arbeiter-Bildungsschule in Berlin vom Anfang 1899 bis Ende 1904. Unter seinen Hörern befanden sich „Stirnerianer [...], Anhänger von Krapotkin und Tolstoi, strenge Marxisten" und „Mitglieder des jüdischen Arbeiterbundes". An einige Abende, die den Dichtern galten, erinnerte sich ein damaliger Hörer:

1899 Gustav Naumanns Zarathustra-Commentar

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908a Auch als Sonderdruck: Lyrik der Gegenwart. Bruns Vlg. Minden 1900. Über Nietzsche S. 22 ff., unverändert. 909 anonym, Die „Moral des Übermenschen". (NPrKz Nr. 540 v. 16. 11. 1899). Bezichtigt „die Führer der Sozialdemokratie" der geheimen Zuneigung zur „Nietzeschen ,Herrenmoral'" im Zusammenhang mit einer längst vergessenen Auseinandersetzung mit einem „alldeutschen" Blatt. Dem entgegen meint Verfasser, frevele „an unserer Jugend, wer ihr eine ,Herrenmoral' predigt, die den Einzelnen in den Abgrund verlockt, die Gesammtheit aber der Anarchie überliefern müßte". 910 Fuchs, G., Nietzsche. (DAG 1. Jg., Nr. 8 ff. v. 24. 11., 1. u. 8. 12. 1899, Sp. 186 ff., 209 ff., 229-232). Bespricht die Werke Lichtenbergers (Nr. 831), Grimms (Nr. 828) und Zieglers (Nr. 883), aber eigentlich nur am Rande, denn dem Verfasser ist Nietzsche „ein sehr scharfer Weck- und Bußruf", und er möchte ergründen, wie eine solche Erscheinung „aus einem evangelischen Pfarrhause" hervorgegangen und „auf christlichen Schulen und Hochschulen unterwiesen worden" sei. Der Schluß lautet dann: „Nietzsche ist eine lebendige Warnung für den großen Garten, in dem ein tüchtiges Geschlecht nachwachsen soll. Seine Spuren schrecken, und nirgends wird man ihm folgen können, weder in Familie noch in Schule, weder in Gemeinde noch im Staate." 911 Naumann, Gustav, Zarathustra-Commentar. 1.-4. Tl. H. Haessel. Lpz. 18991901. 1 Taf., 224 S. / 174 S., 1 Bl. / 196 S., 2 BU. / 329 S., 3 Bll. (= Berichtigungen u. Vlgs.-anz.). Die einzelnen Teile erschienen vom Ende 1899 bis in den Anfang des Jahres 1901. Trennt sich im Vorwort ebenso von den „dummen Gläubigen" wie von den „geifernden Widersachern", aber am entschiedensten von der Schwester und deren Biographie (Nr. 417, 547), die über die tiefe Fremdheit, die der selbständig gewordene Nietzsche ihr gegenüber empfunden habe, hinwegtäuschen wolle. Er meint, „der Wert des Wiederkunftsgedankens, der Übermenschenlehre, des Zarathustrabuches" finde „sein Schwergewicht nicht in logischem Intellektualisieren, sondern in religiösem Empfinden". Im Vorwort zum zweiten Teil bringt er zahlreiche Stellen aus Briefen (v. 10. 3. 1893 - 3. 12. 1896) der Schwester an ihn zum Herausgeberstreit, betreffend Dr. Max Zerbst, Peter Gast, Rudolf Steiner, Eduard von der Hellen, Ernst Horneffer und vor allem Fritz Koegel sowie zum Schluß sich selbst.818 In

„Ihm sprach immer der revolutionäre Geist aus diesen Versen, der heiße Wille der Empörung gegen die engstirnige Einstellung und die unheilbare Kurzsichtigkeit des Bürgertums und die aus geistiger Schau gewonnene Erkenntnis von der Notwendigkeit - und hier zitierte er wieder Marx - , die Welt zu verändern. Immer war es Steiner, der uns lehrte, es komme auf uns selbst an, unser Leben zu gestalten nach unserer Erkenntnis. Die Erneuerung wartete auf uns, auf daß wir - nach Nietzsche - dem Überalteten und Überlebten den entscheidenden Stoß gegeben." (Mücke, Johanna u. Alwin Alfred Rudolph, Erinnerungen an Rudolf Steiner und seine Wirksamkeit an der Arbeiter-Bildungsschule in Berlin 18991904. R. G. Zbinden. Basel 1955, S. 48). 818 Naumann verfaßte auch eine „Streitschrift" gegen die Schwester in Sachen der zahlreichen Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Mitarbeitern im Archiv: „Der Fall Elisabeth". Vervielfältigtes Manuscript. (27. 12. 1896). 4 Bll., 46 S. E r schöpft vornehmlich auch aus Briefen der Schwester an die Firma C. G. Naumann, bei der sein Vater Carl Gustav neben

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1899 Leixner: Kein bleibender „Einschlag in dem Gewebe deutscher Gesittung"

der Vorrede zum dritten Teil wird neben Zurückweisung einer Behauptung Rudolf Steiners, daß der Wiederkunftsgedanke im Zarathustra nicht vom ersten Range sei, auf die Vergleichsmöglichkeiten zwischen Zarathustra und Hölderlins „Hyperion" hingewiesen. Als „arger Skeptiker" glaubt der Verfasser dennoch „an den Glauben" und ferner, „daß sich die lebensbejahende dionysische Lehre in tausend Jahren auf dem Wege zum Siege befinden werde". 911a Dass. Wiederkunft. Sonderdruck aus Zarathustra-Commentar. Vierter Theil. H. Haessel. Lpz. 1901. 56 S. = S. 237-290. Unverändert. 911b Es gibt auch einen 16seitigen Verlagsprospektus, der die Seiten 3-11 und 123 ff. zum Abdruck brachte. Die Seiten 14 ff. enthalten Anzeigen zweier anderer Werke desselben Verfassers. 912 Conrad, Dr. Michael Georg (München), Der Kampf um Nietzsche. (Wage 2. Jg., Nr. 48 v. 26. 11. 1899, S. 811-814). Eine Zurückweisung der Werke von Otto Henne am Rhyn (Nr. 807), Ziegler (Nr. 883), Eduard Grimm (Nr. 828), Gustav Naumann (1. Tl., Nr. 911) und Paul Mongré („Das Chaos in kosmischer Auslese", s. Anm. 630) zugunsten Nietzsches, dessen „innerstes Wesen" dem Besprecher „heldenhafte Wahrhaftigkeit" gewesen ist. 913 (Leixner, Otto von), Uberflüssige Herzensergießungen eines Ungläubigen. VIII. Etwas über Nietzsche. (TRs Unterhaltungsbeil. Nr. 278 f. v. 26. u. 28. 11. 1899, S. 1109 ff., 1113 f.). Erst nach einer überlangen, allgemein gehaltenen Einleitung geht Verfasser zur Darstellung Nietzsches über und zwar hauptsächlich nach der der Schwester. Nietzsche mitleidsvoll gesonnen geht es dem Verfasser um zweierlei, den ,,halbe[n] Dichter" zu verstehen und dessen Wirkung entgegenzuarbeiten. Der frühe Tode des Vaters, der überwiegend weibliche Einfluß und „die Uberlieferung, adligen Stammes zu sein", haben in ihm einen „Zwiespalt" verursacht: „er beginnt sich eine innere Welt aufzubauen, die rein auf der Einbildungskraft ruht und mit der Wirklichkeit nichts zu thun hat." Er gehe „nicht von der Sammlung festgestellter Thatsachen aus, sondern von Gefühlen - wie der Dichter oder die Frau", und es walte in diesen Gefühlen ein „künstlerischer Rauschzustand". Hinzukommen „der frühe erwachte ästhetische Trieb" und das im „weiblichen Teile seines Wesens" wurzelnde „Bedürfnis nach Liebe". „Das Weibliche und das Künstlerische in seinem Wesen" seien der Grund, „warum er unter Frauen, Künstlern und Jünglingen so viele Verehrer gefunden hat". Alle seine Vorstellungen seien „ästhetische Gebilde". Die Einheitlichkeit Heraklits habe ihm gefehlt, die Erkenntnis des Zusammenhangs „zwi-

Constantin Georg Mitinhaber war, aus der Zeit v o m 10. M ä r z bis zum Ende Dezember, betreffend vor allem Zwistigkeiten mit Gast, Koegel, Zerbst, von der Hellen und Steiner die betreffenden Stellen in der F o r m von Auszügen, nie von ganzen Schriftstücken. Im Mittelpunkt steht aber das Verhältnis zu Koegel. Verfasser bringt auch einiges Mündliche, sowie einen Brief Gasts an Koegel v. 19. 2: 1894, der einiges über Gasts Verhältnis zu Nietzsche und das Nietzsches zu dessen Schwester enthält. Gestreift werden auch Overbeck, die Familie Geizer, Kurt Hezel, Hecker, Heitmüller und Meta von Salis-Marschlins. Lesenswert auch die Zweifel des Verfassers schon damals an dem „Umwerthungstorso" als Hauptwerk. (GSA C 2 8 2 3 ) Das Manuskript liegt jetzt bei D . M. Hoffmann, Z. Geschichte d. NietzscheArchivs [...], S. 527-561, gedruckt vor.

1899 Henne am Rhyn: „Wir Österreicher sind die geborenen Nietzscheaner"

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sehen dem Einzelnen und dem Kosmos". „Nietzsche ist oft ein Blitzer, selten ein Beleuchter"; er worte „nur Worte" um. „Der starke Wandel der Stimmungen, die geistige Unzuverlässigkeit, der Hang zur Empfindlichkeit und Traurigkeit" berechtigen dazu, in ihm eher einen Polen zu erkennen. Er habe zwar verstanden, „Sätze zu feilen, aber niemals ganze Gebilde zu gestalten [...] über die Schar seiner kleinen, oft kaum flaumbärtigen Korybanten [...] wird die Zeit mit ehernem Schritt hinweggehen." Er selber werde „niemals einen bleiben Einschlag in dem Gewebe deutscher Gesittung bilden". Dennoch seien er und seinesgleichen als Weltflüchtier „eine Gefahr für das Vaterland und die Menschheit". Alle seine Werke seien „nur ästhetische Gebilde". Zugestanden werden zum Schluß „ein edler Zug" und viele „kleine Wahrheiten", doch diesem allem entgegengehalten: Goethe, Christus und Heraklit. 913a Auch im gleichnamigen Einzelwerk, m. d. Untertitel: Betrachtungen aus deutscher Weltanschauung. Otto Janke. Bln. (1902). 2. Aufl. 2 Bll., 285 S., 1 Bl. (= Inhaltsverz. u. Vlgs.-anz.). Darin Abschnitt IX: Nietzsche, S. 97-117. Was Nietzsche betrifft, weitgehend unverändert. 914 Henne am Rhyn,Otto, Ubermenschen und Edelmenschen. Erzählung aus der modernen Welt. Alfred Tittel. Altenburg 1900. 1 Bl., 107 S., 2 Bll. (= Aus den Besprechungen zum „Anti-Zarathustra" Nr. 807). Das Werk, das die Zeit vom Sommer 1898 bis Sommer 1899 umspannt, beginnt mit dem „Schreckbild" eines künftigen Ubermenschenreiches, das der von der Kanzel verwiesene Kurt Hartmut träumt („Ich gehe, den Ubermenschen zu verkünden. Ich bin kriegstüchtig, wie Zarathustra den Mann will; Du [d. i. seine Frau Alma] aber bist nicht gebärtüchtig, wie Zarathustra das Weib will. Gehe wohin Du willst; ich entlasse Dich aus Deiner Dienstbarkeit und gebe Dich als mein verschließbares Eigentum frei."), und endet mit einem „Zukunftstraum" von Dr. Hermann Liebrecht, Schwager Hartmuts, Privatgelehrter und „bekannter Gegner Nietzsches" („Nun, er [d. i. Hartmut] hat sich alles selbst zuzuschreiben. Sich in dieses wahnsinnige Phantom des Nietzsche'sehen Ubermenschen zu verrennen! Bessere Menschen müssen wir ja haben; die kann man aber nur erziehen, nicht züchten. Die Übermenschen im fernen Kinderland sind, deutsch herausgesagt, Blödsinn."). Im Gebirge wird Hartmut von einem Kroaten, Janko Romanitsch, der sich als Anarchist ausgibt, überfallen, fast erschlagen und dann bestohlen („Nun, was erschrekken Herr Hartmut? Wer A sagen, müssen auch Β sagen und so bis Z. Assassinén, Bestien, Herrschaft vornehmer Barbaren, Sklaverei von Volk. Und wie wollen deutscher Herr dazukommen, wenn nicht arbeiten mit Dolch und Revolver? Mit Bomben und Dynamit? Die Großen abmurxén, selber Große werden, an ihrer Stelle herrschen, das ist's."). Ein Freiherr Otto von Mallwitz, „Preuße" und „ehemaliger Zögling" Liebrechts, schildert die Verirrungen der Zeit: „Ob man sich dem Spiritismus ergiebt und Geister herbeiklopft, ob man unflätige naturalistische und verrückte symbolistische Gedichte und Romane schreibt, druckt und - kauft, ob man sein Heil in der Rückkehr zur Kirche des Mittelalters zu finden glaubt, ob man dem Phantom des Nietzsche'sehen Übermenschentums nachjagt, ob man sich mit schamlosen Dirnen-Orgien oder maßlosen Alkohol, Tabak und Morphium oder mit dem Spielteufel von Monte-Carlo betäubt, oder ob man Umsturzpläne ausheckt, die nach tausendfacher Erfahrung nur zum eigenen Sturze führen, - das ist alles krankhaft und wahnsinnig [...]" Ritter von Gradming, österreichisch-unga-

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1899 Meta von Salis-Marschlins als Romangestalt?

rischer „Diplomat a.D." und Vater der Geliebten Ottos ist aber auch Nietzscheaner („Wir Österreicher sind die geborenen Nietzscheaner, ohne freilich alle Extravaganzen dieses unglücklichen Philosophen und Dichters zu teilen. Wir sind international wie er es sein will; wie er, haben auch wir kein eigentliches Vaterland, also auch keine politischen Vorurteile, - sondern nur ein Herrscherhaus mit weitem Gebiet und damit auch eine Herrenkaste: die Aristokratie, die Generale, die Bischöfe und die höheren Beamten! Unsere Völker sind so ungebildet, daß man sie mit Nietzsches Sklavenkaste vergleichen kann [...]"). Verhältnismäßig zufällig, jedenfalls was die Handlung betrifft, treten noch auf: Herr Iwan Wassiljewitsch Matusoff aus Moskau, ein Nihilist, der „ein verallgemeinertes Ubermenschentum" vertritt: „eine Übertragung der Herrenmoral auf die bisherigen Sklaven, eine Umkehrung der Werte Nietzsches"; Katka Dvoracek, eine Tschechin, die in Zürich, zusammen mit Matusoff, bei einer Explosion infolge „chemischer Versuche" endet („Wer weiß, was er wollte? Ja, er hat uns Frauen beschimpft, gräßlich béschimpft, aber warum? Ich glaube, er wollte uns nur aufreizen, damit wir den Willen zur Macht bekommen und an der Herbeiführung des Ubermenschentums mit den Herren arbeiten helfen."); Arthur Heimberger, Kandidat der Medizin und Sohn eines reichen Seidenfabrikanten in Zürich, der mit Hilfe Liebrechts reuig wird und bekennt: „Ich wollte nach seiner Meinung mich dem vollen Strome des Lebens in die Arme werfen und glaubte mich berechtigt, wie sein Anhänger Steiner schreibt, frei nach meinen eigenen Gesetzen zu leben und mir die Erlaubnis hierzu durch keine Rücksichten auf ewige Wahrheiten und Vorschriften der Moral verkümmern zu lassen. Ich wollte niemandem unterwürfig, wollte eine Herrennatur, ein Ubermensch sein und selbst bestimmen, wie ich denken, wie ich handeln wolle [...] Bin ich erst wieder gesund, so werfe ich .Zarathustra' und Jenseits von Gut und Böse' ins Feuer!" Darauf stellt sich Ibrahim Conollis, eigentlich Abraham Knoll, ein „literarischer Ubermensch" vor, der den Schwager Liebrechts „dem Aberglauben und der Askese entrissen und zur Erkenntnis der Werturteile des großen Nietzsche geführt hatte" („ Wir tun was wir wollen und gehen nur den Gesetzen aus dem Wege. In unseren Schriften aber untergraben wir systematisch alles, was die freie Bewegung des bevorzugten Individuums hemmt, ohne zu fragen, was daraus erfolgt. So leben wir herrlich und in Freuden, wir Mitarbeiter und Redakteure des .Wegweisers zum Ubermenschentum'. Wir verkriechen uns nicht in die Berge, fallen Niemandem an, arbeiten nicht an Explosivstoffen, sondern leben, Freunde und Freundinnen, miteinander in freier Liebe"); Margarita, Freifrau von Salmsach, die Nietzsche, „für den sie eine schwärmerische Verehrung bewahrte", „kurz vor seiner letzten schweren Erkrankung" kennengelernt hatte („Es ist keineswegs ausgemacht, wie er alles meinte, was so schlimm aussieht. Jedenfalls lag es ihm ferne, irgend eine schlimme Änderung in den Zuständen der menschlichen Gesellschaft herbeiführen zu wollen [...] Der lebendige Mann ist meine Interpretation für den papiernen. Bitte, lassen Sie mich den Unglücklichen als Mensch und Dichter verehren. Den Moralisten oder Immoralisten lasse ich dahingestellt."). Dem allem gegenüber steht der „Bund der Menschenfreunde": „In unserem Bunde, wie in dem der Freimaurer, finden nur bewährte Männer Aufnahme, weil er ganz bestimmte, klare Zwecke verfolgt und überall hilft, wo geholfen werden muß und weil er viel Mühe, Zeit und Opfer erfordert." Es liegt sehr nahe, in der Gestalt der Margarita Meta von Salis-Marsch-

1899 Albert Pfister: Er werde „nicht in vollem Sinne ernst genommen"

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lins zu erkennen und in der Liebrechts den Verfasser, der sich als Autor beklagt: „Und wenn ihr erst wüßtet, [...] welche reizende Blumenlese von anonymen Briefen ich erhalten habe, - Fluch und Schimpf sprühende von Nietzscheanern und gifterfüllte von Damen, die wie es scheint der Peitsche nicht scheuen. Und erst die Kritik im .Wegweiser zum Übermenschentum' - hu, da könnte man die Gänsehaut bekommen, wenn man nicht ein so dickes Autorenfell hätte!" Empfehlende Anzeigen erfuhr das Werk in: TBIStG v. 28. 8. 1900 u. VZg v. 22. 7. 1900. 915 anonym, (Handelsakademie 6. Jg., H. 44, 1899). In dem Werk „des bekannten Kulturhistorikers von Henne am Rhyn" (Nr. 914) werde man „mit nur hohem Interesse den Kampf eines mit geistig schneidiger Waffe kämpfenden Nietzsche-Gegners verfolgen". Schon Ende 1899 erschien folgendes weit u m sich h e r u m U m s c h a u haltendes u n d auf das J a h r h u n d e r t zurückblickendes 728seitiges W e r k : Das deutsche Vaterland im 19. Jahrhundert. Eine Darstellung der kulturgeschichtlichen und politischen Entwicklung für das deutsche Volk geschrieben von Albert Pfister, Generalmajor z. D.819 Dt. Vlgs .-Anst. St. u. Lpz. 1900. D a n n heißt es: „Der Träger der neuen Ideen und unleidlichen Wirrsals ist Friedrich Nietzsche. Ursprünglich auf Schopenhauer fußend kommt er zu der Lehre, die in seiner ,Herrenmoral' und .Sklavenmoral' liegt, in dem .Kultus der mächtigen Persönlichkeit', zur Verherrlichung der Blüte der Menschheit, der Übermenschen. Es ist merkwürdig genug, wie in dem Zeitalter der Arbeit, und in einem solchen leben wir zweifellos heute, die Lehre von der Züchtung eines überragenden Herrengeschlechts aufkommen kann. Vielleicht gerade der Widerspruch gegen unsere demokratische Arbeitslust und gegen die Gleichstellung aller Menschen fördert die krankhafte Ausgeburt zu Tage, die kalte Abwendung des hochmütigen Übermenschen von den Leiden der arbeitsamen Mitmenschen [...] Der letzte Vertreter der Philosophie, der wirklichen Einfluß auf die gebildeten Kreise hatte, war Schopenhauer; Nietzsche wird nicht in vollem Sinne ernst genommen [...]" Verfasser tröstet sich darauf mit der Feststellung: „Ästhetische und schöngeistige Betrachtungen üben zwar ihre Anziehungskraft in engen Kreisen aus wie ehemals; aber sie füllen nicht mehr Leben und Gedankenwelt als alleinige Herrscher, sondern sie sind in gesünderer Weise zu dem geworden, was sie sein sollen: Schmuck des Lebens." Der „Poesie und Philosophie" gegenüber stellt er die „Wissenschaften", hauptsächlich „Geschichtsschreibung, Naturkunde und Statistik". Fritz Rutishauser, der 1875 in W i n t e r t h u r geborene spätere G r ü n d e r eines Landeserziehungsheims in Ermatingen, schrieb, aus der Zeit E n d e der 90er Jahre etwa: „Es waren damals auch sonst erhebende brausende Sturmzeiten. Gerhart Hauptmann rüttelte an den alten, konventionell gewordenen Bürgertugenden und Nietzsche philosophierte mit dem Hammer, schlug alte Werte in Trümmer und richtete

819 PFISTER, ALBERT (Münster b. Mergentheim 6. 5. 1839 - Trossingen / Wiirtt. 19. 10. 1907), Dr. phil., Dr. jur. h. c.

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1899 Felix Braun: „Der Treibhausgeruch des „Zarathustra'"

neue auf. Das paßte so recht in unsere eigene revolutionäre Stimmung und zu unserm Draufgängertum gegen alles Morsche [...] Um die Wende des Jahrhunderts tobten auch die mächtigen sozialen Kämpfe der Arbeiterschaft gegen kapitalistische Unterdrückung und Ausbeutung [...] Liebknecht und Bebel erschienen mir wie willkommene Bundesgenossen und ihre Namen standen mir in gleicher Höhe wie der des großen Einsiedlers von Sils-Maria."820 916 Mongré, Paul, Tod und Wiederkunft. (NDRs 10. Jg., H. 12 v. Dez. 1899, S. 1277-1289). In einem erdichteten Antwortschreiben an eine „liebe Freundin", die sich Gedanken über Schopenhauers Ausführungen über den Selbstmord gemacht hat, entwikkelt der Verfasser den Gedanken, daß es unmöglich sei dem Leben ein Ende zu setzen. In dieser Hinsicht habe Nietzsche „vor einer letzten schauerlichen und entzückenden Folgerung nicht Halt gemacht: mit der Wiederkunft sind wir zum ewigen Leben, zum ununterbrochenen ewigen Leben verurtheilt!" 917 Galli, Eugenie,821 Im Wohnhaus Friedrich Nietzsche's in Sils Maria. (DZgb 296 v. 17. 12. 1899). Beschreibt einen Besuch in Sils, wohl im selben Jahr, und gibt den Inhalt zweier Gespräche wieder, eines mit dem Wirt des Gasthofes „zur Alpenrose", wo Nietzsche zu Mittag zu speisen pflegte, und eines mit dem Inhaber der „Mercerie", Herrn Durisch, bei dem Nietzsche sein Zimmer hatte. Bedeutsam ist an der Erzählung des Letzteren folgende Äußerung, die Nietzsche ihm gegenüber gemacht habe: „Als Student habe ich die ganzen Nächte studiert, ich hatte immer einen Eimer kaltes Wasser unter dem Tisch; merkte ich, ich wollte einschlafen, stellte ich die Füße hin, da ward ich wieder frisch [...]" 917a Dass. m. d. Überschrift: Ein Nietzsche-Kenner, in: BT v. 21. 10. 1904. Als „kleinen Nachtrag zum 60. Geburtstage" bietet Verfasserin eine stark gekürzte - die Begegnung mit dem Wirt „zur Alpenrose" fehlt ganz - und leicht umgeschriebene Fassung ihres Aufsatzes. 917b Auch in Nr. 270c; nämlich die Fassung von Nr. 917a. Wie jung manch angehender Dichter in die Welt Nietzsches geriet, erhellt aus Aufzeichnungen Felix Brauns. Durch einen Schulfreund, Leo Brüll, lernte er Nietzsches Welt im Jahre 1898 kennen. Brüll habe als einer der ersten Brauns Gedichte ernst genommen, nur habe er angesichts dessen „Liebe zu den Klassikern und epigonischen Dichtern" gemeint: „Es wirke in der Zeit ein starker umstürzender Wille, der sich überall offenbare: In Wagners Opern, in Schopenhauers und Nietzsches Philosophie, in der Naturwissenschaft, in den Dramen von Ibsen, Hauptmann, Schnitzler."822

820 Korrespondenzbl. f. studierende Abstinenten. 26. Jg., N r . 8 / 10 v. Mai / Juli 1922, S. 141. 821 GALLI, EUGENIE (geb. v. Loos, Jassy / Rumänien 21. 12. 1849 - nach 1917). 822 F. B., Das Licht der Welt. Geschichte eines Versuches als Dichter zu Leben. Thomas-Morus-Presse. Wien (1949), S. 176 f.; BRAUN, FELIX (Wien 4. 11. 1885 - Klosterneuburg 29. 11. 1973), Schriftsteller, 1928 als Dozent für deutsche Literatur in Palermo, 1940-51 in England,

1899 Friedrich von der Leyen über den überstarken, verführerischen Trank

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Etwas später, im Jahre 1900, heißt es vom „Zarathustra": „Von diesem Buch, aus dem er [d. i. Leo Brüll] mir in der Zehnuhrpause im Hof des Gymnasiums einzelne Stücke vorlas, schlug mir ein fiebriger Ostwind entgegen, der aber gar nicht vom Sonnenaufgang her wehte, sondern wie für eine innere Bühne künstlich hervorgebracht war. Den Verführungen, falschen Luftspiegelungen, geschliffenen nachgeahmten Halb-Edelsteinen einer gezüchteten Sprache, die mit der Gewalt zimbrischer oder bilderstürmender Waffen die Seele des Bezauberten gewann, erlag ich leicht, und wenn mich ihr böse funkelnder Hohn abstieß, so riß mich ihr Preis der Weitherzigkeit und Einsamkeit des Genius hin, der ja auch ich mich längst zugeschworen wußte." 823 „Der Treibhausgeruch des .Zarathustra' dünkte mich um nichts weniger kalt, so heiß er sich gab. Die großartige Sprache der Parabeln, der schillernde Glanz der Paradoxe, deren böses Gift ich mit der Angst von mir weghielt, wie ich sie vor Schlangen empfunden, der Mut des Bekennens, hinter dessen Offenheit Verzweiflung eines von Natur kleinen Herzens über seine Unfähigkeit, zu lieben, mir schon damals ahnbar wurde; wie zog all dies mich an und stieß mich doch ab, ich mochte noch so verwundern und verehren; die Schönheit der Prosa Nietzsches glich der eines gestreiften oder gefleckten Raubtieres, besser, der Zeichnung einer Schlangenhaut, und liebte er nicht das Bild des sich Häutens als Gleichnis seiner Wandlungen? War es nicht selbst die Schlange des Paradieses? Luzifer? strahlend und rebellisch wie er? Wie Kapaneus war er, dessen Hybris Zeus von Thebans Mauerturm hinabschmetterte. Noch sehe ich das Zeitungsblatt, das seinen Tod anzeigte. Wenige Zeilen nur waren dem höchststrebenden Deutschen der Zeit gewidmet worden. Die verhängnisvolle Bedeutung der .Umwertung aller Werte', dieser scheinbar spontanen Tat eines nicht durch den Zufall einer Krankheit mit Wahn Geschlagenen, dessen Drachensaat erst nach einem Menschenalter aufgehen sollte, der Proklamation der .Götzendämmerung', des .Ubermenschen', des .Willens zur Macht' schien damals auch denen nicht bewußt, die ihn als cäsarischen Eroberer vergötterten. Das mongolische Gesicht des größten Zerstörers Europas war noch von keinem gedeutet: hinter der tragischen Maske lauerte Furchtbareres als Tragik. Er selbst ahnte es und schauderte wie ein griechischer Heros vor seiner Moira. Wie Orestes mußte er seine Mutter töten. Aber von den Erinnyen entsühnte sein östlicher Gott ihn nicht. Es ist keine Katharsis in Nietzsche." 824 Friedrich von der Leyen, der schon zur Zeit der Doktorprüfung, Ende 1894, „im Bann von Friedrich Nietzsche" gestanden hatte, 825 wurde im Herbst 1899 D o z e n t an der Universität München und erzählte später aus dieser Zeit

1951 Rückkehr nach Österreich, zuletzt Dozent für Kunstgeschichte an der Akademie für angewandte Kunst und für Theaterwissenschaft am Reinhardt-Seminar in Wien. 823 Ebd., S. 216. 824 Ebd., S. 243 f. 825 L., F . v. d., Leben und Freiheit der Hochschule. Erinnerungen. Vlg. d. Löwe. D r . Hans Reykers. Köln 1960, S. 55; LEYEN, FRIEDRICH VON DER (Bremen 19. 8. 1873 - Kirchseeon / Kr. Ebersberg 6. 6. 1966), Germanist, 1937 ins Ausland.

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1899 „wie [...] leidenschaftlich um ein neues, höheres Leben gerungen wurde"

u m die J a h r h u n d e r t w e n d e v o n einem D o k t o r F r i t z Wagner, der d a m a l s gerade in einem F r e u n d e „seinen besten H a l t v e r l o r e n " hatte: „Sein ganzes früheres Streben schien ein Irrtum, eine Verblendung. Mitten in diese Zerrissenheit fielen ihm die Bücher von Friedrich Nietzsche in die Hand, die Bücher gerade der Jahre, in denen sich Nietzsche blutenden Herzens von Richard Wagner losgesagt und die Tafeln neuer Werte aufgerichtet hatte. Man wird leicht die Wirkung nachfühlen, die dieser überstarke, verführerische Trank in einem an sich selbst irre gewordenen, ein neues Heil verzweifelt suchenden Menschen aufwecken mußte: Fritz Wagner verfiel ganz dem neuen Propheten. Aber die neue, harte Welt, die den Menschen über sich erheben sollte, verlangte eine Kraft von ihm, die er schwer aufbringen konnte. Er gab sich die redlichste Mühe, der Erfolg war eine Schrift, die der Meister wohl gebilligt hätte [...] ; mir schien sie damals äußerst lesenswert [...] In seinem Leben ahmte Fritz Wagner den großen Einsamen nach; das konnte er nicht auf die Dauer ertragen: darum schloß er sich gleich bei meinen Spaziergängen mir an." 826 Z u diesem u n d einem anderen ähnlichen Erlebnis meinte er dann: „Wenn ich nur von diesen beiden Münchner Gefährten erzähle, so darum, weil ich an erlebten Beispielen erfuhr, was es heißt, die Menschen zu neuen Zielen führen zu wollen, und weil der Schatten Nietzsches verfinsternd genug über meinen Weg fiel. Auch das wollte ich zeigen, wie um die Jahrhundertwende leidenschaftlich um ein neues, höheres Leben gerungen wurde, im Gefolge nicht nur von Nietzsche, im Gefolge auch der großen Skandinavier und Russen nicht nur in München, nein, vielerorts in Deutschland." 827 E t w a s weiter heißt es: „An anderer Stelle dieses Buches will ich von einem Verhängnis unserer Zeit sprechen: daß die Sehnsucht nach einer neuen, höheren Welt, die gerade die aufstrebenden Schichten erfaßte, auf ein Geschlecht stieß, in dem die alten großen Werte wankten und stürzten und das sich in der Uberfülle der neuen Erkenntnisse verirrte. Aus diesem Verhängnis entsprang aber ein neues Glück und eine neue Bestimmung, das Glück und die Bestimmung des Suchens. Wie viele der viel genannten und viel umstrittenen Meister der letzten Jahrzehnte sind große Suchende gewesen, allen voran wohl Friedrich Nietzsche!" 828

826 Ebd., S. 72. 827 Ebd., S. 72 f. 828 Ebd., S. 103. S. a. S. 24 (über den Glauben des „Liberalismus", der „weniger gottfeindlich als menschenfreundlich, und ohne die theologische Verkrampfung von Nietzsche, der den Pastorensohn nie verleugnen konnte", gewesen sei), 84 (über Dehmels Vortragskünste vor der Münchner literarischen Gesellschaft Ende 1900: „Richard Dehmel kam, mit Spannung erwartet und begrüßt. Sein Vortrag der Gedichte von Nietzsche hinterließ einen tiefen Eindruck."), 89 (über seine Übungen an der Universität: „Neues Land beschritt ich mit Übungen über die Sprache des jungen Nietzsche und mit Übungen über die Kunst des Übersetzens [...]"), 137 (über einen im Frühjahr 1914 in Amerika gehaltenen Vortrag: „In Cleveland schuf mein Vortrag über Nietzsche, den ich als Opfer des Deutschlands seiner Zeit schilderte, eine nicht geringe Aufregung."), 144 (über Europa vor dem Weltkrieg: „Und während die wirtschaftlichen Verflechtungen immer stärker wurden, die wechselnde Abhängigkeit

1899 Ida Dehmel über Leben und Treiben im Archiv

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Ü b e r das Leben und Treiben im Nietzsche-Archiv Ende der 90er Jahre erzählte Ida Dehmel, die Witwe des Dichters: „Das Nietzsche-Archiv in Weimar wurde zu einer Quelle wichtiger Beziehungen. Nietzsche selbst lebte damals noch [...] Die Schwester [...] wollte Dehmel zu ihm führen, aber Dehmel hat es abgelehnt, daß der getreue Ekkard der deutschen Jugend wehrlos den Zuschauerblicken preisgegeben werden sollte. - Im NietzscheArchiv trafen sich viele Generationen. Durch Graf Keßler lernte man Whistler und Rodin kennen. Auch Heymel und Schröder waren da, die Begründer des InselVerlages."829 V o n der Zeit noch vor der Jahrhundertwende erzählte auch Franz Leppmann: „Wenn ich von einem Bildungserlebnis aus dem Anfang meiner zwanziger Jahre spreche, so darf ich's ohne Eitelkeit tun, denn es ist damals von vielen geteilt worden [...] Aber was mir an dem Großen aus dem überlieferten Bildungsgut des Abendlandes zu genießen gegönnt war, an Nietzsche, als dessen Zeitgenosse ich mich noch betrachten durfte, ja, dessen Wirkungen erst damals recht einsetzten, reichte nichts heran. Er spèndete Entzückungen, die sich schlechterdings mit nichts geistig bisher Erlebtem vergleichen ließen, zumal sie ganz insbesondere meiner Generation bestimmt und zugedacht schienen. Auf unsere geistig-seelische Lage schien der Prophet gewartet zu haben, um seine Stimme so betörend zu erheben, nur an uns schien er sich mit jedem seiner erleuchtenden, unzerbrechlich geformten Sätze zu richten. Er sprach endlich aus, was wir dunkel geahnt hatten, und wie, und wie sprach er es aus! Er nur konnte denken, scharf, unerschrocken, unerbittlich, er nur wußte, um alle stärksten Künste und zartesten Geheimnisse der deutschen Sprache. Er nur war der wahre Führer, der einzige, und wie verblaßten neben ihm die Universitätslehrer, bei denen wir .belegt' hatten! Wie verblaßten daneben aber auch jene .Erlebnisse', die dem Leben der Jugend besonders eigentümlich sind, namentlich im Fasching, und die man mit dem Begriff der .schönsten Stunde' vorzugsweise in Verbindung bringt! Von dieser Art von Glück hat mein Herz nichts aufbewahrt, weder blond noch schwarz, aber es weiß noch viel und dankbar von Nietzscheleseabenden bis tief in die Nacht, einsam bei der Lampe, [...] Abende, deren Glück Rausch und Verzückung im Geistigen war." 830

der Völker voneinander immer deutlicher, während in der Kunst, in Dichtung, in Wissenschaft das von Friedrich Nietzsche gepredigte .gute Europa' sich zu verwirklichen schien, rüstete jedes Volk wie nie zuvor und vermehrte seinen Besitz an mörderischen Waffen."). 829 So nach: p-s., Erinnerungen aus miterlebter Kunst. Ida Dehmel erzählt aus ihrem Leben. ( N B L Z g Abend-Ausg. v. 9. 2. 1933), die Herausgeberin berichtet nach einem Abend mit der Frau Dehmels in einem Mannheimer Gemeinschaftstreffen; HEYMEL, ALFRED WALTER (Dresden 6. 3. 1878 - Berlin 26. 11. 1914), Verleger, Schriftsteller, Förderer moderner Literatur und Kunst, Mitbegründer der Zeitschrift „Die Insel". 830 N a c h einem Bericht in der VZg N r . 233 v. 15. 5. 1932; LEPPMANN, FRANZ (Berlin 4. 11. 1877 - L o n d o n 1948), Essayist, Literaturwissenschaftler und Ubersetzer aus dem Französischen, 1933 in Florenz und seit 1938 in England.

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1900 E. Vowinckel: Ihm sei „die ganze Philosophie in der Psychologie aufgegangen"

918 Das Goldene Buch des Deutschen Volkes an der Jahrhundertwende. Eine Überschau vaterländischer Kultur und nationalen Lebens [...] Vlg. J. J . Weber. Lpz. (1899). In dem Abschnitt: Die deutsche Wissenschaft an der Jahrhundertwende, S. 7, schreibt Prof. Dr. Wilhelm Windelband: „In derselben Richtung [d. i. wie Ed. v. Hartmanns] von aller Tradition sich befreienden .Umwertung aller Werte' ist zur eindruckvollsten Formulierung des in sich zersetzenden Volksbewußtseins Friedrich Nietzsche fortgeschritten, in dessen formvollendeten Aphorismen sich die bedrängten Gedanken der Überkultur zu unklaren Zukunftsphantasien wandelten, ohne den festen Halt einer starken Persönlichkeit finden zu können." Ein Bild Nietzsches findet sich dazu auf S. 10. Wesentlich bejahender ist die Zusammenfassung in dem Abschnitt: Biographien, am Schluß des Werkes, wo es abschließend heißt: „Die radikale Kühnheit seiner Philosophie, die fortreißende Leidenschaft seines Denkens, sein künstlerisches Formgefühl, seine dichterische Ausdrucksbegabung verhalfen seinen Gedanken bei einer entgegenkommenden Zeitströmung zu einem außerordentlichen Einfluß." 831 919 Schmitt, Dr. Eugen Heinrich, Der sittliche Adel der Weltanschauung Nietzsches. (ML Nr. 50, 1899, Sp. 1185-1189). Verfasser nimmt M. Helles „Übermenschentum und Zuchtstaat" (Nr. 790) zum Anlaß, die Verurteilung Nietzsches seitens der „moralischen Worthelden" zu verwerfen. Das anscheinend Brutale an Nietzsche (die „blonde Bestie" u. a.) sei nur eine Maske mehr, die ihn vor der „sehr ernsten Gefahr" geschützt habe, „selbst für einen solchen moralischen Worthelden betrachtet zu werden". 920 Menzer, Paul (Berlin), (DLZg 20. Jg., Nr. 52 v. 30. 12. 1899, Sp. 1948 f.). Eine kurze Besprechung der Nietzsche-Bücher von Ziegler (Nr. 883), Grimm (Nr. 828) und Tienes (Nr. 803). Das Buch von Ziegler wird zur Einführung empfohlen und die von Grimm und Tienes werden insofern bemängelt, als jener übersehen habe, daß Nietzsche „nicht Probleme gelöst, sondern erlebt" habe, und als dieser erst „die Vorarbeit" zu der im Titel angekündigten Darstellung geliefert habe. 921 Vowinckel-Mettmann, Lic. Dr. Ernst, 832 Die psychologische Grundlage von Nietzsches Philosophie. (DEJb f. 1900, Jg. 2, 1899, S. 189-214). Verfasser schreibt als „Kirchlicher und Sozialer" und will sich an Nietzsche, dem „die ganze Philosophie in der Psychologie aufgegangen" und dem die Psychologie dem eigenen „inneren Erlebnis" gleich gewesen sei, versuchen, um aus der Begegnung lernen zu können: „Er bringt uns dazu, uns fester auf die Fundamente unseres Glaubens zu stützen, uns von neuem in seine wunderbare Struktur zu versenken." Vor allem habe er „uns gelehrt, daß jener verhängnisvolle Bund des Christentums mit der rationalistischen und idealistischen Philosophie dasselbe wehrlos gegen hundert Angriffe macht und ihm seinen innersten Kern verschrumpfen läßt". Dazu eröffne er eine Einsicht „in das Rätsel des Leidens", in die Gefahren des Positivismus. Er habe „tief, unendlich tief in die Wirklichkeit des menschlichen

831 WINDELBAND, WILHELM (Potsdam 11. 5. 1848 - Heidelberg 24. 10. 1915), 1876 Professor der Philosophie in Zürich, 1877 in Freiburg, 1882 in Straßburg, 1903 in Heidelberg. 832 VOWINCKEL, ERNST, geb. am 18. 3. 1872 zu Radevormwald / Westf., Studiendirektor.

1900 Ernst Horneffer zur Ewigen Wiederkunft und deren bisherigen Veröffentlichung

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Wesens hineingesehen. Aber er hat auch mit fürchterlicher Entschlossenheit diejenige Auslegung des Erlebten sich zu eigen gemacht, welche sein über alles menschliche Maß hinausgehender Hochmut ihm vorgeschrieben hat." 922 Hartmann, Franz (Florenz),833 Wer ist Zarathustra? (Friedrich Nietzsche und seine Philosophie.), (WRs 3. Jg., Nr. 27 v. 31. 12. 1899, S. 639-642). Nietzsche ist dem Verfasser „viel mehr als ein moderner .Philosoph'; aus vielen seiner Schriften leuchtet uns die Theosophie oder Gottes-Erkenntnis im wahren Sinne dieses Wortes entgegen". Zarathustra könne man nicht „intellektuell", sondern vielmehr nur „intuitiv und geistig" erkennen. 923 Horneffer, Ernst, Nietzsches Lehre von der Ewigen Wiederkunft und deren bisherigen Veröffentlichung. C. G. Naumann. Lpz. 1900. 1 Bl., 84 S. Erschien Anfang Dezember 1899. Verfasser will „den Nachweis liefern, daß man vorläufig überhaupt nicht über die ewige Wiederkunft sich aussprechen dürfe, wenigstens nicht beurteilend, richtend, weil Nietzsche selbst hierüber noch nicht genügend zu Worte gekommen ist". Dieser „Nachweis" stellt eine eingehende „wissenschaftliche" Begründung für die Zurückweisung des 12. Bandes der Gesamtausgabe dar und läuft in eine vernichtende Verurteilung der herausgeberischen Tätigkeit von Dr. Fritz Koegel aus. Dabei wird die Zuverlässigkeit aller von diesem bearbeiteten Bände (GI-GXII), besonders aber die Bände II, XI und XII in Zweifel gezogen. Als Beilagen bringt der Verfasser (S. 61-82) eine Neuordnung und berichtigte Fassung von 44 Aphorismen Nietzsches, um die Beanstandung der Koegelschen Bearbeitung zu erhärten.834 924 Holitscher, Arthur, Der vergiftete Brunnen. Roman in drei Büchern. Langen. Paris, Lpz., Mchn. 1900. 2 Bll., 428 S., 2 Bll. (= Vlgs.-anz.). Der Held und Dichter Sebastian Sasse sowie alle anderen Gestalten des Romans: der durch die Erfindung eines Sprengstoffes zu viel Geld gekommene Jude Sulzwasser, der Redakteur einer „Revue für ideellen Bestrebungen in der Kunst" Wolf Meinewelt und der Maler Saarmünster, alle drehen sich um das verhängnisvolle „Weib" Désirée Wilmoth, die in der Vorhandlung schon zwei Ehemänner zum Grabe begleitet: „Diese Frau lebte von der Jugend der Männer, die sich ihr unterwarfen." (S. 182) Der Jugendfreund Sasses Karl Erlenmüller, der sich als kleiner Beamte in München bescheidet, redet ihm recht nach Nietzsche ins Gewissen: „Was suchst du denn hier? Statt die Menschen zu deiner Höhe pilgern zu lassen, steigst du zu ihnen herab? Gelüstet es dich jetzt, aus diesem Brunnen zu trinken, den sie mit

833 HARTMANN, FRANZ (Donauwörth 22. 11. 1838 - Kempten / Allgäu 7. 8. 1912), A m und Theosoph, begründete 1896 die Deutsche Theosophische Gesellschaft. Eine leise Verurteilung Nietzsches findet sich in den Worten, die Hartmann auf die falschen Jünger der Theosophischen Lehre münzte: „[...] sie trachteten aus egoistischem Antriebe, auf jede mögliche Weise in den Besitz von magischen Kräften zu gelangen, und sich dadurch selbst groß zu machen; da sie nicht begriffen, daß dieses .Selbst', welches sie groß zu machen trachteten, gerade das Hindernis für die Offenbarung der Wahrheit ist, und daß, je mehr dieses ,Ich' in seiner phantastischen Größe zum .Ubermenschen' heranwächst, um so größer dieses Hindernis wird." (F. H., Denkwürdige Erinnerungen. W . Friedrich. Lpz. (1898), S. 220). 834 Eine Anzeige zu dem Werke von M. D. verfaßt in: D R Dez. 1900, S. 375: Die Aphorismen „in gereinigter Gestalt" seien, „wie alles, was Nietzsche geschrieben hat, sehr lesenswert".

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1900 Hans Kohn: „der Rufer nach reinstem Dienst am Geist"

ihrem Schweiß, Geifer, Tränen vergiftet haben? [...] Wie gern risse ich dich weg von diesem Brunnenrand! [...] Ich erkenne diese Zeit in deiner Verblendung, ja, ich erkenne sie! Diese schreckliche Zeit, in der die da draußen leben, die sich als ihre Herolde und Heroen gebärden, die das Leben entheiligen, wie die erstbeste Dirne, von ihm verlangen, daß es spannend und amüsant sein möge wie ein Hintertreppenroman, die stillsten Dinge ans Licht zerren, um sich an ihnen zu befriedigen, aus dem Begriff: Sehnsucht einen Gemeinplatz gemacht haben, ja, eine gute geduldige Prostituierte, die ihre Beschmutzer ernährt! Sieh, ich dachte, ich hätte mir den Zorn schon abgewöhnt, aber er bricht doch noch hervor aus mir und zeigt an, daß ich noch nicht so alt bin wie du glaubst [...] nein, Sebastian, was suchst du hier unter den Menschen! Weh' dir, wenn deine Kunst dir nicht das liebe, fromme Weib ist, mit dem sich's aus der Welt flüchten läßt, weh' dir, wenn du dich gewöhnst, mit deiner Kunst am Arm lächelnd durch die Salons zu gehen, wenn das Leben suchen im Grunde nichts ist, als eine Befriedigung der Eitelkeit, ein schlechter Ehrgeiz, und [...]" (S. 127-130) Zum Schluß bringt der Freund, der nur diese beiden Male im Roman auftritt, durch gute Worte und Geduld den gereiften Helden zum „Lächeln". Der Name Nietzsche fällt nur einmal, und das nur beiläufig auf S. 94.835 Aus der Zeit um die Jahrhundertwende sind folgende Worte anführenswert: „Der Ruf zu einer härteren männlicheren Haltung kam ihm [d. i. Martin Buber] zuerst von jener großen geistigen Macht, die von der Jahrhundertwende das neue Jahrhundert beherrschen sollte und die, ohne daß man sich damals stets dessen bewußt wurde, auf Friedrich Nietzsche zurückging. Nietzsche war in einer vor äußerem Erfolg geblendeten und nach ihm wertenden Zeit der Rufer nach reinstem Dienst am Geist. Er hat in seinem Leben die harte Askese des geistigen Menschen vorgelebt. Er hat, Schüler Schopenhauers, inmitten einer auf Verstand und Berechenbarkeit gegründeten Geschäftigkeit die Ehrfurcht vor den dämonischen Mächten, das Wissen um Abgründe bekannt. Nur er, außer Kierkegaard, hat die stündliche Gegenwart vor Gott, den Sinn der neuen Religion geahnt. Er hat in einer vom Kulturbewußtsein berauschten Menschheit das Problem der Kultur mit letzter Schärfe zur Frage gestellt. Einer im Geistigen unheroischen Zeit, die das Risiko auszuschalten suchte, hat er die Losung der Gefahr und den Mut entgegengestellt, sich um der Aufgabe willen immer weher zu tun, das Äußerste zu verlangen und zu geben. Eine Grenzerscheinung war er, die doch vor Humanität, Geistigkeit und Kontinuität Ehrfurcht hatte. Durch sein Auftreten erhielten die Vorstellungen vom Leben und Geist einen neuen Sinn, sie wurden in ihrer wahren verpflichtenden und gefahrvollen Gestalt wiederentdeckt."836

835 Über den Roman schrieb der Verfasser später: „In der Arbeit von Jahren, die von Erkenntnissen und Erlebnissen mancher Art bedrängt worden waren, hatte ich einen umfangreichen Roman, den .Vergifteten Brunnen' geschrieben (nach dem Ausspruch Nietzsches, daß, wo das Gesindel mittrinkt, alle Brunnen vergiftet sind), es war ein Buch, das auf gewisse Art das Ergebnis meiner Münchner Zeit festhielt." (A. H., Lebensgeschichte eines Rebellen. S. Fischer. Bln. 1924, S. 204). 836 Hans Kohn, Martin Buber. Sein Werk und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte

1900 Oskar Walzel - Friedrich Wilhelm Foerster

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Zur weiteren Kennzeichnung der Lage um die Jahrhundertwende mögen auch folgende Worte Oskar Walzeis und Friedrich Wilhelm Foersters angeführt werden: „Meine Altersschicht und in ihr alle, die meinen Weg u m 1900 beschritten, wir waren ein für allemal zu Uberschätzung des Ganzpersönlichen geneigt. Man brauchte noch lange nicht das Uberspitzen der Persönlichkeitsansprüche so weit zu treiben wie Nietzsche und war gleichwohl überzeugt, das Wichtigste und Wesentlichste seiner innern Anliegen allein und gar nicht im Zusammenhang mit andern erledigen zu müssen. Das war gewiß auch H o c h m u t : es war indes auch Versuch, sich und nur sich für alles verantwortlich zu machen, was man dachte und tat." 8 3 7 „Als ich mich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts dieser Aufgabe [„[...] die ethischen Probleme unserer Zeit und das Erbgut, das dahinter steht, neu zu durchdenken [...]"] zu widmen begann und mich in der modernen Literatur orientierte, die sich diesen Problemen widmete, war ich tief beeindruckt von dem Umfange der zu Tage tretenden Zersetzung aller überlieferten ethischen Werte. Nietzsches . U m w e r tung aller Werte' schien mir in dieser Beziehung viel mehr in die Weite gewirkt zu haben, als ich es gewußt hatte, oder vielmehr: er war der meistens logische Exponent aller der auflösenden Tendenzen, die aus dem Rückzug der Religion in die Sakristei (man könnte ebenso gut sagen: aus der Vertreibung der Religion aus den wichtigsten Angelegenheiten der menschlichen Gesellschaft und aus der Auslieferung dieser Angelegenheiten an die sogenannte .Eigengesetzlichkeit' der einzelnen Lebensgebiete) notwendig folgen mußte." 8 3 8

Mitteleuropas 1880-1930. Nachwort: 1930-1960 v. Robert Weltsch. Jos. Melzer Vlg. Köln (2., erw. Aufl. 1961), S. 20 f. Hans Kohn gehörte neben Max Brod, Hugo Beckmann und Robert Weltsch zum „Barkochba", einem Prager Studentenkreis. Ahnliches, wenn auch nicht aus nächster Nähe erzählte Kohn 1928 in einem Aufsatz „Der junge Buber und der Herzl'sche Zionismus": „In Berliner ostjüdischen Studentenkreisen der Jahre um 1900 war der Einfluß Micha Josef Berdyczewskis, des ersten Verkünders Nietzsches in der hebräischen Literatur groß...Der Nietzscheaner Berdyczewski hatte Nietzsche in jener Art einseitig aufgefaßt, wie ihn populäre Meinung oft verstanden hat: als Verkünder des Machtgedankens und der blonden Bestie, des in Schönheit und ungebundener Willkür triumphierenden Ubermenschen. Der Kreis der Jungen' um Berdyczewski hatte die Losung der Kunst und der Lebensfreude ins nationale Judentum getragen." (Der Jude. 10. Jg., 1928, S. 8 f.). 837 O. W., Wachstum und Wandel. Lebenserinnerungen. Aus dem Nachlaß hg. v. Carl Enders. Erich Schmidt. (Bln. 1956), S. 325; s. a. ebd. die einzige andere Erwähnung Nietzsches auf S. 338: „Ganz an Gott gebunden, ist er dennoch ein Freier. Von solcher Warte gesehen, ist Christentum Uberwindung jeder Sklavenmoral, überwindet Sklavenmoral siegreicher als der Mann, der zur Zeit meiner Anfänge gegen die angebliche Sklavenmoral des Christentums die Lehre vom Ubermenschen ausspielte. Anders drücke ich das noch aus: Wer sich beglückt als Kind Gottes fühlt, wer Gott als Vater anspricht, wie er das durch Christus gelernt hat, ist ein Freierer und seiner Freiheit Bewußterer als Nietzsches Ubermensch." WALZEL, OSKAR FRANZ (Wien 28. 10. 1864 - Bonn 29. 12. 1944), habilitierte sich 1894 in Wien, 1897 o. Professor in Bern, 1907 in Dresden, 1921 in Bonn. 838 F. W. F., Erlebte Weltgeschichte 1869-1953. Memoiren. Glock u. Lutz. Nürnberg 1953, S. 166 f. FOERSTER, FRIEDRICH WILHELM (Berlin 2. 6. 1869 - Kilchberg / Schweiz 9. 1. 1966), Erziehungswissenschaftler, seit 1901 Professor in Zürich.

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1900: Seine „dämonische Gewalt [...] hatte die Herzen der Jüngeren erobert"

In einem Nachruf auf Hugo von Hofmannsthal, „In Memoriam. 1929", schrieb Rudolf Alexander Schröder als einer, „dem es vergönnt war, jung neben dieser unvergleichlichsten unter den unvergleichlichen Jünglingsgestalten unserer Poesie zu stehen": „Es war eben vor der Jahrhundertwende, in jenen unvergeßlichen Jahren, in denen es schien, als sollte auf den überalterten Trümmerstätten unseres Schrifttums noch einmal ein verheißungsvolles Leben erblühen, als sollten noch einmal wie zu den Zeiten Klopstocks und Goethes die müde gewordenen Weltherrscherinnen Frankreich und England das Zepter der Dichtung an die germanischen Nationen abgeben. Die europäische Wirkung Ibsens und seiner Schule stand im Zenit, ja vielleicht schon in der Peripetie; die dämonische Gewalt Nietzsches hatte die Herzen der Jüngeren erobert; vielen, wohl den Besten, galt der damals erst eben aus dem Kreise der Eingeweihten vor die Augen einer profaneren Leserschaft getretene Prunk Georgescher Strophen als der berufene Vermittler solchen Seelenzaubers."839 Aus dem München der Jahrhundertwende erzählt Georg Fuchs von der Stadt im allgemeinen und zwei „Ubermenschen" im besonderen: „[...] was die .gebildeten', das heißt wohlhabenden Kreise betraf, so galten sie in ihren eigenen Augen wie in denen der großstädtischen Öffentlichkeit für .jenseits von Gut und Böse'. Wie weit ,man' in diesem Mißbrauch des Nietzscheworts zur Rechtfertigung der eigenen bequemen sittlichen Haltlosigkeit ging, das machte mir ein damals sehr angesehener Schriftsteller klar, der heute mit mehreren Romanen und erfolgreichen Schauspielen der Literaturgeschichte angehört und den ich immer glücklich gepriesen hatte um seiner prächtigen Gattin willen, die ihm nicht nur einen gesunden Jungen geschenkt, sondern auch sein häusliches Dasein mit unendlicher Liebe und hausmütterlicher Sorgsamkeit ganz nach seinen Neigungen gestaltete, überdies von seinen mannigfachen Beziehungen zu der Weiblichkeit der Premierenbühnen und der Literatur mit der Unberührbarkeit einer in sich gefestigten Frau keinerlei Notiz zu nehmen schien. Als ich nach ihr fragte, erwiderte er kurz: Ja, ja, sie ist ein braves Weib. Aber sie kann mir selbstverständlich auf die Dauer nicht genügen. Es fehlt doch zu sehr an der höheren Geistigkeit. Ich bin gerade dabei, mich scheiden zu lassen. Wenn man das nicht einmal könnte: wofür hätte Nietzsche dann überhaupt gelebt „So war denn damals ganz München diesseits wie jenseits des Siegestores voll von .Ubermenschen' oder vielmehr von solchen, die dafür gehalten sein wollten und

839 R. A. S., Die Aufsätze und Reden. 1. Bd.: Vorbilder u. Weggenossen. S. Fischer. Bln. (1939), S. 271 f. S. a. die Erinnerungen an seine Mitherausgebertätigkeit an der „Insel" in dem gleichnamigen Aufsatz „Die Insel", 1925, ebd., 2. Bd.: Werke und Wirkungen, S. 452 f.: „Als zu uns Jungen gehörig zählten wir mit einem freilich schon geschichtlich determinierten Abstand auch Nietzsche, dessen Hingang wir im zweiten Jahrgang feierten und dessen noch ungesichteter Nachlaß sich für uns mit Bruchstücken seiner Spätzeit öffnete." SCHRÖDER, RUDOLF ALEXANDER (Bremen 26. 1. 1878 - Bad Wiessee 22. 8. 1962), Dichter, Essayist, Mitbegründer der „Insel" 1899. 840 G. F.,Sturm und Drang in München um die Jahrhundertwende. G. D. W . Callwey. Mchn. 1936, S. 226.

1900 „In Schwabing gab es eigentlich nur noch .Übermenschen'"

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auch die entsprechende Pose annahmen. In Schwabing gab es eigentlich nur noch .Ubermenschen', und wer sich nicht für einen solchen anschauen ließ, [...] der hatte als .Belangloser' eigentlich keine Existenzberechtigung und mochte zusehen, wie er mit den Eingeborenen sich als .milieubildende Randerscheinung' abfand. Wie sehr .Wahnmoching' überzeugt war, die .Brücke vom Menschen zum Übermenschen' unter Nietzsches Führung wo nicht schon überschritten zu haben, so doch demnächst zu überschreiten, das ergibt sich beispielsweise aus einem Vorfall, der sich zwar nicht in dem geographischen Vorort Münchens ereignete, sondern in Berlin [...] Es betrifft einen schon längst dahingegangenen, um die Jahrhundertwende vielgenannten und auch gewiß nicht unbegabten Stürmer und Dränger in der Musik [...] Als ihm nun sein zwei- bis dreijähriges einziges Söhnchen an einer Kinderkrankheit gestorben war, sagte er einmal zu einem Freunde mit einem Blick auf die kleine Leiche: ,Und ich hatte gehofft, er sollte einmal der Ubermensch werden!' Und dies Ubermaß von Pose, obwohl er in Wirklichkeit durch den Verlust des Kindes tief erschüttert war! - Als echter Schwabinger, der er auch in Berlin geblieben war, konnte er selbst in einem solchen Augenblick schon nicht mehr anders.··841 925 Kappstein, Theodor,842 Von Kant zu Nietzsche. Eine Jahrhundertbetrachtung. (Zgt Nr. 1. v. 1. 1. 1900). Verfasser verfolgt, in groben Zügen, die Entwicklung des deutschen Geistes von Kant über Schelling, Schleiermacher, Hegel, Strauß, Feuerbach und Schopenhauer bis auf Nietzsche und schließt mit den Worten: „So manches Unerfreuliche und Bedenkliche auch in Philosophie und Theologie mit dem abgeschlossenen Säkulum zu Grabe getragen sein mag: Wir haben viel Ursache, mit stolzer Freude des durchmessenen Zeitabschnitts zu gedenken. Uber das Portal der neuen Zeit aber, die sich jetzt aufgethan, schreiben wir als Parole für Jeden von uns Nietzsches Wort: ,Wirf den Helden in Deiner Seele nicht weg!'" 925a Auch in: NYStZg Sonntagsbl. Nr. 3 v. 21. 1. 1900, S. 6). BT Entwurf einer Vorrede zu einer neuen Ausgabe der „Geburt der Tragödie". (DL Nr. 1, 1900, S. 19 ff.). Bringt den Text, der erst 1906 in der „Taschenausgabe" (Bd. 10. S. 98-101, Nr. 853) in Buchform veröffentlicht wurde. 926 Boehmer, P. Lic. Dr., Raben, Ein verlorener Sohn des evangelischen Pfarrhauses. (Pfrh 16. Jg., Nr. 1 v. Jan. 1900, S. 10-14). Verfasser erhebt eben die „Klage um den verlorenen Sohn des evangelischen Pfarrhauses". Nietzsche ist ihm „Vertreter" der modernen Kritik, „die ihre Lust am Zerstören findet und einen positiven Aufbau nicht zu leisten vermag", „einer der Füh-

841 Ebd., S. 138 f.

842 KAPPSTEIN, THEODOR (Berlin 28. 11. 1870 - Cumbach / Rudolstadt 17. 5. 1960), studierte in Basel und Berlin Theologie und Religionswissenschaft, erhielt 1897 eine Dozentur für Religionswissenschaft an der Volkshochschule Humboldt-Akademie in Berlin, 1899-1900 Feuilletonredakteur am Berliner Tageblatt, wurde dann wieder Dozent Religionswissenschaft, Philosophie und Literaturgeschichte, daneben Mitarbeiter an verschiedenen Zeitungen.

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1900 Detlev von Liliencron über das gesellschaftliche Leben im Archiv

rer" in dem „Kampf gegen alle und jede Autorität". Seine Sprache starre „oft genug Satz für Satz von Gotteslästerungen". - „Die Grundlagen seines Systems sind Materialismus, Monismus, Atheismus, und sie sind in allen drei Perioden gleicherweise vorhanden." Er zeige aber auch oft „eine Oberflächlichkeit des Urteils, einen Mangel an Kenntnissen, vor allem auf geschichtlichem Gebiet, wie es bei einem so geistvollen, gelehrten Manne nicht genug zu verwundern ist". Seine Lehren seien „die Ausgeburt einer wilden Phantasie, eines ungezügelten Willens, einer maßlosen Selbsteinschätzung, einer unglaublichen Urteilslosigkeit". Wie flüchtig man dabei noch kurz vor dem Hinscheiden Nietzsches den Gegenstand behandeln konnte, legt Verfassers Darstellung nahe, nach der der „Bedauernswerte" seit 1889 „zu Weimar in einer Irrenanstalt" sitze. Wie es Anfang 1900 im Nietzsche-Archiv gesellschaftlich zuging, spiegelt ein Brief Detlev von Liliencrons an Fräulein Alma Holtorf vom 7. März 1900 wider: „Ich sehe und sah fast alle Hofdamen und .Damen, die zu Hof gehn', und Excellenzen Kammerherrn, und Gräfe und Barons, bei meiner himmlischen, ja himmlischen Frau Dr. E. Förster-Nietzsche, in ihrer wundervollen Villa, wo ich täglich einige Stunden das Glück habe verweilen zu dürfen."843 Von einem etwas innigeren Verhältnis zum großherzöglichen Hofe unter dem Nachfolger Wilhelm Ernst zeugen einige Worte des langjährigen Kabinettsekretärs beider Herzöge Hermann Freiherrn von Egloffstein anläßlich eines Briefes der Schwester zu seiner Würdigung der 1905 verstorbenen Großherzögin Caroline: „.Fast noch mehr als Sie bewundere ich den Großherzog, der Ihre Darstellung doch vor dem Drucke gebilligt hat und eigentlich in rührendster Weise alle Schuld des Mißverständnisses auf sich nimmt - und manchmal ist wohl ein klein wenig Schuld auch auf ihrer Seite gewesen.'" Wozu der Empfänger vermerkt:

843 A. a. O., S. 165 f. Liliencron war wohl das erste Mal schon im Juli 1899 in Weimar bei der Schwester zu Besuch gewesen, s. ebd., S. 144 f. Seine Begeisterung für die Schwester mag durch deren Bemühen um seine geldliche N o t mitbedingt gewesen sein. Sie verhalf ihm zur ersten Jahreshälfte der Mietzahlung zum eigenen Hausstand im April 1901 und verschaffte ihm in den darauffolgenden Jahren noch mehrmals gleiche Summen. S. a. Ernst Erichsen, Liliencron und Weimar. Unveröffentlichte Briefe Frau Förster-Nietzsches an den PoggfredDichter. (Nordelbingen Bd. 23, 1955, S. 33-40), der drei Briefe der Schwester bringt v. 20. 7., 31. 8. 1899 u. 25. 2. 1900), sowie einen von einem Günther Pogge (ν. 30. 8. 1900), der die Beisetzung nach Angaben seines Bruders schildert. Unter dem 19. Juli 1899 hatte er an seinen Verleger Wilhelm Friedrich geschrieben: „Lieber Friedrich, als ich vor einigen Jahren einige Wochen in Ihrem [...] Hause in Leipzig weilte, wohnte oben in Ihrem Hause eine alte Dame, die (Noten-)Manuscripte von Friedrich Nietzsche besaß. Nun ist mir ihr N a m e entfallen. Bitte theilen Sie ihn mir mit [...]" (Dichter und Verleger. Briefe v. Wilhelm Friedrich an Detlev v. Liliencron. Hg. v. Walter Hasenclever. G. Müller. Mchn. u. Bln. 1914, S. 118); POGGE, GÜNTHER, geb. am 12. 6. 1879 zu Merseburg, später Rechtsanwalt zu Hamburg.

1900 Stirners „Philosophie des Egoismus" lasse ihn „beinahe als rückständig" erscheinen 595 „Darin konnte man der Schwester des großen Philosophen nicht Unrecht geben J- J«844

Uber das Verhältnis des Weimarschen Hofes unter Carl Alexander zum Archiv meinte Adelheid von Schorn: „Die Entstehung des .Nietzsche-Archivs' hat er auch noch erlebt, da der unglückliche Dichter aber schon körperlich und geistig gelähmt war und seine philosophischen Arbeiten dem Großherzog fern lagen und unsympathisch waren, hat diese Bereicherung Weimars ihn nicht mehr sehr berührt." 845 927 Unger, Franz, 84é Friedrich Nietzsche's Träumen und Sterben. Franz C. Mickl. Mchn. 1900. 25 S. Behandelt Nietzsches Verhältnis zum Traum, dem dieser „nicht nur das Spiegelbild eines gegenwärtigen Lebens, sondern als das Bild, die symbolische Darstellung einer in weiter Ferne gelegenen Vergangenheit erschienen" sei. Gegen Nietzsches Behauptung, daß im Traum der Ursprung der Metaphysik zu suchen sei, setzt er „das Aufkeimen der Vernunft", mit dem Traum als bloße „Ergänzung dazu". Nietzsches Träumen sei „ein Atavismus, ein Rückschritt in geistiger Beziehung zum Urzustände". Doch erst die „Lehre vom rechtzeitigen Sterben ist der wundeste, unhaltbarste Punkt in Nietzsche's sonst so groß angelegtem und in manchen Einzelheiten wirklich bewunderungswürdigem philosophischen System". Sein Träumen fordere eine milde Kritik, sein Sterben eine scharfe Verurteilung heraus. 928 Wolff, Julius, 847 Zur Genealogie des Nietzsche'schen Ubermenschen. ( V D A V 1900, 1. Bd., 2. H., S. 1-24). Verfasser verfolgt die Nietzschesche Vorstellung vom Ubermenschen von Schopenhauer ausgehend über Ree und den Darwinismus bis auf Stirner, dessen „Philosophie des Egoismus [...] sich nicht nur vielfach mit der Nietzsche's berührt, sondern sie an strenger Konsequenz noch so weit übertrifft, daß man fast sagen könnte, daß neben Stirner Nietzsche mit aller seiner Kühnheit beinahe als rückständig erscheint". Verfasser ist schließlich der Ansicht, daß es „eine Moral [...] ohne Metaphysik nicht geben" könne, sonst führe sie wie bei Stirner und Nietzsche „zum moralischen Nihilismus und Anarchismus". 929 anonym, Nietzsche - Strauß. (Päjbr v. 1899, 52. Jg., 1900, S. 416). Eine entschiedene Zurückweisung der extremen Arbeiten von Nietzsche und Strauß anläßlich der Studie von Hans Merian (Nr. 868). Daß jene „allgemeinen Anklang finden werden", wird „unbedingt" verneint: „Das .Ubermenschentum' ist

844 H. Frhr. v. E., Das Weimar von Carl Alexander und Wilhelm Ernst. Erinnerungen. E. S. Mittler. Bln. 1934, S. 123). Das Zueignungsblatt trägt ein Nietzschesches Geleitwort; EG-

LOFFSTEIN, HERMANN, FRHR. VON, geb. am 2. 8. 1861 zu Meiningen, Dr. phil., 1876-79 Schüler in Pforta, 1890 in den Dienst des Großherzogs; WILHELM ERNST, GROSZHERZOG

VON SACHSEN-WEIMAR-EISENACH (Weimar 10. 6. 1876 - Heinrichau / Schles. 24. 4. 1923).

845 A. v. S., Das nachklassische Weimar. 2. Tl.: unter der Regierungszeit von Karl Alexander und Sophie. G. Kiepenheuer. Weimar 1912, S. 287. 846 UNGER, FRANZ, geb. am 27. 10. 1871 zu Graz, Schriftleiter der „Österreichisch-Ungari-

schen Buchhändler Zeitung".

847 WOLFF, JULIUS, geb. 1858.

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1900 Albert Schweitzer: „Wir glaubten nie", diese Gedanken würden „Fuß fassen".

doch wohl ein sehr heikles Ding, ganz abgesehen davon, daß sich philosophische Gedankendinge durchaus nicht musikalisch wiedergeben lassen."

Aus seiner Zeit als Prediger an St. Nicolai zu Straßburg erzählt Albert Schweitzer, der dreimonatige Ferien zum Teil in Paris und zum anderen in Gimsbach verbrachte: „In der Pariser .Société des Langues étrangères' hielt ich, auf deutsch, in den ersten Jahren des Jahrhunderts eine Reihe von Vorträgen über deutsche Literatur und Philosophie. In Erinnerung habe ich noch die über Nietzsche, Schopenhauer, Gerhart Hauptmann, Sudermann und Goethes Faust. Während ich im August 1900 an dem Vortrag über Nietzsche arbeitete, kam die Kunde, daß der T o d ihn endlich von seinem Leiden erlöst habe." 8 4 8

In der Studentenzeit in Straßburg, wo er 1893 mit dem Studium der Theologie und Philosophie anfing, meinte er, habe sich „etwas ganz Merkwürdiges" ereignet: „Der Professor der griechischen Literatur in Basel, Friedrich Nietzsche, hatte soeben dem Ideal seiner Epoche widersprochen und behauptet, daß die Entwicklung nicht auf den vollkommenen Menschen ziele, sondern daß im Gegenteil das Ideal der Machtmensch sei, welcher herrscht und dem sich die andern unterwerfen müssen. Seine Schriften beschäftigten uns; da sie gerade erschienen, als ich Student war. U n d ich kann sagen, daß wir sie nicht ernst genommen haben. W i r betrachteten sie als ein geistiges Schauspiel, das uns in bewundernswerter Sprache geboten wurde. W i r glaubten nie, als wir diese neuen Schriften lasen, daß diese Gedanken in unserer Welt F u ß fassen würden. U n d doch haben sie es getan." 8 4 9

Ahnlich aber etwas ausführlicher heißt es an anderer Stelle:

848 A. S., Aus meinem Leben und Denken. Richard Meiner Vlg. Hamburg (59.-62. Tsd. 1950), S. 31; SCHWEITZER, ALBERT (Kaysersberg / Ober-Elsaß 14. 1. 1875 - Lambaréné 4. 9. 1965). Etwas später im selben Werk stellt er bei der Erörterung der Unterschiede zwischen dem Französischen und dem Deutschen fest: „Als die großartigste sprachliche Schöpfung in Französisch gilt mir Rousseaus .Contrat Social'. Als das Vollendetste in Deutsch sehe ich Luthers Bibelübersetzung und Nietzsches Jenseits von Gut und Böse' an." (Ebd., S. 60). S. a. Die Philosophie d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. Hg. v. Dr. Raymund Schmidt. (Bd. 7) F. Meiner. Lpz. 1929, S. 38 f.: „Wenn meine Philosophie der Ehrfurcht vor dem Leben als eine Synthese von Schopenhauer und Nietzsche bezeichnet worden ist, habe ich gegen diese Charakterisierung nichts einzuwenden. Mit Schopenhauer hat sie gemein, daß sie auf jede Erklärung der Welt verzichtet und den Menschen einem rätselhaften, leidvollen Geschehen unterworfen sein läßt. Mit Nietzsche geht sie in der Welt- und Lebensbejahung und in der Erkenntnis, daß Ethik irgendwie mit Welt- und Lebensbejahung zusammenhängen müsse. Schopenhauer und Nietzsche sind die beiden großen elementaren Denker der modernen Zeit. In unmittelbarer Weise haben sie das gewaltige Problem unseres Verhaltens zu uns selbst und zur Welt erlebt und aufgestellt. Beide waren tiefe ethische Denker, indem sie Ethik, im Gegensatz zu den braven Nützlichkeitsethikern, als ein aus innerer Notwendigkeit kommendes und auf die Vollendung der Persönlichkeit gehendes Verhalten erfaßten. Irgendwie muß also alles aussichtsvolle Denken sich als eine Synthese von Schopenhauer und Nietzsche darstellen." 849 A. S„ Ges. Werke i. 5 Bdn. Bd. 5. C. H. Beck. Mchn. (1974), S. 162.

1900

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„In diesen Jahren des ausgehenden Jahrhunderts erlebten wir Studenten miteinander etwas Merkwürdiges: das Bekanntwerden der so verschiedenartigen Schriften Nietzsches und Tolstois [...] Diese neue Auffassung von dem Wesen der Kultur und der Ethik, von Nietzsche mit großartigem Pathos vorgetragen, machte auf die Menschen jener Zeit, insbesondere auch auf die Jugendlichen, einen großen Eindruck [...] In dieser Situation erlebte ich eine große Enttäuschung. Ich hatte erwartet, daß die Religion und die Philosophie miteinander kraftvoll gegen Nietzsche auftreten und ihn widerlegen würden. Dies ereignete sich nicht. Wohl sprachen sie sich gegen ihn aus. Aber meinem Empfinden nach vermochten sie es nicht und suchten sie es nicht, die ethische Kultur in so tiefer Weise zu begründen, wie es der Kampf, den Nietzsche gegen sie führte, erforderte [...] Die .Realpolitik' gelangte zu Ansehen. Nietzsches .Wille zur Macht' fing an, seine verhängnisvolle Rolle zu spielen.Die auf so manchen Gebieten ausgegebene Parole .Realpolitik' bereitete ihm den Weg."850 O b w o h l auch geraume Zeit später geschrieben, verraten folgende Schilderungen eine solche Unmittelbarkeit und Betroffenheit, daß sie wohl als autobiographisch und zugleich als auf Schweitzers ganzes Geschlecht bezogen aufzufassen sind: „Diejenigen, die aus der Sicherheit gerissen wurden, als seine leidenschaftlichen Schriften wie ein Fühlingsföhn aus hohen Bergen in die Niederungen des Denkens des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts herunterstürmten, können die Dankbarkeit, die sie dem Wahrhaftigkeit und Persönlichkeit predigenden Gedankenaufwühler schulden niemals vergessen." - „Diejenigen, die, als sie erscholl [d. i. die vergessene ethische Frage, was ist vornehm?], von der Wahrheit, die sich in ihr regte, und der Angst, die in ihr bebte, berührt wurden, haben von jenem Einsamen empfangen, was er der Welt zu geben hatte."851 Recht beiläufige und ebenso abwertende Erwähnung erfuhr Nietzsche in einem Werk von Max Lorenz. Von Hebbels „Herodes und Mariamne" heißt es: „Es ist das Drama des .Übermenschen'. Der Übermensch Nietzsches bietet ein Schauspiel dar. Er schreitet rücksichtslos über Leiber und Seelen seinen Zwecken entgegen und bleibt - das heißt: soll bleiben - Sieger in diesem Überschreiten. Hebbels Übermensch ist der Held eines Trauerspiels. Denn Nietzsche und Hebbel fassen das Menschentum anders, entgegengesetzt auf."852 Z u Liliencron schreibt er:

850 Ebd., S. 173-176; s. a. S. 498 f. u. 519 (Nietzsche und Goethe über das Problem, „wie sich das Edel-Werden [...] und das Gut-Werden des Menschen zueinander verhalten"). 851 Kultur u. Ethik. Kulturphilosophie, 2. Tl. Beck. Mchn. 1926 (= 2., unveränderte Aufl.), S. 171, bzw. 172. 852 M. L., Die Litteratur am Jahrhundert-Ende. Cotta Nf. St. 1900, S. 120; LORENZ, MAX (Roessei 28. 4. 1871 - Dresden Mitte Oktober 1907), Mitarbeiter an den „Preußischen Jahrbüchern".

