Archäologischer Anzeiger: Heft 4/1967 [Reprint 2020 ed.]
 9783112320280

Table of contents :
ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1967 • HEFT 4
DIE AUSGRABUNGEN VON KEF KALESI BEI ADILCEVAZ UND EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE URARTÄISCHE KUNST
ZU DEN KLEINASIATISCHEN TREPPENTUNNELN
ZUR SYRISCHEN KUNST DER FRÜHEN KAISERZEIT

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ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1967 • HEFT 4

ABU

MENA

6. V O R L Ä U F I G E R B E R I C H T 1

Die vierte in Zusammenarbeit zwischen der Abteilung Kairo des Deutschen Archäologischen Institutes und dem Franz Joseph Dölger-Institut an der Universität Bonn in Abu Mena unternommene Grabungskampagne 19672 begann verhältnismäßig spät am 28. 3. 1967 und mußte am 6. 6. 1967 etwa drei Wochen vor dem planmäßigen Ende wegen des Nahostkonfliktes abgebrochen werden; der Bericht wird also in manchen Einzelheiten fragmentarisch bleiben. Von diesem plötzlichen Abschluß abgesehen, wurde die Kampagne auch sonst durch die Umstände nicht eben gefördert — die starken Winterregen hatten umfangreiche Schäden in den alten Grabungen und am neuerbauten Grabungshaus verursacht, die örtlichen ansässigen Beduinen hatten infolge eben dieser Regenfälle eine so reichliche Ernte, daß sie sich weigerten wie üblich in der Grabung mitzuarbeiten und schließlich konnte sich der Berichterstatter selbst infolge der doppelten Belastung durch die Leitung des Institutes in Kairo und der Grabung nicht mit der wünschenswerten Intensität den zahlreich aufgekommenen Problemen widmen. Unter Leitung des Berichterstatters waren in dieser Kampagne wie in den Vorjahren die Herren J. Engemann (Archäologe und stellvertretender Grabungsleiter), P. Großmann (Grabungsarchitekt) und K. Beck (Zeichner) in Abu Mena tätig, daneben Fräulein A. Hommel als Zeichnerin und Restauratorin sowie Herr B. Müller als Hilfskraft für Grabungsleiter und -architekten. Als Vertreter des ägyptischen Antikendienstes war Herr Ahmet Hegäzi entsandt. Als Arbeiter standen unsere seit langem bewährten Vorarbeiter aus Quft sowie eine aus der gleichen Gegend stammende Gruppe jüngerer Arbeiter zur Verfügung (insgesamt ein Rais und 18 Mann), dazu einige wenige Beduinenjungen aus der Umgebung. Allen Beteiligten sowie dem Leiter des Franz Joseph Dölger-Institutes, Herrn Professor Dr. Th. Klauser, sei auch an dieser Stelle nochmals für ihre verständnisvolle Unterstützung und ihre bereitwillige Mitarbeit gedankt.

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Die Vorläufigen Berichte (im folgenden zitiert: Vorl. Ber.) über die bisher unternommenen Arbeiten in Abu Mena sind gemäß einer älteren Vereinbarung in den MDIK. erschienen: 1. Vorl. Ber. MDIK. 19, 1963, 1 1 4 - 1 2 0 ; (H. Schläger) 1. —3. Kampagne (Große Basilika). 2. Vorl. Ber. MDIK. 20, 1965, 1 2 2 - 1 2 5 ; (H. Schläger); 4. Kampagne (Große Basilika). 3. Vorl. Ber. MDIK. 20, 1965, 1 2 6 - 1 3 7 ; (W. Müller-Wiener); 5. Kampagne (Doppelbad, Baptisterium). 4. Vorl. Ber. MDIK. 21, 1966, 1 7 0 - 1 8 7 ;

29 AA. 1967

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(W. Müller-Wiener); 6. Kampagne (Doppelbad, Baptisterium). 5. Vorl. Ber. MDIK. 22, 1967 (W. MüllerWiener); z. Zt. im Druck; 7. Kampagne (Doppelbad, Baptisterium, sog. Palast, Wohnhäuser). Es ist beabsichtigt, auch die zukünftigen Berichte an dieser Stelle erscheinen zu lassen. Die Kampagne ist die achte, die unter wechselnden Arbeitsbedingungen von der Abteilung Kairo betreut wurde. Die beiden vom Koptischen Museum allein durchgeführten Grabungen (1951 und 1952) werden bei dieser Zählung nicht mitgerechnet.

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W O L F G A N G

M Ü L L E R - W I E N E R

Das diesjährige, durch die oben geschilderten Bedingungen bereits reduzierte Programm der Grabung sah vor, an bisher unbearbeiteten Stellen Reste der zweifelsfrei vorhandenen älteren Besiedlung des Platzes aus kaiserzeitlicher und ptolemäischer Zeit zu finden, um hier stratigraphisch gesichertes Keramikmaterial aus den Frühphasen der Besiedlung zu gewinnen, das eine Voraussetzung für die weitere Bearbeitung der Gruftkirche bildet. Daneben wurden kurzzeitig auch die Untersuchungen in dem im Vorjahr teilweise freigelegten sog. Palast weitergeführt. Schließlich sollte in Verbindung mit der Grabung in Abu Mena selbst eine kleine Notgrabung in einem benachbarten Karm unternommen werden, in dem der Verf. im Sommer 1966 bei seinen topographischen Studien umfangreiche Reste spätantiker Wandmalereien beobachtet hatte 3 .

D E R PALAST

In dem im 5. Vorl. Bericht bereits kurz beschriebenen sog. Palast hatten in der Kampagne 1966 weder die notwendigen Detailuntersuchungen noch auch Sondagen in den unmittelbar anschließenden Gebieten vorgenommen werden können, so daß die Frage, ob es sich bei diesem Bau um einen Palast oder nicht doch um ein zweites großes Doppelbad handele, nicht mit völliger Sicherheit beantwortet werden konnte. Wenngleich die Untersuchung dieser Ruine auch in dieser Kampagne aus den oben dargelegten Gründen noch nicht abgeschlossen werden konnte, zeigte sich in mehreren kurzen Suchgräben und zwei größeren Schnitten (vgl. Abb. I) 4 doch mit genügender Deutlichkeit, daß das als Palast bezeichnete Gebäude sehr viel ausgedehnter ist als bisher zu vermuten war und jetzt allein schon infolge seiner Größe und seiner zahlreichen Nebenanlagen nicht mehr als Bad angesprochen werden kann6. Da es in dieser Kampagne nicht möglich war, größere Flächen freizulegen, fehlt noch

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Vgl. Verf., 5 Vorl. Ber. (z. Z. noch im Druck) sowie AA. 1967, 115f. Folgende Sondagen wurden vorgenommen (vgl. den Plan in 5. Vorl. Ber. Abb. 2): Schnitt durch die 'Nordgalerie' bis in das nördlich anschließende sog. Gartenland hinein zur Feststellung der ursprünglichen Terrainhöhe; Schnitt durch den Füllschutt der südlich des 'Seitenschifies G^ liegenden kleinen Exedra; Schnitt durch die südliche Straßenkolonnade, Raum D 6 und D 1 0 ; zwei Schnitte durch die 'Ostgalerie' in Richtung auf die östlich des Palastes liegenden, im Vorjahr nur oberflächlich freigeputzten Mauerzüge; Sondage im Nordteil des Raumes G 6 . Das Ergebnis dieser Sondagen ist, daß der Palast jene östlichen Bauteile jenseits der kleinen Senke mitumfaßte und daß hier eine Reihe kleinerer Innenhöfe anzunehmen ist, über deren Form aber ohne weitere Flächengrabungen nichts zu sagen ist. E s ergab sich ferner, daß die letzte Ausbaustufe des Palastes doch wohl etwas später als im 5. Vorl. Ber. vermutet (Ende 5. J h . ) anzusetzen ist und man wohl in die 1. H. des 6. Jhs. hinaufgehen muß. Daß der Bau in der heute vorliegenden Form nicht das Ergebnis einer einheitlichen Bauplanung ist, wurde be-

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reits im letzten Bericht erwähnt und hat sich vollauf bestätigt; über die ältere Form des Baues läßt sich aber bisher nur für beschränkte Gebiete etwas sagen. Die Lage der beiden größeren Schnitte ist aus dem Plan Abb. 1 ersichtlich der an Abb. 2 des 5. Vorl. Ber. anschließt. Obwohl die Gründe, die im 5. Vorl. Ber. für die Deutung als B a d angeführt wurden, sich noch nicht haben entkräften lassen, hat sich die Zahl der Argumente gegen diese Deutung so vermehrt, daß sie m. E . nicht mehr aufrechterhalten werden kann. War bisher das Verhältnis der eigentlichen Baderäume zu Wohn- und Wirtschaftsräumen so, daß die Badeanlage ein gewisses Übergewicht zu haben schien, so zeigen die Sondagen im östlichen Teil des Palastes (der bisher als selbständiger Bauteil angesehen worden war), daß sich der Komplex noch über die kleine Senke östlich der 'Ostgalerie' hinweg ausdehnte, da alle neu freigelegten Räume durch Türen mit Teilen des bisherigen Palastareals verbunden sind. Ob der westlich der Brunnen-Zisternengruppe liegende Baukomplex A funktionell zum Palast gehörte oder nicht, spielt für die Deutung keine Rolle mehr.

Abb. 1. übersichtsplan der Bauteile westlich des Palastes, affiert = anstehende Bauteile der Hauptbauphase; weit schraffiert = anstehende Mauern aus späteren Ausbauphasen; punktiert = Einbauten. Maßstab 1:200 i i

2 3 4 5 6 7 8 9 1

SÖDKOLONNADE

1

'

0

25 M

ABU MENA. 6. V O R L Ä U F I G E R B E R I C H T

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die Verbindung zwischen den 1966 ausgegrabenen Räumen der B - und D-Gruppe mit dem 1967 untersuchten Komplex westlich der großen Zisternen-Brunnen-Einheit 6 , der als AGrappe geführt wird. Daß die beiden Bauteile nach einheitlichem Plan ausgebaut wurden, scheinen die auf gleicher Flucht und in gleicher Höhe durchlaufende Südmauer sowie der südlich davor verlaufende, freilich nicht ganz horizontale Stylobat zu beweisen; die verbindenden Räume konnten wegen des hier hegenden großen Schuttberges der alten Kaufmannschen Grabungen nicht freigelegt werden. Der aus Kalksteinquadern in der üblichen Technik sauber gefügte Stylobat verläuft geradlinig etwa 3 m vor der Südfront des Baues bis zu seiner Kreuzung mit dem Stylobat der Straßenkolonnade westlich des gesamten Bezirkes (vgl. Plan Abb. 1); der westliche Stylobat läuft vom Kreuzungspunkt aus etwa in nördlicher Richtung vor der Westfront der Räume A B—A 9 —A 6 —A 7 —A 8 entlang und wurde hier nicht weiter verfolgt. Teile des oberen Aufbaues sind bei beiden Stylobaten — im Gegensatz zu der Straßenhalle vor dem Doppelbad mit ihrem Wechsel von Pfeilern und Säulen — nicht mehr vorhanden und auch Standspuren waren nicht zu beobachten; lediglich an zwei Stellen fanden sich offenbar später verlegte Einzelblöcke (so vor dem Raum A „ und ein einzelner Quader vor A g ). Wie weit die Südkolonnade noch in die westliche Straße hineinläuft, konnte wegen des plötzlichen Abbruchs der Unternehmung nicht mehr geklärt werden; möglicherweise ist hier eine Art Straßentor anzunehmen? Auf eine ähnliche Anlage deutet ein an der Oberfläche sichtbarer Quaderblock am westlichen Ausgang der nördlich von der A-Gruppe verlaufenden Straße (vgl. Plan Abb. 1; der Block ist auf dem hier gegebenen Planausschnitt nicht mehr eingetragen). Die nach den bisherigen recht begrenzten Arbeiten erkennbare Gliederung dieser westlichsten Baugruppe des Palastgebietes läßt keine nähere Deutung der Einzelräume zu; die aus den Räumen A 6_8 bestehende Einheit zeigt eine überraschende Symmetrie in der Entwicklung von je zwei Doppelräumen neben den beiden Mauerblöcken im westlichen Teil von A 7 , die nach den geringen erhaltenen Resten wohl als Treppen angesprochen werden können. Wie weit sich diese Einheit nach Norden hin fortsetzt und hier einen dem Raum Ag entsprechenden weiteren Raum besaß, war nicht mehr festzustellen; die kleine an der Nordwand ansetzende Mauerzunge und ebenso eine über der Westwand liegende Steinpackung gehören erst einer späteren Reparaturphase an, die sich bisher zeitlich nicht festlegen läßt. Unklar ist bisher auch noch die Grundrißlösung an der Straßenecke, wo in den beiden stumpfwinklig aneinanderstoßenden Trakten offenbar einige schiefwinklige Räume geringer Größe »Übriggebheben« sind (z. B. der Raum ASa, der wohl von A 9 aus zu erreichen war). Auch die an der Ostseite von Raum A 5 beobachtete Türe mit der seitlich anschließenden Leibungsmauer läßt sich noch nicht recht im Gesamtgrundriß unterbringen; möglicherweise handelt es sich hier um einen älteren, größeren Bau (bestehend aus den Doppelräumen A 5 —A 6 und Ag mit den schmalen Einheiten A g und A, dazwischen), der teilweise in den baulichen Verband des Palastes übernommen wurde ? Näheres läßt sich erst nach Sondagen im Fundamentbereich aussagen.

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Vgl. auch Verf., 4. Vorl. Ber. 183f. Die Bebauung zieht sich rund um diese Versorgungseinheit herum, wie sich aus Reinigungsarbeiten am Nordhang ergab, wo ebenfalls Mauerzüge fest-

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gestellt werden konnten, die sich aber weder mit dem Komplex A noch mit der Baugruppe F in Verbindung bringen lassen (vgl. Abb. 2 im 5. Vorl. Ber.).

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WOLFGANG

M Ü L L E R - W I E N E R

Wie bereits in den im Vorjahr freigelegten Teilen des Palastes beobachtet wurde, ist der gesamte Bezirk nachhaltig von Steinräubern ausgeplündert worden; offenbar jedoch erst nach der Erdbebenzerstörung des Baues (796 ?), da die südliche Außenwand des Raumes A 3 mit mehreren Schichten unangetastet in ihrer Sturzlage über einer niedrigen Schuttschicht in der südlichen Straßenhalle liegt7. Höher erhalten sind nur einige Mauerzüge im Zentrum der A-Grappe, wo in der Südmauer des Raumes A 1 0 erstmals in Abu Mena eine mitsamt ihrem Sturz erhaltene Türe freigelegt wurde. Diese Mauer sowie einige anschließende Quermauern stehen noch bis zu einer Höhe von etwa 3 m über dem ursprünglichen Niveau an, da sich hier nach der Aufgabe des Palastes 8 eine Töpferwerkstätte mit einem großen und drei oder vier kleineren Brennöfen eingenistet hatte 9 . D I E TÖPFERWERKSTATT

Die nach der Aufgabe des Palastes eingebaute Töpferwerkstatt hat offenbar die gesamte Südwestecke des ehemaligen Palastes benutzt; die eigentlichen Betriebsräume hegen jedoch in Raum A 10 . Der hier eingebaute große Brennofen wurde bei einem Außendurchmesser von 4,00—4,30 m in leicht ovaler Form (vgl. Plan Abb. 2) aus Lehmziegeln aufgemauert, wobei seine 0,5—0,6 m starke Außenwand auf der freiliegenden Nordseite durch zwei kleine Strebepfeiler verstärkt werden mußte, da das Niveau des hier liegenden kleinen Materiallagers um etwa 1 m tiefer ist als das der Arbeitsbühne rund um den Ofen. Der durch eine flache, durchlöcherte Lehmziegelkuppel überdeckte Feuerraum scheint ungefähr auf dem ursprünglichen Bodenniveau des Raumes A 1 0 zu liegen (etwa 32,80—32,85 m NN) 10 ; die erst halb freigelegte Öffnung zum Beschicken des Ofens liegt etwa 1,5 m höher und war von einer aufgeschütteten und mit flachen Steinplatten abgedeckten, gegen Norden vermutlich auch durch eine Stützmauer abgefangenen Plattform aus zu bedienen. Die Wände des Brennraumes stehen noch bis zu einer Höhe von etwa 1,5 m über dem Ansatz der Feuerraumkuppel an; der obere, nach dem Ansatz der Außenwände wohl überkuppelte Teil des Ofens ist zerstört und sein Material füllt den unteren Teil des Brennraumes. An den Ofen stößt auf der Nordostseite eine sehr nachlässig aus rohen Bruchsteinen aufgesetzte Mauer an, die wohl den Zugang zum Feuerungsloch begrenzte; westlich neben dieser Mauer

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Hier, wie auch an anderen Stellen in der Menasstadt zeigt sich, daß die eigentlich als Erdbebensicherung gedachte Technik der Längsverstärkung von Quadermauern durch Holzbalken nach einer gewissen Zeit gerade das Gegenteil bewirkte: Die morsch gewordenen Balken bzw. Bretter lassen breite Schlitze entstehen, so daß bei auch geringer Erschütterung ganze Mauerflächen umfallen: Hier sind drei zusammenhängende, über einer solchen Balkenlage liegende Schichten abgekippt. In vielen Fällen ist wohl auch damit zu rechnen, daß solche Balken aus aufgegebenen Bauten einfach herausgezogen oder -gehackt wurden. Das Fehlen größerer Reparaturen im gesamten Palastbezirk (wie sie etwa im Doppelbad beobachtet werden konnten) spricht dafür, daß der Bau in seinem Endzustand nicht sehr lange bewohnt worden ist. Da als Besitzer eines derart

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großzügig angelegten Baues nur reiche Alexandriner in Frage kommen können, vielleicht auch ein höherer Beamter, ist sehr wahrscheinlich, daß der Komplex nach der Eroberung Alexandrias 641 verwaiste, was sich gut mit dem Datum der Töpferwerkstatt (2. H. 7. Jh.; s. unten S.462) deckt. Infolge der Ereignisse konnte auch hier das Grabungsziel — eine völlige Freilegung der ganzen Werkstätte — nicht erreicht werden, so daß noch manche Fragen offenbleiben. Die Höhenmarken richten sich nach dem unter Leitung von H. Schläger aufgenommenen Generalplan der Siedlung; einen Ausschnitt gibt Abb. 1 des 5. Vorl. Ber. Der Feuerraum ist offenbar nur mit einer nicht sehr hohen Schicht feiner Erde gefüllt, da die im Brennraum liegenden Lehmziegel eine feste Trennschicht über den Rauchlöchern gebildet hatten.

Abb. 2. Grundriß und Schnitte des Töpferofens. Oben: Schnitt auf der Linie C-C. Unten: Schnitt auf der Linie A-A. Kreuzschraffiert = ursprünglicher Bestand; schraffiert = Einbauten der 2. H. 7. Jhs. Maßstab 1:100

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PETER

GROSSMANN

liegt ein Haufen zusammengebackener Lehmziegel, loser Lehm sowie Abfall aus der Produktion des Ofens in den oberen Schichten. Auch in den umliegenden Räumen — soweit sie freigelegt werden konnten — fanden sich erhebliche Mengen zerbrochener Gefäße (weitgehend Bruch großer Amphoren mit Riefeldekor und nur einzelne Bruchstücke von Schüsseln und anderen Gefäßtypen) sowie zahlreiche Fehlbrände, ungebrannte und deformierte Stücke, Schlacken usw. — offenbar wurde aller Abfall der örtlichen Produktion gleich in die nebenan liegenden, verlassenen Räume des alten Palastes geworfen. Neben dem großen Ofen, der wohl zum Brennen der Hauptproduktion — eben jener Amphoren — diente, liegen im gleichen Raum A 10 zwei (?) kleinere Öfen, von denen einer in dem durch die alten Mauern gebildeten schrägen Winkel ziemlich nachlässig aufgesetzt wurde; Reste in der östlichen Schnittwand gegenüber könnten für einen zweiten kleinen Ofen sprechen. Zwei weitere, jedoch völlig zerstörte Öfen des kleinen Typs fanden sich dicht nebeneinander unmittelbar auf dem späteren Boden des Raumes A 9 (vgl. den Schnitt C-C in Abb. 2); sie waren offenbar schon vor dem Einsturz der Wände dieses Raumes außer Betrieb, da sich keine Reste ihres Oberbaues im Aushub fanden. Der in dem Raum A 10 und vor allem in A 3 und A3a gefundene Keramikabfall gehört sicher einem ziemlich kurzen Zeitraum an und erlaubt eine Datierung der Öfen etwa in die zweite Hälfte des 7. Jhs.; die verhältnismäßig gute Erhaltung des großen Ofens und das Fehlen von Reparaturen lassen darauf schließen, daß die gesamte Werkstatt nicht sehr lange bestanden hat. Die endgültige Zerstörung des Bezirkes könnte auch hier — ebenso wie im Doppelbad — durch das große Erdbeben des Jahres 796 erfolgt sein11. Kairo

Wolfgang Müller-Wiener

Nachdem bei den in den Vorjahren im Altstadtgebiet unternommenen Sondagen12 nirgendwo Schichten gefunden wurden, die mit Sicherheit älter als das 5. Jh. sind, nachdem aber andererseits ältere Oberflächenkeramik in nicht unerheblicher Menge in einem Gebiet weit östlich der Altstadt beobachtet worden war13, begannen J. Engemann und P. Großmann 11 12

Vgl. Verf., 3. Vorl. Ber. 133 und Anm. 1. Bereits H. Schläger hatte in der Großen Basilika an zahlreichen Stellen bis auf den gewachsenen Boden hinunter gegraben; ebenso wurden im sog. Baptisterium und im gesamten Bereich des Doppelbades sowie der angrenzenden Bauten S und C mehrere Sondagen bis auf den gewachsenen Boden unternommen. In der Kampagne 1966 wurden weitere ausgedehnte Untersuchungen in zwei Gebieten durchgeführt, die ihrer Lage nach als ältere Siedlungsbezirke hätten in Frage kommen können (vgl. 5. Vorl. Ber.), doch auch hier fand sich nichts, was eine frühere Besiedlung des heutigen Ruinengebietes beweisen könnte. Dagegen fand sich in einer in dieser Kampagne unternommenen ergänzenden Sondage im nördlichen Querhaus der großen Basilika eine einigermaßen geschlossene Siedlungsschicht, die nach den — freilich noch nicht abgeschlossenen —

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Untersuchungen ins 4. Jh. zurückdatiert werden kann. Vgl. dazu den 5. Vorl. Ber. mit dem topographischen Resümee; die dort erwähnten Henkelstempel haben sich auch in dieser Kampagne weiter vermehrt, wobei die Funde aus dem Kömring A ergänzt wurden durch Funde aus dem Gebiet um den dort auf Abb. 5 eingezeichneten Punkt C. Kurz vor dem plötzlichen Abbruch der diesjährigen Kampagne wurde — nachdem sich gezeigt hatte, daß in der Ringsiedlung A keine der frühesten Schichten festzustellen waren —, hier in der Nähe einer großen alten Zisterne eine kleine Sondage unternommen, die erstmals sicher älteres Material geliefert hat. Ohne bisher die Möglichkeit zu genaueren Untersuchungen gehabt zu haben, nimmt J. Engemann an, auch ptolemäische Schichten angeschnitten zu haben. Der plötzliche Abbruch der Grabung erlaubt leider keine eingehendere Berichterstattung.

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BERICHT

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in dieser Kampagne mit einer eingehenderen Untersuchung des bisher als Kömring A bezeichneten Gebietes, über deren Ergebnisse P. Großmann im folgenden berichtet. D I E SIEDLUNG IM KÖMRING A

Die in der diesjährigen Grabungskampagne untersuchte Siedlung liegt etwa 1300 m östlich des eigentlichen Stadtgebietes von Abu Mena. Ihre Lage ist gekennzeichnet durch eine hügelige, gegenüber dem Flachland leicht erhöhte Zone inmitten einer sich in ostwestlicher Richtung hinziehenden Köm-Kette. Nach Norden stößt sie unmittelbar an das heute durch Ackerbau der hier ansässigen Beduinen bewirtschaftete Flachland. Das im Süden anschließende Gebiet bis zu der weiter südlich verlaufenden Köm-Kette dient als Weideland. Die innerhalb des Siedlungsgebietes erkennbaren Gebäudereste wurden durch oberflächliche Schürfungen so weit gereinigt, wie es zum Verständnis ihrer baulichen Zusammenhänge erforderlich war. Im ganzen konnten rund 70 Gebäude festgestellt werden, von denen etwa die Hälfte in dem Plan (Abb. 3) enthalten ist 14 . Darüber hinaus bestehen zahlreiche weitere Schutthügel, die jedoch auf ihrer Oberfläche keinerlei Anhaltspunkte von Gebäudegrundrissen erkennen ließen. Einzelne vorwiegend am Rande der Siedlung gelegene Hügel dürften reine Abfallhaufen gewesen sein. Die überwiegende Mehrzahl der Gebäude besteht aus Wohnhäusern. Daneben gibt es mindestens zwei Bauten, die auf Grund ihrer Ausstattung mit verschiedenen Wannen (Abb. 7—10) auf handwerkliche Betriebe, wahrscheinlich Weinbereitungsstätten schließen lassen (s. u. S. 468ff.). Die Bebauung ist im allgemeinen locker. An einigen Stellen (Abb. 3, Haus 7 bis 9; 25 bis 29) sind mitunter mehrere Wohneinheiten zu größeren Hauskomplexen zusammengefaßt. Charakteristisch für die Siedlungsform ist ferner die nahezu übereinstimmende Ausrichtung der Gebäude in ostwestlicher Richtung bzw. quer dazu. Unter den reinen Wohnhäusern, die fast ausnahmslos im Grundriß ein geschlossenes Rechteck bilden, lassen sich eingeschossige und mehrgeschossige Haustypen voneinander unterscheiden16. Beide Typen sind sich jedoch außerordentlich ähnlich. Man betrat zunächst einen überall anzutreffenden, annähernd quadratischen Hauptraum (A), an den in den eingeschossigen Häusern ein einzelner etwa halb so großer Nebenraum (B) angefügt war (Haus 7. 8. 19. 22. 27). In der mehrgeschossigen Ausführung traten an die Stelle von B ein Treppenhaus (T) und ein kleinerer Nebenraum (B') (Haus 4. 23. 31). Gelegentlich waren noch weitere Räume (C) an der Außenseite angefügt (Haus 16. 22. 31. 32. 33). Mehrere Häuser waren darüber hinaus von Höfen (D) umgeben (Haus 1. 2. 6. 20. 22). Über die Art der Zuordnung der Räume, ob die Nebenräume rechts, links oder auch gegenüber dem eigentlichen Hauseingang angeordnet waren, bestand keine Übereinstimmung. Die Treppen waren allseitig umlaufend um einen massiven Kern geführt. Der unter und neben ihnen verbleibende L-förmige Raum dürfte als Vorratskammer gedient haben. Wohl zum Schutz

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Wegen des plötzlichen, durch die politischen Ereignisse im Nahen Osten erzwungenen Grabungsabbruchs, war es zeitlich nicht mehr möglich gewesen, die vorhandenen Aufnahmeblätter der übrigen nach Norden, Osten und Westen anschließenden Gebäude in das allgemeine Vermessungsnetz einzufügen. — Abb. 6. 8. 10 sind nach Photos v. J . Engemann klischiert.

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Ob allerdings die Gebäude mit einem Treppenaufgang wirklich ein volles zweites Geschoß aufgewiesen haben, konnte nicht geklärt werden. Die Gegenwart einer Treppe besagt noch nichts. Sie könnte auch als bloßer Aufgang auf das Dach mit höchstens einem Obergeschoßraum gedient haben. Vgl. dazu Ricke, ZÄSpr. 93,1966, 122.

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gegen die überall eindringenden Haustiere war diese nicht durch eine bodengleiche Tür zugänglich, sondern nur über eine Brüstung, die überstiegen werden mußte. Der Eingang in A lag fast immer in einer Wandmitte, die Zugänge in die Nebenräume dagegen fast immer an den Enden der Querwand 16 . Eine Verbindung zwischen B' und T bestand in der Regel nicht. Gelegentlich wurde dagegen die Treppe von der Außenseite betreten (Haus 23). Fenster, wie sie z. B. in zahlreichen Häusern der hellenistisch-römischen Städte im Fayyüm angetroffen wurden, konnten in unserer Siedlung nicht festgestellt werden 17 . Mehrere Häuser enthielten ferner eine in die Außenwände eingefügte Regenwasserableitungsrinne (Haus 1. 3. 20. 22. 31). Diese hatte Anschluß an einen Kanal, der das Wasser dann weiter in eine Zisterne leitete. Bei Haus 23 wurde eine solche im Hof gelegene Zisterne bis auf den Boden freigelegt. Sehr wahrscheinlich waren fast alle Häuser mit einer derartigen Wasserversorgung ausgestattet. In den Höfen dürften sich die Feuerstellen und Backöfen befunden haben, außerdem dienten sie ganz allgemein als Aufenthaltsrevier für das Vieh. Bei einem Haus am Ostrand der Siedlung lag im Hof eine Latrine 18 . Den Grundbaustoff der Häuser bildeten luftgetrocknete Lehmziegel vom Format 35:35:8 cm. Gelegentlich kamen auch halbe Formate vor. Bei einzelnen Häusern waren die Ecken mit Hausteinen geschützt (Haus 19. 20. 23); bei anderen fanden sich Steine in der ganzen unteren Wandzone (2A, 20 T). Fast überall bestanden ferner die Türlaibungen aus Stein. Sie waren auf der Eingangsseite beidseitig mit pfostenartigen Vorsprüngen ausgebildet. Ebenso war der Boden in der gesamten Wanddicke mit Steinplatten befestigt. Die eigentliche Schwelle zwischen den Pfosten ragte geringfügig höher hinauf. Vielfach lassen sich noch auf beiden Seiten die Türpfannenlöcher erkennen. Im Innern der Häuser konnten die Fußböden nur an wenigen Stellen beobachtet werden. Die Qualität war sehr unterschiedlich und schwankte zwischen einer einfachen Lehmschüttung, einem festen Lehmestrich und einem sehr sorgfältig über einer Steinpacklage aufgebrachten, harten Kalkmörtelboden. Die Wände waren verputzt, häufig sogar in mehreren Schichten 19 . Reste der Deckenkonstruktion haben sich nirgendwo gefunden. Wegen der großen Spannweite der Räume ist ein Ziegeltonnengewölbe wie bei den jüngeren Häusern südlich der großen Basilika 20 unwahrscheinlich. Vermutlich bestanden die Decken aus Bambusmatten mit einer Packlage aus Lehm und Ziegeln, die von Palmstämmen getragen wurden 21 . Die Zumindestens den mehrgeschossigen Wohnhäusern unserer Siedlung nächstverwandten Beispiele sind in der am nördlichen Fayyümrande gelegenen Stadt Karanis gefunden worden und gehören dort der hellenistisch-römischen Siedlungsperiode an 22 . Sie bilden ebenfalls in ihrer Gesamtform ein geschlossenes Rechteck und enthalten einen Hauptraum 18

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18 19

Im Plan Abb. 4 wurden Türen nur dort ergänzt, wo sichere Anhaltspunkte für ihre Lage vorhanden waren. Sie fehlen folglich bei Haus 3. 15 A. 25. Die einzelnen Gebäude waren dazu nicht in genügender Höhe erhalten. In Karanis lagen die Fenster unmittelbar unter der Decke, vgl. Ricke, ZÄSpr. 93, 1966, 122 Abb. 3; ferner A. E. R. Boak — E. E. Peterson, Karanis, Seasons 1924—28 (1931) 30 mit zahlreichen photograph. Abb. Im Plan Abb. 4 nicht enthalten. Allerdings mußte mehrfach auch beobachtet werden, daß der alte Putz bei einer Erneuerung

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auf der ganzen Wandfläche abgeschlagen worden war. Vgl. 5. Vorl. Ber. Beispiele dafür sind aus hellenistisch-römischer Zeit in Karanis angetroffen worden, vgl. Boak—• Peterson a. O. 26 Abb. 37 ff.; weitere Beispiele finden sich in Tebtunis, G. Bagnani, Boll. d'Arte 28, 1934, 385 Abb. 15. Vgl. die Häuser C 51 und C 53, Boak—Peterson a. O. Plan IV section F 10; sowie C 47, C 54 und C 56, ebenda Plan V section F 10. Den gleichen Grundriß rekonstruierte Ricke nach einem Tonmodell aus dem Kestnermuseum zu Hannover, vgl. Ricke, ZÄSpr. 93,1966, 119ff. Abb. 1.