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1900 Max Lorenz: „Aus allzu verzärtelter [...] Seele" gebäre er „in brünstiger Q u a l "

„Es ist gelegentlich auf diesen Starken und Heiteren Nietzsches Wort vom .lachenden Löwen' angewandt worden und man hat in dem Dichter ein genau entsprechendes Seitenstück zu dem Philosophen finden wollen, der im selben Jahre geboren ist. Doch nichts kann verfehlter sein. Nicht Seitenstücke - Gegenstücke sind diese beiden Gleichaltrigen, der Dichter und der Philosoph. Aus allzu verzärtelter, geradezu verweiblichter Seele gebiert der Philosoph in brünstiger Qual das Bild des Übermannes und erschauert in der perversen Luft der Vergewaltigung. Mit naiver Manneskraft dagegen stellt der Dichter den drallsten Dirnen nach. Aus der Unfähigkeit heraus, den Zwiespalt der Seele und des Lebens überbrücken oder überfliegen zu können, erträumt sich jener die imaginäre Herrlichkeit eines neuen, kraftvollen Lebens."853

Im Zusammenhang mit Dehmel steht:

„Weibesliebe beseligt, berauscht, aber sie macht auch - naturgemäß - schwach. Das Weib wird der gesunde Mann nicht fürchten, wie Nietzsche, der es aus Schwäche, weil er es nicht ertragen und bezwingen konnte, schmähte."854

Uber den Arzt und Schriftsteller Julius Türkheim schrieb der Hamburger Bankier Leo Lippmann:

„In seiner Jugend hatte er den Talmud studiert. In seinem späteren Leben war er Freigeist geworden und ein begeisterter Anhänger Nietzsches." 855 930 Förster-Nietzsche, Elisabeth, (Weimar), Die Krankheit Friedrichs [so] Nietzsche. (Z 30. Bd., 8. Jg., Nr. 14 v. 6. 1. 1900, S. 9-27). Die Schwester erzählt hier die Geschichte der Kindheit und entwickelt dabei die Ansicht, daß seit Winter 1871 die Arzneimittel, die ihr Bruder angewendet habe, „seine gesunde Konstitution und seinen guten Magen ruiniert haben und dadurch

Ebd., S. 139. Ebd., S. 148. 855 L . L., Mein Leben und meine amtliche Tätigkeit. Erinnerungen und ein Beitrag zur Finanzgeschichte Hamburgs. A. d. Nachlaß hg. v. J . Jochmann. H . Christians Vlg. (Hamb. 1964 = Veröffentlichungen d. Vereins f. Hamburger Gesch. Bd. 19), S. 45. Belege zu dieser Äußerung Lippmanns liefern Erwähnungen Nietzsches in zwei von Türkheims Werken: Zur Psychologie des Willens. Stahel'sche V A . Würzburg 1900, S. 34, 74, 102, 122, 128 f., 152, 153 („Im woltuenden Gegensatz zu dieser düstern, zersetzenden Lehre [d. i. Schopenhauers] steht Nietzsche's gläubiger, selbstbewußter, vornehmer Optimismus. Dieser gewaltiger Geist kämpft nur gegen die Moral der Bibel. Aber man hört aus seiner Kampfesweise die tiefe Erregung und den wilden H a ß heraus, den er gegen diese Moral hegt, weil sie, so meint Nietzsche, über die schönen Keime und Ansätze zu einer höheren O r d n u n g der irdischen Dinge, die der Hellenismus zu versprechen schien, für unabsehbare Zeiten gesiegt hat. Nietzsche glaubt an eine zukünftige Umwertung aller Werte, weil er von der siegenden Kraft dieser neuen Erkenntnis tiefinnerlich durchdrungen ist; er ist Optimist, weil er f ü r seine einzige große Strebung, wenn auch erst in ferner Zukunft, Erfüllung erwartet."), 159, 163; Probleme. Eine Reihe von Abhandlungen über wichtige Fragen. G . A. Laue. H a m b . (1920), S. 88, 89, 151, 183; das Werk „Zur Psychologie des Geistes. Tier- und Menschengeist". C . G . Naumann. Lpz. (1905), enthält keine Erwähnung Nietzsches; TÜRKHEIM, JULIUS (Hamburg 3. 3. 1853 - ebd. 21. 3. 1928). 853 854

1900 E. Horneffer: „seine Zeit wird kommen - von Jahrhundert zu Jahrhundert"

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das Gleichgewicht zwischen Nahrungszufuhr und dem Verbrauch der Nerven- und Geisteskraft zerstört" worden sei. Es sei sogar möglich, daß „dem ganzen Leiden eine Chloralvergiftung zugrunde gelegen" habe. Miteingeflochten werden einige bisher unveröffentlichte Briefe Nietzsches aus den 80er Jahren. Vieles aus dieser Darstellung ist in die letzten zwei Abschnitte des letzten Bandes der Lebensbeschreibung in etwas geänderter Fassung übergegangen. 931 Horneffer, Ernst, Dr. phil., Vorträge über Nietzsche. Versuch einer Wiedergabe seiner Gedanken. Franz Wunder. Gött. 1900. vi, 109 S. Verfasser verfolgt den „Kampf mit der Weltanschauung des Christentums" bis zu deren „Niederwerfung" durch Kant, Hegel und Schopenhauer. Erst Nietzsche aber habe den Kampf gegen die christliche „Lebensanschauung", d. h. deren „Sittenlehre" aufgenommen. Was ihn „den früheren Philosophen so unähnlich" mache, sei nicht, daß er neue Gedanken erdacht, sondern daß er „einen neuen Willen" habe, und so sei er „ein Philosoph und ein Prophet". Zu Schopenhauers Metaphysik habe er den Begriff der „Entwicklung" hinzugefügt und so den Menschen als „wollend und schaffend" bestimmt. Da er aber gefunden habe, daß „der Mensch von heute [...] nicht auf dem Wege zur Erhöhung des Seins" sei, „so ging er an das Werk, ewige Werte umzuwerten", und „seine Zeit wird kommen - von Jahrhundert zu Jahrhundert". 931a Dass., 2. durchgeseh. Aufl. 1901. vi S., 1 Bl„ 122 S. Die Änderungen beschränken sich auf gelegentliche der Wortwahl, mehrere Umstellungen und die Berichtigung einiger Setzfehler. Verfasser zeichnet jetzt als: Herausgeber im Nietzsche-Archiv zu Weimar. 931b Dass., 3. Aufl. Bln. 1902. Unveränderter Abdruck der 2. Auflage. 931c Dass., 4.-6. Tsd. 1903. vii, 95 S. Die ersten beiden Vorträge haben nur eine leichte Änderung erfahren, der dritte ist aber fast um die Hälfte seines Umfanges gekürzt, doch ohne daß dabei die Einstellung des Verfassers sich geändert hätte. Neu ist das halbseitige Vorwort zur vierten Auflage. 931d Dass., 5. Ausg. (= 7.-9. Tsd.) 1904. 3 Bll., 95 S. Mit einigen wenigen, rein stilistischen Änderungen. 93le Dass., 10.-11. Tsd. Julius Bard. Bln. 1906. 4 Bll., 131 S. Bis auf eine Anmerkung auf S. 69, in der sich der Verfasser zu den Nietzsche-Erklärern bekennt, die meinen, „Nietzsche habe sich über die Wirkung und Tragweite" der Lehre von der Ewigen Wiederkunft „Täuschungen hingegeben", unverändert. 931f Dass., mit geändertem Titel: Nietzsche-Vorträge. 12. bis 14.Tsd. Erweiterte Ausg. Werner Klinkhardt. Lpz. 1908. vi, 187 S. Im zweiten Vortrag ist ein Absatz des vorhergehenden Druckes ausgelassen und sind einige wenige stilistische Eingriffe gemacht, sonst ein unveränderter Abdruck. Enthält aber auch: Rede, gehalten am Sarge Nietzsches, in bis auf wenige stilistische Änderungen unverändertem Abdruck, sowie: Nietzsche und die Gegenwart. 931g Dass., 15.-17. Tsd. Alf. Kröner. Lpz. 1920. viii, 187 S. Unveränderter Abdruck bis auf das Vorwort, worin der Verfasser die Behauptung als „irrtümlich" zurückweist, seine Ausführungen seien eine „unbedingte und volle

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1900 Die „Despotenmoral"

Zustimmung". Doch fragt er zum Schluß, ob man Nietzsche nicht „sehr heilsam" gegen die inzwischen hereingeflutete „demokratische Welle" verwerten könnte? BU (Friedrich Nietzsche), Vereinsamt, in: Die Blaue Blume. Eine Anthologie Romantischer Lyrik v. Fr. v. Oppeln-Bronikowski u. Ludw. Jacobowski. Eugen Diederichs. Lpz. (1900), S. 441 f. Der Band erschien Anfang des Jahres. Das Gedicht steht als einziger Beitrag Nietzsches im 5. und letzten Teil: „Ausklänge", neben solchen von Hamerling (2), Anzengruber (1), Hebbel (2), Wagner (4), Jordan (1), Storm (1), Eduard Ferrand (1), Hermann Kletke (4), Karl Gerok (2), Julius Sturm (1), Geibel (6), Herrn. Lingg (1), J. V. v. Scheffel (4), Fontane (1) und Emil Prinz zu Schönaich-Carolath (1). Bemerkenswert ist der Anfang der Einleitung von Oppeln-Bronikowski: „Wir stehen im Zeichen einer Neuromantik. Die deutsche Poesie war, nachdem sie um die Mitte des scheidenden Jahrhunderts aus den Zaubergrotten der Romantik vertrieben worden, auf dem besten Wege, mit einer satt und prüde gewordenen Gesellschaft zu versimpeln und auf moralischer Langeweile umzukommen, - als sie plötzlich vor etwa zehn Jahren, aus dieser kunstmordenden Atmosphäre entwich und sich über unsaubere Hintertreppen, durch den Schmutz der Straße, an dunstenden Fuhrmannskneipen vorbei, auf das offene, öde Blachfeld rettete, von wo sie sich allmählich wieder in das alte romantische Land zurücktastete [...]" (S. iii)856 932 anonym, Herren-Moral. (BZg 24. Jg., Nr. 22, Morgen-Ausg. v. 14. 1. 1900). Es geht dem Verfasser anscheinend darum, sowohl „die Kirchlichen" wie auch die „neureichsdeutsche[n] Gewaltmenschen" an den Pranger zu stellen und zwar als bewußte oder unbewußte Förderer der Machtmoral des Röckener Philosophen. 933 anonym, „Übermenschentum" und Gewaltpolitik. (DtVBl 52. Jg., Nr. 11, 1. Bl. v. 15. 1. 1900, S. 1). Eine gänzliche Ablehnung der „Despotenmoral" Nietzsches nach deren Darstellung im „Zarathustra", ohne daß das Werk oder sonst eines namhaft gemacht wird. Politische Wirkung der „Lehre von der .Herrenmoral'", die „als Ganzes den Kulminationspunkt alles Widerchristlichen" darstelle, finde man in solchen Kraftnaturen wie Bismarck. Doch „diese Predigt des Egoismus ist eine sehr gefährliche, denn das millionenköpfige Proletariat wird sich ihrer schließlich auch bemächtigen und ,hart' gegen hart setzen".

856 S. hierzu die Meinung Ricarda Huchs in einer Besprechung des Werkes in der WRs: „Die tiefsten Regungen der Seele, die zugleich so allgemein sind, daß sie auch das Tier ergreifen, und die zuweilen in einem Einzelwesen plötzlich aufwallen und sich kenntlich machen wollen, die zu fassen und zu formen ist das Hauptziel der Romantik. Es steht manches Gedicht in der Sammlung, wo das auch ohne mittelalterliche Umgebung in hohem Grade erreicht ist, zum Beispiel ,Aus der Jugendzeit' von Rückert, der .Rosenstrauch' von Ferrand und neben andern schon erwähnten schließlich das wundervolle .Vereinsamt' von Nietzsche, dessen erster und letzter Vers wie ein leidenschaftlich herber Moll-Akkord ins Herz schneiden: [...] Mit diesem Gedicht befinden wir uns schon mitten in der sogenannten NeuRomantik und bedauern, daß es das einzige ist." (Wiederabgedruckt in: R. H., Ges. Werke. 6. Bd. Kiepenheuer & Witsch. (Köln, Bln. 1969), S. 668). Ganz anderer Meinung war Rudolf Alexander Schröder, der meinte: „wie uns das hinzugezogene Gedicht Nietzsches so unromantisch scheint wie irgend etwas, das Nietzsche geschrieben hat." (I 1. Jg., 3. Quartal, N r . 8 v. Mai 1900, S. 247).

1900 „ein Geistes- und Seelenaristokrat im Zeitalter demokratischer Verflachung"

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934 G(oldschmidt), K(urt) W(alther), Die ewige Wiederkunft. (MB1 26. Jg., H. 2 v. Febr. 1900, S. 28 ff.). Begrüßt das Werk von Horneffer (Nr. 923) als scharfsinnig und klar. Was „uns zu diesem Großen [d. i. Nietzsche] zieht", ist, „daß er ein so wundervoller Anachronismus ist, ein Geistes- und Seelenaristokrat im Zeitalter demokratischer Verflachung [...], eine wahrhaft kosmische Erscheinung im flüchtigen, ehrfurchtslosen EintagsWellenschlag". 935 Renz, Dr. B(arbara) K(lara),857 Ein Blick auf Nietzsche's „Also sprach Zarathustra". (LW Nr. 2, 1900, Sp. 40 ff.). Verfasserin will als eingestandener „Pöbelmensch" vor dem „gefährlichen Nietzsche-Taumel" des „gebildeten Deutschlands" warnen. Sie versteht nicht, wieso der Staat nicht gegen „solche Veröffentlichungen einschreitet": „Statt dessen drängt man sich auf dem Nietzschemarkt, wie wenn Kleinodien für Glasperlen eingetauscht werden könnten [...] U n d wer weiß, wie viel Tausende von Exemplaren noch die Schande der religiösen und sittlichen Zerfahrenheit ihres wahnwitzigen Autors in die Welt hinausschreien werden?" 936 H ö h n e (Zscheila), (ThLb Nr. 2, 1900, S. 43 f.). Besprechung des Werkes von Grimm (Nr. 828), das trotz deutlicher Abneigung des Besprechers am Gegenstand „zur Einführung in Nietzsches Hauptgedanken" empfohlen wird. 937 (Steiner, Rudolf), Friedrich Nietzsche und das „Berliner Tageblatt". (ML 69. Jg., Nr. 5 v. 3. 2. 1900, Sp. 141 f.). Auf eine Anfrage hin, „in welcher Reihenfolge" man die Schriften Nietzsches lesen solle, hatte das „Berliner Tageblatt" (Nr. 50, 2. Beibl. v. 28.1. 1900) einem Leser geraten, zunächst „einige der unzeitgemäßen Betrachtungen", darunter die „von der Entstehung der Tragödie", und „im Anschluß daran die beiden sich ergänzenden großen Studien: Genealogie der Moral und Jenseits von Gut und Böse" zu lesen. „Nach diesen systematischen Arbeiten des gesunden Friedrich Nietzsche mögen Sie sich den Aphorismenbänden des erkrankenden und kranken Philosophen zuwenden, etwa in der Reihenfolge: Morgenröthe, Menschliches-Allzumenschliches, Fröhliche Wissenschaft, Antichrist und erst zuletzt seine großartigste Schöpfung ,Also sprach Zarathustra' [...]" Steiner ist dieser Rat „symptomatisch für die bodenlose Unwissenheit und Unbildung, mit der die Macher unserer Zeitungen ausgestattet sind". Der Ratgeber wisse „gar nicht einmal, in welcher Reihenfolge Nietzsche seine Bücher geschrieben hat". 937a Auch in Nr. 211a, S. 479 ff. Der Sperrdruck fehlt, sonst unverändert. 938 Graue (Berlin), (Pro Literar. Beil. z. Nr. 6 v. 10. 2. 1900, Sp. 129 ff.). Besprechung des Werkes von Grimm (Nr. 828), das Verfasser mit „großer Befriedigung gelesen" habe. Grimm zeige, „wie man einen Denker bekämpfen kann, ohne ihn zu hassen und zu verdammen". Besprecher steht Nietzsche mit deutlicher Abneigung gegenüber, daher verwundern die Schlußsätze: „Wertvoll für immer bleiben eine große Anzahl herrlicher Sprüche und Worte, die er gemeißelt hat, und die

857 RENZ, BARBARA KLARA, geb. am 12. 12. 1863 zu Alterstadt im Illerthal, studierte in Zürich, Rom und New York, Dr. phil.

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1900 Rudolf Steiners Anklagen gegen das Archiv

Grundrichtung, der er in seiner Art diente: die Erhebung der Persönlichkeit über alles Unpersönliche, des einzelnen über die Masse als solche. Nimmt man die Grundabsicht N.'s in die Zucht des Christengeistes, dann ist diese Verbindung des Willens zur Macht mit der Liebe und dem Glauben das, was wir brauchen." 939 Steiner, Rudolf, Das Nietzsche-Archiv und seine Anklagen gegen den bisherigen Herausgeber. Eine Enthüllung. (ML 69. Jg., Nr. 6 v. 10. 2.1900, Sp. 145-158). Verfasser will seine Ausführungen durch die Schriften von Horneffer (Nr. 923) und Lichtenberger (Nr. 831) angeregt verstanden wissen: Er will aus „genauer Beobachtung" die Angriffe Horneffers auf Koegels herausgeberische Fähigkeiten entkräften und „die oberflächliche Darstellung" Lichtenbergers, die die „verantwortliche Hüterin des Nachlasses [...] zu der offiziellen Interpretation" von Nietzsches Weltanschauung gemacht habe, bekämpfen. Er bestreitet bei seiner Darstellung der Geschehnisse um die Entlassung Koegels, daß er selber sich jemals um die Mitherausgeberschaft des Nachlasses beworben habe. Am bemerkenswertesten vielleicht ist die „Enthüllung", daß er im Herbst der Schwester „Privatstunden über die Philosophie ihres Bruders" zweimal wöchentlich gegeben, und dabei festgestellt habe, daß sie „in allem, was die Lehre ihres Bruders angeht, vollständig Laie ist". 939a Auch in Nr. 211a, S. 505-528. Unverändert; die meisten Stellen, die durch Sperrdruck hervorgehoben wurden, werden durch Schrägdruck wiedergegeben. 940 S(ittard), J „ Neue Schriften über Nietzsche. (ZfLKW Nr. 3 v. 11. 2. 1900, S. 9 f.). Eine Sammelbesprechung der Werke von Horneffer (Nr. 923, der „nichts neues" bringe, und Nr. 931), Grimm (Nr. 828, ein ausgezeichnetes Buch, dessen Darstellung und Kritik „zum Besten gehört, was wir über und gegen den Dichter-Philosophen gelesen haben", und dem auch der größte Raum gewidmet wird) und Th. Ziegler (Nr. 883, das trotz einer gewissen Eile, mit der es für den Druck vorbereitet worden sei, „zu den gehaltvollsten Werken" gehöre). Gestreift werden zwischen durch auch Meinungen oder Werke von Lou Andreas-Salomé, Malwida von Meysenbug, Lichtenberger, Achelis und Gallwitz. 941 Meyer, Heinrich (Göttingen), 858 Nietzsche der Frauenfeind. (Geg 29. Jg., H. 8 v. 24. 2. 1900, S. 117-121). Verfasser nimmt den Aufsatz der Schwester (Nr. 889) zum Anlaß, sie als „berufene Interpretin ihres Bruders" abzulehnen. In Nietzsches Geringschätzung des Weibes findet er einen schwachen Punkt, von dem aus er behaupten kann, daß dieser in historischer Befangenheit und Kurzsichtigkeit die Errungenschaft, daß „vor dem Sittengesetz" alle Menschen gleich seien, aufgehoben habe. 942 Lublinski, S. (Johannesburg / Ostpr.), Mehr Goethe. (DLE 2. Jg., H. 11 v. 1. 3. 1900, Sp. 745-750). Bespricht das gleichnamige Werk von Huch (Nr. 829), anfangs äußerst lobend, den Verfasser sogar mit Lessing vergleichend. Was er über „die Nach- und Mitläufer der Moderne" sage, sei „glänzend und hinreißend", auch „was er über Ibsen sagt, da hat

858 MEYER, HEINRICH (Liebenburg a. Harz 14. 3. 1869 - Hamburg 29. 12. 1945), promovierte 1892 zu Göttingen zum Dr. phil., Literaturwissenschaftler und Sprachforscher, Mitarbeiter am Deutschen Wörterbuch, Kleistforscher.

1900 S. Lublinski: „die Begeisterung für die Renaissance"

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jeder Satz Hand und Fuß [...] Wenn er aber Zola und Nietzsche beseitigen will, so hält er sich an der obersten Oberfläche [...] Nietzsche, als er seinen .Ubermenschen' konzipierte, hat sich um die theoretische Wahrheit dieses Phantasiebildes blutwenig bekümmert, während er allerdings Großes für die Gemütswirkung erwartete. Darin hat er sich getäuscht, weil seine Phantasiegestalt [...] im romantischen Nebel haltlos zerfloß. Hätte Huch sich damit begnügt, diese Romantik anzugreifen, so wäre alles mehr als gut gewesen. Zum Unglück bekämpft er aber gerade dasjenige an Nietzsche, was am meisten an Goethe gemahnt: die Begeisterung für die Renaissance." 943 anonym, Die Titanenweisheit und Herrenmoral Nietzsche's. (DtVfr v. 3. 3. 1900, S. 136). Zur Erklärung dessen, was „heutzutage viele Leute" als „höchste Blüte aller modernen Philosophie" ansehen, meint man, Nietzsche habe die „Entwicklungslehre Darwins einfach auf den Menschen übertragen und die Fortsetzung dieses Entwicklungsprozesses behauptet". „Eine Ethik des Satans" könne man sie nennen, „denn teuflisch ist sie durch und durch". Seine „Ubermenschen" bilden „die Vorreiter" des Antichrist. 944 anonym, Emancipine Titaninnen der Neuzeit. (Ebd., S. 136 f.). Neben atheistischen Juden und weltumstürzlerisch gesinnten Revolutionären gebe es auch „deutschredende, wenn auch nicht deutschgesinnte Frauen", die sich für Nietzsche begeisterten. Verfasser erzählt dann von zwei solchen „Weiberrechtlerinnen", die eine eine „junge Emanzipirte und Ubermenschin", die andere „Frau eines [...] Arztes". 945 Kretzer, Lic. Dr. Eugen (Frankfurt), Nietzsche-Literatur. (FZg Nr. 64 f. v. 6. u. 7. 3. 1900, 1. Morgenbll.). Der Inhalt dieser Sammelbesprechung wird im Schlußsatz deutlich und knapp umrissen: „Summa Summarum: Für .Nietzscheverehrer': v. Salis-Marschlins [Nr. 612] Lichtenberger I [Nr. 831] und II [H. L., Friedrich Nietzsche, Aphorismes et fragments choisis, Paris, Alean, 1899], Tienes [Nr. 803], Grimm [Nr. 828], Horneffer [Nr. 923], Moeller-Bruck [Nr. 825]. Für die Bildungsphilister: Kalina [Nr. 759], Ziegler [Nr. 883], Henne am Rhyn [Nr. 807]." Verfasser erwähnt wieder, daß er „einer der wenigen noch lebenden persönlichen Freunde und Verehrer des Denkers aus der Zeit der Jugend, welche die Verbindung aufrechterhalten haben", sei, und bringt als einziges aus dem langjährigen Verkehr folgendes über das „pathologische Moment": „[...] welches, wie ich nur wiederhole, nach meiner persönlichen Kenntnis intimster Thatsachen und Umstände bei Nietzsche viel weiter als 1882 (Ziegler), nämlich spätestens bis 1877, wenn nicht weiter, zurückreicht." 946 Härtung (Leipzig),859 (ThLZg Nr. 10, 1900, Sp. 316 f.). Eine Anzeige der Schrift von Grimm (Nr. 828), zu der es heißt: „In allem Wesentlichen können wir dem Verfasser beistimmen, auch darin, wie Nietzsche's glänzende, im Ausdruck oft so bezeichnende Sprachweise manchem Stücke aus seinen Werken dann, wenn er dem Gespräche des Tages entrückt sein wird, einen

859 HÄRTUNG, MAX (Leipzig 21. 3. 1857 - ebd. 5. 8.1932), 1888-1901 Schriftleiter der „Gartenlaube".

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1900 O t t o Siebert: Ein nichtiger Inhalt und ein giftiger Kern

bleibenden Werth geben wird [...]" 947 Siebert, Dr. Otto (Fermersleben), Die Weltanschauung Friedrich Nietzsches. (PäW 6. Jg., H. 18 v. 15. 3. 1900, S. 785-789). Verfasser will der „Zeitverirrung, wie Nietzsches Philosophie sie darstellt, die blendende Maske" herunterreißen, „um den nichtigen Inhalt und giftigen Kern derselben ins helle Licht zu stellen". Er findet ihn weitgehend von Schopenhauer abhängig, „nur in seiner Stellung zur Moral" gehe er weit über diesen hinaus. Doch sei seine „Philosophie des Ubermenschen" schließlich „sowohl für die Geschichte der Philosophie wie die der Ethik ohne alle Bedeutung: eine glänzende Schale, aber ein nichtiger Inhalt!" 948 Schindler, F. (Wien), (AL 9. Jg., Sp. 270). Anzeige des Werkes von Grimm (Nr. 828), das „in der stark anschwellenden Nietzsche-Litteratur [...] eines der besten" sei. 949 Koch, Anton (Tübingen),860 (Ebd., Nr. 14, 1900, Sp. 433). Als erste Schrift in einer Sammelbesprechung steht die Lichtenbergers (Nr. 831), deren „Objektivität" anerkannt wird, obwohl Besprecher bei der Meinung bleibt, „daß Nietzsche's Persönlichkeit anziehender ist als dessen Gesammtleistung und daß gerade letztere trotz aller Einschränkung in Hinsicht auf die Moral verderblich wirkt, wirken m u f f . A m 3. März hielt Oskar Walzel einen Vortrag in der Versammlung des bernischen Mittelschullehrer-Vereins über die Zeit „Von 1870 bis 1900. Strömungen der neuesten deutschen Literatur", in dem er über Bismarck auf Nietzsche stieß: „Bismarck's rücksichtslose, despotische Gewaltnatur schlug den romantischen Träumern auf Schritt und Tritt ins Gesicht, der Realpolitiker strafte all das täglich Lügen, was die Zeitdichtung von neuerwachter, altdeutscher Treue, von altdeutscher Biederkeit sang; der Ubermächtige hatte keine Zeit für solchen Tand, er hatte keine Zeit, sich erst zu überlegen, ob sein Wirken in die Schablone vom deutschen Heldenkaisertum paßte; der Ubermensch griff ins Leben hinein, er versenkte sich nicht in eine vermodernde Welt. Der Ubermensch - ich habe den Ausdruck mit Absicht gewählt; denn neben Bismarck darf hier der Name Nietzsches genannt werden. Ich beabsichtige nicht, Nietzsche hier zu retten; allein die kulturelle Bedeutung seines Wirkens ist zu streifen. Man mag über die letzten Konsequenzen seiner Anschauungen denken, wie man will: sicher hat keiner mit kräftigerer Faust all dem Unwahren, Ersonnenen, um nicht zu sagen Erlogenen jener Zeit die Maske vom Gesicht gerissen. Dem fadenscheinigen Idealismus der Epoche hat er seine ganze Kraft entgegengeworfen. Die Deutschen rühmten sich, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem Volke der Dichter und Denker ein Volk der Tat geworden zu sein. Es war nahe dran, daß die Hohenstaufenromantik diese Wandlung aufhob. Nietzsche hat das Evangelium der Tat in diesem bedrohlichen Augenblick angestimmt, eben so wie Bismarck es gleichzeitig praktisch betätigte. Mit

860 KOCH, ANTON, geb. am 19.4. 1859 zu Pfronstetten / Württemberg, katholischer Theologe, 1884 Priesterweihe, seit 1894 Professor in Tübingen.

1900 Walzel: „das Evangelium der Tat in diesem bedrohlichen Augenblick angestimmt" 605

Entsetzen blickte die Jugend, die von solchen Lehrern erzogen worden war, auf den Tiefstand deutscher Kunst und Dichtung." Auch die Wandlung vom „konsequenten Naturalismus" zur „psychologischen Vertiefung" hänge mit dem Auftreten Nietzsches zusammen und sei nur allzu „begreiflich" gewesen: „Hätte doch Nietzsches neue Ethik den Menschen vor eine Fülle neuer psychologischer Probleme gestellt. Wer seine ethischen Forderungen anerkannte, mußte sich die Frage vorlegen: wie ist es dem einzelnen möglich, diesen Forderungen nachzukommen, sich durchzusetzen, kurz: Ubermensch zu sein? Welche seelische Konflikte ergeben sich im Menschen, wenn er entweder der hohen Aufgabe nicht gewachsen ist, oder wenn er - sich ihr gewachsen fühlend - mit seiner Mitwelt in Konflikt kommt? [...] Eines der ersten Werke der neuen psychologischen Kunst war Sudermanns Roman ,Der Katzensteg' von 1889 gewesen: durch ihn trat der Ubermensch in die Literatur des Tages ein. Zwei Jahre später übertrug Hauptmann das neue Evangelium der Kunst ins dramatische Gebiet; seine ,Einsame Menschen' (1891) bringen die angedeuteten, durch Nietzsche angeregten Probleme auf die Bühne."861 950 Louis, Robert,862 Maurice Kufferath: Musiciens et Philosophes. (Tolstoi. Schopenhauer. Nietzsche. Richard Wagner.) Paris 1899. (BB Bd. 23, Nr. 3-5 v. März-Mai 1900, S. 142 ff.). Bespricht das nämliche Werk und findet, obwohl er in die Verurteilung der Abwendung von Wagner einstimmt, daß gerade „die pathologische Sucht des beginnenden Größenwahnsinns [...] ihn bisweilen Dinge und Beziehungen sehen" lasse, „die in hohem Grade anregend genannt werden müssen". 951 Kummer, Friedrich,863 Von Hölderlin zu Nietzsche. Zwei Vortragsabende von Wiecke.864 (BT v. 12. 3. 1900). Ungefähr das letzte Drittel der Schilderung ist Nietzsche gewidmet, mitunter denn „noch niemals sind seit den Tagen des Psalmisten so hohe, große, mit dem blendendsten Schmuck der Rede unverhüllte Gedanken in hymnischer Form ausgesprochen worden, wie im .Zarathustra'".

861 (Zuerst in: SPZ 10. Jg., H. 5, 1900, S. 236 f., 240 f.; dann als Sonderdruck: O. Füßli. Zür. 1900, S. 8 f.,12 f.). 862 Louis, ROBERT (Schwetzingen 30. 1. 1870 - München 15. 11. 1914), zunächst Komponist und dann seit 1897 Musikschriftsteller in München, Konzertkritiker der MNN, machte sich um das Werk Julius Bahnsens verdient. 863 KUMMER, FRIEDRICH (Dresden 30. 3. 1865 - ebd. 3. 4. 1939), Dr. phil., Literaturgeschicht-

ler, Feuilletonredakteur am „Dresdener Anzeiger". 864 WLECKE, PAUL, Schauspieler am Dresdener Hoftheater, später Schauspieldirektor; über ihn schrieb Hermann Anders Krüger, der sich damals gerade an der dortigen Technischen Hochschule als Privatdozent für neuere Literaturgeschichte habilitierte und gleichzeitig als angehender Dramatiker hervortrat: „Wiecke war Portenser, hatte in Weimar starke Anregungen durch eine dort noch teilweise erhaltene klassische Schauspielkunst erhalten, hatte sich dann rastlos und ewig ringend weitergebildet, vor allem an Nietzsche und der Moderne, und galt damals in Dresden mit Recht als der tapferste und berufenste Bahnbrecher der neuen Kunst." (Η. Α. Κ., Sohn und Vater. Eine Jugendrechenschaft. G. Westermann. Braunschweig u. Hamb. 1922, S. 323).

606

1900 Der Steiner-Horneffer-Streit setzt sich fort

952 S., Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkunft und deren bisherigen Veröffentlichung. (HN Nr. 66 v. 18. 3. 1900). Bespricht lang und breit das nämliche Werk von Horneffer (Nr. 923), das „ein Unicum in seiner Art sein" dürfte, da „gegen den Herausgeber eines Geisteswerkes von der Bedeutung der Nietzscheschen Schriften [...] so schwere Anklagen öffentlich erhoben und durch die Maßregeln des Verlegers bestätigt werden". 953 Lichtenberger, Henri, Friedrich Nietzsche. Ein Abriß seines Lebens und seiner Lehre. Dt. v. Fr. v. Oppeln-Bronikowski. 2. Aufl. (= 4. u. 5. Tsd.) Reißner. Dresd. u. Lpz. 48 S. Eine biographische Skizze in der Hauptsache nach der Darstellung der Schwester, in der Verfasser versucht, „zwei anscheinend entgegengesetzte, in Wahrheit aber sehr wohl zu vereinbarende Tendenzen [...], eine positive und eine negative" im Wesen Nietzsches herauszuarbeiten. Zum Schluß ist auch von einigem Interesse der, wenn auch leicht idyllische, Einblick in das Archiv-Leben in Weimar. BV Neue Aphorismen. / Von Friedrich Nietzsche. (Zeit 22. Jg., Nr. 288 v. 7. 4. 1900, S. 8 f.). Vorabdruck von 25 Aphorismen, die laut Anmerkung aus den Jahren 1887 und 1888 stammen und zuerst in den Bänden XIII-XVI der Gesamtausgabe in Buchform erschienen sind. BW (Nietzsche, Friedrich), Nihilismus. (Z Bd. 31, 7. 4. 1900, S. 10-17). Ein Vorabdruck von Stellen zum Gegenstand aus dem 15. Band der Gesamtausgabe, S. 5, 11-17, 27, 30-35, 493 f. 954 Horneffer, Dr. E., Eine Verteidigung der sogenannten „Wiederkunft des Gleichen" von Nietzsche. (ML 69. Jg., Nr. 15 v. 14. 4. 1900, Sp. 377-383). Verfasser verteidigt seine Schrift (Nr. 923) gegen die Inschutznahme Koegels durch Rudolf Steiner (Nr. 939). 954a Auch in Nr. 211a, S. 529-537. Mit einigen Abweichungen im Schräg- gegenüber Sperrdruck, sonst unverändert. 955 Steiner,Rudolf, Erwiderung auf die obigen Ausführungen. (ML 69. Jg., Nr. 15 v. 14. 4. 1900, Sp. 384-389). 955a Auch in Nr. 211a, S. 538-548). Unverändert. 956 Conrad, M. G., Zur Nietzsche-Forschung. (Ges 16. Jg., Bd. II, H. 2 = 2. AprilH„ 1900, S. 128 f. Kaum mehr als eine Anzeige des zweiten Teiles von Naumanns Werk (Nr. 911), das „gute Belesenheit", doch keinen „Hauch eigenpersönlicher höherer Geistigkeit" aufweise. Dennoch ergeht sich Besprecher in einer strengen Verurteilung der unritterlichen, ja gassenbubenhaften „Behandlung der Schwester Nietzsches", einer „der edelsten und durch schweres Leid geheiligten Frauen Deutschlands". 957 (Hahn, R., Bitterfeld), Die versunkene Glocke in ihren Beziehungen zu Nietzsche's Philosophie. (SaZg Nr. 185 v. 21. 4. 1900). Berichtet über einen Vortrag in der „Litterarischen Gesellschaft" zu Halle, in dem der Vortragende gezeigt habe, „wie Hauptmann [...] zum Interpreten des Philosophen" werde.

1900 Der Streit um Horneffers Ewige Wiederkunft und um die Schwester

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958 Goepel, Auguste, 8 6 5 Gedichte. Ed. Riihls Buchhdlg. Bautzen 1900. viii, 87 S. Enthält ein 24zeiliges Gedicht „ A n Frau Elisabeth Förster-Nietzsche", in dem es z u m Schluß heißt: „Zu seinem tiefen, großen, reinen Herzen / Schufst D u , o edle Frau, den Weg uns frei. / Erkenne nun, wie reich Dein Segen sei!" 959 (Steiner, Rudolf), D i e „sogenannte" Wiederkunft des Gleichen von Nietzsche. (Eine Fortsetzung meiner Erwidrung auf E. Horneffers A u f s a t z „Eine Verteidigung der sogenannten .Wiederkunft des Gleichen' von Nietzsche." ( M L 69. Jg., N r . 16 f. v. 21. u. 28. 4. 1900, Sp. 401-404, 425-434). 959a A u c h in N r . 211a, S. 549-570. Mit einigen Abweichungen im Schräg- gegenüber Sperrdruck, sonst unverändert. 960 Förster-Nietzsche, Elisabeth (Weimar), D e r K a m p f u m die Nietzsche-Ausgabe. (Z 8. Jg., Bd. 31, N r . 29 v. 21. 4. 1900, S. 110-119). Eine Verteidigung gegen die Anklagen der drei Herren, „die mich mit ihren Angriffen verfolgen, D r . Fritz Koegel, D r . Rudolf Steiner und Gustav N a u m a n n " . V o n den drei habe „jeder den leidenschaftlichen Wunsch gehabt und die seltsamsten Versuche gemacht, alleiniger Herausgeber der Nietzsche-Werke zu bleiben oder zu werden oder wenigstens als Mitarbeiter beteiligt zu sein". Als eine Folge des Streites berichtet sie: „Herr O t t o Erich Hartleben ließ mir offiziell mitteilen, daß ihn dieser .inferiore Klatsch' veranlaßt habe, seinen definitiven Rücktritt von der Herausgabe des .Magazin' zu erklären." 8 6 6 961 H . H „ K u n o Fischer über Friedrich Nietzsche. ( N B L Z g N r . 196 v. 27. 4. 1900). Verfasser berichtet als ehemaliger Hörer v o m „Geh. Rath. Fischer" als Vorlesenden und von dessen Äußerungen zu Nietzsche: „Aus Schopenhauer ging hervor

865 GOEPEL, AUGUSTE (Bautzen - ebd. 12. 9. 1899). 866 Zu diesem Streit s. a. die brieflichen Äußerungen von M. G. Conrad und S. Lublinski an Ludwig Jacobowski: (12. 3. 1900:) „Eine wichtige Sache wird Ihnen Dr. Arthur Seidl schikken. Er hat mir gestern eine Abfertigung vorgelesen, die er in Sachen Rudolf Steiners contra Elisabeth Förster-Nietzsche geschrieben, in drei, vier Tagen ist das MS druckfertig und er wird's Ihnen dann sofort schicken. Es ist streng sachlich, scharf, aber vornehm im Ton [...] der Kampf um Nietzsche und das Nietzsche-Archiv muß ein ritterlicher bleiben immerdar. - Nach meiner innigsten Empfindung - und ich habe in Weimar genügend scharf hinter die Kulissen gesehen - hat Steiner in seinem Magazin-Artikel bös danebengehauen. Es ist wichtig, daß die .Gesellschaft' in dieser Sache ihre Stellung behauptet, sodaß sie im weiten Kreis der Leute für und gegen Nietzsche nicht ignoriert werden kann! Also lassen Sie sich den Seidl-Artikel nicht entgehen."; (4. 5. 1900:) „Ich verfolge jetzt mit regster Spannung den Kampf um Nietzsche. Mir ist durchaus klar, daß es sich hier um einen großen, sachlichen Gegensatz handelt, und daß auch Steiner selbst von durchaus sachlichen Motiven geleitet ist [...] In der Sache selbst muß ich mich freilich auf die Gegenseite schlagen. Ich bin durchaus der Meinung, daß die Wiederkehr und der Übermensch im .Zarathustra' eng zusammenhängen. Steiner als Antikantianer kann das nicht zugeben. In Wahrheit fußt aber Nietzsche, so sehr er den Moralisten Kant verwirft, in der Erkenntnistheorie voll und ganz in Kant, und er hat nicht daran gedacht, die ewige Wiederkunft wissenschaftlich beweisen zu wollen, wie Steiner doch eigentlich meint [...] Den ganz großen Philosophen ist er meines Erachtens nicht gewachsen - auch einem Nietzsche nur insofern, als dieser manche Stirnerschen Elemente enthält. Nur war Nietzsche noch unendlich viel mehr als jemals Stirner [...]" (Auftakt ζ. Lit. d. 20. Jhs. Bd. 1, a. a. O., S. 291, 305 f.).

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1900 Kuno Fischer: „Von einem System, von einer wirklichen Philosophie" keine Rede

Eduard von Hartmann, der Philosoph des Unbewußten und - Friedrich Nietzsche, der die Jugend halb toll gemacht hat. Er ist zunächst in .Unzeitgemäßen Betrachtungen' mit beispielloser Frechheit gegen ausgezeichnete Schriftsteller aufgetreten [...] Dann hat er sich durch eine Reihe aphoristischer Schriften bekannt gemacht, die gar nicht systematisch sind, eine Menge von Einfällen, die man für geistreich halten kann, Jenseits von Gut und Böse' usw., zehn Jahre später als Hartmann. Daß Nietzsche ein geistreicher Mensch war, daran ist nicht zu zweifeln. Von einem System, von einer wirklichen Philosophie ist nicht die Rede. Er hat die Jugend verrückt gemacht. Eine Masse junger Leute, die ihn nicht verstehen, weil sie von ihm unterjocht sind, stehen da wie eine Herde begeisterter Schafe. Unlängst ist er gestorben was sehr zu bedauern - in unheilbarem Blödsinn. Ob davon etwas schon in den Werken war, möchte ich nicht bestimmt behaupten, aber auch nicht bezweifeln. Ein gewisses geistiges Irresein ist bei aller Genialität darin vorhanden." Er berichtet einleitend auch von wohl früheren Äußerungen im Zusammenhang mit der Quellenkritik des Laertiers Diogones[so!], in denen Fischer „die betreffenden Jugendarbeiten Nietzsches würdigte und verdienstlicher denn seine nachmalige Speculation bezeichnete". 962 anonym, Die Übermenschenmode. (Rb Nr. 97 v. 27. 4. 1900, 1. Beil.). Verfasser schreibt das Aufkommen dieser neuesten „Mode" nur einigen verdrehten Köpfen zu. Sie folge auf die „Schopenhauerei", dessen Begründer „der erste Stimmungsphilosoph" gewesen, doch benutzen ihre Anhänger „die Wahnidee ihres Propheten" in der Praxis „nur als Legitimationskarte für die unbefangene und rücksichtslose Bethätigung der natürlichen Neigungen des Menschen, hauptsächlich im Verkehr der Geschlechter": „Es ist die uralte heidnische Grundanschauung, in eine dogmatische Form gebracht, die den Kern der Übermenschenmode bildet." „In der Dichtung der Gegenwart" findet Verfasser sie in der „Heimat" von „Ernst" Sudermann und der „versunkenen Glocke" von Hauptmann. Sonst erwähnt er einen „W." v. Grotthuß und einen „Türk"; auch meint er, das „Hauptwerk", der „Zarathustra", biete dem Leser „den richtigen Standpunkt zur Beurteilung der früheren Werke [...], namentlich von Götzendämmerung, Zur Genealogie der Moral und Jenseits von Gut und Böse, [...] die die fortschreitend geistige Umnachtung des Verfassers erkennen lassen". 963 anonym, Nietzsche, der Frauenfeind. (DAT XIV. Jg., No. 804 ν. 28. 4. 1900, S. 187). Verfasser möchte, trotz manch gegenteiliger Äußerung Nietzsches, kurz dartun, daß dieser „nicht gegen die Emanzipation der Frau gestritten" habe - „er mußte für dieselbe streiten, wenn er sich selbst getreu bleiben wollte". 964 Seidl, Dr. Arthur, Rudolf Steiner'sche Masken und Mummenschänze. Eine Demaskierung. (Ges Bd. II, H. 3 = 1. Mai-H„ 1900, S. 133-147). Greift in den Streit zwischen Horneffer und Steiner auf Seiten des Ersten ein. Neben Steiner und Koegel werden auch Theobald Ziegler und Oppeln-Bronikowski mitangegriffen. 965 anonym, Nietzsche als Dichter. (BrBZg 11. Jg., Nr. 100 ν. 1. 5. 1900). Über neun volle Feuilletonspalten hin gibt die Zeitung den Inhalt eines Vortrages, den Michael Georg Conrad am 28. April gehalten hatte, „in möglichst engem Änschluß an den Vortrag selbst", wieder. Der Redner fängt mit Luther, dem „Wieder-

1900 A. Mendelssohn: Der „vergebens" vom kategorischen Imperativ abzukommen suche

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entdecker und Wiedererwecker des deutschen Gewissens", an, um Nietzsche dann neben ihn treten zu lassen als „zu den höchsten und wundersamsten Erscheinungen" gehörig. Auf den „Christenmenschen" folge nun der „Kulturmensch". Es spreche „in dem Dichter allein [...] das ganze entzückende Kulturmenschenphänomen Nietzsche am lautesten und reinsten". - „Er hat in einem Deutsch geschrieben, wie seit Luthers und Goethes Tagen keines war." Sonst bietet der Vortragende einen chronologischen Uberblick über die Werke. Das Programm ergänzte man wie folgt: „Herr Weisbarth sang einige Rhythmen Nietzsche's (Kompositionen von A. Mendelssohn867 und Gustav Krug) und Herr Dr. Manning deklamierte eine

867 MENDELSSOHN, ARNOLD (Ratibor 26. 12. 1855 - Darmstadt 19. 2. 1933), ein Urenkel von Moses Mendelssohn, zunächst Universitätsmusiklehrer und Organist in Bonn, darauf Dirigent in Bielefeld, Lehrer am Konservatorium in Köln und von 1890 an Kirchenmusikmeister und Gymnasialmusiklehrer in Darmstadt. Eine entschiedene und mitunter heftige Ablehnung Nietzsches findet sich in den vor dem Weltkrieg einsetzenden und sich über mindestens zwanzig Jahre hin erstreckenden Aufzeichnungen des damals in Darmstadt Wirkenden: Gott, W d t und Kunst. Aufzeichnungen. (Hg. v. Wilh. Ewald). Insel 1949, S. 89 f. („Das Ziel des als wirklich in der Zeit sich vollziehend gedachten Fortschritts ist nicht Nietzsches Ubermensch, sondern sein .letzter Mensch', eben der Philister in Reinkultur."), 359 f. (über die „Begründung seiner greulichen Lehre von der Wiederkehr des Gleichen"), 103 f. (über Nietzsches Empörung „über Christ und Deutschland, weil sie dem imperium romanum und der Renaissance den Garaus gemacht haben", und gegen ihn als freien Geist, der „vergebens" vom kategorischen Imperativ abzukommen suche); aus den Kriegsjahren auf S. 34 (Nietzsche als „Zettelkasten-Schriftsteller"), 119 (zu seinem Haß auf Sokrates, Plato und Kant, „diese Sophistentöter. Wie kann man so stumpfsinnig sein, nicht zu riechen, daß dieser Nietzsche den ausgeprägten Stempel des Sophisten an sich trägt? Blender, Wortjongleur. Mit solchen Geisteskinkerlitzchen behängt sich kein ehrlich Fragender, sondern einer, der verblüffen will. Dann dies Jammergeschrei über mangelnden Erfolg! Und über seine schwere Aufgabe! Und über zurückhaltende Freunde!"), 190 („Die Sentimentalität der Nächstenliebe ist nicht so gefährlich, wie Nietzsche meint [...]"), 332 (Nietzsches Verständnislosigkeit für den „echten Sozialismus", nämlich den christlichen); aus der Nachkriegszeit auf S. 136 („Nietzsche hatte, um sich zur Persönlichkeit auszubilden, sehr konträre Triebe zu vereinigen. Das Unmögliche ist ihm nicht völlig gelungen; aber seine Anstrengung war so groß, daß sein Werk so oft den Eindruck des Gespannten, ja Uberspannten, Gewaltsamen, Krampfhaften macht [...] andrerseits aber sind ihm infolge der angenötigten Uberanstrengung Probleme aufgegangen, und es haben sich ihm Fragen gestellt, die eine harmonischere Natur nicht so leicht gewahr wird, noch weniger sie erlebt. Daher ist er wohl die bedeutendste Geisteserscheinung seit Schopenhauer, aber kein Führer noch Vater, wie etwa Goethe [...]"), 151 („In Nietzsche hat die Idealität vor der Realität kapituliert"), 179 f. („Mit dem amor fati bekennt sich der .Antichrist' Nietzsche zum Christentum."), 239 (Ähnlichkeit der „Bürgerchristen-Moral" mit der Nietzsches, da beide „falsch und irreleitend"), 242 („Nietzsches Grundfehler, der all seinen moralischen Paradoxen zu Grund liegt, besteht darin, daß er nur die Art Moral kennen will, die ich die unechte nenne, nämlich die Sitte, also ein Ding, das in der Zeit unter den und jenen Umständen und bei den und jenen Menschen geworden ist."), 369 („Diese Erasmusnaturen vom grünen Geistestisch, Schopenhauer, Nietzsche, George und Genossen sind notwendig Zölibatäre, und besonders Luther ist ihnen ein Greuel. Denn der ist das Gegenteil eines Doktrinärs."), 383 („Um Anhänger Nietzsches zu sein, dazu bin ich zu egoistisch. Macht über andere zu üben, wünsche ich nicht nur nicht, sondern scheue es sogar, da sie mich ja doch mit der Verantwortung für diese andern belastet [...]").

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1900 Karl Otto Erdmann: „dem Moralprediger näher als dem Moralphilosophen"

reiche Reihe Nietzsche'scher Gedichte [...]" Am wichtigsten sind wohl einige Erinnerungen Conrads, die zum Teil von denen in dem zwei Jahre später erschienenen Werk „Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann" abweichen und zum anderen ausführlich von einem Besuch bei dem Kranken und der Schwester 1899 in Weimar erzählen. 966 Meyer, Richard M., Der Übermensch. Eine wortgeschichtliche Skizze. (ZfdW 1. Jg., 1. Η . v. Mai 1900, S. 3-25). „Wer heut .Übermensch' sagt, meint den Begriff, den Nietzsche nicht erfunden, aber zu ganz neuer Bedeutung gebracht hat, und für den eben auch er dies Wort geprägt hat." Verfasser findet das Wesentliche des Begriffes in „der Vorstellung eines Menschen von überragender Leistungsfähigkeit", welche Idee in einer tieferen, allgemeineren Vorstellung wurzele: „[...] in der Grundvorstellung von einer einigermaßen geordneten Skala der Wesen." Als Vorstufen sieht er Heros, Halbgott, Genie, Heiligen, den „großen Mann", den „wahren Menschen", den „rechten Kerl", „homme supérieur", „oversoul", aber „das Letzte, Tiefste bleibt ja doch ganz Eigentum des Finders oder Neugestalters". 868 966a Auch in: Vierhundert Schlagworte. Teubner. Lpz. 1900, S. 6-24. (= Sonderabdr. a. d. Jahrbüchern f. d. classische Altertum, Gesch. u. dt. Litt. u. f. Pädagogik"). Die allgemeine Einleitung (S. 3u - 7o) fehlt, S. 174 (die Grabbe betreffende Stelle) geändert, auf S. 22m ein Zusatz (mit Bezug auf Schopenhauer und Kassner), sonst unverändert. S. aber S. 46 („unzeitgemäß"), 55 (Jetztzeit"), 64 f. („Halcyonisch"), 74 („Bildungsphilister"), 78 („Wirklichkeit"), 81 („Umwertung"). 967 Heim, Prof. Paul, Der „Übermensch" und das „Ewig-Weibliche". (Geg 1900, S. 174). Bringt in der Form eines offenen Briefes und mit Hinweis auf Goethe und Dante eine Berichtigung der Behauptung Meyers (Nr. 966), Nietzsche habe das Wort „Übermensch" geprägt.

Eine bemerkenswerte, weil äußerst seltene Bemängelung des Nietzscheschen Stiles findet sich in einer Schrift von Karl Otto Erdmann, in der es u. a. heißt: „Niemand hat mehr von der Tartufferie des Ausdrucks und der Heuchelei der Worte geredet als Friedrich Nietzsche [...] Er, der soviel von der Falschmünzerei der Worte redet, hat ja selbst Falschmünzerei getrieben wie selten Einer. U n d er, dem die ,schändlich vermoralisirte Sprechweise' so stark widerstrebte, hat unablässig den Worten seine eigenen Stempel und Brandmale aufgedrückt; er hat sie so mit Gefühlen durchtränkt, daß ihr begrifflicher Inhalt oft gänzlich erstickt wird [...] Was wäre Nietzsches Philosophie ohne seine Falschmünzerei und die vermoralisirte

868 S. a. die Berichtigungen und Ergänzungen hierzu, ebd., S. 369-372 (von Albert Leitzmann, R. M. Meyer, Johannes Stosch und dem Herausgeber der Zeitschrift), 2. Jg., S. 80 ff. (von Emil Sulger-Gebing), 347 f. (von A. Gombert u. H . Rietsch), alles ausschließlich über das Vorkommen des Wortes vor Nietzsche; LEITZMANN, ALBERT (Magdeburg 3. 8. 1867 - Jena 16. 4. 1950), Literaturwissenschaftler, damals ao. Professor zu Jena

1900 H. Spitta: Die ewige Wiederkehr „geradezu ein sittliches Monstrum"

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Sprechweise seiner Prägung? Insofern steht er immer noch dem Moralprediger näher als dem Moralphilosophen." 869 Eine christliche Stellungnahme zum „Gedanken der Wiederkehr", die diesen nicht verwirft, sondern christlich aufzufassen und umzugestalten versucht, findet sich in dem W e r k von D r . Heinrich Spitta, 870 ao. Professor der Philosophie an der Universität Tübingen: Mein Recht auf Leben. J . C . B. M o h r . T ü b . , Freiburg i. Br., Lpz. 1900. Verfasser vertritt den Glauben an eine entschieden christlich gefärbte Wiederkehr des menschlichen Lebens, das erst in ferner Zukunft im „Reich Gottes" aufgehoben sein werde. Diesen Gedanken will er „rein entwickeln und [...] vor mißverständlicher Schätzung sicherstellen". Mit einem solchen Vorhaben befinde er sich zugleich „mehreren Fronten gegenüber": Pantheismus, Buddhismus, Pessimismus, orthodox kirchlichem Christentum und Nietzsche mit seinen jungen Anhängern (S. vii). Bei der Erörterung des Gedankens von „der ewigen Wiederkunft des Gleichen" knüpft er zunächst an dessen Vorkommen bei Heine an, bei dem aber „der Gedanke mehr gelegentlich, in poetischer Umhüllung" auftrete. Er streift die Äußerungen von Blanqui und Le Bon, hauptsächlich nach der Darstellung von Lichtenberger (Nr. 831), und gelangt dann auf Nietzsche. Hier vermerkt er: „Es ist mir nicht unwahrscheinlich, daß diese trostlose Lehre in Wechselbeziehung zum Befinden des erkrankten Denkers steht [...] Diese Hypothese, die ihm als Mittel der Auslese, als ein Züchtungsmittel der Menschheit erschien, blieb der Kernpunkt seines Denkens." Der Gedanke bei Nietzsche lasse aber „ein sittliches Leben von vornherein gar nicht aufkommen", sie sei „geradezu ein sittliches Monstrum" (S. 262-268). 968 Förster-Nietzsche, Elisabeth, Einiges von unseren Vorfahren. (Pan 5. Jg., 4. H. v. Mai 1900, S. 233 ff.). Bringt sieben bildliche Wiedergaben von Vorfahren Nietzsche zusammen mit erklärendem Text aus der Familiengeschichte. 969 Olde, Hans, Originalradierung von Nietzsche als Kunstblatt. (Ebd., nach S. 232). Cäsar Flaischlen schrieb an den Künstler am 5. September: „Es ist eine große Nachfrage nach Ihrer Nietzsche-Radierung. Die Drucke, die von der Heftausgabe übriggeblieben sind, wie man mir schreibt, verkauft und man fragt an, ob wir nicht ein paar hundert Exemplare nachdrucken können." 871

869 Die Bedeutung des Wortes. Ed. Avenarius. Lpz. 1900, S. 130 f. (Als Beleg diente eine Stelle aus der „Genealogie"), s. a. S. 99 f. (über die Fügung die „ehrliche Lüge" als Stilmittel). 870 SPITTA, HEINRICH (1849 - 1929), Psychologe, lehrte in Freiburg im Breisgau und Tübingen. 871 Nach: Hildegard Gantner-Schlee, Das Nietzsche-Bildnis von Hans Olde (BZfGA Bd. 70, 1970, S. 209-217). Die Arbeit enthält auch mehrere Briefe Oldes an seine Frau und andere, in denen er von seinem Aufenthalt im Archiv in Weimar und dem Umgang mit dem Kranken und der Schwester vom Anfang Juni bis Anfang August 1899 erzählt; OLDE, HANS (Süderau 27. 4. 1855 - Kassel 25. 10. 1917), Maler, 1902-1911 Direktor der Weimarer, nachher Direktor der Kasseler Kunstakademie.

6 1 2 1900 G. Saring: er werde gelesen „wie selten einer, ja wie fast keiner der Philosophen"

970 Mongré, Paul (Leipzig), Nietzsches Wiederkunft des Gleichen. (Zeit Nr. 292 v. 5. 5. 1900, S. 72 f.). Durch den Horneffer-Koegel-Streit um die Herausgabe von Nietzsches Gedanken über die „ewige Wiederkunft des Gleichen" veranlaßt, tadelt der Verfasser die Vorgangsweise Horneffers und tritt für die Einsetzung einer „Herausgeber-Commission" ein sowie dafür, „Zettelwirtschaft zu treiben und den Nachlaß unverkürzt herauszugeben". Ansonsten meint er, daß trotz der verfehlten Koegelschen Anordnung der betreffenden Aphorismen diese „vollkommen scharf und unzweideutig aussprechen, was Nietzsche unter der Wiederkunft des Gleichen versteht". 971 anonym, Die Schwester des Philosophen des Ubermenschenthums. (Westen Nr. 18 v. 6. 5. 1900). Eine Schilderung der Kämpfe der Schwester mit den Mitarbeitern im Archiv um die Herausgabe der Schriften. Es lasse sich nur fragen: „[...] ist die verwegen über das Menschenthum hinwegsetzende Philosophie Nietzsche's alle diese schwesterliche Aufopferung werth?" 972 (Naumann, Gustav u. E. Förster-Nietzsche), Der Kampf um die Nietzsche-Ausgabe. (Z 8. Jg., Nr. 32 v. 12. 5. 1900, S. 279 f.). Bringt einen offenen Brief von Gustav Naumann, in dem dieser beweisen will, daß Frau Förster-Nietzsche seine Mitarbeit am Registerband der Gesamtausgabe angenommen habe. Darauf folgt ein zweiter offener Brief, dieser von Frau FörsterNietzsche, in dem die Behauptung Naumanns zurückgewiesen wird. 973 Saring, G., Friedrich Nietzsche, der Modephilosoph des „Ubermenschen". Zeitgemäße Betrachtungen über ein modernes Irrlicht. (DHWB 26. Jg., Nr. 36 f. v. Mai 1900, S. 666 f., 683-687). Eine von katholischer Seite aus verfaßte, durchaus vernichtend sein wollende Behandlung der Erscheinung Nietzsche, die dennoch in folgenden Worten endet: „Der deutschen Wissenschaft aber hinterließ er zwei große Aufgaben, die eine: ihn, den leidenschaftlichen Denker und Kämpfer auch zu bekämpfen und den Giftsamen, den er ausgestreut, zu vernichten; die andere: die wenn auch spärlichen Goldkörner, die er unter so vieler, vieler Spreu doch fand, auszulesen und von allem anklebendem Schmutz zu reinigen." Anführenswert ist auch folgender Bericht des Verfassers: „Nichtsdestoweniger wird Nietzsche jedoch gelesen zum eigenen Schaden und zwar gelesen, wie selten einer, ja wie fast keiner der Philosophen. Dem Verfasser dieser Zeilen war es ζ. B. nicht möglich, aus der Bibliothek einer der größten Universitäten und ebenso aus einer der bekanntesten Städtebibliotheken Deutschlands Nietzsches Werke entleihen zu können; auf Monate hinaus waren sie schon besetzt." 974 Notitzbuch, (Z 8. Jg., Bd. 31, Nr. 33 v. 19. 5. 1900, S. 314 ff.). Bringt einen offenen Brief von Dr. Rudolf Steiner, in dem er beweisen will, daß sein „Kampf gegen das Nietzsche-Archiv ein durchaus sachlicher" sei. „Ein solcher Wunsch - Nietzsche-Herausgeber zu werden - hat nie bestanden." Darauf folgt wieder ein offener Brief der Frau Förster-Nietzsche, der das Persönliche an Steiners Verhalten wieder hervorhebt. 974a Der Brief von Steiner auch in Nr. 211a, S. 594-598. Unverändert. 975 Steiner,Rudolf, Frau Elisabeth Förster-Nietzsche und ihr Ritter von komischer

1900 Irma von Troll-Borostyáni: „ein Rückwärtsstrebender"

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Gestalt. Eine Antwort auf Dr. Seidls „Demaskierung". (Ges 16. Jg., Bd. 2, H. 4 = 2. Mai-Heft 1900, S. 197-212). In diesem heftigen Angriff auf Dr. Seidl gibt der Verfasser einen Überblick über sein Verhältnis zum Nietzsche-Archiv und dessen Mitarbeitern seit der Übersiedlung der Schwester nach Weimar im Herbst 1896. 975a Auch in Nr. 211a, S. 571-594. Unverändert. 976 Troll-Borostyáni, Irma v.,872 Nietzsche-Cultus. (DKy 1, 1900, S. 77-81). Zu Anfang meint die Verfasserin, daß Nietzsche „nicht nur ein Rückwärtsschauender, sondern auch ein Rückwärtsstrebender" sei. Sie rechnet sich zu den „gefesteten Geistern", für die es „unschwer" sei, „den großen Irrthum Nietzsches in seinen positiven Anschauungen zu erkennen". Doch zum Schluß heißt es: „[...] wäre diesem herrlichen Geiste Gesundheit beschieden geblieben - so hätte er auch den Häutungsprozeß seiner Entwicklung durchgemacht, um zur Erkenntnis zu gelangen, daß es in der an die Stelle einer falschen .Herren-' und .Sklavenmoral' zu setzenden Gerechtigkeits- und Gleichheitsmoral eine Versöhnung gibt für den egoistischen Individualismus, als deren Apostel er auftritt, mit dem altruistischen Socialismus, dem der Zug unserer Zeit entgegenströmt." 977 Notizbuch, (Z Bd. 31, 2. 6. 1900, S. 407 ff.). Bringt einen offenen Brief von Constantin Georg Naumann, dem Mitinhaber der Verlagsfirma, in dem dieser einige Äußerungen Steiners berichtigen möchte. 978 Graf, Max,873 Wagner-Probleme und andere Studien. Wiener Vlg. (1900). 1. Tsd. Darin S. 75-86 über den „Fall Nietzsche-Wagner". Verfasser bekennt sich zu der „Avantgarde einer neuen Generation", für die Wagner abgetan, deren „großer Führer und Lehrer in den Kämpfen des geistigen Lebens" aber Nietzsche sei: „Mit dem Imperium Goethes begann das Jahrhundert, mit jenem Nietzsches schließt es. Zwischen Beiden steht das Reich der Romantik Wagner-Schopenhauer." Dennoch meint er, so nötig und unabwendbar Nietzsches Entwicklung von Wagner weg auch gewesen sei: „[...] er wurde krank, als er von Bayreuth schied. An diesem Erlebnisse, das nie vernarbte, immer eine offene Wunde blieb, verblutete Friedrich Nietzsche." Im „Fall Wagner" bleibe Nietzsche „Sieger über Wagner und den Wagnerianer in sich selbst. Er schreitet aber nicht mit der

872 TROLL-BOROSTYÁNI, IRMA V O N (Salzburg 31. 3. 1847 - e b d . 10. 2. 1912), S c h r i f t s t e l l e r i n ,

Frauenrechtlerin. 873 GRAF, MAX (Wien 1. 10. 1873 - ebd. 24. 6. 1958), promovierte 1896, 1900-1938 Musikrefe-

rent der „Wiener Allgemeinen Zeitung", 1909-1938 Professor der Musikgeschichte und ästhetik an der Wiener Staatsakademie für Musik, 1938-1946 in den USA. Recht lesenswert ist seine Darstellung Wagners in dem Werk: Deutsche Musik im neunzehnten Jahrhundert. S. Cronbach. Bln. 1898 (= Am Ende des Jahrhunderts. Rückschau auf 100 Jahre geistiger Entwickelung. Hg. v. P. Bornstein. Bd. V), S. 127-171. Der vierten „Unzeitgemäßen" werden immer wieder mitunter seitenlange Stellen entnommen und der Schilderung einverleibt, denn Nietzsches Worte bilden zugestandenermaßen „bei diesen Ausführungen das goldene Leitseil". Wagner, Schopenhauer und Nietzsche seien das „geistige Imperium [...] der zweiten Jahrhunderthälfte", und über Wagners Schaffen habe Nietzsche „das tiefste Werk" verfaßt, dessen Worte „für jede Darstellung des inneren Werdens Richard Wagner's die tiefste Zeugenschaft ablegen."

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1900 Mauthner: Er könne „als Gedankendichter kaum hoch genug geschätzt werden"

stolzen Ruhe des Siegers über Leichname hinweg: sondern gleichsam delirierend, orgiastisch und vom Kampfe trunken." 979 Mauthner, Fritz, Der Übermensch bei Goethe, Nietzsche und einigen Anderen. (Zgt Nr. 23 v. 4. 6. 1900). Verfasser will „unsere Jugend und ihre Dichter", als Anbeter und Nachschaffende des Übermenschen an den Pranger stellen, da sie gar nicht ahnen, „wie tief dieser brutale Übermensch unter der Gestalt steht, die Nietzsches Phantasie uns geschaffen hat". Er verweist dabei auf die Werke von Berg (Nr. 613), Ziegler (Nr. 883) und Meyer (Nr. 966), beschäftigt sich aber selber fast ausschließlich mit der Goetheschen Darstellung. Er findet, daß „Nietzsche, als Philosoph von seinen blinden Anhängern stark überschätzt wird und als Schriftsteller oder als Gedankendichter kaum hoch genug geschätzt werden könnte"; nur habe er als Dichter gar nicht geahnt, „wie sehr die Lehre vom Übermenschen der ewigen Wiederkunft des Gleichen widersprach". 980 Schneider, Prälat Dr. Wilh. (Dompropst u. Prof. d. Theologie i. Paderborn), 874 Göttliche Weltordnung und religionslose Sittlichkeit. Zeitgemäße Erörterungen. F. Schöningh. Paderborn 1900. Darin ein Abschnitt: Propheten und Darsteller des Übermenschen, S. 223-249. Dem Verfasser geht es in diesem Abschnitt hauptsächlich um den „ungestümsten Herold eines neuen Menschenadels" Friedrich Nietzsche, dessen Ansichten er als Auswuchs der darwinistischen Entwicklungslehre ansieht und durch zahlreiche Belegstellen aus den Werken darstellt. Trotz manch vorsichtig lobenden Wortes ist ihm Nietzsche „mehr Dichter und Träumer als Denker", ja sogar „ein Stubenmensch, mit blendenden Schlagwörtern gesättigt, die über die Dürftigkeit seiner Gedanken hinwegtäuschen": „Nietzsche ist überhaupt nicht eigentlicher Schöpfer neuer Gedanken oder Werte. Er ist, wie seine Schriften beweisen, stets im Schatten zeitgenössischer Berühmtheiten gewandelt und bald der einen, bald der anderen in schwärmerischer Verehrung zugethan gewesen." Zu den „kleinen Propheten des Übermenschenthums" zählt er W. Weigand, H. Bahr, A. Tille, Rudolf Hirschberg, Straub, Budova, Driesmans, Strindberg, Ibsen (Rosmersholm), Knut Hamsem (so!), Wilbrandt (Osterinsel), Sudermann (Sodoms Ende), Spielhagen (Herrin), Ilse Frapan (Die Betrogenen), Gertrud Franke-Schievelbein (Die Hungersteine), Kielland (Jakob) und, nach Leo Berg (Nr. 613), Bleibtreu, Holz, Conradi, Gerhart Hauptmann (Die versunkene Glocke), Ludwig Fulda, Hartleben, Sudermann (Katzensteg, Heimat), Laura Marholm, Wedekind (Erdgeist), Dehmel, Przybyszewski, Franz Evers, Rob. Steinhauser, Morgenstern, Jul. Hart, Maria Janitschek, Ernst Wiehert und Spielhagen (Faustulus). 981 Mongré, Paul (Leipzig), Nietzsches Lehre von der Wiederkunft des Gleichen. (Zeit Nr. 297 v. 9. 6. 1900, S. 150 ff.). Da Verfasser der Meinung ist, Nietzsche habe ernsthaft an die „mathematisch-mechanische Notwendigkeit der Wiederkehr" geglaubt, und die Ansicht des Archivs, Nietzsche habe die Idee der Wiederkunft „einfach als ethische Kraftquelle verstan-

874 SCHNEIDER, WILHELM, geb. am 4. 9. 1847 zu Gerlingen / Kr. Olpe, 1872 Priester, 1887 Professor der Moral zu Paderborn.

1900 Eleonore Duse „die berühmteste Nietzscheanerin"

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den", ablehnt, weist er deren naturwissenschaftliche Fragwürdigkeit nach. An deren Stelle will er die „Möglichkeit der identischen Reproduction jeder einzelnen Zeitstrecke" setzen. B X Bülow, Hans von, Briefe. IV. Bd. 1864-1872. Breitkopf u. Härtel. Lpz. 1900. xii S., 1 Taf., 582 S. Erschien Anfang Juni 1900. (= H. v. B. Briefe u. Schriften. Hg. v. Marie v. Bülow. V. Bd.). Enthält auf S. 550-562: Briefwechsel zwischen Bülow und Nietzsche, bestehend aus neun Briefen aus der Zeit zwischen Jan. 1872 und Jan.1875 (= fünf Briefe Nietzsches und vier von Bülows). Zwei der Briefe, der von Bülow vom 24. Juli 1872 und der von Nietzsche vom 29. Oktober 1872, wurden nachgedruckt in: MAZg Nr. 173A v. 26. 6. 1900, S. 1-3 u. TRs Unterhaltungsbeil. Nr. 144 v. 23. 6. 1900, S. 574 f.). 982 Kulstein, Dr. Franz, Götter und Übermenschen. (DNJb 2. Jg., 2. Bd., Nr. 37 v. 9. 6. 1900, S. 327-330). Unter beiläufiger Erwähnung des Goetheschen Gebrauchs vom Ubermenschen möchte Verfasser eigentlich die Lehre Christi nach diesem Begriff neu ausgelegt wissen: „[...] wenn Gott tot ist, so ist er als .Übermensch' nur im neuen Wortkleide auferstanden, verständlicher vielleicht und uns näher, aber im Wesen doch kein anderer als der alte Gott!" 983 L(ien)h(ard), Fr(itz), 875 Unter den Jüngern Nietzsches. (DZgb Nr. 133 v. 10. 6. 1900). Nimmt den Aufsatz von Irma von Troll-Borostyáni (Nr. 976), um dieser „Mangel an Maß" vorzuwerfen und uneingestandene Zuneigung zu unterstellen und daneben „die berühmteste Nietzscheanerin" in Eleonore Duse 876 zu finden.

875 LlENHARD, FRIEDRICH (Rothbach / Elsaß 14. 10. 1865 - Weimar 30. 4. 1929), Schriftsteller, ein Führer der Heimatkunstbewegung, 1920-1929 Herausgeber des „Thürmer"; s. a. die beiläufige Erwähnung Nietzsches etwa zwei Jahre zuvor: „Gelehrte Herren sprechen vom ,Zuge der Zeit zum Individualismus'. Nietzsche, der viel zerrissene und von anderen viel verzerrte, hat das Schlagwort .Übermensch' geprägt und eine Menge Ubermenschlein geweckt; in den Forderungen des mit Unrecht so ganz verschollenen Rembrandtbuches klingt derselbe Ruf nach Persönlichkeit durch; in einigen Vertretern einer vorwiegend nationalen Weltanschauung nicht minder; [...] vom radikalen .Antichristen' Nietzsche also bis in die Kreise der .Christlichen Welt', vernehmen wir ähnliche Sätze [...]" Vom durchaus christlichen Standpunkt her stellt Lienhard diesem „Zuge der Zeit" entgegen: „Einzelmensch, Vaterland und Menschheit, Ewigkeit und Gott - es sind drei konzentrische Kreise; unfertig ist, wer im ersten oder in den zwei ersten stecken bleibt, zum wertvollsten dritten aber nicht durchdringt." (Friede auf Erden. Weihnachtsgedanken, in: DTh 1. Jg., H. 3 v. Dez. 1898, S. 193-200). 876 Man lese von Toni Lamberg, einer Wiener Verkäuferin und zeitweiügen Begleiterin der Duse: Mit der Duse auf Tournee. Erlebnisse und Gespräche mit der großen Künstlerin (BZM v. 20. 1. 1928). Die Eintragung vom 31. Juli, San Paulo: „In aller Frühe gibt mir Madame das in Rio versprochene Buch, den .Zarathustra'. Ich sagte: .Ich weiß, ich werde es nicht verstehen.' - .Sie werden Sachen finden, die Sie ja verstehen. Da drinnen findet man alles, was der Mensch braucht. Alles.' Auf der ersten Seite stand von ihr geschrieben: ,Un livre pour tout consoler. Eleonore Duse!'"; DUSE, ELEONORE (Vigerano / Norditalien 3. 10. 1858 - Pittburgh / USA 21. 4. 1924), nähere Freundschaft mit Gabriele D'Annunzio seit 1895, Reise nach Südamerika im Jahre 1907.

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1900 Eduard Grimm: Sein Streben „dem echt christlichen Wesen mindestens verwandt",

984 Conrad, Michael Georg, Steiner contra Seidl. (Ges 16. Jg., 2. Bd., 2. Juni-Heft 1900, S. 372 ff.). Meldet sich entschieden auf Seiten der Schwester und Seidls gegen Steiner und Koegel zu Worte. Gegen Ende des Jahrhunderts ist wohl die Begegnung H e r m a n n Friedmanns mit dem W e r k Nietzsches anzusetzen. 1897 in Heidelberg zum D r . jur. promoviert, ist er kurz darauf nach Basel übergesiedelt, w o wohl der Basler Hermann F r e y die Bekanntschaft vermittelt hat, „zu einer Zeit, in der unsere Kenntnisnahmen und Erörterungen (ziemlich bunt) u m Nietzsche, T h e o d o r Fontane und Spitteier kreisten" 8 7 7 985 Grimm, Eduard (Hamburg), Wie wurde Friedrich Nietzsche ein Feind des Christentums, und was können wir von ihm lernen? (ProMh 4. Jg., H. 7, 1900, S. 253-281). Untersucht den Einfluß Schopenhauers, Wagners und Overbecks auf Nietzsches Bild vom Christentum, das eines „der altprotestantischen Orthodoxie" mit „pietistischer" Färbung gewesen sei. Empfindet, daß man von Nietzsche „die mannigfaltigste Anregung zur Selbstprüfung" empfange, denn es gebe bei ihm „einen Vorzug, der sich überall in seinen Schriften zeigt", und der sei „die Feinheit psychologischer Beobachtung und die glückliche Gabe, Seelenbestimmungen in ihren eigenartigen Schattierungen zur Darstellung zu bringen". Er findet weiter, daß Nietzsches Angriff auf das Mitleid viel mehr Schopenhauers Pessimismus als das Christentum treffe, und schließt mit der Vermutung, daß Nietzsches Streben nach dem „wirklichen, vollen, warmen Leben, der echten lebendigen Wirklichkeit [...] dem echt christlichen Wesen mindestens verwandt" sei. 986 Seidl, Dr. Arthur (Mchn.), Mein Schlußwort an Dr. Rudolf Steiner. (Ges 16. Jg., Bd. 3, 1. Juli-Heft 1900, S. 47-51).

877 Sinnvolle Odyssee. Geschichte eines Lebens und einer Zeit. 1873 - 1950. C. H . Beck. Mchn. 1950, S. 136; s. noch S. 3, wo er den „Nietzsche, des ,Ecce Homo'" als „Gerne-Sünder" kennzeichnet; 136, 143 f. (Verwerfung von Nietzsches Hintanstellung Darwins im Verhältnis zu Goethe), 159 (ebenso entschiedene Ablehnung vom Nietzscheschen Feuerwerk" gegen Ed. v. Hartmann: „In Wahrheit ist Hartmann unvergleichlich solider und viel wertbeständiger als der brillante Schriftsteller Schopenhauer."), 293 ff. (nimmt er ausdrücklich Gasts Partei in dessen brieflicher Auseinandersetzung mit Nietzsche über Luther, von dem aus nach Gast „einer der kräftigsten Schritte in der Demokratisierung der Welt" geschehen sei. Bei Nietzsche werden „positivste deutsche Kulturkennzeichen, Liebe zur Antike und Musik, als Niedergangssymptome verdächtigt". Doch tröstet Verfasser sich mit der „herrlichen Inkonsequenz" Nietzsches und läßt die Stelle aus dem „Willen zur Macht": „Die Deutschen sind noch Nichts [...]", folgen. Er schließt dann mit der Feststellung, daß das alles „ja gar keine Inkonsequenzen" seien; FRIEDMANN, HERMANN (Bjelostok / Rußland 11. 4. 1873 - Heidelberg 25. 5. 1957), Anwalt und Philosoph, lernte damals auch Gustav von Bunge persönlich kennen und trat später in Berlin auch Ernst Haeckel und Eduard von Hartmann näher, 1934-1948 in England, seit 1950 Professor für Naturphilosophie in Heidelberg.

1900 Stirner als „ein Vorläufer, ja eine Antecipation"

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Verteidigt sowohl sich wie auch die Schwester gegen Steiner, der „zum NietzscheProblem im Grunde nur als reiner Logiker und günstigsten Falles als Historiker, kaum mehr als Psychologe - niemals aber als Ästhetiker" stehe. 987 Maier, Dr. F. (Tübingen), Träumen und Sterben. Eine Studie über Nietzsche's Ansicht vom Tode. (PS 27. Jg., H. 7 f. v. Juli u. Aug. 1900, S. 425-432, 487-493). Eine zustimmende Besprechung der Schrift von Franz Unger (Nr. 927), bei der es dem Verfasser hauptsächlich darum geht, Nietzsches Auffassung vom Wert des „Freien Todes" entgegenzuwirken. Er meint, „die Lehre vom rechtzeitigen Sterben ist offenbar der wundeste, unhaltbarste Punkt in Nietzsches sonst so groß angelegtem, in manchen Einzelheiten bewundernswürdigem philosophischem System". B Y (Nietzsche, Friedrich), Neue Aphorismen. (Z Bd. 32, 7. 7. 1900, S. 11-16). Vorabdruck von Stellen aus dem 15. Band der Gesamtausgabe. 988 Lucchesi, Dr. phil. Paul (Diakonus a. d. Trinitätskirche zu Dresden), Max Stirner als logischer, socialer und ethischer Anarchist, ein Nietzsche vor Nietzsche. (JLPG 25. Mitteilung. Bericht üb. d. Wintersemester 1899 / 1900. Lpz. 1900, S. 320). Verfasser geht davon aus, daß „der Individualismus Stirners" als Reaktion gegen die „Apotheose des Staats" durch Hegel und er selber als „ein Vorläufer, ja eine Antecipation" Nietzsches aufzufassen seien, „des moderasten Modephilosophen, dessen Geistesspuren man überall sehen kann: in der Malerei der Symbolisten und Mysticisten, in der Litteratur von .Gründeutschland', in den sittlichen Anschauungen eines großen Teils unsrer gebildeten Jugend". „Trotz vieler Abweichungen im Einzelnen" weisen „die Welt- und Lebensanschauungen beider, Stirners und Nietzsches, [...] solche Ähnlichkeiten auf, daß sie zum Vergleich geradezu auffordern". Solche „Ähnlichkeiten" findet Verfasser vor allem in „dem treibenden Agens", dem brutalen instinktiven Willen zur Macht, „verkörpert wie bei Nietzsche im .Übermenschen', so bei Stirner im .Einzigen'", in der Ablehnung einer objektiven Erkenntnis, in der „Gleichgültigkeit gegen den bestehenden Staat" sowie in dem „Haß gegen den Socialismus" und in der „Verachtung des Christentums", bei welch letzterer erst die Einstellung Stirners „von Nietzsche noch weit übertroffen wird". Dem allem stellt Verfasser die „wahre positive Freiheit", die „innerliche Gebundenheit an die in Christo geoffenbarten Gotteswillen", entgegen. 989 Steiner, Rudolf, Zum angeblichen „Kampf um die Nietzsche-Ausgabe". (ML 69. Jg., Nr. 27 v. 7. 7. 1900, Sp. 673-680). Verfasser verteidigt sich in der Hauptsache gegen den Angriff Conrads auf ihn (Nr. 984), aber auch gegen die von Seiten Seidls und der Schwester. 989a Auch in Nr. 211a, S. 601-614. Unverändert. 990 Friedrichs, Karl, Nietzscheanismus und Dichtkunst, (DtW 2. Jg., Nr. 42 v. 15. 7. 1900, S. 657-661). Nietzsche ist dem Verfasser der „Hauptvertreter der sogenannten modernen Weltanschauung", welche vornehmlich auf der „Descendenztheorie" Darwins und dem „Determinismus" fußt und der „religiösen Weltanschauung" gegenüber steht. Demzufolge tauchen „zwei Gedankenreihen" in der „heutigen" Literatur „immer wieder empor: einmal die Betonung der unfreien Tiernatur des Menschen [...]; sodann die Hervorhebung des Rechtes der Individualität". Verfolgt wird der Einfluß Flauberts, Zolas, Ibsens und Häckels über Auerbach, Heyse, Ed. v. Hartmann und D. F.

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1900 Vorabdruck des Briefwechsels mit Heinrich von Stein

Strauß bis zu Nietzsche hin, mit dessen „.Zarathustra' [...] in Deutschland die Herrschaft der modernen Weltanschauung mit allen Folgerungen" erst beginne. Die daraufhin folgende „Zersetzung der Sittlichkeit" betreiben solche wie Dehmel, Mauthner, Sudermann und Hauptmann. Abschließend findet Verfasser, daß die „Quintessenz" von Nietzsches Weisheit, „die .Ewige Wiederkehr alles Irdischen'", nur ein Notbehelf, „nur ein ungeheuerliches Traumgebilde" sei. Der deutsche Geist solle sich daran erinnern, „daß reines, sittliches Empfinden der Urquell seiner Kraft ist und war". 991 anonym, (VZg v. 22. 7. 1900, 1. Beil.). In dem Werk von Henne am Rhyn (Nr. 914) treten Leute auf, „die der .Plakatphilosophie' nachfolgen, wie Professor Paulsen sie sehr glücklich genannt hat. Mit einem Ausblick auf ein nach gesunden Grundsätzen geordnetes Dasein schließt das teilweise sehr launige Buch." 992 Horneffer, Dr. Ernst, Die Nietzsche-Ausgabe. (Zeit Nr. 304 v. 28. 7. 1900, S. 58 f.). Weist die Beanstandungen Mongrés (Nr. 981) zurück und geht dabei gegen Schluß auch auf Steiners Ausführungen ein. 993 Berg, Leo, Friedrich Nietzsche und seine Zeit. (1900.). 993a Auch in: L. B., Neue Essays. Schulzesche Hofbuchhdlg. Oldenburg / Lpz. 1901, S. 284-290. Unter gelegentlichen Vergleichen vor allem mit Goethe und Heine findet der Verfasser, daß „Nietzsches Ruhm gegenwärtig [...] im Stadium" der gelehrten „Vergleichung und Quellen-Forschung" stehe. „Sein eigentlicher Erfolg" werde vielleicht darin liegen, „späteren Geschlechtern als bewußter Bahnbrecher des europäischen Geistes, als Verächter aller kleinlichen Vaterländerei" zu erscheinen. Als „Persönlichkeit", „intellektueller Humorist" und „Schriftsteller" werde sein Name „in die Zeiten leuchten". Nur die Idee von der ewigen Wiederkunft, „so wertvoll und interessant sie persönlich für Nietzsche ist", behagt dem Verfasser nicht: durch sie „bricht seine Philosophie zusammen". 994 Steiner, Dr. Rudolf (Berlin), Die Philosophie Friedrich Nietzsche's als psychopathologisches Problem. (WKRs 14. Jg., 1900, Nr. 30 f., S. 598 ff., 618-621). Verfasser findet bei Nietzsche folgende „ans Pathologische mindestens grenzenden psychologischen Eigentümlichkeiten": „den Mangel des Sinnes für objektive Wahrheit", „die Intellektuelle Zerstörungslust", „eine gewisse Incohärenz der Vorstellungen", „den Trieb, sich zu isolieren", dessen Verwirklichung dann seinen „Lieblingsansichten durchaus den Charakter von Zwangsvorstellungen" verleihe. Doch will er hiermit nicht die „Genialität Friedrich Nietzsches aus seiner kranken Constitution" erklärt, sondern lediglich auf „morbide Faktoren" in dessen Charakter hingewiesen haben. 994a Hiervon gibt es einen 17seitigen Sonderabdruck (Joh. Vernay. Wien 1900), der unverändert sein soll. Angaben und Ablichtung des Titelblattes Dank Herrn David Hoffmann von der Rudolf-Steiner-Nachlaßverwaltung. 994b Auch in Nr. 405a, S. 153-181, unverändert. BZ Friedrich Nietzsche und Heinrich von Stein. Briefwechsel mit Erläuterungen von Elisabeth Förster-Nietzsche. (NDRs 11. Jg., H. 7 v. Juli 1900, S. 747-762).