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und ein von diesem zugängliches Treppenhaus mit einem weiteren Nebenraum. Der Hauptraum ist allerdings nicht quadratisch, sondern langgestreckt, der Eingang liegt nicht in einer Wandmitte, sondern in einer Ecke, und der Nebenraum ist nicht vom Hauptraum, sondern vom Treppenhaus zugänglich. Entscheidend ist jedoch das gänzliche Fehlen eines unserem eingeschossigen Haustyp vergleichbaren Beispiels23. Damit erweist sich die Ähnlichkeit zwischen den Hausformen an beiden Orten als eine rein zufällige Übereinstimmung. Bildet in unserer Siedlung das eingeschossige Haus den eigentlichen Grundtyp, aus dem das mehrgeschossige Haus nur als Sonderform entwickelt wurde, ist in Karanis neben größeren Bauten der mehrgeschossige Haustyp fast ausschließlich vertreten, dessen Abwandlung zu ganz anderen Grundrissen führt. Auf ein Treppenhaus wurde bei diesen so gut wie nie verzichtet 24 . Die H ä u s e r g r u p p e 7—9 m i t v o r l ä u f i g e n A n g a b e n z u r D a t i e r u n g . Um repräsentative Grundlagen für die zeitliche Einordnung der Siedlung zu gewinnen, wurden die beiden im Südwesten gelegenen Wohnhäuser 7 und 8 (Abb. 3 und 4) genauer untersucht. Die Wahl gerade dieser Gebäude ergab sich auf Grund verschiedener, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gelegener Bauskulpturfragmente. Sie schienen die Gegenwart eines aus dem Durchschnitt herausragenden Gebäudes zu versprechen. Zunächst wurde ein beide Häuser erfassender Schrägschnitt angelegt, wobei unter 9C auch Reste einer älteren Siedlungsphase gefunden wurden. Anschließend wurde der Schnitt zur weiteren Aufklärung nach den Seiten hin erweitert. In der Anlage der Grundrisse konnten allerdings keine bemerkenswerten Unterschiede gegenüber den übrigen Wohnhäusern festgestellt werden. Beide Häuser lagen symmetrisch zueinander und enthielten die fast überall anzutreffenden Räume A (Hauptraum) und B (Nebenraum). Sie wurden von Norden betreten. Ein Obergeschoß hat nicht bestanden. Die Ausstattung von Haus 7 läßt jedoch darauf schließen, daß es von einer höhergestellten Persönlichkeit bewohnt wurde. Im Innern sind zwei Ausbauphasen zu unterscheiden. Während des älteren Zustandes war in der Mitte der Ostwand von 7A eine breite betretbare Wandnische enthalten. Am Nordende derselben Wand lag der Durchgang nach 7B, am Südende symmetrisch dazu eine kleine Nische. Eine weitere Nische fand sich ferner in der Südwand 26 . In ihrer Bodenfläche waren einzelne runde Vertiefungen eingelassen, die wohl als Stützen von Gefäßen dienten. Sonst waren die übrigen Wände bemalt. Die Darstellungsweise war zwar provinziell und enthielt zahlreiche technische Unsauberkeiten, die Motive waren aber andererseits nicht eintönig, sondern bestanden aus einer abwechselnden Folge von geometrischen Mustern und dekorativen Kreuzen in Feldern, die durch aufgemalte Säulen voneinander getrennt waren. Ebenso war der glatte, über einer Steinstückung hergestellte Kalkmörtelboden an den Rändern mit einem durchlaufenden Schleifenmuster bemalt.

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Die meist zwar etwa der gleichen Periode wie unsere Siedlung angehörenden eingeschossigen Häuser in Karanis enthalten ein wesentlich umfangreicheres Raumprogramm. In den Häusern C 45, vgl. Boak—Peterson a. O. Plan IV section F 10; C 5, ebenda VI section E 9; und C 36, ebenda VI section E 10, ist die Treppe zwischen zwei kleinen Flügelräumen an-

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gelegt. Die Häuser C 87, ebenda VI section F 10; C 13, ebenda V I section E 10; und C 42, ebenda VI section F 10, enthalten neben der Treppe überhaupt nur einen Raum. In weiteren Gebäuden wurden an den kleineren T y p zusätzliche Einzelräume an beliebiger Stelle angefügt, so daß der rechteckige Gesamtumriß verlorenging. In Abb. 5 nicht enthalten.

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Die zweite wesentlich prunkhaftere, aber deswegen keineswegs geschmackvollere Ausbauphase (Abb. 5) bereicherte die ursprünglich einfache Haustür mit einem Säulenvorbau aus wiederverwendeten und in den baulichen Zusammenhang nicht ganz passenden Werkstücken. Wahrscheinlich stammen die Stücke aus einem heidnischen Grabbau. Als Postamente dienten verkröpfte Gesimsstücke mit angearbeiteten Schäften. Die Profile waren durch dicken Mörtelauftrag begradigt. Kapitelle wurden nicht gefunden. Uber ihnen folgten ebenfalls verkröpfte Architravstücke 26 , die wohl anschließend mit einem Bogen verbunden waren. Im Innern von 7A wurde der Ostwand in ganzer Länge eine aus Hausteinen gefügte Mauer vorgelegt (Abb. 4), die die große Nische weiter in den Raum hineinzog. Vor ihren Ecken standen Säulen, die nach oben mit einem Bogen verbunden waren (Abb. 5). Auch hier fehlen die Kapitelle. Auffallend ist ferner die Rohheit, mit der die Malereien der ersten Phase verdeckt wurden 27 . 26

27

Es hat sich nur der obere Teil des Architravs mit dem angearbeiteten Geison gefunden. In unserer Schnittzeichnung (Abb. 5) wurde der fehlende untere Teil ergänzt. Ob der Aufbau in dieser Form wirklich einmal vollständig war, muß allerdings in Anbetracht der provinziellen Arbeit bezweifelt werden. Der Vollständigkeit halber wurde in der Schnittzeichnung Abb. 5 der Bogen mit den vorhande-

nen Teilen ergänzt. Für die Nische ergeben sich dabei relativ gedrückte Proportionen. Sie müssen aber in ähnlicher Weise bestanden haben, denn sonst würde der Raum zu hoch hinaufragen. Die für die Rekonstruktion gewählte Raumhöhe von 3,15 m liegt um bereits 0,45 m über der durchschnittlichen Raumhöhe der Häuser in Karanis mit 2,70 m, vgl. Ricke, ZÄSpr. 93, 1966, 122. Beispiele für derart gedrückte Nischen finden

ABU MENA. 6. V O R L Ä U F I G E R B E R I C H T

467

Abb. 5. Östliches Köm-Gebiet, Haus 7, Schnitt A-A. Maßstab 1:100

Unter dem Fußboden von 7A (Abb. 4 und 5) fand sich ferner eine Begräbnisstätte mit drei Grabkammern a—c28. Von dem vermutlich vor der Innenseite der Westwand gelegenen Zugang29 führte ein steiler Treppengang bis zu der ursprünglich nur allein bestehenden ältesten Kammer a und knickte dann nach Süden ab. Dieser letzte Abschnitt ist jünger. Um Stufen für den weiteren Abstieg zu gewinnen, war der Boden vor a aufgeschlagen worden. Sämtliche Grabräume waren sorgfältig verschlossen und bis auf c auch voll belegt. Ein Wandputz fand sich dagegen nur in dem älteren Teil um a. Alle jüngeren Räume waren nur schwach geschlämmt. Zur Datierung der Siedlung sind leider zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine verbindlichen Angaben möglich, da die bei den Grabungen in Haus 7 und 8 gemachten Kera-

28 29

sich in Karanis selbst aus hellenistisch-römischer Zeit. Vgl. die mit stuckierten Säulen dekorierten Kultnischen in den Häusern B14, Boak—Peterson, Karanis, Seasons 1924—28 Abb. 18; B 64, ebd. Abb. 20; und C 51, ebd. Abb. 77. Die Ergänzung des Fensters in der Südwand über der Wandnische folgt ebenfalls dem Vorbild der Häuser in Karanis, vgl. Ricke a. O. 122. Im Grundriß Abb. 5 gestrichelt eingetragen. Leider konnte durch den plötzlichen Abbruch der Grabung nicht mehr die letzte Sicherheit

gewonnen werden, ob die Treppe tatsächlich vom Inneren des Raumes zu betreten war und damit die Grabstätte zum Bestand des Hauses gehörte. Sollte dieses der Fall sein, so läge hier ein Beispiel vor für das bis in die christliche Periode hineinreichende Weiterbestehen eines alten bereits der vorgeschichtlichen Zeit entstammenden ägyptischen Brauches. Vgl. dazu Ricke, in Beitr. z. ägypt. Bauforsch, u. Altertumskd. 4, 1944, 40ff.

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P E T E R

GROSSMANN

Abb. 6. Östliches Kom-Gebiet, W a n d m a l e r e i e n der 1. P h a s e in H a u s 7 A

mikfunde wegen des plötzlichen Grabungsabbruches nicht mehr ausgewertet werden konnten. Beide Gebäude und mit ihnen die gesamte Siedlung liegen zeitlich früher als die im vergangenen Jahr im Stadtgebiet von Abu Mena angeschnittenen Wohngebiete 30 . Nach vorsichtigen Schätzungen dürfte die Siedlung im Laufe des 4. Jhs. n. Chr. entstanden sein. Beide Häuser sind offenbar im 6. Jh. verlassen worden 31 . D i e W e i n k e l l e r e i . Das unmittelbar östlich an die beiden Wohnhäuser 15 und 16 anschließende Gebäude 17 (Abb. 3 und 7) am Südrande der Siedlung gehörte zu einer größeren Weinkellerei. Die Einrichtungen zur Weinbereitung waren in den Räumen 17 A und 17B untergebracht, 17C diente vermutlich als Lagerraum. Zwischen ihnen lag ein Hof D, dessen östliche Begrenzung etwa in Verlängerung der Ostwand von 17 B verlief. Auf dieser Seite befand sich auch der Eingang 32 . Die westliche Hofmauer wurde noch nicht gefunden. In beiden Räumen 17 A und 17B waren je zwei voneinander unabhängige Weinbereitungsanlagen enthalten. Der Zweck dieser Häufung bestand vermutlich darin, gleichzeitig mehrere verschiedene Weinsorten herstellen zu können. Am besten hat sich noch die Anlage am Südende von 17 B erhalten. Den ganzen hinteren Teil des Raumes nahm eine großflächige, nicht sehr tiefe Kelterwanne ein, die nach vorne durch eine ursprünglich gerade durchlaufende Mauer begrenzt war. In sie wurden die Trauben eingefüllt, um anschließend mit den Füßen zertreten zu werden 33 . Die herausgepreßte Maische floß durch einen kurzen, mit 30 31

32

Vgl. 5. Vorl. Ber. Die D a t i e r u n g s a n g a b e n e n t s t a m m e n vorläufigen Mitteilungen von J . E n g e m a n n . Leider k o n n t e n der Hofeingang u n d der G r u n d riß v o n 17 C n i c h t mehr vollständig aufgenomm e n werden. Die p u n k t i e r t e Darstellung in Abb. 8 ist eine Skizzierung ihrer Lage aus der E r i n n e r u n g u n d k a n n deswegen keinen A n s p r u c h

33

auf Genauigkeit erheben. Bildliche Darstellungen dieses Vorganges h a b e n sich in großer Zahl aus der A n t i k e erhalten. Vgl. N . de Garis Davies, T h e T o m b of N a k h t a t Thebes (1917) Tai. 26; weitere Belege bei A. E r m a n - H . R a n k e , Ä g y p t e n (1923) 226ff.; R . J . Forbes, Studies in Ancient Technology I I I (1955) 74ff.

ABU MENA. 6. VORLÄUFIGER BERICHT

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GROSSMANN

Abb. 8. Östliches Kom-Gebiet. Großes Gärbecken von 17 B mit Zulaufkanal. Maßstab 1:200

Abb. 9. Östliches Kom-Gebiet, Weinkellerei 17. Oben: Schnitt A-A durch 17A. Unten: Schnitt B-B durch 17B. Einfach schraffiert = Lehmziegelwände; kreuzschraffiert = Steinbrockenwände. Maßstab 1:100

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einem Löwenkopfspeier endenden Kanal in ein um mehrere m tiefer in den Boden versenktes Gärbecken (Abb. 8 und 9 unten). Der Grundriß des Beckens dringt um etwa 0,60 m in die Kelterwanne ein (Abb. 7), was von einer späteren Vergrößerung des Beckens herrührt. Während des eigentlichen Gärprozesses konnte es nach oben mit einer Holzabdeckung verschlossen werden. Als Auflagen dienten in die Beckenwand eingearbeitete Vorsprünge, die besondere Lagerrillen für die Tragbalken enthielten (Abb. 8). Während wohl der Gärprozeß bereits einige Zeit lief, konnten in sehr geringen Mengen weitere Zusatzstoffe durch eine kleine, auf der gegenüberliegenden Seite gelegene halbkreisförmige Nebenwanne nachgefüllt werden. Ihre bauliche Ausbildung läßt darauf schließen, daß es sich bei den Zusatzstoffen um dickflüssige, langsam fließende Beimischungen gehandelt haben muß. Leichtflüssige Stoffe hätte man ohne Schwierigkeiten auch aus einer Amphore nachgießen können. Vermutlich handelt es sich bei diesen

BERICHT

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Abb. 10. Östliches Köm-Gebiet. Kleine Kelterw a n n e von 17 A m i t Abflußloch in das Gärbecken, vor der mittleren G r a b e n w a n d die zweiteilige N e b e n w a n n e des großen Gärbeckens

Zusatzstoffen um Honig oder Harz (Retsina). Letzteres ist in der Tat sehr dickflüssig und wird zur Haltbarmachung des Weines noch heute in Griechenland verwandt 34 . Zur weiteren Ausstattung des Gärbeckens gehört noch eine muldenartige Vertiefung in der südlichen Hälfte der Bodenfläche. Beim Entleeren des Beckens diente ihr geringerer Querschnitt dazu, das Ausschöpfen des letzten Flüssigkeitsrestes zu erleichtern 35 . Ferner befindet sich in der Nordostecke eine Folge aus der Wand herausragender Trittstufen, die bis auf den Boden hinabführen (Abb. 9 unten). Eine zweite in ihren Bestandteilen völlig gleichartige, aber wesentlich kleinere Anlage war im vorderen Teil des Raumes entlang der Ostwand angelegt. Wegen der Beschränktheit des Raumes bildete die dazugehörige Kelterwanne im Grundriß ein langgestrecktes Rechteck (Abb. 7). Die übrige Fläche des Raumes war der Bedienung vorbehalten. Um den Boden trocken zu halten, wurde der während des Gärprozesses unvermeidliche Nässeanfall in einer Vertiefung neben der Eingangstür gesammelt. In Raum 17 A waren die beiden weiteren Weinbereitungsanlagen ebenfalls von verschiedener Größe und ähnlich angeordnet. Die Begrenzung der hinteren Kelterwanne bildete 34

Die V e r w e n d u n g von Kiefernharz zum gleichen Zweck ist bereits aus der griechischen Antike bezeugt, vgl. A. Neuburger, Technik des Altert u m s (1919) 108.

35

Der V e r m u t u n g C. M. K a u f m a n n s , Die heilige S t a d t in der W ü s t e (1924) 194, d a ß die gleiche B o d e n v e r t i e f u n g in der v o n i h m 1907 gefundenen

Anlage der S a m m l u n g festerer Bestandteile diene, k ö n n e n wir jedoch nicht folgen. E i n e solche m ü ß t e sich auf die gesamte Bodenfläche bezogen h a b e n . Die B e d e u t u n g dieser Sinkstoffe ist n a c h freundlicher Mitteilung v o n Dr. Sartorius (Mußbach) jedoch gering, d a sie sich zus a m m e n m i t der H e f e fest auf d e m B o d e n absetzen.

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GROSSMANN

eine 0,80 m hohe Quermauer, die mit einer Treppe entlang der Westwand überschritten werden konnte (Abb. 9 oben). Sie war an der Stelle des Einlaufs in das Gärbecken zerstört. Dieser selbst fehlte. Wegen der Größe des Gärbeckens war die auf der gegenüberliegenden Seite angefügte Beimischwanne zweiteilig ausgeführt (Abb. 7 und 10). Die zweite Anlage erstreckte sich im vorderen östlichen Teil des Raumes. In ihr folgten die einzelnen Wannen in umgekehrter Reihe aufeinander. Der relativ schmale Bedienungsraum entlang der Westwand wurde durch einen Abfluß unter der nördlichen Eingangstür trockengehalten. Ähnlich den übrigen Häusern der Siedlung waren die Außenwände des Gebäudes aus Lehmziegeln errichtet. Lediglich die Stege zur Einfassung der Wannen und Becken waren in groben Steinblöcken gesetzt und mit Lehm vermörtelt. Im allgemeinen wiesen die Naßräume einen sorgfältig in mehreren Schichten aufgetragenen Wandputz auf, der häufig erneuert worden war. Unter den jüngsten Putzschichten der beiden Kelterwannen in 17 A fand sich außerdem eine etwa 3 bis 4 mm starke Isolierschicht aus schwarzem Asphalt. Die Böden bestanden überall aus festem, mit Ziegelmehl versetztem Kalkmörtel. In dieser Ausbildung gleicht die neugefundene Kellerei durchaus der 1907 von C. M. Kaufmann freigelegten Anlage36 im Stadtgebiet von Abu Mena, etwa 60 m östlich des großen Brunnens beim Palast 37 . Auch hier konnte das Gärbecken nach oben verschlossen werden und wies neben dem als stilisierten Löwenkopfspeier ausgebildeten Hauptzulauf aus der Kelterwanne einen zweiten Zulauf auf, der wahrscheinlich ebenfalls der Beimischung von Zusatzstoffen diente 38 . In dem gegenüberliegenden Rand des Beckens waren ein paar trichterförmige Vertiefungen als Stützen für Amphoren eingelassen. Ferner stand dort der ganze Betrieb in Verbindung mit einer Kläranlage. Eine dritte Weinkellerei fand sich in geringer Entfernung nordwestlich von Haus l 39 . Die an 17 unmittelbar nach Westen anschließenden Gebäude 15 und 16 stellten Wohnhäuser dar. Zwischen ihnen lag ein Hof (Abb. 7), der wohl zu 15 gehörte und zugleich den Zugang in das Haus vermittelte. Ob noch ein zweiter Raum vorhanden war, konnte nicht geklärt werden, ist aber wahrscheinlich. Haus 16 bestand ursprünglich nur aus dem einen Raum 16A, der an allen 4 Wänden mit einer umlaufenden niedrigen Bank versehen war. Erst in einer späteren Phase wurde auf der Nordseite der in ungewöhnlicher Lage befindliche Nebenraum 16 C angefügt. Beide Wohnhäuser sind älter als die Weinkellerei. Ferner scheint auch bei dieser ursprünglich eine andere Nutzung der Räume bestanden zu haben, wofür die durchgehende Verwendung von Lehmziegeln in allen Wänden spricht, während die später eingezogenen Mauern aus Steinbrocken errichtet waren. Einen weiteren Hinweis darauf bildet in 17 B die auf der Westseite der südlichen Kelterwanne befindliche Nische40. Sie war ursprünglich von zwei Säulen flankiert und zum Raum hin mit einer kleinen Brüstung versehen gewesen. Selbst gehört sie erst einer zweiten Bauphase an, als die Wand in gesamter Länge durch eine etwa 0,35 m starke Vormauerung verstärkt wurde. Auf ihrer nach 17 A weisenden Gegenseite befand sich ebenfalls früher eine tiefe, allerdings kleinere und höherliegende Nische. Ihr

36 37

38

Kaufmann a. O. 194 Abb. 165. Zum Brunnen vgl. 4. Vorl.Ber. 183f.; dort unter der Bezeichnung: 'Brunnenanlage Nord'. Ob hier ebenfalls eine den obigen Beispielen vergleichbare Nebenwanne vorhanden war, ist allerdings weder der Beschreibung Kaufmanns,

39 40

a. O. 194, noch dem abgebildeten Photo, ebd. Abb. 165, zu entnehmen. Eine Nachgrabung konnte bisher nicht durchgeführt werden. Kaufmann a. O. Abb. 164. Im Plan Abb. 4 nicht mehr enthalten.

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BERICHT

hinterer Teil wurde beim gleichen Anlaß vermauert, gleichzeitig aber die verbleibende vordere Vertiefung zu einer breiten flachen Nische nach Norden erweitert. Die gegen 16 A angrenzende Westwand von 17 A zeigt drei verschiedene Zustände 41 . In der ältesten Phase dürfte diese ursprüngliche Außenwand von 16 bereits die volle Stärke von 1,0 m aufgewiesen haben, denn diese deckt sich mit den übrigen Wänden des Hauses. Ferner bestand früher eine schmale östliche Fortsetzung der Nordwand von 16A, die 17 A damals in zwei Teile zerschnitt 42 . Wohl als 16 schon weitgehend zerstört war, wurde die Trennwand gegen 17 A mit einer neuen schmalen Wand überbaut, von der sich allerdings nur ein geringer Rest erhalten hat. Ihre Sohle liegt auf einer weichen Schuttschicht, unter der die innere Bank von 16 A noch ungestört durchläuft. Etwa in der Mitte des erhaltenen Restes ist eine kleine nach 17 A weisende Nische enthalten. Dieser Erneuerung wurde später noch eine weitere etwa 0,6 m starke Wand vorgelegt, mit einer ebensolchen, etwa an der gleichen Stelle gelegenen Nische. Erst nach diesen weiteren Umbauten folgte der Einzug der Wannenstege in 17 und damit die Herrichtung des Gebäudes zu einem Weinbereitungsbetrieb. Anläßlich dieses Wechsels in der Bestimmung des Baues scheint auch die ehemalige östliche Fortsetzung der Nordwand von 16 A wieder aufgegeben zu sein. Ursprünglich hatte das Gebäude wohl ebenfalls als Wohnhaus gedient. Eine genauere Untersuchung dieser Frage konnte nicht mehr durchgeführt werden. Beim Verlassen des Ortes wurden die Türen vermauert. Reste davon haben sich in dem Durchgang zwischen 16A und 16C und in dem Eingang von 17B erhalten. Zum gleichen Zeitpunkt war wohl auch schon der Zuflußspeier für das große Gärbecken in 17 A von den Besitzern entfernt und mitgenommen worden. Kairo

Peter

Großmann

D I E KIRCHE IM KARM AL-AHBARIYA

Nachdem bei den im Sommer 1966 unternommenen topographischen Studien in der Umgebung von Abu Mena in dem etwa 7,5 km nordöstlich der Menasstadt liegenden Karm al-Ahbärlya in einem Raubloch Reste von bemalten Wandquadern beobachtet worden waren 43 und das Comité für koptische und islamische Monumente der Antikenverwaltung einem Antrag auf Durchführung einer kleineren Sicherungsgrabung an dieser Stelle zugestimmt hatte 44 , wurde mit einer kleinen Arbeitsgruppe im April mit der Freilegung des Baues begonnen ; die Arbeiten, bei denen neben Tausenden kleiner und kleinster Malereifragmente unterschiedlichen Erhaltungszustandes insgesamt 43 kleinere und größere 41

42

43

Abb. 7 und 9 unten zeigen den Zustand der letzten Phase, während der die Nische als solche nicht mehr existierte und roh vermauert war. Letzteres setzt auch die Außerbetriebsetzung der Weinkellerei voraus. Wahrscheinlich handelt es sich hierbei u m eine Hofmauer ähnlich der Nordwand v o n 15 D. Zur Lage des Karm al-Ahbärlya vgl. die Karte in AA. 1967, 110 (rechts oben in der Ecke). Die kleine Kirche liegt a m östlichen Rand eines offenbar einst dichter besiedelten Gebietes, in dem heute noch Reste zweier hochgelegener

30 AA. 1967

44

Zisternen sowie zahlreiche Mauerzüge v o n Wohnbauten erkennbar sind. Die südlich der Kirche anschließende flache Hügelkette scheint — im Gegensatz zu den nördlichen und westlichen Ringwällen des Karm — aus Resten alter Bebauung entstanden zu sein. D e m Leiter der Abteilung für koptische und islamische Monumente in der ägyptischen Antikenverwaltung, Herrn Dr. Gamal Mahriz, sei auch an dieser Stelle nochmals für seine freundschaftliche Unterstützung dieses Vorhabens und seine stete Hilfe gedankt.

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W O L F G A N G

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Abb. 11. Kirche im K a r m al-Ahbärlya. Blick in den Westteil des L a n g h a u s e s u n d auf die W e s t w a n d in Sturzlage

Blöcke mit Malereiresten geborgen werden konnten, mußten infolge der Kriegsereignisse im Juni noch vor Abschluß der Freilegung abgebrochen werden. Bei dem Bau handelt es sich — wie bereits nach den ersten Malereifunden vermutet wurde — um eine mittelgroße Kirche mit drei Schiffen, einer einfachen halbrunden Ostapsis und wohl einer (noch nicht freigelegten) kleinen Westvorhalle (vgl. Abb. 11, Aufnahme aus der 2. Grabungswoche; am linken Bildrand die unter der Zerstörungsschicht liegende, vor der endgültigen Zerstörung des Baues eingebrachte Erdschicht). Der größere Teil der 0,5—0,6 m starken Längswände, die Apsiswand sowie die beiden L-förmigen Eckpfeiler zwischen Langhaus und Westvorhalle bestehen aus dem üblichen, am Mareotisufer anstehenden weichen Kalkstein und waren in der auch in der Menasstadt gebräuchlichen Technik mit eingelegten Holzbrettern 'bewehrt' (vgl. Abb. 12); einzelne Stücke der Längswände und offenbar die gesamte Westwand waren aus Lehmziegeln und aus rohem Gußmauerwerk (rohe Kalksteinbrocken in reichlich Kalkmörtel) errichtet. Die halbrunde, auf der Außenseite durch drei einfache Rechteckpfeiler verstärkte Apsis war mit einer aus gebrannten Ziegeln in hartem Kalkmörtel aufgesetzten Halbkugel überdeckt, von der sich einzelne zusammenhängende Bruchstücke auf dem Apsisboden fanden. An den Wänden der beiden Seitenschiffe läuft eine niedrige, ziemlich roh aus Bruchsteinen und Lehmziegeln aufgemauerte und mit einem glatten Putz überzogene Bank entlang. Der Boden der Kirche ist mit flachen gesägten Kalksteinplatten bedeckt, zwischen denen im Mittelschiff Vertiefungen für das Einsetzen runder Schrankenpfosten und schmaler Schrankenplatten ausgespart waren. Nach Westen wird das Hauptschiff durch die schon erwähnten L-förmigen Werksteinpfeiler mit zwei dazwischen stehenden Marmorsäulen (auf Marmorpiedestalen) abgeschlos-

A B U MENA. 6. V O R L Ä U F I G E R

BERICHT

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sen (vgl. Abb. 11); seitlich wird es durch je vier Säulen unterschiedlicher Form und Dekoration begrenzt: Ohne erkennbares System stehen hier Marmorsäulen und rohe, mit Putz überzogene Kalksteinsäulen nebeneinander, bei denen durch Bemalung wertvollere Steinarten nachgeahmt wurden; auch die zum größeren Teil stuckierten Kapitelle 45 sind alle von unterschiedlicher Form und Größe (vgl. Abb. 13). Da der Bau erst etwa zur Hälfte freigelegt werden konnte und wegen der Malereireste zunächst der Innenraum ausgeräumt wurde, kann über die Lage von Türen und über die Außenform des Baues noch nichts gesagt werden; eine Türe wurde bisher nur in der nördlichen Längswand beobachtet. Die oberen Teile der Wände bis zu einer Höhe von rund 0,5—1,3 m über dem Boden sowie die Säulen-

45

30'

Bisher wurden von den insgesamt vorhandenen zehn Kapitellen acht gefunden, vermutlich alle Kapitelle der Schiffssäulen; dazu fand sich ein roher Kapitellkörper bei der Entdeckung der Kirche in dem über der Ruine liegenden Schutthaufen (vermutlich eines der beiden am Westende des Langhauses angeordneten Kapitelle). Es handelt sich um sechs Stuckkapitelle und zwei verhältnismäßig kleine Marmorkapitelle des auch in der Menasstadt üblichen ImportTyps (Kompositkapitelle mit flachreliefiertem Blattwerk des sog. theodosianischen Typus). Unter den Stuckkapitellen fanden sich ein sehr gut erhaltenes jonisches Kapitell (vgl. Abb. 13), zwei Palmettenkapitelle (mit Farbresten) und

zwei (allerdings ziemlich beschädigte) Kompositkapitelle. Alle Stuckkapitelle sind nach dem gleichen Schema gearbeitet: Auf einen ganz roh bearbeiteten Kalkstein-Grundkörper wurde eine erste Stuckschicht ohne irgendwelchen Dekor zum Ausgleich der Unebenheiten des Steines aufgetragen; auf dieser außen einigermaßen glattgestrichenen Fläche wurden dann — offenbar freihändig — die Blätter bzw. die anderen Dekorationsglieder modelliert. Infolge dieser Technik hat sich in vielen Fällen die äußere Schale beim Einsturz des Baues vom Grundkörper gelöst.

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Stellungen mitsamt der wohl auf Bögen aufliegenden Obergadenwand 46 sind offenbar durch ein Erdbeben 47 umgeworfen worden; leider sind aber die zur Nord- und Ostmauer sowie zur Apsis gehörenden Quadern zu ganz verschiedenen Zeiten von Steinräubern weggeschleppt worden 48 und nur die Quader der Südwand sowie das Lehmziegelmauerwerk der Westseite lagen in ziemlich wirrem Durcheinander im Mittelschiff und im südlichen Seitenschiff — offenbar auch diese Teile nicht in ungestörter Fallage. Große Teile der inneren Wandflächen der Kirche waren über einem Sockel, der durchgehend mit einer grau-weiß gebänderten Marmorimitation bemalt war (s. Abb. 11), mit ornamentalen und figürlichen Darstellungen in recht lebhaften und teilweise auch gut erhaltenen Farben bedeckt. Die bisher geborgenen bemalten Blöcke und Putzfragmente lassen sich nach den Unterschieden in der Trägerschicht der Bemalung in drei verschiedene Gruppen gliedern: a) Malereien auf einer einzigen stellenweise ziemlich weichen und körnigen Putzschicht, die unmittelbar auf die rohe, zum Teil durch Hackenschläge 'aufgerauhte' Wand aufgetragen ist. b) Malereien auf einer 0,5—2,5 mm starken Gipsputzschicht, die auf die 'aufgerauhte' ältere Putzschicht A aufgebracht wurde; diese Putzschicht hat sich an vielen Stellen durch den Sturz oder durch das Eindringen feinster Wurzelfasern von der Unterschicht gelöst und konnte — je nach Stärke der Gipsschicht — nur in kleinen und kleinsten Bruchstücken geborgen werden. Bei einer ganzen Reihe von Quadern ist die sehr feine Putzschicht im Augenblick des Heraushebens der Steine an der daran haftenden Erdschicht hängengeblieben. c) Malereien auf einer Gipsputzschicht des Typs B, die jedoch auf eine etwa 1—2 cm starke, sehr harte Putzschicht aufgetragen worden war, die ebenfalls Spuren älterer Bemalung trägt. Diese aus einem sehr harten Kalkmörtel bestehende, allerdings sehr unebene Unterschicht war nach den auf ihrer Rückseite deutlich sichtbaren Fugen auf die aus Lehmziegeln auf gemauerten Wandteile aufgetragen.

46

47

Die bei zwei Kapitellen erhaltene obere Auflagerfläche zeigt deutlich, daß hier durchlaufende breite Holzbalken auf dem Kapitell lagen, wohl durchlaufende Horizontalanker, über denen man analog zu den erhaltenen Bauten (vgl. etwa die Emporenkonstruktion in der Kirche Abu Serge in Alt-Kairo) Arkaden zu rekonstruieren hat; das lokal verfügbare Steinmaterial läßt infolge seiner geringen Festigkeit keine Architravkonstruktionen zu. Die im Bau liegenden Reste ziemlich rohen Bruchsteinmauerwerks (Kalkstein und stark versinterte Feld- und Lesesteine) gehören wohl zu diesen — wahrscheinlich un bemalten — Obergadenwänden. Die durchweg noch in ursprünglicher Fallage aufgefundenen Säulen sowie die nicht ausgeplünderten Teile der Nord- und Westwand (vgl. Abb. 11) zeigen mit Sicherheit, daß der Bau durch ein Erdbeben zerstört wurde. Die Fallrichtung der Säulen entspricht der Fallrichtung

48

der Säulen, die im großen Saal B x des Doppelbades (vgl. 4. Vorl. Ber. 173f.) gefunden wurden; daraus könnte abgeleitet werden, daß es sich um das gleiche Erdbeben handelt, durch das beide Bauten zerstört wurden, d. h. das große Beben von 796 (?) - vgl. 4. Vorl. Ber. 180. Die zur Südmauer und zur Apsis gehörenden Blöcke müssen — nach der völlig glatten Oberfläche in diesem Gebiet zu rechnen — schon vor sehr langer Zeit, vielleicht sogar schon kurz nach der Erdbebenzerstörung, abtransportiert worden sein. Teile der Nordwand und des westlichen Abschlusses wurden dagegen erst im Winter 1965/66 von in der Nähe siedelnden Beduinen weggeschleppt. Einzelne der rücksichtslos zerschlagenen Blöcke, bei denen noch Malereireste erhalten waren, wurden von mir schon im Sommer 1966 sichergestellt. Mindestens 6 große Quader mit vermutlich noch ziemlich gut erhaltenen Malereien sind dagegen völlig zerschlagen worden.