1900 H. S. Chamberlain: „das Pathologische fällt [...] fast vom ersten Wort auf"

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Vorabdruck des Briefwechsels, der erst 1904 im 3. Band, 1. Hälfte der „Gesammelten Briefe", S. 221-264, aufgenommen wurde. Mit einigen unwesentlichen Auslassungen und umfangreicheren Erweiterungen, darunter einem zusätzlichen Briefe Nietzsches (Nr.12) vom Anfang 1885. Hiervon gibt es auch 16seitige Separatabzii-

878 Hierzu vermerkte H. S. Chamberlain in einem Brief an Cosima Wagner vom 11. 8. 1900: „[...] das Pathologische fällt bei Nietzsche fast vom ersten Wort auf, und man kann kaum annehmen, daß ein Stein einen armen, auf offenen Wahnsinn schnell zusteuernden Mann ausdrücklich zu seinem .freien Wesen' beglückwünschen würde [...], wenn nicht damit ein hoher, heiliger, den Kranken mit sich selber versöhnender Zweck verfolgt würde." Er vergleicht darauf Steins mögliche „Blindheit" mit der nüchternen Sinnesart, mit der Adolf Ruthardt Nietzsche im Sommer 1885 begegnete: „Als R. nach Genf zurückkehrte, kam er sofort zu uns und voll von diesem Ereignis. R. war intelligent genug, um von N.s Wissen und Stil und Wesen förmlich geblendet zu sein - und doch nicht ganz .geblendet', da er, Ruthardt, der kerngesunde Bauer, deutsch bis ins Mark der Knochen, nicht die geringste Fähigkeit besaß .Nietzscheaner' zu werden; und so hatte er denn den armen, glänzenden Mann nicht allein genossen, sondern in der ihm eigentümlichen Art sehr scharf beobachtet. Ich weiß noch, wie er sagte: .Der Mann wird sicher irrsinnig, wenn er's nicht schon ist' (oder ähnliche Worte). Was aber den größten Eindruck auf mich machte, waren seine vertraulichen Mitteilungen über das, was er das .Geheimnis' in N.s Leben nannte, und welche natürlich das pag. 754 oben [...] berührte Thema betrafen. Das war es, was N . von vornherein aus meinem Leben ausstrich. Und wenn man das weiß [...], dann kann einem das Geschwätz von der .Herrennatur' Ekel erregen, und die .Freiheit' eines Mannes, der sich aus eigener, unaufhaltsamer Schwäche die Zerrüttung seines Gehirns und das entsetzliche Schicksal eines Louis Lambert zuzieht, muß belächelt werden [...] diese reinen Denkmenschen sind schon an und für sich eine pathologische Erscheinung [...] Solche Menschen wie N . stellen wirklich den Kegel auf den Kopf. Und die Meinung, aus ihren Gedanken könnten .moralische Umwälzungen' hervorgehen (pag. 761) [...], ist gar erst hirnverbrannt [...] Man könnte ja leicht die Geduld verlieren, namentlich wenn man sieht, wie ein glänzend begabter, hochgelehrter, mit einem Stich in den genieverwandten Wahnsinn ausgestatteter Mann, weil er ein halb Dutzend Sammlungen paradoxer Aussprüche herausgegeben hat, mit vielleicht nicht einer einzigen originellen Idee, nicht einmal einem einzigen Wort, das nicht (wie Goethes .Ubermensch') einfach heriibergenommen wäre, so ohne weiteres als der Genosse und Nebenstern des größten Dichters aller Zeiten hingestellt wird." Cosima antwortete am 14. 8.: „Daß noch keiner darauf gekommen ist, sich zu sagen, daß ein Mensch, welcher diejenigen, die ihm nur Gutes getan, verleugnet, ja insultiert, der sein Vaterland schmäht, seine Muttersprache verkennt, ohne irgend etwas wirklich Großes geleistet zu haben, sich als Prophet hinstellt, entweder ein Monstrum oder ein Wahnsinniger sein muß, zeigt uns die jämmerliche Beschaffenheit des Urteilsvermögens in unserer jetzigen Jugend. Es wundert mich auch, daß niemand auf den Gedanken kommt, zu zeigen, woher Nietzsche alles nahm. Zuerst die .Gesammelten Schriften' und Schopenhauer, dann die Enzyklopädisten, die Engländer etc [...] Der arme Mensch war bereits krank, als ich ihn kennenlernte. Er klagte fast beständig über Kopfweh." (C. W. u. H. S. Ch. im Briefwechsel 18881908. Hg. v. Paul Pretzsch. Reclam. Lpz. 1934, S. 601-604). Kurze Zeit später, am 1. 3. 1901, schrieb sie einen längeren Brief über den „Zarathustra", da sie sich das Buch als „Marter auferlegt" habe, nämlich wegen der „Verwirrung, die es anrichtet [...] Selbst Schönaich, den ich darüber frug, sagte mir, es sei doch sehr bedeutend [...] der angenommene orientalisch-biblische Ton mag dazu beitragen, den Anschein des Erhabenen diesem Unsinn beizulegen [...] Nietzsche spricht selbst kein Deutsch [...] ein zerfetztes Gehirn und ein gequältes Gemüt! Erbarmungswürdig [...] Wir lesen jeden Abend ein paar Seiten des sophistischen

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1900

9 9 5 J. J., (LZg N r . 107, 1900, Wissenschaft. Beil., S. 427). Besprechung der Schrift von Lichtenberger (Nr. 831), die „eine feinsinnige Combination zwischen dem Erlebten und Erdachten" biete und deren Kennzeichnung Nietzsches als „religiöse Natur" volle Zustimmung findet. Nur zur Bezeichnung Nietzsches „als reiche, vielseitige und verfeinerte, aber keineswegs .abnorme Natur'" meint Verfasser, müsse der Psychiater befragt werden, „und dieser würde wohl gewiß eine verneinende Antwort geben". 996 Mayer, E. W., (ThRs 3. Jg., 8. Heft, 1900, S. 323 f.).

Unsinnes [...]" In dem Antwortschreiben Chamberlains vom 9. 3. fällt zunächst der Satz auf: „Ich muß Ihnen nämlich gestehen, daß ich N. so gut wie gar nicht kenne." Er glaubte auch nicht recht daran, „daß man gegen eine derartige Epidemie, wie den heutigen Nietzsche-Wahn, durch Widerspruch viel ausrichten könnte", und erzählt von einem jungen Freund „von seltener Begabung [...] Nun, vorgestern Abend sprach Professor Leopold Schroeder [...] über Nietzsche, schön, sympathisch, mitleidsvoll, doch entsetzt über die Urteilsverwirrung einer Welt, welche die Werke eines Wahnsinnigen sich auswählt, um sie als ein Höchstes und Weisestes zu loben und sich davon zu nähren. Und da springt mein junger Gelehrter erregt auf [...] und erklärt, Zarathustra sei zwar nicht als die Darlegung eines philosophischen Systems zu betrachten, als Psychologie aber, namentlich als Schilderungen des Seelenleides sei es ,eine Reihenfolge von göttlich schönen Hymnen, eines der unsterblichen Werke der Weltliteratur'. Der gute Schroeder versuchte erst zu widersprechen, dann ergab er sich in sein Schicksal [...] Mir ist nun [...] die mangelnde Sympathie für N. eine alte Erfahrung [...] Nur mit dem Aufgebot aller Kräfte habe ich es fertiggebracht, ,Die Geburt der Tragödie' zu lesen [...] Diesen ersten Eindruck - vor mehr als 20 Jahren gewonnen - habe ich nie überwinden können." Cosima erwiderte dann kurz am 10. 3.: „An eine gründliche Arbeit hatte ich nicht gedacht, sondern an eine Abfertigung des Zarathustra. Gestern erzählte mir eine Freundin von einem begabten jungen Menschen, welcher nach Lektüre sich erschossen habe. Vermutlich wollte er dem Übermenschen die Bahn brechen!" (Ebd., S. 608-613; s. sonst das Namenverzeichnis. Der obenerwähnte aber ungenannte junge Freund Chamberlains ist Rudolf Kassner). Der obige Brief Cosimas v. 14. 8. auch in: Cosima Wagner. Das zweite Leben. Briefe und Aufzeichnungen 1883-1930. Hg. v. Dietrich Mack. R. Piper. Mchn., Zür. (1980), S. 540 f. Der Band enthält mehrere Briefe ähnlichen Inhalts - meistens dahingehend, wie wenig vom eigenen Nietzsche habe geben können - , auch über Richard Strauß' „Verirrung" bei dessen „Zarathustra" und einen von Gustav Schönaich an Felix Motti aus dem Anfang September 1900, den dieser Cosima zuschickte: „Der Tod Nietzsches konnte nicht bloß auf den armen Enthirnten, sondern auf die ganze Bildungswelt nur einen erlösenden Eindruck hervorbringen [...] Große Taten setzen starke Instinkte voraus. Die fehlten Nietzsche. So ist es gekommen, daß der vehementeste Vertreter des Individualismus der Individualität entbehrte [...] Nietzsches aphoristischer Geist schwebte in der Luft, er mußte sich verflüchtigen [...] Im Grunde war Nietzsche ein genial veranlagter Dilettant, ein geistiger Weltbummler [...] Es war ein Tollhäuslerbeginnen, das metaphysische Bedürfnis des Menschen [...] ausrotten oder als solches leugnen zu wollen. Das Lachen Zarathustras ist das gellende Lachen des Wahnsinns und erinnert sogar an die Pöbelfiguren des Jahre 1793, die die heiligen Gefäße aus den Kirchen höhnend durch die Straßen trugen und dabei am ganzen Leibe zitterten. Die revolutionäre Wirkung der Nietzscheschen Schriften ist heute schon in ersichtlichem Niedergang begriffen [...] Die altruistischen Anlagen der Menschheit werden durch Nietzsches Theoreme nicht vermindert und das Vermögen zur Praktizierung von ,Herrenmoral' nicht vermehrt werden." (S. 845 f.) Lesenswert ist auch Cosimas wohl erster Eindruck vom „Zarathustra", den sie in einem Brief vom 27. 2. 1901 schildert. (S. 573)

1900 Hans von Liebig: „dem Materialismus eine Ethik und einen Idealismus geschenkt"

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In einer längeren Sammelanzeige werden die Schriften von Ritsehl (Nr. 555a) und Grimm (Nr. 828) gestreift. Die Grimms nehme „Nietzsche um vieles ernster", doch sei „die an einzelnen Gedanken geübte Kritik vielleicht weniger schätzenswert: manche, nicht alle, Sätze werden doch mit größerer Gewichtigkeit und Gravität behandelt, als sie wirklich vertragen". 997 Kirn, O. (Leipzig), (ThLB 21. Jg., Nr. 31 v. 3. 8. 1900, Sp. 358 ff.). Verfasser bespricht das Werk von Grimm (Nr. 828), das sich durch „gründliche Sachkenntnisse, treffendes Urteil und lebendige Darstellung" auszeichne. Er hat auch offensichtlich Freude daran, daß hierin „die in Nietzsche's Schriften herrschende Zuchtlosigkeit des Denkens", „den leeren Formalismus seiner Moral" und „den gänzlichen Mangel an politischem Sinn" hervorgehoben werden. 998 Liebig, Dr. Hans von, 879 Die Ethik des Materialismus. (DU 4. Jg., Nr. 33 v. 11. 8. 1900, S. 641-644). Verfasser meint, „in seinem Evangelium .Also sprach Zarathustra' hat Nietzsche dem Materialismus eine Ethik und den Idealismus geschenkt, an dem es ihm bisher gebrochen hat". 999 Friedländer, S., Zum Gedächtnis Friedrich Nietzsches. (WaM Nr. 32 v. 11. 8. 1900). Eine Art verfrühten Nachrufs, der endet: „Gleich jenem göttlichen ,Es werde!' / Erscholl Dein Machtwort über die Erde - / Gewitterhaft erscholl Dein W o n . / Nun grollt der Donner fort und fort."

In dem die Zeit von 1871-1899 umfassenden Schlußband des dreibändigen „Das X I X . Jahrhundert in Wort und Bild. Politische und Kultur-Geschichte" von Hans Kraemer, steht unter dem Anfang des Abschnittes „Das geistige Leben" das Bild Nietzsches, und Rudolf Steiner umreißt dann des Denkers Wirkung und Wollen mit folgenden fünf Sätzen: „Einen unvergleichlichen Einfluß auf die Denkweise der Gegenwart hat im letzten Jahrzehnt Friedrich Nietzsche (geb.1844) ausgeübt. Er suchte durch eine radikale .Umwertung aller Werte' den ganzen Weg, den die abendländische Kultur seit der Gründung des Christentums gegangen ist, als einen großen idealistischen Irrtum darzustellen. Die Menschheit müsse allen Jenseitsglauben, alle über das wirkliche Dasein hinausgehenden Ideen ablegen und ihre Kraft und Kultur rein aus dem Diesseits holen. Nicht in der Ebenbildlichkeit höherer Mächte soll der Mensch sein Ideal erblicken, sondern in der höchsten Steigerung seiner natürlichen Fähigkeiten bis zum .Ubermenschen'. Dies ist der Sinn seines dichterisch-philosophischen Hauptwerkes .Also sprach Zarathustra'." 880 1000 Stettenheimer, Dr. Ernst (Ffm.), Friedrich Nietzsche als Kriminalist. Versuch einer individualistischen Kriminaltheorie. (ZGSr Bd. 20, 1900, S. 385-400).

879 LIEBIG, H A N S , F R H R . VON ( D i n k e l s b ü h l / M i t t e l f r . 11. 10. 1 8 7 4 - 13. 2 . 1 9 3 1 ) , D r . phil.,

Privatdozent der Chemie an der Universität Gießen und daneben politischer Schriftsteller. 880 Dt. Vlgs.-haus Bong. Bln., Lpz., St., Wien (1900). 71.-80. Tsd., S. 75.

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1900 Albert Kalthoff: „eine geistige Macht, mit der jeder rechnen muß"

Verfasser stellt zuerst fest, daß „Recht und Sittlichkeit [...] t r o t z teilweiser Kongruenzen in Grund und Wesen inkommensurable Größen" seien, u m dann darauf hinzuweisen, daß Nietzsches individualistische Betrachtungsweise „uns auf eine Stufe" erhebe, „wo Recht und Sittlichkeit, losgelöst von dem Zwangselement fremder Willensmeinungen, in notwendiger Harmonie sich einen". Einschränkend schließt er, daß selbst „wenn es undenkbar ist, die Jurisprudenz für diese Lehre zu gewinnen", da sie doch die „Gesamtheit und vornehmlich die Menge der Schwachen zu schützen die Aufgabe hat", sich „eine Betrachtung der Lehre Nietzsches für den Juristen" lohne. 1001 Kalthoff, D r . A . (Pastor an St.Martini in Bremen), 8 8 1 Friedrich Nietzsche und die Kulturprobleme unserer Zeit. Vorträge. C . A . Schwetschke. Bln. 1900. vi S., 1 Bl„ 329 S., 1 Bl. Verfasser sieht einen Zwiespalt im Leben der Zeit zwischen Sozialem und Individuellem, und „alles, was unser Zeitalter an individualistischen Tendenzen besitzt [...], das wird in diesem Namen [d. i. Nietzsche] zusammengefaßt". D a r u m sei Nietzsche mehr als ein Name, er sei „eine Weltanschauung, eine geistige Macht, mit der jeder rechnen muß [...]" Die „Vorläufer" Nietzsches findet er unter den Cynikern der Antike, in Michel de Montaigne und Max Stirner, doch bleibt ihm Nietzsche „die konsequenteste, alle früheren Spielarten derselben Gattung in sich vereinigende Individualität". Verfasser geht dann in je einem Abschnitt auf das Verhältnis von Nietzsche zu Wagner, Strauß und Schopenhauer näher ein. Auch be-

(Barmen 5. 3. 1850 - Bremen 11. 5. 1906), evangelischer Theologe, wurde 1875 Pfarrer, 1878 wegen „grober Verletzung seiner Amtspflichten" des Pfarramtes entsetzt, 1884 wieder im Amte, zunächst bis 1888 Pfarrer der reformierten Gemeinde zu Rheinfelden in der Schweiz bei Basel, dann 1888-1906 an der Martinikirche in Bremen, gründete Anfang 1906 zusammen mit Ernst Haeckel den „Deutschen Monistenbund". Uber die Entstehung des vorliegenden Werkes schrieb Friedrich Steudel: „Damals hielt er jeden Winter vor einem meist aus Damen bestehenden Zuhörerkreis populäre Vortragskurse über philosophische, soziologische und kulturhistorische Themata. Und daß er auch hier das Beste zu geben sich bemühte, [...] beweisen die beiden Vortragsreihen, die er nachher im Druck herausgegeben hat: .Friedrich Nietzsche und die Kulturprobleme unserer Zeit' (1900) und ,Die Philosophie der Griechen auf kulturgeschichtlicher Grundlage dargestellt' (1901) [...] Mit seinem Nietzschebuch hat sich Kalthoff viel neue Freunde außerhalb Bremens erworben und doch war die hier gegebene Beurteilung des großen Dichterphilosophen noch nicht Kalthoffs letztes Wort. Vielmehr verraten die bald darauf gehaltenen Zarathustrapredigten, daß er nicht lange nach den Vorträgen zu Nietzsche in ein noch positiveres Verhältnis eintrat. Hatte er ihn dort nur als den Repräsentanten einer herrschenden Geistesströmung aufgefaßt, so lernte er nun erst den über die Gegenwart hinausreichenden prophetischen Gehalt seiner Verkündigung richtig einschätzen." Hierzu brachte Steudel dann die Anmerkung: „Der Bremer Pastor und Vorsitzende des dortigen Protestantenvereins, Herr Dr. O. Veeck, hat in einem kürzlich zu Hamburg gehaltenen Vortrage über die Bremer Radikalen diesen Tatbestand mit Behagen gegen K. ausgebeutet. K. habe, sagte er, .Nietzsche erst gehaßt, dann gepriesen.'" (A. K., Zukunftsideale. Nachgelassene Predigten m. e. Lebensskizze v. F. S. Diederichs. Jena 1907, S. xixf.). Man lese darin auch die Predigten „Lebensbejahung und Weltverneinung" (bes. S. 149 f. m. Nietzsche als Ansatz) und „Theologie und Religion" (S. 188-198; eine Würdigung von Overbeck und dessen „Uber die Christlichkeit der modernen Theologie" anläßlich deren Wiederauflegung).

881 K A L T H O F F , A L B E R T

1900 Am 25. August starb Friedrich Nietzsche

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handelt er abschnittsweise Nietzsche und das Problem der Philosophie, der Geschichte, des Staates, der Moral, der Religion, der Sprache, des neuen Menschen und der neuen Bildung, um mit der Bemerkung zu schließen: „So will auch Nietzsche als Feind geliebt werden, als der große Versucher, dem wir danken müssen, daß er uns alle die versucherischen Fragen stellt, damit unsere Antworten auf dieselben sich vertiefen und klären können." 1001a Auch in: DPBl 33. Jg., Nr. 37 f. v. 8. u. 15. 9. 1900, S. 290 f., 297-300. Bringt längere Auszüge aus dem letzten Abschnitt, S. 311 f., 313 ff., 316-323, 324329, mit einigen wenigen Änderungen in der Wortwahl. 1002 Dauthendey, Elisabeth,882 Vom Neuen Weibe und seiner Liebe. Ein Buch für reife Geister. Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1900. 120 S. Dem Werk stehen Stellen aus Maeterlinck voran und am Ende des ersten Abschnittes, sonst aber sind es Zarathustra-Stellen, die das Werk durchziehen (S. 9, 34, 46, 49, 51, 58, 72, 84, 98, 105, 115, 120). Die weitgehend autobiographische Skizze „eines neuen Weibes" beginnt und endet mit Zarathustra-Stellen: „Hier sitze ich und warte, alte zerbrochene Tafeln um mich und auch neue halbbeschriebene Tafeln. Wann kommt meine Stunde?" - „Nicht nur fort sollst du dich pflanzen, sondern hinauf! Dazu helfe dir der Garten der Ehe!" Das Verhältnis des neuen Weibes zum Zarathustra-Verfasser wird auf S. 46 deutlich ausgedrückt: sie spricht ihn als den „großen Meister" an, den sie „mit der Liebe des langen Verstehens und des tiefen Leidens" liebe. 1002a Dass. 4. Aufl. 1904. Unverändert. 1002b Dass. 14.-15. Tsd. Dt. Vlgs.-Anst. St., Bln. u. Lpz. 1925. Unverändert. Z u m Tode Nietzsches hat Max Halbe viele Jahre danach geschrieben: „Am 25. August 1900 starb Friedrich Nietzsche. Es war nur noch sein körperlichirdisches Teil, das den Elementen anheimfiel. Die Sonne seines Geistes war schon seit einem Jahrzehnt untergegangen, wenn auch ein gewisser hellsichtiger Dämmerzustand bis zu seinem Ende angehalten hatte. So wurde wenigstens gleich nach seinem Tode in einem Briefe von nahestehender Seite berichtet. Seine Schwester, Frau Förster-Nietzsche, hatte ihm und seinem Werk in dem Hause auf den Höhen über Weimar, mit dem weiten Blick landeinwärts, eine würdige Heimstätte bereitet, das Nietzsche-Archiv. Der Kranke hatte, wenn ihm aus Büchern vorgelesen wurde, noch manchmal Zeichen einer Zustimmung gegeben. Künstler waren gekommen und hatten seinen Kopf modelliert, gezeichnet, gemalt. Es hatte ihn ermüdet und man ließ niemanden mehr zu. Am 24. August 1900 mittags war eine Gehirnblutung eingetreten. Nachmittags um drei tobte ein schweres Gewitter über Weimar; so ähnlich wie bei Hebbels Tode in Wien am 13. Dezember 1863. Man glaubte, daß es sein Ende bringen werde. Aber ein letztes Lebensfünkchen glomm weiter. Erst in der Mittagsstunde des folgenden Tages erlosch es ganz. War es nicht wie ein Gleichnis, daß der Wanderer und Kämpfer zwischen zwei Weltaltern gerade auf der Grenzscheide zweier Jahrhunderte dahinging, deren einem sein irdisches Leben und

882 D A U T H E N D E Y , ELISABETH ( P e t e r s b u r g 19. 1. 1854 - W ü r z b u r g 18. 4. 1943), E r z ä h l e r i n ,

Stiefschwester des Dichters Max Dauthendey.

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1900 Edwin Redslob schildert die Trauerfeier in Weimar

Schaffen, deren anderem die Unendlichkeit seiner geistigen Nachwirkung angehörte." 883 Die Eindrücke eines noch nicht Sechzehnjährigen beim Anblick des kranken Philosophen und eine eigentümliche Schilderung der Trauerfeier in Weimar bietet Edwin Redslob: „Ich denke vor allem daran, daß ich den hoffnungslos geisteskranken Nietzsche noch oft auf der Terrasse des von der Schwester für ihn eingerichteten, hoch über der Stadt gelegenen Hauses sah. Es war erschreckend, den Schädel mit der hohen Stirn aus dem von Decken umhüllten Lager herausragen zu sehen und an seiner keine Worte, sondern nur noch unartikulierte Töne formenden Stimme zu erkennen, daß sein geistiges Leben erloschen war. Aber als er dann im Tode läge, war eine ergreifende Ruhe über die Züge gebreitet. Daß ich Nietzsche aufgebahrt sah, hatte einen besonderen Grund. Als er gestorben war, gab es zum Abschied des Toten [...] eine fatale Unstimmigkeit. Man hatte zur Todesfeier im Nietzsche-Haus zu Weimar Gesänge von Palestrina bestimmt. Einige der aufgeforderten Damen des Chores wollten es aber ablehnen, für einen .Atheisten', wie sie den Philosophen nannten, zu singen. Tante Johanna Reiffenstein, eine Cousine meiner Mutter, holte sich bei meinem Vater Rat [...] Am nächsten Tag war dann die Trauerfeier. Kurz ehe sie stattfand, ging ein Wolkenbruch nieder [...] Da kam Tante Johannas Schwester aufgelöst zu uns, Johanna habe, um noch schnell vor dem drohenden Unwetter zum Nietzsche-Haus zu kommen, die Noten liegenlassen [...] Mir wurde das Heft unter meine Jacke gesteckt, und ich rannte durch strömenden Regen den Berg hinauf [,..]" 884

883 Max Halbe, Jahrhundertwende. Geschichte meines Lebens 1893-1914. A. W. Kafemann. Danzig, S. 295. 884 E. R., Von Weimar nach Europa. Erlebtes und Durchdachtes. Haude & Spener. Bln. (1972), S. 37 f.; s. a. S. 52 (aus der Studienzeit in Heidelberg 1903-1907 über Windelband: „Er trieb die sachliche Strenge so weit, daß er in dem Kolleg zur Geschichte der Philosophie unserer Zeit, das ich durch zwei Semester bei ihm gehört habe, Friedrich Nietzsche wegließ, der uns doch so viel bedeutete - er sei kein Philosoph, er gehöre der Literaturgeschichte an."), 73 f. („Frau Cosima [...] erzählte mir, wie leuchtend und groß angelegt der Nietzsche jener Zeit gewesen sei und wie der Gegensatz zu seiner ganz anders gearteten Schwester ihn gequält habe. Er sei oft zu ihnen hereingestürzt und hätte gesagt: .Laßt mich nur eine halbe Stunde bei euch, die Dummheit des Lama [...] macht mich noch rasend.' Dann habe sich Nietzsche an den Flügel gesetzt und fantasiert, und mir erzählte die Tochter Liszts und Gattin Wagners, sie, die doch alle berühmten Pianisten ihrer Zeit habe spielen hören, habe keines Menschen Kunst des Fantasierens am Klavier so sehr bewundert und geschätzt wie die Nietzsches. Er habe die Fähigkeit gehabt, sich voll und ganz in der Musik auszuströmen. Frau Förster-Nietzsche wiederum erzählte mir später in Weimar vom Nachklang der Triebschener Wochen: Um die Weihnachtszeit sei Nietzsche - wie immer - zu seiner Mutter in ihren Witwensitz, das Dorf Röcken bei Lützen, gekommen. Es sei [...] Sitte gewesen [...], daß alle Briefe, die am Morgen ankamen, beim gemeinsamen Frühstück vom Empfänger vorgelesen wurden [...] Die Mutter Nietzsches, die noch ganz in alten Konventionen lebte, hatte nicht wissen dürfen, daß ihre Tochter Elisabeth bei Wagner in Triebschen gewesen sei, weil er doch [...] in wilder Ehe mit der noch ungeschiedenen Frau Bülows lebte. Zudem mußte man ihr verschweigen, daß der Liebesbund der beiden schon vor der Ver-

1900 Die Nachrufe vom 26. August

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1003 N F P r Morgenbl. N r . 12934 v. 26. 8. 1900, S. 1 f. u. 6. Enthält einen Leitartikel zum Tode Nietzsches von Hugo Ganz 885 sowie eine weitere Anzeige von Ludwig Stein. 1004 anonym, Friedrich Wilhelm Nietzsche f- (DtWa 11. Jg., N r . 233 v. 26. 8. 1900, Morgenbl.). Eine längere Todesanzeige, in der Nietzsche als Stilisten „ersten Ranges" gefeiert wird, der aber „keine Philosophie im engeren Sinne" lehre, „sondern eine Soziologie, in der alle Konsequenzen oft mit brutaler Rücksichtslosigkeit gezogen werden". Obwohl, was er gepredigt, nie in Erfüllung gehen werde, „wird sich die Erkenntnis Bahn brechen, [...] daß nur die Tüchtigsten der Menschen die Geschicke der großen Kulturvölker gedeihlich lenken können". 1005 anonym, (LTB1 94. Jg., Nr. 453 v. 26. 8. 1900).

heiratung durch einen Sohn gesegnet war. Ich höre Frau Förster-Nietzsche mit ihrer dünnen Stimme noch erzählen, daß nun ihr Bruder Wagners Schilderung seiner Weihnachtsfeier vorgelesen habe, darin es heißt: .Cosima hatte mir Siegfried unter den Christbaum gestellt.' Die Mutter, Bösestes ahnend, fragte: ,Wer ist Siegfried?' ,Und da sagte mein Bruder', so fuhr die Erzählerin fort, ,den ich doch nie im geringsten von der Wahrheit habe abweichen hören, die einzige Unwahrheit, die ich von ihm kenne', .Siegfried ist eine Gipsbüste.'") S. noch das Gedicht: Friedrich Nietzsche. Erinnerung an Weimar 1899, in: E. R., Gestalt und Zeit. Begegnungen eines Lebens. Langen / Müller. Mchn., Wien (1966), S. 13 und die Anmerkung dazu auf S. 95. Etwas anders beschrieb er den Besuch bei Cosima in dem 1935 erschienenen: Ein Jahrhundert verklingt. Geschichte einer Jugend. (W. G. Korn. Breslau, S. 224 f.: „Da nannte Wolfgang [d. i. Redslob] einen Namen, der im Kreise der strengen Wagnerianer nicht ausgesprochen werden durfte: er erzählte, daß er Nietzsche noch gesehen habe! Oft sei er als Schüler an dem Haus hoch über der Stadt Weimar vorübergegangen [...] .Gegen Abend saß der Kranke auf der Terrasse, in Decken verpackt, das Haupt vor der Landschaft erhoben, der Bart herunterhängend, fast wie ein Teil der Umhüllung. Die Stirn aber wölbte sich dem schwingenden Rund des Himmels entgegen, gewohnt, Unendlichkeit zu greifen.' Frau Cosima hörte zu, lange über die Dauer des Sprechens hin, von Erinnerung bewegt. .Friedrich Nietzsche ist', sagte sie dann, .mit dem Meister der größte Mensch, der mir in meinem Leben begegnet ist. Die Zeit, da der Meister und Nietzsche Freunde waren, brachte den Traum Goethes und Schillers zur Vollendung. Als Wagner und Nietzsche gemeinsam zur Weihe des Festspielhauses fuhren, glänzte die Erfüllung des neuen Deutschland auf, es war die Höhe des Jahrhunderts. Wie oft denke ich der Gespräche, die geführt wurden, als die Verwirklichung von Bayreuth unmittelbar bevorstand - in Triebschen am Vierwaldstätter See, als Nietzsche sich wie ein Ertrinkender an die Freundschaft mit dem Meister klammerte, als er den Ausweg aus dem materiellen Irrwahn der Zeit in der Errichtung des Tempels auf dem Hügel von Bayreuth erblickte. Da leuchtete Hoffnung, da glühte aber auch der Haß, den er in seinem innersten Wesen trug, als Keim der Krankheit, die ihn verzehrte. Um sich zu befreien, setzte er sich an den Flügel und phantasierte, so wie ich weder auf der Altenburg beim Vater noch hier in Wahnfried je einen Menschen habe spielen hören. Der sonst Verschlossene, in dessen Seele ein Musiker verglühte, gab das Geschenk seines Herzens!' - Wolfgang aber ahnte, daß in der dann ausbrechenden Feindschaft Nietzsches gegen Wagner und den Pomp seines Werkes noch ein anderes gewesen sei, das nicht eingestanden wurde: eine nie erfüllte, nie offenbarte Liebe zu dieser Frau [...]" R E D S L O B , E D W I N (Weimar 22. 9. 1884 - Berlin 24. 1. 1973), Kunst- und Kulturwissenschaftler, Goetheforscher; R E I F F E N S T E I N , F R L . J O H A N N A , Pensionatsvorsteherin in Weimar. 885

GANZ, H U G O (Mainz 24. 4. 1862 - Wien 2. 1. 1922), österreichischer Journalist, zunächst in Budapest und später in Frankfurt am Main.

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1900 Die Nachrufe vom 26. August

Eine längere, sehr sachliche Würdigung anläßlich der Todesnachricht: „Die Nietzsche'schen Ansichten haben viele Gegner gefunden, wie dies bei dem vielen Paradoxen und Umstürzenden in ihnen natürlich, andererseits auch viele Freunde besonders in der jüngeren Generation, in dieser zum Theil wegen der Zersetzung des Traditionellen." 1006 (Knortz, Karl), F. W. Nietzsche f Der unglückliche Philosoph in Weimar gestorben. (Westen 46. Jg., Nr. 34 v. 26. 8. 1900). Ein Nachruf mit kurzem Umriß von Leben und Werk: „Als Stilist ist er in der Gegenwart unübertroffen [...]" 1007 anonym, Nietzsche t (DZg Nr. 10292, Morgen-Ausg. v. 26. 8. 1900, S. 4). Nachruf auf „eine der gewaltigsten Persönlichkeiten unserer Zeit", denn ein Deutscher sei er „durch und durch". 1008 anonym, Friedrich Nietzsche! (MAZg 103. Jg., Nr. 234 v. 26. 8. 1900). Todesanzeige mit kurzer Würdigung des Schaffens. 1009 Bulcke, Karl, 886 Requiescat. Am Sarge von Friedrich Nietzsche. (FZg Nr. 236, 1900).887 1009a Auch in: B T 29. Jg., Nr. 434 v. 27. 8. 1900. Unverändert. 1009b Auch in: NFPr Nr. 12936 v. 28. 8. 1900, S. 7. Unverändert. 1009c Auch in: BrBZg 11. Jg., Nr. 200 v. 29. 8. 1900. Unverändert, die Zeitung fügte dem Bericht Bulckes aber als „Nietzsches Selbstcharakteristik" das Gedicht: „Ja! ich weiß, woher ich stamme!" hinzu. 1009d Auch in: D L E 2. Jg., Nr. 24 v. 15. 9. 1900, Sp. 1724 f. Unverändert. 1010 Kappstein, Theodor, Friedrich Nietzsche f- (BT 29. Jg, Nr. 432 v. 26. 8. 1900). Ein äußerst rühmender Nachruf: „Wer [...] den mühsamen Weg zu dem echten, einsamen, ernsten Nietzsche nicht scheut [...], der wird in der reinen, herben Höhenluft seiner Gedankenfragmente bewundernd wahrnehmen, wie es diesem Manne gegeben ist, in nie gehörtem, zauberhaftem Wohllaut der Sprache nicht selten die letzten Hüllen von den Dingen zu ziehen und die verborgensten Seiten des Seins vor uns zu entschleiern." Der Anführung wert dürfte auch folgende Erinnerung des Verfassers sein: „Ich saß vor einem Jahrzehnt in der Altbauvorstadt zu Basel in dem schmucklosen Junggesellenheim des treuesten Freundes Nietzsches, der ihn am tiefsten verstand: Jakob Burckhardts. Als der norddeutsche Theologe, den die Begeisterung für den unvergleichlichen alten ,Köbi' gastweise zur Kunstgeschichte trieb, den Namen Nietzsches nannte, da ging ein Leuchten über das geistvolle Gesicht Burckhardts, gemischt aus Stolz und Wehmuth. Burckhardt, der Meister, versäumte selten die Vorlesung seines jungen Freundes. Er hat sich Denen, die ihn hörten, unverlierbar in die Seele geprägt."888 886 BULCKE, KARL, (Königsberg / Pr. 29. 4. 1875 - Berlin 2. 2. 1936), Staatsanwalt und Schriftsteller, damals in W e i m a r wohnhaft. 887 S. die Meinung der K Z g (Nr. 675, Abendausg. v. 29. 8. 1900): „Uns dünkt, daß eine solche Anhäufung von protzigen Similidiamanten nur zu sehr geeignet ist, den Leuten einen Anschein von Recht zu geben, die, gedankenträg am Alten hängend, Nietzsche und der neuern Literatur nicht den Platz einräumen wollen, der ihnen gebührt." Die Zeitung hatte schon a m 26. (Nr. 665) den T o d mit kurzer Würdigung angezeigt. 888 Geraume Zeit später schilderte Kappstein die Entstehung des Nachrufs recht anschaulich:

1900 Nachrufe vom 26. und 27. August

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1011 (C[arl]. F[uchs].), Erinnerung an Friedrich Nietzsche. (DanzZg Nr. 399 v. 26. 8. 1900). Würdige des Wortes größten Meister unter den Deutschen und berichtet, höchstwahrscheinlich dem eigenen Erleben nach, von der Musik, die Nietzsche in der Umnachtung gern gehört habe, sowie von einigen anderen den Kranken betreffenden Eindrücken. 1012 anonym, Friedrich Nietzsche f . (BLAz 18. Jg., Nr. 398 v. 26. 8. 1900). Betont in diesem Nachruf den „Einfluß auf die Geistesrichtung der modernen Welt", das Antichristentum und die Stellung zu Wagner: „Gewiß wird keiner, der mit gesundem Blick sein Buch: ,Also sprach Zarathustra' gelesen, sich eines ans Krankhafte grenzenden schwülen Eindrucks erwehren können. Desto klarer sind seine rein wissenschaftlichen, großentheils aphoristisch gehaltenen Werke geschrieben, in denen sich Nietzsche überall als Meister der deutschen Sprache zeigt." 1013 Schiffner, Karl,889 Friedrich Wilhelm Nietzsche. Gestorben am 25. August 1900 in Weimar. (GTbl 10. Jg., Nr. 237, Morgenausg. v. 27. 8. 1900). Ein dem Denker durchaus geneigter Nachruf, doch müsse man erkennen, „daß Nietzsche uns nicht als Vollendeter, sondern überall als Werdender entgegentritt [...] Daß sein Hauptwerk ,Also sprach Zarathustra' in unserer modernen Literatur überhaupt viel Unheil angerichtet hat, ist nicht zu leugnen. Das Ungesunde, Unzureichende in Nietzsches Weltanschauung muß eben überwunden werden, das ist die Aufgabe unserer Literatur und Philosophie, dann erst werden wir das Gute und Bleibende in Nietzsches Denken und Schriften ganz erkennen und schätzen lernen!" Verfasser bedauert auch, daß Nietzsche „nicht den großen Weg" habe zurücklegen können, der „von Schopenhauer über Häckel zu dem großen Quell der Schopenhauer'sehen Philosophie, dem indischen Monismus", führe. 1014 anonym, Friedrich Nietzsche. (LVZg 7. Jg., Nr. 197 v. 27. 8. 1900, S. 1 f.).

„Nietzsches endlicher Tod, August 1900, fiel in meine Tageblattzeit. Das Morgenblatt war fertig, der ,Spiegel' mit 17 Nummern bereit - da, ich wollte eben gehen, warf die Abenddepesche alles über den Haufen. Meine Bücher daheim, - ich verlassen allein, mit dieser Aufgabe eines solchen Nachrufs! Ich suchte den dafür Verantwortlichen telephonisch zu erreichen, Mauthner blieb unauffindbar. Mit meinem heißen Kopf schrieb ich und schrieb, las die Korrekturfahne im Setzersaal und kam halbtot um 3 Uhr morgens zu Hause an [...] ich erntete nur Lob [...] F. M. bestätigte, daß ich ihn bestens vertreten hatte, und dichtete sein wunderbares Totengespräch auf Nietzsche, dem er wesensverwandt war." (Th. K., Fritz Mauthner, der Mann und sein Werk. Paetel. Bln., Lpz. 1926, S. 15 f.) Uber die eigene und Mauthners Stellung zu Nietzsche heißt es an anderer Stelle im selben Buch: „Ich halte mit Mauthner den Nachweis der Notwendigkeit einer periodischen Wiederkehr gleicher Zustände für verfehlt, lese jedoch für mich in Nietzsches Bildern lediglich den ästhetisch-ethischen Anruf zur Bejahung der höchsten persönlichen Verantwortung, so unbedingt, daß sie selbst, als ob sie willens und in der Lage wäre, das eigene Leben im ganzen wie im einzelnen immer wieder durchzuleben und vorzuleben im ewigen Kreise [...] Nietzsche drang nicht bis zur Sprachkritik vor, trotz gelegentlichem Aufblitzen und einschlagendem Donnern, weil die eigene Dichtersprache ihn immer verlockte. Wortkritik und Wortkultus halten gegenseitig die Wage." (S. 140) 889 S C H I F F N E R , K A R L , g e b . 1863, J o u r n a l i s t .

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1900 Nachrufe vom 27. und 28. August

„Verehrungswürdig" sei „der arme wahnsinnige Philosoph" vor allem, da er „den griesgrämigen Philosophen des Mittelalters", „Schopenhauers blasierte Wurstigkeit" überwunden habe. In „genialer Einseitigkeit" habe er aber „das Wesen des Sozialismus nie verstehen gelernt". „Mit der Borniertheit des Genies" habe er sich „den einfachsten Kenntnissen der Sozialwissenschaft" verschlossen. Dennoch begrüßt Verfasser den „Revolutionär durch und durch": „[...] herrlich wie am ersten Tage steht für alle Zeiten die tiefe innere Schönheit seines Geistes da." 1015 anonym, Friedrich Nietzsche. (Ebd., S. 5 f.). Die Zeitung brachte hiermit als Ergänzung zur obigen Stellungnahme einen kurzen Lebensumriß und eine rein darstellende Kennzeichnung der Werke. 1016 Hahn, Viktor,890 Der Übermensch. (BMZg Nr. 35 v. 27. 8. 1900). Ein langes Gedicht auf Nietzsche als Narren gewordenen Ubermenschen: „So hockt am Schreibtisch er verzückt; / Der Herr Professor ist verrückt! / Zum Mütterchen wird er gebracht, / Ein todter Geist nach kurzem Flammen!" 1017 f., Nietzsche. (WAp Nr. 196 v. 27. 8. 1900, S. 1 f.). Trotz manch lobenden Wortes ist der Ubermensch dem Verfasser ein „phantastischer, großredender Popanz, mit Begriffen wie mit Sägespänen ausgestopft" und Nietzsche selber „ein blendender Flackergeist", dessen Denken „ein wirres Phantasiren, ein unaufhörliches Präludiren". 1018 anonym, Friedrich Nietzsche. (KZg Nr. 669, Abendausg. v. 27. 8. 1900). Eine eingehende Würdigung Nietzsches, in der sein Schicksal vielfach mit dem Heines verglichen wird. „Man kann die moderne Literatur geradezu in zwei Gruppen teilen: solche, die von ihm ausgegangen, seinen Einfluß irgendwie erfahren, und solche, die von ihm völlig unberührt geblieben sind." In dreifacher Hinsicht werde sein Name „in die Zeiten leuchten": als „Persönlichkeit", als „intellektueller Humorist" und als „Schriftsteller", ja als „Aphorist" habe er sogar die „glänzenden Franzosen überflügelt". 1019 anonym, Aus Nietzsches Kindheit. (DtWa 11. Jg., Nr. 235b v. 28. 8. 1900, Morgenbl.). Erzählt Bekanntes aus der Kindheit in Naumburg und Schulpforta nach der Darstellung der Schwester. 1020 anonym, Nietzsche. (Ebd.). Feiert hier den Heimgegangenen als Lucifer, als Prometheus, als „Bahnbrecher und Welterneuerer". Trotz solcher Würdigung aber glaubt Verfasser, daß man als Germane das neuerwachte „Rassengefühl mit unserer ererbten Religion wohl vereinigen" könne. 1021 L„ Dr. O., (TblStG v. 28. 8. 1900). Henne am Rhyn, dessen neuestes Werk (Nr. 914) „den Lesern bestens empfohlen" sei, gehe darin „den gleichen Weg" wie Widmann in dem „ergreifenden Drama Jenseits von Gut und Böse' [... ] mit entschiedenem Erfolg" gegangen in dem Kampf „gegen Nietzsches Ethik und seine Ubermenschentheorie". 1022 t., t Friedrich Nietzsche. (ASZg 27. Jg., Nr. 398 v. 28. 8. 1900).

890 HAHN, VIKTOR, geb. am 19. 8. 1869 zu Wien, Journalist, Herausgeber der „Nationalzeitung" und des „8 Uhr-Blattes", auch Dramaturg und Verfasser einiger Bühnenwerke.

1900 Nachrufe vom 28. August

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In diesem Nachruf heißt es u. a.: „Nietzsches Philosophie ist ein Ferment der Kultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts geworden. Ob wir dieses Ferment als Gift oder als Sauerteig auffassen wollen, mag Jeder für sich entscheiden; daß man nichts aus Nietzsches Schriften lernen könne, wird wohl nur ein Thor behaupten wollen [...] Wir können den Denker Nietzsche in seinen Voraussetzungen und Folgerungen ablehnen, [...] dem Menschen Nietzsche, dem Geistesaristokraten mit dem glühenden, zukunftssehnsüchtigen Herzen, werden wir unsere Hochachtung nicht versagen können." Anführenswert ist noch folgende Feststellung: „Die Nietzsches Schüler in Basel gewesen sind - es sei im Pädagogium, an dessen oberster Klasse er das griechische Pensum zu erteilen hatte, sei es auf der Universität - erzählen noch heute mit leuchtendem Auge und begeistertem Munde von diesem geistvollen Lehrer." 1023 anonym, Zeitungsschau. (TRs Nr. 200 v. 28. 8. 1900). Eine ausgewogene, nicht ganz unkritische, dennoch aber hochanerkennende Würdigung, besonders angesichts der Verdrehung seiner Gestalt durch die liberale, demokratische Presse, lies: Neue Freie Presse: „Er hat in einer Zeit der Ubermacht der Masse und der fanatisch vertretenen Nivellirungsdoktrin mit Inbrunst tiefster Uberzeugung das Recht des Einzelmenschen auf individuelle Glückseligkeit verfochten und damit einem neuen Götzen, kaum daß er aufgestellt war, schon das Postament zertrümmert [...] Die Achtung und Verehrung aller selbständig Denkenden [...] wird dem unerschrockenen Vertreter seiner Uberzeugung, dem genialen Philosophen, dem glänzenden Stilisten für alle Zeiten erhalten bleiben [...]" 1024 anonym, (Rb 1. Beil. z. Nr. 200 v. 28. 8. 1900). In diesem Nachruf meint Verfasser, daß alles, was von Nietzsche seit 1879 in einem „krankhaften nervös überreizten Zustande" verfaßt worden sei, „schon das Gepräge geisteskranker Überreiztheit" getragen habe. 1025 (Marti, Fritz), 891 f Friedrich Nietzsche. (NZZg 121. Jg., Nr. 238, Morgen v. 28. 8. 1900). Ein dem Denker sehr geneigter Nachruf: „[...] kaum gab es je einen Philosophen, dessen Einfluß auf seine Zeit unmittelbarer und dessen Erfolg deshalb größer gewesen wäre [...] Wenn auch ein Zerstörer, so gehört er im Grunde doch zu der Schar edler Kämpfer, die für die Freiheit gestritten." 1025a Auch in: F. M., Lichter und Funken. Ausgew. Feuilletons. O. Füßli. Zür. (1915), S. 108-113). Unverändert. 1026 anonym, (BBC 1. Beil. z. Nr. 401 v. 28. 8. 1900). Ein kurzer Bericht über die Trauerfeier in Weimar: „In der Nacht ist die Leiche nach Röcken überführt worden, wo heute nachmittag die Beisetzung stattfindet." 1027 anonym, Im Heim von Friedrich Nietzsche. (BLAz Nr. 40 v. 28. 8. 1900). Berichtet vom Archiv und bringt dabei einiges Lesenswerte über den gewöhnlichen Tageslauf im Leben des Kranken, wohl nach Erzählungen der Schwester und nicht aus eigener Anschauung.

891 MARTI, FRITZ (Othmarsingen / Aargau 26. 4. 1866 - Zürich 8. 8. 1914), seit 1899 Leiter des unterhaltenden Teiles der „Neuen Zürcher Zeitung", daneben hauptsächlich Romanschriftsteller.

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1900 Nachrufe vom 28. August

1027a Auch in: KöAZg Nr. 403 v. 29. 8. 1900. Unverändert. 1027b Auch in: PZg Nr. 604 v. 29. 8. 1900. Unverändert. 1027c Auch in: BarmZg Nr. 202 v. 29. 8. 1900. Unverändert. 1028 Bricht, Balduin,892 Der Übermensch. (ÖVZg 46. Jg., Nr. 236 v. 28. 8. 1900). Verfasser meint, daß „Alles, was System ist [...] in den Hauptwerken Nietzsche's", sich „in dem einen Worte vom .Ubermenschen'" finde: „Dieser Homunkulus der Nietzsche'sehen Philosophie ist ganz und gar Retortenmensch. Er hat nicht gelebt, nicht einmal in den egoistischesten Gewaltmenschen, er wird nicht leben [...] Aber die Stickluft unserer Brutanstalten für landläufige Moral hat Nietzsche aufgewirbelt, er hat Bewegung gebracht in den starren Sumpf des konventionellen, selbstgefälligen Dahinlebens, er hat durch Erfindung einer Idealgestalt, und sei sie auch nicht greifbar, die matten Sinne gespannt [...] Er war kein Philosoph, er war mehr: ein Dichter [...]" 1029 Kleinpetz,893 Nietzsche als Stylist. (NWT 34. Jg., Nr. 236 v. 28. 8. 1900). Verfasser stellt Nietzsche neben Goethe und Schopenhauer als „Meister und Bildner der deutschen Sprache": Durch die „Vermischung des Anschaulichen, des poetischen Bildes, der inneren Melodie" mit dem wissenschaftlichen Denken habe er einen „neuen Styl der Philosophie, die bis dahin nur den Ton des Wissenschaftlers oder die dichterischen Reden des Enthusiasten vernommen hatte", geschaffen. 1030 Böttger, Dr. R.,894 Friedrich Nietzsche f. (DrJ Nr. 199, 1900). In diesem Nachruf meint der Verfasser, Nietzsche habe sich in einem „mißverständlichen Kampfe gegen die ,Begriffe' mit einer grandiosen Leidenschaftlichkeit aufgerieben und erschöpft", ja, daß „die ganze Nietzschesche Philosophie ihre Hauptkraft aus jenem .Kampf gegen die Begriffe' zieht". In derselben Nummer steht ein Bericht über die Schilderung eines „Lesers des ,Berl. Lokalanz.' Im Heim von Friedrich Nietzsche", die das Leben im Nietzsche-Archiv von der Übersiedlung nach Weimar bis zum Tode des Denkers darstellt, (s. Nr. 1027) 1031 L(ienhard), F (ritz), Friedrich Nietzsche's Tod. (DZgb Nr. 200 v. 28. 8. 1900). Ein durchaus ablehnender Nachruf: Nietzsche werde „auch für die spätere geschichtliche Betrachtung mehr ein Komet als ein Fixstern bleiben". Dem Verfasser ist das „Rassenproblem" das „herrschende der Zukunft [...] Aber die Denker und Politiker, die aus diesem Problem ihre geistige Befruchtung suchen, werden nicht nach dem Phantom des Herrenmenschen suchen, [...] sondern sie werden ihr Nachdenken der Aufgabe widmen, wie man die vorhandene Kraft der Herren Völker bewahrt oder neue fruchtbare, d. h. kulturschaffende Völkermischungen hervorbringt." 1032 Mauthner, Fritz, Friedrich Nietzsche. Aus den neuen Totengesprächen. (BT Nr. 436 v. 28. 8. 1900, S. 1 f.).

892 BRICHT, BALDUIN, geb. 1852 zu Verbo, Herausgeber und Musikreferent der „Österreichischen Volks-Zeitung" in Wien. 893 Deckname für: PÖTZL,EDUARD (Wien 17. 3. 1851 - Wien-Modling 20. 8. 1914), Feuilletonist. 894 BÖTTGER, PAUL GUSTAV RICHARD, geb. am 3. 12. 1861 zu Zittau / Sachsen, promovierte 1897 zu Greifswald mit einer Arbeit „Das Grundproblem der Schopenhauerschen Philosophie", in der aber Nietzsche keine Erwähnung fand.

1900 Weitere Nachrufe vom 28. August

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Ein erdachtes Gespräch unter Hobbes, Hegel u. v. A. in der „seligen Halle der Philosophie" darüber, ob man Nietzsche Einlaß gewähren solle. Es ergreifen Spinoza kurz und Sokrates entschieden länger die Sache Nietzsches. 1032a Dass. in: D V E 4. Jg., N r . 36 v. 9. 9. 1900, S. 282 f. Unverändert. 1032b Auch in: F. M., Totengespräche. Karl Schnabel. Bln. 1906. Axel Juncker, S. 94 bis 102. Im Zeitungsaufsatz verteidigten Plato, Bruno und Spinoza das Dichterische am Philosophen, hier dagegen fehlt Plato, sonst unverändert. 1032c Dass. 2. Aufl. 1906. Unverändert. 1033 χ., Friedrich Nietzsche und die Modernen. (DZg Morgen-Ausg. N r . 10294 v. 28. 8. 1900). Eine Verspottung des „Nietzscheschen Jüngerthums", das verschuldet habe, daß „seine Philosophie zu einer Salon - und Caféphilosophie f ü r - zur Ehre der indogermanischen und einzig wahrhaft productiven Race sei es gesagt - beinahe durchweg semitische Parvenukreise erniedrigt" worden sei. 1034 Zieler, Dr. Gustav, 895 Friedrich Nietzsche f . (NAZg Beil. N r . 200 v. 28. 8. 1900). Verfasser findet, daß „die leidenschaftliche Nietzsche-Vergötterung [...], wie sie in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre begonnen, wie alle Modeströmungen im Abfluthen begriffen" sei. Von seiner rechten Bedeutung, der als „Künstler, wird man erst in der Z u k u n f t reden können". 1035 anonym, Friedrich Nietzsche f . (DrA 170. Jg., N r . 236 v. 28. 8. 1900, S. 25). Eine verhältnismäßig sachlich berichtende Würdigung des ,,deutsche[n] UmsturzPhilosoph[en], der durch seine Schriften unter seinen Zeitgenossen eine größere Aufregung und Verwirrung hervorgerufen hat als irgend ein philosophischer Schriftsteller vor ihm". In der nächsten N u m m e r der Zeitung berichtete man sehr knapp von im Sterbehaus eintreffenden Blumenspenden und der Abnahme der Totenmaske durch „Kurt Stöwing". 1036 D., Friedrich Nietzsche. (BrBZg v. 28. 8. 1900). Stellt Nietzsche in diesem mitunter lobvollen Nachruf vor allem als Bekämpfer der bürgerlichen Moral hin: „Er ging gegen die bürgerliche Ideologie, aber er kam nicht aus ihrem Bann [...] In ihm spiegelt sich die Bewegung des Kapitalismus, der alte, enge wirtschaftliche Formen zersprengte, um auf größerer Basis die überkommenen typischen Kräfte spielen zu lassen." Den Sozialismus dagegen habe er verkannt: „Er verneinte die ursächliche Bedeutung des ökonomischen Unterbaues." Berichtet auch von einem „im Frühjahr" in Bremen gehaltenen Vortrag M. G. Conrads „Nietzsche als Dichter". In einer unsignierten Nachschrift wird über „Nietzsches Weltauffassung" abgehandelt und festgestellt, er werde als „Lebenskünder, als Psalmist eines kraftvollen und mutigen Menschentums [...] auch bei den kommenden Geschlechtern in Geltung bleiben". 1037 Steiner, Rudolf, Friedrich Nietzsche. Gestorben am 25. August 1900. (V 17. Jg., N r . 199 v. 28. 8. 1900, Unterhaltungsbl. N r . 165, S. 658 f.).

895 ZLELER, GUSTAV, geb. 1869, promovierte zu Leipzig mit einer sprachwissenschaftlichen Arbeit.

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1900 Nachrufe vom 28. und 29. August

Nietzsche ist ihm „ein merkwürdiger Denker", aber „nicht einer der führenden Geister in die Zukunft", denn „er hat dem wirklichen Leben der Gegenwart ferngestanden": er habe sich „alles, was er kennen lernte, im Sinne der Anschauungen zurechtgelegt, die er sich durch einen einseitigen klassischen und philosophischen, in mancher Beziehung ganz abnormen Bildungsgang erworben hat, mit Ausschluß jeglicher Lebenserfahrung, ohne Kenntnisse der wahren Bedürfnisse der Gegenwart". 1037a Auch in Nr. 211a. Mit einigen Ungenauigkeiten im Schräg- gegenüber Sperrdruck, sonst unverändert. 1038 Wiegand, J.,896 Friedrich Nietzsche. (BrN Nr. 235, 237 u. 238 v. 28., 29. u. 30. 8. 1900). Dieser Nachruf stellt Nietzsche neben Bismarck, Böcklin und Wagner als „größtes Genie, welches das Deutschland des 20. Jahrhunderts bis jetzt hervorgebracht hat", dabei hat der Verfasser vor allem „Zarathustra-Nietzsche" vor Augen. 1039 Bulcke, Carl, Die Trauerfeierlichkeit am Sarge Friedrich Nietzsche's. (BT 29. Jg., Nr. 438, Abendausg. v. 29. 8. 1900). Berichterstatter hat an der Totenfeier in Weimar teilgenommen und schildert sie hier. 1039a Auch in: NFPr Morgenbl. Nr. 12938 v. 30. 8. 1900. 1039b Auch in: DtWa 11. Jg., Nr. 239, Abendbl. v. 31. 8. 1900. Unverändert. 1040 Friedrich Nietzsche über sich selbst. (HN Nr. 202 v. 29. 8. 1900). Nachdruck des Briefes an Brandes vom 10.4.1888 nach dessen Veröffentlichung in dem BBC mit einer größeren Lücke gegenüber der erst im dritten Band der Briefausgabe veröffentlichten vollständigen Fassung. Bringt auch den letzten, undatierten, „Der Gekreuzigte" unterschriebenen Zettel. Anschließend steht „Der Tod Friedrich Nietzsche's" von „m.", darin die letzten Jahre des Kranken, ob aus eigener Anschauung ist fraglich, geschildert werden: „Im Großen und Ganzen war der Zustand trostlos und hoffnungsleer. Der Kranke griff bloß zumal in alles Blanke und Blitzende, um es womöglich in den Mund zu stecken." 1040a Auch in: KöHZg Nr. 203 v. 30. 8. 1900 m. d. Überschrift: Ein autobiographischer Brief Fr. Nietzsches. Bringt nur die Vita und den Zettel und anschließend einiges über die Kinderzeit aus der schwesterlichen Lebensbeschreibung. 1040b Auch in: PZg Nr. 607 v. 31. 8. 1900 m. d. Überschrift: Eine Autobiographie Friedrich Nietzsche's. Wie in den HN, doch ohne die Schilderung des Kranken. 1040c Auch in: MeißTbl Nr. 202 v. 1. 9. 1900. Der Fassung in der KöHZg ähnlich. 1040d Auch in: NVgtZg Nr. 203 v. 2. 9. 1900. Ähnlich der Fassung in der KöHZg. 1040e Auch in: LübAnz Nr. 454 v. 9. 9. 1900. Ähnlich der Fassung in der KöHZg. 1041 anonym, (WeiZg Nr. 202 v. 29. 8. 1900). Ein kurzer Bericht nach dem „Erfurter Allgem. Anzeiger" über die Trauerfeier in Weimar mit einigen Worten des Lobes auf die Schwester von einem Bormann.897 896 WIEGAND, JOHANNES (Bremen 27. 7. 1874 - ebd. 7. 2. 1940), seit 1898 Redaktionsmitglied der BrN und später Leiter des Bremer Schauspielhauses und selber Dramatiker. 897 BORMANN, EDWIN (Leipzig 14. 4. 1851 - ebd. 3. 5. 1912), Humorist, studierte in Dresden, Leipzig und Bonn.

1900 Nachrufe vom 29. und 30. August

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1042 J „ H „ Das Ende eines Wunderknaben. (Elsäss Nr. 201 v. 29. 8. 1900, S. 1). Angeklagt werden die, die „mit vollem Bewußtsein zur Verbreitung" von dessen Ideen betragen, bei dem schon bei der Aufgabe seines Baseler Lehramtes „die ersten Vorboten der unheilbaren Hirnkrankheit [...] auftraten". Sein unsagbar unheilvoller Einfluß beruhe auf dem unverhüllten Angriff auf das Christentum und die christliche Moral sowie auf einem schriftstellerischen Gewand, „das [...] unreife und unklare Gemüter einen gefährlich berückenden Einfluß ausübte". 1043 G., Α., Friedrich Nietzsche f . (NZgb Nr. 201 f. v. 29. u. 30. 8. 1900). Liefert einen überlangen und recht überschwenglichen Nachruf auf den, der „als Mensch gleich groß wie als Gelehrter und Denker" gewesen sei: „Dem Zauber seiner Persönlichkeit konnte sich niemand entziehen; das kann man gerade hier in Basel von Vielen hören, die ganz sicherlich nicht mit seinen Lehren einverstanden sind." Verfasser berichtet wiederholt so, leider aber immer ähnlich verallgemeinernd von dem Eindruck auf die Basler und schöpft sonst ausführlich aus der schwesterlichen Lebensbeschreibung. Lesenswert ist noch die Begeisterung für den „Zarathustra": „Es ist ein Kunstwerk der Sprache, wie - außer der Bibel - keines mehr existiert: nicht mit Worten, sondern [...] mit Blitzen geschrieben." 1044 (Kraus, Karl),898 (Fa 2. Jahr, Nr. 51, Ende Aug. 1900, S. 19-22). Verfasser beklagt, daß die „Viel zu Vielen" es verstanden haben, sich gegen diesen „strengsten Geist des Jahrhunderts" zu wappnen, und holt den Aufsatz von Hugo Ganz (Nr. 1003) als Beispiel heran. Man habe in Nietzsche „den Überwinder der Moral" zu ehren und nicht nach „der seichten Geschichtsklitterung des augenblicklich sozialdemokratischen Herrn Mehring" und Hugo Ganz „einen fanatischen Liberalen" zu sehen. 1045 -k- (Augenzeugenbericht über die Beisetzung in Röcken, LTB1 94. Jg., Nr. 440, Morgenausg. v. 30. 8. 1900, S. 6852). Berichtet u. a. von den „etwa 80" teilnehmenden Leidtragenden; darunter neben „den Verwandten viele Verehrer Nietzsche's und Vertreter der Universitäten Leip-

898 KRAUS, KARL (Gitschin / Böhmen 28. 4. 1874 - Wien 12. 6. 1936), Schriftsteller. Kraus' Verfasserschaft der vorliegenden Erwähnung Nietzsches wird von Edward Timms („Karl Kraus Apocalyptic Satirist. Culture and Catastrophe in Habsburg Vienna." Yale Univ. Pr. New Haven, London 1986, S. 192 u. Anm. dazu auf S. 417) abgestritten, ohne aber daß er einen anderen Verfasser namhaft macht. Lesenswert ist eine etwas frühere Erwähnung Nietzsches in der „Fackel", deren Schreibweise wenigstens vermuten läßt, daß der Name dem Verfasser noch nicht so geläufig war: Versuche, in Berlin „so etwas wie eine Literaturepoche ins Leben zu rufen", seien gescheitert, und „es blieb bei den zwanglosen Zusammenkünften im Café Griensteidl, das so lange als Hort des .Größenwahn' gescholten ward, bis es sich richtig in ein Café Nietsche verwandelte." (1. Jahr, Nr. 23 v. Mitte Nov. 1899, S. 21) Von der späteren Einstellung zeugt folgende Briefstelle v. 4. 12. 1914: „Nietzsche hätte gerade in dem heute triumphierenden Typus Ansätze zu seinem .Übermenschen' gefunden und er hat ja auch für den Krieg 1870 / 71, der um weniges besser war als der jetzige, geschwärmt." (K. K., Briefe an Sidonie Nadherny von Borutin. 1913 bis 1936. Kösel. Mchn. (1974. Hg. v. H. Fischer u. M. Lazarus), S. 100. Eingehendes und Ausgewogenes zum Einfluß Nietzsches auf Kraus, mit genauen Angaben über mehrere Erwähnungen Nietzsches in der „Fackel" und sonstwo, bietet das obenerwähnte Werk von Timms, bes. die S. 192-195 im 10. Abschnitt: „Wilde, Nietzsche, and the Role of the Artist".

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1900 Nachrufe vom 30. August

zig, Berlin, Halle a. S. u. s. w., der Landesschule Pforta, sowie viele Schüler Nietzsche's". 1046 Keyßner, G., 899 Friedrich Nietzsche zum Gedächtnis. (MNN 53. Jg., Nr. 400 v. 30. 8. 1900, Vorabendbl.). Eine vollends anerkennende Nachrede zum Tode Nietzsches, dessen Lektüre „eine große erzieherische Kraft ausüben, den Lesern ungeahnte Bereicherung und Festigung" geben könne. In der Nr. 433 v. 26. 8. hatte die Zeitung schon eine längere, sehr sachlich gehaltene Würdigung gebracht, anschließend an die Todesnachricht. 1047 anonym, (Rb Nr. 202 v. 30. 8. 1900). Liefert eine Geißelung der „Nietzsche-Nekrologe der judo-liberalen Presse" im allgemeinen unter besonderer Erwähnung der Würdigungen von Bulcke (Nr. 1009) und Mauthner (Nr. 1032). 1048 anonym, t Friedrich Nietzsche. (HEcho 14. Jg., Nr. 201 v. 30. 8. 1900). Von ausgesprochen sozialdemokratischer Seite aus behauptet Verfasser, man habe „mit vollem Unrecht" gemeint, Nietzsche habe „eine kapitalistische Brutalitätsmoral" aufgestellt, und rät: „Wer ausgerüstet mit dem klar begriffenen ökonomischen Materialismus und an ihm die Gedanken von Nietzsche zu prüfen und das Wahre vom Falschen zu sondern weiß, ist immun gegen das Gift in seinen Schriften und wird genug des Wahren, Schönen und Entzückenden darin finden." Ein Beispiel hierfür findet er in Eisner und dessen „Psychopathia spiritualis" (Nr. 197) und rühmt Mehrings dadurch hervorgerufene Zurechtweisung als prophetisch. Eisner sei „inzwischen ein überzeugter Sozialdemokrat geworden und zählt zu den tüchtigsten unserer Journalisten". 1049 anonym, Friedrich Nietzsche. (IZ Nr. 2983 v. 30. 8. 1900, S. 307 f.). Eine Würdigung des begeisterten „Verherrlichers der Willenskraft", des mitleidlosen „Bekämpfers des Mitleids", des persönlichsten Dichter-Philosophen. Obwohl er „oft über das Ziel hinausgeschossen", habe er dennoch „dem Geschlecht des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu einem guten Theil den niederdrückenden Aberglauben genommen, nichts anderes als nur Epigonenthum zu sein". Beigegeben ist die Abbildung einer 1898 datierten Plakette von Curt Stoeving, auf der sie Seitenansicht eines Nietzschekopfes und Adler und Schlange dargestellt sind. 1050 Bahr, Hermann, Nietzsche. (Gestorben am 25. August.), (NWT 34. Jg., Nr. 238 v. 30. 8. 1900). Bahr empfindet, daß sein Geschlecht „an der Vergangenheit" leide, und meint, Nietzsche habe „uns [...] verführt als der erste Entwurf einer neuen Menschheit und des neuen Künstlers". Seine Tat sei, daß „er uns den Glauben an die Macht unserer eigenen Erdichtungen gegeben und den Dichter zum Herrscher über das Leben gesetzt hat": „Sein ganzes Ringen ist ein Leidensweg der Erkenntnis gewesen, die uns heute als die einzige brauchbare Wahrheit gilt: daß es nichts Erdachtes, Gewünschtes, Eingebildetes in uns geben soll, das wir nicht sogleich zu erleben wagen wollen."

899 KEYSZNER, GUSTAV (Meiningen 1867 - 22. 3. 1928), Herausgeber der Werke von Mörike und Fr. Th. Vischer.

1900 Nachrufe vom 30. und 31. August

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CA Aphorismen über Juden und Judenfrage. / Von Friedrich Nietzsche (f). / / Weitere Aphorismen von Friedrich Nietzsche. (MVAA 1900, S. 276 f., 287 f.). Bringt solche Stellen aus „Morgenröte", „Jenseits", „Menschliches" und der „Genealogie". Zur ersten Blütenlese schrieb die Redaktion: „Anläßlich des Todes des berühmten Philosophen führen wir hier einige seiner Aphorismen an, deren originelle Art unseren Lesern eine Probe von der Eigenheit seines Stils und Denken giebt." 1051 s., Die Franzosen auf Nietzsche's Tod. (FZg v. 30. 8. 1900). Versucht, den Widerhall „der französischen Tagesblätter" auf den Tod Nietzsches einzufangen, und findet dem Gegenstand Würdiges nur im „Journal des Débats", dessen Nachruf „klein und fein, verständnisvoll, wie es nur irgendwo in Deutschland geschrieben werden konnte", sei. Verfasser vermerkt aber auch Nietzscheschen Einfluß auf die „Jungen im .Revue blanche' und .Mercure de France'", auf das „mouvement des intellectuels", auf „die mattliberale hypnotisirte Revanchepolitik" und den „süß-sittlichen Jules-Simonismus der Schulphilosophen". 1052 Goldbaum, Wilhelm,900 Friedrich Nietzsche. (PL v. 30. 8. 1900). Ein Nachruf, in dem recht aburteilend verfahren wird: „[...] es ist ja vielleicht nicht einmal mehr gewagt Nietzsche aus der Reihe des systematischen Philosophen überhaupt auszuschließen." Er habe aber dennoch „das Denken in den Bereich der Kunst erhoben [...] Er war ein großer Künstler und deshalb mag es ihm vergeben sein, daß er kein großer Philosoph war." Soviel sei gewiß, „daß die Philosophie in demselben Augenblicke aufhört, Philosophie zu sein, in welchem sie sich darauf beschränkt, einer flüchtigen Zeitepoche mundgerechte Losungen zu formulieren. Das hat Nietzsche gethan und eben deshalb war er kein Philosoph." 1053 Anekdotisches von Fr. Nietzsche. (BT 29. Jg., Nr. 441, Morgenausg. v. 31. 8. 1900). Bringt fünf Anekdoten nach der Lebensbeschreibung der Schwester. 1054 anonym, Der Tod Friedrich Nietzsche's. (MAZg 103. Jg., Nr. 239, Abendbl. v. 31. 8. 1900, S. 1). Bemerkenswert an diesen Worten ist, daß sie einige wenige Einblicke in die letzten Leidensjahre gewähren. 1055 Achelis, Prof. (Bremen), Friedrich Nietzsche. (FZg Nr. 240, 1. Morgenbl. v. 31. 8. 1900). In einem längeren Nachruf bezeugt der Verfasser Nietzsche wiederholt den „glänzenden Stilisten", doch lasse sich „mit brutalen Machtmitteln und leidenschaftlichen Phrasen [...] kein wissenschaftliches Problem lösen, am allerwenigsten das der sozialen Entwicklung". 1056 K-y, Friedrich Nietzsche und die Umwerthung aller Werthe. (DZg MorgenAusg. Nr. 10297 v. 31. 8. 1900, S. 1 f.). Ein äußerst ungehaltener, judenfeindlicher Worterguß gegen Nietzsche als „Judenanbeter": „Er war ein Opfer jenes Wahnes, den Juda unter uns in tausendfacher Gestalt zu reizen und zu nähren trachtet [...]"

900 GOLDBAUM, WILHELM (Kempen / Posen 3. 1. 1843 - Wien 28. 8. 1912), Journalist.

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1900 Nachrufe vom 31. August

1057 Madjera, Wolfgang,901 Friedrich Nietzsche, (f 25. Aug. 1900.) In memoriam. (Ebd. S. 2). Ein Gedicht auf Nietzsche „den Schwärmer". 1058 anonym, Unpolitische Zeitläufe. (SchlVZg 32. Jg., Nr. 398 v. 31. 8. 1900). Eine recht eigenartiger Nachruf auf den „Himmelstürmer in des Wortes verwegenster Bedeutung", in dem aber „von Anfang an ein krankhafter Zug" gesteckt habe. Doch sei seine Wirkung, da sein „Irrstern [...] vor dreißig Jahren" aufgegangen sei und „gerade zur Kulturkampfzeit am grellsten" gestrahlt habe, auch dem Ernst „in religiös-sittlichen Dingen" zugutegekommen: „Die Vorsehung hat einmal einen richtigen, ungeschminkten Antichristen eine Zeitlang sich austoben und dann in seiner ganzen menschlichen Armseligkeit elend zusammensinken lassen." 1058a Auch in TrLZg 26. Jg., Nr. 402 v. 1. 9. 1900, 2. Morgenbl. Unverändert. 1058b Auch in NeißZg 2. 9. 1900. Unverändert. Im Anschluß an den Nachdruck brachte die Zeitung dann „Das Ende eines Wunderknaben" nach dessen Veröffentlichung in der Hildesheimer Zeitung („Die Grundlagen dessen, was Nietzsche seine .Philosophie' nannte, sind ein wilder, brutaler Eigennutz [...]" Die überaus scharfe Verurteilung des „sogenannten Philosophen" klingt aber recht zuversichtlich aus: „Nietzsche's Einfluß ist unsagbar unheilvoll gewesen; aber er ist schwerlich von längerer Dauer, und in Wahrheit können die Schriften eines Wahnsinnigen nicht ewig die wahren Grundlagen des Christenthums unterhöhlen." S. a. die Nr. 1042 u. S. xlviii) Anschließend werden ähnliche Stellungnahmen aus der NZg, KVZg, FZg und KZg auszugsweise nachgedruckt. 1059 Grunwald, Dr. Max, Hamburg,902 Friedrich Nietzsche. (ÖWs 17. Jg., Nr. 35 v. 31. 8. 1900, S. 629 ff.). Eine kaum noch zu überbietende Auszeichnung Nietzsches von jüdischer Warte aus: „Mehr als Alle haben wir Juden an ihm verloren! [...] Die Baukunst der Rede haben ihn die Seher unserer Vorzeit gelehrt." Und in einem Sinne sei er sogar noch „jüdischer als sie", nämlich als die „alten Sendlinge[n] Gottes": Er habe das Schicksal des Volkes über das Heil der Religion gestellt. Nach längeren zum Vorhaben des Verfassers sprechenden Stellen aus der „Genealogie", „Jenseits" und „Menschliches" sieht dieser Nietzsche in einer Reihe mit Spinoza und Lessing als „großen Vorkämpfer des Fortschritts". 1060 Als Übersetzung aus der Kopenhagener „Politiken" ein Nachruf vom „Literaturhistoriker Georg Brandes". (BBC v. 31. 8. 1900). Umreißt in knappen Zügen das Ansteigen von Nietzsches Ruhm im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, in dem „der Welt niemand so imponiert, sie niemand so beschäftigt hat, wie dieser norddeutsche Pastorensohn".

901 MADJERA, WOLFGANG (Wien 29. 6. 1868 - ebd. 17. 12. 1926), Bühnenschriftsteller, promovierte 1891 zum Dr. jur. und trat in die Dienste des Wiener Magistrats, 1919 in den Ruhestand. 902 GRUNWALD, MAX, geb. am 10. 10. 1871 zu Hindenburg / Preußisch-Schlesien, seit 1895 Rabbiner der neuen Dammtor-Synagoge Hamburg und seit 1903 in Wien.

1900 Nachrufe vom 31. August und 1. September

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1060a Auch in: NFPr Morgenbl. Nr. 12952 v. 14. 9. 1900, 2 S.). In der Wortwahl durchaus anders, aber im Inhalt wesentlich das Gleiche. 1060b Auch in: G. B., Gestalten und Gedanken. Essays. Langen. Mchn. 1903, S. 337-340. In der Ausdrucksweise wiederum etwas anders.903 C B anonym, Ein autobiographischer Brief Fr. Nietzsches. (BrN Nr. 239 v. 31. 8. 1900, 3.B1., S. 2). Veröffentlicht, angeblich nach einer Vorlage in der BBC, die „Vita" Nietzsches aus dem Brief an Brandes vom 10. 4. 1888, mit einigen Abweichungen bzw. Kürzungen, und dazu vollständig und wortgetreu den Zettel an denselben mit dem Poststempel vom 4. 1. 1889. (s. Nr. 1040) 1061 anonym, (HessBl Nr. 2683 v. 1. 9. 1900). In einer Art Nachruf meint Verfasser, die Philosophie sei „in dem wahnsinnigen" Nietzsche „selbst wahnsinnig" geworden. Ernsthaft zu nehmen sei seine Philosophie „nie" gewesen, „um so ernsthafter dagegen die Rückwirkung derselben auf ihre Zeit, aus deren brutalen Macht- und Genußgelüsten sie selbst erwachsen war". Er sei der „.Philosoph' des Bismarck'schen Zeitalters". Zum Schluß entnimmt Verfasser ähnliche Ansichten einem in Osterreich erscheinenden polnischen Blatt, in dem festgestellt wurde: „Es bedurfte neben dem Fürsten Bismarck noch eines geistigen unmittelbaren Einflusses auf die Geister, des Einflusses der Herrenmoral, um in Deutschland die hakatistische Bewegung zu fördern und die Bewunderung des kräftigen .Ubermenschen' Attila zu erzeugen." 1062 Gallwitz, Hans, Friedrich Nietzsche. (TRs Nr. 204 f. v. 1. u. 2. 9. 1900). Eine der Lebensbeschreibung der Schwester (Nr. 547) verpflichtete und diese weitgehend nacherzählende Würdigung des Denkers, von betont christlicher Warte aus: „Er ist durch eigene Schuld, durch unkritische Voreingenommenheit, nicht das geworden, wozu er die Anlage hatte: zum Erneuerer der christlichen Weltanschauung unseres Volkes. Aber dennoch hat er Großes gewirkt. Er ist ein verzehrendes Feuer für alles Dekadente, Haltlose, Sieche [...]"

Otto von Leixner, dem die Unterhaltungsbeilage der „Täglichen Rundschau" unterstand, sind wohl folgende Worte, die der Würdigung von Gallwitz beigegeben wurden, zuzuschreiben: „Der Tod Nietzsches hat in verschiedenen Blättern Gedenkartikel und Stimmungsbilder hervorgerufen, deren gespannter und schwülstiger Stil über das eigentliche Wesen des Dahingeschiedenen gar nichts, über die Urteilslosigkeit und Einbildung der betreffenden Nachruf-Lyriker betrübend viel zu verraten wußte. Es ist nie Aufgabe und Ehrgeiz der Täglichen Rundschau gewesen, gerade einem Dahingeschiedenen gegenüber die heute übliche journalistische Fixigkeit zu beweisen und ihm

903 Im selben Band findet sich auf S. 506-510 die Schilderung eines zufälligen Besuches von Hermann Türck bei Brandes am Tage dessen Abreise von einem deutschen Hotel. Brandes gesteht, von dem Besucher bis dahin nur zwei kleinere Arbeiten zu kennen, das damals in fünfter Auflage stehende Buch „Der geniale Mensch" (Nr. 614) dabei überhaupt nicht. Nietzsches Name bleibt auch unerwähnt.

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1900 Irma von Troll-Borostyáni: „Die Zukunft wird nicht seine Spuren wandeln."

über das noch offene Grab eine schnellfertige Meinung nachzurufen. Wertvoller erscheint es uns, einen Mann von Bedeutung von Leuten würdigen zu lassen, deren schriftstellerische und berufliche Tätigkeit ein sachliches und fachliches Urteil verbürgt." 904 1063 Troll-Borostyáni, Irma v., Nietzsche und die Frauen. Plauderei. (Woche 2. Jg., N r . 36, Bd. 3, Sept. 1900, S. 1592 f.). Von oben herab blickt die Verfasserin auf den sich „gerade in der Beurteilung der Frau und ihrer Bestimmung [...] so sehr als einen Rückwärtsstrebenden zeigenden". Was bei ihm „so unwiderstehlich" gefangen nehme, das sei der „dichterische BilderReichtum der von feinstem Stilgefühl beherrschten Sprache, [...] aber ein Philosoph, dessen Lehren zur Grundlage einer sittlichen Weltordnung gemacht werden könnten", sei er nicht: „Die Zukunft wird nicht seine Spuren wandeln." 1064 Herbipol, Nietzsche. (Wh 6. Jg., H. 9, 1900, S. 330 f.). Eine sehr bittere Ablehnung Nietzsches als „Favoritenphilosophen [...] unserer jämmerlichen Freigeister und .Gebildeten'", der der Herausgeber der Zeitschrift die Anmerkung beifügen zu müssen glaubte: „Der Artikel ist vor dem Tode Nietzsche's geschrieben." 1065 R., J„ Ein Schlußwort über Nietzsche. (LZg Nr. 203 v. 1. 9. 1900, 1. Beil.). Eine sogutwie gänzliche, längere Ablehnung der Erscheinung Nietzsche als „im Keime" schon krankhaft: „Ungesund ist nicht nur die Lehre an sich, die auf eine Verherrlichung der Bestialität im Menschen hinausläuft, sondern auch das Hin- und Herschwanken in den Ansichten [...]" 1066 Lichtenberger, Henri (Nancy), Nietzsche in Frankreich. (Zeit 24. Jg., Nr. 309 v. 1. 9. 1900, S. 135-138). Eine äußerst wohlwollende und anerkennende Besprechung des Werkes „De Kant à Nietzsche" von Jules de Gaultier. „Der Ausgangspunkt Gaultiers ist Nietzsches wohlbekannte These, daß die Illusion erfahrungsgemäß eine der wesentlichen Bedingungen des menschlichen Lebens sei [...]" Der Mut, „unmittelbar bis zur nihilistischen Hypothese fortzudenken", den Nietzsche „als Erster" gehabt habe, habe „dem alten Kant noch gefehlt, und durch seinen Mangel wurde die geistige Befreiung des modernen Zeitalters um ein Jahrhundert aufgehalten". Doch lehnt Lichtenberger Gaultiers Betonung des Rassischen ab: „Wenn Gaultier sich vor allem beflissen zeigt, die Völkertypen, wie sie augenblicklich existieren, in ihrer Reinheit zu erhalten, so scheint mir Nietzsche vielmehr zu wünschen, daß sich über diese specifisch nationalen Typen ein neuer und höherer Typus erhebe, der des guten Europäers." 1067 Steiger, Edgar, Friedrich Nietzsche f . (Simpl 5. Jg., Nr. 25, 1900, S. 198). Ein 27zeiliges Gedicht auf den Tod des Philosophen, das auf die Zuversicht ausklingt: „Der Tod giebt seine Kinder wieder her - / Auch du, Gewaltiger, wirst wiederkommen."