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BERICHT

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Abb. 13. Jonisches Stuckkapitell in Sturzlage

Die Kirche ist also während ihres Bestehens mindestens einmal fast völlig neu verputzt und neu ausgemalt worden; nur einzelne, vielleicht noch guterhaltene Wandflächen wurden bei dieser Wiederherstellung ausgespart. Dementsprechend lassen sich auch in den erhaltenen Darstellungen zwei stilistisch deutlich voneinander unterschiedene Phasen beobachten: beide Gruppen gehören aber ihrer Maltechnik und Darstellungsweise nach deutlich zur alexandrinischen Schule. Zur älteren Gruppe gehören mindestens 12 Blöcke ganz unterschiedlicher Größe, sämtlich Teile eines großen Rankenfrieses mit einer antithetisch um eine große Vase (?) angeordneten Panthergruppe (vgl. Abb. 14). Die Höhe des über 2—3 Quaderschichten sich erstreckenden Frieses beträgt etwa 0,8—0,9 m; gegen die Sockelzone ist er durch eine etwa 8 cm breite weiße Bordüre mit roten Blattspitzen abgesetzt und nach oben begrenzt ihn ein weißer, in eine rosa Fläche übergehender Streifen. Die aus einem alten hellenistischen Motiv entwickelte Darstellung ist durch nicht ganz regelmäßig eingesetzte kleinere Ranken, durch Weinblätter und -trauben sowie durch Tiere verschiedener Art — meist Vögel (Reiher, Gänse und Enten), aber auch einige bisher noch unvollständige Säugetiere — belebt. Die auf rostrotem Grunde stehenden, in gelb-weißen Tönen gehaltenen Tiere, die gelben Ranken mit weißen, teils schwarz untermalten Blättern sowie die blauweißen Trauben sind in einer sehr flotten, fast 'impressionistischen 1 Manier gemalt; die gesamte Darstellung wird darüber hinaus noch durch zahlreiche kleinere weiße Ranken sowie durch unregelmäßig über die Flächen verstreute weiße und leuchtend rote Punkte aufgelockert. Spuren einer Vorzeichnung sind nicht zu erkennen, obwohl die einigermaßen regelmäßigen Kreisbögen der Hauptranke eine vorherige Aufteilung der Malfläche zu beweisen scheinen. Die unter den Putzschichten der Gruppen B und C noch teilweise vorhandenen älteren Malereireste sind durch das Aushacken der Wand, durch das Überputzen und schließlich — beim Ablösen der Gipsputzschicht — durch einsickerndes Lehmwasser so unkenntlich gemacht, daß ohne vorheriges Zusammensetzen größerer Fragmente bzw. ohne Ablösen

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WOLFGANG

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Abb. 14. Panther-Gruppe auf zwei provisorisch zusammengelegten Quadern

der jüngeren Putzschicht bei den vollständig erhaltenen Blöcken nichts über Art und Form der Darstellung zu sagen ist; thematisch scheinen sich diese älteren Malereien nicht grundsätzlich von den späteren Darstellungen zu unterscheiden. Zu dieser jüngeren Stufe, die die Gruppen B und C umfaßt, gehören alle übrigen Quader und der weitaus größte Teil der kleinen Putzfragmente, die bisher nur im jeweiligen Fundzusammenhang geborgen wurden, jedoch noch nicht zusammengesetzt oder gar näher untersucht werden konnten. Der größere Teil der Blöcke — auf denen allein bisher zusammenhängende bemalte Flächen erhalten sind — gehört offenbar zu einer Zwischenzone, die den mit der Marmorimitation überzogenen Sockel von dem mit Heiligenfiguren bemalten oberen Teil der Wand trennte. Diese ockergrundige Zwischenzone ist oben und unten von rahmenden Ornamenten (schwarzen Blattranken bzw. laufendem Hund) gefaßt und enthält offenbar abwechselnd große Rundscheiben (mit unterschiedlichem Innendekor) und gerahmte Rechteckfelder mit leicht stilisierten Tierdarstellungen (Fisch, Taube, Stier?, Löwe?), die sich weiß mit hellblauen Schatten deutlich aus dem Fries herausheben. In der darüberliegenden Hauptzone der Südwand (denn nur von dieser Wand sind bis jetzt zusammenhängende größere Flächen gefunden worden) bildete offenbar eine in einer gemalten Nischenarchitektur stehende, etwas unterlebensgroße Heiligenfigur mit einer rechts unterhalb angeordneten, mindestens zehnzeiligen griechischen Inschrift 49 den 49

Die erst teilweise zusammengesetzte Inschrift — mit schwarzer Farbe auf den weißlich-blauen

Hintergrund neben der Heiligenfigur gemalt (Zeilenlänge etwa 0,5 m; Buchstabenhöhe etwa

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Abb. 15. Zwei Blöcke aus dem Oberteil der großen Heiligendarstellung

Schwerpunkt (vgl. Abb. 15); sie ist seitlich durch die als Trennlinie übliche weiße Randbordüre mit roten Blattspitzen von den anschließenden kleinformatigeren Darstellungen abgetrennt. Die in kräftigen Farben (rot, grün und violett-rosa) und mit kräftigen schwarzen Konturstrichen gegebene Halbrundnische wird beiderseits von einer (vielleicht zweigeschossigen?) Säulenstellung gestützt: Zwei mit korbartigen Kapitellen gekrönte, verschiedenfarbige (grüne und gelbe) Spiralsäulen tragen das aus Architrav und Fries bestehende Gebälk der Nische, wobei zwischen den beiden Kapitellen auf dem Architrav nochmals je eine kleine Halbrundnische aufgemalt ist. Zwischenglied zwischen den beiden Säulengeschossen (?) oder die Basis des Säulenpaares ist ein piedestalartiger Block, der mit schwarzen Blattranken und Blättern auf altrosa Grund verziert ist. Die unteren Teile der gesamten Gruppe sind beim Einsturz des Baues offenbar durch die darauffallenden Wandquadern in kleine Stücke zertrümmert worden und konnten erst überschlägig erfaßt werden. So sind auch von dem in hellbraunen und weißen Tönen gehaltenen, stark gefältelten Gewand des Heiligen nur Fragmente unterschiedlicher Größe vorhanden, aus denen sich aber gleichwohl eine etwas schematisch-stilisierte Behandlung der Gewandoberfläche erkennen läßt. Der Heilige selbst steht aufrecht mit erhobener rechter Schwurhand da; vom linken Arm haben sich bisher keine Reste gefunden. Das sorgfältiger gemalte, ausdrucksvolle Gesicht mit den großen, dunkel umrahmten Augen, kräftigen Brauen und einem spitz zulaufenden Vollbart ist von einem Nimbus umgeben 50 ; darüber sind nur ein6 — 7 cm) — läßt sich noch nicht deuten; Abkürzungen und vereinfachte Schreibweisen erschweren die Lesung des ohnehin noch lückenhaften Textes.

50

Die Unterschiede in der Darstellung des Gewandes und des Gesichtes sind so auffallend, daß man daran denken möchte, daß hier eine andere H a n d am Werk war. Vielleicht ist das Gewand

480

W. M Ü L L E R - W I E N E R ,

A B U MENA

zelne Buchstaben des Namens erhalten (vgl. Abb. 15). Die zu dieser Darstellung gehörenden Quader und die einzelnen Putzfragmente fanden sich ohne eine erkennbare, durch den Sturz bedingte 'Ordnung' über nahezu das gesamte Mittelschiff verstreut 51 , so daß fehlende Teile durchaus noch in dem noch nicht ausgeräumten Teil des Mittelschiffs gefunden werden können. Die Oberflächen der bisher aufgefundenen Teile sind an den Quaderkanten mehr oder weniger stark abgesplittert, sonst aber im allgemeinen gut erhalten; große Teile sind mit einer feinen Lehm-Kalksinterschicht überzogen (vgl. Abb. 15)82. Auf den seitlich anschließenden, vermutlich in zwei Register gegliederten Wandflächen waren offenbar Szenen aus Heiligenviten sowie in Reihen nebeneinanderstehende Heilige ganz unterschiedlicher Größe dargestellt; es ist bei dem schlechten Erhaltungszustand dieser Putzflächen und angesichts der geringen Größe der meisten Fragmente nicht sehr wahrscheinlich, daß sich das Bildprogramm dieser Wand auch nur einigermaßen sicher wird feststellen lassen. Teile dieser Malereien waren schon vor dem Einsturz des Baues offenbar durch Wind und Regen stark ausgewaschen worden; andere Teile waren mit einem dünnen weißen Kalkanstrich überzogen, der teilweise bei der Freilegung abblätterte, vielfach aber fest auf den Flächen haftet. Diese Übermalung und mehrere arabische Inschriften auf den Innenwänden des Baues deuten darauf hin53, daß die Kirche nach der arabischen Eroberung Ägyptens 641/642 kurzzeitig als Moschee benutzt wurde. Bereits einige Zeit vor der endgültigen Zerstörung des Baues (vielleicht durch das für 796 überlieferte große Erdbeben ?) muß der Bau jedoch schon aufgegeben und ausgeplündert worden sein, wie sich aus der windzerfressenen Oberfläche der höhergelegenen Wandteile sowie aus einer auf dem Plattenboden liegenden, rund 0,2—0,4 m starken, dichten Erdschicht ergibt, die noch unter den Steintrümmern und den Putzfragmenten des Oberbaues liegt (vgl. Abb. 11). Uber die Bauzeit der Kirche und ihre zweite Ausmalung läßt sich wegen des unvorhersehbaren plötzlichen Abschlusses der Arbeiten noch nichts Genaueres sagen; wahrscheinlich ist die Kirche im (späteren ?) 5. Jh. errichtet und im Laufe des späteren 6. Jhs. zum zweitenmal ausgemalt worden. Kairo

51

52

von Werkstattmitgliedern gemalt worden, während der Meister sich das Gesicht »reservierte« ? Die Qualität dieser Malerei übertrifft meines Erachtens alles, was bisher aus Alexandria und Umgebung aus dieser Zeit bekanntgeworden ist. Diese Streulage ergab sich deutlich aus den Fundplätzen der einzelnen Teile der Inschrift, die über eine Fläche von etwa 15 qm verteilt aufgefunden wurden und noch immer nicht vollständig vorliegen. Die Fragmente wurden bisher so geborgen, wie sie aufgefunden wurden; die knappe Zeit und der plötzliche Abbruch der Grabung erlaubten keine Restaurierungs- oder Sicherungsmaßnahmen. Die vom Department of Antiquities Cairo

Wolfgang Müller-Wiener

53

zugesagten Restaurateure konnten wegen der politischen Lage nicht mehr anreisen. Eine eingehende Behandlung der Malereien ist für die nächste Kampagne vorgesehen; sämtliche Steine liegen vorerst im Depotraum des neuen Grabungshauses. Bei diesen Inschriften handelt es sich um ein eingeritztes, ziemlich grobes Graffito, von dem nur der Anfang eines Namens erhalten ist, sowie um Bruchstücke zweier mit schwarzer Farbe gemalter mehrzeiliger Texte, die wegen ihrer geringen Größe noch keine sinnvolle Lesung erlauben. Auch hier ist mit weiteren Ergänzungen bei systematischem Durchsehen der bereits gefundenen Stücke bzw. bei weiterer Grabung zu rechnen.

B. Ö G Ü N , D I E A U S G R A B U N G E N VON K E F KALESI

481

D I E AUSGRABUNGEN VON K E F KALESI BEI ADILCEVAZ UND EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE URARTÄISCHE KUNST Nach dem zweiten Weltkrieg haben besonders die Entdeckungen der russischen Wissenschaftler in Tesebaini, einer urartäischen Provinzhauptstadt, und in Irepouni, beide bei Erivan gelegen, die Aufmerksamkeit der Forscher von neuem auf Urartu gelenkt. Nach diesen Entdeckungen haben Gelehrte wie R. D. Barnett in England und G. R. Meyer, Deutschland, diese Ausgrabungen gerühmt und sie dadurch auch weiteren Kreisen bekanntgemacht 1 . Andererseits haben sie das Material von Ausgrabungen des vorigen Jahrhunderts in Ostanatolien, das sich im Britischen Museum und in Berlin befindet, gereinigt und von neuem veröffentlicht 2 . Außerdem ist das Thema der Einflüsse der urartäischen Kunst auf die griechische und besonders auf die etruskische Kunst von einigen anderen Wissenschaftlern, wie P. Amandry, M. Pallottino, K. R. Maxwell-Hyslop und E. Akurgal 3 und anderen erneut aufgegriffen worden. Und so sind die Urartäer in der archäologischen Welt zu einem aktuellen Thema geworden. Auf dem 24. Orientalisten-Kongreß im Jahre 1957 hat der Leiter der Ausgrabungen von Karmir-Blur (urartäisch Tesebaini) gesagt, daß leider im Zentrum der Urartäer bis zu der damaligen Zeit keine systematischen Ausgrabungen stattgefunden hätten 4 . Doch hat in dieser Zeit, nämlich in den Jahren 1956/57, ein junger englischer Kollege, Ch. Burney, in Ostanatolien Reisen gemacht, hat die urartäischen Burgen aufgesucht und sie veröffentlicht 6 . Danach hat im Zentrum Urartus die Tätigkeit der Türken angefangen. T. özgüg hat in Altintepe bei Erzincan im Jahre 1959, K. Balkan und R. Temizer in Patnos im Vilayet Agri im Jahre 1960, und seit 1959 eine Kommission unter dem Namen »Ausgrabungskommission für Van und Umgebung«, die zusammengesetzt ist aus A. Erzen, E. Bilgif, Y. Boysal und dem Verfasser, zuerst in Toprakkale und dann 30 km südlich von Van in £avustepe und in einer Nekropole bei Ernis 6 am Nordufer des Van-Sees zu graben angefangen. Während dieser Ausgrabungen haben einige Mitglieder unserer Kommission auch Adilcevaz besucht.

1

2

3

Barnett—Watson, Iraq 14,1952,132ff. ; Barnett, Iraq 21, 1959, Iff.; G. R. Meyer, Wiss. Ann. (Akad. Berlin) 1, 1952, 407ff.; 4, 1955, 508ff.; 6, 1957, 834ff.; siehe auch Ögün, ZDMG. 111 (N. F. 36), 1961, 254ff. und wiederum Barnett, A n a t s t . 13, 1963, 153 ff. Iraq 12, 1950, Iff.; 16, 1954, 3ff.; Das Altertum 1, 1955, 205ff.; ZDMG. I l l (N. F. 36), 1961, 283 ff., vgl. 269 Anm. 88; H. Hoffmann, Jb. Hamburger Kunstslg. 6, 1961, 143 ff. ; derselbe, Kunst des Altertums in Hamburg (1961) 4 — 5 Taf. 16. 17. P. Amandry in The Aegean and the Near East. Studies presented to H. Goldman, 239—261; derselbe Syria 35, 1958, 73ff.; ders. EtAC. 1, 1 9 5 5 - 5 6 . 3ff.; Pallottino, ArchCl. 7, 1956,

4

5

6

1 0 9 - 1 2 3 ; M a x w e l l - H y s l o p , Iraq 18, 1956, 150 — 167 und die dort angegebene Bibliographie; Akurgal, Anatolia 4, 1959, 91 ff.; derselbe, Orient und Okzident. Kunst der Welt (1966) 192 ff. B. B. Piotrovskij, Fortschritte der Erforschung des Urartu-Reiches. Akten des X X I V . Intern. Orient.-Kongr. 1957 (1959) 122. Burney, AnatSt. 7, 1957, 37ff.; B u r n e y - L a w son, AnatSt. 8, 1958, 211ff.; 10, 1960, 177ff. Für die Bibliographie über die türkischen Ausgrabungen siehe: Bilgiç — Ögün, Anatolia 8, 1964, 93 Anm. l b und neuere Berichte: Mellink, AJA. 69, 1965, 141 f.; T. Ôzgûç, Altintepe (Architectural Monuments and Wall Paintings) (1966).