904 Nach Werner Henske, Das Feuilleton der „Täglichen Rundschau" (betrachtet im Zeitabschnitt 1881-1905). Vlg. Carl Nieft. Bleichrode a. H. 1940 (= Diss. d. Univ. Berlin), S. 138.

1900 Eduard Bertz: Der Zarathustra „ein darwinistisches Lehrgedicht der Ethik"

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1068 anonym, Stimmen über Friedrich Nietzsche. (HN Abend-Ausg. Nr. 205 v. 1. 9. 1900). Bringt eine Zusammenstellung von sieben unterschiedlichen Stellungnahmen zur Bedeutung des Nietzscheschen Werkes anläßlich des Todes. Als besonders heftige Infragestellung greift die Zeitung auf die Arbeit von Max Seiling (Nr. 867) zurück. 1069 (Kraus, Karl), (Fa 2. Jahr, N r . 52, Anfang Sept. 1900, S. 14 f.). Verfasser macht sich lustig über den Bericht von Bulcke (Nr. 1009) und die Meinungsverschiedenheiten über Nietzsche in den Würdigungen in der „Neuen Freien Presse". 1070 Bauch, Bruno, 905 Zu Friedrich Nietzsches Tode. (ADUZg 14. Jg., Nr. 19, 1900, S. 182 ff.). Eine im allgemeinen wohlwollende Würdigung Nietzsches. Das Große an ihm findet der Verfasser darin, daß „man thatsächlich bei Nietzsche nicht einen Augenblick stehen bleiben kann und unabweislich weitergetrieben wird zur Autonomie, zur Selbstherrlichkeit der Persönlichkeit und ihrer Freiheit, allerdings nur insofern sie eins ist mit der allgemeinen sittlichen Norm, dem allgemeingiltigen Moralgesetz selbst". 1071 Bertz, Eduard, 906 Friedrich Nietzsche in memoriam. (HN Belletristische Literatur. Beil. Nr. 35 v. 2. 9. 1900). Verfasser meint, „man darf den .Zarathustra'", der „wie kein anderes Buch der neuen Zeit befruchtend auf den Geist der modernen Jugend gewirkt hat, als ein darwinistisches Lehrgedicht der Ethik betrachten", wie auch sonst Nietzsches Philosophie als ein „Seitenschoß des Darwinismus" zu werten sei. 1071a Auch in: RhWZg Nr. 685, 1900. Unverändert. 1071b Auch in: PZg Nr. 612 v. 1. 9. 1900. Durch drei größere Einschnitte um ungefähr ein Drittel gekürzt, sonst unverändert. 1072 Reiner, Dr. Jul.,907 Hier und dort. (BBC Nr. 410 v. 2. 9. 1900). „Trotz des Verkehres mit höchst gebildeten Frauen" sei Nietzsche zum „Frauenverächter" geworden, und angesichts dieses Umstandes sei es merkwürdig, „daß das weibliche Geschlecht [...] zu seinen größten Verehrerinnen gehört." 1072a Auch in: BudTbl Nr. 241 v. 4. 9. 1900. Bis auf das Fehlen der letzten drei Sätze unverändert. 1073 Berger, Prof. Dr. Alfred Freiherr v., Friedrich Nietzsche. (Gestorben am 25. August 1900.). (Wage 3. Jg., H. 36 v. 2. 9. 1900, S. 149 ff.). Nietzsche ist dem Verfasser „ein innerlich verunglückter, der Natur mißlungener Künstler", und es sei „sein Widerspruchsgeist" gewesen, „der Hang, sich allem, was ihm zu imponieren droht, schleunigst durch die Art, wie er auffaßt und deutet, überlegen zu fühlen, der die Entwicklung seines Denkens bestimmt und seiner

905 BAUCH, BRUNO (Groß-Nossen / Schlesien 19. 1. 1877 - Jena 27. 2. 1942), damals noch Student in Freiburg, seit 1903 Privatdozent in Halle, 1911 als o. Professor nach Jena. 906 BERTZ, EDUARD, geb. am 8. 3. 1853 zu Potsdam, bereiste als Lehrer und Schriftsteller England und die USA, seit 1894 wieder in Deutschland. 907 REINER, JULIUS ( 1 8 7 0 - F e b r . 1 9 2 6 ) , J o u r n a l i s t .

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1900 Otto Benndorf gibt seine Eindrücke vom Primaner wieder

Philosophie Stoff und Gehalt" gegeben habe. Doch ist selbst diesem Kritiker der Ubermensch wenigstens in einer Hinsicht recht, nämlich als Demonstration „in's Gesicht der übertriebenen Humanität unserer Tage". 1073a Auch in Nr. 150a, Bd. II, S. 1124-1131. 1074 anonym, Friedrich Nietzsche f. (DH Nr. 35 v. 2. 9.(?) 1900, S. 14). Ein durchaus wohlwollender Nachruf auf den „Dichter im Philosophengewande", der „zu den gelesensten und öftest genannten Autoren der Gegenwart" gehöre. Er habe „in religiöser wie nationaler Beziehung" gezeigt, „daß auch er nur Übergangserscheinung ist", doch eine solche, die „tausende geweckt und belebt und sie gelehrt" habe, „dem eigenen Willen kühn zu folgen". 1075 anonym, Der Primaner Nietzsche. (Eine Unterredung mit Hofrath Benndorf.).908 (NWT Nr. 241 v. 2. 9. 1900, S. 5). Otto Benndorf, der 1862-1864 an der Fürstenschule Pforta gewesen und bei der Niederschrift dieser Erinnerungen Vorstand des Wiener archäologischen Instituts war, gibt hier seine Eindrücke vom Primaner Nietzsche wieder. 1075a Auch in: BT 29. Jg., Nr. 447 v. 3. 9. 1900, Abend-Ausg. Unverändert. 1076 Schwaner, Wilhelm, Friedrich Nietzsche f . (DVE 4. Jg., Nr. 35 v. 2. 9. 1900, S. 273). Ein überaus anerkennungsvoller Nachruf aus christlichem Lager: „Da ist eine Religion, eine Kunst, eine Sprache, die zur Zeit allerdings erst von wenigen verstanden und richtig gewürdigt wird [...]" 1077 Oppeln-Bronikowski, Friedrich v. (Svaneke auf Boraholm, 1. Sept. 1900), Friedrich Nietzsche. (1844-1900), (HK Nr. 22744, 1900). Beim Hingang Nietzsches trauere man „um den internationalen Vertreter einer Minorität des Geistes und der Vornehmheit, der in einem Jahrhundert der Massen den ungleichen Kampf gegen die Viel-zu-Vielen, gegen die dreisten Ansprüche unberechtigter Gleichmacherei und die Unselbständigkeit, Verlogenheit und moralische Verweichlichung des modernen Heerdenmenschen tapfer aufgenommen hat". „Und doch trägt diese vermeintliche neue Religion nicht den Stempel des Organischen und Spontanen, [...] hat sie nichts von der inneren organischen N o t w e n d i g keit eines auf dem Boden einer Rasse wurzelnden Glaubens und folglich keine Zukunft." 1078 Seliger, Paul (Leipzig-Gautzsch), (MAZg Beil. Nr. 40, 1900, S. 7 f.). Eine knappe empfehlende Anzeige des Grimmschen Werkes (Nr. 828), der „trotz seines im ganzen ablehnenden Standpunktes doch genug Unbefangenheit und kritische Besonnenheit" beweise, „um aus den vielen Widersprüchen, in die sich Nietzsche überall selbst verwickelt, doch auch das Geniale und Bedeutende herauszufinden". 1079 Dr., M., (WMh Sept. 1900, S. 839). Eine Anzeige der „Vorträge" Horneffers (Nr. 931), die „dem gebildeten Leser [...] bestens empfohlen" werden. 1080 Richter, Raoul (Leipzig), (VWPS 1900, S. 272-276).

908 BENNDORF, OTTO (Greiz i. Voigtland 13. 9. 1838 - Wien 21. 1. 1907), Archäologe, 1869 Professor in Zürich, später in München, Prag und seit 1877 in Wien tätig.

1900 Leo Berg: Der bewußte Bahnbrecher „des europäischen Geistes"

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Eine längere Besprechung des Werkes von Lichtenberger (Nr. 831), die sich zur guten Hälfte mit einer Darstellung der Einleitung der Schwester befaßt. An dem Teil Lichtenbergers wird der „Ton" hervorgehoben: „Das zarte Erfassen auch der intimen Züge der Denkerpersönlichkeit [...]" Doch werden „Mehrforderungen [...] nicht ganz erfüllt. An großen, leitenden Gesichtspunkten fehlt es; Exegese und Kritik halten sich in allzu bescheidenen Grenzen." - „Das wissenschaftliche Meisterwerk über das gleiche Thema bleibt immer noch Aufgabe der Zukunft." 1081 Flügel, O., (ZPhP 7. Jg., 1900, S. 63 ff.). Eine anerkennende Besprechung der Leistung Grimms (Nr. 828), der nur „sehr nachsichtig und wohl zu günstig" urteile. Was von Nietzsche bleiben werde, sei „eine Fülle geistvoller Gedanken, glücklicher Beobachtungen, mustergiltiger Sprüche" und die „ethische Grundabsicht, die ihn beherrscht". Denn er sei „Dilettant", habe sich „von der Naturwissenschaft, von der er nichts verstand, imponieren lassen" und gehöre „recht eigentlich zu den Denkern und Träumern einer verflossenen Zeit". 1082 H., R., Friedrich Nietzsche f . (MskDtZg v. 3. 9. 1900). Ein begeisterter Nachruf, der die Feststellung enthält: „Heute kann man nur konstatiren, daß seine Gedanken trotz des Anathemas der Betroffenen, trotz der von allen Seiten heranrückenden Widerlegungen einen Siegszug durch die Welt angetreten haben, daß sie ins Leben eindrangen und überall in der heutigen Wissenschaft, Kunst und Litteratur widergespiegelt werden." Einem Vermerk zufolge erschien der Nachruf zuerst in der BNN. 1083 Berg, Leo, Friedrich Nietzsche und unsere Zeit. (WaM 6. Jg., Nr. 36 v. 3. 9. 1900, Beil.). Eine einzige Lobpreisung des bewußten Bahnbrechers „des europäischen Geistes", des Verächters „aller kleinlichen Vaterländerei". „Niemand hat feiner Begriffe und psychische Vorgänge analysirt, niemand besaß einen größeren Mut zu solchem Werke, ging vorurteilsloser daran. Niemand hat gleich ihm die Jugend moralisch entlastet f...]" Die Ähnlichkeit mit Heine und Schopenhauer wird auch mehrmals angesprochen. 1084 Pflaum, Chr. D. (Steinhude),909 (VWPS 1900, S. 361). Eine Anzeige von Horneffers Schrift (Nr. 923), dessen „Beiträge genügen [...], sowohl den frappierenden Scharfsinn Nietzsches besonders auf praktisch-psychologischem Gebiete leuchten, als die Leichtigkeit erkennen zu lassen, mit der er sich zu Verirrungen bei der Verfolgung seiner Gedanken hinreißen läßt". 1085 Achelis, Th., Friedrich Nietzsche f. (NZg Nr. 508 v. 5. 9. 1900). In dieser Würdigung, die eine weitgehend umgearbeitete Fassung der Nr. 1055 darstellt, holt der Verfasser weiter aus: Nietzsche sei ein „Messias [...] für die große und streitlustige, ihrem Herrn und Meister bis auf den Tod ergebene Gemeinde", die „aus all dem Druck und der Misère des Alltaglebens [...] mit einem plötzlichen Ruck" versetzt werden möchte. Doch sei er zu sehr Künstler, und gerade dadurch verringere sich „naturgemäß auch der etwaige Beitrag, den wir von unserem Den-

909 PFLAUM, CHRISTOPH DAVID, geb. am 14. 4. 1874 zu Tremessen, Schriftsteller, zuletzt in

Rom wohnhaft.

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1900 Achelis: Er sei einfach nicht im Stande gewesen, „objektiv zu denken"

ker für die kritische Weltanschauung zu erwarten haben. Das folgenschwere Problem, das ihn das Leben kostete, ruht bei Ethnologen, Soziologen und Philosophen in besseren Händen als bei ihm, der, das darf man ohne Übertreibung sagen, einfach nicht objektiv zu denken im Stande war." 1086 Bertz, Eduard (Potsdam), Noch einmal In memoriam. (GrhTbl 95. Jg., Nr. 205 v. 5. 9. 1900, Beil., S. 5 f.). Eine weitere Würdigung anläßlich des Todes; der gleichzeitig angekündigte Schluß des Aufsatzes konnte nicht ermittelt werden. 1087 Mauthner, Fritz, Nietzsches Krankheit. (BT 29. Jg., Nr. 453 v. 6. 9. 1900, Abend-Ausg., S. 1 f.). Verfasser will bei der Beurteilung von Nietzsches denkerischer Leistung dem Hineinspielen von Überlegungen, wann er geisteskrank geworden sei, entgegenwirken. Zweierlei Auslegungen zieht er heran: die von Ziegler (Nr. 883) und die von Lichtenberger (Nr. 831), um zu behaupten: „Seine Sätze müssen aus sich selbst beurtheilt werden; sind sie werthlos, so ist es ganz gleichgiltig, ob ihr Verkünder krank war oder nicht; sind sie werthvoll, so ist der Hinweis auf seine spätere Geisteskrankheit nur eine Bosheit, in den Augen vieler eine Beschimpfung, niemals jedoch ein Gegenbeweis." 1088 Theimer, Camilla, Nietzsche und die Frauen. (PL Nr. 213 v. 6. 9. 1900). Verteidigt Nietzsche als einen „Frauenkenner [...] wie Wenige. Die Frauen stellen sich nur selbst ein Armuthszeugniß aus, wenn sie deshalb behaupten, er sei ein Frauenhasser gewesen." 1089 anonym, Zeitstimmen über Friedrich Nietzsche. (DZgb Nr. 247 v. 6. 9.1900). Bringt Auszüge aus den Nachrufen Schwaners (Nr. 1076), Lands im „Neuen Jahrhundert" (Nr. 1095), einer schroffen und völligen Ablehnung „im christlich sozialen Wiener ,Deutschen Volksblatt'", Bertz' in den „Hamburger Nachrichten" (Nr. 1071), Reiners im „Börsencourier" (Nr. 1072) und des „Hannoverschen Kouriers" (Nr. 1077). Man müsse „dem seltsamen Philosophen" ein Verdienst lassen: „,anzuregen hat er verstanden." 1090 Simchowitz, Dr. S. (Köln), Der kranke Nietzsche. Eine persönliche Erinnerung. (FZg Nr. 247 v. 7. 9. 1900).910

910 SIMCHOWITZ, SASCHA (Königsberg / Ostpr. 20. 8. 1864 - Köln 20. 7. 1930), seit 1894 in Köln tätig, zuletzt als Dramaturg; BlNSWANGER, OTTO (Miinsterlingen / Schweiz 14. 10. 1852 - Kreuzlingen am Bodensee 14. 7. 1929), seit 1882 Professor in Jena und seit 1891 Leiter der dortigen Psychiatrischen Klinik. Da die Angaben, die Nietzsche anscheinend selbst sowohl in der Klinik in Basel als auch in der zu Jena gemacht hat, öfters zur Stützung der Annahme einer luetischen Ansteckung angeführt werden, ist es vielleicht nicht unwichtig, gerade Binswanger über den Wert der „Autoanamnese" zu hören: „Die Autoanamnese hat selbst bei den frischen Erkrankungen wenig Zuverlässigkeit zu beanspruchen. Wie mich vielfach eigene Erfahrungen gelehrt haben, werden auf der einen Seite von euphorischen Kranken selbst in denjenigen Fällen, wo von einem wesentlichen Gedächtnisdefect noch nicht die Rede sein kann, häufig die abenteuerlichsten Angaben gemacht, während in den hypochondrisch-melancholischen Phasen oft geringfügige und mit der syphilitischen Erkrankung augenscheinlich nicht zusammenhängende Affectionen bei den Selbstvorwürfen der Kranken eine große Rolle spielen können. Noch viel weniger sind die völlig unzureichenden und widerspruchsvollen Antworten der Kranken bei den voll entwickelten Formen mit

1900 Sascha Simchowitz erinnert sich an den Kranken in Jena

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Verfasser berichtet aus dem Wintersemester 1888 / 89, wie er als „älterer Medianer" bei einem Besuch in der „psychiatrischen Klinik des Professor Otto Binswanger" in Jena Nietzsche das erste Mal sah, als dieser im Hörsaal den anwesenden Ärzten und Studierenden vorgeführt wurde. Verfasser schildert Nietzsches Verhalten dabei und dessen Aussehen bei einer später auf der Krankenstation gemachten Visite. Darauf goht er dazu über, die Nietzsche feindliche Literatur abzufertigen (d. s. Nordau, Billroth, Heyse) und endet mit einer Ubersicht über das Eindringen von Nietzsches Philosophie „in die Lehrsäle der deutschen Universitäten" unter Erwähnung der Vorlesungen von Riehl, Runze, Kaftan, Dessoir, Simmel, Stein, Tönnies, Ziegler, Haberlandt und Vaihingen 1090a Auch in Nr. 270c, S. 650 f. Was die Schilderung des Kranken betrifft, unverändert. 1090b Wie zu 1090 m. d. Überschrift: Der sieche Dionysos. Eine persönliche Erinnerung an Nietzsche. (KZg Beil. z. Nr. 638 v. 29. 8. 1925). Die Schilderung des Kranken ist etwas ausführlicher, die Anprangerung der ärztlichen Zurschaustellung gemildert und das Zeitgeschichtliche um Gestalten wie Nordau und Riehl gekürzt, dafür ergeht sich Verfasser nun über die Diagnose der Krankheit etwas mehr und legt nahe, daß man anstelle der progressiven Paralyse eine Hirnlues annehmen solle. „Denn wie Nietzsche selbst in Jena ganz klar angab, hatte er sich während des Feldzuges 1870 / 71 [...] eine Lues zugezogen [...]" 1090c Auch in Nr. 270, S. 652-655. Unverändert. 1091 Veeck, O., Friedrich Nietzsche. (WeZg Mittags-Ausg. Nr. 19329 f. v. 7. u. 8. 9. 1900, S. 1 u. 1 f.). Eine Ablehnung der Erscheinung Nietzsche aus christlich-vaterländischer Sicht. Mit „einer Utopie, einem gigantischen Traum" ende seine Theorie. 1092 Nobel, Rabbiner Dr. Ν. A. in Königsberg i. Pr., 911 Friedrich Nietzsche's Stellung zum Judenthum. Ein Vortrag. Gehalten im Winter 1898 im „Verein für

einer tiefgreifenden Schädigung des Intellects geeignet, wissenschaftlich verwerthet zu werden, denn hier liegt die Gefahr des Hineinexaminirens von früher stattgehabten Krankheitsvorgängen sehr nahe." (Hirnsyphilis und Dementia paralytica. Klinische und statistische Untersuchungen. W . Mauke. Hamburg 1891, S. 121). Von einer Unterredung am 14. Juni 1938 mit dem Psychiater und Philosophen Theodor Ziehen, der im Jahre 1889 in Jena bereits zwei Jahre Privatdozent gewesen war und 1892 ebenda Professor der Psychiatrie wurde, schrieb Richard Oehler: „An seiner schon früher geäußerten Uberzeugung halte er nach wie vor fest, daß die Krankheit Nietzsches progressive Paralyse gewesen sei und daß diese auf syphlitische Infektion zurückzuführen wäre [...]". Zur Krankengeschichte überhaupt s. das unersetzliche und wohl kaum noch zu überbietende Werk der P. D. Volz: Nietzsche im Labyrinth seiner Krankheit. Eine medizinisch-biographische Untersuchung. (Königshausen & Neumann. Würzburg 1990); ZIEHEN, THEODOR (Frankfurt / Main 12. 11. 1862 - Wiesbaden 29. 12. 1950), Dr. med., als Oberarzt in Jena 1886-1896, und darauf nervenärztliche Privatpraxis, später in Utrecht und Halle. 911 NOBEL, NEHAMIAH ANTON (Nagymed / Ungarn 8. 11. 1871 - Frankfurt / Main 24. 1. 1922), promovierte 1897 zu Berlin mit einer Arbeit über Schopenhauer, Rabbiner in Köln, Königsberg, Leipzig, Hamburg und Frankfurt am Main, am welch letzterem Orte er auch Universitätsprofessor war, früh auch in der zionistischen Bewegung tätig.

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1900 Richard Wulckow: „Sein Ruhm als Denker [...] wird verwehen"

jüdische Geschichte und Litteratur" zu Coin.), 0 P 31. Jg., Nr. 36, 37 u. 39 v. 7., 14. u. 28. 9. 1900, S. 373 f., 389 f., 413 f.). Eine sehr maßvolle Ablehnung Nietzsches im Ganzen, bei Anerkennung im Einzelnen, vom Standpunkt betont „jüdischer Weltanschauung": „Da giebt es nur eine Moral, und die ist sehr demokratisch, pflegt keinen unmäßigen Cultus des Genies, gebietet nicht eine schwärmerische, mystische Liebe zu den Fernen [...]" 1093 Bartels, Adolf, Friedrich Nietzsches Grab zu Röcken. (ElbfZg N r . 246 v. 8. 9. 1900). Ein verhältnismäßig kurzes Gedicht, das wie folgt ausklingt: „Und während Menschenhast sein Werk verreibt, / Das Dorf, das Flachland und der Bauer bleibt." 1093a Auch in: A. B., Gesammelte Dichtungen. 1. Bd.: Lyrische Gedichte. G. D. W. Callwey. Mchn. 1904, S. 186. Unwesentlich verändert; nur das erste Wort „Er" ist durch „Ihn" ersetzt. 1093b Auch in: SdtZg v. 13. 3. 1914. Wie zu Nr. 1093a. 1094 Wulckow, Richard, Friedrich Nietzsche. (Geg Nr. 36 v. 8. 9. 1900, S. 150 ff.). Dem Verfasser ist es beim Tode Nietzsches darum zu tun, dessen „geistige Schöpfungen aus dem schweren Gange seines Lebens und der daraus entstandenen Erkrankung seines Geistes zu deuten". „Sein Ruhm als Denker und Philosoph wird verwehen, seine glanzvolle Darstellung, sein künstlerisches, begeistertes Empfinden wird stets in hohen Ehren bleiben." 1095 L(and), H(ans),912 Nietzsche, der Bekenner. (DNJb 2. Jg., 2. Bd., N r . 50 v. 8. 9. 1900, S. 755-760). Die eigene Einstellung der Nietzscheschen Philosophie gegenüber drückt der Verfasser folgendermaßen aus: „Die Weltanschauung Nietzsches, die folgegerecht das Mitleid und die Nächstenliebe als die krankhaften Äußerungen dekadenter Schwächlinge verwirft, kann uns nicht locken, die wir all unser Hoffen und Wünschen genau der entgegengesetzten Richtung zuwenden." Dennoch nennt er „diesen Himmelstürmer das Genie des Mutes", und gibt seine Hoffnung für die Zukunft in den Worten wieder: „Man kann dieser Verkündigung vom Rechte der Individualität von Herzen zustimmen, ohne von der milden Lehre des Altruismus sich abzuwenden, und es wird vielleicht die Morallehre einer kommenden Zeit diese beiden scheinbar so extremen Dinge miteinander in Einklang zu bringen verstehen." C C Zwei Briefe von Nietzsche. (Woche 2. Jg., N r . 36 v. 8. 9. 1900, S. 1557 f.). Erstdruck zweier Briefe an Paul Deussen aus dem Frühjahr 1883 und dem Spätsommer 1886, beide hier fälschlich als Frühjahr, bzw. Herbst 1887 datiert. Hierauf in die GB I (CL), S. 331-334 aufgenommen. 1096 anonym, Nietzsche f . (dWW 20. Jg., N r . 2 v. 8. 9. 1900, S. 45 f.). Nach einem Umriß des Lebens und einer Andeutung der Lehre wird das Urteil gefällt: „Der Verfasser von ,Also sprach Zarathustra' ist ein großer Künstler, aber kein Denker." 1097 Térey, Edith v., Friedrich Nietzsche und die Freundschaft. (PL N r . 215 v. 8. 9. 1900).

912 LAND, HANS, eigentlich Hugo Landsberger, geb. am 25. 8. 1861 zu Berlin, Schriftsteller, nach 1938 verschollen.

1900 M. P. E. Großmann: Ein „unphilosophischer Adolescent"

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Es scheint der Verfasserin allein darum zu gehen, darzutun, daß „der gewaltige Prediger der Herrenmoral [...] in Wirklichkeit der zarteste und liebenswürdigste Mensch" gewesen sei. 1098 Seidl, Arthur, Am Grabe Friedrich Nietzsche's. (NMPr 9. Jg., Nr. 35 / 36 v. 9. 9. 1900, S. 251 f.). Bringt Seidls Rede bei der Totenfeier, eine einspaltige Ubersicht über Nietzsches Leben und Schaffen und den Wiederabdruck der ersten Folgen von L. Jodeas Aufsatz über Nietzsche in dessen Verhältnis zu Wagner (Nr. 352a). 1098a Seidls Nachruf auch in: A. S., Kunst und Kultur. Aus der Zeit - für die Zeit - wider die Zeit! Produktive Kritik in Vorträgen, Essais, Studien. Schuster & Loeffler. Bln. u. Lpz. 1902, S. 370 ff. Mit einigen, nicht ganz unwesentlichen Änderungen. 1099 anonym, Diesseits und Jenseits von Gut und Böse. (LB11 Nr. 37, 1900, S. 3). Bringt drei Gedichte als Umrahmung zu einer ein Grabmal darstellenden Zeichnung (ein 20zeiliges „An Friedrich Nietzsche": „Es ist das Loos des Promethiden, / Der da vom Himmelfeuer stahl." unterzeichnet K. T. / / ein achtzeiliges „An geweihter Stätte" / / und ein 12zeiliges „Seine Erben": „Der Überjüngling setzt sich hin / Und schreibt sodann mit Windeseile / Zwei Dutzend Nietzsche-Feuilletons / à 15 Pfennige die Zeile." beide von m. unterzeichnet und merklich kühler). 1100 Großmann, Dr. päd. Maximilian P. E.,913 Ein Suchender. Ein Beitrag zum Gedächtnis Friedrich Nietzsche's. (NYStZg Sonntagsbl. v. 9. 9. 1900, S. 5 f.). Verfasser versucht eine umfassende Darstellung der Nietzscheschen Lehre darzubieten, die im wesentlichen verneinend ausfällt: Nietzsche sei „der Sklave seiner engbegrenzten Persönlichkeit" gewesen, ein „unphilosophischer Adolescent", dem es „an Tiefe der Anschauung gefehlt" habe, und „so verlor er sich in abstrusen Aufstellungen". Verfasser nimmt als einzige die Schrift des „Nietzsche-Jüngers" Rudolf Steiner (Nr. 405) bei seiner Darstellung wiederholt zu Hilfe und bejaht dessen „Ergänzung" der Lehre vom Ubermenschen: „Mit der Betonung moralischer Ziele wird aber die Nietzsche'sehe Weltanschauung nicht nur ergänzt, sondern wesentlich umgestaltet [...] Er hat durch seine .Einfügung' die schärfste Kritik der Nietzsche'schen Auffassungen gegeben [...]" 1101 Hirth, Georg,914 „Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag." (J Nr. 37 v. 10. 9. 1900, S. 625). Ein begeisterter Nachruf auf „einen großen Deutschen, den wir bewundern müssen auch da, wo wir ihn nicht verstehen": „Er hat uns eine Kraft und Leidenschaft höchster Geistesarbeit offenbart, auf welche die ganze Menschheit und namentlich wir Deutsche stolz sein müssen." 1101a Auch in: G. H., Kleinere Schriften. II. Bd.: Wege zur Freiheit. Vlg. d. Münchner „Jugend". 1903, S. 86 ff.

913 GROSZMANN, MAXIMILIAN PAUL EUGEN, geb. a m 20. 6. 1855 z u Brieg, D i r e k t o r e i n e r

Schule für „psychopathische Minderwertigkeiten" in Nordamerika. 914 HIRTH, GEORG (Gräfentonna b. Gotha 13. 7. 1841 - Tegernsee 28. 3. 1916), Verleger, Herausgeber der Münchner Jugend" seit deren Entstehen im Jahre 1896, Mitherausgeber der MNN.

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1900 Ed. v. Hartmann: Der literarische „Hauptvertreter der décadence fin de siècle"

1102 Vielhaber, Walther, Friedrich Nietzsche. (DWBl 13. Jg., N r . 24 v. 10. 9. 1900, S. 743-752). Verfasser schreibt diesen Nachruf in der Uberzeugung, „daß wo in aller Welt von berufenen Geistern über die höchsten Angelegenheiten der Menschheit [...] verhandelt werden wird, der Name Friedrich Nietzsche unter den besten aller Zeiten immer und immer wieder genannt werden muß". Dennoch unterläßt er es nicht, einiges zu bemängeln, und beleuchtet dabei besonders Nietzsches Stellung zu Goethe. 1103 Hartmann, Eduard von, Geschichte der Metaphysik. 2. Tl.: Seit Kant. Herrn. Haacke. Lpz. 1900. xiii S., 1 Bl., 608 S. (= Ε. v. Hs. Ausgewählte Werke. Bd. XII). Über Nietzsche eingehend S. 579-589. Als vierte und letzte Abteilung (nach: Kant und seine Schule, Der Pantheismus, Der Theismus) erscheint: Der Atheismus. Hierunter kommt als dritte und letzte Unterabteilung (nach: Der sinnliche Materialismus, Der Agnostizismus): Der ästhetische Individualismus und Pluralismus, und wiederum als deren letzter, vierter Abschnitt: Der selbstherrliche Individualismus oder die Apotheose des Egoismus. Hierin verfolgt er „diese Wendung" von der „vorübergehenden Verirrung der Romantik" eines Friedrich Schlegel über Max Stirner bis zu Nietzsche, „zum litterarischen Hauptvertreter der décadence fin de siècle". 1104 Louis, Dr. Robert, Friedrich Nietzsche in seinem Verhältnis zu Richard Wagner. (DGk Bd. 1, 1900, S. 3 ff., 20 f., 31 ff., 43-46, 56 ff.). „So lange er öffentlich Wagnerianer ist, hat er Not, den heimlichen Antiwagnerianer in sich niederzuhalten und zu bekämpfen, und nachdem er sich vor der Welt und seinem eigenen Bewußtsein von Wagner losgesagt hat, ist es der Krypto-Wagnerianer seiner innersten Seele, der gegen die in schwerem Kampf errungene neue Uberzeugung eine Opposition erhebt", und eben das „Hin- und Herwogen eines Kampfes, der zu keinem Frieden führt, in dem Antithesenspiele, das keine Synthese kennt", sei „geradezu typisch für das gesamte geistige Ringen und Streben des Philosophen [...]" - „Sem Wesen brachte es mit sich, daß der Wagnerianismus bei ihm ein Exzeß war, eine Maßlosigkeit, an der er leicht gänzlich hätte zu Grunde gehen können." Verfasser möchte ihm überhaupt „den Titel eines großen Philosophen vorenthalten", da er „von Anfang an vor allem Moralist, kein theoretischer, sondern ein praktischer Geist" gewesen sei. Dem Schluß der Arbeit fügte die Schriftleitung folgende Bemerkung bei: „Lebhaft bekundetes Interesse für den vorstehenden Nietzsche-Artikel bestärkt uns in der Absicht, auch ferner derartigen allgemeinen musikalischen Thematas in der .Deutsche Gesangkunst' entsprechenden Raum zu widmen." 1105 ck, Friedrich Nietzsches Tod. (IFrVZg v. 11.-17. 9. 1900, S. 2). Ein begeisterter Nachruf, in dem es über den „Zarathustra" heißt: „[...] unübertroffen in dem Zauber seines sprachlichen Reizes, an schlichter Erhabenheit, Fülle der Gesichte und Tiefe des Gedankens auf einer Stufe mit dem Besten [...], was altes Testament und indische Veden in sich bergen." 1106 D., Nietzsches That. Ein Epilog. (DZg Nr. 10310, Morgenausg. v. 14. 9. 1900, S. 1).

1900 „Einer der gewaltigsten Denker aller Zeiten ist dahingegangen"

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Nietzsche sei in die „Zeit der Herrschaft des semitischen, decadenten, kraftlosen Gleichheitsideales" getreten und habe „den Werthen dieser semitischen Niedergangscultur die Werthe einer arischen aufsteigenden Neucultur" entgegengestellt: „Der neu eingefügte Werthungsbegriff der Vornehmheit, hieraus entspringend ein verfeinertes Distanzgefühl - das sind durchweg unverlierbare Bereicherungen des Geisteslebens unserer Zeit." Die Zeitung glaubte angesichts der Nr.1007 anmerken zu müssen, daß schon damals betont worden sei, jener Aufsatz sei nicht bestimmt, „die Bedeutung der Lehre Nietzsches zu erschöpfen". 1107 Bie, D r . Oscar, Nietzsche und die Musik. (AMZg 27. Jg., N r . 37 v. 14. 9. 1900, S. 535 f.). O b w o h l der Verfasser Nietzsche die Gestalt eines Geistesriesen zubilligt, ist er der Ansicht, daß dieser „von Haus aus der deutschen Musik so fremd gegenübergestanden" sei, „wie allem deutschen Wesen". Er sei schlechthin „der größte Franzose, der je gelebt hat". 1108 Oppeln-Bronikowski, Friedrich von (Svaneke, Insel Bornholm), Gedanken beim Tode Friedrich Nietzsches. (DNJk 2. Jg., N r . 50 v. 14. 9. 1900, S. 1217 ff.). Verfasser zählt sich zu denen, die Nietzsche „lieben", die er „denken gelehrt" habe: „[...] Im Sinne der individualistischen Selbstbesinnung und Vertiefung, der absoluten Ehrlichkeit gegen sich selbst, der Selbstachtung und aristokratischen - oder besser humanistischen - Selbstausbildung ist sein Geist seit 1888 [...] immer lebendiger geworden [...]" In sehr knappen und groben Zügen zeichnet der Verfasser darauf den Werdegang seines Ruhmes, indem er das Verdienst von Lichtenberger und Brandes besonders würdigt. 1109 Siegfried, Friedrich Nietzsche. (NLb 4. Jg., N F . N r . 36 v. 15. 9. 1900, S. 149 f.)· Eine längere Würdigung, z. Tl. da Verfasser der Meinung ist, „besonders in den Kreisen der Individualisten und Anarchisten brachte man ihm wahres Verständnis entgegen". Er schließt mit der Versicherung: „Einer der gewaltigsten Denker aller Zeiten ist dahingegangen [...] kommende Zeiten, wo die von Nietzsche geahnte Morgenröte hereinbricht, werden ihn zu schätzen wissen. Der Ubermensch hat nicht umsonst gelebt." 1110 Altanticus, Fr. W. Nietzsche und die Schwaben. (SchwSp 1. Jg., N r . 2 v. 15. 9. 1900) Verfasser meint, Nietzsche berühre sich „mit der traditionellen schwäbischen Kultur" in der „Hochstellung der klassischen Kultur und des beispiellos erziehenden Einflusses, welchen die Welt des klassischen Altertums f ü r alle späteren Generationen haben muß". Als „vollwertige Propheten der Antike" habe er „von den Schwaben nur Schiller und Hölderlin" gelten lassen, Strauß dagegen sei ihm der Typus einer „ruheseligen Selbstbespiegelung". Doch wird er den Schwaben bestens empfohlen, denn „den faustischen Drang, der die Besten unter ihnen beseelt hat", finden sie „in dem Philosophen der [so!] Zarathustra am lebensvollsten und ausgeprägtesten" wieder. C D Lieder v o m Sterben. Von Friedrich Nietzsche, f (Ges 16. Jg., Bd. 3, H . 6 = 2. Sept.-Heft 1900, S. 325 ff.). Bringt aus den „Gedichten und Sprüchen" (BI): Erster Abschied; Der Baum spricht; Z ü r n t mir nicht; Letzter Wille; Die Sonne sinkt.

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1900 Als Wegbereiter zu einer Zeit neuen Verständnisses für Hebbel

1111 A(venarius), Zu Friedrich Nietzsches Tod. (Kw 13. Jg., H. 24 = 2. Sept.-Heft 1900, S. 429 ff.). Verfasser bekennt sich als „Sozialaristokrat" und stellt die Frage auf: „Was wird von Nietzsche bleiben?" Seine Antwort lautet: „der Künstler" und „der Mensch". 1112 Lublinski, S(amuel), Hebbel und Nietzsche. (Ebd., S. 431-440). Verfasser entwickelt Hebbels tragischen Leitgedanken unter Hinweisen auf dessen Werke und Vergleichen mit Kleist und Goethe, um in Nietzsche eine Art Wegbereiter einer Zeit zu sehen, in der man Hebbel erst recht werde würdigen können. Seit Nietzsches „Geburt" könne sich „die Weltanschauung des ödesten Philisteriums nicht mehr mit hellenischem Flitter [d. h. „mit hellenischer Heiterkeit und Harmonie"] herausputzen". Hebbels „Humanitätsideal" verkörpere sich in „einer gewaltigen Kraft, die sich einem Urgesetz des Daseins unterworfen hat und dadurch, unter Schmerzen und Qualen ohne Gleichen, zu Rundung und eherner Harmonie gelangt ist". Auch Nietzsche habe „letzten Endes doch nur das Humanitätsideal fortgebildet und ins Heroische gesteigert". Mit der Nietzscheschen Unterscheidung von Herrenund Sklavenmoral aber werde sich Hebbel nur „unter großen Vorbehalten" haben einverstanden erklären können, denn auch zwischen „Einzelnem und Masse" habe er, „wie sonst überall, auf Harmonie, auf Gleichmaß und Gleichberechtigung gehalten". C E Aus Friedrich Nietzsches Werken. (Ebd., S. 451-465). Bringt längere Auszüge aus „Menschliches", der „fröhlichen Wissenschaft", „Zarathustra", „Jenseits" und der „Genealogie". Demselben Heft war auch als „Kunstbeilage" eine ganzseitige Tafel mit einer Abbildung des Standbildes von Arnold Kramer, das Nietzsche im Lehnstuhl sitzend darstellt, beigegeben. 1113 Berg, Leo (Bln.), Nietzsche-Schriften. (DLE 2. Jg., Nr. 24 v. 15. 9. 1900, Sp. 1702-1707). Anerkennende Besprechung der Werke von Horneffer (Nr. 923), der Schwester (Nr. 547) und Grimm (Nr. 828) sowie Ablehnung derer von Ziegler (Nr. 883), Naumann (Nr. 911, Tl. 1) und Henne am Rhyn (Nr. 807). 1114 Ebd., Sp. 1724 ff.). Bringt einen längeren Auszug aus Bulckes „Requiescat" (Nr. 1009) sowie Angaben über zehn weitere Würdigungen Nietzsches zu dessen Tode. In Spalte 1747 meldete die Zeitschrift kurz den Tod des „großen Geisterbeschwörer[s]". 1115 anonym, Nietzsches letzte Jahre. (BLAz 18. Jg., Unterhaltungs-Beil. Nr. 216 z. Nr. 432 v. 15. 9. 1900). Es handelt sich um den Bericht eines Weimaraners, der dem Nietzsche-Archiv in Weimar offenbar nahestand und öfters Gelegenheit hatte, den Kranken und die Schwester in den letzten drei Leidensjahren zu beobachten. Es werden viele kleine Züge aus dieser Zeit überliefert, die einigen Einblick in das tägliche Leben in der Umgebung des Kranken gewähren. 1115a Auch in: TRs Nr. 216 v. 15. 9. 1900. Um den einleitenden Absatz verkürzt, sonst unverändert. 1115b Auch in: KöHZg Nr. 216 v. 15. 9. 1900. 1115c Auch in: KZg Nr. 718, Abendausg. v. 13. 10. 1900. C F Weichelt, Hans, Nietzsche-Worte. (NSKB1 17. Jg., Nr. 37 u. 39 v. 16. u. 30. 9. 1900, Sp. 581-584, 613-618).

1900 Das „Gift principieller Unsittlichkeit in köstlich geschliffenen Schalen" dargeboten

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Um „den großen Toten", bei dem man „nicht bloß als ästhetischer Gourmand Befriedigung finden, sondern auch sein inneres Leben bereichern" könne, zu würdigen, bringt Weichelt hier 76 Stellen aus den Werken Nietzsches: aus „Menschliches" 30, der „Morgenröte" 10, der „Fröhlichen Wissenschaft" 10, „Zarathustra" 25 und aus den Dichtungen eine. Einleitend werden Arbeiten von Kaftan, Riehl und besonders das Buch der Lou Andreas-Salomé („Das ist wohl das Beste, was über Nietzsche geschrieben ist.") empfohlen. Dem Werk der Schwester wird ein „immerhin [...] nötig" zugestanden. 1116 Richert,915 Ein Wort am Grabe Nietzsches. (ABl 15. Jg., Nr. 12 v. 16. 9. 1900, S. 177 ff.). Verfasser schreibt als „Nicht-Jünger Nietzsches", dessen Lehre „so voll von Widersprüchen, von oberflächlichen Behauptungen, von Einfällen, von flimmernden und schillernden Begriffen" sei, die „ein Philosoph ernsthaft zu widerlegen nicht nötig hat". „Ernsthaft zu würdigen" sei er nur als „Vertreter des Individualismus, als Gegner des Liberalismus und Sozialismus" sowie als Dichter: „Niemals hat ein Deutscher vor ihm die Kunstform der Aphorismen so virtuos gehandhabt, niemand hat wie er das krystallklar destillierte Gift principieller Unsittlichkeit in so köstlich geschliffenen Schalen dargeboten." 1117 Steiner, Dr. Rudolf (Berlin), Friedrich Nietzsche's Persönlichkeit und die Psycho-Pathologie. (WKRs 14. Jg., Nr. 37 v. 16. 9. 1900, S. 738-741). Verfasser meint, „ein morbider Kern" in Nietzsches Persönlichkeit habe ihm „immer und immer wieder Veranlassung gegeben, auf die physiologische Grundlage seiner Vorstellungen zurückzugehen". In dieser Hinsicht erinnere manches an ähnliche Züge bei Heine und Leopardi, und diese Neigung trenne ihn von „allseitig gesunden und harmonischen Naturen wie z. B. Goethe". Hinzukomme die „stets bei Nietzsche latent vorhandene, zuweilen aber deutlich hervortretende Verdoppelung des Selbstbewußtseins": er kämpfe, „fast immer, wo er kämpft, gegen sich selbst". 1117a Hiervon gibt es auch einen 12seitigen Sonderabdruck 0oh. N. Vernay. Wien 1900), der unverändert sein soll. Angaben und Ablichtung des Titelblattes Dank Herrn David Hoffmann von der Rudolf-Steiner-Nachlaßverwaltung. 1117b Auch in Nr. 405a, S. 183-202. Unverändert. 1118 Zeiß, Dr. Karl,916 Hebbel und Nietzsche. Ein Kapitel vom Übermenschen. (MAZg Nr. 212 v. 17. 9. 1900, Beil., 4 S.). Beiden gemeinsam seien der Individualismus und ein gewisser „Konservatismus", doch urteile Hebbel historisch weit richtiger als Nietzsche. Auch sei er Künstler, der „künstlerisch schauen lassen und darstellen" wolle, während Nietzsche als „Propagandist predigt". „Einen Übermenschen, annährend im Sinne Nietzsches", habe er aber „nur in dem Holofernes seiner Judith' geschaffen", und trotz mancher Einschränkung sei es „sicher, daß Hebbel in der Zeit der Judith-Produktion das moderne Problem des Übermenschen deutlich erfaßt hat, und daß die Nietzsche'sehe

915 RICHERT, H A N S ( K ö s l i n 21. 12. 1869 - B e r l i n - L i c h t e r f e l d e 2 3 . 9. 1940), G y m n a s i a l l e h r e r ,

später Realschuldirektor in Pieschen. 916 ZEISZ, KARL (Meiningen 13. 9. 1871 - 13. 2. 1924), Herausgeber von Hebbels Werken.

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1900 Seine Weltanschaung mache „den Atheismus zur ethischen Forderung"

U m w e r t u n g von ,Gut und Böse' in .Groß und Klein' bereits von ihm vorgenommen worden ist". 1119 M u m m , Lic., Friedrich Nietzsche. (DEKZg 14. Jg., 1900, N r . 38 f., S. 319 ff., 330 f.). Umreißt kurz den Einfluß Nietzsches auf die unmittelbare Gegenwart, findet dabei aber, daß „selbst das Wort .Ubermensch' [...] schon unmodern" u n d durch „.Edelmensch ersetzt worden" sei. Er lehnt die Versuche etwa eines Gallwitz (Nr.685), „Nietzsche christlich zu deuten", entschieden ab. „Dem Pessimismus des kranken Dichters" solle man die „gesunde Kraftnatur eines Bismarck", seiner „slavischen Haltlosigkeit die echt deutsche Kernnatur eines Luther" entgegenstellen. Doch vielleicht habe Gott „unserer Zeit den Seher der Gefahr schenken" wollen: „Wir sollten von der Alpenphilosophie lernen, daß Christus, der unbewegliche Fels, Größe und Mut so gut giebt wie Stille und Demut [...] Daß nicht die Christenheit untergehe in behaglichen Theeabenden und süßlichen Liedern!" Lesenswert sind zwei in einer Anmerkung wiedergegebenen Zeitungsberichte zu zwei Berliner „Nietzsche-Gedenkfeiern". Als Teilnehmer werden Rudolf Steiner, D r . Gustav Manz 917 und Conrad Ansorge erwähnt. 1120 Trost, Karl, Voltaire, Strauß und Friedrich Nietzsche. (NAZg 1900, N r . 200). Verfasser nimmt sich das Buch von Kalthoff (Nr. 1001) nur zum Anlaß, Nietzsche mit Voltaire und Strauß als „modernen Feinden des christlichen Glaubens" zu vergleichen. Voltaires Angriffe hätten sich „nur auf zeitliche Erscheinungsformen des christlichen Geistes" bezogen, „das Wesen des christlichen Gottesglaubens und der darauf gegründeten Weltanschauung aber [...] ganz unberührt" gelassen. Auch Strauß habe n u r bewiesen, „daß theologische Wahrheit und wissenschaftliche Wahrheit zwei verschiedene Dinge seien". Erst Nietzsches Weltanschauung mache „den Atheismus zur ethischen Forderung". Verfasser schließt mit den Worten: „Es ist klar, daß gegen diese Angriffe auf die Grundwahrheiten des Christenthums die bisherige Apologetik völlig machtlos ist. Was aber soll geschehen? Hier ist ein Problem, dessen Lösung ebenso unabweislich wie schwierig ist." 1121 Meysenbug, Malwida von, Der erste Nietzsche. (NFPr N r . 12956, 12957, 12959, 12960, 12966 v. 18., 19., 21., 22. u. 28. 9. 1900). Verfasserin erzählt unter Hinzufügung vieler Briefe Nietzsches an sie ausführlich von ihrer Bekanntschaft mit ihm aus den Jahren 1872 bis zum gemeinsamen Sorrentiner Aufenthalt im Winter 1877 / 78. 1121a Auch in: M. v. M „ Ges. Werke. 3. Bd., S. 35-49. Hier sind die Briefstellen wesentlich verkürzt, der verbindende Text dagegen ist entschieden erweitert. 1121b Auch in: NYStZg 52. Jg., Sonntagsbll. N r . 45 ff. v. 11., 18. u. 25. 11. 1900) Unverändert. 1122 Tantzscher, Georg, Friedrich Nietzsche und die Neuromantik. Eine Zeitstudie. J. G . Krüger. Jurjew (= Dorpat) 1900. 102 S., 1 Bl.

917 MANZ, GUSTAV (Karlsruhe 12. 12. 1868 - Berlin 12. 4. 1931), Journalist und Vortragskünst-

ler, 1894-1927 Schriftleiter der „Täglichen Rundschau" in Berlin.

1900 ... und die Neuromantik

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Nietzsche ist dem Verfasser „keine bloße Tagesgröße und vor allem keine Zufallserscheinung", sondern „der schärfste Ausdruck einer Zeitstimmung". Diese, gekennzeichnet durch Individualismus und Subjektivismus, sieht er nicht nur in Hauptmann und Sudermann u. Α., sondern auch im „politischen und socialen Leben". Die „nervöse Unruhe" und den „schnell sich einstellenden Überdruß, die der Neuromantik zusteuern", findet er überall in der zeitgenössischen Literatur, der er dann besonders in Skandinavien und Deutschland nachgeht. In Deutschland findet er „neuromantische Züge" vor allem bei Böcklin, Helene Böhlau, Lou Andreas-Salomé, Clara Viebig, Sudermann, Hauptmann, Schnitzler, Houston Stewart Chamberlain, Mombert, Hofmannsthal, Stefan George, Liebermann, Klinger, Stuck, Sascha Schneider, Bierbaum, Hugo Salus, Flaischlen, Peter Altenberg und Carl Hauptmann sowie in den Zeitschriften „Die Insel" und „Die Jugend". Obwohl seine Darstellung im allgemeinen abwertend ausfällt, läßt der Verfasser „die ersten Meister der Moderne" unter den Deutschen: „Nietzsche und Hauptmann", durchaus gelten. 1123 Funcke, Friedrich Nietzsche und Jesus von Nazareth - zwei Aristokraten. ( D N N 1. Beil. z. Nr. 255 v. 20. 9. 1900). Eine beide Gestalten als durchaus gleichwertig betrachtende Gegenüberstellung, in der bedauert wird, daß es Nietzsche nicht gegeben worden sei, „doch noch den Weg zum Heilande der Welt" zu finden. Zum „Zarathustra" heißt es: „Es hat eine Revolution der Geister in der ganzen gebildeten Welt entfacht, wie kaum je zuvor ein philosophisches Werk." 1124 Kretzschmar, Fr., Friedrich Nietzsches psychiatrische Ader. (Geg 29. Jg., H . 38 v. 22. 9. 1900, S. 182 ff.). Verfasser meint, „Nietzsche habe die Lebenserscheinungen der Gesamtheiten unter dem Gesichtspunkt des Wahnsinns und Irrsinns gerückt, um sie zu verstehen und zu erklären", und dadurch seien „die großen religiösen, moralischen und socialen Fragen der Gegenwart in ein neues Fahrwasser gekommen, nachdem sie eine Zeitlang im ökonomischen Fahrwasser gründlich festgefahren schienen". Er sei ein „Markstein am Wendepunkt großer Gegensätze", da er „in die zeitbewegenden Probleme die Methode der Psychiater hineingetragen" habe. 1125 Rehm, Ernst, Ode auf den Tod Friedrich Nietzsche's. Verein f. Kunst u. Wissenschaft „Die Lachenden". Lpz. 1900. 2 unnumm. Bll. (= 1. Veröffentlichung d. Vereins). Ein 36zeiliges Gedicht „Am Todestage Friedrich Nietzsche's", das auf folgende zwei Zeilen endet: „Du lebst, du lebst, dein Licht strahlt ewig / Uns, die allhier auf Erden kämpfen." 1126 V(ischer), E(berhard), f Friedrich Nietzsche. (KB1RS 15. Jg., Nr. 38 v. 22. 9. 1900, S. 155 f.). Ein sehr sachlich gehaltener kurzer Nachruf. 1127 Bertz, Ed(uard, Potsdam), Nietzsche's Kampf gegen die Entartung der Rassen. (ZTJ 9. Jg., Nr. 13 ff. v. 22. 9., 6. u. 20. 10. 1900, S. 193-196, 209-213, 228-232). Die Ursachen „unserer Entartung" liegen in der „Mitleidsmoral der modernen Kulturwelt", die aber schon „auf einem ererbten Instinkt" beruhe und „jetzt unser eigentliches Wesen ausmacht", und im Konkurrenzkampf, „der die besten Kräfte frühzeitig aufreibt". Nietzsche, obwohl „der erste große Ethiker des Darwinismus,

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1900 Maximilan Stein: Er verkünde wie kein anderer „eine Renaissance des Judentums"

den Deutschland hervorgebracht hat", genießt der Verfasser mit Vorsicht und verliert ihn auf lange Strecken hin überhaupt aus den Augen: Nietzsches „überstarker, poetischer Trieb" habe ihn „freilich am Ende auch zu philosophischer Entgleisung" geführt, Spencer sei „zweifellos ein weit zuverlässigerer Führer als Nietzsche" und habe „die Wissenschaft im positiven Sinne viel mehr gefordert", überhaupt sei Nietzsches Bekämpfung der Mitleidsmoral „eine heroische Idee, - nur eben, bis zu ihrer äußersten Konsequenz getrieben, eine Idee für Ubermenschen, und wir sind Menschen". Verfasser verfolgt sonst die Entwicklung der Leibesübungen und des freien Spiels und deren Wichtigkeit für die Entfaltung der Rassen vom Altertum bis zum neuzeitlichen England, über dessen Einfluß auf Deutschland er sich freut. Nietzsches eigentliche Bedeutung in dieser Hinsicht liege in der Betonung unserer Verantwortung „für das Wohl und Wehe der künftigen Geschlechter". 1127a Zuerst in: Ε. B., Philosophie des Fahrrads. Reißner. Dresd. u. Lpz. 1900 (= 3. Abschn.: Der Kampf gegen die Entartung der Rasse. Darwin. Nietzsche. Die Leibesübungen, S. 30-60. In der Zeitschrift fehlen nur der Anfangsabsatz und die letzten vier, sonst unverändert. 1128 Matthews, Paul, Das Leben Friedrich Nietzsche's von Elisabeth FörsterNietzsche. (DWB1 1900, Nr. 26, S. 819 ff.). Kühle Besprechung des zweiten Bandes der Lebensbeschreibung (Nr. 547). 1129 anonym, (Nietzsche in Turin.), (WAp Nr. 211 v. 26. 9. 1900, S. 2). Berichtet nach „der letzten Nummer der ,Nuova Antologia'" von dem Aufenthalt Nietzsches in Turin im Herbst und Winter 1887 / 88 und Herbst und Winter 1888 / 89, anscheinend nach Aussagen des Ehepaares David und Candida Fino und deren Tochter Irene.918 1129a Auch in: BT v. 30. 9. 1900. Mit unwesentlichen Änderungen in Zeichensetzung und Schrägdruck. 1129b Auch in: NKB1 52. Jg., Nr. 240 v. 13. 10. 1900. Wie zu 1129a. 1130 Stein, Maximilian, Friedrich Nietzsche und das Judentum. (AZJ Nr. 38,1900, S. 451 ff.). Nach dem Verfasser hat neben Schopenhauer Nietzsche „dem zeitgenössischen Denken die Richtung mitbestimmt und vorgezeichnet". Etwas später im Text ist Nietzsche ihm „der größte Denker des verflossenen Jahrhunderts", und er gemahnt die Juden, „in dankbarer Verehrung des großen Mannes zu gedenken, der wie kein Anderer in diesen Zeiten in begeisterter Weise eine Renaissance des Judentums verkündet hat". 1130a Auch in: M. S., Vorträge u. Ansprachen. M. e. Geleitw. v. Dr. Leo Baeck. Hg. v. d. Großloge f. Dtschl. VIII. U. O. B. B. J. Kauffmann Vlg. Ffm. 1928, S. 47-60.

918 Zur Familie Fino s. wohl am ausführlichsten bei Anacleto Verrecchia: Zarathustras Ende. Die Katastrophe Nietzsches in Turin. H. Böhlau N f . Wien, Köln, Graz 1986, bes. S. 22 ff.; FINO, DAVIDE (Alpignano b. Turin 13. 7. 1841 - Turin 31. 3. 1915), Zeitungshändler und wohl auch Kleinverleger; FINO, CANDIDA (geb. Gandolfi, Chiusa Pesio 1848 - Turin 1902); FINO, IRENE (1870 - 1902), später Klavierlehrerin.

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Überschrift mit dem Zusatz der Jahreszahl 1897; wesentlich, z. Tl. durch einen längeren biographischen Einschub, erweitert und verändert; die Stellungnahme wirkt, vielleicht nur durch die größere Länge bedingt, etwas zurückhaltender. 1130b Dass. 2. verbess. Aufl. 1929, S. 45-58. Mit nur leichten Veränderungen gegenüber der ersten Auflage. 1130c Dass. 3. ergänzte u. verm. Aufl. 1932, S. 46-59. Wesentlich verändert, das Lebensgeschichtliche fehlt wieder, dafür ist aber viel Neues hinzugekommen. 1131 Zur Erinnerung an Friedrich Nietzsche, o. J. (Druck v. C. G. Naumann. Lpz.) = Anzeige der Trauerfeier im Nietzsche-Archiv zu Weimar, den 27. August 1900, und der Beerdigung zu Röcken, den 28. August 1900. 51 S. Enthält den „Trostgesang der Freundinnen von Nietzsches Schwester" (d. s. Freifrau von Thüna u. Frl. v. Prott), 919 die „Gedächtnisrede auf Friedrich Nietzsche" von Ernst Horneffer, den „Klagegesang der Frauen", die „Gedenkrede an Friedrich Nietzsches Bahre" von Prof. Dr. Curt Breysig, die „Rede am Grabe Friedrich Nietzsches" vom Oberbürgermeister Dr. Oehler, Abschiedsworte von Geheimrat Prof. Dr. Heinze, Carl Frhrn. v. Gersdorff, Dr. Carl Fuchs, „das Bekenntnis Peter Gasts am Grabe Nietzsches" sowie Abschiedsworte von Dr. E. Horneffer (Weimar), Heinrich Möller (Breslau),920 Dr. Rutishauser (Zürich), Hans von Müller (Kiel), Louis Betz (Mchn.), 921 Dr. Seidl (Mchn.), Curt Stoeving (Bln.), Dr. Raoul Richter (Lpz.) und Prof. Dr. Breysig (Bln.). 1131a Sonderdruck der „Gedächtnisrede" von Ernst Horneffer. Franz Wunder. Gött. o. J . 15 S. 1131b Nachdruck der Rede von Prof. Dr. Kurt Breysig (Wilmersdorf) in: Ζ Bd. 32, 8. Jg., Nr. 49 v. 8. 9. 1900, S. 409-419) 1131c Nachdruck der Rede von Breysig auch in Nr. 651a, S. 57-65. 1131d Nachdruck der Rede von Gast in: Unsterblichkeit. Deutsche Denkreden aus zwei Jahrhunderten. Besorgt u. eingeleitet v. Gerhart Pohl. Buchmeister-Vlg. Bln. (1942), S. 249 f. Ohne den Sperrdruck, sonst unverändert. 1131e Die Rede von Gast auch in: Ewiges Gedächtnis. Worte am Grabe großer Deutscher eingeleitet v. Rudolf Alexander Schröder. Chr. Wegner. Hamburg (4.-7. Tsd. 1942), S. 46 f. Ohne den Sperrdruck, sonst unverändert.

919 PROTT, MARIE VON, THÜNA, FREIFR. JULIE VON. 920 MÖLLER, HEINRICH, geb. am 1. 6. 1876, Musikkritiker, Übersetzer, bes. aus dem Slawischen, promovierte 1902 mit einer Arbeit über die Literatur des 16. Jahrhunderts, Herausgeber von „Das Buch v o m Lied der Völker. Eine Sammlung von fremdländischen Volksliedern", in den 40er Jahren Lehrbeauftragter für Europäische Volksliedkunde an der Universität Jena, arbeitete auch an Herausgabe der Briefe Carl Fuchs' an Nietzsche, die aber nicht mehr zustande kam. 921 BETZ, LOUIS (New Y o r k / U S A 18. 12. 1861 - 29. 1. 1904), später Dozent und darauf Professor der vergleichenden Literaturwissenschaft in Zürich. 922 S. a. seine Würdigung des Dichters Nietzsche in dem Aufsatz „Der Lyriker unserer Tage" (Z Bd. 30, 20. 1. 1900, S. 122 f.; „der Lyriker" ist aber Stefan George).

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1900 Steiner: Er habe sich zu unrecht als „unzeitgemäß" gefühlt

1132 Ru(llmann, Wilhelm), 9 2 3 Los von Nietzsche und los von Hauptmann! (TP 45. Jg., Nr. 265, Morgenbl. v. 26. 9. 1900). Es handelt sich hierbei eigentlich um einen Sammelbericht zu einigen Tagesereignissen: Aufregung über die Gleichstellung von Goethe und Nietzsche auf Kosten Schillers; Zustimmung zu den Worten von Ludwig Stein (Nr. 1003): „[...] an eine dauernde Wirkung auf das geistige Leben unserer Nation, wie sie von unserem Schiller ausgegangen, können wir nicht glauben."; Verteidigung Hauptmanns angesichts der Schrift von Hans Landsberg „Los von Hauptmann!": „Ibsen, Böcklin und Nietzsche sind die drei Gewaltigen, zu denen der Verfasser dieser Schrift sich bekennt."; Beanstandung einer Gleichstellung Karl Bleibtreus mit Hebbel und Kleist. 1133 Steiner, Rudolf, Kurzer Auszug aus einem Vortrag über Fr. Nietzsche. (ML 69. Jg., Nr. 39 v. 29. 9. 1900, Sp. 982 ff.). Verfasser erklärt einleitend: „Das folgende Gedankenskelett lag drei Vorträgen zu Grunde, die ich in der letzten Zeit über den dahingegangenen Philosophen und Dichter bei drei Veranstaltungen in verschiedener Gestalt gehalten habe. D e r erste fand im Kreise der von L. Jacobowski begründeten Gesellschaft der .Kommenden' statt, der zweite auf freundliche Aufforderung des ,Vereins zur Förderung der Kunst', bei dessen Nietzschefeier am 15. September im Rathaussaale, 924 der dritte bei einer Nietzschefeier, die der Recitator Kurt H o l m im Verein mit mir am 18. September im Architektenhause veranstaltet hat. An der ersten Feier beteiligten sich auch der Oberregisseur Moest und der Recitator Max Laurence durch Vortrag Nietzsche'scher Schöpfungen; im .Verein zur Förderung der Kunst' hatte ich die große Freude, mit L. [wohl versehentlich für Gustav, s. Nr. 1119] Manz, der Nietzsche-Dichtungen recitierte, und mit Conrad Ansorge und Eweyk 9 2 5 zusammen zu wirken [...] Dienstag am 18. stand mir Kurt H o l m mit seinen Recitationen aus Zarathustra und Nietzsches Gedichten zur Seite." In den eigentlichen Ausführungen betont Steiner das Rückwärtsgewendete an Nietzsches Bestrebungen und vertritt die Ansicht, daß er sich zu Unrecht als „unzeitgemäß" gefühlt habe: „Wer das Geistesleben des letzten halben Jahrhunderts kennt, kann sich sagen, daß alle Ideen, die bei Nietzsche auftreten, auch sonst vorhanden sind; er muß aber gestehen, daß die Art, in der sie auf Nietzsche gewirkt haben, eine solche ist, wie sie bei keiner andern Persönlichkeit zu finden ist. Nicht Verkünder einer neuen Weltanschauung ist daher Nietzsche, sondern ein Genius, der als Einzelpersönlichkeit, mit seinem ureigensten Seelengeschick, unser tiefstes Interesse erweckt." 9 2 6

923 RULLMANN, WILHELM (Bieber 10. 12. 1841 - Schlüchtern 7. 10. 1918), Chefredakteur der „Grazer Tagespost". 924 Hierzu gibt es ein beiderseitig gedrucktes Programmblatt, auf dessen Rückseite die Gedichte „Tag meines Lebens" und „Heiterkeit, güldene komm!" stehen. 925 Wahrscheinlich EWYCK, ARTHUR HENRY VAN, geb. am 27. 5. 1866 zu Milwaukee / USA, Konzertsänger, trat seit 1890 in vielen Städten Europas auf. 926 Auf Grund des noch unveröffentlichten Tagebuchs von Ludwig Jacobowski schreibt F. B. Stern: „Am 13. 9. (1900) berichtet Jacobowski über einen Nietzsche-Abend in den .Kommenden' und lobt die .herrliche' Rede von Rudolf Steiner." (Auftakt z. Lit. d. 20. Jhs. Bd. II, a. a. O., S. 256). Uber die „Kommenden" s. den Brief Jacobowskis v. 23. 5. 1900 aus Berlin: „Ich habe hier einen literarisch-künstlerischen Klub gegründet, betitelt .Die Kommen-

1900 Ernst Wachler: Der größte philosophische „Genius der Epoche"

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1133a Auch in Nr. 211a, S. 486-489. Unverändert. 1134 W(olzogen), H(ans) v(on), Friedrich Nietzsche an Richard Wagner. (BB 23. Jg., 10.-12. Stk. v. Okt.-Dez. 1900, S. 283-286). Schreibt über Nietzsches Tod als einer, der „jugendlich dem Jugendlichen mit froher Begeisterung gelauscht, als er noch große Hoffnungen mit uns zu theilen gewähnt" habe. Im Anhang hierzu bringt er zwei Briefe Nietzsches an Wagner aus Mai und September 1876 im Erstdruck. Dem zweiten fehlt der letzte Halbsatz. 1135 Oppeln-Bronikowski, Fr. von (Bln.), Friedrich Nietzsche als Theologe und Antichrist. (NS Bd. 95, H. 283 v. Okt. 1900, S. 62-71). Verfasser knüpft an Lichtenbergers Darstellung (Nr. 831), wie „der ungläubige Protestant und Pfarrerssohn zum unentwegten Atheisten wurde", an, und stellt viele Ähnlichkeiten der Lehren Nietzsche mit denen des mittelalterlichen Christentums fest. Er endet mit einem Zitat aus Lou Andreas-Salomés Buch (Nr. 308), daß Nietzsches „verschiedene Philosophien [wozu er vor allem die Umwertung und die Lehre von der Ewigen Wiederkunft rechnet] ihm ebenso viele Gott-Surrogate" seien. 1136 W(achler, Ernst), Friedrich Nietzsches Tod. (Kynast 2. Jg., H. 1 v. Okt. 1900, S. 20). Betrauert „den Verlust des größten philosophischen Genius der Epoche" und verweist auf die bevorstehende Veröffentlichung des „Willen zur Macht", da die Erwartung erlaubt scheine, „daß im Hauptwerk [...] ein verstandesmäßiges Gegenstück zu dem Lehrgedicht Zarathustra vorhanden ist". 1137 Nordau, Max (Paris, Ende September), Individualismus, Solidarismus. (NFPr Nr. 12971 v. 2. 10. 1900). Verfasser hat seine Einstellung seit der „Entartung" (Nr. 265) nicht im geringsten geändert und freut sich hier nur über die gegenteiligen Meinungen über Nietzsches Bedeutung, die durch den Tod den Weg in die Tagespresse gefunden haben. Er meint, „daß Nietzsche nur eine einzige Stimme, eine krankhafte gesteigerte, überlaute, in der uralten Debatte zwischen den beiden Lebensanschauungen ist, die am

den', mit Unterstützung von einigen Freunden. Dieser Klub hat sich so unglaublich entwickelt, daß sich schon Fremde bemühen, überhaupt reingelassen zu werden. Wir haben alle Donnerstag Abend einen Vortragsabend, der sich manchmal bis tief in die Nacht hineinzieht. Da alle Künstler, Dichter, Maler etc. mit ihren Freunden da sind, hat die Sache einen sehr hübschen Ton, und ich selber werde immer geschickter, diese Abende zu leiten." (Ebd., Bd. I, S. 527) Man lese auch folgendes: „Am 22. September 1900 hält Rudolf Steiner die Gedächtnisrede auf Nietzsche, die er im Kreise der .Kommenden' am 13. September gehalten hatte, auch noch in einem anderen Kreise: vor Menschen, die beim Grafen Brockdorff in der Kaiser-Friedrich-Straße versammelt sind. In der Theosophischen Gesellschaft gibt es wöchentlich einen Abend, und Rudolf Steiner war aufgefordert worden, dort die Nietzsche-Gedächtnisrede zu halten." An derselben Stelle heißt es, daß er auch vor den „Kommenden" von Oktober 1902 ab „das Thema: ,Von Zarathustra bis Nietzsche. Die Entwicklungsgeschichte der Menschheit an der Hand der Weltanschauungen von den ältesten orientalischen Zeiten bis zur Gegenwart, oder Anthroposophie'", vorgetragen habe. (Bock, Emil, Rudolf Steiner. Studien zu seinem Lebensgang und Lebenswerk. Vorträge vor Mitgliedern d. Anthroposophischen Ges. Vlg. Freies Geistesleben. St. Hg. v. G. Kacer-Bock u. E. Gabert, S. 166 f.).

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1900 Nordau: „Der schauerlich confuse Generalredner des Individualismus"

kürzesten als Individualismus und Solidarismus bezeichnet werden können, welche Worte mir zutreffender scheinen, als die üblicheren .Egoismus' und .Altruismus'". „In unserer Zeit war der schauerlich confuse Generalredner des Individualismus Nietzsche, und der als Künstler gewiß unvergleichlich höher stehende, aber als Doctrinär kaum minder confuse Tolstoi der Generalredner des Solidarismus." Hierauf umreißt er die Geschichte der beiden Einstellungen, um die Lösung in der Aufdeckung der „Diagonale des Kräfte-Parallelogramms", das aus den beiden biologischen Kräften „Bildungsfähigkeit" und „Erblichkeit" besteht, zu finden. 1138 ö„ (WAp Nr. 226 v. 2. 10. 1900, S. 3). Eine verhältnismäßig sachlich anerkennende Besprechung des Werkes von Ziegler (Nr. 883), das nur durch „die mancherorts hervorspringende gehässige Animosität gegen Nietzsche's Schwester" verunziert werde. 1139 anonym, Nietzsche's Tod. (DK 2. Jg., 1900, H. 1, S. 44). Ein zwanzigzeiliges Gedicht, dessen Schluß lautet: „Wessen Blitz traf Dich, Titan? - / Rollender Donner, Du kündest Ihn an!" 1140 Meyer, Richard M., Die deutsche Literatur des Neunzehnten Jahrhunderts. 1. bis 4.Tsd. Georg Bondi. Bln. 1900. xvii S., 1 Bl., 966 S., 1 Bl. Uber Nietzsche zusammenhängend S. 714-733. Als Schüler Nietzsches werden aufgeführt: Julius Langbehn, Elisabeth Förster-Nietzsche, Paul Lanzky, Fritz Koegel, Rudolf Steiner und Paul Mongré, darüber hinaus wird Nietzschescher Einfluß bei Stefan George, Paul Ree und Lou Andreas-Salomé, Bruno Wille, Hermann Bahr und Sudermann festgestellt. Verfasser nennt Nietzsche den „mächtigsten Zeitpädagogen des 19. Jahrhunderts" und findet, daß J. V. Widmann von „Eduard von Hartmanns müder Verneinung des Lebens zu Nietzsches trotziger Bejahung fortgeschritten" sei. Nietzsche vertritt ihm „den Charakter der neuen Zeit am frühesten, stärksten, vollständigsten": „In Wilamowitz und Nietzsche bekämpften sich der erneute Klassizismus und die wiedergeborene Romantik." Es sei ein Kampf vergleichbar mit „Lessings Urteil über Goethes .Werther', mit Goethes Urteil über Kleists Dramen". „Gegenwärtig ist er eine Macht, mit der zu rechnen jedem selbstverständlich ist, der allgemeinere geistige Probleme in Angriff nimmt." Er legt Nietzsches Ubermenschen als „Ideal einer Höherbildung der gesamten Menschheit" aus, „mit dem Gedanken der .ewigen Wiederkunft' aber hat Zarathustra seinen Untergang wahrlich begonnen". „Den Rhythmus der deutschen Prosa hat niemand zu höheren Wirkungen gebracht als Friedrich Nietzsche" vor allem im „Zarathustra", den der Verfasser neben „Faust" stellt.927 1140a Dass. 3. umgearb. Aufl. 10.-13. Tsd. 1906. (jetzt zweibändig:) xix, 514 S. / 2 Bll., S. 515-926, 1 Bl. (= Vlgs.-anz.). Uber Nietzsche zusammenhängend S. 676-697. Bis auf einige Streichungen (etwa 20 Zeilen) unverändert, die sonstigen Hinweise auf Nietzsche (s.das Namenverzeichnis) sind aber häufiger.

927 S. hierzu die Besprechung des Werkes von Prof. Arthur Drews in: W R s 4. Jg., N r . 16 v. 15. 8. 1900, S. 284: „Völlig maßlos aber ist Meyers überschätzende Verhimmelung Nietzsches, dem gegenüber er - was ihm auch die Anhänger Nietzsches verübeln müssen - den kritischen Blick fast völlig verliert."

1900 Bierbaum: „Keinem verdanken wir so viel wie ihm"

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1140b Dass. 4. umgearb. Aufl. 14.-17. Tsd. 1910. 2. Tl. (des nun zweiteiligen Werkes). (= Das Neunzehnte Jahrhundert in Deutschlands Entwicklung. Hg. v. Paul Schlenther. Bd. III). Bis auf eine einzige weitere Streichung (etwa 10 Zeilen) der Nr. 1140a gegenüber unverändert. 1140c Dass. Volksausg. 1.-12. Tsd. 1912. Über Nietzsche zusammenhängend S. 473-489; in einem kurzen Zusatz am Schluß wird auch Emil Gött als „Schüler" aufgeführt, sonst bis auf drei kleinere Streichungen (= 24 Zeilen) unverändert. 1140d Dass. Die deutsche Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Hg. u. fortgesetzt v. Hugo Bieber. 30.-35. Tsd. Volksausg. 1921. (= Gesch. d. dt. Lit. 2. Bd. 6. Aufl.). Unverändert. 1140e Dass. 7. Aufl.: 36.-40. Tsd. 1923. Neugestaltet ist das 20. Kapitel, das nicht mehr „Fremde Vorbilder und deutsche Pfadfinder", sondern „Europäisches Wetterleuchten" heißt: ein „Wetterleuchten", das nun als von Nietzsche ausgehend erkannt wird: „Die Wirkung Nietzsches auf die deutsche Bildungswelt ist in ihrer Tiefe und Eigenart dadurch gesteigert worden, daß sein Philosophieren bei der Durchführung des Versuches, Urtatsachen des Geistes und des Lebens im Bewußtsein zu erfassen, den Blick vom Anfang bis zum Ende auf die zeitgeschichtlich bestimmte Kulturlage Deutschlands und Europas gerichtet hielt und die seelische Signatur des Zeitalters aus seinem eigenen Erlebnis zu deuten bemüht blieb." (S. 493 f.) Sonst, was Nietzsche betrifft, unverändert. 1141 (Otto Julius Bierbaum), Friedrich Nietzsche gestorben am 25. August 1900. (I 2. Jg., 1. Quartal, Nr. 1 v. Okt. 1900, S. 1 f.). Verfasser meint in diesem Nachruf, „Deutschland hat seinen zweiten Großen verloren, - nach Bismarck Nietzsche": „Denn keinem verdanken wir so viel wie ihm, und keinem schulden wir so wie ihm Früchte unsres Dankes." 928 C G Ein Manuskriptblatt Friedrich Nietzsches. (DLE 3. Jg., H. 1 v. Okt. 1900, Sp. 33-35). „Das Manuskriptblatt [...] gehört zu den Vorarbeiten von Jenseits von Gut und Böse' und ist wahrscheinlich aus dem von Nietzsches Hand angefertigten Druckmanuskript dieses Buches herausgeschnitten [...]" 1142 Hirth, Georg, Nietzscheana. (J Nr. 40, 41 u. 43, 1900, S. 673, 694, 726; Nr. 6, 13 u. 25 v. 23. 1., 13. 3. u. 4. 6. 1901, S. 89, 203, 398 f.). Es geht dem Verfasser zunächst um Nietzsche den Künstler, der „unserer heiligen Muttersprache jüngster Glockengießer und Waffenschmied" gewesen sei. Trotz gele-

928 Zum Schluß des Heftes zeigte die Schriftleitung die Gesamtausgabe von Liliencrons Werken an und fügte dem hinzu: „Etwas später wird der gleiche Verlag [...] den ersten Band einer Sammlung herausgeben, die des größten Interesses sicher ist [...] Es sind dies die Gesammelten Briefe Friedrich Nietzsches." (S. 107) Zum Wappen der Zeitschrift s. die Bemerkung M. G. Conrads: „Dann kam die ,Insel' mit einem stolzen Segelschiff im Wappen. Aber der Segler war kein Genueser Schiff, wie's O t t o Julius Bierbaum mit Nietzsche-Augen gesehen." (O. J. Bierbaum zum Gedächtnis. Müller. Mchn. 1912, S. 31).

6 5 8 1900 Hirth: „unserer heiligen Muttersprache jüngster Glockengießer und Waffenschmied"

gentlicher Ausfälle gegen „unsere deutsche Armseligkeit" zähle er neben Goethe, Heine und Schopenhauer zu den „Deutschesten". Ganz besonders verteidigt Verfasser dessen Gebrauch der „künstlerischen Skizze, das ist der Aphorismus". Darüberhinaus versucht er den Beweis zu erbringen, daß Nietzsches „Geist vor der organischen Erkrankung", die sich erst Ende 1888 eingestellt habe, nicht pathologisch gewesen sei: „Es mag sein, daß die große Triebkraft seiner Geistesanlage früher oder später auch ohne das Hinzukommen somatischer Schädigungen vielleicht zur Psychose geführt hätte, aber wir haben kein Recht, in seinen Schriften Spuren des Wahnsinns zu suchen, nur weil wir die Energie und Feinheit seiner Gedanken nicht auf den ersten Hieb verstehen." 1142a Auch in Nr. 1101a, S. 88-105, verändert. 1143 anonym, (DEKZg 14. Jg., Literar. Beil. Nr. 10 v. Okt. 1900). Eine knappe Anzeige der Werke von Grimm (Nr. 828) und Kalthoff (Nr. 1001), welche beide „zu dem Besten, was über den verstorbenen Denker geschrieben ist", gehören. „Uns kommt der Verstorbene wie ein Nachtwandler vor, der auf schwindelnden Wegen das Ungewöhnlichste versucht, aber nur so lange weiter wandelt, als man ihn nicht bei Namen nennt. Als das Schlimmste erscheint uns, daß die von ihm berauschte Jugend beiderlei Geschlechts nicht eigentlich das Gute und Wahre, sondern das viele Böse und Falsche von ihm annimmt." 1144 Lienhard, Fritz, Friedrich Nietzsche. (DTh 3. Jg., H. 1 v. Okt. 1900, S. 2-10). In diesem Nachruf lehnt der Verfasser Nietzsche aus christlicher, germanischer Sicht als einen „krankhaften Hasser" ab. Gegen Ende des Jahres erschien ein breitangelegtes und tiefschürfendes Werk, das sämtliche vier Leitsprüche den „Gedanken zu einer Festschrift über ,die Möglichkeit einer deutschen Cultur'", wie diese im zehnten Band der Werke Nietzsches (GX, S. 402-419) abgedruckt waren, verdankte: Soziale Pädagogik auf erfahrungswissenschaftlicher Grundlage und mit Hilfe der induktiven Methode als universalistische oder Kultur-Politik. 929 Darin heißt es u.a.: „Vorzugsweise sind der Jugend die großen Schaffenden vorzuführen, diejenigen, welche Tafeln brechen und alte Werte, die sich ihre eigene Tugend erfinden - mit anderen Worten: die großen Kulturheroen, die kühnen Erneuerer der Kultur in dieser oder jener Beziehung, die tapferen Kultur-Pfadfinder, welche ihr ganzes Sein an die Durchführung ihrer Ideen setzten und mutig der ganzen Welt die Stime boten, keine Rücksichten kannten und nahmen auf Überlebtes und Veraltetes, deren Leben völlig aufging im Dienst ihres Volkes oder der gesamten Menschheit."

929 Von Paul Bergemann. Th. Hofmann. Gera 1900. xvi, 615 S.; die angeführte Stelle auf S. 365; BERGEMANN, PAUL (Löwenberg / Schles. 20. 10. 1862 - Kohlfurt / Schles. 8. 10. 1946), zunächst Gymnasiallehrer, wirkte dann bis 1904 an der Universität Jena, 1904-1930 Direktor der höheren Mädchenschule in Striegau / Schlesien.

1900 Ernst Gystrow: „unser Prophet, ohne daß er es wußte"

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1145 Gystrow, Ernst (Lpz.), 930 Etwas über Nietzsche und uns Socialisten. (SMh 4. Jg., H. 10 v. Okt. 1900, S. 630-640). Stellt fest, daß Nietzsche weder „der Philosoph der ziinftlerischen Romantik", noch der „des Capitalismus", sondern „unser Prophet, ohne daß er darum wußte", gewesen sei. Denn das „sozialistische Ideal liegt nahe genug bei dem Ideal, das Friedrich Nietzsche der Menschheit gewiesen hat", und so habe man die Bezeichnung Nietzsches als „Sozialaristokraten" zu verstehen, womit er in die Nachfolge Luthers und Goethes eintrete. Im selben Heft der Zeitschrift ließ der Herausgeber Joseph Bloch 931 ein Bild von Nietzsche veröffentlichen.

930 GYSTROW, ERNST (eigentl. Willy Hellpach, Oels / Schles. 26. 2. 1877 - Heidelberg 6. 7. 1955), Sozialpsychologe, badischer Politiker; s. über den Aufsatz sein: Wirken und Wirren. Lebenserinnerungen. Eine Rechenschaft über den Wert und Glück, Schuld und Sturz meiner Generation. 1. Bd. 1877-1914. Chr. Wegner. Hamb. 1948, S. 229 f.: „Ich stellte darin die Frage, ob der Nietzschesche .Ubermensch' nicht gerade in Gestalt der rücksichtslosen Wirtschaftsmagnaten des modernen Industrie- und Bankwesens schon auf dem Plane erschienen sei, ob wir nicht in den Figuren der Rockefeller, Chamberlain, Cecil Rhodes, Freiherr v. Stumm etwas wie die .prachtvoll schweifende blonde Bestie', diese Lieblingskreatur des unglücklichen Denkers, vor uns hätten und ihm nicht am ehesten ein goldenes Kalb als Denkmal gebühre. Aber ich verneinte sie. Zwar nicht zu verkennen, daß damals gerade rücksichtslose Industrietheoretiker wie Alexander Tille und der sozialdemokratische Apostat Max Lorenz sich auf Darwin und Nietzsche zu berufen anfingen; aber ich wies auf den anderen, die Ubermensch-Losung kreuzenden Gedankengang Nietzsches hin, der .von der Art hinüber zur Überart' gelangen wollte, den Massenzüchtungsgedanken also, der schließlich als eine Erscheinungsform von anthropologischem Sozialismus gedeutet wurde. Die Betrachtung hat viel Aufsehen gemacht, und noch dreißig Jahre später ist sie in einer Abhandlung über Nietzsche (und in einem Schreiben ihres Verfassers an mich) als eine der wertvollsten und eigenartigsten beurteilt worden, auf die man in der unermeßlichen und teilweise fragwürdigen Nietzsche-Literatur überhaupt stoße; ich konnte mich auch überzeugen, und dies ebenfalls ein Vierteljahrhundert danach, daß französische Kenner unseres letzten schöpferischen Denkers, voran Henri Lichtenberger, sein Wegbereiter in Frankreich, meinen Aufsatz kannten und in gutem Gedächtnis behalten hatten." S. a. die Erwähnungen Nietzsches in Hellpachs Arbeit „Uber die Anwendung psychopathologischer Erkenntnisse auf gesellschaftliche und geschichtliche Erscheinungen" (Annalen der Naturphilosophie. Bd. 5, 1906, S. 326 f., 331 f. u. 346). Verfasser ist der Meinung, daß „ohne sorgfältige Herausarbeitung der abnormen Züge innerhalb" Nietzsches Persönlichkeit diese „schlechterdings nicht richtig zu würdigen" sei. Gerade auch an diesem Gegenstand sei „der Pathographie ihr bis heute glücklichster Wurf gelungen". Hiermit meint er das Werk von Möbius (s. Bd. II), das „das Meisterstück nicht bloß der Möbiusschen, sondern überhaupt der pathographischen Arbeiten" sei. Auch die Migräne habe „ohne Zweifel die aphorismatische Arbeitsform begünstigt - und daß diese wiederum für das Modewerden Nietzsches mit wirksam war, bedarf keines Beweises". 931 BLOCH, JOSEPH (Vilkiviali / Litauen 14. 9. 1871 - Prag 14. 12. 1936), besuchte das humanistische Gymnasium in Königsberg / Ostpr., studierte in Berlin, gründete 1895 die Zeitschrift „Der Sozialistische Akademiker", die er, seit 1897 als „Sozialistische Monatshefte", bis Februar 1933 herausgab, floh nach Prag. Eine kurze Erörterimg des Nietzscheschen Einflusses auf Bloch unternahm Roger Fletcher in der Arbeit „A Revisionist Dialogue on Wilhelmine Weltpolitik: Joseph Bloch und Kurt Eisner 1907-1914" (IWKGDA Bd. 16, No. 4 ν. Dez. 1980, S. 462 ff.). Als einen Beweis führt er einen Aufsatz von Bloch unter dem Decknamen Catilina an (Zum 80. Geburtstage des Fürsten Otto v. Bismarck. DSA 1. Jg.,

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1900 Er verkörpere am klarsten „die geistigen Zusammenhänge der neuen Romantik"

1 1 4 6 a n o n y m , ( B ä r 2 6 . J g . , 1 9 0 0 , S. 7 2 8 ) . E i n e leicht b e s p ö t t e l n d e A n z e i g e d e r „ G e d ä c h t n i s r e d e " v o n H o r n e f f e r ( N r . 1 1 3 1 a ) .

Wert angeführt zu werden sind einige Erwähnungen Nietzsches in einem Aufsatz von Horst Stephan über „Romantik", besonders hinsichtlich des ausdrücklichen und betonten Vergleiches mit Friedrich Schlegel. Verfasser geht von der Uberzeugung aus, daß „auch in die religiöse Litteratur [...] der neue Geist sich Bahn gebrochen" habe, „auch in ihr [...] der Gegensatz zwischen Realismus und Romantik vorhanden" sei. Neben dem politischen Umschwung, der durch Wilhelm II. eingeleitet worden, sei „etwas Andres" gekommen, „das daneben klein erscheint und auch langsamer wirkte, aber thatsächlich für die Entwicklung der allgemeinen Stimmung, der Litteratur und Kunst einen Umschwung bedeutete. Friedrich Nietzsche hatte seit 1872 einsam gelebt, gelehrt und geschrieben. Da verfiel er 1889 in seinen Irrsinn und wurde nun nach deutscher Weise ein allgemein bekannter Held. Seit 1890 sind die führenden Zeitschriften voll von Nietzsche. Er aber ist der Mann, der wie einst Friedrich Schlegel die geistigen Zusammenhänge der neuen Romantik am klarsten verkörpert und von all ihren Vertretern den tiefsten Einfluß auf die Jugend geübt hat." An anderer Stelle nennt er Nietzsche den, „der am vernehmlichsten die Zeit der neuen Romantik eingeläutet hat. Er ist der Friedrich Schlegel unsrer Zeit, Philolog und Philosoph zugleich, aber mehr Dichter und tieferen Geistes." Auch sieht Verfasser in dem neuen Kaiser einen Verfechter der von Nietzsche geforderten „Weltpolitik".932 1147 Wolff, Johanna (Hamburg), Wetterleuchten. D e m Andenken Nietzsches. (NS 9 5 . B d . , H . 2 8 3 v . O k t . 1 9 0 0 , S. 7 2 - 7 9 ) . A c h t t e i l i g e s L i e d i m T o n e Z a r a t h u s t r a s v o m S t a n d p u n k t des „ W e i b e s " . D e r P r e i s N i e t z s c h e s gipfelt in d e m B i l d v o n i h m als „Bildnis" G o t t e s , d o c h seien einige seiner L e h r e n , die eine M i ß a c h t u n g des W e i b e s b e k u n d e n , „ I r r l i c h t e r " g e w e s e n . 1 1 4 8 H i r s c h f e l d , G e o r g 9 3 3 N i e t z s c h e ' s T o d . ( N D R s 11. J g . , B d . 2 , H . 1 0 v . O k t . 1 9 0 0 , S. 1 1 1 5 ) . E i n G e d i c h t auf N i e t z s c h e . 1 1 4 9 G o l t h e r , W o l f g a n g , R i c h a r d W a g n e r in d e r V o r s t e l l u n g N i e t z s c h e s .

(MNN

N r . 4 5 9 v . 3 . 10. 1 9 0 0 ) . 9 3 4

N o . 7 v. 1. 4. 1895, S. 121-127). Es ist aber fraglich, ob sich hier schon ein „helles Bewußtsein der zweideutigen Anwendungen, zu denen der ganze Nietzsche sich biete", so deutlich zutage tritt, wie Verfasser annimmt. Die Erwähnungen Nietzsches (S. 124, 126) sind doch recht beiläufig. Eher angängig sind die vom Verfasser angeführten Stellen in: Vermächtnis. Revolution der Weltpolitik in Zusammenarbeit m. Joseph Bloch v. Felix Stössinger. Selbstvlg. (Prag 1938), S. 65, 85, 104 f., 114, 353 f. 932 C W N r . 39 ff., 1900, Sp. 917-920, 942-945, 964-970; STEPHAN, HORST (Sayda / Erzgebirge 27. 9. 1873 - Leipzig 9. 1. 1954), evangelischer Theologe. 933 HIRSCHFELD, GEORG (Berlin 11. 2. 1873 - München 17. 1. 1942), Schriftsteller. 934 S. hierzu den Brief des damals in Schwerin tätigen Kapellmeisters Hermann Zumpe an Gol-

1900 Der Untergang „einer überwundenen individualistischen Culturepoche"

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Eine Besprechung des Wagner-Buches von Max Graf (Nr. 978), die sich, wie die Überschrift schon nahelegt, mit dessen Nietzscheschem „Vorurtheil" befaßt: „Uns hat Graf nicht bekehrt, wir wollen lieber frei werden von Nietzsche und unseren deutschen Màster ehren, den gewaltigen Schöpfer des deutschen Dramas!" Vermerkenswert ist dabei, daß Golther sich mit den Auslegungen Chamberlains, dessen W o r t e er mehrmals anführt, voll einverstanden erklärt. 1150 Müller, Ernst, 9 3 5 Gedanken über Nietzsche und sein Verhältnis zu den Juden. (Weltw v. 5. 10. 1900, S. 4 f.). Verfassers Ablehnung Nietzsches ist t r o t z manchen Wortes des Lobes eine entschiedene: „Die Grundgedanken seiner Philosophie sind ein letzter Ansturm des Individualismus gegenüber dem sozialen Gruße der Zukunft." V o n solcher W a r t e aus k o m m t Verfasser auf „gewisse Ansichten", die „etwas raffiniert Unhistorisches an sich" haben. Diese sind dann auch ausschließlich solche, die mit der Darstellung des Judentums zu tun haben: „Sclavenaufstand", Jehovaglauben". Seine Philosophie trage letztenendes „das Gepräge des Unterganges einer überwundenen individualistischen Culturepoche". C H (Friedrich Nietzsche), Entwurf einer Vorrede zu einer neuen Ausgabe der „Geburt der Tragödie". ( D L 1. Jg., H . 1 v. 6. 10. 1900, S. 19 ff.). Ein vierteiliger Entwurf datiert: „Vermutlich Anfang 1888". 1151 Achelis, T h . (Bremen), Z u m Problem Nietzsche. (DPBl 33. Jg., N r . 41 v. 6. 10. 1900, S. 321 f.). N i m m t das W e r k Kalthoffs (Nr. 1001), dem als „gediegenem W e r k " und als „Leitfaden z u m Selbststudium" die „breiteste Verbreitung" gewünscht wird, zum Anlaß, zur „geistigen Überwindung dieses seltsamen Messias" aufzurufen. 1152 Landolf, C., Friedrich Nietzsche und Malwida von Meysenbug. Eine Episode aus F r . Nietzsches Leben. (BarmZg N r . 235 v. 6. 10. 1900).

ther v. 4. 10. 1900: „In diesem Augenblick habe ich Ihren unglaublich blitztreffenden Aufsatz gegen die Grafsche Nietzscheduselei-Wagner gelesen und bin ganz rabiat über Ihren herrlichen Schwertstreich. Ich hatte vor einigen Tagen jene Schrift zum Teil gelesen, warf sie aber weg f...] Jawohl, erlöst wollen wir sein, aber nicht von Nietzsche, dem glänzenden Redner. Er ist Redner, ausschließlich Rhetor. Man denke ihn sich ohne diese allerdings unerhörte Begabung und ich frage: ist das, was dann noch übrig ist, der Nietzsche, der alle Welt verblendet? Ich wünschte, Ihr Artikel speiste vier Wochen lang tagtäglich alle Zeitungen der Welt zehn Jahre lang, unsers Meisters wegen und der übervielen Schwachsinnigen, die beherrschender Führung bedürfen." (H. Z. Persönliche Erinnerungen nebst Mitteilungen aus seinen Tagebuchblättern und Briefen. M. Geleitw. v. Ernst v. Possart. Beck. Mchn. 1905, S. 142 f.). Auffallend ist, daß er Nietzsches Erstling kurz vorher in einem Brief v. 14. 9. 1900 an seinen Kollegen Max Schillings empfohlen hatte: „Kennst Du Nietzsches erste schöne Schrift ,Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik?' eine kleine Broschüre von großem Reiz!" (Ebd., S. 141); GOLTHER, WOLFGANG (Stuttgart 25. 5. 1863 - Rostock 14. 12. 1945), Germanist, seit 1895 Professor in Rostock; SCHILLINGS, MAX VON (Düren 19. 4. 1868 - Berlin 24. 7. 1933), Komponist, später Intendant der Staatsoper und Präsident der Akademie der Künste in Berlin; ZUMPE, HERMANN (Oppach / Oberlausitz 9. 4. 1850 München 4. 9. 1903), Kapellmeister, verbrachte seine „Lehrjahre", Oktober 1872 - Herbst 1875, in Weimar unter Wagner und kann wohl schon damals auf Nietzsche gestoßen sein. 935 MÜLLER, ERNST (Mißlitz / Mähren 21. 11. 1880 - London 5. 8. 1954), Mathematiker und Bibliothekar in Wien bis zur Ausreise nach England nach dem Anschluß.

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1900 „ein notwendiges und in vielen Stücken heilsames Ferment der modernen Bildung"

Eine längere Darstellung des Verhältnisses beider zueinander auf Grund von damals schon Veröffentlichtem, bes. dem soeben erschienenen Werke der Malwida. Verfasser meint abschließend: „Auch wenn er sich liebenswürdig den Freunden gegenüber äußert, wie viel er von ihnen gelernt, so waren das nur Äußerungen eines gütigen, liebenswürdigen Herzens. In allen Fragen der Erkenntnis folgte er auf allen Stufen nur seinem eigenen, innersten Drang [...]" 1152a Auch in: L N N Beil. Nr. 41 v. 8. 10. 1900, S. 161 f.). Unverändert. CI (Friedrich Nietzsche), Ein Brief an Peter Gast. (Z 9. Jg., Bd. 33, Nr. 1 v. 6. 10. 1900, S. 7 f.). Ein Brief Nietzsches vom 31. Mai 1888. 1153 Riehl, Prof. Dr. Alois (Lido-Venedig), Nietzsches Werk. (Ebd., S. 28-33). In den Schriften Nietzsches gebe sich „die moderne Seele" zu erkennen; seine wesentlichen Gedanken: der aristokratische Individualismus, die neue Herrenmoral, das Ubermenschentum entwickeln alle „nur das eine Grundthema seiner Philosophie: die Verklärung und Vergötterung des Lebens." Er berühre sich mit „allen Tendenzen der Zeit", so daß „eine Geschichte des geistigen Lebens im letzten Drittel des Jahrhunderts nicht geschrieben" werden könne, ohne daß man seine Schriften als „unmittelbare Quelle zu Rate zieht". Auch werde man ihn immer wieder lesen „als einen der zwei bis drei großen Stilisten unserer Sprache". 1153a Auch in R H 25. Jg., H. 12, S. 906-912. Unverändert, doch rechtfertigte die Schriftleitung den Nachdruck durch den Vermerk: „Wir wollen dem starken, wenn auch irrenden Geiste im ,Heimgarten' gerecht werden." 1154 anonym, Friedrich Nietzsche. (SchwbM Nr. 466 v. 6. 10. 1900, Sonntagsbeil. = Schwäbische Kronik, S. 13 f.) Verfasser bietet eine längere „Darstellung des Lebens und eines kurzen Abrisses" der Werke. Abschließend meint er, Nietzsche sei „zum Teil Reaktionär, zum Teil Fantast, aber er ist jedenfalls ein notwendiges und in vielen Stücken heilsames Ferment der modernen Bildung". - „Mag das Urteil [...] noch so scharf ausfallen: es rührt nicht an die reine Größe eines wahrhaft heroischen Lebens, das der Mann geführt hat, denn unbeugsam, mit eiserner Konsequenz und unbeeinflußt von den Meinungen des Tages wagte er selbst zu sein und zu bleiben." 1155 Ebermann, Leo,936 Der Aristokrat unter den Philosophen. (WAp Nr. 233 v. 10. 10. 1900, S. 1 f.). Lehnt Nietzsche als den „Vertreter des aristokratischen Princips" entschieden ab und erkennt einen solchen in Schopenhauer: „Nietzsche war der Tribun unter den Philosophen [...] nur ein Demogog mit aristokratischen Allüren." 1156 anonym, Nietzsche'scher Blödsinn. (PZg Nr. 714 v. 11. 10. 1900). Eine äußerst giftige Würdigung infolge von Nietzsches Lob der Franzosen und vor allem der Polen: „Künstlerisch genommen, ist selbst der .Zarathustra' unnatürliche Wortschwelgerei, und sein philosophischer Wert? Präludien eines sich umnachtenden Hirnes."

936 EBERMANN, LEO ( D r a g a n ó w k a / Galizien 16. 7. 1863 - W i e n 9. 10. 1914), D r . jur., Verfasser zweier D r a m e n , sonst R e d a k t e u r der „Wiener Zeitung".

1900 „Künstlerisch genommen, ist selbst der .Zarathustra' unnatürliche Wortschwelgerei" 663

1157 Berger, Prof. Dr. Alfred v., Über Friedrich Nietzsche. (= Vortrag, gehalten in der Literarischen Gesellschaft in Hamburg am 11. Okt.), (HN Nr. 240, Abendausg. v. 12. 10. 1900). Nietzsche habe am „Widerspruchsgeist" gekränkt, die „Grundzüge" seiner Philosophie seien „Überbietungen und Verneinungen der Schopenhauer'schen": „Darum ist seine Originalität nur eine scheinbare, weil sie anhängig und beherrscht ist von den Werken und Dingen, die ihn zu seinen paradoxen Widerspruchsgedanken gereizt haben, wodurch es ihm möglich war, von oben anzusehen, zu verachten, zu verlachen, was ihm zuerst imponiert hatte." Dennoch scheint der Verfasser den Übermenschen „als eine Demonstration in's Gesicht der übertriebenen Humanität unserer Tage" zu billigen. S. a. Nr. 1073. 1158 Oppeln-Bronikowski, Friedrich von (Berlin), Auf Nietzsches Tod. (Ges 1900, S. 79 ff.). Ein siebenteiliges, feierliches und hochlobendes Gedicht, das in die Losung ausläuft: „Was er begann, uns Wandernde gemahn' es, / Kühn auszuharren, bis der Fuß uns trug / Ins Land der Freiheit, das er sah im Blauen, / Ihm treu zu sein, indem wir uns vertrauen."937 1159 Liebig, Dr. Hans von, Nietzsches Religion. (DU 4. Jg., Nr. 42 v. 13. 10. 1900, S. 821-827). Verfasser fühlt sich als Germane und somit als Mitglied des „letzten Herrenvolks der Erde". Von solcher Warte aus begrüßt er Nietzsches Lehre vom Übermenschen, jedoch mit einigen Berichtigungen. Man müsse nur „konsequenter" sein als Nietzsche und die Lehre von der ewigen Wiederkunft ablehnen. Ebenso verhalte es sich mit dem „Patriotismus", von dem Nietzsche „nicht viel wissen will". Dies sei aber eine „offenbare Inkonsequenz". Uber sein erstes und einziges, 1900 / 01 in Freiburg im Breisgau verbrachtes Studentenjahr erzählte Balder Olden: „Als Student im ersten Semester [...] bezog [ich] eine Bude im poetischen Immental, dort lernte ich Micha Alexandrowitsch Bakunin kennen, politischer Emigrant, Neffe des großen russischen Revolutionärs Bakunin. Er studierte Philosophie, war Jahre älter als ich, sein Kopf war kühl, sein Blut war wild. Er erbarmte sich meiner, schmeidigte meine borstige Seele, gab dem unreifen, unklaren Revolutionär in meiner Brust Ziel und Form. Wir lebten in vielen Räuschen, Wein- und Freiheitsräuschen, Zarathustraräuschen [...] Um Bakunin sammelte sich ein erlesener Kreis von Studenten und werdenden Künstlern, die das Bierstudententum der Korps und Burschenschaften ekelte [.,.]"938 937 S. den Begleitbrief an den Herausgeber der Zeitschrift Ludwig Jacobowski v. 29. 9. 1900: „Bitte drucken Sie die beifolgende Dichtung zu Nietzsches Tod, deren Boden wohl in der .Gesellschaft' der rechte ist. Es liegt mir sehr viel am Abdruck, muß es sein, auch ohne Honorar." (Auftakt z. Lit. d. 20. Jhs. Bd. I, a. a. O., S. 310); s. a. den undatierten Brief an denselben: „Indessen werde ich Ihnen endlich bald den Essay senden .Nietzsche c/a (contra) Schiller', sowie die gewünschte Besprechung senden, die ich Ihnen schon lange schuldig bin." (Ebd., S. 400); laut Anmerkung im Kommentarband, S. 217, konnte der „Essay" im Jahrgang 1900 nicht nachgewiesen werden. 938 B. O., Paradiese des Teufels. Biographisches und Autobiographisches. Schriften und Briefe

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1900 Das „Vermächtnis eines der größten Mehrer und Bildner unserer Muttersprache"

1160 Kappstein, Theodor, Friedrich Nietzsche als Ethiker. (DVE 4. Jg., Nr. 41 v. 14. 10. 1900, S. 321 f.). Nietzsche ist dem Verfasser „der Philosoph der Kultur", der gelehrt habe, daß „thätiges Opfer für die werdende Kultur der Weg zum Heil" sei, und daß „die Leidenschaften der Kultur den Boden bereiten". 1161 Herr, Dr. Erich (Thorn), Ein anderes Wort am Grabe Nietzsches. (ABl 15. Jg., 1900, S. 236 ff.). Eine Entgegnung auf Richerts „Wort am Grabe Nietzsches" (Nr. 1116): „Nun ist er dahin - seine Werke sind uns geblieben und wir werden sie hüten als ein kostbares Stück Nationaleigentum, als Vermächtnis eines der größten Mehrer und Bildner unserer Muttersprache, eines großen Deutschen und eines deutschen Künstlers." 1162 Albert, Henri, Paris, Französischer Brief. (DLE 3. Jg., Nr. 2 v. 15. 10. 1900, Sp. 129 ff.). Verfasser, Herausgeber der französischen Gesamtausgabe der Werke Nietzsches, berichtet über den flüchtigen Widerhall in Frankreich auf den Tod Nietzsches, sonst aber auch über das Zustandekommen und den Absatz der französischen Gesamtausgabe - „jeder Band kann jetzt vierzehn Tage nach seinem Erscheinen einen Absatz von zwölfhundert Exemplaren aufweisen" - , sowie über Arbeiten rum Gegenstand von Henry Fouquier, Lichtenberger, Jules de Gaultier, Michel Arnauld und Edouard Schuré. 1163 Deussen, Prof. Paul (Kiel), Die Wahrheit über Friedrich Nietzsche. (WRs Bd. 4, 4. Jg., Nr. 20 v. 15. 10. 1900, S. 353-359). Neben spärlichem Biographischem eine eingehende Erörterung von Nietzsches „Ubermenschen". Die Lehre von der „ewigen Wiederkunft" wird davor als „Nebenfrage" kurz gestreift. In der Moral sieht er Nietzsche durchaus auf der Seite der „christlichen, deren Hauptvertreter der Vedânta, der Piatonismus, das Christentum und die Kant-Schopenhauer'sehe Philosophie sind". Man müsse dazu erkennen, daß „der Wille zur Macht nicht eine individuelle, sondern eine überindividuelle Bejahung ist, d. h. er ist eine Verneinung". 1163a Auch in: Dr. Paul Deussen, Erinnerungen an Friedrich Nietzsche. F. A. Brockhaus. Lpz. 1901, S. 91u bis zum Schluß. 1163b Auch in: P. D., Mein Leben. Hg. v. Dr. Erika Rosenthal-Deussen. Brockhaus. Lpz. 1922. S. das Namenverzeichnis. 1163c Nachdruck von Nr. 1163b, S. 69m - 73u, mit der Überschrift „Mit Nietzsche in Schulpforta", auch in: Β ν. 24. 12. 1922. Unverändert. CJ Ein Brief Friedrich Nietzsches über Metrik. (Kw 14. Jg., H. 2 = 2. Okt.-H. 1900, S. 53 ff.).

aus dem Exil. Riitten & Loening. Bln. (1977), S. 16. Lesenswert auch die Anmerkung zu dieser Stelle auf S. 432: „.Zarathustra-Räusche - Anspielung auf die dionysischen Ekstasen des Künstlermenschen, wie dieser von Friedrich Nietzsche in .Also sprach Zarathustra' als Archetyp gesehen wurde"; OLDEN, BALDER (Zwickau 26. 3. 1882 - Montevideo / Uruguay 21. 10. 1949 Freitod), Reiseschriftsteller, Sohn von Hans Olden und dessen erster F r a u Rosa, wanderte über Prag und Paris nach Argentinien aus.

1900 Jacob Mähly erinnert sich an die „edle, aber durchaus nicht makellose Gestalt"

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Brief Nietzsches an Carl Fuchs vom Winter 1884 / 85; erschien darauf im ersten Band der „Gesammelten Briefe", S. 373-378. 1164 anonym, Ein Nachruf für Nietzsche. (NWT Nr. 287 v. 19. 10. 1900). Berichtet kurz von der erstmaligen Vorlesung über Nietzsche „in einem Hörsaale der Wiener Universität" vom „Custos im Naturhistorischen Hofmuseum und Musicaldirector Dr. Michael Haberlandt,"939 dem „das zahlreiche Auditorium mit großer Ergriffenheit" angehört habe. 1165 Mähly, Prof. Jacob (Basel), Erinnerungen an Friedrich Nietzsche. (Geg Bd. 58, Nr. 42 v. 20. 10. 1900, S. 246-250). Nietzsche sei eine edle, aber durchaus nicht makellose Gestalt gewesen; sonst fallen die Erinnerungen sehr mager aus. Am Bemerkenswertesten ist vielleicht, daß es Mählys Sohn gewesen ist, der als junger Arzt Nietzsche und dessen Mutter von Basel nach Jena begleitet hat. Auch die Gegenüberstellung von Burckhardt und Nietzsche wirft manches Licht auf deren Verhältnis. 1166 Meyer, Richard M., Friedrich Nietzsche. (NJKA 3. Jg., 1900, S. 714-730 = Vortrag, gehalten in der „Dramatischen Gesellschaft" zu Bonn am 18. Okt. 1900). Eine fast schwärmerische Gesamtwürdigung von Nietzsches Leben und Werk. Nietzsches „dreifache Heimat" erkennt der Verfasser in Thüringen, dessen Boden ihm „etwas von Luthers leidenschaftlichem Ernst" verliehen habe, in Bonn, „wo er die bestimmenden Einflüsse für seine Gelehrsamkeit" gefunden habe, und „endlich in Italien [...] dem irdischen Paradies, nach dessen Muster das himmlische gemalt worden" sei. Er verfolgt darauf Nietzsches Entwicklung, hauptsächlich in der Form seiner Werke, und schließt: „Wahrlich es wird noch manche Generation von Kärrnern an dem Bau dieses Königs zu thun haben - und neben Kärrnern, so hoffen wir, Baumeister und schmückende Künstler!" 1166a Auch in: R. M. M., Gestalten und Probleme. Bondi. Bln. 1905, S. 223-245. Um den Schlußsatz verkürzt, sonst unverändert. 1167 (Ryser, E.),940 Friedr. Nietzsche und seine Herrenmoral. (SchwRBl Nr. 43 ff. v. 27. 10., 3. u. 10. 11. 1900, S. 339 f., 347 f., 354-357). Von christlicher Warte aus verurteilt er nicht nur Nietzsches Herrenmoral, der er die christliche entgegenstellt, sondern auch dessen Anhängerschaft unter „vornehmen Damen", „Socialdemokraten, welchen in ihrem Haß gegen das Christentum jeder Bundesgenosse willkommen ist", sowie „Anhängern der sogen, jungen deutschen Dichterschule, jenen nämlich, die mit Vorliebe im Kot herumwühlen und diesen dann ihren lüsternen Lesern zum Beschauen und Beriechen vorhalten und als naturwüchsigen Realismus anpreisen". Dabei ist ihm Nietzsche „ehrlicher" gewesen als die, „welche von christlicher Moral triefen und daneben die Herrenmoral praktizieren".

In den Briefen Rudolf Borchardts zeichnet sich die frühe Begegnung mit dem Werk Nietzsches noch vor der Jahrhundertwende zunächst nur mittel-

939 HABERLANDT, MICHAEL (Ungarisch-Altenburg 29. 9. I860 - Wien 14. 6. 1940), Völker-

kundler, widmete sich auch der Verbreitung von Hugo Wolfs Musik. 940 RYSER, EMIL, geb. 1857.

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1900 Rudolf Borchardt und Julius Zeitler

bar ab. Er schrieb an den Freund und späteren Verleger einiger seiner frühen Werke Julius Zeitler am 3. Oktober 1900 und erwähnte nur, daß er dessen Werk (Nr. 1168) vom Buchhändler zugesandt bekommen habe, ohne mit einem einzigen Wort auf den Inhalt einzugehen.941 1168 Zeitler, Julius, 942 Nietzsches Ästhetik. Herrn. Seemann Nf. Lpz. 1900. 2 Bll., 308 S. D e m Verfasser war Nietzsche „kein Denker, kein Philosoph, wenig Moralist, am wenigsten ein Mann der Wissenschaft - aber er ist ein Künstler gewesen", ein Mensch, „der nur als Artist recht verstanden werden kann". In seiner ersten Periode der „metaphysischen Ästhetik" legt der Verfasser viel Nachdruck auf den Einfluß Schopenhauers und Wagners sowie auf die Verwandtschaft mit den Romantikern. Ihm ist die „mittlere Phase der kritischen Ästhetik" von „Menschliches" bis zur „Fröhlichen Wissenschaft" die „Höhenlinie in der Entwicklung Nietzsches", „seine klassische Zeit". Hier gebe es „die reifsten, tiefsten und giltigsten Aussagen über das Kunstschaffen, Erkenntnisse von objektivem W e r t , die mit den analogen v o n Franz Brentano, Jodl oder Fechner getrost rivalisieren können". „Was nachher folgt", die Periode der „physiologischen Ästhetik", sei „Romantik, in der bald die Gefühle alle D ä m m e überfluten sollten, die ihnen im wohlgebauten Menschen angewiesen sind". U n d für die „romantische Produktionsweise" sei Nietzsche „schon längst nicht mehr gesund genug gewesen [...], vielmehr bedingen Romantik und Krankheit sich gegenseitig!" 1 1 6 8 a Dass. 2. Tsd. 1900. Unverändert.

941 R. B., Briefe 1895-1906. Text. Bearb. v. Gerhard Schuster. Edition Tenschert b. Hanser (Ges. Briefe hg. v. G. S. u. Hans Zimmermann. Bd.2. Mchn. u. Wien 1995), S. 106. Weitere Erwähnungen finden sich in zwei Briefen an die künftige Gattin Karoline Ehrmann v. 10. u. 16. 4. 1905, in denen er „Menschliches" nennt und in Nietzsches Hochschätzung für W. S. Landor eine Bekanntschaft mit der „Fröhlichen Wissenschaft" zeigt. (Ebd., S. 309 u. 333) Am wichtigsten ist wohl die Stelle in einem Brief an Ernst Bertram v. 7. 3. 1909: „Soweit ich mir das Nietzschesche Phänomen ordnen kann, ist die Grenze seines Natureis die ihn vom freien Gestalten, dem künstlerisch-musikalischen, Zeit Lebens getrennt hat, alles eher als etwas hinweg zu Denkendes, viel mehr tragische und ehrwürdige Notwendigkeit [...] Da seine Catastrophe so sehr an grandioser Cohärenz alle Siege übertrifft, daß keiner der sie begreift, auch einen Zug in ihr anders wünschen darf, ohne das Ganze aufzuheben - welchen Ernst kann es da haben den ungeborenen Gesängen nachzuweinen [...]" (Dass., 19071913 (Bd. 3), S. 301 f.), s. noch auf S. 425 den Brief an Hofmiller v. 17. 11. 1912. Im ersten Band der Ges. Briefe (R. B. Hugo von Hofmannsthal, Briefwechsel. Text. (1994), s. in den Briefen aus der Zeit v. 1906 - 1916 die S. 30 (Erwähnung der „vierten Unzeitgemäßen"), 56 (Nietzsche neben Hölderlin, Kleist und Keats als einer, der „am Selbstgift" gestorben sei), 73 (lesenswerte Umdeutung von Nietzsches „Frei wozu?"), 170 (vergleicht sich und von Hofmannsthal mit Nietzsche und Rohde im Kampfe „gegen die Schlimmen und Absichtlichen"): BORCHARDT, RUDOLF (Königsberg i. Pr. 9. 6. 1877 - Sterzing i. Tirol 15. 1. 1945), Schriftsteller. 942 ZEITLER, JULIUS (Kulmbach / Ofr. 10. 9. 1874 - Leipzig 15. 1. 1943), Dr. phil., zunächst Verleger, darauf Kunstgeschichtler, Professor an der Staatl. Akademie für graphische Künste u. Kunstgewerbe in Leipzig.

1900 Ein „Beweis dafür, daß die Subjektivität sich nothwendig" selbst verneinen müsse

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1169 Trost, Karl, Friedrich Nietzsche und die ästhetische Lebensauffassung. (NAZg Nr. 255 v. 31. 10. 1900). Eine Besprechung des Werkes von Zeitler (Nr. 1168), in der die Behandlung des Ästhetischen begrüßt wird, doch meint der Besprechen „Für den radikalen Individualismus fallen die Begriffe Sittlichkeit und Ästhetik zusammen [...] Die schroffe Einseitigkeit der individualistisch-ästhetischen Lebensauffassung, wie sie in Nietzsche ihre Ausprägung erhalten, drängt die besonnenen Geister zu erneutem und vertieftem Nachdenken über das Verhältnis zwischen Individualgeist und Gemeingeist [...]" 1170 S(ittard), J., Friedrich Nietzsche und die Kulturprobleme unserer Zeit. (ZfLKW 1900, S. 94 f.). Bespricht das gleichnamige Werk Kalthoffs (Nr. 1001), in welchem „geistreichen, ungemein anregenden Buche" dieser als erster nachzuweisen versuche, daß Nietzsche „weder der Vergangenheit noch der Zukunft, sondern voll und ganz der Gegenwart angehört." Einiges auszusetzen findet Besprecher nur, wenn es auf Nietzsches Äußerungen zur Kunst und Musik kommt. Sonst meint er: „Auf welches Gebiet wir Nietzsche auch folgen mögen: angeregt werden wir immer. In jeder Zeile [...] fühlt der Leser [...] ein heiß pulsierendes Leben." Er sei aber auch ein „Beweis dafür, daß die Subjektivität sich nothwendig gegen sich selbst wenden und zuletzt sich selbst aufheben, verneinen muß". 1171 Klotz, Ernst, Vom Sinn des Lebens. Vier Akte aus dem Leben der Menschen. Vlg. v. B. Elischer Nf. Lpz. (1900). 63 S. Auf dem Titelblatt steht schon der Vermerk: „Friedrich Nietzsche's Todesstunde war die Geburtsstunde der letzten Scene dieses Dramas." und auf S. 4: „An Friedrich Nietzsche selbst. .Glaubt es, meine Brüder! Er starb zu früh; er selber hätte seine Lehre widerrufen, wäre er bis zu meinem Alter gekommen! Edel genug war er zum Widerrufen.' Worte Zarathustras über Jesu von Nazareth." So ist dann auch das Stück: Wesentlichste namhaft gemachte Gestalt ist „von Werner, Ubermensch und Fatalist", der in der Lage ist dem König die Salome abspenstig zu machen. Ein Jahr darauf ist sie schon im fünften Monat - „O, Maria, Gebenedeite Magd von Nazareth, deines Sohnes That - sein Sterben am Kreuz - ward durch den Sonnenflug dieses Einzigen schon erschüttert, und seinen Samen, - zur Vernichtung des Werkes deines Sohnes - trage ich in mir!" Das Kostbare verwandelt sich aber in eine „Drachenbrut", als sie den Brief einer Geliebten ihres Mannes auffindet, und zum Schluß erschießt sie sich. Dazwischen liegt ein vermerkenswerter Auftritt in einer Fabrik: „Im Vordergrund rechts die Gruppe der Christen; männliche und weibliche, sehr einfache aber reine Kleider tragende Arbeiter. - Links im Vordergrund hocken und stehen in lüderlichen Kleidern die Richtungslosen. - Hier tragen, besonders die jungen Weiber, Kleidungsstücke, die nicht zusammenpassen, aber Putzsucht verrathen; dazu Frisuren neuster Mode. Vorn in der Mitte der Bühne stehen, die Gruppe der Christen scharf beobachtend, die zwei Anarchisten, reinliche blau-leinene Hose und Jacke tragend. Hinter diesen sitzen essend einige Sozialisten verschiedenen Geschlechts." Der Sohn des Fabrikanten hat eine junge Arbeiterin verführt, sie hat Selbstmord begangen und es muß nun für das Kind und die alte Mutter gesorgt werden. Zum Führer der Auftretenden wird ein „Alter Christ", der die Achtung aller, der „Richtungslosen" ausgenommen, sich erzwingt. In einem

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1900 Moritz Kronenberg: „er ist kein schöpferisches Genie"

„Wort zur Klärung" am Schluß beteuert Verfasser seine Achtung vor der Gestalt Nietzsche, doch stellt er ihm Tolstoi entgegen, dem gegenüber „Nietzsche keinesfalls ,die Gesundheit selbst', wohl aber der zwiespältige, oft und stark irrlichtelirende Schwache" sei. 1172 Conrad, Michael Georg, Was dünket euch um Nietzsche? (I 2. Jg., 1. Quartal, Nr. 2 v. Nov. 1900, S. 200-207). Einen Vergleich Nietzsches mit Luther und sogar mit Christus nahelegend spricht der Verfasser von der heutigen „Freiheit des Kulturmenschen" als Weiterbildung der „Freiheit des Christenmenschen". „Ach, bei Nietzsche sich an Worte klammern und über Tüpfelchen streiten, statt sich an seinem Geiste zu erlaben und seine Schönheit und Kraft sich einzuverleiben - welche Armseligkeit der Verbildung und Erstarrung gehörte dazu!" Dem Aufsatz ist auf S. 200 ein vollseitiges Porträt Nietzsches von Felix Vallotton beigegeben. 1172a Auch in Nr. 154c, S. 89-98. Unverändert. CK Brief von Friedrich Nietzsche an Dr. Carl Fuchs, Musikkritiker in Danzig. (I 2. Jg., I. Quartal, Nr. 2 v. Nov. 1900, S. 218 ff.) Brief Nietzsches vom Ende Juli 1877; darauf in CO, S. 365-368. CKa Mit der Überschrift „Nietzsche und Wagner" auch in: MgZg Nr. 588 v. 18. 11. 1900. 1173 anonym, (Gr v. 1. 11. 1900, S. 246). In einer längeren Einleitung zu einer recht knappen Anzeige der Hornefferschen Trauerrede (Nr. 1131a) meint der Anzeigende: „Nietzsche fuhr mit größerm Hallo als andre Trabanten in fremden Kutschen, aber abhängig und unselbständig war er doch." 1174 Kronenberg, M. (Berlin),943 Friedrich Nietzsche. (N 17. Jg., Nr. 48, 1900, S. 673-676). Nietzsches Bedeutung beruhe auf „einer temporären Wirkung, nicht auf einem Schaffen von bleibendem Wert, er ist kein schöpferisches Genie, wohl aber einer der fruchtbarsten Anreger neuerer Zeiten", und lasse sich am ehesten mit einem Jacobi, Herder oder Hamann vergleichen. Er verdanke „fast alle seine besten Ideen" Feuerbach, Strauß, Schopenhauer, Stirner und Wagner, denn die Entwicklung des 19. Jahrhunderts mit Nietzsche als Höhepunkt erstrebe „die Vernichtung der Autonomie des Geistes, die Beseitigung der Freiheit", bemühe sich, „den Menschen ebenso tief in die Tierwelt, ja unter sie in den gesamten Bereich der Natur, hinabzudrücken, als das achtzehnte Jahrhundert ihn darüber hatte erheben wollen".

943 Ähnlich hatte Verfasser in einer längeren Einleitung zu einem Aufsatz über M a x Stirner geurteilt: Nietzsche sei „eine der merkwürdigsten und, wie man sich auch sonst zu ihm stellen mag, jedenfalls eine hervorragende Erscheinung im geistigen Leben der Gegenwart". Stirner unterscheide sich von ihm „besonders durch die größere Klarheit und Energie seines Denkens. Es fehlt bei ihm jene Vereinigung rationalistischer und occultistischer Elemente, welche für die Persönlichkeit Nietzsches so überaus charakteristisch ist." (Moderne Philosophen. Porträts und Charakteristiken. Beck. Mchn. 1899, S. 181 f.; KRONENBERG, MORITZ (Vlotho / Westf. 3. 4. 1865 - Berlin vor 1935), philosophischer Schriftsteller, Herausgeber und Schriftleiter der Wochenschrift „Ethische Kultur".

1900 Aufnahme in Büchmanns Geflügelte Worte

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Dennoch sei Nietzsche „Idealist" gewesen, dessen „sublimierte Idealgestalt" entstanden sei, weil es nirgends ihr Entsprechendes gegeben habe. 1174a Dass. mit der Überschrift: Nietzsche als Antimoralist, in: M. K., Ethische Präludien. Beck. Mchn. 1905, S. 46-56. Unverändert. S. a. im selben Band: Egoismus und Altruismus (S. 199-218), in dem Nietzsche und Tolstoi einander gegenübergestellt werden. In der von Nietzsche geforderten „schenkenden Tugend" findet Verfasser dann „eine besonders sublimierte, verfeinerte Art des Altruismus".

Einprägsamkeit und Weitenwirkung Nietzsche Worte und Wendungen werden in diesem Jahre bestätigt und weitgehend erfaßt durch deren Aufnahme in: 1175 Büchmann, Georg, Geflügelte Worte. Der Citatenschatz des deutschen Volkes gesammelt u. erläutert. 20. verm. u. verbess. Aufl. Fortgesetzt v. Walter Robert-tornow.944 Haude & Spener. Bln. 1900, S. 291 f. In der 19. Aufl., 1898, fehlt Nietzsche noch.945 Es handelt sich um „Ubermensch", Jenseits von Gut und Böse", „Herren-Moral und Sklaven-Moral", „Herdentier-Moral" und „blonde Bestie". 1175a Dass. 21. verm. u. verbess. Aufl. bearb. v. Eduard Ippel. 1903, S. 300 ff. Neu ist die Aufnahme von „Menschliches, Allzumenschliches" und „Umwertung aller Werte" sowie eine längere geschichtliche Würdigung von „Übermensch". 1175b Dass. 22. verm. u. verbess. Aufl. 1905, S. 325 ff. Neu ist die Aufnahme von „Der Wille zur Macht" sowie ein weiterer Hinweis in den Bemerkungen zur Geschichte des Begriffes „Übermensch". 1175c Dass. 23. verm. u. verbess. Aufl. 1907, S. 278 ff.

944 ROBERT-TORNOW, WALTHER (Schloß Runow / Pommern 14. 7. 1852 - Helgoland 17. 9. 1895), Literaturwissenschaftler. 945 S. a. die Bearbeitungen des Werkes in anderen Verlagen: Vollst. Ausg. bearb. u. bis z. Gegenwart ergänzt v. Walter Heichen. A. Weichert. Bln. (1915), S. 424 f. (Fügt „Also sprach Zarathustra" und „Herdenmensch" hinzu, sonst fehlen meist sogar die Belegstellen); Bearb. u. bis auf die jüngste Zeit ergänzt v. L. Heinemann. Th. Knaur Nf. Bln. 1929, S. 154 f. (Nimmt noch „Herdendenkweise" und „Herdenmaxime" auf und ergänzt „blonde germanische Bestie"); Hg. v. Alfred Streißler. DBG Bln. (1930), S. 324 f. (Nimmt neu auf „Fröhliche Wissenschaft", „Pathos der Distanz" und „Moralprediger von Säkkingen"); Neu bearb. v. Valerian Tornius. Reclam. Lpz. (1944), S. 131 (wesentlich gekürzt); Neu bearb. u. hg. v. H. M. Elster. Reclam. St. (1957), S. 231 f.(ohne Erklärungen und Angabe der Belegstellen; neu ist „Segen der Arbeit"); Moderne Volksausg. Hg. v. Roger Diener u. Josef Falkenberg. Vlg. Praktisches Wissen. Bln. o. J., S. 214 f. (neu sind „Befehlen ist schwerer als gehorchen", „Das Böse ist des Menschen beste Kraft", „Das Glück des Mannes heißt: ich will, Das Glück des Weibes heißt: er will"); In den folgenden Ausgaben fehlt Nietzsche ganz: Verbess. Neuausg. Neubearb v. Paul Dorpat. W. Classen. Zür. (1946); Völlig durchgeseh. u. verbess. Neuausg. M. Geleitw. v. Fritz Martini. Joh. Asmus Vlg. St. (1953).

670

1900

Neu sind lediglich Belegstellen aus dem Altertum zum „Übermenschen". 1175d Dass. 24. verm. u. verbess. Aufl. bearb. v. Bogdan Krieger. 1910, S. 278 ff. Neu ist die Aufnahme von „Der Wille zur Tat". 1175e Dass. 25. Aufl. neu bearb. 1912, S. 261 ff. Unverändert. 1175f Dass. Volksausg. 1914, S. 221 f. Nur um die längeren Erklärungen gekürzt. 1175g Dass. 25. Aufl. 1919. 2., unveränderter Abdr., S. 268-271. 1175h Dass. Volksausg. auf Grund d. 26. Aufl. 2., unveränderter Abdr. 1920, S. 222 f. Wiederum nur um die längeren Erklärungen gekürzt. 1175Ì Dass. 27. Aufl. neu bearb. 2., unveränderter Abdr. 1926, S. 279 ff. Unverändert. 1175j Dass. 28. Aufl. Neubearb. v. Günther Haupt u. Werner Rust. 1937, S. 282285. Neu sind: „Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll"; „Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen"; „das Kind im Manne"; „Du gehst zu Frauen! Vergiß die Peitsche nicht!"; „Wenn du zum Weibe gehst, vergiß die Peitsche nicht"; „Gelobt sei, was hart macht"; „Moralprediger" und „Moralin"; s. a. „Bildungsphilister" (S. 18), S. 29 (Zur Umkehrung des biblischen Spruches: „Welchen der Herr lieb hat, den straft er"), 74 (Umdeutung des Paulus-Wortes „Den Reinen ist alles rein"), 288 (zur Wendung „als Erzieher"), 291 (zu Morgensterns Gebrauch der Wendung „dem Kinde im Manne"). 647 (Goebbels Gebrauch von „mehr Moral, aber weniger Moralin"). 1175k Dass. Volksausg. bearb. v. Gunther Haupt. 1941, S. 236 ff. U m vieles gekürzt. 11751 Dass. Volksausg. bearb. v. Werner Rust. 1943. Unverändert. 1175m Dass. 30.Aufl., neubearb., ergänzt, verbess. u. bis i. d. Gegenwart fortgesetzt v. W. Rust u. Gunther Haupt. 1961, S. 365-368. Neu ist ein Zusatz zur Wortgeschichte vom „Übermenschen" im Zusammenhang mit dem „Überbrettl", sonst wie Nr. 1175j. 1175n Dass. 32. Aufl. vollst, neubearb. v. Gunther Haupt u. Winfried Hofmann. (1972), S. 374-377. Neu ist: „Gott ist tot.", sonst sind die Erläuterungen leicht geändert, doch die zum „Übermenschen" um zwei Drittel gekürzt. 1176 Bonus, (Α.), Friedrich Nietzsche t · (CW Nr. 44, 1900, Sp. 1045-1048). Ein Nachruf, der „die starke Herausforderung Nietzsches an das Christentum" zu dessen Stärkung und Läuterung anwenden möchte. Dabei stellt Verfasser auch fest, daß Nietzsches Verhalten in dieser Hinsicht „ohne weiteres selbst religiösen Charakter" trage. 1177 Ernst, Dr. Paul, Friedrich Nietzsche. Gose u.Tetzlaff. Bln. 1900. 38 S. (= Moderne Essays. Hg. v. Dr. Hans Landsberg. Heft 1). Man müsse Nietzsche „als Menschen nehmen, ihn als Psychologe lesen", und „das Mitleid" sei „der Punkt, aus dem er verstanden werden muß". Durch alle „Beurtei-

1900 Paul Ernst: Er habe „den Namen des Philosophen wieder zu Ehren gebracht"

671

lung" hindurch leuchten dann Sätze wie: „die große Bedeutung der Nietzscheschen Philosophie liegt nicht in einer äußerlich historischen Stellung, die sie erlangen könnte, sondern darin, daß sie den Einzelnen Schwung und Freude geben kann." „Nietzsche hat den Namen des Philosophen wieder zu Ehren gebracht, [...] er erst hat uns wieder gezeigt, daß er etwas anderes ist: ein Mann, der über Ziel und Zweck des Lebens nachdenkt und auf Grund dieses Nachdenkens Gesetze gibt, nach denen man leben soll." „Daß er es gewagt hat, uns überhaupt wieder ein höheres Ziel zu zeigen, das genügt, um ihn für immer unter die größten Wohltäter der Menschheit zu reihen." Nebenher läuft der Versuch des Verfassers, Nietzsche irgendwie mit dem Sozialismus zu versöhnen. Er betont auch den Einfluß von Rochefoucauld, Stendhal und Burckhardt.946 1177a Dass. Veränderte 2. Aufl. 1904. 47 S. Teilweise umgeschrieben und um etwa eine Seite vermehrt; diese Auflage verarbeitet auf den Seiten 18-23 die größten Teile von Emsts Aufsätzen in: EK 1902, S. 34 ff., und bringt auf den Seiten 39-47 einen Nachsatz: „Nietzsches Lehre" sowie ein Schrifttumsverzeichnis: „Zur Nietzsche-Literatur", beide von Dr. Hans Landsberg.947 1177b Dass. auch in: P. E., Völker und Zeiten im Spiegel ihrer Dichtung. Aufsätze zur deutschen Literatur. Hg. v. K. A. Kutzbach. Langen / Müller. Mchn. 1942, S. 194-222. Die „Autobiographie" (S. 3 ff.), dem Brief an Georg Brandes vom 10. 4. 1888 entnommen, sowie Nachsatz und Schrifttumsverzeichnis von Landsberg fehlen, sonst bis auf wenige Wortänderungen ein getreuer Abdruck der zweiten Auflage. Man

946 S. zu diesem Aufsatz: Norbert Fuerst, Paul Ernst. Der Haudegen des Geistes, nymphenburger. (Mchn. 1985), S. 37: „Der Ton des Nietzsche-Essays läßt uns gar nicht darauf kommen, daß es keinen anderen Autor gibt, dem Ernst so nah auf dem Fuße folgte; er hat es wohl mit Erfolg vor sich selber verborgen; später hat er den Namen Nietzsches (wie Schopenhauers, wie Hegels) so gut wie vermieden." Etwas wie ein Zugeständnis liest man in der Antwort auf die Übersendung des Werkes „Paul Ernst und die Tragödie" an dessen Verfasser Herbert Georg Göpfert: „Wenn ich gefragt würde, woher ich die größten Anregungen empfangen habe, so würde ich antworten: Bibel, Schiller, Lichtenberg, Lessing, Tolstoi und Dostojewski und Ibsen. Sie führen vor allem Nietzsche und Hebbel an. Aber bewußt habe ich gegen Nietzsche immer eine Abneigung gehabt und war mir Hebbel dichterisch uninteressant. Ich würde nie angenommen haben, daß die Beiden Einfluß auf mich gehabt hätten. Vielleicht kommt Einem ein Einfluß, der gegen die eingeborenen Triebe geht, stärker zum Bewußtsein, wie einer, der mit den eigenen Trieben gleichlaufend ist." (Paul Ernst in St. Georgen. Briefe u. Berichte a. d. Jahren 1925 bis 1933. Eine Gedenkschrift z. 100. Geburtstag d. Dichters. Hg. v. K. A. Kutzbach. Sachse & Pohl. Gött. (1966), S. 183). Man lese auch die einleitenden Absätze zu der schon 1904 verfaßten aber erst vor kurzem herausgegebenen „Neue philosophische Lektüre". Darin heißt es u. a.: „Nietzsches Auftreten bezeichnet aber und begleitet eine allgemeine Wendung des Geistes; er ist Einsiedler gewesen, und doch ein Mann seiner Zeit; aus seinem Zeitalter dachte er gegen sein Zeitalter [...] Nietzsche war wieder ein Philosoph, und wir suchen alle wieder nach einem Wollen." (Die neuklassische Bewegung um 1905. Paul Ernst in Düsseldorf. Dargestellt u. dokumentiert durch K. A. Kutzbach. Vlg. Lechte. Emsdetten 1972, S. 49 f.). 947 LANDSBERG, HANS (Breslau 1. 12. 1875 - Berlin 10. 2. 1920), Literaturwissenschaftler, pro-

movierte 1900 zu Berlin mit einer Arbeit über Georg Büchner.

672

1900 Alfred Mombert: Ein J4enschen-Vorbild",

doch kein

Jíünstler-Vorbild"

lese aber den knappen vom Herausgeber verfaßten Umriß von Emsts „Begegnung mit Friedrich Nietzsche" auf S. 387 ff. 1178 Benndorf, Friedrich Kurt, 948 Hymnen an Zarathustra und andre GedichtKreise. C. G. Naumann. Lpz. 1900. v, 146 S., 2 Bll. (= Druckfehlerberichtigung u. Vlgs.-anz.). Enthält auf S. 1-25 als ersten von fünf Gedicht-Kreisen: Hymnen an Zarathustra. (1897 / 98); worin es u.a. heißt: „Der Sturmwind schweigt, - mir schweigt er nicht, / ich hör ihn brausen fort und fort / - sieghaft an des Jahrhunderts Wende - / im Zarathustra-Lied und -Wort!" Dem fünften Gedicht-Kreis „Buntes vom Wege" stehen Worte aus Paul Mongrés „Sant' Ilario" voran, und in demselben befinden sind „Coda: Das Zarathustrabuch" (S. 141 ff., ein dreiteiliges Lied) und „Zum 25. August 1900" (S. 146). 1178a Dass. als Einzelschrift: F. K. B., Gesammelte Dichtung. 10. Kreis: Hymnen an Zarathustra 1897 / 1900. Vlg. v. Richard A. Giesecke. Dresd. 1916. 27 S. Enthält die 15 vom Geiste Zarathustras vollen Gedichte und zwar mit mancher Änderung. D i e Bekanntschaft Alfred Momberts, damals in Heidelberg, mit der Gestalt Nietzsche wird durch einen Brief an Friedrich K u r t Benndorf zur Ubersendung des obenangeführten Werkes v o m 17.November 1900 bezeugt: „Besten Dank für die freundliche Übersendung Ihrer .Hymnen an Zarathustra'! Es freut mich, einen Jünger Nietzsches in Ihnen kennen zu lernen. So sehr er ein Mensehen-Vorbild ist, so wenig kann er ein Künstler-Vorbild sein, das dürfen Sie sich freilich nicht verhehlen." 949 A n h a n d v o n Niederschriften in den umfangreichen Tagebüchern der Künstlerin Marianne Werefkin, die in der Zeit 1896-1914 in München w o h n t e und dort „nicht der geistige, aber der seelische Mittelpunkt des Münchner Künstlerkreises gewesen ist, aus dem sich der Blaue Reiter gebildet hat", weiß Cle-

948 BENNDORF, FRIEDRICH KURT (Chemnitz 27. 5. 1871 - 26. 2. 1945), Dichter und Musiker, promovierte 1894, 1896-1904 Lehrer an der Dresdener Musikschule und Musikbibliothekar an der Sächsischen Landesbücherei, dort erfolgte „eine enge Freundschaft mit dem verstorbenen Musiktheoretiker Johannes Schreyer [...] (- der auch einer der ersten Nietzsche-Kenner und -Bekenner und ein Freund Peter Gasts gewesen ist" (n. Kurt Liebmann, Das dichterische Lebenswerk von Friedrich Kurt Benndorf. Eine Betrachtung. W. Jess. Dresden 1936, S. 4 f.); SCHREYER, JOHANNES (Possendorf b. Dresden 20. 6. 1856 - Dresden 11. 2. 1929), seit 1881 Musikschriftsteller und -lehrer in Dresden. 949 A. M., Briefe an Friedrich Kurt Benndorf aus den Jahren 1900-1940. L. Schneider. Heidelberg (1975), S. 21; für sonstige, meist beiläufige Erwähnungen, die dennoch ein anhaltendes Verhältnis durchblicken lassen, s. das Namenverz. d. Werkes; s. a. A. M., Briefe 1893-1942. Ausgew. u. hg. v. B. J. Morse. L. Schneider. Heidelberg / Darmstadt 1961, S. 49 („[...] über die Vorstellung und Wort-Bildung Nietzsches: Der .Übermensch'."), 96, 150, 163, 167, 183; A.M., Briefe an Richard u. Ida Dehmel. Ausgew. u. eingeleitet v. H . Wolffheim. (= Akademie d. Wissenschaften u. d. Lit. i. Mainz, Jg. 1955, H.5), S. 108 u.123; MOMBERT, ALFRED (Karlsruhe 6. 2. 1872 - Winterthur / Schweiz 8. 4. 1942), Dichter.

1900 „ein warnendes Fragezeichen hinter der antichristlichen Weltanschauung"

673

mens Weiler zu berichten, daß sie neben wenig anderem Erwähntem 1900 schon die „Geburt" gelesen habe. 950 1179 Gisler, Dr. Α., 951 Der Prophet des Übermenschen. (Skizze über Friedrich Nietzsche.). (SchwRs 1. Jg., 1900, Η. 1, S. 1-20). Nietzsche ist dem Verfasser „ein warnendes Fragezeichen hinter der antichristlichen Weltanschauung", „ihre echteste Blüte" und „ihr bedenklichstes Symptom". 1180 Richter, Raoul (Leipzig), Friedrich Nietzsche f . (VWPS Bd. 24, H. 4, 1900, S. 483-494). In diesem Nachruf streift der Verfasser nur die „wichtigsten Momente" im Weltbilde Nietzsches, den „religiös-apostolischen", den „kulturreformatorischen", den „künstlerisch-poetischen Zug", um sich „dem geringsten Teil", dem „wissenschaftlichen" zu widmen. Die „wissenschaftliche Philosophie" empfange von Nietzsche „ein dreifaches: neue Probleme, geistvolle Lösungsversuche und ein reiches Material an Einzelbeobachtungen". 1180a Auch in: R. R., Essays. (Hg. v. Lina Richter). F. Meiner. Lpz. 1913, S. 93108). Unverändert. 1181 Friedrich Nietzsches Bibliothek. (Mit einem Nachwort v. E. Förster-Nietzsche, in dem sie kurz die Geschichte des Archivs und der Bibliothek umreißt, in:) Bücher und Wege zu Büchern. Unter Mitwirkung v. E. Förster-Nietzsche, Peter Jessen u. Philipp Rath hg. v. Arthur Berthold. W. Spemann. Bln. u. St. 1900, S. 427-456). Die Seiten 104-107 in dem Abschnitt „Aphorismen und Fragmente" enthalten 20 Aphorismen von Nietzsche; auf S. 281 f. befindet sich eine Nietzsche-Bibliographie m. 24 Titeln. 1181a Auch in: Deutscher Bibliophilen-Kalender für das Jahr 1913. Jahrbuch für Bücherfreunde und Büchersammler. Hg. v. Hans Feigl, S. 103-123. 1182 Jeremias, Dr. Johannes, Moderne Philosophie und Barmherzigkeit. (Friedrich Nietzsche.). (Bst 32. Jg., Nr. 11 (= Nr. 389) v. Nov. 1900, S. 157 ff.). Dem „gewaltigen Geiste" habe nur eins gemangelt: „der Humor". Er sei auch ein „Verführer" der „goldenen Jugend des jüngsten Deutschland" und zugleich deren

950 M. W., Briefe an einen Unbekannten. 1901-1905. Hg. v. Clemens Weiler. DuMont Schauberg. Köln (1960), S. 73. S. a. Jelena Hahl-Koch, Marianne Werefkin u. d. russische Symbolismus. Studien z. Ästhetik u. Kunsttheorie. Vlg. Otto Sagner. Mchn. 1967, S. 13, wo es heißt, sie gehöre mit Kandinsky und Jawlensky zu den Vorkämpfern der modernen Kunst und in deren Salon in München 1909 die „Neue Künstlervereinigung München" gegründet worden sei; WEREFKIN, MARIANNE WLADIMIROWNA (Tula / Rußland 29. 8. 1860 - Ascona / Schweiz 6. 2. 1938), Malerin, seit 1891 mit Alexej Jawlensky bekannt, 1896 Umzug mit ihm nach München und Gründung der Künstlervereinigung „Sankt Lukas", 1908 Bekanntschaft mit Wassily Kandinsky und Gabriele Munter, 1910 mit Franz Marc, nach Ausbruch des Krieges in die Schweiz, seit 1918 in Ascona. 951 GLSLER, ANTON, geb. am 25. 3. 1863 zu Bürglen / Uri, Professor am Priesterseminar, Schriftleiter der „Schweizer Rundschau".

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1900 Johannes Schlaf und Das dritte Reich

„Ankläger". Verfasser kennt anscheinend nur die Spätwerke: „Genealogie", „Jenseits", den „Antichrist" und den „Zarathustra". 1 1 8 3 anonym, Nietzsches Aesthetik. ( D W o 20. Jg., 11. H . v. N o v . 1900, S. 340). Eine äußerst knappe, dennoch aber hochlobende Anzeige des nämlichen Werkes von Zeitler (Nr. 1168): „Wer über Nietzsche mitreden will, muß Zeitlers spannendes Buch gelesen haben."

In dem Jahre 1900 erschien der erste Band einer Romantrilogie von Johannes Schlaf, in dem der Nietzschesche Einfluß sich deutlich und ausdrücklich erkennen läßt: 1184 Das dritte Reich. Ein Berliner Roman. F . Fontane. Bln. 1900. 2 Bll., 341 S., 1 Bl. (= Vlgs.-anz.). 952

952 In dem zweiten Band (Die Suchenden. 1902. 2 Bll., 322 S.) ist der Einfluß etwas abgemildert und überhaupt die philosophische Beschwerung bedeutend gewichen. Doktor Erhard Falke, praktischer Arzt in der „Provinzialstadt" seiner Geburt und Vater zweier Söhne, trifft bei einem Krankenbesuch die ungarische Gesangs- und Klavierlehrerin Ilona Urak und verliebt sich sofort in sie. Uber diese neue Leidenschaft ruft er aus: „Sie bedeutet meine letzte Erfüllung und die Entbindung meines innersten Wesens! - Noch nie lebte ich so intensiv! Noch nie! - So .jenseits von Gut und Böse'!" (S. 197) Zur eigenen Frau Greta entsteht aber langsam auch eine „neuerwachte Liebe", sodaß er auf den Gedanken fällt, beide Frauen zusammenzuführen, um ein Verhältnis zu Dritt zu ermöglichen. Zunächst scheint es ihm zu glücken: „Doch vorderhand war das Wundersame Ereignis geworden. Ein Dreiverhältnis hatte sich geschlossen, das auf Offenheit und Wahrheit sich gründete, in dem keine gegenseitige Verheimlichung war. Ein Kindheitszustand gleichsam, dem alles gestattet war; dessen einziges Gesetz gegenseitige Liebe und Sympathie. Und sie lebten schöne Glückstage neidloser Liebe." (S. 242) Da trifft Erhard einen seiner „ältesten und intimsten" Freunde. „Sie kannten sich bereits von der Sekunda her. Im Kreise der Freunde hatte er [d. i. der Freund Ewald Jürgens] schon damals seiner bis ins Haarsträubende destruktiven Ansichten wegen, die die verwegensten Lehren Friedrich Nietzsches vorwegnahmen und ihnen einen Stich ins Fratzenhaft-Übertriebene gaben, den Spitznamen ,Loki' oder der ,Rote' bekommen." (S. 253) Dieser Ewald klärt den Helden unumwunden auf: „Dein janzer Triangel, da is nix Janzes und nix Halbes. Reminiscenz, Liebster! Theorie!" (S. 262 f.) Und weiter, über das Verhältnis zu Gott, meint er: „Es war nicht die Aufgabe unseres religiösen und wissenschaftlichen Denkens, Gott aus der Welt zu schaffen, sondern ihm näher zu kommen, ihn besser und tiefer zu erkennen [...]" In diesem Zusammenhang erwähnt er Darwin und kommt dann auf Nietzsche: „Banausen und Philister! - Aufkläricht! - So recht der moderne Philister! - Ich bin kein Anbeter von Nietzsche. Aber ich hasse dieses Pack mit dem ganzen prächtigen Haß seiner Ironie! - Im übrigen mag er meinetwegen zu viel Rhetoriker sein. Und seine blumige, selbstgefällige Geistreichelei! Auch seine Theorie vom Willen zur Macht ist Stuß. Durchaus subalterner, sekundärer Gesichtspunkt. - Der letzte wahre Philosoph der Deutschen war Schopenhauer!" (S. 266 f.) Das Treffen mit Ewald ist entscheidend, denn Erhard bekennt nun: „Völlig verstand er nun die lachende und starke .Anarchie', die in jener Vernichtungstheorie des Freundes lag; diesen unbändigen Freiheitsdrang und heldenhaften Ansturm auf ein äußerstes, letztes, immanentes Weltideal: Nirwana! Nichtsein! - Unerreichbar! Ein Phantom der Weltunrast! Aber es entbindet alle unsere Tugenden, Kräfte und Emotionen. Der frische Sturm- und Lebenshauch der Freiheit war hier! All und jeder Freiheit!" (S. 279) Hierauf fällt das „Dreiverhältnis" auseinander: Greta findet einen Beschützer in dem seit langem geduldig wartenden Vetter Alwin, und Ilona offenbart ihre Liebe zu

1900 Darwin, Häckel, Büchner, Fechner, Stirner, Strauß und ..

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In diesem R o m a n aus dem Berlin der Jahrhundertwende steht der ungefähr 25jährige „Kandidat der Philosophie D o k t o r Emanuel Liesegang", ein „Phantast" mit einer „ekstatisch gesteigerten Nervensensibilität", im Mittelpunkt. A u f seinem Studierzimmer hat die Familienbibel einen Platz neben Darwin, Häckel, Büchner, Fechner, Nietzsche, Stirner und Strauß, den Büchern und Geistern, „die er in sich in eine Harmonie und Einheit zu zwingen so lange Jahre, und nun mit einem endlichen Erfolg, sich abgemüht". (S. 9 f.) Gerade der Gedanke v o m Übermenschen ist ihm „außerordentlich bedeutsam", als einem, „der die Zeichen der Zeit verstand!" (S. 14) Stirner und Nietzsche haben ihn erst „auf die Apokalypse und das Johannesevangelium" gebracht. (S. 31) Die Entwicklung der Philosophie führe „mit dem fortschreitenden Jahrhundert zu dem Einen und Einzigen Stirners und zu dem souveränen Individualismus Nietzsches" und wolle „aus den ätherklaren H ö h e n des reinen Denkens zu einer neuen Sinnes- und lebensfrohen - Praxis gelangen [...], zu

Eduard endgültig und unmißverständlich, aber erst nachdem er sie blutig geschlagen („Es fiel ihm ein, daß sie ja einem östlicheren, slavischen Milieu entstammte [...] ; wo das Weib wohl gewohnt ist, vom Manne brutalisiert zu werden") und ein 19jähriger Primaner sich ihretwegen vergiftet hat. Am Ende stehen Ilona und Erhard allein an der Ostsee: „Und immer, immer hörten sie, geeint in der großen, brausenden Monotonie der Brandung, jenes eine heilige Wort von der Lust und der Freude, das ihre Seelen auf den gewaltigen Fittigen eines neuen Evangeliums trug." (S. 321 f.) Im Vorwort zum dritten Band (Peter Boies Freite. Roman. H. Seemann Nf. Lpz. 1903. 336 S.) heißt es über die Generation, „die seit Mitte der achtziger Jahre auf dem Plan" sei: „[...] die ethische Tendenz, sich von älteren Kulturbedingungen loszulösen und der Moderne gerecht zu werden, die strenge Arbeit des einzelnen an sich selbst, die Tendenz, sich im Ubergange dieser Zeitläufte zu harmonischer Individualität zu steigern, das ist, vornehmlich wohl auch durch den fördernden Einfluß Friedrich Nietzsches, immer klarer und deutlicher das eigentlichste und innerste Lebensprinzip unserer Generation geworden; und sie ist [...] nach Uberwindung und gründlicher Verarbeitung des Materialismus und der exakten, analysierenden und experimentierenden Wissenschaften gerade in den letzten Jahren zu einer gewissen Einheit der Weltanschauung gelangt, oder ist doch im Begriff, zu einer solchen zu gelangen. Es sind nicht mehr die Vogt und Büchner, die unsere Männer, es sind die Nietzsche und Whitman; wir stehen [...] im Zeichen [...] des Individualismus und Monismus, und die trockenen Resultate der exakten Wissenschaften haben begonnen, sich uns zu neuen Gefühlswerten zu wandeln." Als Beispiel dieser Generation gilt ihm Conradi, der „ähnlich wie Nietzsche [...] weniger als ein Dekadent, als viel mehr als Märtyrer eines Kulturüberganges angesehen werden" müsse, „als Ubergangserscheinung eines in seiner Bildung begriffenen modernen Neumenschentypus, der sich von den Atavismen seiner ersten Jugendeinflüsse und von dem skeptischen Materialismus seiner späteren Entwicklungsjahre zu befreien trachtet und zu einer neuen, modern einheitlichen Weltanschauung hinstrebt". Neu am geistigen Horizont Schlafs sind Dühring, Tolstoi und vor allem Whitman; Erwähnungen Nietzsches sonst auf S. 21, 44, 52, 150, 204, 211. S. zu Schlafs Verhältnis zu Nietzsche im allgemeinen: Boulby, M., A German Critic of Nietzsche: Johannes Schlaf. (Proceedings of the Leeds Philosophical and Literary Society. Literary and Historical Section. Vol. 8, pt. 2, 1956, S. 137-146). Schlaf besprach die 1899 erschienene, zweite Auflage der Darstellung Whitmans von Karl Knortz dessen Gegenstand als den ersten „Dichter-Seher eines Dritten Evangeliums, geeignet, alles in uns frei zu machen [...], hochlobend und schloß mit der Frage: „Wer im Bereich unserer alten europäischen Kultur wäre ihm gleichzustellen? Und hieße er meinetwegen Friedrich Nietzsche oder sonstwie?" (DLE 1899 / 1900, Sp. 66).

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1900 Th. Droz: „in kleinen Dosen zweifelsohne ein Schutzmittel"

der neuen Triebsicherheit einer neuen, harmonischen Individualität". (S. 76 f.) Durch den Freund Conrad Horn lernt er dessen Freundin Olga Wrede kennen und verliebt sich in sie fast sofort: „Durch seine Gewohnheit zu reflektieren hatte er sich nämlich zu so einer Art von rücksichtslosem Übermenschenthum gebracht, [...] ein Übermenschenthum, dessen einziges Heiligtum diese von Tag zu Tag sich steigernde Leidenschaft zu Olga; ein Übermenschenthum, so halb und halb nach dem Ideal jener italienischen Renaissance-Menschen [...]" (S. 227 f.) Unter dem unmittelbaren Einfluß dieser neuen Leidenschaft und „unter Anschluß an Darwin, Stirner und Nietzsche" kommt er auf „eine ganz besondere und eigentümliche Theorie". „Nach dieser Theorie sollte in unserem Zeitalter einer immer mehr um sich greifenden Deroute und Vermischung der Rassen, in unserem Zeitalter einer unerhörten internationalen Technick, in einem Zeitalter frauenemancipatorischer Bestrebungen eine neue psychologische Auslese einer Anzahl vorurteilsfreiester und vorgeschrittenster Individuen, geeignet die ganze Weite dieser internationalen menschheitlichen Kultur zu überschauen und umspannen und in sich eine neue organische Einheit zu bringen, stattfinden, und der Brennpunkt dieser Auslese sollte nichts anderes sein, als die freieste Konkurrenz eines wesentlich neuen Verkehrs der Geschlechter unter ganz bestimmten und ungewöhnlichen sozialen Bestimmungen." (S. 229) Liesegang gesteht Olga vergebens seine Liebe, und gerade an dem Tag liegt „Zarathustra" aufgeschlagen auf Olgas Schreibtisch mit folgender Stelle angestrichen: „Wer nicht froh und stark sein und laufen kann, soll dahin fahren; was fällt, soll man noch stoßen! - Hau, schau, wen!" (S. 296) Seine andere Frauenbekanntschaft, die „Modell-Marie", eine herabgekommene Prostituierte, stirbt kurz darauf ganz elend in der Charité. Er ist bei ihrem Ableben zunächst niedergeschlagen. „Aber dann sprang sein Grüblen wider um in diese dionysische Bejahung des Lebens hinein, die so viel Heldenhaftes hatte, die einen Nietzsche jenes Zarathustra-Kapitel vom Ring der ewigen Wiederkehr schreiben ließ." (S. 334) Am nächsten Tag erschießt er sich. Diese Tat ist ihm aber nur „der Vorgang einer physiologischen Krise in jenem neuen, noch kranken Organismus, der er bereits war, ein kritischer Vorgang, der ihn zur Freiheit und Genesung von dem halluzinatorischen Traumtrug dieses Zimmers, dieses Berlin, dieses ganzen ihn umringenden Weltbildes bringen würde". (S. 339) 1185 Droz, Theophile, über Friedrich Nietzsche, (übers, v. Pfenniger). (ZürP 22. Jg., Nr. 261 ff. v. 7.-9. 11. 1900). Verzeichnet Ähnlichkeiten einzelner Gedanken Nietzsches, dessen „Jenseits" sein „Meisterwerk in Inhalt und Form" sei, mit denen Stendhals, Rousseaus und vor allem Renans. Findet sowohl Tolstois wie auch Nietzsches „Therapie" gegen „die moderne Weltschmerzseele in kleinen Dosen zweifelsohne ein Schutzmittel", doch seien ihre Methoden „Anachronismen". Erzählt auch einiges Persönliche aus der gemeinsamen Studentenzeit in Bonn, so von der Möglichkeit, daß Nietzsche damals Stirners „Der Einzige und sein Eigentum" kennen gelernt habe, „ein Buch, von dem man dazumal als von einer Neuheit sprach". Der Aufsatz erschien zuerst unter der Überschrift: La revanche de l'individu, in: La semaine littéraire. No. 44 v. 3. 11. 1894, S. 517-520. In der Übersetzung unterblieben die ersten sechs Absätze; es erfolgten drei weitere, unwesentliche Kürzungen.

1900 Friedrich Lange: „der mit einem verdeutschten Namen übertünchte Slawe"

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1186 Aarmann, Ernst, (SMh H. 12 v. 7. 11. 1900). Bespricht den ersten Band der Briefe, deren „Kernpunkt [...] das Verhältnis von Nietzsche zu Wagner" sei: „[...] wer die innere Verschiedenheit eines Wagnerschen Dramas und der Nietzscheschen Lyrik empfindet, der muß auch die Notwendigkeit eines Bruches empfinden. Was Nietzsche über Wagner schreibt, es ist echt; mehr noch, es ist erschütternde Wahrheit, die nicht wenig dazu beigetragen hat, dem modernsten Menschen alles zu zerrütten, dessen Tragik darin bestand, seinen Zeitgenossen um ein Zeitalter voraus gewesen zu sein." 1187 Neumark, Dr. D(avid), 953 Die jüdische Moderne. (AZJ 45. Jg., 9. 11. 1900, S. 536 ff.). „Die jüdische Moderne" sind dem Verfasser vor allem solche unter den Juden, die gerade „in den letzten Wochen" versucht hätten, Nietzsche zum Lehrer oder gar Propheten Israels zu machen, und sich selber dabei lächerlich gemacht. Einen geächteten „Nietzschejünger" findet er in M. J . Berdyczewski und dessen hebräisch veröffentlichtem „Auf dem Scheideweg". Seinem Gegenstand, der „von einem neuen Judenthum, von einem Zukunftsjuden, Überjuden" träume", sehr zugetan meint Verfasser, dieser sei im Gegensatz zu seinem „Meister", dem Sohne „eines siegreichen Volkes", der eines Volkes, das „eine zweitausendjährige Leidensgeschichte" habe: „Seine Kritik ist Selbstanklage, Zerknirschung, Selbstzerfleischung." 1188 Lange, Friedrich, 954 Gobineau und Nietzsche. (DtW 3. Jg., Nr. 6 v. 11. 11. 1900, S. 81-85). Es geht dem Verfasser vor allem darum, „das Gold der wirklich aristokratischen Weltanschauung" eines Grafen Gobineau, der „das einfach-große Wesen germanischer Art so viel deutlicher offenbart, als der mit einem verdeutschten Namen übertünchte Slawe Nietzsche", dem „Talmi einer scheinaristokratischen" gegenüberzustellen. Nietzsche biete „das aristokratische Parfüm", das er aber nicht, „wie der unerbittliche Gobineau, vom Blute, sondern viel einfacher von - der eigenen Einbildung" destilliere. 1188a Dass. auch in: F . L., Reines Deutschtum. Grundzüge einer nationalen Weltanschauung. M. e. Anhang: Nationale Arbeit u. Erlebnisse. 4. stark verm. Aufl. A. Duncker. Bln. 1904, S. 248-258. Unverändert. 1188b Dass. 5. stark verm. Aufl. 1905. Unverändert. 1189 Biedenkapp, Georg, Nietzsche und Multatuli. ( D H 6. Jg., Nr. 45, Beibl. v. 11. 11. 1900, S. 9 f.). Verfasser findet, „daß Nietzsche zweierlei für sich gehabt hat: einen ungeheuer seltenen Wahrheitstrieb und ein gewisses Genie des Herzens", und es ist das letztere, das Multatuli mit ihm gemeinsam habe. Darauf führt er mehrere Ähnlichkeiten

953 NEUMARK, DAVID (Rakonitz / Galizien 3. 4. 1866 - Cincinnati / USA 15. 12. 1924), 1897-

1904 Rabbiner in Böhmen, 1907 Professor für jüdische Philosophie an der Veitel-HeineEphraimischen Lehranstalt in Berlin und noch im selben Jahr Professor der Philosophie an der Hebrew Union College in Cincinnati.

954 LANGE, FRIEDRICH (Goslar 10. 1. 1852 - Detmold 26. 12. 1917), zunächst Lehrer, dann

Journalist, 1882-1895 Herausgeber der „Täglichen Rundschau", gründete 1896 die „Deutsche Zeitung" in Berlin.

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1900 Vorabdruck einzelner Briefe aus dem bevorstehenden ersten Briefband

und Übereinstimmungen an, wie ζ. B.: „Christus rein als Mensch, als leibhaftige Nächstenliebe und Nachsicht, ist offenbar das innerste Ideal eines Multatuli wie eines Nietzsche gewesen." Er schließt mit der Meinung, daß man „bei dem Studium Multatulis [...] Verständnis für Nietzsche lernen" könne. 1190 Scharlitt, Bernhard,955 Das polnische und das musikalische in Friedrich Nietzsche. (Kr Bd. 16, H. 194 v. 16. 11. 1900 / 01, S. 71-74). Verfasser geht von der Annahme aus, „daß jedes Individuum nicht nur ein eigenes ,Ich' darstellt, sondern auch die Summe der vorhergegangenen ,Ichs', d. h. seiner Ahnen". Dazu sieht er Nietzsches polnische Abstammung als „heute zweifellos festgestellt" an. So ist dessen „Herrenmoral", die dem Deutschen „etwas so Fremdartiges, Neues, Nochnichtdagewesenes" sei, „genau besehen, nichts Anderes als der in ein philosophisches System gebrachte polnische Schlachta-Begriff". Im Musikalischen würde er sein Ideal vielleicht erreicht haben, „wenn [...] er mitten unter dem Volke gelebt hätte, dem er entstammte", denn seine Werke seien „wahre Sprach-Sy mphonien". C L (Brief Nietzsches an Elise Fincke, geb. Fischer), (Geg 29. Jg., Bd. 58, Nr. 47 v. 24. 11. 1900, S. 335). Dem Brief Nietzsches aus dem Februar 1882 schickt die Empfängerin einige erklärende Worte voraus. 1191 Landsberg, Hans (Berlin), Nietzsche und die deutsche Litteratur. (RhWZg Nr. 921, 2. Bl. d. Sonntagsausg. v. 25. 11. 1900). Ein erster Versuch Landsbergs, Nietzsche vor allem als Künstler zu erfassen und dessen Wirkung auf Lyrik (Conradi) und Drama (Sudermann, Hauptmann, Halbe und Rosmer) zu umreißen. Vorläufer des „Individualismus" findet er in Friedrich Schlegel und Hebbel, einen Gleichzeitigen in Ibsen. Sein Einfluß aber reiche jetzt schon „so weit, daß jede Beurteilung eines modernen Dichters sich zuerst die Frage wird vorlegen müssen: Wie verhält sich dieser Dichter zu unserem Philosophen?" C M Friedrich Nietzsche an seinen Freund Frhrn. v. Gersdorff. (FZg 45. Jg., Nr. 331, 2. Morgenbl. v. 30. 11. 1900). Vorabdruck der Nr. 31 der „Gesammelten Briefe" (CO) unter Auslassung des drittletzten Absatzes. CMa Auch in H C 170. Jg., Nr. 564, Morgen-Ausg. v. 2. 12. 1900, S. 28. CMb Auch in TRs Nr. 332 v. 30. 11. 1900, m. d. Überschrift: Ungedruckte Briefe Nietzsches. Vorabdruck des Briefes an Gersdorff vom 13. 4. 1869 und eines Teiles aus einem etwas späteren. CMc Auch in FBI Nr. 329 v. 30. 11. 1900, S. 13 ff., m. d. Überschrift: Aus Friedrich Nietzsche's gesammelten Briefen. Vorabdruck von neun Briefen ohne jeglichen Kommentar. CMd Zwei Briefe von Friedrich Nietzsche. (PZg Nr. 849 v. 4. 12. 1900). Vorabdruck der Briefe vom 20. 10 u. 7. 11. 1870 an von Gersdorff ohne jeglichen Kommentar.