482

BAKI

ÖÖÜN

Abb. 1. Die Burg von Adilcevaz

Danach haben zwei Mitglieder der »Ausgrabungskommission für Van und Umgebung«, E. Bilgig und ich, in Kef Kalesi bei Adilcevaz im Jahre 1964 mit den Ausgrabungen angefangen. Adilcevaz liegt am Nordwestufer des Van-Sees. Kef Kalesi ist ein hoher und steiler Berg, der 6 km nördlich von Adilcevaz liegt 7 . Es ist ziemlich schwierig, diesen Berg von Osten, Süden und Westen her zu besteigen. Dieser Burg kann man sich nur von Norden her nähern. Diese Eigenschaft kann man nun an fast allen Burgen der Urartäer beobachten, d. h. diese Burgen sind auf den natürlichen Hügeln, die fast nur von einer Seite zugänglich sind, gebaut und im allgemeinen an den drei anderen Seiten durch ihre natürliche Lage geschützt. In dieser Hinsicht istToprakk-ale ein typisches Beispiel. Toprakkale schließt sich im Norden an das Simsim-Gebirge an 8 . Aus dieser Richtung ist es erreichbar, aber es ist sehr schwierig und sogar an manchen Stellen fast unmöglich, diese Burg von anderen Seiten zu besteigen. In Adilcevaz selbst gibt es auch eine solche urartäische Festung (Abb. I) 9 . Andere Burgen wie Van Kalesi (Abb. 2) und Qavustepe (=Asbasm =Haikaperd) 1 0 , liegen auf steilen Felsen, die sich aus der Ebene herausheben. Vor der Burgmauer hat man hier an den leicht zugänglichen Stellen einen Graben in den Fels geschlagen (Abb. 2. 3. 4). Manche urartäischen Burgen liegen auf Halbinseln, deren Seiten in steilen Abhängen zum Van-See hin abfallen 11 . Außerdem sind diese Burgen mit hohen Mauern umgeben. Der untere Teil dieser Mauern war aus Stein und der obere Teil aus Lehmziegeln erbaut. In Karmir-Blur hat man 7 m hohe Mauern ausgegraben. Es wird angenommen, daß sie 7

8

AnatSt. 7, 1957, 50f. Abb. 12; AnatSt. 10, 1960, 188f. und Pian auf S. 188; Bilgig—Ógiin, Anatolia 8, 1964, 93 ff. Taf. 1 und 2 a. Piotrovskij, Vanskoe Zarstvo (Urartu) 1959 Taf. 14—15; Ogiin, ZDMG. I l i (N. F. 36) 1961

9

10 11

Taf. 1, 1. Bilgiij-Ögün, Anatolia 8, 1964, 95 und 120 Taf. I I b. AnatSt. 7, 1957, 46 Abb. 4. a. O. 47 Abb. 5.

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ursprünglich 10 m hoch gewesen sind 12 . Im Bericht über den 8. Feldzug von Sargon II. findet man auch Aussagen hinsichtlich deren Höhen; der obere Teil dieser Mauern, deren unterer Teil aus Stein besteht, ist aus zwei mal sechzig Reihen Lehmziegeln gebaut 13 . Die in Toprakkale, Tesebaini und Adilcevaz gefundenen Lehmziegel sind etwa 15 cm hoch14. Verbindet man die Angabe Sargon II. mit diesem tatsächlich festgestellten Maß, so ergibt sich das folgende : 2 x 6 0 x l 5 = 18m. Rechnet man jetzt noch die von den Russen in Karmir-Blur angetroffene Höhe des Steinsockels von 2 m hinzu, so kommt man auf eine Gesamthöhe der Mauer der urartäischen Burgen im allgemeinen von etwa 20 m. Sicher war Kef Kalesi auch mit einer solchen Mauer umgeben, denn man sieht heute noch an verschiedenen Stellen die Reste der Steinmauer. Das Burgtor wird im Norden, und zwar an der Nordostecke, gelegen haben. Der nördliche Teil von Kef Kalesi hat die Form eines Hügels, dessen Höhe von Osten nach Westen hin steigt 15 . Dieser Höyük, ( = Ruinenhügel) liegt etwa 10—15 m höher als die südlich gelegenen Felsrücken der Burg. Die Spitze des Höyüks liegt auf den Felsen in Westsüdwest. Diese Spitze liegt 2270 m hoch über dem Meeresspiegel und ist 550 m höher als der Van-See und Adilcevaz. In dem südlich vom Höyük befindlichen flachen Teil sieht man an verschiedenen Stellen den gewachsenen Felsen. Deswegen trifft man hier wenige Kulturreste. Daher ist es eindeutig, daß eine Ausgrabung dort keinen Erfolg bringen würde. Ein auf der Oberfläche südlich vom westlichen Teil des Höyüks befindlicher und im Jahre 1957 von C. A. Burney veröffentlichter 16 , mit Reliefs versehener Block zeigte uns deutlich, wo man mit Ausgrabungen anfangen sollte. Der auf dem Südhang befindliche Ort, von dem dieser Block herabgerollt sein könnte, wurde von uns als Ausgrabungsstelle gewählt. Am

12

13

Wiss. Ann. (Akad. Berlin) 1, 1952, 410; I r a q 14, 1952, 135. F. T h u r e a u — D a n g i n , U n e Relation de la H u i t i è m e C a m p a g n e de Sargon 714 av. J . Chr. S. 38, Z. 240; vgl. Anatolia 8, 1964, 110

14

15 16

Anm. 36. Bilgiç — Ögün, Anatolia 8, 1964, 97; Oganesian, K a r m i r - B l u r I V (1955) 80. A n a t s t . 10, 1960, P l a n auf S. 188. A n a t S t . 8, 1958, 216f. Abb. 3, Taf. 34a.

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KALESI

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Abb. 4. Die Burg von favustepe mit in den Felsen gehauenem Graben

3. Juli 1964 begannen wir hier in einem Ausmaß von 5 x 10 m einen Versuchsgraben zu öffnen. Schon am vierten Tag unserer ersten Kampagne entdeckten wir mitten in diesem Versuchsgraben einen neuen großen reliefierten Basaltblock, durch den unsere Vermutung bestätigt wurde17. Wir gruben weiter und fanden unter und neben diesem Block mehrere Krüge, die in zwei Reihen angeordnet waren. Diese Krüge waren genauso wie die, die in Toprakkale, Karmir-Blur und in £avustepe entdeckt wurden, mit Keilinschriften versehen18. Es wird allgemein angenommen, daß diese das Volumen und den Inhalt der Krüge angeben. Ab 50—70 cm Tiefe unter der Oberfläche trafen wir eine dichte Brandschicht. Als wir die Grabung verbreiterten, stellten wir fest, daß diese Brandschicht sich überall ausdehnte. Einige der Lehmziegel, die ja sonst luftgetrocknet sind und die sich auf und neben manchem Krug befinden, waren verbrannt wie gebrannte Ziegel. Deshalb kann man annehmen, daß diese Krüge Öl enthielten. Da wir den Inhalt noch nicht untersucht haben, wissen wir noch nicht, was in den anderen Krügen war. In Karmir-Blur haben die russischen Forscher festgestellt, daß viele der Krüge nicht mit Wein, sondern mit Weizen, Sesam, Mehl und anderen Lebensmitteln gefüllt waren19. Als wir die Grabung verbreiterten, haben wir kleinere Stücke nördlich von dem oben erwähnten und von uns ausgegrabenen Block gefunden. Da dieser mit Reliefs versehene Stein dort, wo er ausgegraben wurde, wie wir auch im Bild sehen, nicht in situ gefunden wurde, konnte man ahnen, daß er noch von weiter nördlich herabgerollt war. Etwa 20 m nördlich davon haben wir dann an einer neuen Stelle zu graben angefangen. Im Jahre 1965 wurden die beiden Ausgrabungsplätze miteinander verbunden (Abb. 5). Im Süden haben wir 3 Magazinräume freigelegt, die denen in Karmir-Blur ähnlich sind (Abb. 6—8).

17

Für die ausführlicheren Berichte der ersten zwei Kampagnen über die Ausgrabungen in Kef Kalesi bei Adilcevaz siehe: Bilgiij — Ögün, Ana-

tolia 8, 1964, 93 ff.; 9, 1965, 11 ff. Anatolia 8, 1964, 97 — 98 Anm. 9 — 12. 1 9 Barnett, Iraq 21, 1959, 2 — 3.

18

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Xbb.

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Ääilcevaz. G r u n d r i ß

Der größte von den in Karmir-Blur ausgegrabenen und bis jetzt veröffentlichten Magazinräumen hat ein Ausmaß von 31 X 10,3 m 20 . Die im Jahre 1966 von uns ausgegrabenen Magazinräume sind über 38 m lang. Die jeweilige Ostwand der Räume haben wir noch nicht gefunden. Die Magazine sind mit zahlreichen Krügen angefüllt. Die Mauern der Vorratsräume haben eine Stärke von 2,50—2,60 m. Diese Mauern und auch die in dem ersten Magazinraum befindlichen Pithoi haben sich entsprechend dem Abhang des Höyüks geneigt (Abb. 7). Der im Süden gelegene Vorratsraum Nr. 1 hat eine Breite von 2,50 m. In diesem Raum 1 fanden sich bis jetzt (am Ende der Kampagne 1966) — in zwei Reihen angeordnet — 54 Krüge. Im Raum 2, der eine Breite von 5.90 m hat, haben wir — in drei Reihen angeordnet — insgesamt 63 Krüge zutage gefördert. Alle diese Pithoi steckten bis zur Hälfte im Boden. Diese Magazinräume sind miteinander durch zwei etwa 2 m breite Türen verbunden, die sich in ihrem westlichen Teil befinden (Abb. 5). Nur Zimmer 3 hat noch eine andere, kleinere Tür an der westlichen Mauer. Wir hatten zunächst geglaubt, daß diese Tür die Vorratsräume mit dem im Norden gelegenen Hauptgebäude verbindet. Aber die im Jahre 1966 gemachten Ausgrabungen haben uns gezeigt, daß diese Vermutung nicht richtig war. Im Raum 1 haben wir außer den bereits erwähnten Pithoi und dem mit Reliefs versehenen oben erwähnten Block noch zwei andere Reliefblöcke aufgedeckt. Im Raum 2, besonders in den oberen Schichten, haben wir die kleineren, meistens ebenfalls mit Reliefs geschmückten Stücke dieser Blöcke gefunden. In diesem Zimmer haben wir in den Jahren 1965/66 im Schutt in der Türöffnung zwischen Raum 2 und 3 und an der Ostseite des Raumes 2 20

Piotrovskij, K a r m i r - B l u r I (1950) 59; B a r n e t t , I r a q 21, 1959, 3.

Abb. 6. Adilcevaz. Magazinräume und Pfeilerhalle

Abb. 7. Magazinräume von Osten

Abb. 8. Magazinräume von Westen

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Fischmänner oder Fischpriester (Abb. 9, 10) ausgegraben, die ähnlich denen sind, die russische Ausgräber in Tesebaini gefunden hatten 21 . Diese etwa 18—20 cm hohen Fischpriester sind aus gebranntem Ton gemacht. Nur wenige Einzelheiten des Körpers und des Gesichtes dieser Statuetten sind angedeutet, nämlich eine ziemlich große Nase, kräftig markierte Augenbrauen, mandelförmige, sehr große Augen und lange Barte. Manchmal ist der Mund nicht ausgeführt. Sie alle tragen eine Art Fischhaut, die sich auf ihrem Rücken vom Kopf bis unterhalb ihrer Hüfte erstreckt. In der einen Hand halten sie einen Zapfen, in der anderen einen Eimer 22 . Im Raum 3 wurden noch drei neue mit Reliefs versehene Steinblöcke ausgegraben. Wenn wir noch den von Burney veröffentlichten Block dazurechnen, so haben wir insgesamt sieben Blöcke, von denen wir später im Detail sprechen werden. In den oberen Schichten des dritten Raumes haben wir außer den schon erwähnten Blöcken noch Fresken freigelegt. Da diese in sehr kleinen Stücken gefunden wurden, konnten wir sie nicht vollständig rekonstruieren. In diesen Fresken kommen hauptsächlich die Farben blau, dann rot, gelb und weiß vor. Die Urartäer liebten die Farbe blau beson21

22

Piotrovskij, K a r m i r - B l u r I I (1952) 25 Abb. 9; ders., I s k u s s t v o U r a r t u (1962) 112 Abb. 77; ders., Vanskoe Zarstvo (Urartu) 230 Abb. 77; B a r n e t t , I r a q 21, 1959, 5 Abb. 3. I n Assur ist ein mit Reliefs geschmückter u n d zu dem T e m p e l des Assur (der von Sancherib geb a u t worden war) gehöriger B r u n n e n ausgegraben worden. Die Figuren auf diesen Reliefs, die F i s c h h a u t t r a g e n u n d in den H ä n d e n eine

Situla halten, sind als dem G o t t opfernde Priester e r k l ä r t worden (W. Andrae, D a s wiedererstandene Assur [1938] 13, 26, 155 Taf. 2 b ; A. P a r r o t , Assur [Universum der K u n s t , 1961] 74 Abb. 82). An demselben Ort w u r d e n a u ß e r d e m T e r r a k o t t a s t a t u e t t e n m i t derselben F i s c h h a u t g e f u n den (Andrae a. O. 13 Taf. 7 u n d 8 a - b ) . Vgl. Anatolia 9, 1965, 13f. Anm. 6 Taf. 7a—c.

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Abb. 11. Die Pfeilerhalle von Osten

ders23. Nördlich der Magazinräume wurde eine große Pfeilerhalle mit 8 Pfeilern gefunden (Abb. 5, 11). Von diesen Pfeilern bzw. 'Pylonen' (so Oganesian) sind Nr. 1 und 5 am besten erhalten, auch ihre Formen unterscheiden sich von den anderen. Sie sind in der Form eines Eckpfeilers gearbeitet. Die anderen Pfeiler sind, abgesehen von Pfeiler 2, sehr stark zerstört. Um eine Vorstellung über diese Pfeiler zu haben, nehmen wir den Pfeiler 1 (Abb. 12). Er ist 3m lang und 3 m breit. Sie bestehen jeweils aus drei Reihen von Basaltsteinen, die etwa 50—52 cm hoch, sehr gut und genau rechteckig bearbeitet und übereinander angeordnet sind. Daraus ist zu ersehen, daß diese 'Pylone' vom Boden gemessen etwa 1,55 m hoch waren. Die Fundamente dieser Pfeiler sind aus unbearbeiteten Steinen gebaut. Die Ecksteine der Pfeiler ragen gemessen an den Mittelsteinen etwa 18 cm hervor. Diese Vorsprünge, die ein typisches Merkmal der urartäischen Bauweise sind, sind an den Tempeln etwa 50 cm tief 24 (Abb. 13). Durch diese Bauweise hat die urartäische Architektur erreicht, stabile Bauten zu errichten. Die 'Pylone' in Adilcevaz weisen durch diese besonderen Merkmale eine turmähnliche Form auf. Daher hat Piotrovskij, der Leiter der Ausgrabungen in Tesebaini (Karmir-Blur), sie »dekorative Türmchen« genannt 25 . Diese Pfeiler, die in Karmir Blur in den Vorratsräumen in verfallenem Zustand gefunden wurden und den unsrigen nach der Größe und Verarbeitungsweise sehr ähneln, wurden später rekonstruiert und von 23

24

T. Özgüf, A l t m t e p e . Architectural M o n u m e n t s a n d Wall P a i n t i n g s 14, 48 u n d passim. Taf. 1. T. Özgüf, Belleten 25, 1961, 264f. Abb. 4; S. 278, 286 Abb. 13; ders., Anatolia 7, 1963, P l ä n e 2 — 3 Taf. 12; ders., Altintepe S. 3 u n d 39 Abb. 1 Taf. IV, VI, X - X I ; Burney, A n a t S t . 16, 1966, 69 Abb. 3 — 4; Der T e m p e l von T o p r a k k a l e (Erzen, AA. 1962, 3 9 9 - 4 0 2 Abb. 12); P a t n o s

31 AA. 1967

25

(siehe bei T. Özgüij, Altintepe, Architectural M o n u m e n t s a n d Wall P a i n t i n g s 13 A n m . 24 u n d S. 47 A n m . 24; Boysal, Belleten 25, 1961, 200ff., P l a n auf S. 211) u n d (Javustepe u n d die B u r g m a u e r von (Javustepe zeigen dieselben Eigenschaften, vgl. Kleiss, I s t M i t t . 13/14, 1963/ 64, 2f. Abb. 1 - 3 . Anatolia 8, 1964, 107ff. Piotrovskij, K a r m i r - B l u r I I 2 8 - 3 0 T a f . 10.