955 SCHARLITT, BERNHARD, geb. am 15. 11. 1877, Mitarbeiter der „Neuen Freien Presse".

1900 Martin Buber: „Als er ging, war das Leben größer und lebenswerter geworden."

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CMe Briefe von Nietzsche. (NFPr Nr. 10031 v. ? 12. 1900). Dieselben beiden Briefe wie in der PZg. C N Schuster, Bernhard,956 Aus Friedrich Nietzsche's Briefen. (AMZg 27. Jg., Nr. 48-51 / 52 v. 30. 11., 7., 14. u. 21. / 28. 12. 1900, S. 717 f., 733-736, 761 f., 777 ff.). Vorabdruck von zahlreichen Briefstellen aus dem ersten Bande der „Gesammelten Briefe" (CO). 1192 Geyer, Paul,957 Nietzsche und Schiller. (PJb 102. Bd., H. 3 v. Dez. 1900, S. 400-411). Ausgehend von Nietzsches Verachtung der Geschichte, die er nicht teilt, fragt der Verfasser, was Nietzsche denn schließlich gefunden habe, und antwortet u. a.: „[...] den ungeheuren Sumpf, in dem er die Begriffe Tugend, Geschmack, Vaterlandsliebe, Religion, die Achtung vor Luther, Bismarck, vor unsern Klassikern - allenfalls Goethe ausgenommen - erstickt hat." „Zum Beweise" führt er Nietzsches Vorgehen gegen Schiller an. Dazu sucht und findet er Anklänge Nietzschescher Gedanken bei Schiller, dieser jedoch habe „Nietzschesche Gedanken gehabt, geprüft und - zu leicht befunden!" 1193 Buber, Martin, Ein Wort über Nietzsche und die Lebenswerte. (KIL Dez. 1900, S. 13). Ein wahrhaft schwärmerisches Loblied auf Nietzsche als „den Abgesandten des Lebens" an die Menschheit: „Als er ging, war das Leben größer und lebenswerter geworden." 1194 Müller, Dr. Richard, Eisenberg, (ZsADS 15. Jg., Nr. 12 v. Dez. 1900, Sp. 332). Eine Anzeige des Aufsatzes von Kleinpetz (Nr. 1029), der „mit Recht [...] die hohe Bedeutung Nietzsches als eines Meisters des Stils" hervorhebe. Am Schlüsse finde man „zehn sehr beachtenswerte Aussprüche Nietzsches". 1195 e. f., Friedrich Nietzsche's Briefe. (Boh Beil. z. Nr. 337 v. 6. 12. 1900). Bespricht überlang und mehrere Briefe wiedergebend den ersten Briefband (CO) des Lyrikers des Jahrhunderts, und schickt dabei folgende Mitteilung voraus: „Vor einer Woche" habe „Maximilian Harden in Prag, anläßlich einer Anfrage, was er denn von der modernen Lyrik halte, die Auskunft" gegeben, „daß man nicht von der Lyrik des Jahrhunderts reden dürfe, ohne mit besonderer Bewunderung den Namen Friedrich Nietzsches auszusprechen". 1196 Steiner, Rudolf, Friedrich Nietzsche als Dichter der modernen Weltanschauung. Vortrag i. d. „Freien Litterarischen Gesellschaft" am 25. Nov. 1900. (ML 69. Jg., Nr. 49 v. 8. 12. 1900, Sp. 1217-1220). Nietzsche ist dem Verfasser kein „Finder neuer Anschauungen", sondern ein Geist, „der das zu einer persönlichen Herzensangelegenheit gemacht hat, was Vernunft und Erfahrung anderer hervorgebracht haben [...] Das Griechentum, die Weltanschauung Schopenhauers, die Kunst Richard Wagners, die Vorstellungsart

956 SCHUSTER, BERNHARD (Berlin 26. 3. 1870 - ebd. 13. 1. 1934), Kapellmeister, Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift „Die Musik" 1901-1934. 957 GEYER, PAUL, geb. am 22. 7. 1852 zu Thrommendorf, damals Gymnasialprofessor in Dortmund.

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1900 Der erste Band gesammelter Briefe

der modernen naturwissenschaftlichen Einsicht, die ethischen Ideen der Gegenwart: das waren hinter einander die geistigen Elemente, die auf Nietzsches Seele wirkten [.··]" 1196a Auch in: Goe 8. Jg., Nr. 41 v. 6. 10. 1929, S. 321 f. Unverändert. 1196b Auch in Nr. 211a, S. 482-485. Unverändert. CO Friedrich Nietzsches / Gesammelte Briefe / Erster Band / Herausgegeben / von Peter Gast und Dr. Arthur Seidl / [Verlagszeichen] / Berlin und Leipzig / Schuster & Loeffler / 1900. 2 Bll., xvi, 480 S. Der Band wurde Anfang Dezember ausgegeben. Enthält insgesamt 211 zeitlich nach Empfängern geordneten Briefe an: Karl Freiherrn von Gersdorff (88), Frau Marie Baumgartner (46), Dr. med. Otto Eiser (3), Madame Louise 0 ( t t 7), Oberregierungsrath Gustav Krug (10), Professor Dr. Paul Deussen (7), Dr. Carl Fuchs (26), Reinhard Freiherrn von Seydlitz (23) und Prof. Karl Knortz (1). COa Dass. 3. Aufl. 1902. Insel-Vlg. Lpz. Hg. v. Elisabeth Förster-Nietzsche u. Peter Gast, xxvi S., 1 Taf., 1 Bl., 602 S. Durchgehend zeitlich geordnet ohne Rücksicht auf den jeweiligen Empfänger. Um 40 Briefe vermehrt (nicht um 34 wie im Vorwort angegeben): 24 an Deussen, 4 an Wilhelm Pinder, 2 an Gustav Krug, 1 an W. Pinder u. G. Krug, 2 an von Gersdorff und je 1 an die B. B. „Franconia", Bürgermeister Muncker in Bayreuth, Th. Opitz, Frau Pinder, Romundt, von Seydlitz und Frau Prof. Vischer-Heußler, sowie um 10 an Marie Baumgartner vermindert. Sonst sind die einzelnen Briefe genauer bzw. leicht umdatiert worden. 1197 Lichtenberger, Henri (Nancy), (DLZg 21. Jg., Nr. 50 v. 8. 12. 1900, Sp. 3227 ff.). Bespricht Kalthoffs Nietzsche-Buch (Nr. 1001), das „ein ernsthafter und redlicher Versuch" sei, „sich durch Nietzsche von Nietzsche frei zu machen". Stimmt auch der Feststellung zu, „daß Nietzsche im Grunde doch zur Spezies der .homines religiosi' gehört", sowie der Betonung „der großartigen Konsequenz von Nietzsches geistiger Entwicklung", letzteres im Gegensatz zu der Auffassung von Gallwitz (Nr. 685). 1198 Schmidt, Prof. D. Wilh.,958 Friedrich Nietzsche. (= 4. Tl. einer Aufsatzreihe: „Ethische Fragen", in: L 11. Jg., 1900, S. 866-893). Aus christlicher Sicht geschrieben mündet der Aufsatz in die Behauptung, Nietzsche habe „es an seinem eigenen Geschick erfahren, daß der totgesagte Gott noch lebt". 1199 Schwann, Mathieu, Liebe. Dem starken Leben Preis und Gruß. E. Diederichs. Lpz. (1901). 2 Bll., 299 S. Erschien schon Ende 1900. Enthält auf S. 185-202 ein erdachtes Gespräch zwischen der Verfasserin und Nietzsche über die Liebe und das Weib, das in den Worten ausklingt: „Eine Sache, die in Besitz genommen sein will, so schien dir das Weib und seine Liebe [...] Aber ich fürchte, zu den Männern gehörst du, deren Weiber noch nicht geboren sind. Nun

958 SCHMIDT, WILHELM (Erfurt 1839 - 1912), evangelischer Theologe, Professor der Theologie in Breslau.

1900 M. Schwann: „Du sprengtest die Grenzen der Zeit und drangst zur Ewigkeit vor."

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denn, so warte! Du sprengtest die Grenzen der Zeit und drangst zur Ewigkeit vor. Und dort kann man - warten." (S. a. S. 108 f.) 1200 Stein, Ludwig, Der Philosoph der Aristokratie. (Ein Immortellenkranz auf dem Grabe Friedrich Nietzsches). 1200a Auch in: L. S., Der Sinn des Daseins. Streifzüge eines Optimisten durch die Philosophie der Gegenwart. J . C. B. Mohr. Tüb. u. Lpz. 1904, S. 336-344. „Nicht als Sieger, sondern als Besiegter ist er gestorben. Sieger ist der Normalmensch geblieben, der,Heillos-Mittelmäßige', die .Fabrikware der Natur', während der letzte Erdenrest des Phantoms Übermensch in die Gruft versunken ist." Da dies der Fall sei, möchte Verfasser nun „auf jene Seite dieser Lehre verweisen, die aller Voraussicht nach von Dauer sein wird, und das ist der Aristokratismus [...] : An dieser .Philosophie der Aristokratie' ist die Lehre vom Pathos der Distanz das wertvollste Bestandstück. Und deshalb möchte ich gerade als Gegner der Nietzscheschen Lehre unsere Jugend ermutigen, aus der vielen Spreu dieses Goldkörnchen herauszupicken." „Was unserem aufstrebenden Geschlecht dringend nottut, ist eben dieses von Nietzsche geforderte Pathos der Distanz. Jene Energie, welche ich als das erfreuliche Merkzeichen dieses neuen Geschlechtes hingestellt habe, ist nicht bloß furchtlos, sondern leider auch ehrfurchtlos." Der Band enthält 19 weitere Aufsätze des Verfassers, in denen Nietzsches öfters gedacht wird, bes. S. 65-71: Erkenner und Bekenner, in dem er als „der letzte Ausläufer der Romantik und vollendete Typus eines Temperament-Denkers" dargestellt wird; s. sonst das Namenverzeichnis. 1201 Lublinski, S., Litteratur und Gesellschaft im neunzehnten Jahrhundert. Bd. IV (= letzter): Blüte, Epigonentum und Wiedergeburt. S. Cronbach. Bln. 1900, S. 180186. (= Am Ende des Jahrhunderts. Rückschau auf 100 Jahre geistiger Entwicklung. Bd. XVII). Sieht in Nietzsche den Mann, „der den jungen Leuten diesen Seelengegensatz [zum Naturalismus und sozialistischer Technik in der Literatur] mit der unbarmherzigen Leuchtkraft eines Blitzes zum Bewußtsein brachte, [...] den größten Geist, welchen das jüngste Deutschland hervorbrachte, [...] den Gegenpol der Sozialdemokratie, [...] einen der größten Psychologen und Revolutionäre in der ethischen Philosophie und zugleich den Begründer einer neuartigen, durch und durch modernen Romantik, [...] neben der Arno Holzschen war eine neue, die symbolistische Stilform getreten." Verfasser verfolgt daneben und darauf die Einflüsse von Schopenhauer, Wagner und Darwin auf Nietzsche sowie die Wesensverwandtschaft mit Conrad Ferdinand Meyer und Hebbel und endet mit Erwähnung von Nietzsches Einfluß auf Conradi und von Hofmannsthal. 1202 P., W., (TRs Nr. 353 v. 13. 12. 1900). Eine kurze eher ablehnende Besprechung des ersten Briefbandes (CO), nicht nur der Anordnung wegen. Verglichen mit den Briefsammlungen Bismarcks und Hebbels schneide die vorliegende schlecht ab. 1203 Falke, Gustav (Hamburg), Prolog zur Nietzsche-Gedenkfeier der Litterarischen Gesellschaft in Hamburg. (DL 1. Jg., H. 11 v. 15. 12. 1900, S. 430 ff.). Ein 99zeiliges Loblied auf den Heimgang Nietzsches, das mit den Worten ausklingt: „Weint nicht um ihn. Aus seinen Wunden / Seht die leuchtenden Rosen

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1900 Eindrücke Th. Manns und Hans Carossas von Münchner Vortragsabenden

bliihn. / Kränze des jauchzenden Lebens gebunden / Aus dem Frühlingsgeschenk seiner Wunden, / Und ihr ehrt und feiert ihn." 1204 anonym, Friedrich Nietzsche. (Ecce der Landesschule Pforta 1900. Naumburg 1900, S. 18-25). Eine Würdigung Nietzsches auf sein Hinscheiden, die leider so gut wie ausschließlich aus der schwesterlichen Lebensbeschreibung schöpft. Bemerkenswert ist nur die Hervorkehrung des Dichterischen sowie die gläubige Einstellung des Sprechenden: „Wir würden ihm vielleicht Mitleid spenden ob seines tragischen Geschickes, hätte er sich nicht unser Mitleid verbeten. Unter Donner und Blitz eines Gewitters, das sich über Weimar entlud, löste Gott seine nach Wahrheit ringende Seele." 1205 Hanstein, Adalbert von (Dr. phil., Privatdozent a. d. königl. Techn. Hochschule z. Hannover), Das jüngste Deutschland. Zwei Jahrzehnte miterlebter Litteraturgeschichte. R. Voigtländer. Lpz. 1901. 2., unveränderter Abdr. (= 4.-7. Tsd.). xvi, 375 S. (Außer den im Namen- und Sachverzeichnis aufgeführten Fundstellen s. a. S. 33 f., 235, 301). Die Erstauflage wurde Ende 1900 ausgegeben. Nietzsches Bild steht am Anfang des fünften von sechs Büchern und kommt somit in die Gesellschaft von Gustav Freytag, Ernst von Wildenbruch, Karl Bleibtreu, Detlev von Liliencron, Henrik Ibsen und Ludwig Fulda. Dem Verfasser ist das behandelte Zeitalter das „der ismen und der ...aner" und „die letzten Aner die Nietzscheaner und der letzte Ismus der rücksichtslose Individualismus". Von einem Vortragsabend Ende 1900 in München berichtet Thomas Mann in einem Brief vom 2. Januar 1901 an Hilde Distel: „[...] neulich hatten wir im Bayerischen Hof den mit Spannung erwarteten Nietzsche-Abend Ihres Paul Wiecke. Sie wünschten einen Bericht, und es ist das Einfachste, ich schließe diesen Zeilen das Programm des Abends bei, dem Sie entnehmen können, daß W. erfreulicher Weise nicht irgendwelche zusammenhanglose Bruchstücke des Zarathustra zum Besten gab, sondern ein bestimmtes Thema ausgewählt hatte, nämlich jene Gesänge, die von den Leiden und Freuden des Schaffenden handeln, und so im Auszuge etwas Ganzes und Geschlossenes gab. Schon das war gut; und ich kann nur hinzufügen, daß er mit vollendeter Kunst, eindringendem Verständnis und ergreifender Empfindung las. Bewundernswerth war, wie die Psalmodik des Zarathustra bei der Lektüre keinen Augenblick in Klang und Musik zerfloß, sondern wie stets die Gedanken klar, plastisch und eindringlich hervortraten."959 Aus seiner Münchner Studentenzeit kurz vor der Jahrhundertwende erzählte Hans Carossa von einem Vorleseabend Richard Dehmels: „In dem erleuchteten Saal, dessen hohe Spiegelwände eine ewige Wiederkehr von Räumen vorblenden, war etwa die Hälfte der Sesselreihen besetzt, als wir eintraten [...] Vor uns ging die Zarathustrine, so nannten wir damals ein mageres, rothaariges

959 Th. M„ Briefe 1889-1936. S. Fischer. 1962. (Hg. v. Erika Mann. Ffm. 14.-19. Tsd.), S. 21 f.; DISTEL, HILDE (1880 - 1917), Jugendfreundin von Th. Ms. Schwester Julie, Sängerin in Dresden, damals Anfängerin.

1900 Carossa: D e r „Wahnsinn [...] allein schon eine Bürgschaft für seinen Genius"

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Fräulein, das täglich im Café Stephanie Absinth genoß, stets violett gekleidet u n d Nietzsches Buch neben dem Gläschen [...] Jetzt aber zog uns die D i c h t u n g v o m Sichtbaren fort. A u s großer Tiefe k o m m e n d , weithin schwingend war die Stimme Dehmels, als er Nietzsches .Nachtlied' sprach; in sehnsüchtiger Verzückung näherte sie sich dem Gesang." 9 6 0 D e r Vortragsabend scheiterte aber a m Unverständnis zahlreicher Z u h ö r e r , u n d C a r o s s a e r k l ä r t das M i ß l i n g e n f o l g e n d e r m a ß e n : „Die Kluft, die den künstlerischen Menschen v o m bürgerlichen scheidet, sie hatte sich durch Nietzsches Einwirkung ungeheuerlich vergrößert, und so kamen besonders jene neuen Dichter, die den T r a u m v o m U b e r m e n s c h e n weiterträumten, in eine empfindliche Lage. Entweder blieben sie einsam, adlerstolz wie der Siedler v o n Sils Maria auf ihren H ö h e n und nahmen Verkennung und N o t auf sich, oder sie ließen sich in die städtischen Sprechsäle hinunterlocken; dann standen sie oft Menschen gegenüber, die sich allzusehr v o n ihnen unterschieden, u n d mußten es hinnehmen, w e n n in trüben und nüchternen Seelen ihre Phantasien sich verwischten und entfärbten." 9 6 1

960 H. C., Das Jahr der schönen Täuschungen. Insel. Lpz. 1941, S. 118 ff.; die Beschreibung eines anderen Vorleseabends findet sich in einem Brief von M. G. Conrad an L. Jacobowski v. 7. 2. 1900: „Gestern las Dehmel in der .Literarischen Gesellschaft'. Stellenweise schauerlich: Zarathustra ζ. Β. mit Bauchpathos und Tremolo. Als er aber gar Mombert tragierte, da platzte ein fideles Lachen los. Dehmel bricht ab, klappt das Buch zu und verschwindet." (Auftakt z. Lit. d. 20. Jhs. Briefe a. d. Nachlaß v. L. J . Bd. I hg. v. F. B. Stern. Schneider. Heidelberg 1974, S. 290); CAROSSA, HANS (Tölz 15. 12. 1878 - Rittstreit b. Passau 12. 9. 1956), Arzt und Dichter. 961 Ebd., S. 126 f. Vom Todesjahr Nietzsches erzählt Carossa, damals in Passau: „In unsere Reisewoche fiel jedoch die Nachricht vom Tode Friedrich Nietzsches, und während die bürgerliche Welt diesem Ereignis kaum zur Kenntnis nahm, entstand in der geistigen Jugend eine so starke Bewegung, als wären ,Die fröhliche Wissenschaft' und das Buch .Zarathustra' eben erst erschienen. Mich ergriff Erinnerung an die Zeit, wo ich meinem Freund Hugo als Morgengruß zuzurufen pflegte: .Sonne, du großes Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn du nicht die hättest, welchen du leuchtest?' Und unter dem Einfluß gewisser Aufsätze, die dem verstorbenen Denker wie einem Halbgott huldigten, vermochte ich meine Begeisterung für ihn, dessen Wahnsinn mir allein schon eine Bürgschaft für seinen Genius war, nicht für mich zu behalten [...] und groß war meine Überraschung, als .die Madame', die sonst so duldsam und freundlich war, etwas ärgerlich sagte, der Antonius Lang, der Christus-Darsteller von Oberammergau, wäre ihr tausendmal sympathischer als der .stocknarrische Spekulierer', der mit seinem Geschwätz vom Ubermenschen die jungen Leute nur um ihr bißchen Vernunft und Christentum brächte." (H. C., Der Tag des jungen Arztes. Insel. Wiesbaden 1955, S. 200 f.; s. a. ebd., S. 202 ff.: Nietzsches Einfluß verglichen mit dem Mainländers auf Carossa im Jahre 1905). Uber sein letztes Jahr (1896 / 97) auf dem Gymnasium zu Tölz hatte Carossa geschrieben: „Was in der fernen Welt erklang, blieb uns nach wie vor verborgen. Dort hatte Nietzsche Seelen geweckt; schon entwarf Stefan George den Grundriß zu seiner goldenen Stadt; Loris, fast noch ein Knabe wie wir, sang den Tod des Tizian mit unvergänglicher Melodie, und Alfred Momberts glühender Adlergeist regte einsam dunkle Traumesschwingen; aber davon traf uns keine Kunde." (H. C., Verwandlungen einer Jugend. Insel. Lpz. 1928, S. 218). In seinem Notizheft unter dem Datum v. 14. 12. 1916 findet sich folgende an der Ostfront gemachte Eintragung: „[...] die fröhliche Wissenschaft v. Nietzsche finde ich vor [...] erquickende Wirkung dieser Lektüre [...]" (H. C., Brie-

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1900 Eugen Kalkschmidt und Karl Alexander von Müller über Vortragsabende

Eugen Kalkschmidt gab eine ähnliche Schilderung desselben Abends: „So hatten Verse noch nie geklungen, so unmittelbar aus der Tiefe geschöpft und durchsichtig bis in die feinsten Fasern der lyrischen Empfindung. Dehmel sprach das .Nachtlied' von Nietzsche und seine eigenen Verse weniger als er sie sang; es war deklamatorischer Halbgesang, der eine jede Stimmung über einer Grundmelodie aufbaute und sie wunderbar eindringlich, fast melodramatisch durchführte."962

Daß die Vorträge in den verschiedenen „Literarischen Gesellschaften" manch einem die Bekanntschaft mit Nietzsche erst vermittelt haben, wird durch das Zeugnis Karl Alexander von Müllers nahegelegt. Von einem Schulfreund der letzten Schuljahre in München unmittelbar vor der Jahrhundertwende schreibt er: „Es war wohl der Vater dieses Freundes, der ihm und mir schon in der achten Klasse, verbotener Weise, Hochschüler-Mitgliedskarten für die Münchner Literarische Gesellschaft verschaffte, die in verschiedenen Theatern und Sälen halbgeschlossene Aufführungen und Vorträge veranstaltete. Diesen Abenden verdanke ich die erste erregende Bekanntschaft mit Hölderlin und Nietzsche."963 1206 Jacobs, Monty, Hier und dort. (BBC Nr. 592 v. 19. 12. 1900). Eine recht lange, äußerst wohlwollende Besprechung des ersten Briefbandes (CO), an dem nur die „Gruppierung nach Adressaten" bemängelt wird: „All' diese Zeugnisse erobernder Liebenswürdigkeit quellen aus einer unversieglichen inneren Güte [...] wahrhaft tragisch, in einer Aufwallung antiker schicksalsherausfordernder Hybris geht der Denker unter." 1207 Seidl, Dr. Arthur, Neue Musiklitteratur. (RhWZg Nr. 1010 v. 21. 12. 1900). Bespricht u. a. den ersten Briefband (CO) und hebt vor allem Nietzsches Äußerungen an Fuchs Riemanns metrische Studien betreffend hervor. 1208 anonym, (VZg Nr. 598 v. 22. 12. 1900). Eine eher beschreibende Besprechung des ersten Briefbandes (CO). 1209 Bertz, Eduard (Potsdam b. Bln.), Nietzsche in seinen Briefen. (Zeit 25. Bd., Nr. 325 v. 22. 12. 1900, S. 183 ff.).

fe I: 1886-1918. Hg. v. Eva Kampfmann-Carossa. Insel. (1978), S. 290); s. a. ebd., S. 173, die Briefstelle v. 19. 9. 1918 über Bertrams Nietzsche-Buch: „Bertrams Buch ist seit 10 Tagen meine fast einzige Lektüre." 962 Ε. K., Vom Memelland bis München. A. a. O., S. 246. 963 Aus Gärten der Vergangenheit. Erinnerungen 1882-1914. Gustav Kilpper Vlg. St. (5.-7. Tsd. 1952), S. 236; aus dem ersten Hochschulsemester Winter 1902 / 03 in München erzählt er von einer Vorlesung des „erst kürzlich habilitierten jungen Philosophen, Alexander Pfänder", „über Schopenhauer und Nietzsche", die er als „einzige neuere Vorlesung" gehört habe (S. 267); aus seinem zweiten Semester und der Zeit seiner Wagner-Begeisterung erinnert er sich an Nietzsches Kritik des Künstlers: „Nietzsches Kritik wurde mir in die Hände gespielt, ich nahm einiges auf, ohne daß es den Bann des Zaubers gebrochen hätte." (S. 275); MÜLLER, KARL ALEXANDER VON (München 20. 12. 1882 - Rottach / Ungarn 13. 12. 1964), Geschichtswissenschaftler; PFÄNDER, ALEXANDER (Iserlohn 7. 2. 1870 - München 20. 3. 1941), promovierte 1897 zum Dr. phil., seit 1908 Professor an der Universität München.

1900 Windelband: „Der Relativismus ist die Abdankung der Philosophie und ihr Tod." 6 8 5

Besprechung des ersten Briefbandes (CO), aus dem man „das Bild einer menschlich liebenswerten, ernst strebenden, edlen, durchaus ethisch gerichteten Natur" gewinne. 1210 Windelband, W. (Prof. a. d. Univ. Straßburg), Geschichte der Philosophie. 2., durchgeseh. u. erw. Aufl. J. C. B. Mohr. Tüb. u. Lpz. 1900.964 Im 46. (= letzten)Abschnitt: Das Problem der Werthe, werden Feuerbach, Dühring, Ε. v. Hartmann, Stirner, Jul. Bahnsen und zuletzt, den weitaus größten Raum beanspruchend (S. 545-548), Nietzsche behandelt: „Die Empörung des schrankenlosen Individualismus gipfelt in der Behauptung der Relativität aller Werthe. Nur der Machtwille des Übermenschen bleibt als der absolute Werth bestehen und sancionirt jedes Mittel, das er in seinen Dienst stellt [...] An die Stelle der .Autonomie der Vernunft' ist die Willkür des Übermenschen getreten, - das war der Weg von Kant zu Nietzsche, den das 19. Jahrhundert beschrieben hat." Angesichts dieser Feststellung lasse sich „die Aufgabe der Zukunft" so bestimmen: „Der Relativismus ist die Abdankung der Philosophie und ihr Tod. Deshalb kann sie nur weiterleben als die Lehre von den allgemeingültigen Werthen." Uber seine „Entdeckung Nietzsches" schrieb Karl Hans Strobl: „Der Name hatte mir schon in Iglau in die Ohren geklungen. Aber niemand wußte dort etwas Rechts über den Mann. Da hatte ich mich zum Born alles Wissens begeben, zu Meyers Konversationslexikon, das in der Bücherei meines Vaters stand. Es war dieses Wissensborns vierte Auflage, und die konnte mir ebensowenig über Nietzsche sagen wie sonst jemand in Iglau. Sie kannte ihn auch noch nicht, obwohl Nietzsche damals schon einige seiner wuchtigsten Hammerschläge getan hatte. Nun aber war ich in Brünn, und in der Landesbibliothek stand die ganze Schlachtreihe seiner Werke. Ich wagte mich an sie, und es war mir, als ob ich in einen neuen geistigen Erdteil geraten sei. Ich dachte nicht daran, daß ich Schopenhauer nachzuholen hatte. Ich las mit aussetzendem Herzschlag und brennenden Ohren und einem dumpfen Glockenhall im Kopf von unerhörten Dingen: von einem Jenseits von Gut und Böse, von Sklavenmoral und Übermensch, vom Menschlichen Allzumenschlichen, vom Willen zur Macht, von den Hinterweltlern und der fröhlichen Wissenschaft [...] was not tat war: lachen zu können, auch zu lachen über mich selbst."965 Auch folgende, durch Nietzsche mit veranlaßte „Wandlung" muß um die Jahrhundertwende erfolgt sein: „Ich komme jetzt zu dem Wendepunkt meines Lebens, der mich aus dem fügsamen Oberlehrer zu einem Gegner des herrschenden Systems gemacht hat. Natürlich kann ich den Zeitpunkt dieser Wandlung nicht genau bestimmen. Der Stoff

964 D i e 1892 erschienene Erstauflage enthielt keine Erwähnung Nietzsches. 965 K. H . S., Glückhafte Wanderschaft. Heitere Lebensmitte. D e r Erinnerungen zweiter Band. Vlgs.-anst. Moldavia. Budweis-Lpz. u m 1943, S. 87; STROBL, KARL HANS (Iglau / Mähren 18. 1. 1877 - Perchtoldsdorf 10. 3. 1946), 1898-1913 im Österreich-ungarischen Staatsdienst, zuerst in Iglau und dann in Brünn, seit dem Weltkriege Schriftsteller.

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1900 L. Gurlitt: „Ich fand [...] ausgesprochen, was schon längst in mir lebendig war"

des Mißbehagens wuchs langsam in meiner Seele. E r richtete sich zunächst weniger gegen einzelne Personen als gegen das System, das ich als zu gewaltsam und zu starr empfand. Möglich, daß auch der wiederholte Aufenthalt in England an dem Wandel Anteil hatte. Außerdem wirkten stark auf mich die Geister Paul de Lagardes, Langbehns, Emersons und v o r allem Nietzsches. Lange niedergehaltener und mir selbst kaum eingestandener Groll drängte nach Befreiung. Ich fand bei Nietzsche ausgesprochen, was schon längst in mir lebendig war: die Forderung, daß das humanistische Gymnasium von künstlerischem Geiste erfüllt sein müßte [...] Jungen Männern der Oberprima wurde dringend eingeschärft, daß sie ,vor ihrem fünfzigsten Jahre nicht eigene Gedanken denken, sondern nur die Gedanken großer Männer nachzudenken hätten'. U n d in den Entlassungsreden wurde ihnen nichts so sehr zur Pflicht gemacht, als Ablehnung des Geistes, den sie in Wahrheit hätten verehren lernen sollen: Friedrich Nietzsches." 9 6 6 B e z e i c h n e n d e s ü b e r die Einstellung s o w o h l H e r m a n n C o h e n s w i e a u c h eines seiner Schüler, n ä m l i c h E r n s t Cassirers, aus der M a r b u r g e r Z e i t E n d e des Jahrhunderts erzählt D i m i t r y G a w r o n s k y : „Cohen erzählte oft, daß Cassirer als junger Student ganze Seiten aus den meisten Werken der klassischen Dichter und Philosophen auswendig zitieren konnte. U n d mit einem fast ärgerlichen T o n in der Stimme vergaß C o h e n nie hinzuzufügen: ,Sogar alle modernen Dichter, wie z. B. Nietzsche und Stefan George, konnte er stundenlang auswendig hersagen!'" 9 6 7

966 D. Pädagogik d. Gegenwart i. Selbstdarstellungen. Hg. v. E. Hahn. Bd. II. F. Meiner. Lpz. 1927, S. 55 ff.; GURLITT, LUDWIG (Wien 31. 5. 1855 - Freudenstadt 12. 7. 1931), Erzieher, damals und bis zum Eintritt in den Ruhestand 1907 am Steglitzer Gymnasium. Man lese in seinem Nachruf auf Friedrich Paulsen (Ζ v. 12. 9. 1908, S. 410): „Er sah Verfall, wo wir Modernen Fortschritt und Erlösung sehen. Seine Stellung in unserem Kulturleben wird am besten durch die Namen der Männer bezeichnet, die ihm das größte Ärgernis gaben: Friedrich Nietzsche und Ernst Haeckel." 967 E. C. Hg. v. Paul Arthur Schilpp. W. Kohlhammer. St., Bln., Köln, Mainz (1966), S. 5 (in der Reihe: Philosophen d. 20. Jhs.); CASSIRER, ERNST (Breslau 28. 7. 1874 - New York / USA 13. 4. 1945), studierte in Berlin und Marburg, Philosoph; COHEN, HERMANN (Coswig 4. 7. 1842 - Berlin 4. 4. 1918), Philosoph, 1876-1912 Professor in Marburg / Lahn. Fritz Wittels führte eine Abfertigung Nietzsches seitens Hermann Cohens aus dem Jahre 1914 an: ,„The case of Nietzsche will stand as a disagreeable sign of the position assumed by philosophy toward our times and of the conscience it makes for itself out of it. Precisely this case makes it clear to the gentlest eye what confronts philosophy when historical ignorance adopts the mien of the original thinker, and when supported by the possession of genuine poetic talent and with aphoristic journalism it breaks into the leisure still left to the modern reader of journals. Such conditions would become the regular thing if philosophy were directed to the interesting exclusivism which has always constituted the style of sophistry; if it were separated and divorced from earnest, relentless demand for exact connection with the history of philosophy [...] "' [= ,„Der Fall Nietzsche wird als ein unangenehmes Zeichen der Einstellung, welche die Philosophie unserer Zeit gegenüber einnimmt, sowie des Gewissens, das es sich daraus macht, stehen. Gerade dieser Fall macht es dem zartesten Auge deutlich, was der Philosophie bevorsteht, wenn historische Unwissenheit die Miene des ursprünglichen Denkers annimmt, und wenn, vom Besitz echter dichterischer Begabung

1900 Theodor Heuß: „eine Weile" vom „sprachlichen Künstlertum" bezaubert

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W o h l n o c h i n die Z e i t u n m i t t e l b a r v o r d e r J a h r h u n d e r t w e n d e fällt a u c h f o l gende Begegnung mit d e m W e r k Nietzsches: „In diesen T a g e n r u t s c h t e ich m i t m e i n e n politischen S y m p a t h i e n n a c h links [ . . . ] D o c h w a r ich inzwischen a u c h an F r i e d r i c h N i e t z s c h e geraten, m i t e i n e m g u t e n Ins t i n k t zuerst an die . U n z e i t g e m ä ß e n B e t r a c h t u n g e n ' . W i e d o r t D a v i d F r i e d r i c h S t r a u ß zerzaust w u r d e , hatte z u n ä c h s t geschmerzt, d a n a c h in gewissem Sinne befreit [ . . . ] D e r u n m ö g l i c h e n Situation, gleichzeitig für die beiden genialen A g i t a t o r e n z u optieren, w a r ich m i r halb b e w u ß t . E i n e W e i l e ließ ich m i c h v o n d e m sprachlichen K ü n s t l e r t u m N i e t z s c h e s bezaubern, fraß seine Streitschriften gegen R i c h a r d W a g n e r , u n d w e n n m i c h auch seine Sätze über das W e s e n der M o r a l m e h r interessierten als ü b e r z e u g t e n , so k ü h l t e n sie d o c h die Anfälligkeit z u m Sentimentalischen."'68

gestützt und mit aphoristischem Journalismus, sie in die Muße, die dem modernen Zeitschriftenleser noch übrig bleibt, einbricht. Solche Zustände würden die Regel, wenn Philosophie auf das verspielte Fürsichsein zielte, das schon immer die Art der Sophisterei ausgemacht hat; wenn sie von der ernsten, hartnäckigen Forderung nach genauer Verbindung mit der Geschichte der Philosophie getrennt und entfremdet wäre'"] Wittels fügte hinzu: „Today - if I may believe the young men - Cohen himself is set aside and Nietzsche's star is at the zenith. I know, however, that what I have cited from Cohen was still the general opinion around 1900 and one can still find it among certain obdurate old men." [„Heute, wenn ich den jungen Männern glauben darf, ist Cohen selber beiseite geschoben worden, und Nietzsches Stern steht ganz oben. Ich weiß jedoch, daß, was ich über Cohen angeführt habe, noch um 1900 die allgemeine Meinung war, und man kann sie unter gewissen verstockten alten Männern noch antreffen."] (F. W., Freud and his Time. Liverright. New Y o r k (1931), S. 54 f.). 968 Heuß, Theodor, Vorspiele des Lebens. Jugenderinnerungen. Wunderlich. Tüb. (1953), S. 191 ff.; an anderer Stelle schrieb er von seinem Vater und dem damaligen Heilbronn: „Der Professor Baisch von der Oberrealschule [...] hatte ihm Nietzsche ins Haus gebracht; der hatte mehr erstaunt als erregt. D e r Vater sprach von ihm als einer Sonderbarkeit. Unsere Lehrer wußten von dem, was in den neunziger Jahren an geistige Spannung auch allmählich in der .Provinz' sich zeigte, nichts und unsere geschätzte Theaterdirektion nicht viel." (S. 164); zu einem Aufsatz von Karl Löwith meinte Heuß im Jahre 1955: „Ein ganz hervorragender Essai [...] Als ich, 1945, [...] in Heidelberg saß, [...] plante ich - .Hitlers Weg' durch eine geistesgeschichtliche breite Auseinandersetzung (und konkrete Historie) zu ergänzen. Damals habe ich wieder, aus Alfr. Webers Bibliothek viel späten Nietzsche gelesen und die innere Entfernung von dem Jugendeindruck gespürt. Ich weiß gar nicht, ob ich den .Zarathustra' heute noch lesen könnte, will es aber wieder einmal versuchen. Vielleicht sage ich dann nur .brilliant', und weiß zugleich, daß ich ihm Unrecht tue." (T. H., Tagebuchbriefe 1955 / 1963. Eine Auswahl aus Briefen an Toni Stolper. Hg. u. eingel. v. Eberhard Pikart. Wunderlich. Tüb. u. St. (1970), S. 121 f.); ähnlich heißt es dann in dem Vorwort zu einem anderen Erinnerungswerk: „Ein bißchen tastete ich auch in dieser Richtung voran, indem ich mir bei Alfred Weber einige Nietzsche-Bände lieh und brav Notizen machte. Aber trotz der sprachlichen Brillanz: die Beschäftigung langweilte mich bald." (T. H., Erinnerungen 1905-1933. Wunderlich. Tüb. (5. Aufl. 1964), S. 9); BAISCH, OTTO (Dresden 4. 5. 1840 - Stuttgart 18. 10. 1892), zunächst Kunstkritiker in Berlin, 1885 als Herausgeber von „Über Land und Meer" nach Stuttgart; HEUSZ, THEODOR (Brackenheim 31. 1. 1884 - Stuttgart 12. 12. 1963), Schriftsteller und Politiker, 1905 Dr. d. Staatswissenschaft, Herausgeber und Schriftleiter, 1930-1933 MdR, 1949-1959 erster Bundespräsident, stand dem Kreis um Friedrich Naumann nahe. Von einer etwas näheren Bekanntschaft mit den Werken Nietz-

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1900 Emil Ludwig: „niemals versagt der Zauber!

E m i l Ludwig erzählt von seiner Begegnung mit dem W e r k e Nietzsches, die Sommersemester 1900 in Lausanne erfolgt sein kann: „Aus jenem Kreise rettete mich, wo nicht meine Natur, so doch gewiß die Begegnung mit zwei feurigen Geistern, dergleichen ich später im Leben nie wieder getroffen habe. Der eine war Nietzsche. Seit ich zum erstenmal einen Band seiner Prosa in Händen hielt - es war in der Schweiz, ich saß auf einer Terrasse und glaubte, ich flöge gleich auf den Gipfel - , ging es mir mit ihm wie mit Shakespeare und Beethoven: es ist beinahe gleich, wo man sie aufschlägt. Vieles habe ich gar nicht gelesen, aber die hinterlassenen Werke sind immer um mich; eines von ihnen begleitet mich, mit dem West-Östlichen Divan, auf jeder Reise. Wenn ich verzagt bin oder deprimiert, hypochondrisch oder müde, genügt ein Trunk aus diesem Zauberkraute, mich zu erfrischen: niemals versagt der Zauber! Nietzsche ist auch der einzige imaginäre Leser, dessen Beifall ich schreibend immer fort zu gewinnen trachte. Nur einige wenige Musiken üben eine ähnliche Wirkung aus. Er hat die größte Wirkung auf mein Leben geübt, vielmehr als auf mein Schreiben und Denken, und ich bin erst spät in einen Konflikt mit ihm geraten, der übrigens unlösbar ist. Ich liebe ihn so sehr, daß ich seit einem Jahrzehnte zögere, ihn darzustellen." 969 Als Mitglied des Berufsverbandes der Graveure und Ziseleure und Berichterstatter dessen Verbandszeitschrift in Leipzig schildert der damals 20jährige Walter H o f m a n n den kurz vor der Jahrhundertwende empfundenen „Lebensverfall", der sich mit „im Verhältnis des Bürgertums, der führenden und verantwortlichen Kreise des Volkes, zur Arbeiterschaft" geäußert habe. In einer Auseinandersetzung mit dem befreundeten „Sohn des Senatspräsidenten" Hartwig J e ß über die von der Arbeiterbewegung kommende Uberwindung des Lebensverfalls meinte der Freund: „Die Erneuerung müsse von einer ganz anderen Seite kommen. Es waren Gedanken aus dem Reiche Friedrich Nietzsches, die er mir entgegenhielt. Sie verfehlten ihren Eindruck auf mich nicht, aber noch stand ich zu sehr unter dem Banne Ti-

sches zeugen folgende Äußerungen zu dem Werk von L o u Andreas-Salomé in einem 1908 datierten gleichnamigen Aufsatz: „Das Nietzschebuch [...] hat wohl als erstes jene Dreiteilung in Nietzsches Lebensarbeit vollzogen, die seitdem ganz allgemein angenommen wurde [...]" Es gelinge der Verfasserin „meisterhaft, in den Werken die Dynamik von Nietzsches immer sich wandelndem Wesen aufzuzeigen. Ich habe einen Einfluß Nietzsches auf das eigene Schaffen [...] nirgends spüren können in den Büchern, die ich von ihr kenne, weder nach Sprache noch nach Inhalt [...]" (Th. Heuß, Vor der Bücherwand. Skizzen zu Dichtern und Dichtung. Hg. v. Friedrich Kaufmann u. Hermann Leins. Wunderlich. Tüb. (1961), S. 244 f.). 969 LUDWIG, EMIL (eigentl. Emil Ludwig Cohn, Breslau 25. 1. 1881 - Moscia b. Ascona 17. 9. 1948); Schriftsteller; angeführte Stelle aus: Geschenke des Lebens. Ein Rückblick. E. Rowohlt. Bln. 1931, S. 159 f., s. ebd., S. 44 f., 101, 135, 141 f., 251, 337, 449, 621, 735; s. aber auch: E. L., Richard Dehmel. S. Fischer. Bln. 1913, S. 85: „Es sind zehn Jahre, wir waren Studenten; die letzten Formeln, die wir vorgefunden, hießen Schopenhauer und Tristan. (Nietzsche war wohl zu Limpido für unsere zwanzigjährige Dunkelheit.)"

1900 Kreise von Jüngern und Bewunderern in Halle und Berlin

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schendörfers, noch war ich von meinem eigenen revolutionären Aufbruch zu sehr fortgerissen, um dieser Stimme Gehör schenken zu können." 970 Kurze Zeit darauf kam er in Dresden in den Kreis um einen „Musikerstammtisch" im Wesensteinsaal des Dresdner Hauptbahnhofes, dessen Haupt Richard Kaden, der musikalische Leiter der Dresdner Volkssingakademie gewesen sei. Ein anderer Teilnehmer, Johannes Reichert, „war mit Peter Gast, dem Musiker, in dem Friedrich Nietzsche den bewundernden Gegenspieler Richard Wagners erblickt hatte, persönlich eng befreundet. Es konnte nicht ausbleiben, daß auf diesem Wege die leidenschaftliche Kritik, die Nietzsche an Wagner geübt hatte, auch im Wesensteiner Kreis laut wurde."971 Aus den 90er Jahren und der Zeit unmittelbar nach der Jahrhundertwende erzählt Anselma Heine: „Auch unserer Freundesgruppe [in Halle], die doch eingeschworen war auf Nietzsche, Tolstoi, Ibsen, jene großen Drei, die eben begonnen hatten, mit Zorn und Spott an den Mauern der bisherigen Gesellschaftsmoral zu rütteln, auch uns war all dieses Neue doch noch nicht völlig ins Blut gedrungen."972 „Es schien mir oft, als schwebe ein unsichtbares ,Du darfst' am Himmel aller dieser Leute [d. s. die Mitglieder der Leipziger „Literarischen Gesellschaft", von denen Adam Beyerlein, Kurt Martens, Walter Harlan,973 Hans von Weber 974 und Hans Merian ausdrücklich erwähnt werden], die sich als Nietzsche-Jünger fühlten und dessen Losreißungsforderung mit Wonne erfüllten. Sie wußten freilich alle sehr genau, von was und wem die .Pflicht gegen die eigene Persönlichkeit' sie zwang, sich zu befreien; aber für was und für wen dann diese Freiheit genutzt werden sollte, darüber dachten sie nicht nach." 975 U b e r Cäsar Flaischlen, den sie vorher in Berlin kennengelernt hatte und nun in Leipzig wiedertraf, schreibt sie: „Er bekannte sich als Nietzschescher Anbeter des Lebens. Zugleich aber lag immer etwas Herbstliches in seiner Stimme und in seinen Versen." 976

970 W . H., Mit Grabstichel und Feder. Geschichte einer Jugend. R. Wunderlich Vlg. St. u. Tüb. 1948, S. 375; HOFMANN, WALTER (Dresden 24. 3. 1879 - Leipzig 24. 3. 1952), zuletzt Büchereidirektor in Leipzig. 971 Ebd., S. 410, eine weitere Erwähnung Nietzsches auf S. 451. 972 A. H . , Mein Rundgang. Erinnerungen. D t . Vlgs.-Anst. St., Bln., Lpz. 1926, S. 72; HEINE, ANSELMA (eigentl. Selma Heine, Bonn 18. 6. 1855 - Berlin 9. 11. 1930), Schriftstellerin. 973 BEYERLEIN, FRANZ ADAM, geb. am 22. 3. 1871 zu Meißen, Kritiker; HARLAN, WALTER (Dresden 25. 12. 1867 - Berlin 14. 4. 1931), Dr. jur., zunächst Referendar am Amtsgericht Leipzig, dann Schriftsteller und Dramaturg. 974 WEBER, HANS VON (Dresden 22. 4. 1872 - 23. 4. 1924), Verleger und Herausgeber des „Zwiebelfisch", wirkte vor allem in Leipzig und München, gründete 1906 den Hyperionverlag. 975 Ebd., S. 82 f.

976 Ebd., S. 98.

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1900 Kreise von Jüngern und Bewunderern in Halle und Berlin

H e n r y van de Velde, der im O k t o b e r 1900 von Brüssel nach Berlin u m gezogen war, erzählt aus der Zeit um die Jahrhundertwende von einem Kreis u m H a r r y Graf Kessler in Berlin: „Er und einige seiner Freunde gehörten zu den glühendsten Bewunderern Friedrich Nietzsches; für seine Mission als ästhetischer Bahnbrecher stützte er sich auf die Prinzipien des Denkers, der ,mit dem Hammer philosophierte' und den neuen Menschentypus predigte, dem wir selbst anzugehören hofften." 977 U b e r das W e i m a r am Ende des Jahrhunderts schrieb Edith Gräfin Salburg: „Dann gab es die Hochgebildeten, die Freigeistigen, die ausgesprochenen Nietzsche-Salons, wo der Ton in sogenannten Gipfelgesprächen ganz überlegen genommen wurde. Man schwieg da am Besten, war man ein natürlicher Mensch, und starrte in die Teetasse. Nietzsche, der große Unglückliche, der Märtyrer seines überragenden Hirnes, schwebte hier über Allem; jeder, der ihn nicht begriff, erklärte ihn dennoch wortreich. Von seiner Schwester gebieterisch aber unendlich treuer Wesenskraft ging aus, was ihn unentwegt lebendig erhielt, man kann sagen, sie tyrannisierte mit ihm Weimar. Es war eine starke Frau, unerschütternd in ihrer gläubigen Treue. In den Kirchen wurde oft gegen ihren Bruder gepredigt; die frommen Kreise sprachen ihm den Fluch. Mein Mann [d. i. der Freiherr Dr. Franz Krieg von Hochfelden, Dozent der Mathematik] stellte ihn ganz hoch! Nietzsche soll nicht gelesen - er muß erlebt werden im eigensten Ich, soweit das reicht!" 978 Frau Selma Robitschek, geb. K o h n , bezeugt Kafkas Bekanntschaft mit Nietzsches W e r k aus dem Jahre 1900 in einem Schreiben an M a x Brod: „Unter dieser Eiche sind wir Kinder, Franz [eben Kafka] und ich oft gesessen und er hat mir Nietzsche vorgelesen, was und ob ich es verstand, Dr. Brod, es liegen 55 Jahre dazwischen [,..]" 979

977 H. v. d. V., Geschichte meines Lebens. Hg. u. übertr. v. Hans Curjel. Piper. Mchn. (1962), S. 183. 978 Erinnerungen einer Respektlosen. Ein Lebensbuch. 2. Bd. Hammer-Vlg. Lpz. 1928, S. 27; SALBURG, EDITH, GRÄFIN SALBURG-FALKENSTEIN (verh. F r e i f r a u v o n Krieg-Hochfelden,

Schloß Leostein / Oberösterr. 14. 10. 1868 - Dresden 3. 12. 1942), Schriftstellerin, Leiterin des Stromverlages in Dresden. 979 Franz Kafka, Briefe 1902-1924. Schocken Books. New York. (Hg. v. Max Brod, 1958), S. 495; s. a. Max Brod, Streitbares Leben. Autobiographie. Kindler. (Mchn. 1960), S. 234-237 (Frühling 1903). Nach einer mündlichen Mitteilung der Frau I. Bergmann, einer Tochter von Kafkas Tante Julie, heißt es bei K. Wagenbach (F. K. Eine Biographie seiner Jugend 1883 - 1912. Francke. Bern 1958, S. 61): „Die Lektüre des .Kunstwart' veranlaßte Kafka zur näheren Beschäftigung mit Nietzsche; zumindest .Zarathustra' hat er damals gelesen [...]" Etwas irreführend ist aber dabei Wagenbachs Erwähnung der „kämpferischen Haltung" der Zeitschrift mit dem Zusatz „(unter den Auspizien ihres Mitbegründers Nietzsche)". Ahnlich in seinem: F. K. in Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten. Rowohlt. Reinbek 1966, S. 40: „Diese von Nietzsche mitbegründete Halbmonatsschrift [...]" S. a. neuerdings die umfassende und eingehende Untersuchung von P. Bridgwater: Kafka and Nietzsche. Bouvier. Bonn 1974. 166 S. = Studien z. Germanistik, Anglistik u. Komparistik hg. v. A. Arnold u. A. M. Haas. Bd. 23. W. H. Sokel berichtet: „Übrigens war es gerade .Die Geburt der Tragödie",

1900 Franz Kafka: Aus dem Zarathustra „begeistert ein paar Zeilen" vorgelesen

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V o n e i n e m ä h n l i c h e n E r l e b n i s schrieb H u g o B e r g m a n n in sein T a g e b u c h über 7 0 J a h r e später: „Ich habe diese W o c h e auch die Ü b u n g e n n i c h t g e m a c h t , das tägliche L e s e n i m G e b e t b u c h des Bruders Laurentius (eben fällt m i r die A s s o z i a t i o n m i t d e m Laurenzi-Berg in P r a g ein, w o ich einmal F r a n z K a f k a traf, der den . Z a r a t h u s t r a ' v o n N i e t z s c h e in der H a n d hielt u n d m i r begeistert ein paar Zeilen v o r l a s . " ' 8 0 V o n d e r eigenen B e k a n n t s c h a f t m i t N i e t z s c h e s c h r e i b t M a x B r o d aus derselben Zeit: „ G e m e i n s a m e n t d e c k t e n w i r [d. s. er u n d M a x B ä u m l , ein Schulfreund] in der O b e r k l a s s e Ibsen, begeisterten uns in langen Spaziergängen für die geheimnisvollen H i n t e r g r ü n d e der . W i l d e n t e ' u n d des .Baumeister Solneß' - w i r lasen S c h o p e n h a u e r u n d N i e t z s c h e , mit d e m s c h o n geschilderten Ergebnis, das seine Spitze gegen N i e t z sche w a n d t e . " 9 8 1 S i c h e r l i c h K e n n z e i c h n e n d e s f ü r die A u f n a h m e N i e t z s c h e s b e i s o m a n c h e m z u r Z e i t d e r J a h r h u n d e r t w e n d e überliefert d e r B i o l o g e J a c o b v o n U e x k ü l l in einer kleinen Geschichte über den Geschichtslehrer an der Ritter- u n d D o m schule z u Reval Friedrich Bienemann: „ D e r überlegene T o n , den er seinen Schülern gegenüber anschlug, b e r u h t e keineswegs auf der b l o ß e n A u t o r i t ä t des L e h r e r s , s o n d e r n auf der i h m a n g e b o r e n e n Ü b e r heblichkeit seinen M i t m e n s c h e n gegenüber. Als G r a f W o l d e m a r Tiesenhausen, der

die Kafka bis in seine reifste Zeit schätzte. Kafka schenkte dem jungen Gustav Janouch dieses Werk, wie mir Janouch gesprächsweise mitteilte. Wie Janouch dabei betonte, war es Kafkas Gewohnheit, nur solche Bücher zu schenken, die ihm wertvoll waren." (Franz Kafka. Tragik u. Ironie. Zur Struktur seiner Kunst. Längen-Müller. Mchn., Wien (1964), S. 545). Einen entscheidenden Einfluß glaubt auch J . M . S. Pasley feststellen zu können, vor allem auf „In der Strafkolonie", „Der Bau" (Franz Kafka, D e r Heizer, In der Strafkolonie, Der Bau. With an Introd.and Notes by J . M. S. P. Cambridge 1966, S. 17 ff., 26 f.) und „Der Hungerkünstler" (J. M. S. P., Asceticism and Cannibalism: Notes on an Unpublished Kafka Text, in: Oxford German Studies 1966, Bd. 1, bes. S. 107 f.; KAFKA, FRANZ (Prag 3. 7. 1883 - Kierling b. Wien 3. 6. 1924), Schriftsteller. 980 Schmuel Hugo Bergmann, Tagebücher & Briefe. Bd. 2 1948-1975. Hg. ν. Miriam Sambursky. Jüdischer Vlg. (Königstein 1985), S. 623; BERGMANN, HUGO (Prag 25. 12. 1883 - Jerusalem 18. 6. 1975), Philosoph, wanderte 1920 nach Palästina aus, Leiter der Nationalbibliothek in Jerusalem, 1893 bis 1901 Mitschüler Kafkas auf dem Altstädter Deutschen Gymnasium in Prag. Uber das eigene Verhältnis zu Nietzsche s. d. im Namenverzeichnis angegebenen Stellen. Anführenswert ist noch die Stelle über den hebräischen Schriftsteller Josef Agnon (Buczacz / Galizien 17. 7. 1888 - Jerusalem 1970), der schon 1909 nach Palästina ging, die Zeit 1913 - 1924 aber in Deutschland verbrachte und 1966 den Nobelpreis für Literatur erhielt: „Dann erzählte er [d. i. Agnon], wie er einmal in Buczacz Nietzsche gelesen habe. Ein Freund von ihm entlieh Zarathustra von dem Begründer der jüdischen Arbeiterpartei, der in Buczacz lebte, auf einige Tage und lieh das Buch weiter an Agnon, auf drei Stunden. Agnon ging damit in den Wald - ,ich konnte ja kaum lesen und kannte den Unterschied zwischen f und t nicht' - aber er las, daß Gott tot sei und fühlte sich ungeheuer beeindruckt." (Ebd., Bd. 2, S. 231). 981 M. B., Streitbares Leben, a. a. O., S. 351; BROD, MAX (Prag 27. 5. 1884 - Tel-Aviv 20. 12. 1968), Schriftsteller.

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1900 Friedrich Bienemann: „Wieviel Übermenschen sind wir den überhaupt?"

wahrhaftig eine imponierende Persönlichkeit war, sich über Nietzsches Lehre vom Übermenschen abfällig äußerte, erwiderte Bienemann: ,Von Ihnen, Herr Graf, habe ich nichts anderes erwartet. Wieviel Ubermenschen sind wir denn überhaupt? Höchstens neunzig."'982 Uber die Zeit der Jahrhundertwende im allgemeinen und das Aufkeimen des Jugendstils im besonderen schrieb der Maler Ahlers-Hestermann, zum guten Teil aus eigenem Erleben: „Allerdings, die Zeit war reif; auch außerhalb des kleinen Kreises der Künstler und auf vielen Gebieten rührten sich Kräfte, die auf Erneuerung drängten. Wie Dynamit hatte insbesondere Nietzsches verwirrende Größe gewirkt."983 Uber den auf der Pariser Weltausstellung von 1900 ausgestellten Pallenbergsaal von Melchior Lechter heißt es: „Hier lebte jene kolossale Feierlichkeit, welche in dieser Epoche als eine Art Religionsersatz gelten mußte. Man hob nach der Wissenschaft die Kunst auf den Altar, denn Nietzsche hatte verkündigt, daß Gott tot sei. (Man gewöhnte sich rasch daran und fand es im Grunde recht bequem.)"984 Das 1901 in Darmstadt fertiggestellte Haus des Künstlers Peter Behrens beschreibt er dann wie folgt: „[...] man sah diesem gedrungenen, von dunklen Lisenen gefaßten Bau die ungemeine Energie an, kraft welcher es dem Autodidakten, dem Maler und Ornamentiker, möglich geworden war, ein solches Haus zu bauen [...] die starre Pathetik der Einzelform [...] Diese beherrschte das Musikzimmer ganz und gar: Die Tür war aus Aluminiumbronze, vier diagonal geordnete Strahlenbündel schmückten sie, Marmor, Mosaik und blaues Spiegelglas bildeten die Wände, und die Decke war vergoldet. Eine feierlich-stereometrische Ornamentik steigerte den Raum ins Sakrale. Es wäre unmöglich gewesen, hier eine Anekdote zu erzählen oder einen Straußschen Walzer zu spielen. Diese Ornamentik war mit derselben Energie, demselben auf das Monumentale zielenden Ernst aus den geschwungenen Formen seiner Münchener Zeit zu etwas ganz Eigenem entwickelt, wie das ganze Haus. Sie sprach deutlich eines der beherrschenden geistigen Erlebnisse der Zeit aus: man könnte sie als .Zarathustrastil' bezeichnen."985

982 J . v. U., Niegeschaute Welten. Die Umwelten meiner Freunde. Ein Erinnerungsbuch. S. Fischer. Bln. (1936), S. 51; BIENEMANN, FRIEDRICH GUSTAV (Riga 7. 2. 1838 - Straßburg 20. 9. 1903), Geschichtswissenschaftler, nach Studium in Dorpat, Tübingen, München und Göttingen Oberlehrer an der Domschule in Reval von 1865-85, Herausgeber der „Baltischen Monatsschrift" von 1880-88, 1888-1893 in Leipzig als Schriftleiter der Zeitschriften „Unsere Zeit" und „Blätter für literarische Unterhaltung", zuletzt Professor für osteuropäische Geschichte in Freiburg im Breisgau; UEXKÜLL, JACOB VON (Keblas / Estland 8. 9. 1864 Capri 25. 7. 1944), Biologe. 983 F. A.-H., Stilwende. Aufbruch der Jugend um 1900. Gebr. Mann. Bln. 1941, S. 9; AHLERSHESTERMANN, FRIEDRICH (Hamburg 17. 1. 1883 - Berlin 11. 12. 1973), bis 1933 Professor an der Werkschule zu Köln. 984 Ebd., S. 56 f. 985 Ebd., S. 87; s. a. S. 27; BEHRENS, PETER (Hamburg 14. 4. 1868 - Berlin 27. 2. 1940), vor-

1900 Johannes Haller: „diese krankhafte Denkerfigur"

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D i e e i n z i g a r t i g e L ö s u n g eines w o h l g e g e n die J a h r h u n d e r t w e n d e e i n s e t z e n d e n V e r h ä l t n i s s e s z u N i e t z s c h e f i n d e t s i c h i n e i n i g e n S ä t z e n des s c h w ä b i s c h e n Dichters August Lämmle: „Daß ich als Zwanzigjähriger beim vierten Gesang v o m Klopstocks Messias erlag, rechnete ich mir bald nicht mehr als Minderwertigkeit zu. Schlimmer war es für mich dann bei Nietzsche, dem sich meine Seele nicht harmonieren wollte. Dieses Ausstehen v o r der Türe beunruhigte mich jahrelang mehr, als ich sagen kann. D a ß ich schließlich und gern verzichtete, verdanke ich jenen Windbeuteln, die ihn als Propheten v o r ihren G r ö ß e n w a h n spannten." 986 V o m F r ü h l i n g 1897 bis 1900 w i r k t e J o h a n n e s H a l l e r an d e r Basler H o c h s c h u l e u n d l e r n t e F r a n z O v e r b e c k , d e s s e n G e s t a l t u n d W e s e n er s e h r ans c h a u l i c h schildert, k e n n e n . In d i e s e m Z u s a m m e n h a n g d r ü c k t der V e r f a s s e r s e i n e A b n e i g u n g g e g e n N i e t z s c h e d e u t l i c h aus: „Eine der interessantesten Gestalten unter den Professoren war der T h e o l o g e Franz Overbeck [...] Er lebte damals schon i m Ruhestand [...] D e r Herausgeber, sein Schüler Carl Albrecht Bernoulli, hat die Welt mit i h m bekannt gemacht u n d besonders sein Verhältnis zu Nietzsche ausführlich dargestellt. U b e r dieses w ü ß t e ich nichts zu sagen, denn meine Abneigung gegen diese krankhafte Denkerfigur war v o n jeher so tief, daß ich immer vermied, mit Overbeck v o n i h m zu sprechen." 987

nehmlich Baukünstler und Kunstgewerbler; s. d. Abschnitt von Tilmann Buddensieg „Das Wohnhaus als Kultbau. Zum Darmstädter Haus von Behrens" enthalten in dem umfassenden Sammelwerk: Peter Behrens und Nürnberg. Geschmackswandel in Deutschland. Historismus, Jugendstil und die Anfänge der Industriereform. Prestel (Mchn. 1980), S. 37-47. Bringt u. a. Briefbelege einer frühen Begegnung mit Nietzsches Werk: Ein Brief von Behrens vom 2. Mai 1896 als Danksagimg für Breysigs Nietzsche-Arbeit; ein anderer an denselben, der ihm einen Empfehlungsbrief an die Schwester geschrieben habe: „Was uns aber am meisten leid thut ist, daß wir nicht mehr nach Weimar kamen[ [...] ]aber wir bewahren ihre freundliche Empfehlung an Frau Förster-Nietzsche gut auf und werden [[...]] noch einmal später davon Gebrauch machen." Und am 6. Dezember 1902 dankte er der Schwester für die Ubersendung von Werken „ihres unsterblichen Bruders". Zur Einladung nach Weimar schrieb er: „Damit wird uns ein Wunsch erfüllt, den wir schon seit langer Zeit empfinden, ich schätze mich glücklich, all meine Verehrung und tiefste Bewunderung für den weisen Künstler vor Ihnen ausschütten zu dürfen." Der Verfasser stellt einleitend die Frage, „Welche Erwartungen verbanden die zahlreichen Freunde von Behrens mit seinen Arbeiten?", und erwähnt Lichtwark, Fr. Naumann, Dehmel, Hartleben, Bierbaum, Breysig, Meier-Gräfe, Georg Fuchs, Wilh. Schäfer, Scheffler, Max Osborn und Franz Blei. Die Antwort lautet: „Es waren Erwartungen, die sich für die Genannten aus der Gemeinsamkeit eines alles beherrschenden Nietzsche-Erlebnisses herleiteten [...] Behrens schien der einzige der bildenden Künstler seiner Generation zu sein, der über den von Nietzsche prophezeiten .großen Stil' verfügte, er schien die erhoffte Synthese aller Künste in einem neuen Lebensstil herbeiführen zu wollen und zu können." 986 A. L., Unterwegs. Erlebnisse und Begegnungen. Oertel & Spörer. Reutlingen (1951), S. 14; LÄMMLE, AUGUST (Oßweil / Württ. 3. 12. 1876 - Tübingen 8.2.1962), Heimatschriftsteller, damals Volksschullehrer. 987 J. H., Lebenserinnerungen. Gesehenes, Gehörtes, Gedachtes. W. Kohlhammer. St. (1960), S. 208; HALLER, JOHANNES (Keinis a. d. Insel Dago / Estland 16. 10. 1865 - Tübingen 24.

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1900 Konrad Falke: „eine Tragödie ,Christus' [...] ein herrliches Übermenschenthema"

Gustav Radbruch, der die Jahre 1898-1901 als Student der Jurisprudenz in München, Berlin und Leipzig verbrachte, erzählte: „Jene jugendliche Unbefriedigtheit in meinem Fachstudium machte mich besonders empfänglich für die Zeitstimmung, die man damals fin de siècle nannte. Man mag sie als ein trübes Gemisch aus Schopenhauer, Nietzsche und Max Stirner bezeichnen, oder vielmehr: mißverstandene Schlagworte dieser drei Denker dienten einer aus den Zeitverhältnissen erwachsenen Gesamtstimmung zum Ausdruck. Mit scharfer Kritik wurden die .konventionellen Lügen der Kulturmenschheit' (nach einem Wort von Max Nordau) entlarvt, mit bitterm Spott die Illusionen und Vorurteile der Zeitgenossen vernichtet, aber mit Spott und Zweifel auch echte Werte zersetzt. Wenn Illusionslosigkeit Pessimismus, und Entwertung aller Werte Nihilismus ist, so kann man jene Zeitstimmung als pessimistisch und nihilistisch bezeichnen. Übrig blieb nach diesem Vernichtungswerk nur die Verherrlichung der Dynamik des Lebens überhaupt, die Lobpreisung der Bewegung, gleichgültig nach welchem Ziel, und der Kraft, gleichviel in welchem Dienste." 988 In seiner Doktorarbeit über den Schweizer Schriftsteller Konrad Falke bezeugt Zeno Inderbitzin, der ungehinderten Einblick in die ungedruckten Tagebücher Falkes gehabt hat, daß Falke kurz vor der Jahrhundertwende „begeistert von Nietzsche und der italienischen Renaissance" gewesen sei. Diese Begeisterung spielte eine nicht unbeachtliche Rolle bei der Entstehung von dessen „entstehungsgeschichtlich" interessantestem Werk „Astorre", mit dem Falke sich „mehr als dreißig Jahre lang [...] fortwährend [...] beschäftigt" habe, sowie bei dem umfangreichsten, dem zweibändigen „Jesus von Nazareth". Hierzu führt Inderbitzin aber lediglich zwei Tagebuchstellen an: „TB 6. Dezember 1900: .Habe Rydbergs / - schwedischer Dichter und Schriftsteller liberalistischer Einstellung, 1828-1895 - / „Singoalla" gelesen, ohne davon einen künstlerisch reinen Genuß gehabt zu haben - aber ein Gedanke blitzte in mir auf, der vielleicht noch eine reife Frucht hervorbringen wird: Ein Drama um die Pestzeit 1350 herum in einem ital. Renaissancehof - , dessen Held ein Ubermensch zum Teil und zum Teil ein tief philosophisch angelegter Charakter ist.'" (S. 127) „TB 8. August 1902: .Schon seit mehreren Tagen verwende ich immer den Morgen dazu, die gotische Bibel zu übersetzen. Dabei ist mir unwillkürlich der Gedanke an eine Tragödie „Christus" gekommen. Das wäre im Grunde ein herrliches Übermenschenthema, denn daß Christus ganz anders war, als die christliche Kirche ihn uns zeigt, ist meine feste Überzeugung.'" (S. 123)989

12. 1947), Geschichtswissenschaftler. 988 G. R., Der innere Weg. Aufriß meines Lebens. K. F. Koehler. St. (1951), S. 52 f.; RADBRUCH, GUSTAV (Lübeck 21. 11. 1878 - Heidelberg 23. 11. 1949), habilitierte sich 1903 in Heidelberg, 1914 als a. o. Professor nach Königsberg, 1916-18 an der Westfront, darauf in Kiel (1919-1926) und wieder in Heidelberg bis 1933, 1946 bis zu seinem Tode Dekan der Juristischen Fakultät in Heidelberg. 989 Ζ. I., Konrad Falke (Karl Frey). Sein Leben, seine Werke. Rex-Vlg. Luzern (1955) = Diss, d. Univ. Freiburg i. Ue.; FALKE, KONRAD (eigentl. Karl Frey, Aarau / Schweiz 19. 3. 1880

1900 Chaim Weizmann: „Es ist das beste und schönste, was ich Dir senden kann."

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Die häufigen Erwähnungen Nietzsches in den Briefen Chaim Weizmanns an seine künftige Frau Vera Khatzman in der Zeit v o m März 1901 bis Juli 1902 legen es nahe, daß er Nietzsches Werke schon vor der Jahrhundertwende kennenlernte. Die erste Begegnung läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen, mag aber wohl schon während seiner Studentenzeit in Berlin 1895-1898 erfolgt sein. A m 8. Juni 1901 schrieb er von Genf aus: „Am Montag hält Mlle. Axelrod aus Bern hier einen Vortrag über Nietzsche und den Sozialismus). Armer, armer Nietzsche, welch häßliche Lippen werden seine Worte sprechen, und die Herren Soz(ialisten) versuchen ihre kleine rote Mütze auf den Kopf des riesigen Genius zu ziehen. Es erscheint deutlich genug, daß niemand diese Gesellschaft weniger mochte als Nietzsche. Sie hätten ihn in Ruhe lassen sollen, sie hätten ihn in seinem Grabe friedlich ruhen lassen sollen, anstatt mit seinem Namen herumzuspielen, und zu welchem Ende? Mlle. Α. wird wahrscheinlich beweisen, daß Nietzsche Unrecht hatte, daß, wenn er sie gekannt hätte, er viel weiser gewesen wäre, Pack, Pack, Pack!" 990 U n d am 28. Juli 1902: „Wenn Du Deutsch lesen kannst, werde ich Dir eine wunderschöne Ausgabe von Nietzsches .Zarathustra' besorgen, aber eine wirklich wunderschöne. Also mache nur weiter, meine Süße, und wir werden es bestimmt regelmäßig lesen. Daß wir es voriges Jahr nicht regelmäßig gemacht haben, war schuld äußerer Umstände. Jetzt wird es ganz anders sein, du wirst sehen, meine Liebe."991 Eine letzte anführenswerte Erwähnung erfolgte am 3. August 1902: „Verula, meine Freude, ich sende Dir Nietzsche: lerne ihn lesen und verstehen. Es ist das beste und schönste, was ich Dir senden kann."992

- Eustia / USA 28. 4. 1942), Schriftsteller. 990 The Letters and Papers of Chaim Weizmann. Series Α. Letters. Vol. I: Summer 1885 - 29 October 1902. Ed. by Leonard Stein in collaboration with Gedalia Yogev. Oxford Univ. Press. Lond. 1968, S. 123. Diese und die folgenden Übersetzungen vom Verfasser; WEIZMANN, CHAIM (Motyli b. Pinsk 27. 11. 1874 - Rehowot / Israel 9. 11. 1952), Chemiker und Zionist, 1892-1897 Studium in Darmstadt, Berlin und Fribourg, wo er 1899 promovierte, 1899-1904 Privatdozent in Genf und gleichzeitig führend in der zionistischen Bewegung, danach lange Zeit in England und zuletzt am 17. 2. 1949 erster Präsident Israels; KHATZMAN, VERA, geb am 26. 11. 1881 zu Rostov a. Don, lernte Weizmann im November 1900 in Genf, wo sie Medizin studierte, kennen und heiratete ihn 1906 nach der Promotion im selben Jahr; AXELROD, LjUBOV ISAAKOWNA, geb. 1868, Schriftstellerin. 991 Ebd., S. 328. 992 Ebd., S. 341; s. a. S. 95 (v. 14. 3. 1901, ein abschätziges Urteil über Lichtenberger als Vortragenden über Nietzsche) und sonst das Namenverzeichnis. In seiner 1949 veröffentlichten Autobiographie beschreibt Weizmann, wie er Mitte der 30er Jahre „den bittersten Angriffen, die ich jemals erlitten habe", ausgesetzt gewesen sei, und vermerkt dazu: „Ich kann in diesem Zusammenhang nur die Worte Nietzsches anführen: ,Dem Reinen ist alles rein, dem Schweine ist alles Schwein'." (Trial and Error. Harper. New York, S. 381) Das gleiche Zitat hatte er in einem Brief an Vera Khatzman v. 15. 3. 1901 gebraucht, wozu die Herausgeber vermerkten: „ein Widerhall des Briefes an Titus I, 15." Neben der zukünftigen Gattin, einer Medizinstudentin in Genf, scheint Weizmann auch zwei andere damals in Genf studierenden Russinnen mit Nietzsche bekannt gemacht zu haben, nämlich Catharina Dorfman und

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1900 Arthur Rubenstein: „Die Schönheit der Sprache beeindruckte mich tief [...]"

U m das Jahrhundertende kam Arthur Rubenstein nach Berlin und in die Hände eines Privatgelehrten namens Dr. Theodor Altmann, dessen er viel später in einem erfundenen Brief, für Unterricht und menschliches Verständnis dankend, recht herzlich gedachte. Unter all den Namen und Unterrichtsgegenständen nimmt Nietzsche darin den breitesten Raum ein: „Zusammen lasen wir ,Also sprach Zarathustra'. Die Schönheit der Sprache beeindruckte micht tief, weniger die Richtung von Nietzsches Denken, wenngleich ich dem, was er in ,Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik' zu sagen hat, ganz und gar zustimmte."993 In der Zeit seiner ersten Verbannung in Rußland, die im Jahre 1900 begann, oder davor muß auch Leo Trotzki mit dem Werk Nietzsches bekannt geworden sein, denn er schrieb über seine damalige Mitarbeit an der Irkutsker Zeitung „Ostliche Rundschau", die er unter dem Decknamen „Antid O t o " ausführte: „Ich schrieb über das Bauerntum, über die russischen Klassiker, über Ibsen, Hauptmann, Nietzsche, über Maupassant und Estaunié, über Leonid Andrejew und Gorki."994 Hans Fürstenberg erzählt aus seiner Kindheit im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts von den mit seinen Eltern verbrachten Sommeraufenthalten in Norditalien und der Schweiz: „Hiermit kann ich die Schilderung der Kindheitserlebnisse in verschiedenen Badeorten beschließen, denn mit dem Ober-Engadin hatte mein Vater das Ferienparadies gefunden, das ihm und den Seinen für mehr als ein Jahrzehnt alle Freuden des Sommers verschaffte [...] Dabei wurde St. Moritz bald mit dem noch höher gelegenen Sils Maria vertauscht [...] Meine Mutter wiederum fand bequemere Waldpfade im Tal oder an den Seen und konnte sich auf der bezaubernden Halbinsel, der ,Chasté', ausruhen, die voller Erinnerungen an den von ihr verehrten Friedrich Nietzsche war."995

Esther Shneerson. 993 A. R., Erinnerungen. Die frühen Jahre. S. Fischer. (Ffm. 1973), S. 40; RUBENSTEIN, ARTHUR (Lodz / Polen 28. 1. 1887 - Genf 20. 12. 1982), Konzertpianist, Klavierunterricht in Berlin, trat schon mit dem 13. Lebensjahr öffentlich auf; s. a. die Äußerung über das eigene Handwerk: „Nietzsche nennt in ,Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik' die Musik dionysisch, alle anderen Künste hingegen apollonisch, weil sie die Natur, ihre Ideen und Visionen interpretieren, während die Musik ihm als eine unabhängige metaphysische Kraft der Schöpfung gilt. Ich finde diesen Vergleich gut, und so betrachte ich denn die großen Schöpfer der Musik als Dionysier und ihre Interpreten als Apollonier." (Ebd., S. 427) 994 L. T., Mein Leben. Versuch einer Autobiographie. S. Fischer. Bln. 1930, S. 122; TROTZKI, LEO (eigentl. Lev Davidowitsch Bronstein, Yanovka 25. 10. 1879 - 20. 8. 1940 Cojoakan / Mexiko ermordet), 1899 zu vier Jahren Haft in Siberien verurteilt, 1902 entkommen. 995 H . F., Erinnerungen. Mein Weg als Bankier und Carl Fürstenbergs Altersjahre. Econ-Vlg. Düsseldorf, Wien (1968), S. 9; FÜRSTENBERG, ANIELA, geb. Natanson, Tochter eines Warschauer Arztes, dessen Familie sonst im polnischen Bankwesen führend war, frühzeitig

1900 Rolf von Hoerschelmann und die Elf Scharfrichter

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Aus dem Jahre 1900 berichtet Ernst von Wolzogen über den Anfang des „Überbrettl", dessen Eröffnungsvorstellung in Berlin am 18.1.1901 stattfand: „Aus meiner Pariser Erfahrung und meinem eigenen Empfinden heraus gestaltete sich nunmehr mein Uberbrettl folgendermaßen: kein Bier- und Weinverschank und Tabaksqualm, sondern regelrechtes Theater. Eine Rampe und ein gehöriger Orchesterraum zwischen mir und dem Publikum; eine Kleinbühne für anmutige Kleinkunst aller Art; kein Zugeständnis an den Geschmack der Proleten; die Satire nicht verletzend und verhetzend, keinem politischen Parteistandpunkt dienend; keine Zimperlichkeit im Erotischen, aber erst recht keine aufreizende Schwüle oder gar plumpe Zote. Die Unterlagen für meine Darbietungen sollten mir ausschließlich wirkliche Dichter liefern, keine gewandten Reimschuster. Und die Musik dazu sollten nur deutsche Musikanten machen, die noch nicht in der krampfhaften Suche nach dem Nochnichtdagewesenen ihre Erfindungskraft und ihren Geschmack für melodische Anmut eingebüßt hatten. Meine Darsteller und Sänger endlich sollten Künstler sein. Künstler aber, die den Eindruck vornehmer und geschmackvoller Dilettanten machten. Das war das Ideal [...] Ich hatte in jener Zeit begonnen, mich in Nietzsche zu versenken. Und wie Nietzsches Traum vom Ubermenschen auf mein Schlagwort vom Uberbrettl abgefärbt hatte, so auch die Nietzschischen Lieblingsideen vom dionysischen Menschen, vom Tänzer, von der fröhlichen Wissenschaft, von der Bändigung der blonden Bestie durch eine Kultur der Anmut, der vornehmen Haltung."996 Ahnliches berichtet Rolf von Hoerschelmann vom Winter 1900 / 01 in München und dem Anfang der „Elf Scharfrichter", deren öffentlicher Auftritt am 13. April 1901 in Schwabing erfolgte: „Die Schwabinger, von denen ich sprechen möchte, machten sich anheischig, die Welt zu ändern, jedes Ideal im täglichen Leben zu verwirklichen, nach ihren Grundsätzen zu leben. Sie waren Schüler Nietzsches. Und einer ihrer Grundsätze lautete, wie es der große Schwabinger Ludwig Klages ausdrückt: .Nicht im Dasein und in der Behauptung des Daseins offenbart sich das Leben, sondern allein in den

schauer Arztes, dessen Familie sonst im polnischen Bankwesen führend war, frühzeitig literarisch angezogen, in 1. Ehe verh. Triebel. 996 E. v. W., Wie ich mich ums Leben brachte. Erinnerungen und Erfahrungen. G. Westermann. Braunschweig, Hamb. (1922), S. 196 f.; s. a. ebd., S. 48, 53 f („Mein sittliches Ideal ist die Vornehmheit im Sinne Nietzsches. Der Übermensch gilt mir nur als eine poetische Spielerei dieses unsers größten optimistischen Idealisten."), 173, 182, 195, 267-270; ähnlich wie oben hieß es in dem Vorwort zu „Ansichten und Aussichten. Ein Erntebuch. Ges. Studien üb. Musik, Literatur u. Theater." (Fontane. Bln. 1908, S. xii:) „[...] seit ich aber in meinem Ubermute so weit ging, meine eigne Person in der Maskerade eines tanzenden Prophetens im Sinne Nietzsches auf die Bretter hinzustellen, [...] wurden mir [...] die bürgerlichen Ehrenrechte abgesprochen." Etwas anders hatte er schon Ende 1906 das Vorhaben des „Uberbrettls" geschildert: „Das Wort,Uberbrettl' ging allen Ohren ein, und der Gebildete vermochte sich ohne weiteres das Richtige dabei zu denken: ein ironisches Spiel mit dem Nietzscheschen Ideal erhöhten Menschentums, durch ein modernes Artistenraffinement angewendet auf die leichte Kunst des Brettls." (E. v. W., Verse zu meinem Leben. Fontane. Bln. 1907, S. 132).