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A b b . 12. Pfeilerhalle, Pfeiler Nr. 1

dem Architekten Oganesian als tragende Elemente erkannt und 'Pylone' genannt 26 . Die russischen Wissenschaftler nehmen an, daß diese Pfeiler in Karmir-Blur auf dicken Lehmziegelmauern der Magazinräume gestanden haben. Außerdem wurden in den Vorratsräumen von Karmir-Blur enorme Lehmziegelpfeiler festgestellt 27 . Wie diese Lehmziegelpfeiler werden die oberen Teile von unseren 'Pylonen' auch aus Lehmziegeln gebaut worden sein. Auch die Formen und die Anordnung der in Adilcevaz ausgegrabenen'Pylone' lassen keinen Zweifel, daß sie ein tragendes Element, d. h. Pfeiler darstellen. Der Abstand zwischen den Pfeilern der ersten Reihe (1—4), die von Westen nach Osten in einer Linie stehen, beträgt jeweils 4,5 m. Die Pfeiler 5—8 der zweiten Reihe befinden sich fast alle an der Oberfläche und sind daher stark zerfallen. Doch wird der Abstand zwischen ihnen gleichfalls 4,5 m betragen haben. Das zwischen den beiden Reihen gemessene Maß beträgt 6 m, wie aus dem Abstand zwischen den beiden gut erhaltenen Pfeilern Nr. 1 und 5 hervorgeht. Ferner wurde eine lange Mauer ausgegraben, die sich von den Pfeilern der ersten Reihe 4 m nördlich befindet und die zu der Pfeilerreihe parallel verläuft. Am Fuße dieser Mauer gibt es eine Bank aus Lehmziegeln, die ungefähr 35 cm hoch und 50—60 cm breit ist. Diese Bank sollte vermutlich die Mauer verstärken. Als Sitzgelegenheit war sie wahrscheinlich nicht sehr bequem. Diese Mauer trennt die Pfeilerhalle von drei kleineren Räumen, Nr. 4.5.6. Die noch nicht vollständig ausgegrabenen 5. und 6. Räume könnten die Kammern für die Dienerschaft sein (Abb. 5). Die Mauern, die diese Räume voneinander trennen, sind 1,10 m breit. Kammer 4 ist vermutlich ein Haupteingang der eben besprochenen Pfeilerhalle (Abb. 14). Dieser Haupteingang ist 2,50 m breit und die Kanten sind wie die Pfeiler aus behauenen Steinen gearbeitet. Wir sehen hier an den Ecken die gleichen Rücksprünge, die wir von den Kanten mehrerer urartäischer Türen kennen. Diese Rücksprünge sind etwa 26 27

Oganesian, K a r m i r - B l u r IV, 98 Abb. 5 8 - 5 9 . a. O. Abb. 2 3 - 2 8 . 30. 31 u n d auf den P l ä n e n Abb. 13 — 14 u n d in den R ä u m e n 6, 25, 28; Piotrovskij, Vanskoe Zarstvo 144 Abb. 11—12

Taf. 2 8 - 2 9 ; B a r n e t t - W a t s o n , I r a q 14, 1952, 133 Abb. 2 Taf. 33, 1; B a r n e t t , I r a q 21, 1959, 2 Abb. 1 Taf. l a - b .

D I E AUSGRABUNGEN VON K E F

KALESI

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Abb. 13. Der T e m p e l von Altintepe

Abb. 14. Adilcevaz, Pfeilerhalle. E i n g a n g

15 cm tief und dienten wahrscheinlich sowohl zur Verschönerung der Türen als auch der Verstärkung der Ecken. Die westliche Mauer dieses Raumes hat eine Höhe von 3,5 m beibehalten. Hier trafen wir sowohl inmitten des Raumes als auch an der Wand Freskostücke von meistens schöner blauer Farbe. Muster lassen sich jedoch nicht mehr erkennen. Die Mauer setzt sich nach Süden hin fort und bildet dort die Westwand der Pfeilerhalle. Hier wurden wieder Fresken beobachtet und vor der Mauer bronzene Wandnägel (Abb. 17), die denen in Toprakkale 28 , Karmir-Blur 29 und Kayalidere 30 ähnlich sind. Der dichte Brand, 28

B a r n e t t , I r a q 12, 1950, 8; ders., I r a q 16, 1954, 6 Abb. 5.

29 30

Piotrovskij, K a r m i r - B l u r I 58 Abb. 36. B u r n e y , A n a t S t . 16, 1966, 95f. Abb. 19 Taf. 19a.

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Abb. 15. Adilccvaz, Raum Nr. 7

den wir überall in der Ausgrabung angetroffen haben, hat den Putz und die Fresken zerstört. Soweit wie wir es an dieser Mauer feststellen konnten, befanden sich die Fresken an dem oberen Teil der Wand. Denn auf dem unteren Teil dieser wurden keine Farbspuren angetroffen. Am Fuße der Mauer befindet sich wieder eine Bank, wie bei der an der Nordseite der Halle gelegenen Mauer. 1966 haben wir weitere Räume westlich der Pfeilerhalle und der Magazine ausgegraben. Wir hatten angenommen, daß die Tür des Magazinraumes 3 mit dem Hauptgebäude in direkter Verbindung stand. Das ließ sich nicht bestätigen. Durch diese Tür gelangte man in den mit Nr. 7 bezeichneten Raum (Abb. 5. 15). Dieser Raum besaß eine Breite von 5,40 m und eine Länge von mehr als 18 m in nordsüdlicher Richtung. Man hat keine Spuren von der südlichen Mauer entdecken können. Die Länge des Raumes wird nicht weniger als 18 m sein, wie wir aus den Seitenmauern schätzungsweise ersehen können. Außerdem wurden südlich des Raumes am Fuße der Westmauer zwei kleine Krüge gefunden. Der von Norden nach Süden abfallende Fußboden liegt auf dem gewachsenen Felsen, aber dieser ziemlich gut bearbeitete Fußboden wurde zunächst nicht erkannt, so daß der südliche Teil davon während der Ausgrabung leider zerstört wurde. Das Innere dieses Raumes war auch dem Brand ausgesetzt. Auf dem Fußboden hat man sehr viele Keramikscherben gefunden. Im Nordteil dieses Raumes steht eine hakenförmige Mauer. In nordsüdlicher Richtung hat sie 6 m Länge, in westöstlicher Richtung 4 m Breite, eine Höhe, außen gemessen, von etwa 50—1,55 m, innen gemessen von 50—85 cm. Wir haben sie 'American Bar' getauft. Ich halte diesen von den Studenten erfundenen, scherzhaften Namen für eine geeignete Bezeichnung. Denn auf dem Fußboden dieses Raumteiles wurden mehrere Scherben gefunden. Es wurde nach dem Zusammenkleben festgestellt, daß diese Keramik aus tiefen oder flachen, schalenförmigen Tellern (Abb. 16) und in verschiedenen Typen und Größen Oinochai oder Kleeblattkannen (Abb. 18) besteht. Diese Vasen mit rötlich glänzendem Überzug sind nichts weiter als eine Art Keramik nach der Toprakkale-Art. Sie haben sich indessen infolge des starken Brandes so geschwärzt, daß sie schwarzglänzend erscheinen. Wie im

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Abb. 19. Adilcevaz, R a u m Nr. 8

allgemeinen angenommen wird, waren diese Oinochai für Getränke bestimmt. So wird die etwa 50 cm breite verputzte Oberfläche der hakenförmigen Mauer als eine Art Buffetbank gedient haben. Da diese Vasen alle zusammen auf dem Boden innerhalb des Raumes gefunden wurden, müßten sie in diesem und nicht in dem Zimmer darüber (des ersten Stockes) gestanden haben. Hier konnte man also den in den nahe gelegenen Magazinräumen aufbewahrten Wein ausschenken. Wir haben verschiedene Beweise dafür, daß über diesen Räumen andere gelegen haben müßten, d. h., daß unsere Bauten mehrstöckig gewesen sind. Vor allem die Dicke der Mauer ist der erste Beweis, z. B. hat die östliche Mauer des Raumes 7 eine Br von 2,25—2,40 m und die westliche eine Br von 2,60—2,75 m. Im Magazinraum 3 in den oberen Schichten gefundene Freskenbruchstücke sprechen für einst darüber befindliche Räume. Außerdem waren die oben besprochenen großen Pfeiler sicherlich nicht allein als Dachstützen gedacht, sondern sie hatten auch darauf liegende Stockwerke zu tragen. Aber der klarste Beweis dafür, daß wir über dem Raum 7 noch ein anderes Stockwerk hatten, ist, daß auf dessen über 3 m hoher Nordmauer eine Türschwelle und eine Türkante gefunden wurde. Diese Tür öffnet sich zu der im Norden gelegenen großen Pfeilerhalle. Die Durchgangswände zeigen in dieser die bekannten Eckrücksprünge, die sich auch an den anderen Türen der Pfeilerhalle befinden. Von der Südseite der Räume der oberen Stockwerke, die durch diese Tür mit der Pfeilerhalle verbunden waren, konnte man den Van-See erblicken. Somit ist anzunehmen, daß wie auf der Nordseite und auch auf der Südseite der Halle hier mehrere Räume gelegen haben müssen. Wegen der Neigung des Höyüks ist jedoch kein Rest von diesen erhalten geblieben. Die in den oberen Schichten des Vorratsraumes 3 ausgegrabenen Fresken und die in den oberen Schichten des zwischen Zimmer 2 und 3 im Schutt des Türdurchganges gefundenen Fischpriester werden von den Zimmern des ersten Stockwerkes heruntergefallen sein. Zwischen Zimmer 7 und dem westlich davon gelegenen Zimmer 8 gibt es keine Verbindung (Abb. 19). Wie der andere lag dieser Raum in Nordsüdrichtung. Dieses 3,30 m breite Zimmer hatte

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Abb. 20. Adilcevaz, Raum Nr. 9

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Abb. 21. Balken in Raum 9

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mindestens eine Länge von 15,20 m. Auch von seiner Südmauer ist keine Spur erhalten geblieben. In diesem Raum sind fast keine Kleinfunde ausgegraben worden. Aus der oberen Schicht wurde zwei Basaltsäulenbasen zutage gefördert, die vermutlich in das Innere des Raumes wieder von Norden her heruntergerollt sind. Ihre Durchmesser auf der Unterseite betragen etwa 90 cm. Die Oberkanten sind abgebrochen und werden auf 70—75 cm geschätzt. Sie haben große Ähnlichkeit mit den im Altintepe-Tempel 31 gefundenen Basen (Abb. 13). Dieser bereits genannte Raum Nr. 8 hat durch zwei Türen Verbindung zu den wichtigsten Teilen des Palastes sowie zu einem Nebenraum. Eine Bank in Höhe von etwa 1 m stützt die Nordmauer. Nördlich der Magazinräume, wo die große Pfeilerhalle freigelegt wurde, haben wir unsere Ausgrabungen in der Westrichtung erweitert, da wir annahmen, die Hauptteile des Palastes befinden sich westlich der Westmauer (Abb. 5). Hier haben wir einen Raum Nr. 9 — 15,10 m lang und 7,65 m breit — ausgegraben (Abb. 20). Der Boden dieses Raumes ist etwa 1,5 m höher als der Boden der Pfeilerhalle. Dieser Raum hat zwei Türen, die sich an der Nord- und Südmauer befinden. Die Südtür ist eine kleine Durchgangstür, die durch einen Korridor in dem Treppenhaus höchstwahrscheinlich mit den Vorratsräumen verbunden ist. Wir haben an der Südostseite zwei völlig zerstörte und einen ziemlich vollständig erhaltenen Krug gefunden. An der Westmauer wurden noch zwei zerstörte Krüge ans Tageslicht gefördert. Außerdem wurden Scherben in großen Mengen ausgegraben. Auch wurden zwei Balken, die in derselben Richtung lagen (Abb. 21), vor der Nordtür und in der Mitte des Zimmers gefunden. Ihr Durchmesser beträgt 50 cm und sie sind an beiden Seiten angebrannt. Wenn diese zwei Balkenstücke von demselben Balken stammen, müßte dieser mindestens 5,25 m lang gewesen sein, wenn nicht länger. An der Südseite dieses Raumes wurde noch ein weiterer, den wir 'Treppenflur' nennen, entdeckt. Dieser Raum ist einiger Eigenschaften wegen bemerkenswert. Er hat eine Tür an der großen von Norden sich nach Süden erstreckenden Westmauer der Pfeilerhalle. Hinter dieser Tür befindet sich ein Treppenabsatz; links neben diesem gibt es noch einen Korridor, der wahrscheinlich zu den Vorratsräumen hinunterführt. Der Tür gegenüber ist eine Rampe für eine Holztreppe angelegt. In dem Treppenhaus ist diese Rampe in einem parallel laufenden Korridor durch eine Mauer aus Stein geschützt. Zwischen beiden Korridoren neben der Rampe befindet sich eine 4,5 m dicke Lehmziegelmauer. Die von Osten nach Westen bis mehr als 2 m Höhe ansteigende Rampe muß eine Holztreppe, die zum ersten Stockwerk führte, gestützt haben. Zwei aus den höheren Schichten des Raumes Nr. 8 ans Tageslicht gekommene Säulenbasen können nur von einem der Räume dieses 1. oder 2. Stocks hier heruntergefallen sein. Anders läßt sich die Lage der Säulenbasen nicht erklären. An der Nordmauer der Rampe sind in deren Mitte zwei noch senkrecht stehende Fragmente von Holzsäulen gefunden worden. Sie haben einen Durchmesser von 15—20 cm und sind noch 50—60 cm hoch. Auch diese dienten wahrscheinlich als Stütze der hier befindlichen Holztreppe. Auch dieser Treppenflur ist von einem schweren Brand heimgesucht worden. Wie wir schon oben gesagt haben, muß der Haupteingang zu der erwähnten Pfeilerhalle der Raum 4 sein (Abb. 5. 14). Die Rückseite dieses Raumes ist noch nicht ausgegraben worden. Man darf aber annehmen, daß er sich bis zu einem großen breiten Korridor hin öffnete, der nach links biegt und langsam ansteigt. Die an der Nordwestecke des Raumes 9 befindliche Tür verbindet diesen vermutlich auch mit diesem Korridor. Weiter westlich ist ein Teil einer neuen Pfeilerhalle, die wir Raum 10 (Abb. 22) bezeichneten, ausgegraben. 31

Vgl. die in Anm. 24 angeführten Arbeiten T. Özgüg's.

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Abb. 22. Adilcevaz, Raum Nr. 10

Sie ist ähnlich wie die erste Pfeilerhalle, aber vielleicht größer als jene. In der Kampagne 1966 hat man hier soweit ausgegraben, daß man von den Pfeilern nur die ersten drei freigelegt hat. Auch hier, wie es in der ersten Pfeilerhalle der Fall war, befinden sich vor den Mauern Bänke. Wie wir aus den Formen der sich in beiden Seiten befindlichen Pfeiler sehen können, erstreckt sich diese Halle wie die andere Halle von Osten nach Westen. In der Kampagne 1966 wurde diese Halle nur in einer Länge von 6,60 m ausgegraben. Die Breite des Raumes ist 22,70 m. Eine auf der Ostwand an der Nordostecke befindliche Tür öffnet sich zu dem eben besprochenen Korridor. Somit wurde unsere Vermutung, daß der Hauptteil des Palastes sich weiter westlich befindet, bestätigt. Alle diese Räume waren durch einen schweren Brand zerstört. Die Reliefblöcke In den Jahren 1964—1966 sind in den Vorratsräumen 1 und 3 insgesamt sechs Reliefblöcke ausgegraben worden. Sie sind von kubischer Form, ihre Maße sind 1,40 x 1,40 x H 1,10m; ihre Unter- und Oberflächen sind flach gehauen. Auf den übrigen vier Flächen der Seiten dieser Blöcke ist jeweils die gleiche Szene abgebildet (Abb. 23. 24). Diese Szene zeigt die Fassade eines gut befestigten Palastes. Dieser Palast hat drei Türme, die je an den beiden Seiten und in der Mitte der Fassade stehen. Auf dem unteren Teil der Türme ist je ein heiliger Baum (Abb. 24.25) und nicht eine Lanze, wie wir zunächst annahmen, zu sehen32. Die Türme sind, wie aus der Zahl der Fenster zu ersehen ist, dreistöckig und gekrönt von einer Schutzmauer mit Schießscharten. Diese Türme kragen oben über dem eigentlichen Turmschaft vor. 32

Anatolia 8, 1964, 102ff. Tai. 8b. 9a. 13b und Abb. 2; 9, 1965 Tai. 11 und 22. Auch auf dem bekannten Relief aus Adilcevaz mit dem Gott

auf dem Stier müssen diese Details nicht Lanzen sondern stilisierte heilige Bäume darstellen,

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Abb. 23. Adilcevaz, vierseitiger Reliefblock

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Abb. 24. Eine Seite eines Reliefblockes

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Abb. 25. Reliefblock m i t geflügeltem G o t t Chaldi auf Löwen

Daß der Palast zweistöckig ist, erkennen wir wieder an den Fenstern. Das flache Dach ist mit Schießscharten bewehrt. Die Fassade dieses befestigten Palastes ist außerdem mit Reliefs verziert. Zwischen dem mittleren Turm und den seitlichen Türmen gibt es, die kleinsten Details ausgenommen, zwei sich gegenüber auf Löwen stehende Flügelwesen (Abb. 23. 24). Wir erkennen an den zylinderförmigen Kopfbedeckungen, die mit kleinen, runden Scheiben und Hörnern versehen sind, daß diese geflügelten Wesen Götter darstellen (Abb. 26). Die Köpfe der Götter reichen bis an das Vordach des zweistöckigen Baues. Der Palast hat ein flaches Dach. Hier, zwischen dem mittleren Turm und den seitlichen Türmen gibt es eine mit Schießscharten versehene Brüstung. Auf der Mittelzinne befindet sich eine Palmette, auf den äußeren Zinnen sind zwei sich gegenüberstehende Raubvögel dargestellt, die in den Schnäbeln Hasen am Schwanz halten (Abb. 27). Ganz oben auf den Blöcken ist eine Inschrift angebracht 33 . Aus dieser von Bilgi? gelesenen Inschrift wissen wir, daß Rusa II., der Sohn des urartäischen Königs Argischti, diesen Bau für den Gott Haldi als Opferstätte für Libationen hat bauen lassen. Rusa II. regierte von 685—645 v. Chr. Bei aller dekorativen Wirkung hat die Hauptszene eine spezielle Bedeutung. Dies kann uns ein Relief im Palast des Assurnasirpal II. (883—859 v. Chr).34 erläutern. Die an beiden 33

34

a. O. 8, 1964, 104, 113f„ Abb. 2; 9, 1965, 18f. Taf. 24. J . B. Stearns. Reliefs f r o m t h e Palace of Ashur-

nasirpal I I . AfO. Beiheft 15 (1961). S. 2 4 - 2 7 T a f . 7 - 8 . 11. 13. 1 7 - 1 8 . 2 0 - 2 1 . 2 5 - 2 8 . 31. 33 — 34. 40 u n d R e k o n s t r u k t i o n Taf. 91.