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1900 Heinrich Hart über Überdichter und Übermimen „mit Überknöpfen am Überrock"

Augenblicken jener überströmenden Fülle, die selbst mit Zerstörung des Leibes noch nicht zu teuer erstanden wäre.'"997 N i c h t gerade sehr schmeichelhaft schilderte Heinrich H a r t einen „Abend im Bunten Theater. 7. Juli 1901": „Eine fröhliche Überraschung war es mir, daß das ,Bunte' noch immer nebenbei den ehrwürdigen Kosenamen Uberbrettl führt. So hat denn grausame Wirklichkeit bis heute noch nicht die Selbstschätzung und Selbstzufriedenheit der bunten Herren zerstört. Noch immer sind sie die Uberdichter, Ubermimen, Ubermenschen, nach denen der Seher Nietzsche ,mit der Seele' suchte. Sie waren ihm so nahe, und er merkte nichts von ihnen, obwohl sie ohne jede Schwierigkeit zu erkennen sind. Sie tragen einmütig weiße Gamaschen und märchenhaft marmorierte Westen. Von den imponierenden Uberknöpfen am Uberrock ganz zu schweigen [...] Als literarische Ubermenschen haben sie einst wacker über die kunstmordende Sitte der gemeinen Alltagsbühnen mitgewettert, über die Sitte, ein Zugstück hundert Mal hintereinander herunterzuspielen. Nun machen sie es gerade so, aber nur ist das ganz etwas anderes [...] so offenbart sich darin eine reizende Naivität, eine fröhliche Unbekümmertheit um das Urteil der hämischen Menge." 998

997 R. v. H., Leben ohne Alltag. Wedding-Vlg. Bln. (1947), S. 111. Unter den Mitgliedern der „Elf Scharfrichter", die bis in den Frühling 1904 auftraten, zählt er auf: „[...] Otto Balckenberg und Leo Greiner, Ernst Neumann den Graphiker und Wilhelm Hüsgen den Bildhauer, Richard Weinhöppel den Musiker, und Max Langheinrich, der die Bühne einrichtete, [...] einen Rechtsanwalt Köthe [...]", Hanns von Gumppenberg, Frank Wedekind, Hans Dorbe, Marya Delvard, Willy Rath, Leonhard Bultsmans, Heinrich Lautensack; GREINER, LEO (1876 -1928), Schriftsteller, später Feuilletonredakteur der MAZg; HOERSCHELMANN.ROLF VON, geb. am 28. 2. 1885 zu Dorpat, Kunstmaler; LAUTENSACK, HEINRICH (Vilshofen 15. 7. 1881 - Eberswalde b. Berlin 10. 1. 1919), Student in München, darauf Kabarettist, Schriftsteller und Herausgeber, seit 1918 geistig umnachtet; RATH, WILLY (Wiesbaden 21. 9. 1872 Berlin 16. 1. 1940), Journalist, kurze Zeit auch Theaterdirektor, Redaktionsmitglied des „Frankfurter Generalanzeigers". 998 H . H., Ges. Werke. Bd. 4, a. a. O., S. 242 ff.

Namenverzeichnis ... und Nietzsche Das Namenverzeichnis enthält sämtliche vorkommenden Namen von Zeitgenossen und Spätergeborenen; von Verlegern allerdings nur diejenigen der sogenannten Nietzsche-Verleger, Fritzsch, Schmeitzner und Naumann, sowie die der betreffenden Drucker. Mit einem * versehen sind die Namen solcher, bei denen sich kein unmittelbarer Zusammenhang mit Nietzsche feststellen ließ oder die in einen zeitlich späteren hineingehören. Fettgedruckte Zahlen verweisen auf das Erst- oder Hauptvorkommen des Betreffenden. Aarmann, Ernst 677 (1186) Abels, Ludwig xxxii, 486 Achelis, Thomas 295 (306), 296 (306a-b), 370, 410, 446, 482, 495 (696), 572, 602, 635 (1055), 641 (1085), 661 (1151) Adams, Heinrich 138 »Adler, Alfred 395, 429 * Adler, Friedrich 386, 388 •Adler, G. 429 Adler, Georg xii, xlvii, 217 (179), 241 Adler, Sigmund 64 Adler, Viktor 23, 60, 61, 64, 65, 69, 118 Adlhoch, Beda Franz 303 (324) Aegis 452 (603) *Agnon, Josef 691 Ahlers-Hestermann, Friedrich 692 *Aichelburg, Graf E. von 388 *Aksakow, Alexander xxxvi Albert, Henri xi, 169, 339 (339), 319 (343), 664 (1162) d'Albert, Eugen 254 d'Albert, Frau Louise 254 Alberti, Conrad 173, 226, 227, 246, 305 (329), 372, 373, 388 Albrecht, Engelbrecht 388 Albrecht, Otto Wilhelm Ferdinand 454 (604) Alexandra, Prinzessin von Altenburg s.

Constantin, Großfürstin *Alt, G. xxxviii * Altenberg, Peter 326, 327, 476, 550, 564, 651 Altmann, Theodor 696 Alvensleben, Elisabeth von 175 Ambros, August Wilhelm 14 *Amyntor, G. v. 245 »Anderson, Harriet 157 Andreae, Wilhelm 377 Andreas, Friedrich Carl 95, 192 (156), 193 Andreas-Salomé, Lou s. Salomé, Louise von Andrejanoff, Viktor von vii, 338 f., 347 (395), 374 (471) Andresen, Georg 1 Andrian-Werburg, Leopold Ferdinand, Frhr. v. 210,211 *Andronikow, Wladimir, Fürst 453 Angermann, Constantin Theodor 1 anonym 18 (2), 22 (6), 26 (10, 11), 31 (1517, 19), 32 (20), 33 (23, 24), 37 (31), 41 (35, 36), 49 (41), 57 (46), 62 (47), 76 (54), 90 (66), 100 (73), 114 (75), 150 (102), 158 (113), 165 (117, 119), 168 (123), 169 (127), 171 (130), 227 (192), 242 (212), 246 (219), 256, 277 (277), 283 (289), 285 (294), 292 (300), 305 (330), 308 (337), 323 (350), 339 (368), 342 (375), 345 (386), 355 (413), 357 (418), 358

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Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

(421), 359 (423), 366 (446), 367 (451), 370 (460), 371 (462), 372 (468), 373 (469), 374 (472), 393 (492), 406 (514), 412 (524, 525), 413 (528), 420 (538), 421 (540), 422 (542, 543), 436 (559-559a), 437 (559b-d), 438 (565), 448 (588, 590), 449 (591), 451 (595), 464 (620), 466 (626), 467 (628-628a), 470 (636), 471 (642, 644), 478 (665), 485 (677, 678), 492 (689), 510 (738, 740), 512 (747), 516 (756, 758), 519 (764), 547 (816), 555 (832), 556 (837), 562 (853), 567 (872), 569 (882), 573 (892), 577 (903, 905), 579 (910), 583 (915), 595 (929), 600 (932, 933), 603 (943, 944), 608 (962, 964, 965), 612 (971), 618 (991), 625 (1004, 1005), 626 (1007, 1008), 627 (1012, 1014), 628 (1015, 1018-1020), 629 (1023, 1024, 1026, 1027), 630 (1027a-c), 631 (1035), 634 (1047-1049), 635 (1054), 636 (10581058b), 637 (1061), 639 (1068), 640 (1074, 1075), 642 (1089), 644 (1096), 645 (1099), 648 (1115-1115c), 652 (1129-1129b), 656 (1139), 658 (1143), 660 (1146), 662 (1154, 1156), 665 (1164), 668 (1173), 674 (1183), 682 (1204), 684 (1208) »Ansorge 160 Ansorge, Conrad 160, 292, 471, 650, 654 Ansorge, Margarete 292 "•Aram, Kurt xxx Arent, Wilhelm xxii, 388, 447, 464 Arnauld, Michel 664 * Arnold, Armin 273, 690 Arnold, Carl Franklin 45 * Arnold, R. F. 269 Arnoldt, Richard 1 Asch, Max 248 Ascher, David 14, 50 (43) »Ascherson, F. xxxv »Aschheim, Steven E. xiii Asmus, Martha 346 (390) Asmus, Wilhelm 525 (779) * Aster-Gießen, E. v. 134 (81g) Atlanticus 647 (1110) Auguste Viktoria, Kaiserin 268 Avenarius, Ferdinand xxix, 123, 141, 149, 158 (111), 161, 163, 422, 426, 510 (739), 526, 578, 648 (1111) Avenarius, Richard 51, 52, 422 Axelrod, Ljubov Isaakowna 695 »Ayrer, H. 388

B., A. 467 (629) B., F. 308 B.,J. 543 B„ M. 333 (357) B„ O. 545 (809) B. B. Franconia 680 Bab, Julius 198 »Bacher, Eduard xxxiii Bachofen, Johann Jakob 11, 77, 381 Bachofen, Louise Elisabeth 11 »Backhaus, Wilhelm E. 386, 388 »Baechtold, J. 30 »Baeck, Leo 652 »Bänsch, Dieter 565 Bäuml, Max 691 »Baeumler, Alfred viii Baginski, Max 253, 384, 385 Bahnsen, Julius 45, 47, 68, 119, 221, 367, 576, 605, 685 Bahr, Hermann xl, 133, 192, 206-209, 210, 226, 227, 229, 246, 266 (258), 287, 327, 333 (355), 339, 361, 511, 563, 614, 634 (1050), 656 Baisch, Otto 687 Bakunin, Micha Alexandrowitsch 663 Balckenberg, Otto 698 Baligand, Maximilian von 13, 19, 36 Bamberger, Heinrich von 68 Bamberger, Ludwig 252 (230-230a), 492 »Barnhill, J. B. xxiv »Barnikol, Ernst 29, 85 Barres, Maurice 209, 266 »Barsch, Paul xxxi, 388 Bartels, Adolf 392 (491), 395, 440 (569569d), 441 (569e-j), 557 (838), 573 (890), 644 (1093-1093b) Bartels, Hans von 108 Bartels, Wanda von 108 Barth, Johann Friedrich 9, 10 »Barth, Karl 9 »Barth, Paul xxxix, 475 (655) »Barth, Theodor xxxii »Barthel, G. E. 388 Bartsch, M. 445, 446 (582) Basedow, Hans von 172, 358 (420), 388 »Bassermann, Dieter 371 Bauch, Bruno 639 (1070) Bauer, Bruno 29, 85 (62), 94, 357, 504 »Bauer, Michael 352 »Bauer-Lechner, Natalie 389

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche »Baum, Marie 232 Baumann, Dr. s. Bettmann, Leopold »Baumbach, Rudolf 245, 386 »Baumgarth, Christa 538 Baumgartner, Adolf 20, 29, 46, 53, 70 Baumgartner, Jacob 46 Baumgartner-Köchlin, Marie 46, 48, 53, 56, 70, 79, 82, 88, 94, 99, 424, 680 »Bauschinger, Sigrid 537 »Bebel, August 287, 308, 353, 367, 373, 560, 584 Bebenburg, Edgar Karg von 210, 211 Becher, Ernst 81 »Bechhold, J. H. xxiii Beck, August 17 Beck de Druween 532 »Becker, Jean 101 »Becker, Josef 529 »Becker, Marie Luise 172 Beckmann, Hugo 591 »Beer-Hofmann, Richard 133, 210 »Behler, Ernst xxxiv »Behr, H. u. W. 102 Behrens, Peter 692 f. »Béinguier, R. xviii Benda, Carl 186 (144) »Benedict, Moriz xxxiii »Ben-Horim, Meir 270 »Benn, Gottfried χ Benndorf, Friedrich Kurt 480, 672 (11781178a) Benndorf, Otto 640 »Benzmann, Hans 526, 578 »Beradt, Martin 268 Berdischevsky s. Berdyszewski, Micha Josef Berdy(s/c)zewski, Micha Josef xiii, 591, 677 Berg, Ernst 86 Berg, Leo xi, xii, xxii, xxiv, xxxii, 171 (128), 177 (136), 183, 194 (161), 195 (162162a), 196, 217 (178), 235 (200), 247 (220), 255 (AG), 267, 304, 457 (613), 511, 516, 525, 527, 614, 618 (993-993a), 641 (1083), 648 (1113) »Bergdolt, Ernst 142 Bergemann, Paul 658 Berger, Alfred, Frhr. von 210, 639 (1073), 640(1073a), 663 (1157) »Bergk, Theodor 32, 44 Bergmann, Frau I. 690 »Bergmann, J. xxxv

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Bergmann, Schumel Hugo 691 »Bergson, Henri 319 »Beringer, Jos. Aug. 112 Beri, Heinrich xii »Berlin, Jeffrey B. 563 »Bermann, Alexander 384 Bernays, Jacob 4, 14, 16, 506 »Bernd, C. A. 89 »Berndl, Ludwig 340 »Berndt, Lazzar A. 30 Bernfeld, Simon 360 (427) Bernhard, Johannes 497 (704) »Bernoulli, Carl Albrecht 8, 12, 28, 39, 43, 65, 72, 82, 88, 99, 102, 126, 127, 162, 167, 173, 314, 424, 425, 480, 566, 693 Bernstein, Eduard 67, 272 (269) »Berthold, Arthur 673 (1181) »Bertram, Ernst 480, 666, 684 Bertz, Eduard 639 (1071-1071b), 642 (1086), 651 (1127), 652 (1127a), 684 (1209) Besser 308 Bethe, Erich 532 »Bethge, Hans 526, 578 Bettelheim, Anton xix, 39, 110, 125, 451 (596) Bettmann, Leopold 187 Betz, Eduard 471 Betz, Louis 653 (1131) Bewer, Max 229 Beyerlein, Franz Adam 689 »Bezzel, Hermann 2 Bie, Oskar xxv, 300 (317), 319 (344), 647 (1107) »Bieber, Hugo 656 (1140d-e) Biedenkapp, Georg 385, 400 (510), 416 (531), 446, 499 (711), 526 (781), 677 (1189) Biedermann, Karl xxi, 3, 5, 167 Bienemann, Friedrich Gustav xxxviii, 691, 692 Bierbaum, Otto Julius xxv, xxvii, xxxv, 197, 206, 220, 246, 284 (291), 311, 338, 359, 375 (477), 386, 388, 486, 505 (727), 526, 550, 578, 651, 657 (1141), 692 Biese, Alfred 368 (455), 386 f., 454 (606) Bilharz, Alfons 46 Billroth, Theodor 154, 302, 346, 643 Binde, Fritz 501, 502 »Binder, Franz xxvi Binder, Gustav 34 (28) Binding, Carl Ludwig 6, 7, 141

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Namenverzeichnis: ... und Nietzsche

»Binding, Rudolf G. 6 f. »Binion, Rudolph 111 Binswanger, Otto 187, 555, 642 f. Bismarck, Otto, Fürst von 2, 11, 39, 73, 85, 97, 163, 167, 229, 254, 267, 294, 319, 321323, 344, 357, 359, 360, 382, 393, 402, 420, 432, 450, 455, 476, 524, 525, 530, 534, 600, 604, 632, 637, 650, 657, 659, 679, 681 •Bittrich, Max 388 »Bitzius, A. xxxvi Bizet, Frau Geneviève 149 Blau, Paul 483 Blei, Franz 177, 178, 578, 693 Bleibtreu, Carl xxvi, 129, 246, 275, 388, 436 (558), 458, 512, 614, 654, 682 Blennerhassett, Lady, Charlotte 537, 538 »Bliss, Mildred 13 »Bloch, Dr. xxxiv »Bloch, Ernst 217 Bloch, Joseph xxiii, xxxvii, 659 f. »Bloch-Zavrel, L. 268 Blüher, Hans 86 »Blüthgen, Victor 245, 388 Blu(h)m, Agnes 108, 109 »Bluhm, E. 267 Blum, Hans xxvi, 33 Blume, Georg 131 »Bock, Emil 655 *Bockstahler, O . L. 204 Bode, Wilhelm von 392 Bodenhausen, Eberhard von 358, 359 »Bodenhausen, K. G. 381 Bodenhausen-Degener, Dora, Freifr. von 359 Bodman, Emanuel, Frhr. von 526, 578 »Bodmer, Martin xx Bockel, Fritz 163 »Böcklin, Arnold 260, 265, 288, 370, 402, 403, 476, 479, 494, 534, 632, 651, 654 »Böhlau, Helene 651 Böhler, Paul 292 »Boehlich, Walter 103 »Boelitz, M. 578 Boehmer, Raben 593 (926) Bölsche, Wilhelm xxv, 196, 197, 242 (213), 246, 271 (266), 305 (331), 489, 535 Bölte, A. 151 (103) Böttcher, Friedrich 33 Böttcher, Karl Johann 485 (676-676Ì) Böttger, Paul Gustav Richard 630 (1030)

»Bohnen, Klaus 188 Bolin, Wilhelm 393 (494), 470 (640) Bollands, G. J. P. J. 221 Bondi, Seraphim 64 von Bonitz 77 Bonus, Arthur 324, 466 (624), 509 (734), 510 (736), 511 (744), 557 (840), 573 (891), 670 (1176) Borbein, Ernst Adolf Wilhelm Johannes 388 (481) Borchardt, Rudolf 665, 666 »Borgius, W. 535 »Borland, Harald 149, 161, 174, 189 Bormann, Edwin 632 »Bornstein, P. 578, 613 »Boulby, M. 675 »Bousset, W. xxxviii Bovet, Gustav 5 »Bowman, Η. E. 429 »Boy-Ed, I. 245, 326 »Brachmann, Wilhelm ix, xxxix Bradke, Marie von 123 f. Bräutigam, Ludwig 290 (297a-b) »Brahm, Otto xxv Brahms, Johannes 80, 81, 94, 125, 140-142, 152, 154-156, 168, 236, 451, 454 f. Brakl, Franz Joseph 169 (125) Brand, Adolf xxiv, 395 (499) Brand, Franz s. Bonus Arthur Brand, Julius 132, 206 Brandes, Eduard 174, 189 Brandes, Georg Morris Cohen xi, xii, xlvii, 28, 89, 97, 107, 111, 127 f., 140, 141, 146, 147, 149, 150, 160, 162, 163, 174, 186, 187 (147), 188 (147a-e), 189, 192, 193, 229, 233, 258, 270, 305, 352, 382, 467, 481, 482, 557, 632, 636 (1060), 637 (1060-1060b), 647, 671 »Brandin, Th. xxiv Brasch, Moritz 144 (97), 153, 250 (223), 338 (366), 344 (384) »Bratuscheck, E. xxxv Braun, Adolf 69 Braun, Felix 584 f. Braun, Heinrich 43, 62, 64, 69, 103, 107 Braun, Lily s. Kretschman, Lily von Braun-Adler, Emma 62 »Braun-Vogelstein, Julie 43 Brausewetter, Ernst 482, 516 (757) Breiting, Karl 555 »Bremi, Willi 429

Namenverzeichnis: ... und Nietzsche Brenner, Albert 46, 53 •Brennen, H. 535 Breuer, Josef 68 Brevem, Claudine, Baronin von 54 Breymann, Maragrete 478 »Breysig, Gertrud 412 Breysig, Kurt 183, 233, 379, 412 (523), 413, 471, 473 (651-651a), 505 (729), 518, 554, 653 (1131, 1131b-c), 693 Bricht, Balduin 630 (1028) "•Bridgwater, W. P. 125, 690 »Brinton, Crane xi »Britschgi-Schimmer, Ina 217 Brociner, Marco 406 (515) Brockdorff, Graf 655 »Brockdorff, Baron Cay von 28 Brockhaus' Konversationslexikon 144, 164, 315 (341-341e), 316 (341f-i) Brockhaus, Clemens 5, 8, 10 Brockhaus, Friedrich Arnold 17 Brockhaus, Hermann 13, 17 Brockhaus, Ottilie 13, 25 Brod, Max 591, 690, 691 Brodtbeck, Karl Adolf 166, 217, 265, 500 »Brown, Malcolm B. 42, 488 »Bruckner, Anton 69, 166 Bruël 553 Brüll, Leo 584 f. »Brüstlein, A. xviii »Bruhnsen, Otto 386 »Brunetiere, Ferdinand 354 Brunner, Carl 71, 73 »Brunner, Constantin xxiv, 388 »Bruns, Max 526,578 Brupbacher, Fritz 282 Buber, Martin xii, xiii, 210, 217, 330, 590, 679 (1193) Buch, Philologe 191 Buchbinder, Simeon 68, 69 »Budczies, F. xviii Buddensieg, Robert 261 Buddensieg, Rudolf 251 (229), 261 (247) »Buddensieg, Tilmann 693 Budova 614 »Bücher, Karl 308 Büchmann, Georg 669 (1175-1175c), 670 (1175d-n) Büchner, Georg 548 (821) Büchner, Ludwig 167, 249, 308, 353, 406, 427, 459, 481, 547, 675

703

»Bülow, Bernhard von 56 Bülow, Cosima von 5-8, 10, 13, 17, 20, 2325, 27, 29, 36-38, 53, 56, 57, 68, 72-74, 81, 83, 87, 94, 128, 169, 391, 424, 448, 471, 480, 563, 619 f., 624 f. Bülow, Frieda, Freiin v. 132-134 Bülow, Hans Guido Frhr. v. 13, 14, 15, 23, 26, 27, 30, 38, 44, 70, 74, 81, 99, 125, 140, 141, 149, 150, 310, 424, 487, 615 (BX) »Bülow, Μ. v. 44, 150, 615 Bülow, Marie, Fürstin von s. Dönhoff, Marie, Gräfin »Bürger, Curt xxxii »Bürger-Prinz, Hans 113 »Büttner 71 Bulcke, Karl 626 (1009-1009d), 632 (10391039a-b), 634, 639, 648 (1114) »Bulle, Constantin 167 »Bulthaupt, Heinrich 245, 388 Bultsmans, Leonhard 698 Bunge, Gustav von 162, 616 »Bunge, Rudolf 388 Bungert, August 94 Bur(c)khard(t), Max Eugen 387 »Burckhardt, Carl J. 51 Burckhardt, Jacob 6, 10-12, 17, 23, 29, 30, 38, 4547, 56, 66, 70, 79, 82, 88, 94, 99, 103, 117, 125, 129, 141, 149, 161, 167, 183, 265, 331, 361 f., 370, 378, 403, 424, 427, 466, 473, 489, 509, 531 f., 542, 552, 554, 626, 665, 671 »Burckhardt, Max 17 »Burgmann, Günter v, vi »Burk, J. N. 45 »Burrell, Slg. 45 Bursian, Conrad 98, 99 Burte, Hermann 431 »Busch, Günter 530 Busch, Wilhelm 519 »Busoni, Ferruccio 423 Busse, Carl 344, 375 (478), 476, 526, 578 Busse, Ludwig 347 (397) Busse, Otto 67, 79 Byk, S. A. 4 »Byr, C. 388 »Byr, Robert 245 C , O. 393 (493) »Calder, William M. III 21, 24 Caliban s. Nordhausen, Richard »Cancik, Hubert 2

704

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

»Carl Alexander, Großherzog von SachsenWeimar-Eisenach 595 Carneri, Bartholomäus, Ritter von xlviii, 308, 353, 354, 482 "•Caroline, Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach 594 Carossa, Hans 682, 683 Carriere, Philipp Moritz 167, 215 Cassirer, Ernst 686 »Cauer, Minna xxi Chamberlain, Houston Stewart 148, 149, 535, 619 f., 651, 659 »Chatir, A. G. 127, 150 »Chmielewski, Wendy E. 183 »Chop, Max 94 Christ, Paul 503 (720) Christaller, Erdmann Gottreich 104, 105 •Christen, Ada 386 »Christomanos, Constantin xl Chth. 343 (381) ck 646 (1105) »Claar, Emil 388 Clemm, Wilhelm 89 Cleß, Alfred 352 (408408a) Coblenz, Ida 198, 233, 240, 247, 587, 672 Cohen, Hermann 686 f. Cohn Richard 547 (817), 550 * Colli, Giorgio xxviii, xxix, 78 Conrad, Michael Georg vii, xxvi, 14, 58, 96 (72), 129 (79), 158 (112), 163, 164 (115-115a), 171 f., 194 (AE)-AEa, 160-160d), 195 (163), 206, 219, 220, 228 (196), 231, 246, 258, 269, 270,, 275,, 284, 321 (349), 322 (349a), 324, 327, 331 (351), 370, 375, 393, 431, 498 (706), 546 (815-815b), 580 (912), 606 (956), 607, 608, 616 (984), 617, 631, 657, 668 (11721172a), 683 ""Conrad-Martius, Hedwig 307 »Conrad-Ramlo, Marie 206 Conradi, Heinrich Gottlieb Hermann vii, 16, 131, 132, 136, 137 (88, 89), 173, 191, 229, 306, 332, 386, 431, 441, 458, 464, 526, 550, 578, 614, 675, 678, 681 "•Constantin, Großfürst 15 Constantin, Großfürstin 15 Coralnik, Abraham xii Corell, Eva C. 109 »Cornicelius, Max 9 "•Corti, Robert Walter 429 »Coudenhove-Kalergi, Richard Nikolaus,

Graf von 494 »Cowen, Roy C. χ Credner, Hermann 79, 88, 94, 125 •Croissant, Eugen 388 ""Croissant-Rust, Anna 206, 526 Crompton, Ewans von 292 Cron, Heinrich 1 ^Croon-Mayer, Emma 388 Crusius, Otto 2, 4, 19, 20, 51, 52, 61, 82, 94, 99, 108, 141 »Curjel, Hans 143, 690 Curtius, Georg 20 Curtius, Ludwig 309 f. Curtius, Theodor 101 f. D. 395 (498), 631 (1036), 646 (1106) D., D. 398 (504) D., F. 17 (1-la) D., H. 96 (71) D „ M. 589 Dabis, Wilhelm 256 (238) »Dach, C. v. 231 Daechsel, Bernhard 15, 107 »Dahlhaus, Carl 93 (69j-k) Dahlmann, Johannes 449 (593) »Dahlström, Maria 388 »Dahme, Heinz Jürgen 363, 391 »Dahms, Gustav 93, 422 »Dahn, Felix 258, 388 »Dahn, Therese 388 Damaschke, Adolf xxiii, 294 »Damm, L. A. 218 Dannreuther, Eduard 45 D'Annunzio, Gabriele 537 (793), 538, 615 Danzer, Karl M. 541 (799) »Darge, Elisabeth 501 Dauthendey, Elisabeth 623 (1002-1002b) Dauthendey, Max 225, 550, 623 »David, Claude 575 »David, J. J. 578 δφ 144 (98) Davidsohn, Robert 36 Davidsohn, George 36 »Decsey, Ernst 157 »Deesz, Gisela viii »De Haan 480 Dehmel, Ida s. Coblenz, Ida Dehmel, Paula 197 Dehmel, Richard xii, 66, 197, 198, 199, 224 (188-188a), 233, 240, 247, 272, 278, 327, 359,

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche 362 (431-431a3), 364, 386, 388, 392, 414, 431, 455, 458, 464, 468, 486, 492, 493, 501, 526, 549, 550, 578, 586, 587, 598, 614, 617, 672, 682 ff., 688, 693 Delbrück, Hans xxxv, 97, 511 »Del Caro, Adrian xii, 281 »Delines, Michel 354 »Delius, Clare 533 Delius, Frederick 533 Delvard, Marya 698 Derleth, Ludwig 51 »Deschner, Karlheinz 384 Dessoir, Max 472 (645), 643 »Derer, Chr. Joh. 576 (899-899c) »Dettwiler, F. 47 Deussen, Paul xlvii, 3, 8, 10, 21, 23, 27, 55, 71, 97, 111, 125, 129, 141, 145, 149, 161, 196, 257, 328, 523, 526, 644, 664 (1163-1163c), 680 Deutlich, Jeremias s. Kalbeck, Max Dewald, H. J. xxi, 454 »Diederichs, Eugen 403, 426 Diederichs, Heinrich 464 (622) »Diener, Roger 669 »Diercks, Gustav 491 Dilthey, Wilhelm viii, xvii, 14, 375, 505 (730), 506 (730a), 507 »Dinckelberg, Hugo 388 Diner-Dénes, József xii, 189 (148-148a), 193 (157-157a) »Dinter, Jürgen ν Diodati, Amelie, Gräfin 15, 43, 56 Distel, Hilde 682 Dittmar, Dekan 13, 44 Dix, Arthur 535 »Döblin, Alfred χ »Döhler, Gottfried 388 Dönhoff, Marie, Gräfin 56, 57 »Döring, A. 535 »Dörmann, Felix 344 »Dörpfeld, Wilhelm 532 »Doerr, Wilhelm 2 Dohany, Conrad 252 (232), 302 (322) Dohm, Ernst 13, 23, 397 Dohm, Hedwig 83, 396, 397 f., 527 (782782a) »Dombrowski, Raoul, Ritter von 388 »Donath, Adolph 526 Dorbe, Hans 698 Dorfman, Catharina 696

705

»Dorpat, Paul 669 Dosmer, Mads s. Stinde, Julius D r , M. 640 (1079) Dräseke, Johannes Felix 15, 27 (13), 34, 43 (38) Drews, Arthur viii, 512 (750), 522, 656 Driesch, Hans 412 Driesmans, Heinrich xxv, 288, 437 (560), 444 (575), 489, 614 Droz, Theophile 676 (1185) Druskowitz, Helene 108, 110 f., 122 (78), 123, 125, 152, 566 Dryander, Ernst von 37 (30) Duboc, Karl Julius 123, 153, 367 (452), 368 (452a), 400 (509), 466, 482, 541, 551 (830) DuBois-Reymond, Emile Heinrich 77, 141 Dubray 209 »Duda, Sibylle 108 Dühring, Karl Eugen 46, 83, 94, 121, 123, 125, 139, 152, 153,187, 203, 231, 290, 291 f., 328, 389, 401, 404, 405, 408, 416, 419, 444, 675, 685 »Dürr, Emil 29,70 DuMont, Emmerich, Frhr. von 64, 71, 79 DuMoulin Eckart, Eduard Graf 36 »DuMoulin Eckart, Richard, Graf 27 Duncker, Anna 199 Duncker, Hermann 468 (631) Durisch, Gian Rudolf 199, 284, 584 Duse, Eleonore 615 Dwelschauwers, Georges 532 Ebbinghaus, Hermann 97 »Eberhardt, Paul xxviii Ebermann, Leo 662 (1155) Ebers, Georg 12, 174, 245, 258, 278 Ebner-Eschenbach, Marie von 39, 207, 410 »Eckard, Joseph xxiii »Eckart, Rudolf 388 »Eckstein, Ernst 174, 245, 258 Eckstein, Friedrich 69, 154 f , 157 »Edlinger, Anton xxix Eeden, Frederik Willem van 73 »Eggebrecht, Hans Heinrich 93 (69k) »Eggestorff, Georg 388 Egidi, Arthur 90-92 »Egidy, Moritz von xxv, xxxix, 207, 257, 437, 502 Egloffstein, Hermann, Frhr. von 594, 595 Ehrenpreis, M. 128

706

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

Ehrlich, Josef Ruben 53 Ehrmann, Karoline 666 »Einstein, Alfred 93 (69f-h) Eiser, Otto 54, 71, 79, 82, 112, 680 Eisler, Rudolf 336 (361 Eisner, Elisabeth 229 Eisner, Kurt xii, 169, 229 (197-197a), 230 (197b), 236, 238, 243 (214-214a), 244, 246, 251, 252 (231), 257, 263, 270, 277 (278), 284, 304, 344 (383), 634, 659 "•Elisabeth, Kaiserin von Osterreich 380, 517 "Ellerin, Bruce Elkin xii, xiii Ellis, Havelock 492 "•Elster, H. M. 325, 669 "Emde, R. xxii "Emrich, Wilhelm 416 "Enders, Carl 591 "Engel, E. 269 Engel, Gustav Eduard 91 "Engel, Heinrich xxxvi Engelmann, Wilhelm 4, 8 Engels, Eduard xxxvi, 399 (506), 447 (583) "Engels, Friedrich 224, 308, 365, 372, 505 Engström, Albert 149 "Eppelsheimer, H. W. ix "Erdmann, Benno xvii Erdmann, Karl Otto 371 (464), 449 (592), 610 "Erichsen, Erich 594 Ermatinger, Emil 276 "Ermers, Max 62 "Ernst, Adolf Wilhelm 386, 388 Ernst, Otto vii, xxiv, 207, 246, 269 (264), 386, 511 (742), 538 (794), 563 (858), 578 Ernst, Paul xii, 192 (155), 216, 271, 318, 431, 535, 670 (1177), 671 (1177a-b) Eßwein, Hermann 568 (879) "Ettlinger, Josef xxii "Ettlinger, Max 493 (695a) Eucken, Rudolf 18 f., 73, 417 (534), 418 (534a-c), 419 (534d-n) *Eucken, Walter 419 Eulenberg, Herbert 557 Eva 498 (709) Evers, Franz xi, 388, 458, 526, 578, 614 Evers, Matthias 502, 503 Ewald, Heinrich 29 "Ewald, Wilhelm 609 Ewers, Ludwig 234

Ewers, Hanns Heinz 214 Ewy(e)ck, Arthur Henry van 654 f. 628 (1017) F., B. 33 (25) f., e. 679 (1195) ff. 501 (717) F., L. 486 (679) Fabijanovic, Stephanus 426 f. "Fahnders, Walter 248 Faißt, Hugo 155, 156 Falckenberg, Richard 32 (22), 62 (48), 132 (81-81c), 133, 134 (81d-g), 561 Falke, Gustav 206, 207, 388, 431, 526, 578, 681 (1203) Falke, Konrad 694,695 *Falkenberg, Josef 669 Falkenfeld, Max 568 (880) "Fastenrath, Johannes 388 "Fechter, Paul 431 (550d) Federn, Karl 302 (323), 303 (323a) Fehling, Johannes Emanuel 213 Feigen winter, Ernst 139 "Feigl, Hans 507, 673 (1181a) Fellner, Richard 272 Fels, Friedrich M. 299 (312-312a) "Feofanoff, M. 339 "Ferber, Albert xxiv Ferdinand, Friedrich 421 (541) "Ferdinand, M. A. 388 Ferdinand, Maximilian xlvii, 449 "Ferrand, Eduard 600 Feuerbach, Henriette 230, 231, 262, 333 Feustel 191 "Fichte, J. H. v. xii Fidus 202, 203 Fiedler, Conrad 55, 128 Finck, Franz Nikolaus 218, 241, 266 (257), 277, 500 Fincke, Fr. Elise 678 Fino, Davide 652 Fino, Candida 652 Fino, Irene 652 Finocchietti, Nerina 82 "Fischer, H. 633 »Fischer, I. 80 •Fischer, Joh. Georg 388, 578 Fischer, Kuno 141, 273 (271), 274 (271a-b), 607 f. Fitger, Arthur 128, 338, 386

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche »Fix, Wolfgang 377 Flach, Johannes 32 (21) "•Flachs, Louise 339 Flaischlen, Cäsar xxxi, xxxv, 212 (174), 275, 337, 374 (474), 386, 388, 392, 526, 578, 611, 651, 689 »Fleckeisen, Alfred xxxiii »Fleischer, R. xxii Fleischl, Otto von 101 Fleischmann, Adolf 150, 165 »Fletcher, Roger 659 Fließ, Wilhelm 103 Flügel, Otto xl, 244 (217), 274 (272), 346 (392), 641 (1081) Förster, Arthur Paul 50 Foerster, Friedrich Wilhelm xxiv, 591 Förster, Ludwig Bernhard 5, 33, 39, 50, 64, 101, 107, 116, 125, 155, 214, 245, 321, 487 Förster-Nietzsche, Elisabeth s. Nietzsche, Elisabeth Fokke, Arnold 363 (439), 387 (480) »Fontane, Friedrich 325 Fontane, Meta 325 Fontane, Theodor xviii, 324, 325, 338, 341, 386, 387, 535, 568, 578, 600, 616 »Foss, Hubert 533 Fouquier, Henry 664 »Fracot, Janos 203 »Frankel, Jonas 129 France, Raoul Heinrich 527, 528 Franckel, Leo 355 François, Louise von 110, 125, 128 Franke, Reinhold 390 (485), 391 Franke-Schievelbein, Gertrud 614 »Frankl. L. A. 388 »Frantz, Constantin 8, 72 Franzos, Karl Emil xxi Frapan, Ilse 462 (616), 614 »Frenzel, Karl 262,525 Fresenius, August xxii, 292 »Freud, Ernst L. 65 »Freud, Lucie 65 Freud, Sigmund 65, 95, 103, 104, 297, 316, 429, 430, 563, 687 Freund, Robert 84, 109 »Frey, Adolf 125 Frey, Hermann 616 Frey, Lina 125 Frey, Thomas s. Fritsch, Theodor Freytag, Alwine 130, 182

707

Freytag, Gustav 33, 167, 173, 258, 275, 682 »Fricke, Hermann 325 Friedeil, Egon 326 »Friedlaender, Ernst 431 (551d) »Friedländer, M. J. 49 Friedländer, Salomo 577 (901), 621 (999) »Friedmann, Alfred 245, 388 Friedmann, Hermann 616 »Friedmann, Maurice 330 »Friedrich, Prinz von Preußen 65 Friedrich, C. A. 571 »Friedrich, Ernst xviii Friedrich, Richard 504 (726), 505 (726a-b), 550 (827) Friedrich, Wilhelm 163, 195, 594 Friedrichs, Hermann 162, 163, 388 Friedrichs, Karl 617 (990) Fries, Karl 15 »Frisby, David P. 391 »Frischeisen-Köhler, Max 576 (899c) »Frisé, Adolf 490 Fritsch, Emil Theodor xvii, 143 (95), 165 »Fritschi, F. xxxviii »Fritz, S. 388 »Fritze, Ludwig 70, 79 Fritzsch, Ernst Wilhelm xxxii, 1, 10,14, 19, 21-23, 26, 27, 30, 38, 42, 47, 75, 76, 107, 129, 130, 134, 135, 138, 139, 140, 142, 149, 159, 176, 238, 487 »Froböse, Edwin 200, 351 Fröding, Gustaf 149 Fröhlich, Otto 345 Frohschammer, Jakob 117,118 Frommann, Hermann 15 Fuchs, Carl Dorius Johannes 26, 27, 40 (32), 53, 71, 79, 107, 125, 140, 141, 149, 161, 163, 187, 366 (AT-ATa), 627 (1011), 653 (1131), 664, 668 (CK-CKa), 680, 684 Fuchs, Emil 288, 289 Fuchs, Georg 370 (459), 579 (910), 592 f., 693 Fuchs, Georg Friedrich 289, 443 (573-573a) Fuchs, Reinhold 163, 386, 388, 470 »Fuerst, Norbert 671 Fürstenberg, Aniela 696 Fürstenberg, Carl 696 Fürstenberg, Hans 696 Fürsterberger-Vischer, Georg 71 »Fulda, Ludwig 246, 334, 386, 387, 458, 614, 682

708

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

Funcke 651 (1123) Fynn, Frau 108, 457 Fynn, Frl. 108, 457 G., Α. 633 (1043) g., m. 567 (875) Gabel, Gernot U. χ »Gaben, E. 655 »Gagliardi, M. 537 Galli, Eugenie 584 (917-917b) Gallwitz, Hans 391 (490), 456 (611), 491 (685), 492, 497 (705), 498, 508, 510, 512, 513, 514, 561, 568, 602, 637 (1062), 650, 680 »Ganter-Schlee, Hildgard 611 »Gantner, Joseph 424, 611 Ganz, Hugo 340, 625 (1003), 633 Garborg, Arne 149, 197 Garin, Paul 513 (754) Garnett, Richard s. Trent, A. G. Gaß, Wilhelm 44 Gast, Peter 20, 29, 30, 38, 44, 53, 56, 59, 68, 70, 71, 79, 82, 83 (58), 88-90, 94-96, 99-104, 107, 109, 110, 112, 113, 120, 125, 129, 134, 135, 138-141, 149, 155-157 (110), 158, 161, 166-168, 182, 187, 188, 212, 227, 255 Il-Vb, 237), 256 (237a), 267, 268 (XI-XIII, XlXa), 274 (XlVb), 275, 276 (XI-XIIIb/XIXb, VIVII/VIIIb), 277, 280 (285), 283, 285, 293, 303, 304, 312 (GIVb-c, G V t x , GVI), 313 (GVIe-i, GVIIb-c), 314 (GII/III), 315 (GII/IIIc), 392, 454 (607), 455, 457, 471, 497, 524, 557, 570 GkIVa-b, GkVI-GkVII), 579, 580, 616, 653 (1131, 1131d-e), 662, 672, 680 (COCOa), 689 Gaultier, Jules de 638, 664 Gauß 351 Gauthier-Villars, Henry 532 »Gawronsky, Dimitry 686 Gebhardt, Max 565 (866) »Gehlen, A. 395 »Geibel, Emanuel 89, 245, 600 Geiger, Albert 464 (619) Geißler, Carl Wilhelm 191 »Geist, Johann Friedrich 203 Gelzer-Thurneysen, Heinrich 11, 47, 72, 254, 465 f., 580 Gemmel, Ludwig 526 (BQ) »Gensichen, O. F. 245, 388 Georg, Prinz von Preußen 64 »Georg, Karl 454, 489

George, Stefan viii, x, xii, xix, 169, 210, 232-234, 259, 260, 310, 316, 327, 328, 370, 378-380, 395, 412, 431, 469, 470, 479, 494, 495, 550, 552, 575 f., 578, 592, 609, 651, 653, 656, 683, 686 Gerhard, Hans Ferdinand 416 (532) Gerlach, Franz Dorotheus 7 Gerok, Gustav 493 (694) »Gerok, Karl 600 Gerschmann, Hans 542 (804) Gersdorff, Carl, Frhr. von 2, 3, 6, 8, 10, 12, 15, 17, 20, 23, 27, 36, 38, 44, 53, 56, 71, 74, 82, 88, 89, 94, 95, 99, 102,105-107, 141, 149, 167, 356, 424, 471, 532, 653 (1131), 678, 680 »Gersdorff, Ernst, Frhr. von 6 Gersdorff, Ernst August von 12, 23, 38 »Gerstenberg, K. v. xvii »Gerstner, Hermann 225 Geucke, Karl Ehrenfried 425 (BB), 578 Geyer, Paul 679 (1192) Geyger, Ernst Moritz 352 Gide, Andre 178, 395 »Gilbert, M. E. 210 »Gildemeister, C. H. 45 Gildemeister, Julius 97 »Gilman, Sander 273 »Giraud, Albert 137 Gisler, Anton 673 (1179) »Gittermann, Wilhelm 386 Gizycki, Paul von 434 (554) Gizycki, Georg von xxiv, 97, 98, 106, 107, 139 (92), 153, 219, 426 Gjellerup, K. 149 Gl. 25 (8), 262 »Glagau, Otto xxix Glasenapp, Gregor von 300 (316-316a), 338 (367-367a) Glasenapp, Carl Friedrich 36, 62 50-50a), 63 (50c), 148 »Glaser, Adolf xxxix, 245 »Glockner, Hermann 160, 274 (271b) Glogau, Frl. (Bertha?) 103 f. Glogau, Gustav xlvii, 135, 172 (131) »Goebbels, Joseph 670 Goebel, Karl Eberhard von 142 »Goede, U. ix »Göhre, Paul 451 Göllerich, August 69 Goepel, Auguste 607 (958) »Göpfert, Herbert Georg 671

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche Göring, Carl Theodor 51, 52 Göring, Hugo 46, 97, 304 (328) Gött, Emil 264 f., 431, 657 Goettling, Marie 410 Goetze, Rudolf 564 (865) Gold, Alfred 362 (434) Goldbaum, Wilhelm 635 (1052) »Goldbeck, Bruno 353 Goldman, Emma 253, 383-385 Goldmann, Paul 208-210 »Goldscheider, Paul 536 Goldschmidt, Arthur 369 (458) Goldschmidt, Kurt Walter 511 (741), 548 (820), 601 (934) Goldstein, Moritz xii »Gollmer,R. 388 Golther, Wolfgang 660 (1149), 661 Goltz, Alexander Georg Maximilian Hermann, Frhr. von der 15 Gombert, A. 610 Gomperz, Heinrich 254 Gorki, Maxim 119, 427, 528, 696 Gothein, Eberhard 334 »Gothein, Marie Luise 334 Gottschall, Rudolf von xix, 231 (199) Gourmont, Remy de 178, 578 (907) »Grabowsky, Adolf xxviii Graf, Diakonus 485 f. Graf, Max 613 (978), 661 »Grasberger, Franz 155, 425 Graue, Georg Heinrich 78 (57), 601 (938) Grauert, Hermann Heinrich 366 »Graul, R. xxxv Grautoff, Otto 309, 327 »Grazie, Marie Eugenie delle xlviii, 388 »Gregor-Dellin, Martin 5, 72 »Gregorovius, Ferdinand 167, 258 Greif, Martin 150, 388, 559 f., 578 Greiner, Leo 698 »Greiling, Richard 246 Grimm, Eduard 550 (828), 577, 578, 579, 580, 588, 601, 602, 603, 604, 616 (985), 620, 640, 641, 648, 658 »Grimm, Hermann 242, 258 »Grisebach, Eduard 79, 386 Grohe, Oskar 156, 157 »Gronen, Damian xxxvi »Gronewold, Hinrike 108, 123 »Groos, Anton 143 »Gropius, Walter 387

709

Groß, Ferdinand 256 (239), 257 Große, B.Johannes 191, 349 (403), 386, 564 (863-863a) »Grosse, Julius 245 Großmann, Johann Georg 13 Großmann, Maximilian Paul Eugen 645 (1100)

Großmann, Stefan 383, 385 Grot, Nikolaus 484 (675), 485 (675a) »Grote, L. R. 103 Groth, Klaus 439 »Grothe, Hugo 388 Grottewitz, Curt 218 (180), 245, 246, 249, 280 (286), 281 (286a), 307, 486 (680) Grotthuß, Jeannot Emil, Frhr. v, xi, xxiii, 467 (630), 492 (691-691a), 555 (833), 560 (849), 572, 608 Grube, Wilhelm 97 Gruber, Max 64 »Gründer, Karlfried 14, 20, 506 Grünhagen, Colmar 325 »Grunow, Johannes xxvi Grunwald, Max 636 (1059) Grupp, Georg 361 (430), 492 (692) Günther, Georg 119 »Günther, Herbert 352 Guerrieri-Gonzaga, Emma, Marchesa 39, 44, 56 Güßfeldt, Paul 97 Guhrauer, Heinrich 40 (33) Gumplowicz, Ladislaus 294 »Gumppenberg, Carl Frhr. von 386 Gumppenberg, Hanns, Frhr. von 197, 206, 219, 220, 386, 698 Gundolf, Friedrich 552, 553 »Gurlitt, Cornelius 112, 113 Gurlitt, Ludwig 686 »Gurlitt, Wilibald 93 (69i) Gustedt, Jenny, Baronin von 15 Gutberiet, Konstantin 361 (428) »Guttentag, Samuel 6 Guttmann, Bernhard 319 f. Gystrow, Ernst s. Hellpach, Willy H. 251 (227) H., E. 135 (83), 168 (121) H. H. 607 (961) H., R. 641 (1082) Haarmann, Tante 120 »Haas, A. 535

710

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

»Haas, Alois M. 273, 690 »Haas, Willy 149,248 Haberlandt, Michael 156, 643, 665 Haeckel, Ernst xlviii, 52, 78, 166, 196, 223, 275, 308, 324, 345, 353, 354, 376, 382, 408, 483, 486, 616, 617, 622, 627, 675, 686 »Haessel, Hermann Adolf 547 Hagen, Hermann 15, 83, 105, 424 »Hahl-Koch, Jelena 673 »Hahn, E. 90,494,686 »Hahn, Karl-Heinz vii »Hahn, Manfred 234 Hahn, R. 606 (957) Hahn, Viktor 628 (1016) Halbe, Max 104, 179, 194, 431, 499 (710), 534, 543, 544, 550, 623, 678 Halbfaß, Wilhelm 97 f. »Haidane, Richard 382 Haller, Johannes 693, 694 Haller, Ludwig 97, 98 »Halpert, David 388 Hamann, Richard 377, 378 Hamecher, Peter 414 Hamerling, Robert 166, 226, 386, 600 Hammer, Fritz 169 (126) Hamsun, Knut 149, 332, 347, 614 »Hango, Hermann 386 Hanslick, Eduard 83 (59), 151 (106), 152, 154, 168, 424 (546), 563 Hansson, Ola xii, 149, 155, 174 (134), 176 (135-135c), 182, 184, 186, 189, 192 (154), 193, 204, 219, 223 (186), 226, 229, 246, 251, 253, 255, 261 (248), 265, 266, 269, 270, 382, 476, 549 Hanstein, Adalbert von 442 (571), 682 (1205) Harden, Maximilian xii, xl, 267 (261), 268 (261a), 510 (737), 511, 554, 679 »Harden-Rauch, Ph. 264 Harlan, Walter 689 Harling, R. 263 (254) »Harmening, Ernst 388 Harnack, Adolf von 46, 51, 71 Hart, Heinrich xxxii, 63, 133, 183, 196, 197, 198, 246, 253, 258 (244), 578, 698 Hart, Julius XXV, 133, 196, 197, 253, 386, 388, 458, 526, 535, 545 (811-81 la), 547, 548, 574, 578, 614 Hartenstein, Arno xlvii Hartenstein, Gustav 12

Hartleben, Otto Erich xxxi, 137, 160, 175, 191, 192, 206, 246, 274, 292, 306, 311, 386, 388, 431, 458, 486, 526, 557, 564, 578, 607, 614, 693 Hartmann, Eduard von viii, 47, 60, 66, 102, 119, 144, 166, 167, 187, 221 (185-185a), 222, 231, 241, 245, 258, 278, 285, 289, 291, 317, 321, 365 (443443a), 367, 372, 391, 420, 426, 429, 430, 444, 452, 477, 502, 512 f., 519, 542, 549, 562, 576, 588, 608, 616, 617, 646 (1103), 656, 685 Hartmann, Franz 589 (922) Härtung, Max 603 (946) »Härtungen, Hartmut von 43 »Hartwig, Richard von 388 Hartwig, Otto 230 »Hartzka, Theodor 290 »Hasenclever, Walter 594 Hasse, Robert 450 (594) »Hasselblatt, Dieter 371 »Haugwitz, Cathinka, Gräfin von 388 »Haupt, Günther 670 (1175j-k, 1-n) Haupt, Moritz 20 Hauptmann, Carl 133, 145 f., 651 Hauptmann, Gerhart vii, xi, xii, 15, 66, 96, 133, 145, 146, 166, 174, 194, 196, 201, 207, 216, 245, 246, 270, 288, 327, 383, 384, 401, 414, 431, 458, 468, 475, 492, 512, 525, 534, 537, 549, 550, 560, 564, 583, 584, 596, 605, 606, 608, 609, 614, 617, 651, 654, 678, 696 »Haupts, Leo 14 Hauri, Johannes 513 (752), 558 (844) Hauschner, Auguste 268 Hausdorff, Felix 86, 446 (581), 489, 497, 498, 500, 517, 520 (773), 580, 584 (916), 612 (970), 614 (891), 617, 656, 672 Hausegger, Siegmund von 404 Hausmann, Sebastian 74, 117, 118 »Hay, Gerhard 201 Haym, Rudolf 47 »Hayman, Ronald 33 »Heath, Peter 507 Hecht, Marie 564 (864-864a) Heckel, Emil 35, 36, 413, 540 f. Heckel, Karl 36, 156, 413 (527), 426, 540 (BR) Hecker, Hermann 414, 580 »Heckscher, Dr. xxii Hegar, Friedrich 109, 140, 262 Hegeler, Wilhelm 417

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche •Heiberg, Hermann 206, 246, 388 »Heichen,Walter 669 »Heidegger, Martin 316, 395 Heidenstam, Verner von 149 »Heider, Ulrike 253 Heilborn, Ernst 519 (765) Heim, Paul 610 (967) Heimann, Moritz 146 Heine, Anselma 689 Heinemann, Isaac xii »Heinemann, Karl xix »Heinemann, L. 669 Heinemann, Max 97 Heinrich, Curt 338 (365) Heinrici, Georg 73 Heinze, Maximilian 52, 73, 82, 85 (63-63a), 86 (63b-e). 94, 116, 125, 131, 141, 461, 471, 561, 653 (1131) »Heinze, Paul 388 Heinzelmann, W. 452, 453 Heitmiiller, Franz Ferdinand 292, 580 »Heibig, Fr. 388 »Helbing, Carl 30 Held, Franz 196,206 Helle, M. 534 (790), 562, 588 Hellen, Eduard von der 200, 311, 313 (GVII), 339 (369-369a), 356, 579, 580 »Hellige, Hans Dieter xii »Hellmer, Edmund 155 Hellpach, Willy 659 (1145) Helm, Theodor 158 (114) Helmholtz, Anna von 180 Helmholtz, Ida von 180 Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand von 104, 141, 222, 541 »Helms, H. G. 212, 395 »Helt, Richard C. 377 Henckell, Karl 163, 206, 219, 229, 246, 253, 386, 388, 464, 518 (BM), 526, 578 Hengster, Heinrich 122, 125, 346 (391), 351, 353 (410) »Henle, Elise 388 Henne am Rhyn, Otto 167, 481 (670), 491 (687), 543 (806, 807-807a), 547, 550 (826), 557, 561, 562, 564, 580, 581 (914), 583, 603, 617, 628, 648 »Henrichs, Helmut 501 Hensel, Lili 491 Hensel, Paul 491 (688) »Henske, Werner 637

711

Hentschel, Willibald 165 (120), 166 »Herbert, M. 386 Herbipol 638 (1064) Herders Konversationslexikon 324 »Hermann, C. xxv Hermann, Conrad 136 (84), 321 (346), 362 (436) »Hermann, Franz 388 »Herold, Franz 386 Herr, Erich 664 (1161) Herrig, Hans 36, 79, 88 (65), 487 »Hertling, Georg, Graf von 284 Hertz, Georg 236 »Hertz, Heinrich 222 Hertzka 308 »Herwisch, A. xxi Herzen, Alexander 56, 57 Herzen, Natalie Alexandrowna 13, 17, 57 Herzen, Olga Alexandrowna 13, 17, 23, 44, 53, 56, 57, 59 Herzfeld, Marie 189 (150-150a), 210, 220 (183-183a) Herzl, Theodor xii, xxxix, 269, 355, 591 Herzog, Rudolf 316 f. Herzogenberg, Elisabet von 141 f. Herzogenberg, Heinrich von 142 »Heß von Wichdorff, E. W. 388 Hesse, Hermann xxx, 401 ff. Hesse, Johannes 402 »Hesse, Ninon 403 »Heßler, Gisela xiii »Hettler, August xx Heubaum, Alfred 506, 572 (885) Heuberger, Richard 125, 128 Heuser, C. 420 (537) Heuß, Theodor 687 f. »Heydorn, Hans-Joachim 45 Heymel, Alfred Walter xxvii, 587 Heyn, P. 574 (894) Heynemann, Sigismund Sußmann 1 f. »Heynen, Walter 146 Heyse, Paul vii, 88, 89, 245, 258, 335 (359), 375, 387, 393, 432, 458, 463, 547, 578, 617, 643 Hezel, Kurt 131,580 Hilarius 309 (340) Hildebrand, Rudolf 20 Hildebrand, Adolf von 55, 128 Hildebrandt, Hans 377, 378, 388 Hildebrandt, Kurt Florentiner viii, 233,

712

Namenverzeichnis: ... und Nietzsche

377, 378-380, 479 "•Hildesheimer, Hirsch xxviii Hille, Peter 172, 440, 486 »Hillebrand, Bruno x, xii, 209 Hillebrand, Julius s. Brand, Julius Hillebrand, Karl 14, 27, 31 (18-18c), 33, 34, 40, 41 (37-37c), 44, 48 (4040c), 50, 53, 71, 77 (56), 78 (56a-c), 79, 82, 88, 99 f., 110, 128, 554 Hilty, Carl xxxv, 376 »Hindersin, Fr. v. 388 »Hinneberg, P. xxii Hintze, Otto 222 »Hirsch, Franz 388 Hirsch, Leo xii Hirsch, William 300 Hirschberg, Rudolf 409 f., 614 »Hirschfeld, Georg 511, 660 (1148) Hirth, Georg 645 (llOl-llOla), 657 (1142), 658 (1142a) »His, Eduard 99 »Hitler, Adolf 532,687 Hoche, Alfred Erich 320 Hodermann, Richard 268 262) Hoechstetter, Sophie 133, 407 (516), 408, 484 (674), 523 (775), 524 (775a) »Höffding, Harald 149, 353 Höfler, Alois 75 Höhne 601 (936) »Höpker-Herberg, Elisabeth 233, 240 Höppner, Hugo s. Fidus Hoerschelmann, Rolf von 697, 698 Hofer, Karl 533 »Hoffmann, Α. xxx »Hoffmann, David Marc 157, 162, 175, 212, 240, 275, 284, 345, 350, 362, 419, 446, 580, 618, 649 Hoffmann, Ernst 493-495 Hoffmann, Ernst Emil 15 Hoffmann, Franz Karl 34 (27-27a), 47 (3939a) Hoffmann, Hans 245, 388, 458 »Hoffmann, Marguerite 479 »Hoffmann, Max 388 »Hofmann, Kurt 125 Hofmann, Ludwig von 417 Hofmann, Walter 688,689 »Hofmann, Winfried 670 (1175n) Hofmannsthal, Hugo von x, 51, 133, 208-210, 232, 266, 326, 383, 470, 550, 564,

578, 592, 651, 666, 681, 683 »Hofmiller, Hulda 145, 271, 284 Hofmiller, Josef 31, 145,271, 284 (290), 302 (321), 342 (379), 343 (379a), 375 (479), 451 (600), 504 (724), 666 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig, Fürst 201, 202 Hohoff, Wilhelm 238 Holitscher, Arthur 331, 589 (924) Hollaender, Felix 183, 211 (173), 246, 275 »Hollander, Else von 176 »Hollitscher, Jakob xlix Holm, Kurt 654 Holten, Carl von 150 Holtorf, Alma 594 »Holtzendorff, E. v. 293 »Holtzendorff, Franz von 78 Holtzmann, Heinrich Julius 447 (584) »Holz, Anita 416 Holz, Arno 185 (143), 196, 197, 206, 245, 246, 359, 386, 415 (530), 416 (530a), 455, 458, 486, 550, 559, 578, 614, 681 »Holzamer, Wilhelm 526 Holzer, Ernst Konstantin 236,373 (GIXa-b, GklX), 374 (GXa-b, GkX) »Holzhauser, Gustav xxix »Hopfen, Hans 386 »Hoppe, Wilhelm xviii Horn, E. 281 Horneffer, August 86, 373 (GlXa), 374 (GXa), 465 (GXIa, GkXIb, GXIIa-b), 530 f. Horneffer, Ernst 86, 423, 448, 452, 465 (GXIa, GkXIb, GXIIa-b), 471, 522, 579, 589 (923), 599 (931-931g), 601, 602, 603, 606 (954-954a), 608, 612, 617 (992), 640, 641, 648, 653 (1131-1131a), 660, 668 »Hosäus, Wilhelm 388 »Houben, Η. H. 137 Huber, Hans 15 Huch, Ricarda 133, 231 f., 262, 333, 551, 556, 578, 600 Huch, Roderich 259, 380 Huch, Rudolf 551 (829-829a), 602 f. Hübbe-Schleiden, Wilhelm xxxvii, 202,203, 301 (318), 304, 426, 447 Hueffer, Franz 45 »Hülskamp, Franz xxx Hüppert, Dr. 574 (893) Hüsgen,Wilhelm 698 Hüter, Ludwig 97

Namenverzeichnis: ... und Nietzsche •Hume, David R. 174 Huneker, James 384 •Hyan, Hans xxxii Hynais, Cyrill 70 Ibsen, Henrik 106, 128, 134, 166, 172, 184, 186, 187, 192, 196, 200, 207, 211, 218, 219, 222, 224, 233, 245, 269, 270, 276, 278, 281, 288, 300, 310, 326, 347, 369, 374, 378, 382-385, 387, 408, 413, 426, 457, 460, 461, 468, 482, 491, 496, 508, 516, 523, 525, 534, 551 f., 563, 584, 602, 614, 617, 654, 671, 678, 682, 689, 696 •Ihering,Rudolf von 167, 562 •Ilberg, Johannes xxxiii •Aschner, Liselotte 185 Immermann, Hermann 23 Immisch, Otto 251 (228), 306 (333), 363 (438), 410 (519), 470 (639 •Inderbitzen, Zeno 694 •Ippel, Eduard 669 (1175a-c) Ipsen, P. L. 361 (429) Isenberg, Karl 402

182, 216, 275, 359, 423, 507, 592, 691,

336,

J. xlix J., H. 633 (1042) J. J. 543, 620 (995) Jaanson, Alwina 410 (520) •Jachmann, Günther 55, 128 Jacobowski, Ludwig xxiv, xxvi, 202, 204 (168), 246, 526, 548, 578, 600 (BU), 607, "654, 663, 683 Jacobs, Monty 577 (900), 684 (1206) •Jacoby, E. G. 80 •Jacoby, Karl ix, x, xi •Jäckh, Ernst 33 •Jaffé, Aniela 103,429 "Jahn, J. 473 »Jahn, K. 535 Jahn, Otto 2, 21, 24, 141 Janicaud, Walter 116, 117 Janitschek, Maria 246, 294 (305), 386, 388, 458, 526, 614 •Janouch, Gustav 691 •Janz, Curt Paul 24, 122, 124, 165, 414 •Jaspers, Karl 316 •Jawlensky, Alexej von 673 •Jenny, Ernst 102 •Jensen, Wilhelm 386

713

Jentsch, Carl 481 (669), 508 (732-732a), 513 (753) Jeremias, Johannes 673 (1182) Jerusalem, Wilhelm 342, 343 Jeß, Hartwig 688 •Jessen, Peter 673 (1181) •Joachim, J. xxxii Joachim, Robert 15, 23 •Jochmann, J. 598 Jodea, L. 332 (352-352a), 645 Jodl, Friedrich xlviii, 263 (252), 272, 299 (313), 354, 393, 666 •Jodl, Margarete 354 Joël, Karl viii, 518 (763-763a), 532 Johannes, Wilhelm 263 (253), 304 Joneli, A. 165 Jonquiéres, Dr. 55 Jordan, Wilhelm vii, 277 (279-279b), 278, 280, 284-286, 304, 308, 328, 353, 386, 542, 554, 600 •Jost, A. xlvii Jünemann, Ernst 404 (512), 405 (512a) •Jünger, Ernst 395 •Jürg, Edmund xxvi Jung, Carl Gustav 103, 427-430 Jung, Gertrud ix Justi, Carl 230 K. 564 (861) -k- 633 (1045) K-y 635 (1056) K„ A. 139 (94) K., E. 362 (435) Kaatz, Hugo 240 (210), 241 (210a), 244, 251, 263, 264, 270, 277 •Kacer-Bock, G. 655 Kaden, Richard 689 •Kafka, E. M. xxxi, xxxii Kafka, Franz 690, 691 Kaftan, Julius 147 f., 348, 389 (484), 398 (505), 435, 445 (580-580a), 447, 448, 451, 456, 464, 466, 474, 497, 510, 643, 649 •Kahn-Wallerstein, Carmen 114 Kaiser, Georg 377, 378 Kalbeck, Max 125, 140, 142, 168, 233, 448 (585) Kalergis, Marie 13 Kaiina, Paul E. 516 (759), 561, 603 Kalk, Ch. 476 (660) Kalkschmidt, Eugen 552, 684

714

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

Kallmeyer, F. Oskar 2 Kalthoff, Albert 71, 526, 622 (1001), 623 (1001a), 650, 658, 661, 667, 680 »Kamerbeek, J. 505 »Kamiah, Kurt 526 »Kampfmann-Carossa, Eva 684 »Kandinsky, Wassily 673 »Kanner, Heinr. xl Kapff, Ernst 403 Kapff-Essenther, Franziska vii, 539 (796), 540 Kappstein, Theodor xlviii, 171, 593 (925925a), 626 (1010), 627, 664 (1160) Karl Alexander, Großherzog von SachsenWeimar 521, 594 Kassner, Rudolf 210, 381, 382, 610, 620 »Kästner, E. F. 388 »Kästner, Willy 388 »Kastropp, Gustav 388 Katscher, Leopold 302 (AL) Kauffmann, Emil 155, 157 »Kaufmann, Friedrich 689 »Kautzky, Karl xxxiv »Kayser, Christian Gottlob 42, 537 Kayßler, Friedrich 352 »Kegel, Hugo 388 »Keilson, M. 233 Keller, Gottfried 29 f., 84, 94, 99, 125, 129, 253, 265, 332, 401, 451, 578 Kellermann, Berthold 74 »Kellermann, Hellmut 74 Kelterborn-Fischer, Ludwig Wilhelm 11,15, 27, 38, 44, 71, 73, 79 »Kerbs, Diethart 203 »Kerkovius, Susanne 157 Kerr, Alfred 327, 481, 525, 526, 543 (808) Keßler, Harry Graf 179, 180, 414, 417, 471, 587, 690 Kestenberg, Leo 423 Key, Ellen 149, 544, 545 Keyserling, Hermann, Graf 149, 429, 535, 536 Keyserlingk, Robert Graf von 204, 205 Keyßner, Gustav 634 (1046) Khatzman, Vera 695 »Kiehne, Hermann 388 Kielland, Alexander Lange 614 »Kienecker, Friedrich 172 »Kienecker, Michael 172 Kienzl, Wilhelm 80, 81

»Kiesgen, Laurenz 388 Kießling, Adolf 3, 32 Kinkel, Gottfried 2 Kinkelin, Hermann 46 »Kinzel, Karl 372 (467b) Kirchbach, Wolfgang 15, 172, 246, 386 Kirchhoff, Arthur 365 Kirchner, Friedrich 275 (275), 289 (297), 290 (297a-b), 388, 420 (539-539a), 433 (553553a), 434 (553b-c) Kirn, Otto 474 (652), 620 (997) Kirschbaum, Emil 69 Kisa, Karl Anton 104 »Kiss, Endre 189 »Kitir, Josef 386 »Klaar, Alfred xxxix Klages, Ludwig viii, 258 f., 316, 327-329, 380, 381, 395, 697 »Klebinder, Ferdinand xxxix »Klee, Felix 528 Klee, Paul 528 Klein, Carl August xix, 210, 260 »Klein, K. K. 14 Klein, Robert 476 (658) Klein, Max 575 Klein, Walter xxxvii, 68 Kleinpaul, Rudolf 141 Kleinpetz s. Pötzl, Eduard »Kletke, Hermann 600 »Klette, A. xxxvi »Klie, Anna 386 Klindworth, Karl 74, 140 Klinger, Max vii, 260, 362, 364, 370, 417, 435, 543, 651 »Klose, O. 80 Kloß, Erich 81 Klotz, Ernst 667 (1171) Klucker, Christian 101, 102 »Kluge, F. xl »Kluncker, Karlhans 553 Knauer, Vincenz 104 Knellwolf, Arnold xxvii Kniepf, Albert 151, 203 (166), 226, 228 (194), 229, 230, 251, 270, 500 Knodt, Karl Ernst 425 (BA), 464 (BF, 618) »Knorr, Josephine, Freiin von 388 Knortz, Karl vii, 141, 388, 487 (682), 561, 626 (1006), 675, 680 »Knussert, Rudolf 386 Koch, Anton 604 (949)

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche Koch, Max 430 (550-550a), 431 (550b-d) Köchert, Melanie 155, 157 Köckert, Marie 55, 79 Koegel, Friedrich Karl Adolf 175, 200, 233, 240 (209-209a), 241, 251, 277, 284, 292, 301 (319), 303 (Ic), 311 (Gl), 312 (GIV, GV), 313 (GVIa-d, GVII), 314 (GVIIl), 315 (GII/III), 324, 328, 342 (376), 344, 348, 350, 356, 373 (GIX, GX), 386, 413, 414, 465 (GXI, GXII), 500, 555, 579, 580, 589, 602, 606, 607, 608, 612, 616, 656 Köhler, Heinrich 528, 529 "Köhnke, Claus Christian 363 König, Karl 472 (649) Koenig, Robert 372 (476476b) "Koepcke, Cordula 111 Körber, Johannes jun. 150 "Körner, Josef χ Köselitz, Johann Heinrich s. Gast, Peter Köthe, Rechtsanwalt 698 *Kohn, Hans 590 f. Kohl, Otto 2 Kohlschütter, Otto 2 "Kohut, Adolph 35 Koktanek, Α. M. 483 f. Kolb, Annette 558 (841) "Kolisko, Eugen 350, 351 Konversationslexika 144, 164, 220, 324, 359, 394, 685 Korn, Carl 131 "Korsch, Hedda 397 "Kosch, Wilhelm vii, xlviii "Kosel, H. C. 388 Kothe, Robert 244, 245 "Kraemer, Hans 621 "Kraepelin, Emil 332 "ICraft-Schwenk, Christa 463 Kralik, Richard, Ritter von Meyerswaiden 68, 69 Kramer, Arnold 471, 507, 647 Kr(a/o)potkin, Pjotr, Fürst 332, 385, 399, 400, 534, 578 Kraus, Karl xxv, 537, 633 (1044), 639 Kraus, Otto xi Krause, E. 217 Krebs, Karl 13 Kreibig, Josef Clemens viii, 399 (507), 400 (508), 410, 469 "Kreowski, Ernst 388 Kretschman, Lily von 15, 105-107

715

Kretzer, Eugen 15, 27, 53, 79, 337 (363), 341, 342, 347, 348, 358, 498 (707) 538 (795), 572, 603 (945) Kretzschmar, Fr. 651 (1124) Kreyssig, Fr. 77 Krieg von Hochfelden, Franz 690 •Krieger, Bogdan 670 (1175d-i) "•Kröger 482 Krokow, Elisabeth, Gräfin von 13 "Krone, Hermann 388 Kronenberg, Moritz 668 (1174), 669 (1174a) "Krüger, Gustav 2 ^Krüger, Hermann Anders 605 Krüger, Paul 6, 10, 44 "Krüger, Paul 89 Krug, Gustav 12, 23, 27, 44, 53, 79, 125, 140, 526, 609, 680 Krukenberg, Elsbeth 562 (856) "Krumm, Günter 149 Kruse, Carl Max 521 "Kruse, Iven 206 Krzyzanowsky, Rudolf 70 "Kubin, Alfred 318, 568 Kühl, Gustav 501 (719), 517 (762) "Kühn, Carlos ν "Kühn, Joachim 39 Kühn, Paul 423 (545) Kühnemann, Eugen 181, 182 Külpe, Oswald 81 "Künzli, Arnold 429 "Kürschner, Josef xxi, 115 (77-77e), 220 (184), 550 Küster, Konrad 196 "Kufferath, Maurice 605 Kuh, Emil 29, 30, 76 (53), 451 Kuhlenbeck, Ludwig 86 Kulke, Eduard 105 (74), 190 (151, 153), 276 Kulstein, Franz 615 (982) Kummer, Friedrich 538, 605 (951) "Kunn, Dr. xxxix Kunze, Brüder s. Runze, Georg u. Max "Kunze, Wilhelm 388 Kupffer, Elisar xlviii Kurz, Hermann Alfred 120, 128 Kurz, Isolde 120 "Kutscher, Arthur 201 "Kutzbach, Κ. A. 192, 318, 671 Kym, Hedwig 139 "Kym, Ludwig 139

716

Namenverzeichnis: . .. und Nietzsche

λ 281 (288), 371 (465), 398 (503), 567 (874) L„ Dr. 543 L., Η . 603 L., O . 628 (1021) L„ W. 501 (716) Laban, Ferdinand 48, 49, 85 (61), 97 Lachmann, Hedwig 197, 217 Lämmle, August 693 "Laermann, Klaus xiii Lagarde, Paul de xlviii, 71, 72, 77, 113, 170, 207, 294, 310, 352, 358, 457, 510, 557 f., 686 "Lamberechts, Luc. 217 Lamberg, Toni 615 "•La Mara 13 Land, Hans xxii, 246, 642, 644 (1095) Landauer, Gustav 197, 215 (177), 216, 217, 253, 383, 502, 574 (895) Landmann, Edith 232 "Landmann,Georg Peter 233, 576 "Landmann, Michael 412 Landolf, C. 661 (1152), 662 (1152a) Landsberg, Hans 654, 670, 671, 678 (1191) "Landsberger, Heinrich 388 "Landsteiner, Karl 388 "Lang, Antonius 683 "Lang, Carl Ludwig vii Lang, Heinrich xxxvi, 35 (29) Langbehn, Julius 112 f., 170, 175, 176, 185, 199, 202, 207, 229, 251, 258, 271, 278, 310, 344, 359, 458, 615, 656, 686 Lange, Friedrich xxiii, xxiv, 677 (11881188b) Lange, Friedrich Albert 15, 27 (14), 52, 123, 167, 348, 426, 481, 490, 518 "•Lange, Helene xxii, xxv Lange, Konrad 359 (424) "Langen, Albert xxx Langen, Heinrich 50 (42) "Langen, Martin 388 Langewiesche, Wilhelm 257, 388 Langguth, Adolf 477 (659), 484 Langheinrich, Max 698 Lanzky, Paul xlviii, 88, 107, 114 (76), 115, 125, 138 (91), 281 (287-287a), 298 (310-310a), 321, 341 (372), 344 (382), 348 (398), 349 (404), 350 (404a), 366 (448), 445 (578), 492 (693), 504 (723), 519 (767), 520 (767a), 656 Larsfeld, Robert 298, 301 Lasker, Eduard 77, 167 Lasker-Schiiler, Else 536, 537

Lassen, Eduard 140 "Lasson, Adolf 388 "Lasson, Georg xxix Laubmann, Dr. 366 Lauenstein, Alexander s. Tille, Alexander Lauff, Josef 560 Laurence, Max 654 Laussot, Jessie 14, 70, 128 Lautensack, Heinrich 698 Lauterbach, Paul 212, 230, 265, 500 Lauterburg, Moritz 9 "•Lazarus, M. 633 Leblé 532 Lechter, Anna 480 Lechter, Melchior 479, 480, 553, 692 Legen, Richard 372 (466) "Lehmann, J. xxxi Lehmann, Lilli 57 "Lehmann, Paul xxviii Lehmann, Rudolf 90 (67), 97 Lehmann, Wilhelm 522 f. Lehrs, Max 364 "Leins, Hermann 688 "Leipprand, Ernst 29 "Leipziger, L. xxix Leitzmann, Albert 610 Leixner von Grünberg, O t t o vii, xi, 431 (551), 432 (551a-b), 463 (617), 580 (913), 581 (913a), 637 f. "Lemke, O. A. 388 Lemmermayer, Fritz 166, 388 Lenbach, Franz von 100, 101 Lensing, Theodor s. Lessing Theodor •Lengyel, Béla 47, 49 "Leo, F. A. 388 "Leo, Heinrich 444 "Leppla, Ruprecht 230 Leppmann, Franz 587 Lepsius, Reinhold 495 Lepsius, Sabine 495 Lerda, G. 546 (812) Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag 15 Lessing, Theodor xiii, 327-329 "Lessmann, Otto xviii Leuckart, Rudolf 141 "Leuthold, Heinrich 386 Leutsch, Ernst von 16 "Leux, Irmgard 204 Levertin, Oscar 149

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche Levetzow, Karl Michael, Frhr. v. 172, 543 (805-805a) Levi, Hermann 129, 140 •Levysohn, Arthur xli Leyen, Friedrich von der 426, 585 f. Lh. 519 (766) Lichtenberger, Henri 464 (BE-BEa), 494, 498, 513, 516, 546, 554 (831-831a), 557, 558, 559, 561, 564, 567, 568, 572, 579, 602, 603, 604, 606, 611, 620, 638 (1066), 641, 642, 647, 655, 659, 664, 680 (1197), 695 Lichtwark, Alfred 358, 359, 693 •Liebermann, Max 651 •Liebermann von Sonnenberg, Max xvii, 39 Liebermann von Wahlendorf, Willy, Ritter 217 Liebig, Hans, Frhr. von 621 (998), 663 (1159) •Liebknecht, Wilhelm 584 •Liebmann, Kurt 672 Liebrich, Richard 305 Liechtenstein, Rudolf, Fürst 13, 44, 89 Lienhard, Friedrich 388, 578, 615 (983), 630 (1031), 658 (1144) •Lilie, Moritz 388 Liliencron, Detlev, Frhr. von 162, 163, 164, 172, 190 (152-152a), 197, 206, 246, 359, 386, 388, 431, 455, 471, 526, 550, 578, 594, 597, 657, 682 Lilienthal, Wilhelm 255 (AG), 388 »Lindau, Paul xxxiv, 207, 224, 258 Linde, Max 437 (563), 440 •Linde, Otto zur xx, 111, 495 •Lindemann, Wilhelm 493 (695-695b) •Linden, A. von der 188 •Lindkin, Hans-Ulrich 563 Lindner, Albert 76 f. (55), 246 •Lindner, Anton 526 Lindwurm, Arnold 47 •Lingen, Thekla 526, 578 •Lingg, Hermann 245, 600 Lipiner, Siegfried 43, 61-65, 68, 69, 71, 103, 115 •Lippert, J. 167 Lippmann, Leo 598 •Lipps, Theodor 81 Liszt, Franz 5, 13, 14, 27, 38, 44, 56, 57, 69, 74, 140, 141, 163, 269, 391, 424, 479, 624 Lohr, Bertha 390 •Löns, Hermann 386

717

Löwe, Ludwig 195 Loewenfeld, Hans 563 (857) •Loewenthal, A. xxii Löwenthal, Eduard xxxiii, 474 (654), 475 (654a) Löwenthal, Siegfried 225, 226 Löwer, Ernst 201 •Löwith, Karl 687 •Lohr, A. xxx •Lorenz, Alfred 75 Lorenz, Max 597 f., 659 Loris s. Hofmannsthal, Hugo von Lorm, Hieronymus 91, 226, 317 (342) Losch, H. 184 (137) •Lothar, Rudolf xxxix Lou, Henri s. Salomé, Louise von Louis, Robert 45, 605 (950), 646 (1104) •Lougee, Robert W. 77 Lublinski, Samuel 475 (657), 564 (860), 602 (942), 607, 648 (1112), 681 (1201) Lucas, J. 184 (138) Lucchesi, Matteo Johannes Paul 435, 617 Ludassy, Julius Gans von 256 (239), 257, 299 (314) Ludwig II. 13, 39, 81 Ludwig, Emil 688 Ludwigs, Hans G. 226 (190), 228 (193193a), 229 Lübeck, Carl 30 •Luft, Friedrich 541 •Lukács, Georg 224 Lundgârd, Axel 149 Luthardt, Christoph Ernst xxxviii, 87 Luther, Hans 426 Lyon, Otto xl, 559 (848), 560 (848a) •Lyschinska, M. 479 m. 632 (1040) M., E. 173 (132) M., R. xlix Maaß, Ernst 32 Mach, Ernst 39, 141 •Machatzke, Manin 146 •Mack, Dietrich 5, 72, 620 Mackay, John Henry 184, 206, 228, 246, 248, 253, 266, 305, 388, 415, 458, 518, 520, 526, 556, 578 Maeterlinck, Maurice 270, 506, 556, 623 Madjera, Wolfgang 636 (1057) Mähly, Ernst 173, 665

718

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

Mähly, Jacob Achilles 18, 19, 171 (129), 173 (133) 665 (1165) Mahler, Alma s. Schindler, Alma Maria Mahler, Gustav 68, 69, 387, 389 f. Maier, F. 617 (987) Maier, Mathilde 13, 27, 38, 44, 53, 71 Mainländer, Philipp 153, 566, 683 »Majerszky, Adalbert von xxi Makart, Hans 431 »Malraux, André 395 »Mann, Erika 682 Mann, Heinrich x, xxiv, 234, 327, 390 (486), 410 (521) »Mann, Julie 682 Mann, Thomas x, 326, 327, 395, 382 Manning, Dr. 609 »Manroth, Fedor 208 Mansuroff, Frl. Zina von 108, 121, 125 Manz, Gustav 426, 650, 654 Marbach, Oswald 55 »Marc, Franz 673 Marholm, Laura 174, 186 (146), 246, 458, 614 »Maria, Karl 526 »Markow, Alexis 339, 485 »Markwardt, Otto 362 »Maro, Francis 544 Marquard, Paul 4 Marschalk, Max 424 (548) Martens, Kurt 514-516, 534, 689 Marti, Fritz 629 (1025-1025a) »Martini, Fritz xxviii, 669 »Marwedel, Rainer 329 Masi, Enrico 101 »Masius, Hermann xxxiii Massini-Meyenrock, Rudolf 73 Matthews, Paul 652 (1128) »Matwin-Buschmann, Roswitha 248 Maurenbrecher, Max 52, 466 »Mauser, Wolfram 14 Mauthner, Fritz xx, xxxi, 15, 39, 193 (158), 246, 286 (296), 294, 306 (332), 352, 614 (979), 617, 627, 630 (1032), 631 (1032a-c), 634, 642 (1087) Maxi s. Stein, Maximilian »Maximilian II. 89 »Mayer, Eduard von vii Mayer, Emil Walter 620 (996) Mayer, Gustav xlvii, 207, 208 »Mayer, Hans 327

»Mayer, Paul 268 Mayr, Richard 388 (482) Mayreder, Karl 156, 157 Mayreder-Obermayer, Rosa 156, 157, 374 (473) »McGrath, William J. 64 »McGuire, W. 430 Mehring, Franz viii, 224 (187-187c), 229, 238, 257 (241), 261 (246), 267, 294 (304), 415, 443 (574), 444 (574a-c), 450, 541 (798-798c), 568, 633, 634 »Meier-Gräfe, Julius xxxv, 693 »Meili, Friedrich xxxviii Meineke, Friedrich 222 Meisenbach, Hilde 567 (877) »Meilin, M. 535 Mena s. Nielsen, Rosalie Mende, Oberpfarrer 30 Mende, Theodor 30 Mendelssohn, Arnold 609 »Mendelssohn, Peter de 326 Mendelssohn, Robert von 414 Mendelssohn-Bartholdy, Karl Wolfgang Paul 16 »Mendt, A. 95 Mensch, Ella 304 (327), 477 (661), 564 (859) Menzer, Paul 535 (792), 588 (920) Merian, Hans xxvi, 16, 132, 306, 310, 515, 528, 566 (868), 595, 689 Merian, Rudolf 51 Merian-Burckhardt, Sophie 51, 310 »Meß, Friedrich 109 Messer, Max 546 (813), 556 (836-836a), 572 (888), 573 (888a) Metschersky, Alexander 56 Meyendorff, Olga, Freifrau von 13, 27, 38, 44 Meyer, Bruno xxiii, 27, 34 (26), 43 Meyer, Conrad Ferdinand 108, 110, 111, 125, 240, 302, 578, 681 Meyer, Emil Walter 495 (697) Meyer, Grete 519 Meyer, Heinrich 89, 602 (941) Meyer, Hugo von 30, 38 Meyer, Johann Georg 413 (529), 481 (668) »Meyer, Jürgen Bona 49 Meyer, Max 303 (325) Meyer, Richard Moritz 145, 244 (218), 290 (298), 321 (347), 355 (412), 391 (488), 408 (517-517a), 441, 548 (822), 610 (966-966a),

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche 614, 656 (1140-1140a), 657 (1140b-e), 665 (1166-1166a) Meyer, Theo xiii Meyers Konversationslexikon 164, 394 (495495g), 395 (495h-i), 685 Meysenbug, Malwida von 13,17, 23, 27, 29, 38, 44, 46, 53, 56, 58, 68, 71, 72, 74, 79, 82, 94, 99-102, 107, 109, 125, 138, 149, 150, 161, 194, 264, 273 (270-270c), 276, 277, 280 (284), 321, 337, 424, 427, 434, 457, 527 (784-784b), 534, 539, 545, 602, 650 (1121-1121b), 661 Miaskowski, Alexander von xlviii Miaskowski, Ina von xlviii »Michaelis, Carl 433 (553a-c) Michaelis, Paul 136 (85), 145 (100), 168 (124), 365 (445) 371 (463) Michaelsen, Sophus 149 »Michler, Karl 388 »Miller, Henry 384 Minghetti, Laura 57 »Minghetti, Marco 57 »Mitchell, Donald 387 mk 138 (90) Modersohn, Otto 529 Modersohn-Becker, Paula 529, 530 Möbius, Paul Julius viii, 46, 187, 659 Möller, Heinrich 653 (1131) M0ller, Niels 149 Möller, Otto M. 482 (671) Moeller-Bruck, Arthur 548, 549 (825), 550 (825a), 561, 603 Mönckeberg, Carl xxii, 438 (564), 440, 444 (576) »Moeser, W. xxv Moest, Oberregisseur 654 »Möwenberg, Jakob 388 Moleschott, Jacob 293 (AJ), 504 »Moltke, Hellmuth von 534, 541 Mombert, Alfred 480, 550, 651, 672, 683 »Mommsen, Theodor 26, 167, 331 Mongré. Paul s. Hausdorff, Felix Monod, Gabriel 13, 56, 72, 82, 149 Monod, Olga s. Herzen, Olga Alexandrowna »Montinari, Mazzino xxviii, xxix, xxxiv, 63, 78, 165 »Moos, Eduard xxi Moos, Paul 366 (449), 373 (470) Morgenstern, Christian v, 351 (407), 352 (407a), 410 (522), 458, 486, 498 (708), 526, 578, 614, 670

719

»Morgenstern, Lina 388 Morgenstern, Margarete 351, 352, 498 »Morgenstern, Olga 388 »Morin, George 388 Morocutti, Maximilian 426 f. »Morse, B. J. 672 »Mosse, George L. 270 Mosse, Rudolf xx Most, Johann Joseph xxv, 383-385, 426 Motti, Felix 140, 620 Muchanoff-Kalergis, Marie von 13, 23, 27 »Mücke, Johanna 579 »Mügge, M. A. vii »Mühlher, Robert 318 »Müller, C. 578 Müller, Ernst xii, 661 (1150) »Müller, Ewald 388 Müller, Friedrich von 81 Müller, Hans von xlviii, 145, 318, 505 (728), 653 (1131) Müller, J. G. 18 Müller, Johannes 286-288, 577 Müller, Karl Alexander von 684 Müller, Richard 679 (1194) Müller-Freienfels, Richard 86 »Müller-Lauter, Wolfgang xxxiv, xxxvii Müller-Palm, Adolf s. Palm, Adolf »Müller-Seidel, Walter xxviii Münster, Fritz 352 »Münsterberg, Hugo 248 Münz, Sigmund 110 »Münter, Gabriele 673 »Mulder, Henk L. 507 Mumm, Reinhard 435 (556), 650 (1119) Muncker, Franz 36 Muncker, Theodor, Ritter von 36, 680 Mushacke, Hermann 3 Musil, Robert, Edler von x, 489, 490 N., Dr. 422 (544) N., M. 395 (496) Nadherny von Borutin, Sidonie 633 »Nadler, Josef xxiv Nägelsbach, Karl Fr. 16 »Naeher, Jürgen 484 »Najmajer, Marie von 388 Namenlos s. Wolff, Johanna »Nathusius, Martin von xvii Natorp, Paul xvii, 115 »Naumann, Carl Gustav 579

720

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

Naumann, Constantin Georg vii, 27, 53, 75, 83, 87, 88, 102, 103, 107, 125, 131, 134, 141, 149, 150, 159, 161, 162, 166, 167, 187, 212, 224, 227, 228, 230, 236, 238, 239, 244, 255, 266, 268, 269, 274, 276, 277, 290, 301, 303, 311-314, 338, 348, 353, 356, 362, 373, 385, 416, 424, 446, 457, 465, 499, 508, 555, 569, 570, 579, 589, 598, 613 (977), 653, 672 Naumann, Ernst 12 "•Naumann, Friedrich xxi, 451, 687, 693 Naumann, Gustav 162, 274, 489 (684), 547 (818), 556, 579 (911), 580 (911a-b), 606, 607, 612 (972), 648 Naumann, O. 562 (854) Naumann, Viktor xlviii, 268, 269, 304, 458 »Neal, Max 388 Necker, Moritz 367 (450450a), 371 (461), 512 (749) Neidhardt, Karl 436-438, 440 (568), 444 Nettlau, Max 382 f., 385 Neumann, Alfred 198 Neumann, Arno 578 (906) Neumann, Carl 473, 509 Neumann, Ernst 698 Neumann, Karl Johann 51, 52 Neumann-Hofer, O t t o xxxi, 246, 324, 325 Neumark, David xii, 677 (1187) Neupauer, Josef, Ritter von 342 (378), 346, 351 (406), 353, 356 (415) »Newlin, Dika 69 »Nicholls, R. A. xi, 415 »Nicki, Therese 208, 209, 211 Nicoladoni, Alexander 562 (855) Ni(e)lsen, Frau Rosalie 16, 131, 132 »Niemann, August 245 »Niemann, Johanna 133 »Nies, Konrad 388 Nietzsche, Carl Ludwig 15, 255, 318, 356 Nietzsche, Therese Elisabeth Alexandra ix, xi, 5-8, 10, 23, 28, 32, 33, 39, 42, 45 f., 55, 63, 72, 73, 74, 79, 82, 94, 95, 99, 101, 108, 114, 116, 124, 130, 141, 149, 155, 157, 161, 175, 181-183, 186, 187, 192, 195, 199, 200, 214, 227, 239, 240, 241, 249, 267, 275, 283285, 289 (AI), 294, 305, 306, 309, 311, 313 (GVIe-i), 318, 319, 321, 325, 340, 350, 353, 355, 356 (417-417a), 357 (417b-c), 358-360, 362-369, 373 (GlXa), 395, 408, 414, 417, 422424 (547-547a), 425 (547b-c), 426, 435, 437, 442, 447-449, 451, 457, 464466, 471, 472,

477 (662), 478, 479, 483, 485, 487, 490, 491, 499 (BI), 500 (Bla-c), 501 (718), 504, 505, 508, 510, 511, 517, 521, 522, 534, 536, 537, 541 (800), 542 (BS-BSa), 546 (814), 553, 554 (831-831a), 557, 563, 564, 566, 567, 570 (GkVI), 573 (889), 579, 587, 594, 595, 598 (930), 602, 606, 607 (960), 609, 611 (968), 612 (972, 974), 616, 617, 618 (BZ), 623, 624, 625, 628, 629, 632, 635, 637, 640, 648, 656, 673 (1181-1181a), 680 (COa), 690, 693 Nietzsche, Franziska vii, 5, 53, 73, 80, 82, 92, 95, 100, 112, 116, 130, 131, 173, 186, 190, 200, 225, 227, 228, 239, 254, 255, 257, 279 f., 283, 294, 305, 306, 309, 333, 338, 344, 351, 364, 369, 395, 422, 424, 448, 454, 457, 472, 624 f., 628, 665 Nietzsche, Rosalie 356 »Nijland-Verwey, M. 11, 480 Nikisch, Arthur 140 »Nin, Anais 384 »Nippold, Fr. 37 »Nissel, Karl 388 Nissen, Benedikt Momme 113, 185, 359 Nitzsch, Friedrich August Berthold 345 (389) Nitzsche, Richard 4 Nobel, Nehamiah Anton 643 (1092) Nodnagel, Ernst O t t o 226 »Nothing, Theodor 388 Nohl, Karl Friedrich Ludwig 30, 55 Nolde, Emil 357 »Nonveiller, Heinz 157 Nordau, Max xii, 96, 151, 245, 249, 258, 269 (265), 270, 271 (265a-b), 272, 277, 279, 284, 285, 300, 341, 346, 388, 643, 655 (1137), 694 Nordhausen, Richard 260, 360 (425) Nostitz-Rieneck, Robert von 279 (282) »Noth, Abr. xxxvii »Obermayer, F. xxxix »Odern, M. 388 ö 656 (1138) Oehler, Adalbert 130 f., 173, 227, 240, 285, 414, 508, 653 (1131) Oehler, August 575 (898), 576 Oehler, Edmund Richard 131 Oehler, Hans 173 Oehler, Kurt 173 »Oehler, Max viii, 49, 114

Namenverzeichnis: ... und Nietzsche »Oehler, Richard 32, 43, 131, 356, 424, 500, 643 »Oehler, Theobald 173 »Oelmüller, Willi 30 »Ohquist, Johannes 386 »Oeri, Jakob 532 »Oertzen, D. v. xvii »Oertzen, Baron, G. von 388 »Oesterreich, Traugott Konstantin 86 (63f-g), 87 (63h) »Ohorn, Anton 388 »Okkenden, R. C. 233 Olde, Hans 417, 471, 611 (969), 664 »Olde, Rosa 611, 664 »Olden, Balder 199, 663, 664 Olden, Grete 199,200 Olden, Hans 199, 200, 664 »Olden, Rudolf 199 Ommerborn, Johann Christian Josef 500 (712), 502 »Ompteda, G. v. 388 Opitz, Theodor 46, 47, 680 Opitz, Moritz Theodor 24 Oppeln-Bronikowski, Friedrich von 437 (562), 554, 559 (845, 846), 561 (850), 564 (862), 567 (871), 572, 600 (BU), 606, 608, 640 (1077), 647 (1108), 655 (1135), 663 (1158) Oppenheimer, Franz 197 f. »Oppenheimer, L. Y. 198 Oppenheimer, Paula s. Dehmel, Paula »Ortner, Oswald 425 Osborn, Max xxxii, 259, 260, 693 »Ost, H. xxxiv Ostler, Clara 351 »Ostrow, Iwan 340 Oswald, Josef Gottfried xlviii, 189 (149), 386 Ott, Mad. Louise 55, 56, 72, 464, 680 »Otto II, König von Baiern 267 Overbeck, Franz Camill vii, viii, 4, 8-12, 16, 17, 19, 23, 25, 27-31, 35, 40, 43, 44, 50, 51, 54, 56, 60, 70-73, 75, 77, 79, 82, 83, 88, 94, 99, 101-103, 107, 108, 111, 114, 122, 125 f., 134, 135, 138-141, 149, 161, 167 f., 183, 227, 254, 265, 297, 314, 406, 424, 580, 616, 622, 693 Overbeck, Ida s. Rothpietz, Ida P. 366 (447) p-s. 587

721

P., H. 362 (433) P., M. 347 (394) P., W. 681 (1202) Pachnicke, Hermann 73 Pachtel, Maler 110 Pahlen, Isabella Olga von der 54, 55, 56, 72 Palm, Adolf xlviii Paneth, Josef 65, 103 »Panizza, Oskar 206, 219, 253, 338, 388 Pannwitz, Rudolf xx, 359, 412, 493-495 »Pasig, Gustav 388 »Pasley, J. M. S. 691 Pastor, Ludwig Frhr. v. 361, 362 »Pataky, Sophie 408 »Patzer, Andreas 16, 297 Paul, ein Geiger 150 »Paulhan 248 Pauli, Gustav 199 »Pauli, Karl 388 Paulsen, Friedrich 28, 79, 80, 97, 170, 325, 448 (589), 470 (637), 617, 686 Paulsen, Rudolf 494, 495 »Paulsen, Wolfgang 377 »Pecht, Friedrich xxviii Pedro II. de Alcantera 63 »Perfall, A. von 245 »Perl, Heinrich 210 Pernerstorf(f)er, Engelbert xxiv, 64, 65, 346 »Pestalozzi, Karl xxxvii »Peter, Johann 388 »Peters, G. W. 16, 131 »Peters, Hans Frederick 111 Petit, Henry H. 195 »Pettey, John, Carson 377 »Peuckert, Will-Erich 146 Pfänder, Alexander 684 Pfannkuche, August 509 (733) »Pfeiffer, Albert 110 »Pfeiffer, Ernst 74, 95, 297 f., 439 »Pfeiffer, M. xxx »Pfeiffer, Thomas 297 f. »Pfeiffer-Belli, W. 181 »Pfenniger 676 Pfister, Albert 583 Pflaum, Christoph David 641 (1084) Pfleiderer, Edmund 47 Pförtner, Wilhelm 403 (511) »Pfungst, Arthur 386, 388 »Philippi, Joëlle χ, 277 »Philippsohn, Ludwig xviii

722

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

"•Picasso, Pablo 163 »Pichler, Adolf 388 Pierers Konversations-Lexikon 220 (184) Pietzker, Wilhelm Friedrich Christian 275 (274) »Pikart, Eberhard 687 Pinder, Frau 680 Pinder, Wilhelm 12, 28, 356, 680 ""Piper, Ernst Reinhard 217 Piper, Reinhard 352 Plener, Ernst, Frhr.v. 118 »Pleißner, Artur xxxvii Ploch, Arthur 548 (824) »Plöhn, Robert 388 Ploetz, Alfred 343 »Plotke, G. J. 88, 89 Plüß, Theodor 30, 38 »Pniower, O. 324 »Podach, Erich F. vi, 120, 254 Pökel, W. 92 (68) Pötzl, Eduard 630 (1029), 679 Pogge, Günther 594 »Pohl, Gerhart 653 Pohl, Richard 13 f., 53, 151 (105), 159, 190, 276 Poppenberg, Felix 284 (292), 285 (292a), 360 (426-426a), 448 (586) Porges, Heinrich 6, 83, 105 Portig, Gustav 165 Poruck, Johannes 292 (301) »Possart, Ernst von 661 »Potonié, H. xxxiv Potpeschnigg,Heinrich 157 »Prater, Donald A. 563 Preen, Friedrich von 71, 73 »Prel, Carl du 153, 254, 298 »Presser, Karl 388 »Pretzsch, Paul 619 »Preuschen-Telman, Hermine von 388, 526 Probst, Jakob 236 »Prochazka, Rudolf, Frhr. von 388 »Proelß, Johannes 388 Prometheus, Cyprianus 500 (715) Prott, Marie von 653 Przybyszewski, Stanislaus 197, 198, 210, 247 (222-222a), 248 (222b), 249, 251, 337, 349, 359, 415, 431, 458, 476, 549, 550, 560, 614 Pudor, Heinrich 207 »Pütz, Peter χ

»Pusch, Luise F. 108 Puttkamer, Alberta von 201, 202, 386, 578 Quenzel, Karl 561 (852) R., J. 638 (1065) »Raabe, Wilhelm 338 Radbruch, Gustav 694 Rade, Martin 71 »Radenhausen, C. 308, 353 Raff, Helene 310 »Rahm, Berta 397 »Ralfs, Günter 102 »Ramann, Α. Μ. B. 388 »Rammstedt, Ottheim 363, 391 »Randa, Hermann 11 »Ranke, Leopold von 167, 258 Rantzau, Frl. Nadina von 100, 109 Rapp, Dorfpfarrer 35 »Rappaport, Felix xl »Rasch, Wolfdietrich 213, 215 »Raschel, Heinz 232 Raskowitsch, Robert Benjamin 82, 457 »Rath, Philipp 673 (1181) Rath, Willy 698 »Rathenau, Walther xii, 490 Rau, Albrecht 395 (500), 398 Rau, Leopold 13, 23, 28, 38, 44, 53 Rauchenstein, Rudolf 10, 12 »Rauwenhoff, L. W. G. 37 »Reder, Heinrich von 386, 388 Redslob, Edwin 624, 625 Rèe, Paul 46, 55, 56, 60, 64, 70, 72, 74, 78-80, 82, 83, 88, 94, 97, 98, 100, 111, 127, 187, 239, 265, 277, 297, 348, 404, 424, 439, 527, 554, 562, 571, 595, 656 Régner von Bleyleben, Irma 64 Rehm, Ernst 651 (1125) Reich, Emil 293, 403, 404 »Reichenbach, Ingeborg 273 »Reichert, Herbert W. v, ix, 119, 211, 377 Reichert, Johannes 689 Reichmann, Armin 408 (518) Reiff-Heissiger, Josef 70 Reiffenstein, Frl. Johanna 624, 625 »Reimer, P. 85 Reiner, Julius 639 (1072-1072a), 642 »Reinfels, Hans von 353 »Reinhardt, Gottfried 323 »Reinhardt, H. 405

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche Reinhardt, Max 323, 584 "Reinken, Liselotte von 550 *Reitzel, Anna 253 Reitzel, Robert xxi, 253 (234), 383 Reiving, Paul 525 (778) "Remer, Paul 526, 578 "•Renner, G. 578 "•Renner, Hugo 19 Renner, Karl 166 Renz, Barbara Klara 601 (935) Repke, Johannes 577 (904) "Resa, T. 388 "Resiwitz, W. v. xxxi Reuter, Gabriele 200, 201 Reuter, Richard 357 (419) "Reventlow, Else 213, 215 Reventlow, Franziska, Gräfin zu 213-215, 408 Reventlow, Karl, Graf zu 213-215 "Rhodes, Cecil 659 Ribbeck, Otto 3, 8, 10, 14, 19, 23, 28, 72, 89, 141 "Ribot, Théodule 248 Richert, Hans 649 (1116), 664 "Richter, Pfarrer xxxvii Richter, Arthur 41 (34) Richter, Gustav 179 Richter, Hans 68, 81, 140 Richter, Lina 180, 673 Richter, Raoul viii, 179, 180, 315, 414, 471, 640 (1080), 653 (1131), 673 (1180-1180a) Rickert, Heinrich 160, 375 Riedel, Carl 140 "Riegel, Hermann xli Riehl, Alois viii, xi, 375 (475), 389 (483), 391, 417 (533), 435, 452 (601), 455 (610), 456 (610a-f), 467, 469472, 474, 475, 485, 491, 496, 505, 517, 559, 567, 571, 573, 643, 649, 662 (1153-1153a) Riemann, Hugo 92 (69-69a), 93 (69b-e), 684 "Rietsch, H. 610 Rilke, Rainer Maria xii, 370 f., 395 (501), 396 (501a), 486, 518, 530, 563, 578 "Rinn, Hermann xxix »Ritsehl, Albrecht 434 Ritsehl, Friedrich Wilhelm xxxvi, 2, 3-8,10, 14-16, 18, 22-24, 28, 29, 33, 89, 95, 139, 141, 424, 554 Ritsehl, Otto 434 (555), 435 (555a), 447, 456, 466, 481, 482, 495, 542 (802), 572, 620

723

Ritsehl, Sophie 6, 10, 28, 53, 128, 230 "Ritter, A. 578 Ritter, Hermann 55 Ritter, Karl Gottfried 87 (64) "Rittershaus, Emil 245 "Rittner, C. H. xxvii Robert-tornow, Walther 669 (1175) Robertson, George Croom xxxi, 66 "Robertson, John G. xi, 204 Robitschek, Frau Selma 690 "Rockefeller 659 "Rocker, Rudolf 384, 385 Rode, Albert Julius 468 (632), 470, 497 Rode, Helge 149 Rodenberg, Julius xxii, 245, 265, 463, 467 Roderich-Stoltheim, F. s. Fritsch, Theodor Röber, E. 340 (371), 352 "Roeder, Erich 15 "Röder, Ludwig Christian 109 Röder-Wiederhold, Frau Louise 100, 102, 104, 108, 109, 110, 126, 141, 167 "Röhl, G. XXXV "Röseler, Wilhelm 388 "Röttger, Karl xx Roggenbach, Franz Frhr. 16 Rohde, Erwin 2-6, 8, 10, 16, 17, 19 (3-3a), 20 (3b-c), 22, 23 (7-7a), 24-26, 28, 32, 38, 40, 42-44, 53, 60, 61, 64, 72, 79, 82, 88, 89, 94, 99, 102, 103, 108, 111, 126 f., 141, 167, 236, 268, 297, 356, 413, 424, 571, 666 Rohr, Frl. Bertha 129 "Rolland, Romain 563 Roloff, Ernst Max 324 "Rolph, W. H. 308, 309, 354 Rom, Carl 504 (725) Romundt, Heinrich Friedrich Rudolph 2, 3, 5, 8, 10, 17, 19, 22, 23, 28, 53, 55, 56, 72, 79, 82, 97, 297, 348 (399), 680 Roscher, Wilhelm Heinrich 2, 7, 357 Rose, Valentin 3, 4 Rosegger, Peter xxxvi, 81, 245, 451 Rosenthal, Moriz 155, 157, 367 "Rosenthal-Deussen, Erika 55, 664 "Rosenzweig, Franz xiii Rosmer, Ernst 66, 67, 338, 678 Rosner, Karl 257 (242) "Rossi, Emilie 388 "Rossi, Emmy '388 Rothpietz, Frau Elisabeth Louise 73, 82, 84, 94

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Namenverzeichnis: ... und Nietzsche

Rothpietz, Ida 12, 28, 39, 44, 45, 53, 111, 126, 425 Rubenstein, Arthur 696 Rubenstein, Friedrich 474 (653) »Rudolph, Alwin Alfred 579 •Rudolph, A. W. 429 »Rudolph, Günther 440 Rühl, Franz 82 Rümelin, Gustav 50 (44) Riittenauer, Benno 279 (281-28 la) »Rützow, Sophie 16 Ruhemann, Alfred 532 (788) *Rukser, Udo 494 Rullmann, Wilhelm 654 (1132) Runkel, Ferdinand 347 (396), 349 (401) Runze, Georg 97, 98, 405 (513), 406 (513a), 420 (539a), 466, 497, 572, 576 (899-899b), 643 Runze, Max 97, 98 »Rupp, Heinz vii »Ruprecht, Erich 565 »Rust, Werner 670 (1175j, 1-m) Ruthardt, Adolf 121, 122, 140, 619 Rutishauser, Fritz 583, 653 (1131) »Rychlak, J. F 429. »Rydberg, Abraham Viktor 694 Ryser, Emil 665 (1167) rz. 341 (373) s. 352 (409), 425 (549), 635 (1051) S. 606 (952) S., Ed. 153 (109) S., H . 527 (783) S., J. xlvii S., M. 470 (638) S., P. 343 (380) Saar, C. 520 (768) »Saar, Ferdinand von 578 »Sacher-Masoch, Leopold, Ritter von 245 Sachs, Ferdinand Gustav Julius 142 »Sachse, Arno 527 (784b) »Saenger, Carl xxi Saenger, Samuel 466 (627), 467 Saint-Charles 279 (279) »Salber, Linda 111 Salburg, Edith, Gräfin Salburg-Falkenstein 690 »Salin, Edgar 56 Salis, Arnold von 17 Salis-Marschlins, Meta von 82, 88, 108-110, 122, 127, 139, 141, 149, 161, 206 (171), 211,

414, 457 (612), 480 f., 493, 500, 580, 582, 603 »Salm, Altgraf 104 Salomé, Lou(ise) von xi, xlviii, 72, 74, 94, 95, 97-100, 111, 127, 133, 156, 157, 188, 192, 201,205 (169, 170), 238 (206), 249, 256 (240), 269 (263), 270, 276, 277 (276), 285, 296 (308), 297 (308a-c), 298, 302-306, 317, 319, 324, 342, 343, 346, 348, 351, 356, 362, 363, 371, 375, 391, 424, 439, 477, 479, 496, 516, 517 (761), 519, 523, 532, 535, 554, 602, 649, 650, 655, 656, 688 Salomon, Ludwig 278 (280), 279 (280a) Saiten, Felix 211 »Salter, W. S. 123, 153 »Salus, Hugo 526, 578, 651 Salzer, Anselm 493 (695) »Sambursky, Miriam 691 Sandberg, Richard 555 (834) »Sandheim, Adolf 388 »Sanftleben, Alfred G. 427 Saring, G. 611 (973) »Saß, H.-M. 85 »Sassenbach, Johannes xxxiii »Sauer, August xxiv »Sauerländer, W. 430 Sax, Emanuel Hans, 68, 69 Sayn-Wittgenstein, Carolina, Fürstin von 57 Sch. 285 (293) Sch., K. 158 Sch., O. 145 (99) Schaarschmidt, Karl 141 »Schaberg, William H. vi, ix, xi, 7, 24, 36, 107, 140 »Schacht, H. 535 »Schack, Adolf Friedrich, Graf von 388 Schack, D. Th. von 304 (326) »Schade, Franz 229 »Schaeder,Grete 210, 330 Schäfer, Wilhelm 201, 693 »Schär, Alfred 30 »Schafheitlein, Adolf 388 Schalk, Josef 155, 157 Schallmayer, Wilhelm xlix »Schanz, Frida 388 »Schanz, Uli 388 »Schardt, Michael M. 248 Scharf, Ludwig 206, 239 (208-208a), 388, 527, 550, 578 Scharlit(t), Bern(h)ard 390, 678 (1190)

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche Schaukai, Richard von 318, 481, 527, 578 * Schaumberg, Georg 206, 388, 527 »Schaumberger, Julius xxxi, 206, 388 »Scheerbart, Paul 455, 486, 550 »Schefer, Leopold 167 »Scheffel, Josef Viktor von 253, 600 »Scheffer, Thassilo von 527 Scheffler, Karl 318, 319, 693 Scheffler, Ludwig von 56 »Scheler, Max viii, 412, 528 Schellbach, Siegfried 353 Schellwien, Robert viii, 243 (215), 244, 250, 251, 264, 270, 277, 284, 337 (362), 385, 461 (615), 497, 501, 572 Schemann, Bertha 68 Schemann, Ludwig 54, 67, 68, 72, 549 Schenk, Stadtrat 414 Schenk, Mathilde 357 Schenkel, Moritz xxxvii, 16, 19, 368 (456), 369 (456a-b), 419 (536) »Scherr, Johannes 167, 258 »Schettler, Paul 388 »Schickling, Dieter 415 Schieß-Gemuseus, Heinrich 73 Schiffner, Karl 627 (1013) Schillings, Max von 661 »Schilpp, Paul Arthur 330, 686 Schindler, Alma Maria 387, 389 Schindler, Franz Martin 264 (255), 604 (948) »Schindler, P. J. 198 Schirmacher, Käthe 422 Schirnhofer, (The)Resa von 102, 183 Schlaf, Johannes vii, xii, 136 (87-87a), 137, 186 (145), 191, 196, 197, 206, 245, 246, 392, 431, 432, 486, 527, 550, 578, 674 (1184), 675 f. Schlaikjer, Erich 545 (810), 548 (819) Schlatter, Adolf 9 »Schlawe, Fritz 183 »Schlechte, Karl v, ix, xviii, 119 Schleich, Carl Ludwig 197, 198, 248 »Schleicher, Berta 71, 206, 264, 273 »Schleinitz, Alexander Gustav, Graf von 14 Schleinitz, Marie von 14, 19, 72 »Schienther, Paul 324, 467, 574, 657 »Schletterer, H. M. 32, 33 Schlick, Moritz 506, 507 Schlittgen, Hermann 310, 311 »Schlüpmann, Heide 183

725

Schlüter, Willy 500 (713) »Schmähling, Walter 546 Schmeitzner, Ernst xix, xxvii, 20, 29, 30, 40, 42, 44, 53, 55, 56, 60, 70, 73-76, 78, 79, 80, 82, 83 (58), 85, 88, 93, 94, 96, 98, 99, 101-103, 107, 112, 129, 130, 135, 238, 487, 488 »Schmekel, A. 506 »Schmid, Michael 537 Schmid, Wilhelm 167, 168 »Schmid-Braufels, Josef 388 Schmidkunz, Hans 468 (633) »Schmidt, Adalbert 209 »Schmidt, Auguste xxxii Schmidt, Johann Hermann Heinrich 16 »Schmidt, Maximilian 245 Schmidt, Paul Wilhelm 359 (422) »Schmidt, Raymund 16, 39, 61, 115, 182, 361, 518, 596 Schmidt, Wilhelm 680 (1198) »Schmidt-Cabanis, Richard 245, 388 Schmidt-Rottluff, Karl 357 Schmiedbiser 46, 47 »Schmiele, Walter 384 Schmitt, Eugen Heinrich 324, 497 (703703a), 498, 502, 520, 526, 541, 548, 561, 568 (878), 588 (919) Schmitz, Oskar Adolf Hermann 381, 469 (635) Schmückle, Georg 120 Schneegans, Heinrich 537, 538 »Schneider, Gerd Klaus 211 »Schneider, Sascha 651 »Schneider, Walther 327 Schneider, Wilhelm 614 (980) »Schneidt, Karl xxix, 406 »Schnell, H. xli Schnietzer, Sanitätsrat 23 Schnitzler, Arthur 208-211, 431, 563, 584, 651 »Schnitzler, Heinrich 209, 211 »Schöffling, Klaus xxvii »Schoeler, E. 52 Schoeler, Heinrich von 507 (731) Schöll, Rudolf 16, 21, 32, 141 Schoemann, G. F. 4 Schönaich, Gustav xl, 368 (454), 619, 620 Schoenaich-Carolath, Emil, Prinz zu 206, 578, 660 »Schönberg, Arnold 69

726

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

Schönberg, Gustav von 16, 141 Schönlank, Bruno xxx, 510 (735), 511 (745) "Scholz, Hans 71 Scholz, Wilhelm von 416, 417, 421, 527, 578 Schorn, Adelheid von 20, 471, 595 Schrader-Breymann, Henriette 478, 479 Schrattenholz, Josef 293 (AJ) "Schreinert, K. 325 Schrempf, Christoph xxxix, 346 (393), 368, 375 (476), 464 Schreyer, Johannes 672 "•Schröder, E. 76 "Schröder, H. E. 258 Schroeder, Leopold von 517 (760), 620 Schröder, Rudolf Alexander xxvii, 587, 591, 600, 653 "•Schröter, Th. xxiv Schubart, Martin 112, 114 Schubring, Paul 364 (441), 369 Schücking, Levin 98, 534 Schücking, Theo xlviii, 98, 533 (789) Schürmann, Ferdinand 56 Schütze, Albrecht 281 "Schuh, Willi 423 Schuler, Alfred 259, 380, 381 "•Schulin, Ernst xii "Schulpe, Georg von 388 Schultz, Carl, Baron von 97 Schultz, Richard 567 (876) Schultze-Galléra, Siegmar, Frhr. von 348 (400) Schulz, Alexander 496 (701) Schumacher, Fritz 522 "•Schumann, Walter xxix Schümm, Fanny 472 (647) Schümm, Georg 184 (139, 141), 279 (281a) Schur, Ernst 526, 538 »Schur, Max 103 Schuré, Edouard 14, 17, 28, 44, 53 f., 56, 62 (49), 664 Schuster, Bernhard xxii, 679 (CN) "Schuster, Gerhard 666 Schuster-Sutter, Eduard 57, 58 Schwabe, Toni 133, 408 Schwaner, Wilhelm xxiii, 469, 500 (714), 640 (1076), 642 Schwann, Mathieu 555 (835), 556,680 (1199) "Schwartz, W. xviii "Schwebel, Oskar xviii

Schweitzer, Albert 429, 596 f. "Schwierskott, Hans-Joachim 549 "Scrase, David 522 "Seekamp, H. J. 233 Seemann, O. S. 27 (12) "Segelke, Annemarie 113 Sehuster, L. 435 (557) "•Seidel, Ernst viii "Seidel, Heinrich 386, 388 Seidl, Arthur 6, 103, 178, 312 (Già, GlVa, G Va), 313 (G Vila), 314 (GVIIIa), 315 (GII/III), 423, 471, 561 (851), 569 (GkI-GkIII), 570 (GkV, GkVffl), 607, 608 (964), 613, 616 (986), 617, 645 (1098-1098a), 653 (1131), 680 (CO), 684 (1207) Seidlitz, Frau von 114 Seidlitz, Woldemar von 114, 199 "Seiler, Josef 81 Selling, Max 566 (867), 639 "Seklew, Malfew xxiv Seliger, Paul 572 (867), 640 (1078) "•Seile, Götz von 71, 99 Senger, Hugo von 16, 19, 23, 28, 43, 54 Servaes, Franz 237 (203), 239 (207), 246, 247, 271, 304, 337 (364), 365 (444), 398 (502), 455 (609), 475 (656) Seydlitz, Irene von 56 Seydlitz, Reinhart, Frhr. von 56, 68, 72, 79, 127, 149, 196, 206 (172), 207, 424, 526, 558 (843), 680 Shneerson, Esther 696 Siebenlist, August 85 (60), 119 Sieber-Bischoff, Ludwig 73, 79, 127, 141, 161 Siebert, Otto 522 (774.774a), 561, 604 (947) Siegfried s. Weiser, Karl Siegfried, Traugott 58 Siegfried, Walther 7, 337 "Siemens-Helmholtz, Ellen von 180 "Sigwart, Christoph xvii Silberstein, Adolf 236, 293 (303) "Silberstein, August 245 Silberstein, Eduard 103, 104 Simchowitz, Sascha 642 (1090), 643 (1090a-c) Simmel, Georg viii, xii, 264, 363 (437), 391 (487-487a), 478 (666), 495, 643 »Singer, H. W. 364 "Singer, Josef xl Sinzheimer, Hugo 310

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche Sirk, Franz 254 Sittard, Joseph 151 (104), 567 (873), 602 (940), 667 (1170) »Sittler, Margaret 429 »Sittner, Hans 81 »Sklarek, Max xxxii »Slochower, Harry 501 »Soergel, Albert 515 »Sokel, W. H . 690 »Solneman, Κ. H . Z. 228 Sommerfeld, August von 228 (195) Sophus 306 (334) Specht, Richard 200 Spemann, Adolf 508 Spemann, Franz 509 Spemann, Gottfried 508 Spemann, Wilhelm 508 Spengler, Oswald 316, 483, 484, 554 Spielhagen, Friedrich vii, 258, 296 (307), 431, 491, 511, 614 »Spiero, Heinrich 163 »Spir, African 328 Spitta, Heinrich 611 Spitteier, Carl 108, 123, 125, 129, 140, 144 (96-96a), 149, 152 (107-107a), 161, 246, 262, 431, 455, 615 *Sprengel, Johann Georg 317 »Ssymank, Paul 16, 131 St., Pfarrer 90 Stach, Ilse von 409 »Stähelin, Felix 532 »Staemmler, Klaus 248 Stahl, Erich s. Conrad, Michael Georg Stampfer, Friedrich 66 »Standhartner, Joseph 368 »Stange, E. 495 »Stapf, Paul χ Starzenegger, Bartholomäus s. Sturzenegger, Bartholomäus Stedefeldt, Hermann 6 »Stefansky, Georg xxiv »Steffen, Albert xxvi »Steffen, Hans 209 Steffensen, Karl 9, 18, 19, 66 »Stegemann, Hermann 388 Stehr, Hermann 550 Steiger, Edgar xlviii, xlix, 16, 66 f., 159, 638 (1067) »Steilberg, Hays Alan xiii Stein, Heinrich Marcus 47

727

Stein, Karl Heinrich, Frhr. von 49, 68, 71, 74, 94, 97, 99, 102, 103, 108, 148, 526, 618 f. »Stein, Leonard 695 Stein, Ludwig xi, xii, xvii, xlvii, 159, 188, 265 (256), 266 (256a), 271, 279, 293, 294, 303-306, 321, 336, 341 (374), 342 (374a), 346, 347, 350, 368, 420, 424, 433, 435, 447, 467, 469 (634-634a), 482, 542, 551, 559 (847-847a), 625 (1004), 643, 654, 681 (1200-1200a) Stein, Maximilian xii, 336 (360), 375, 410, 572, 652 (1130-1130a), 653 (1130b-c) Stein-Rebecchini, Auguste von 71 Steinberg, Augusta xii »Steiner, Herbert xx, 209 »Steiner, Marie 175 Steiner, Rudolf vii, viii, xi, xxxi, xlvii, xlviii, 14, 86, 157, 166, 174, 175, 199 f., 226 (191), 227, 232, 240, 241 (211-21 la), 247 (221-221a), 250, 260, 261, 263 (251-251a), 275 (273), 292, 345 (387-387a), 350 (405-405b), 351 (405c-d), 352, 355-358, 362 (432), 363, 365, 371, 395, 410, 414, 419 (535), 470, 477, 480, 482, 496 (699-699a), 514 (755-755a), 519, 520 (771-771a), 535, 572, 575, 578 (908), 579 (908a), 580, 601 (937-937a), 602 (939-939a), 606 (955-955a), 607 (959-959a), 612 (974-974a, 975), 613 (975a), 616, 617 (989-989a), 618 (994-994b), 621, 631 (1037), 632 (1037a), 645, 649 (1117-1117b), 650, 654 (1133), 655 (1133a), 656, 679 (1196), 680 (1196b) Steinhauser, Robert 299 (315), 458, 614 Steinmayer, Joseph 293 (302), 301 (320) »Stengel, Edmund xxxv Stephan, Horst 660 Stern, Adolf 36, 388 »Stern, F . B . 654,683 Stern, Fritz 527, 557 »Stern, Fritz 549 Stern, Maurice Reinhold von xxxvii, 193 (159), 206, 246,253, 338, 388, 480 (667-667a), 572 (886-886a) »Sternheim, Carl χ »Stettenheim, J. 245 Stettenheim, Ludwig 478 (664-664e) Stettenheimer, Ernst 621 (1000) »Steudel, Friedrich 622 Steyern, Bult von 148 Steyl, A. 150 Stinde, Julius 245, 262 (250), 275 Stock, Otto 432 (552), 513 (751)

728

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche

Stocker, Jacob 37, 81 Stocker, Adolf 91, 98, 435 Stocker, Helene 182, 183, 396, 491 (686), 496 (700), 520 (772-772a), 524 (777) Stoeckert, Georg 173, 250 (225) Stöhr, Adolf 330 »Stössel, Alfred xxxi »Stössinger, Felix 660 Stoeving, Curt Carl Ludwig 353, 364 (442), 365, 445, 471, 554, 574, 6313, 634, 653 (1131) ^Stolberg, Fürst zu 483 Stolberg, Bernhard 181 »Stolle, Friedrich xxv »Stolper, Toni 687 Stolzing, Josef 368 (453), 447 •Stona, Marie 388, 578 Storm, Theodor 29, 88, 89, 253, 578, 600 »Stosch, Johannes 610 »Strambulow 360 Strasser, Joseph 177, 178 Straub 614 Strauß, David Friedrich viii, 27-35, 37, 40, 41, 46, 49, 50, 76, 80, 103, 105, 135, 144, 255, 273, 316, 337, 409, 451, 459, 504, 566, 575, 593, 617, 622, 647, 650, 668, 675, 687 Strauß, Emil 264 Strauß, Richard vii, xlviii, 390, 404, 423, 424, 425, 448, 528, 595, 620 »Strauß, Rudolf xl "•Strauß und Torney-Diederichs, Lulu von 426 »Streicher, Oskar xli »Streißler, Alfred 669 »Streiter, Sabine 133 »Strich, Fritz 201 Strindberg, August xii, 149 f., 161, 174, 175, 189, 191, 192, 220, 267, 275, 407, 457, 460, 477, 527, 534, 556, 563, 568, 575, 614 Strindberg, Frida 149 f. Strobl, Karl Hans 685 »Stuck, Franz von 651 Stiimcke, Heinrich xx, xl, 333 (356), 345 (385-385a, 388-388a), 466 (623) Stürmer, Fr. Fr. 512 (748) »Stuhlmann, Gunther 384 »Stumm, Karl, Frhr. von 659 »Stump, Doris 82 Stumpf, August 528 f. Sturm, C. xxxii, 267 (260) »Sturm, Julius 600

Sturm, Julius August 388, 445 (579), 472 (650) Sturzenegger, Bartholomäus 40, 44, 50 (45) Sudermann, Frau 204 Sudermann, Hermann vii, xi, 204 (167), 246, 275, 278, 289, 430, 431, 458, 492, 512, 529, 538, 560, 596, 604, 608, 614, 617, 651, 656, 678 »Sulger-Gebing, Emil 610 Susemihl, Franz 44 Susman, Margarete 205, 206 »Suttner, A. F. von 245 Suttner, Bertha, Freifrau von 186, 207, 245, 302 Sv. 464 (621) Svoboda, Adalbert 500 »Szafranski, Telesfor xxv Szarlit, Bernhard s. Scharlit(t), Bern(h)ard »Szeps, Moriz xl t. 628 (1022) -t. 470 (641) T., Κ. 645 (1099) Taine, Hippolyte 84, 129, 138, 141, 161, 163, 176, 187, 209, 246, 408, 481, 546 »Tanzer, J. F. 388 Tantzscher, Georg 650 (1122) Tappert, Wilhelm 140 »Tarde, Gabriel 198 »Taylor, W. R. 13 »Teichert, Werner 200 Teichmann 342 (377) Teichmann, Lisbeth xlix Teichmüller, Gustav 18 Telmann, Konrad 245 Tempel, Ernst Wilhelm Leberecht 88 Ténicheff, Fürstin Anna Dmitrievna 150, 161 Térey, Edith von 644 (1097) Tervachoff 308 (336) Tetzel 381 »Tetzner, Franz 349, 369 (457) »Teuber, Oskar xxxix Th., H . 557 (839) Thal, Wilhelm s. Lilienthal, Wilhelm Thalemann, Oberlehrer 283 »Thalheimer, August 224 »Thatcher, David S. ix, xiii Theimer, Camilla 642 (1088) »Theumann, Clara 578

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche "Thiel, Friedrich 233 "Thiel, Georg 530 Thiel, Peter Johannes 511 (746) Thilenius, Ulrich 320 Thode-von Bülow, Daniela 73 Thoma, Hans 54, 112, 114 "Thoma, Ludwig xxx Thomas, G. F. L. xlix "•Thomas, R. Hinton 324 Thorel, Jean 286 (295) Thiina, Julie, Freifr. von 653 "Thurm, M. xxxv Thurneysen-Gemuseus, Eduard 47 "Thurnher, E. 14 Tienes, Georg A. 542 (803), 588, 603 Tiesenhausen, Woldemar, Graf 691 Tille, Alexander 86, 183, 244, 304, 306 (335), 307, 308 (338), 309, 328, 353 (411), 354, 360, 362, 385 (AU), 386, 389, 395, 398, 399, 482, 500, 520 (769, 770), 614, 659 Tille, Armin 308, 354 'Timms, Eduard 633 Tischendörfer 688 Tönnies, Ferdinand xlvii, 16, 28, 39, 44, 45, 79 f., 88, 89, 97-100, 258 (243), 260 (245), 261 (245a), 435, 438 (566, 567), 439, 440 (567a), 448, 452, 454, 456, 466, 467, 474, 475, 478, 481, 505, 541, 545, 548, 572, 643 Tolsto(i/j), Leo Nicolajewitsch 52, 113,182, 196, 219, 224, 225, 238, 245, 265, 270, 276, 281, 292, 293, 298-300, 305, 310, 320, 339 (370), 340 (370a), 363, 369, 385, 397, 406, 408, 427, 450, 482, 484, 485, 488, 497, 506, 508, 534, 556, 578, 597, 605, 656, 668, 671, 675, 676, 689 Tornius, Valerian 669 T o t o k , Wilhelm xi "Tovote, Heinz 246, 560 "Traudt, Valentin 388 Treitschke, Heinrich von viii, xxxv, 8, 9, 10, 12, 19, 27-29, 35, 39, 44, 85, 97, 167, 249, 250, 381, 404, 444, 534, 552 Trent, A. G. 301 "Triepel, Gertrud 386 "Trietsch, David xxxiv Troeltsch, Ernst 222, 223 "•Trojan, Johannes 388 Troll-Borostyáni, Irma von 613 (976), 615, 638 (1063) Trost, Karl 471 (643), 577 (902), 650 (1120),

729

667 (1169 Trotzki, Leo 696 Tüller, Max 47 Türck, Hermann viii, 219 (182-182a), 221, 228, 241, 242, 244, 246, 269, 271, 420, 460 (614-614b), 461 (614c-g), 482, 497, 572, 608, 637 Türk, Julius xlix, 196, 543 Türkheim, Julius 598 Tunstall, George 377, 378 ü 486 (681) "Überweg, Friedrich 85, 92, 470, 561 Uexküll, Jacob von 691, 692 Uhde, Wilhelm 163, 164, 540 (797) Uhde-Bernays, Hermann 334 "Uhlmann-Bitterheide 388 "Ullstein, Leopold xix "Ulrici, Herrn, xli Unger, Franz 595 (927), 617 "Ungern-Sternberg, Rudolf, Frhr. von 55 Urussow, Fürst 150, 161 Usener, Hermann 3, 14, 16, 21, 24 "Utitz, Emil xxviii "Vacano, Emilie Mario 388 Vaihinger, Hans viii, 490, 554, 643 Valbert, G. 290 "Valk, Gesa M. 377, 378 Vallotton, Felix 668 "Vandersee, Leon 388 Vedente, C. 238 (205), 252 Veeck, Otto xxii, 484 (672), 622, 643 (1091) Velde, Henry van de 143, 417, 690 "Velde-Schlick, Barbara F. B. van de 507 "Vely, E. 245 Vengerova, Z. xii "Venturelli, Aldo 62 "Verrecchia, Anacleto 187, 652 Vetter, Ferdinand 349 (402) Verwey, Albert 11, 479, 480 "Viebig, Clara 651 Vielhaber, Walther 646 (1102) "Vierordt, Heinrich 245, 388 *Vikár, Béla xl Vischer, Adolf 12 Vischer, Eberhard 451 (597, 599), 651 (1126) "Vischer, Eduard 10 Vischer, Friedrich Theodor von 30, 125,

730

Namenverzeichnis: ... und Nietzsche

167, 253, 463, 634 Vischer-Bilfinger, Emma 51 Vischer-Bilfinger, Wilhelm 3, 10, 12, 18, 19, 23, 39, 51 Vischer-Heußler, Sophie Katharina 12, 680 Vischer-Heußler, Wilhelm 12, 28, 29 »Vivarelli, Vivetta xii •Vogel, Bernhard 165 »Vogel, Georg 386 Vogeler, Heinrich 530 Vogt, Charles 141 »Vogt, Friedrich 430 (550-550a) "Voigt, J. xxi »Voigt, Paul 386 »Voigt, Felix A. 146 Voigt-Diederichs, Helene 402, 403 »Volger, Adolf 388 Volkelt, Johannes 23, 43, 60, 61, 65 (51), 99, 103, 141, 167, 241 Volkland, Alfred 140, 142 Volkmann, Diederich 3 Volkmar, Lothar 129, 141, 149 Vollmoeller, Carl Gustav 432, 433 »Vopel, C. 301 »Volz, Daniela Pia xiii, 643 Voß, Richard 458, 536 Vowinckel(-Mettmann), Ernst 588 (921) w. 568 (881) W., C. 184 (140, 142) W„ H. 495 (698) W„ M. 150 (101) W., P. 472 (646) W., R. 566 (869-869e), 567 (869f) »Wabersky, Gustav xxvii »Wabnitz, Agnes 104 Wachler, Heinrich Ernst xxiv, xxix, 164, 266 (259), 388, 534 (791), 655 (1136) Wachsmuth, Curt 1, 141, 357 Wackernagel-Stehlin, Jacob 79, 80 »Wähner, Theodor xxiv Waetzold, Wilhelm 377 »Wagenbach, Klaus 690 Wagner, Ernst 95 (70), 253 (233) »Wagner, Eva 149 Wagner, Fritz 586 Wagner, Richard xlviii, 4, 5, 6, 8, 10-14, 16, 17, 19, 20, 22 (5-5b), 23-27, 29, 33-40, 4345, 47, 53-57, 59, 60, 62, 63, 65-68, 70-74 (52), 75 (52a), 77, 80, 81, 83, 84, 87-89, 91-93, 96,

102, 103, 105, 115-117, 121, 122, 124, 128, 129, 131, 135, 137, 139-141, 142, 144-146, 148-158, 160, 162-167, 169, 171, 173, 176-179, 190, 194, 195, 201, 221, 227, 229, 230, 234, 235, 238-241, 250, 252, 253, 258, 260, 266, 267, 269, 270, 273, 276, 278, 280, 291, 299, 309, 310, 313, 314, 318-320, 323, 326-328, 331-333, 337-339, 342, 344, 350, 351, 363, 366, 368, 370, 373, 374, 379, 386, 387, 390, 391, 398, 399, 403-405, 412, 413, 420, 421, 423425, 431, 432, 438, 446, 448, 451, 452, 455, 457, 471, 473, 478, 479, 484, 487, 494, 505-509, 525, 526, 528, 533, 534, 540, 550, 554, 558, 566, 570, 584, 585, 600, 605, 613, 616, 622, 624, 625, 627, 632, 645, 646, 655, 660, 661, 666-668, 677, 679, 681, 684, 687, 688, 689 »Wagner, Rosalie 55 Wagner, Siegfried 59, 74, 625 »Wagnon, Ad. 212 Waissnix, Olga 209 »Walcker, Mathilde 388 Walde, Philo vom 294, 395 (497), 445 (577), 446, 448 (587), 454 (605), 466 (625-625a), 472 (648), 503 (721-721a, 722), 524 (776), 558 »Waiden, Herwarth 537 Waldmann, Wilhelm 496 (702), 497 »Waldmüller, Robert 386 Wallnöfer, Adolf 16 »Walloth, W. 246, 388 »Wallpach, A. v. 578 Walter, Bruno 390 Walzel, Oskar Franz 591, 604 f. »Wanderer, Dom. 388 »Wapnewski, Peter 152 »Warlock, Peter 533 »Warneke, Alb. xxxi »Wartenegg, Wilhelm von 388 »Wassermann, Jacob xii, 133 »Waters, Eduard N . 13 »Weber, Alfred 687 »Weber, Frank 232 »Weber, H . 210 Weber, Hans von 689 Weber, Karl Gustav 109 Weber, Robert 196(165 »Websky, Julius xxxvi »Wechsler, Ernst 245 Wedekind, Arnim 201 Wedekind, Frank 201, 206, 327, 431, 458,

Namenverzeichnis: .. . und Nietzsche 468, 550, 614, 698 Weichelt, Hans xlviii, 178, 648 (CF) Weidner, Albert 253, 383 •Weigand, Thora 302 Weigand, Wilhelm vii, 169, 271 (267), 272, 274, 281, 284, 299, 305, 321, 346, 361, 531 (786), 614 •Weigel, H. 209 •Weiler, Clemens 673 •Weinen, Erich 530 Weingartner, Felix 421, 422 Weinhöppel, Richard 698 Weis, L. 251 (226) Weisbarth 608 Weisengrün, Paul 236 (202), 437 (561) Weiser, Karl 364 (440), 647 (1109) •Weiß, Albert 388 •Weiß, Guido xxiii »Weiß, Otto 313 (GVIh) •Weißbach, Curt xxx Weitbrecht, Carl 542 (801) Weizmann, Chaim 695 •Welcker, F. G. xxxvi Welcker, Heinrich 442 (572) •Weller, B. U. 267 Welti, Heinrich 136 (86) Weltsch, Felix xii •Weltsch, Robert 591 Wendt, Dr. 262 •Wengraf, Edmund xxxiv Wenkel, Friedrich August 5, 6 •Wenley, R. M. 306 Wenzel, Ernst 16 •Wenzel, Heinz xxxiv Werefkin, Marianne Wladimirowna 672, 673 •Werfel, Franz 387 •Werherr, Armin 388 •Wernbacher, Irma 294 •Werner, Heinrich 156 Werner, Max 254 (236) •Werner, Renate 234 Werner, Richard Maria 321 (348), 532 (787) •Wertheimer, Adolph xxxiii Wesendonck, Mathilde 46, 47 •Westernhagen, Curt von 54, 73 Wette, Heinrich 172 Wi. 456 (416) Wiehert, Ernst 546, 547, 614 •Wickenhagen, H. xli

731

Widemann, Paul Heinrich xxvii, 20, 29, 30, 39, 44, 70, 73, 79, 82, 83, 88, 108, 120 f., 127, 140, 166 Widmann, Joseph Viktor xi, 123, 125, 129, 131 (80), 138, 141, 142, 152 (108), 156, 161, 166, 167, 168 (122), 230 (198), 231, 233, 262 (249), 285, 333 (354), 343, 359, 451 (598), 454, 455 (608), 458, 477 (663), 628, 656 •Widmann, Max 161 Wiecke, Paul 605,682 Wied, Marie, Fürstin von 16 •Wiederhold, Ludwig Christian 109 Wiegand, Johannes 632 (1038) •Wiegler, Paul 79 Wiener, Heinrich 141, 149 Wiesi(c)ke, Carl Ferdinand 6, 325 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von viii, 16, 20 (4), 21 (4a), 22-25 (9), 26 (9a), 27, 32, 34, 40, 43, 99, 268, 532, 553, 656 Wilbrandt, Adolf vii, xi, 334 (358), 347, 368, 375, 432, 457, 614 •Wild, Friedrich xxii Wildberg, Bodo 492 (690) Wilde, Justizrat 130 •Wilde, Oscar 118, 175, 270, 339, 633 •Wildenbruch, Ernst, Frhr. von xviii, 207, 245, 578, 682 Wil(l)denow, Clara 108, 109, 110 •Wilhelm I. 65, 185 •Wilhelm II. 149, 167, 360, 386, 660 Wilhelm Ernst, Großherzog von SachsenWeimar-Eisenach 594, 595 •Wilhelm, Paul 526 Wilhelmi, Johann Heinrich 441 (570), 442 (570a), 465, 467, 471, 472, 497, 505, 572 Wille, Bruno xlviii, 196, 197, 198, 229, 253,290 (299), 291, 324, 415, 527, 561, 578, 656 Wille, Francois 125, 129 Wille, Ludwig 357 Windelband, Wilhelm viii, 375, 588 (918), 624, 685 (1210) Windisch, Ernst 2, 141 Windrath, E. vii Winter, Josef 68,69 •Winz, Leo xxxiv •Wirth, J. U. xli Wirth, Moritz 139 (93), 150, 164 (116) Wisser, Heinrich Wilhelm 2 f., 141 Witkowsky, Gustav xii

732

Namenverzeichnis: ... und Nietzsche

»Wittels, Fritz 103, 686 f. »Wittstock, Albert 388 »Wittgenstein, Ludwig 395 Wöhrmann, Dina von 82, 175 Wöhrmann, Emma, Freifr. von 82 Wöhrmann, Sidney von 175 Wölfflin, Heinrich 424 »Woermann, Karl 388 »Woerner, Roman 264 Wolf, Hugo 69, 154-157 Wolf, Julius 249, 250, 487 Wolff, Eugen 196, 529 (785-785a) Wolff, Franz 298 (311) Wolff, Johanna 168, 332 (353), 571 (884), 660 (1147) Wolff, Julius 245, 595 (928) Wolff, O. Gustav 332, 571 (884) Wolff, Theodor xx, 253 (235) »Wolffheim, H. 672 Wolfskehl, Hanna 553 Wolfskehl, Karl 11, 233, 370, 380, 381, 469, 479 f., 552 f. »Wolkenstein, Graf von 14 »Wollkopf, Roswitha v, 195 Wolters, Friedrich 233, 379 Woltmann, Ludwig 488 (683) Wolzogen, Ernst Ludwig, Frhr. von 323, 324, 338, 345, 697 Wolzogen, Hans Paul, Frhr. von xix, 54, 57, 62, 70, 72, 79, 83, 99, 102, 105, 148, 151, 503, 655 (1134), 696 Wrangeil, Margarethe von 453, 454 Wrany-Raben, Eugen 234 »Wrede, Richard 353,406 »Wühr, Wilhelm 362 »Würzbach, Friedrich vii Wulckow, Richard 452 (602), 644 (1094) »Wunberg, Gotthart x, 189, 254 Wundt, Wilhelm 51, 52, 65 f., 104, 231, 248, 305, 308, 353, 441, 576 »Wyneken, Gustav 494 Wyzéwa, Teodor de 179 f. x. 631 (1033) Yelineck, P. 384 »Yogev, Gedalia 695 Yorck von Wartenburg, Paul, Graf 505,506

»Zabel, Eugen 245 »Zahn-Harnack, Agnes von 71 Zarncke, Friedrich xxix, 4, 5, 20 »Zdekauer, Konrad, Ritter von 95 Zdekauer, Ludwig 95 Zeiß, Karl 649 (1118) Zeitler, Julius 666 (1168-1168a), 667, 674 »Zeller, Bernhard xxviii, 403, 471 Zeller, Eduard xvii, 7, 9, 48 Zenker, E. V. 385 Zerbst, Max xlix, 244 (216), 246, 251, 263, 265, 266, 270, 277, 355 (355), 461, 482, 489, 500, 572, 579, 580 »Ziegenfuß, Werner ix Ziegler, Christoph 4 Ziegler, Theobald viii, 35, 391 (489), 484 (673), 525 (780-780a), 531, 571 (883), 574 (896-896a), 575 (896b), 577, 579, 580, 588, 603, 608, 614, 642, 643, 648, 656 Ziehen, Theodor 187, 643 Ziel, Ernst 575 (897) Zieler, Gustav 631 (1034) Zielinski, Thaddaeus Stephan 51, 52 »Zils, W. 52 »Zimmermann, Hans 666 Zimmermann, Oswald 119 Zimmermann, Robert 26 »Zimmermann, Rolf x, xi Zimmern, Helen 124 f., 127, 161, 457 »Zink, Jenny 388 »Zinn, Ernst 381, 396, 518 Zobeltitz, Fedor von 245 Zoccoli, E. G. 546 Zöllner, Emilie 325 Zöllner, Karl 325 Zola, Emile 15, 84, 96, 106, 134, 143, 166, 176, 185, 194, 207, 209, 213, 214, 216, 219, 224, 245, 258, 260, 269, 270, 300, 374, 427, 468, 482, 491, 496, 603, 609, 617 »Zolling, Theophil xxv, 245, 388 »Zoosmann, Richard xxiv, 246, 388 Zuckermann, S. 566 (870-870a) »Züge, Paul xxii Zumpe, Hermann 660, 661 »Zweig, Arnold 103 Zweig, Stefan 563 »Zweise, Heinrich 388 »Zweybrück, Franz xxv »Zwicker, J. 15

Namenverzeichnis Nietzsche und ... Abälard 469 Aeschylus 87, 348 Agrippa von Nettesheim 265 Ahrens, Heinrich 231 Alexander der Große 460 Alexander von Abdera 560 Algazel 469 Alkidamas 4, 24, 44 Amiel, Henri 544 Anakreon 4 Anaxarchus 460 Anderson, Hans Christian 408 Andrejew, Leonid 696 Antisthenes 265 Anzengruber, Ludwig 253, 600 Apulejus 4 Aristipp 265 Aristoteles 1, 14, 55, 281, 485, 506, 515 Aristoxenus 4 Arndt, Ernst Moritz 361, 408 Attila 637 Auerbach, Berthold 617 Aurelius Victor, Sextus 24 d'Aurevilly, Barbey 84

Bellamy 207, 373, 511 Beneke, Friedrich Eduard 85 Bentham, Jeremy 353 Berkeley, George 23, 298 Bertacchi, Giovanni 518 Binder, Gustav 34 Bizet 155 Björnson, Björnstjerne 167, 192, 408, 458 Blake, William 381 Blanqui, Adolphe 554, 610 Blum, Robert 33 Böhme, Jakob 460 Börne, Ludwig 167, 319 Borgia, Cesare 282, 326 Bourget, Paul 84, 186, 209, 270, 272 Brehm, Alfred 486 Brentano, Clemens 408 Brentano, Franz 166, 666 Browning 381 Bruno, Giordano 74, 344, 366, 427, 631 Buckle, Henry Thomas 153, 332 Buddha 233, 290, 338, 456, 460, 537, 546 Büchner, Georg 671 Byron, Lord 181, 338, 436, 506, 554

Baader, Franz von 34 B a c h J . S. 92 Bakunin, Michail Alexandrowitsch 286, 290, 383, 459, 663 Balfour, Arthur James 308, 353 Balzac 479 Baudelaire, Charles 270, 272, 332, 546 Becker, Jean 101 Beethoven, Ludwig van 40, 92, 101, 154, 207, 211, 338, 688 Begas, Reinhold 13

Cäsar, Julius 460 Calvin 338 Campanella, Thomas 167 Carlyle, Thomas 10, 50, 153, 332, 365, 400, 442, 457, 465, 467, 471, 505, 509 Casanova 338 Chamfort, Roch de 139 Charron, Pierre 400 Chateaubriand 545 Chopin, Frédéric 13, 155, 210, 247 Columbus 95

734

Namenverzeichnis: Nietzsche und

Comte, Auguste 122, 153, 272, 438, 457 Cooper 545 Crispí, Francesco 360 Dante Alighieri 426, 507, 610 Darwin, Charles 23, 64, 78, 122, 134, 176, 190, 208, 238, 243, 249, 272, 278, 305-308, 328, 327, 341, 343, 345, 347, 354, 376, 377, 382, 386, 404, 409, 447, 476, 481, 486, 488, 504, 541, 547, 603, 616, 617, 651, 652, 659, 674, 675, 681 Daudet, Alphonse 84 Demetrius von Magnesia 4, 32 Demokrit 469, 484 Descartes, René 23, 135, 340 Dickens, Charles 167 Diokles 3, 4, 7

166, 287, 353, 463, 614,

Diogenes Laertius 3, 4, 7, 17, 32, 73, 92, 98, 265, 435, 608 Don Juan 338 Dostojewski®, Fedor 69, 158, 193, 194, 209, 219, 269, 272, 332, 363, 376, 401, 427, 435, 457, 468, 479, 494, 539, 549, 671 Droste-Hülshoff, Annette von 98, 344 Droysen, Johann Gustav 167 Dschingiskhan 113 Dun Scotus 560 Emerson, Ralph Waldo 29, 50, 94, 109, 155, 279, 286, 302, 303, 434, 457, 504, 554, 556,

Fourier, Charles 331 Franz von Assisi 338 Friedrich II. 167, 338 Fries, Jakob Friedrich 132 Galiani, Ferdinando 169, 178 Gautier 355 Gervinus, Georg Gottfried 14 Gibbon, 355 Gladel 143 Gobineau 64, 67, 337, 534, 554, 677 Görres, Joseph von 408 Goethe 14, 38, 40, 62, 64, 76, 80, 146, 151, 156, 167, 170, 209, 211, 216, 237, 259, 262, 279, 293, 338, 345, 347, 348, 359, 364, 381, 389, 401, 408, 428, 429, 438, 450, 455, 475, 476, 484, 494, 501, 505, 508, 525, 531, 534, 537, 548, 551, 554, 573, 581, 592, 596, 603, 608-610, 615, 618, 619, 625, 630, 646, 648, 649, 656, 658, 659, 679

148, 243, 357, 434, 502, 553, 613654,

Goncourt, Edmond u. Jules de 84, 258 Gorgias 469 Gottsched 237 Grabbe 548, 610 Grieg, Edvard 124 Grillparzer 40, 166 Grün, Anastasius 167 Gutzkow 281, 293 Guyau, Jean Marie 385, 507

686

Empedokles 23, 373, 524 Epiktet 265 Epikur 80, 167 Erasmus, Desiderius 74, 609 Estaunié 696 Eurípides 21, 26, 58, 62, 77, 87, 119, 139, 532 Fechner, Gustav Theodor 98, 231, 242, 576, 666, 675 Feuerbach, Ludwig 74, 118, 122, 153, 167, 196, 284, 302, 337, 357, 365, 393, 457, 470, 505, 593, 668, 685 Fichte, Johann Gottlieb 62, 90, 134, 244, 264, 281, 457, 470, 505, 506, 535, 561 Fiske, John 353 Flaubert, Gustave 84, 187, 408, 457, 617

426, 155, 408, 167, 546,

546,

Hagen, Karl 15 Haller, 400 Hamann 349, 408, 668 Hebbel, Friedrich 29, 76, 321, 440, 441, 457, 597, 600, 623, 648, 649, 654, 671, 678, 681 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 29-31, 40, 48, 60, 65, 134, 155, 203, 222, 224, 226, 244, 252, 265, 270, 286, 317, 321, 361, 372, 382, 429, 455, 457, 502, 504, 522, 525, 541, 593, 599, 617, 631, 671 Heine, Heinrich 14, 167, 171, 172, 177, 217, 253, 298, 319, 338, 345, 361, 412, 448, 457, 504, 537, 549, 554, 573, 611, 618, 628, 641, 649, 658 Heraklit 4, 23, 43, 207, 366, 381, 484, 581 Herbart 132,231 Herder 41, 265, 293, 408, 534, 668 Herodot 385

Namenverzeichnis: Nietzsche und .. Herzen, Alexander 13, 56 Hesiod 1, 2, 4, 7, 24, 32, 44 Hesychios 4, 32 Hobbes 98, 252, 306, 400, 631 Hölderlin 43, 259, 301, 402, 494, 505, 506, 525, 568, 580, 605, 647, 666, 684 Hoffmann, E. Th. A. 318, 408 Hofmannswaldau 560 Homer 1, 4-7, 21, 24, 31, 32, 94, 215, 242, 305, 338, 373 Horaz 2 Hugo, Victor 85, 298, 427, 546 Humboldt, Alexander von 293, 541 Humboldt, Wilhelm von 72, 109, 167, 293, 408 Hume, David 23, 517 Huxley, Th. 308, 353 Huysmans 84, 270, 479, 549 Immermann, Karl 23, 457 Iwan IV. 308 Jabobi 81,668 Jacobsen, Jens Peter 408 Jäger, Oskar 167 Jean Paul 167, 237, 259, 494 Jesus 9, 75, 100, 196, 113, 183, 215, 287, 288, 295, 314, 333, 338, 342, 343, 359, 396, 402, 409, 429, 436, 443, 451, 488, 492, 501, 502, 532, 537, 540, 543, 566, 568, 571, 573, 581, 591, 615, 617, 651, 667, 668, 678, 694 Johannes 253, 460 Judas 183, 275, 338 Julian 338

275, 391, 460, 546, 650,

Kallikles 469 Kant, Immanuel 2, 15, 40, 120, 132, 167, 175, 180, 182, 203, 222, 223, 245, 293, 298, 317, 334, 340, 348, 357, 363, 370-372, 418, 422, 427, 429, 457, 470, 488, 494, 507, 517, 541, 593, 599, 607, 609, 638, 646, 664, 685 Karlstadt 443 Keats 666 Kepler 222 Kerner, Justinus 408 Kierkegaard 187, 237, 346, 347, 382, 408, 457, 464, 510, 563, 590 Kinkel, Gottfried 2 Kleanthes 265

735

Kleist 457, 648, 654, 656, 666 Klinger 529 Klopstock 592, 693 Konstantin 338 Kopernikus 391 Kowalewska, Sonja 186 Krasinski 198 Krause, Albrecht 231 Kues, Nikolaus von 132 Kurz, Hermann 120 La Bruyère 139, 293 Lachmann, Karl 20 Lambert, Louis 619 Lamenais 188, 427 Laotse 402 Larochefoucauld 139, 306, 560, 671 Lassalle, Ferdinand 39, 52, 187, 224, 290, 308, 362, 416, 444, 505 Landor, W. S. 666 LeBon 554, 611 Leibniz 340, 380 Lenau 320, 376 Lenz 218 Leo X. 338 Leopardi 44, 96, 139, 506, 649 Lessing 50, 167, 244, 293, 371, 505, 602, 636, 656, 671 Lichtenberg, Georg Christoph 23,167, 293, 319, 469, 671 Lissagaray 332 Locke, John 23, 517 Lohenstein 560 Lombroso 176, 193, 209, 270, 300, 332, 560 Lotze 231 Loyola 502 Lucius von Patrae 4 Ludwig, Otto 39, 457 Lukian 4 Luther, Martin 40, 71, 75, 117, 167, 179, 259, 293, 349, 368, 402, 418, 438, 454, 460, 502, 510, 534, 596, 608, 609, 616, 650, 659, 665, 668, 679 Macaulay, Th. B. 167 Machiavelli 252, 306, 382 deMaistre, Joseph 252 Mallarmé 270 Mandeville, Bernard de 562 Manu 338

736

Namenverzeichnis: Nietzsche und

Marx, Karl 29, 134, 186, 223, 224, 265, 298, 308, 320, 365, 372, 471, 475, 483, 496, 502, 505, 568, 579 Maupassant 84, 210, 211, 282, 442, 527, 696 Mayer, J. R. 190 Mayer, Robert 104 Mendelssohn Moses 609 Mendelssohn-Bartholdy, Felix 16 Menippus 1 Menzel, Wolfgang 408 Merimee 546 Meyerbeer 177 Michelangelo 211, 242, 540 Michelet 546 Mickiewicz 187, 198 Mignet 332 Mill, J. St. 122, 167, 176, 308, 398 Mirabeau, Comte de 167 Mörike, Eduard 29, 156, 501, 634 Monet 48 Moses 338, 409 Montaigne 167, 400, 469, 554, 622 Montesquieu 117 Moréas 270 Mosen, Julius 167 Morison 308, 353 Mozart 101 Münzer, Thomas 443 Multatuli 385, 677 Musset 282 Napoleon 153, 306, 338, 436, 460, 523, 530, 577 Newton 222 Nicolai 269,272 Noiré, Ludwig 231 Novalis 40, 446, 505, 513, 555, 561 Nürnberger, W. 328 Oskar II. 186 Parmenides 23 Pascal 139, 326, 554, 578 Paulus 256, 338, 670 Pausanias 56 Peladen 176,479 Pestalozzi, H . 167, 416 Petrarca 74 Pindar 167, 268, 338 Platen 56, 127

Plato 9, 23, 39, 43, 56, 141, 148, 161, 170, 203, 293, 344, 366, 371, 377-379, 381, 387, 417, 418, 429, 485, 488, 492, 515, 524, 534, 553, 565, 609, 631, 664 Poe 332 Poitou, Agnes von 82 Protagoras 469 Proudhon 290, 385, 493, 556 Rabener, G. W. 167 Reid, Thomas 23 Rembrandt 112, 113, 170, 185, 199, 207, 258, 271, 344, 406 Renan 84, 187, 272, 333, 408, 409, 457, 459, 469, 534, 546, 676 Richter, Ludwig 126 Rochholz 30 Rodin 587 Rosetti 370 Rossini 177 Rousseau 64, 132, 229, 242, 265, 272, 276, 328, 408, 435, 443, 470, 518, 534, 545, 596, 676 Rückert 600 Ruskin 172, 506, 507 St. Beuve 546 Saint-Simon 236 Sand, Georg 546 Saul 442 Schäffle, E. F. 167 Shelley 123, 139, 338 Schelling 81, 102, 344, 366, 457, 470, 560, 593 Schiller 38, 66, 76, 151, 163, 167, 207, 292, 311, 405, 502, 506, 507, 509, 555, 563, 625, 647, 654, 664, 671, 679 Schlegel, August Wilhelm 431 Schlegel, Friedrich 40, 118, 144, 431, 646, 660, 678 Schleiermacher 85, 281, 290, 408, 593 Schopenhauer 3, 5, 6, 13, 14, 19, 23, 24, 26, 28-31, 34, 37-39, 44-48, 50, 55, 56, 60, 62-66, 68, 69, 73, 76, 77, 79, 80, 83, 85, 88, 90, 91, 96, 119, 120, 125, 132, 134, 135, 144, 148, 149, 157, 160, 166, 167, 170, 172, 177, 180, 185, 187, 205, 209, 211, 217, 221, 224, 231, 234, 235, 239, 252, 255, 257, 260, 265, 273, 278, 283, 284, 286, 289, 290, 293, 296, 300,

Namenverzeichnis: Nietzsche und ., 306, 317, 321, 325, 328, 334, 338, 340, 350, 354, 361, 363-365, 367-370, 372, 379, 382, 387, 395, 399, 403, 405, 414, 422, 429, 430, 434, 444, 445, 452, 457, 470, 473, 477, 488, 490, 494, 503, 506, 514, 517, 518, 522, 527, 530, 534, 541, 548, 554, 560, 562, 564, 565, 566, 575, 584, 590, 593, 596, 598, 599, 605, 608, 610, 613, 616, 619, 622, 627, 630, 641, 652, 658, 662, 664, 666, 668, 671, 674, 681, 684, 685, 688, 691, 694 Schulze-Delitzsch 416 Schumann 37, 121, 236, 310, 320, 367, Scott, Walter 167

347, 376, 421, 459, 507, 544, 583, 609, 643, 679,

564

Shakespeare 113, 167, 215, 278, 293, 338, 359, 377, 437, 450, 453, 472, 688 Silesius, Angelus 457 Simonides 148 Slowacki 188, 198 Sokrates 6, 8, 26, 27, 52, 57, 77, 203, 228, 377, 379, 381, 405, 414, 485, 497, 532, 566, 609, 631 Sommer 281 Sophokles 26, 76, 87, 508 Spalletti, Jos. 4 Spencer 248, 308, 341, 353, 398, 404, 438, 470, 652 Spinoza 52, 102, 167, 217, 223, 252, 293, 296, 371, 544, 631, 636 Stein, Frhr. vom 534 Stein, Lor. 167 Stendhal 124, 272, 546, 554, 671, 676 Stephan, Heinrich 4, 7 Stephen, Leslie 308, 353 Stifter 494, 554 Stirner, Max 86, 104, 118, 131, 136, 196, 200, 212, 221, 228, 234, 243, 244, 248, 250, 258, 261, 263, 270, 273, 275, 281, 284, 286, 291, 299, 306, 328, 337, 348, 350, 357, 358, 365, 367, 371, 395, 399, 400, 404, 406408, 410, 430, 433, 435, 436, 444, 448, 457, 460, 461, 468, 469, 489, 493, 502, 504, 513, 518-

737

521, 535, 544, 546, 547, 554, 556, 560, 562, 578, 595, 607, 617, 622, 646, 668, 675, 676, 685, 694 Suidas 1, 32 Swedenborg 176 Swift 306 Sybel, H . v. 167 Tacitus 293 Thaies 420 Theodor 400 Theognis 1, 3, 4, 32 Thrasymachus 469 Tibullus 139 Tieck, Ludwig 427 Ujejski, Kornel 198 Varrò, M. Terentius 1 Vauvenargues 139, 544 Verdi 177 Verlaine 270, 549 Virchow, Rudolf 305 Vogt, J. G. 290, 675 Vogt, Karl 504 Villers, Alexander von 320 Voltaire 70, 74, 90, 100, 101, 113, 135, 190, 361, 443, 650 Wackernagel, Wilhelm 80, 408 Wallace, R. 308 Weber, Georg 167 Weber, Karl Justus 427 Werner, Zacharias 284 Whistler 587 Whitman 270, 290, 385, 675 Wienbarg, Ludolf 144 Williams 353 Zerduscht 338 Xenophanes 23

Richard Frank Krümmel

Nietzsche und der deutsche Geist Band 2: Ausbreitung und Wirkung des Nietzscheschen Werkes im deutschen Sprachraum vom Todesjahr bis zum Ende des Weltkrieges. Ein Schrifttumsverzeichnis der Jahre 1901 — 1918. Unter Mitwirkung von Evelyn S. Krümmel. 2., verbesserte und ergänzte Auflage. 1998. 24 X 17 cm. XLI, 861 Seiten. Leinen. ISBN 3-11-016075-7 (Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung, Band 9) Band 3: Ausbreitung und Wirkung des Nietzscheschen Werkes im deutschen Sprachraum bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Ein Schrifttumsverzeichnis der Jahre 1919-1945. Unter Mitwirkung von Evelyn S. Krümmel. 1998. 24 X 17 cm. LUI, 931 Seiten. Leinen. ISBN 3-11-015613-X (Monographien und Texte zur Nietzsche-Forschung, Band 40) Wesentlich erweiterte Neufassung von Band 2 (1983 erschienen) und Fortsetzung zu den ersten beiden Bänden. Alle Bände schildern die Wirkung des wohl einflußreichsten neuzeitlichen Denkers. Mit Band 3 liegt nun ein nahezu vollständiges Verzeichnis des Schrifttums zu Nietzsche für den deutschsprachigen Kulturraum von Beginn bis zum Jahre 1945 vor. Im Unterschied zu vielen ähnlichen Werken wird hier die Wirkung Nietzsches chronologisch ausgebreitet; es werden nicht nur eng sachbezogene Monographien und Aufsätze erfaßt, sondern auch Tagebücher, Briefe und sonstige Äußerungen Betreffender herangezogen. Die Werke und Aufsätze sind inhaltlich durch kurze Kommentare und Zitate erschlossen. In den Reaktionen und Antworten auf Nietzsche — hauptsächlich im deutschsprachigen Raum — spiegelt sich das politisch-kulturelle Zeitgeschehen und ermöglicht neue und subtile Aspekte in der Diagnose dieser Zeit. Umfassende Namen-, Zeitungs- und Zeitschriftenverzeichnisse erleichtern eine vielfältige Nutzung; jede Untersuchung von Nietzsches Wirkungsgeschichte bekommt damit ein neues Fundament.

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Berlin · New York

Nietzsche-Studien Internationales Jahrbuch für die Nietzsche-Forschung Begründet von Mazzino Montinari · Wolfgang Müller-Lauter · Heinz Wenzel Herausgegeben von Günter Abel (Berlin) · Ernst Behler f (Seattle/Wash.) Jörg Salaquarda (Wien) · Josef Simon (Bonn) Band 26 · 1997 1998. 24 X 17 cm. XIV, 640 Seiten. Leinen ISBN 3-11-015725-X Aus dem Inhalt: P. Wotling, „Der Weg zu den Grundproblemen". Statut et structure de la psychologie dans la pensée de Nietzsche ( G. Gritzmann, Nietzsches Lyrik als Ausdruckskunst: Poetisch und stilistisch konstitutive Merkmale in Nietzsches 6. "Dionysos-Dithyrambus" Die Sonne sinkt (C. P. Janz, Die Musik im Leben Friedrich Nietzsches (F. Roth, Die absolute Freiheit des Schaffens. Ästhetik und Politik bei Nietzsche (R. A. Rethy, "From Tacitus to Nietzsche: Thoughts and Opinions from Two Millennia" (Chr. Niemeyer, Nietzsches rhetorischer Antisemitismus (J. Salaquarda, Die fröhliche Wissenschaft zwischen Freigeisterei und neuer „Lehre" (W. Groddeck, Die „Neue Ausgabe" der „Fröhlichen Wissenschaft". Uberlegungen zu Paratextualität und Werkkomposition in Nietzsches Schriften nach „Zarathustra" (M. Brusotti, Erkenntnis als Passion. Nietzsches Denkweg zwischen Morgenröthe und der Fröhlicher Wissenschaft (G. Mattenklott, Der Taktschlag des langsamen Geistes. Tempi in der „Fröhlichen Wissenschaft" (R. Reschke, „Welt-Klugheit" (Nietzsches Konzept vom Wert des Mediokren und der Mitte. Kulturkritische Überlegungen des Philosophen im Umkreis seiner „Fröhlichen Wissenschaft" (A. Kremer-Marietti, Menschliches-Allzumenschliches: Nietzsches Positivismus? (D. Collins, On the Aesthetics of the Deceiving Self in Nietzsche, Pindar, and Theognis (W Stegmaier, Geist. Hegel, Nietzsche und die Gegenwart (G. Wohlfahrt, Wer ist Nietzsches Zarathustra? — L. Renzi, Das Ohr-Motiv als Metapher des Stils und der „Zugänglichkeit". Eine Lektüre der Aphorismen 246 und 247 von Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse" (G. Whitlock, Examining Nietzsche's "Time Atom Theory" Fragment from 1873. Preliminary Remarks (R. Perkins, An Innocent Little Story. Nietzsche and Jesus in Allegorical Conjunction (D. Fuchs, Der Wille zur Macht: Die Geburt des „Hauptwerks" aus dem Geiste des Nietzsche-Archivs (S. Ireton, Heidegger's Ontological Analysis of Death and its Préfiguration in Nietzsche (A. Fambrini, Ola Hansson und Georg Brandes: Einige Bemerkungen über die erste Rezeption Nietzsches (H.-J. Koch, Die Nietzsche-Rezeption durch Rudolf Pannwitz. Eine kritische Kosmologie (E. Haufe, Nietzsches „vortreffliche Alwine" (H. Traub, „So ruft, mit grossem Munde, der grosse Fichte!". Über ein Fichte-Zitat bei Friedrich Nietzsche (P. Hoy, The Will to Power # 468/KGW VIII/1 2 [8η, § 2: A Knot that Won't Unravel? (F. Bornmann, Zur Chronologie und zum Text der Aufzeichnungen von Nietzsches Rhetorikvorlesungen (D. Behler, Nietzsche and the Feminine - E. Behler, Nietzsche und die Antike - G. Parkes, "Composing the Soul" - Κ. S. Guthke, Die Geburt des Nietzsche-Mythos aus dem Ungeist Elisabeths. „Lebensabriß" aus Paraguay (E. v. Wilamowitz-Moellendorff, Die bibliographische Erschließung von Leben, Werk und Wirkung Friedrich Nietzsches (ein Bericht zur Lage, mit einem Ausblick auf das Projekt „Nietzsche-Bibliographie" der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar.

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