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Abb. 26. Kopf des Gottes Chaldi

Seiten des heiligen Baumes stehenden und in den Händen Zapfen und Eimer haltenden Götter befruchten den Baum. Die gleiche Szene kann man auch auf einem Helm des Sardur II., der in der Mitte des 8.Jhs. lebte, und auf einem Helm seines Vaters sehen. Diese Helme wurden von den Russen in Karmir-Blur ausgegraben 35 . Die Götter in Adilcevaz zeigen ebenfalls die gleiche Befruchtungszeremonie. In einer hethitischen Tradition stehen die Götter auf eigenen heiligen Tieren. Dementsprechend sehen wir auch auf einem späthethitischen Adad-Relief aus Arslan Tasch den Gott auf seinem Stier 36 . Aber der heilige Baum — die Zypresse — auf den Reliefs von Adilcevaz, welchen die Götter befruchten, steht weit entfernt von den Göttern. Trotz der Beeinflussung von assyrischer und hethitischer Kunst hat der urartäische Künstler diese Szene nach seinem eigenen Kunstempfinden in besonderer dekorativer Art ausgeführt. Im 8. und 7. Jh. v.Chr. sind die Stiere und Löwen auf urartäischen Schilden im einzelnen verhältnismäßig naturgetreu dargestellt worden. Aber in der Gesamtbetrachtung erzielen hintereinander schreitende Löwen und Stiere wiederum eine dekorative Wirkung, ein spezifisch urartäisches Charakteristikum. Die Löwen aus dem 8. Jh., aus dem 2. Viertel und vom Ende des 7. Jhs. unterscheiden sich stilistisch voneinander und geben uns die Möglichkeit, sie zeitlich einzuordnen. Ohne 35

Piotrovskij, Vanskoe Zarstvo (Urartu) Taf. 36 u n d 38 o b e n ; derselbe, Iskusstvo U r a r t u . Taf. 16. 18. 19; ders., K a r m i r - B l u r I Abb. 40. 40a Taf. 12; K a r m i r - B l u r I I Abb. gegenüber S. 40 Taf.

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11—13. A. P a r r o t , Assur. Die Mesopotamische K u n s t v o m X I I I . vorchristlichen J a h r h u n d e r t bis z u m Tode Alexanders des Großen (1961) Abb. 84.

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Abb. 27. Oberteil eines vierseitigen Reliefblockes m i t R a u b v ö g e l n u m P a l m e t t e

Zweifel ist die urartäische Kunst des 8. Jhs. von der assyrischen des 9. Jhs. beeinflußt, wie auch Van Loon geschrieben hat 37 . Aber im Gegensatz zu Van Loon glauben wir, daß die urartäischen Löwen eine stilistische Entwicklung innerhalb der urartäischen Kunst zeigen. Die Löwen auf dem in Karmir-Blur ausgegrabenen Schild, zwei Kesselattaschen Sardur II. 38 , die Löwen des in Toprakkale gefundenen Thrones 39 , die Löwen vom Fuße des Hamburger Kandelabers 40 , ein in Patnos gefundener aus Bronze 41 und ein neulich in Kayalidere ausgegrabener 42 ähneln sich besonders in der Stilisierung der Schulter- und Beinmuskeln, die 37

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M. N. v a n Loon, T h e U r a r t i a n Art (1966) 172f.; vgl. auch Akurgal, Anatolia 4, 1959, 78f.; derselbe, Die K u n s t Anatoliens von H o m e r bis Alexander (1961) 28. Piotrovskij, Vanskoe Zarstvo (Urartu) Taf. 39; derselbe, Iskusstvo U r a r t u Taf. 22 — 23 u n d 25; Van Loon, U r a r t i a n A r t 111 Abb. 12. I r a q 12, 1950 Taf. 11. 18, 3 u n d 19. J b . d. H a m b u r g e r Kunstslgn. 6, 1961, 145f., Abb. 4 — 7; H o f f m a n n , K u n s t des A l t e r t u m s in

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H a m b u r g (1961) Taf. 16. 17. V a n Loon, T h e U r a r t i a n A r t 99 h a t m i t R e c h t auf die Ähnlichkeit des L a m a s s u s des K a n d e labers m i t den Mischwesen des T o p r a k k a l e Thrones hingewiesen. Boysal, Belleten 25, 1961, 2 0 4 - 2 0 8 u n d Abb. 1—3 auf S. 212; d o r t wird der Löwe zwar m i t schwacher Begründung, aber richtig d a t i e r t (a. a. O. S. 205 u n d 208). A n a t s t . 16, 1966, Abb. 8 - 9 Taf. 9 a . l O a - c .

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wie ein umgekehrtes U gebildet sind und durch die unter den Augen befindlichen dicken Hautfalten. Alle diese Löwen sind von den Löwen des Palastes Assurnasirpal II. beeinflußt43 Die Körper dieser urartäischen Löwen sind im allgemeinen massig und rund. Dagegen sind die Leiber der Löwen auf dem im Britischen Museum befindlichen Schild Rusas III. 44 aus dem Ende des 7. Jhs. und auf einem Löwenrelief aus Erzincan46 schlank und schmal, die Hälse dünn und lang. Sehr dünn sind auch die Hautfalten unter den Augen des Löwen aus Erzincan, schmal und lang sind die wie ein umgekehrtes U gebildeten Muskeln der Löwenbeine beider Stücke. Diese Muskelzeichnung, die manchmal auch als tulpenförmig46 beschrieben wird, ist schon auf den Reliefs aus der Zeit des Assurnasirpal (883—859) an den Vorderbeinen von Pferden, Stieren und Löwen festzustellen. Sie ist hier einem umgekehrten breiten, relativ kurzen U nicht unähnlich. Die urartäischen Flachbilder des 8. Jhs. stehen unter dem Einfluß dieser Darstellungen. So sind die Muskeln in ähnlicher Weise stilisiert47. Diese Stilisierungen haben später sowohl auf den assyrischen als auch urartäischen Reliefs Veränderungen erfahren. Auf dem erwähnten Schild des Rusa im Britischen Museum48 und dem an diesen aus stilistischen Gründen anzuschließenden Relief aus Erzincan49 sind die U-förmigen Vorderbeinmuskeln, ebenfalls gerade ausgeführt, lang und schmal. Die Bezeichnung 'tulpenförmig' kann dann bei noch jüngeren Stücken mit noch größerem Recht als bisher verwendet werden, wie Beispiele aus Kelermes50 und Persepolis61 lehren.

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A. P a r r o t , Assur Abb. 64; R. D. B a r n e t t , Assyrische Palastreliefs Taf. 26. Anatolia 4, 1959 Taf. 16; Akurgal, Die K u n s t Anatoliens, T e x t zu Abb. 15. Anatolia 4, 1959 Taf. 17c; Akurgal, Die K u n s t Anatoliens, T e x t zu Abb. 13. A n a t S t . 16, 1966, 7 5 - 7 7 ; M. N. v a n Loon, U r a r t i a n A r t 95. 118. Die Muskelstilisierungen der Löwen u n d Mischwesen des Thrones von T o p r a k k a l e sind als d a f ü r typische Beispiele zu n e n n e n (Iraq 12,1950 Taf. 7, 3; 11; 18, 3; 21, 1; I r a q 16, 1954, 14 Abb. 18 Taf. 3, 1—2; vgl. E . Strommenger—M. Hirmer, Fünf J a h r t a u s e n d e Mesopotamien [1962] Taf. 200. 202. 203; B a r n e t t , Assyrische P a l a s t reliefs T a f . 26). Sie unterscheiden sich nicht n u r d a d u r c h , sondern a u c h d u r c h die oben erwähnt e n Besonderheiten von den Löwen auf dem Schild R u s a s I I I . (Britisches Museum) u n d dem u n g e f ä h r gleichzeitigen Löwen auf dem Relief aus Erzincan. Auch die Tonlöwen aus T o p r a k k a l e ( I r a q 12, 1950 Taf. 17, 2; Anatolia 4, 1959, Taf. 17b) müssen d e m n a c h aus dem 8. J h . s t a m m e n . Der T o p r a k k a l e - T h r o n wird von Akurgal aber in d a s 7. J h . d a t i e r t (Anatolia 4, 1959, 83. 88 Taf. 17 — 19; ders. Die K u n s t Anatoliens 31 T e x t a b b . 8 — 12). Die Mischwesen dieses T h r o n e s zeigen jedoch eine H a a r t r a c h t — auf den Schultern aufliegende H a a r l o c k e n —, die in der Zeit der 2. H . des 8. J h s . zu belegen ist (urart. K u n s t w e r k e : Akurgal, Die K u n s t Anatoliens 29 T e x t -

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a b b . 6 - 8 ; Anatolia 4, 1959 Taf. 18; I v r i z : Akurgal, Die K u n s t Anatoliens 61 Abb. 38; Relief Sargons: P . E . B o t t a —E. Flandin, Mon u m e n t de Ninive, T a f e l b ä n d e I. I I (1849) passim). I m Hinblick darauf u n d u n t e r Berücksichtigung der e r w ä h n t e n Stilisierungen v o n Beinmuskeln u n d Augenfalten wird es möglich, den T h r o n aus T o p r a k k a l e in die Zeit R u s a s I., des Gegners Sargons II., u n d nicht in die R u s a s I I . zu datieren. Akurgal d a t i e r t die Kessela t t a s c h e n aus T o p r a k k a l e in das E n d e des 8. J h s . (Die K u n s t Anatoliens Abb. 18. 19. 20. 22). E r (Anatolia 4, 1959, 90; Die K u n s t Anatoliens 30) u n d B a r n e t t (Iraq 12, 1950, 33) n e h m e n R u s a I. u n d nicht wie v a n Loon (Urartian Art 30) u n d andere R u s a I I . als G r ü n d e r von T o p r a k k a l e a n . Die d o r t gefundenen Kesselattaschen aus d e m E n d e des 8. J h s . bieten d a f ü r eine schwache U n t e r s t ü t z u n g , die jedoch d u r c h unsere E i n o r d n u n g des Thrones in diese Zeit m e h r Gewicht e r h ä l t . Der Schild R u s a I I I . , den u. a. A. E r z e n (AA. 1962 406ff. Abb. 1 5 - 1 9 ) u n d der Verfasser im J a h r e 1960 in T o p r a k k a l e g e f u n d e n h a b e n , ist seinem Stil nach in den A n f a n g der Regierungszeit dieses Königs zu datieren (um 625). Anatolia 4, 1959 Taf. 16 u n d 17 c; Die K u n s t Anatoliens T e x t Abb. 13 — 15. Piotrovskij, I s k u s s t v o U r a r t u Taf. 36; v a n Loon, T h e U r a r t i a n Art Taf. 41. R . D. B a r n e t t , Assyrische Palastreliefs F a r b t a f e l XI-XIII.

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D I E AUSGRABUNGEN VON KEF KALESI

Die Löwen aus Adilcevaz geben uns sehr gute Anhaltspunkte für die stilistische Vergleichung. Sie stehen hinsichtlich ihrer Körper und Gesichtsfalten und auch ihrer Muskelwiedergabe zwischen denen des 8. Jhs. und denen der zweiten Hälfte des 7. Jhs. Die Löwen des Hamburger Kandelabers sind wegen ihrer spitzen Zähne und den dicken Hautfalten unterhalb ihrer Augen von den Löwen aus Adilcevaz als älter zu bezeichnen. Somit ergibt sich, daß der Hamburger Kandelaber nicht Rusa II. oder Rusa III., sondern Rusa I. gehört 62 . Zum Schluß darf ich noch einige allgemeine Bemerkungen anfügen. Wie auch van Loon betont hat, haben die Urartäer eine durchaus eigenständige Kunst. Dem schließen wir uns vollkommen an. Aber im Gegensatz zu ihm sind wir der Meinung, daß man außerhalb Urartus viel mehr urartäische Kunstgegenstände feststellen müßte, als es bisher der Fall war. Neuerdings erkannte Kyrieleis unter den Nimrud-Elfenbeinen einige Stücke als urartäische Arbeiten 53 . Wahrscheinlich werden wir auch, je mehr wir die urartäische Kunst kennen lernen werden, desto mehr urartäische Kunstgegenstände auch außerhalb Urartus als solche erkennen können. Als Beispiel dafür nehmen wir einen Frauenkopf, der ebenfalls zu den Elfenbeinen aus Nimrud gehört 64 . Er ähnelt sehr dem Kopf von einer im Museum zu Istanbul befindlichen Kesselattasche aus Toprakkale 66 . Beide haben das gleiche runde Gesicht, volle Backen, kräftig markierte Augenbrauen und Lockenhaar. So wird auch dieser Elfenbeinkopf aus einer urartäischen Werkstatt stammen. Berlin

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Hoffmann weist diesen Kandelaber Rusa I. (733 — 714) zu, aber ohne Begründung (Kunst des Altertums in Hamburg 5). BJbV. 5, 1965, 199 ff. Taf. 43. 44. Barnett, Nimrud Ivories 205 f. Nr.S 184 Taf. 70 Anatolia 4, 1959 Taf. 21a und 24. Dieser Artikel wurde im Februar 1967 in Berlin und in England — London, Manchester, Bristol,

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Oxford — als Lichtbildervortrag dargeboten, so daß für das erwähnte Elfenbein sowie den Kopf der Kesselattasche die Möglichkeit des Vergleichs gegeben war. Mit Genugtuung habe ich festgestellt, daß im MarbWPr. 1966, 11 f. Taf. 8, das nach meinem Vortrag erschienen ist, Kyrieleis zu denselben Ergebnissen gekommen ist.

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GALL

ZU DEN KLEINASIATISCHEN TREPPENTUNNELN A. D a s P r o b l e m Mit zu den eindrucksvollsten Monumenten des anatolischen Altertums zählen die sogenannten Treppentunnel, nach Art von Minenstollen in den Felsen hineingetriebene Treppengänge, die meist auf dem Gipfel oder an den Abhängen felsiger Bergmassive gelegen sind. Ihr Hauptverbreitungsgebiet ist das pontische und östliche Kleinasien, im Westen scheinen sie über Phrygien nicht hinauszureichen (s. Abb. 8)*. In etwa 25—45° führen diese Gänge schräg in den Felsen hinab und scheinen, obwohl sie meist verschüttet sind, alle blind zu enden, so daß die Bezeichnung 'Tunnel' genaugenommen nicht richtig ist1. Verschiedene voneinander weit divergierende Theorien sind über diese Anlagen von den älteren Reisenden geäußert worden, während sie heute nur wenigen bekannt sind. Dies ist * Außer den in den Verzeichnissen des D A I . (s. AA. 1966, 589 ff.) angegebenen werden hier noch folgende A b k ü r z u n g e n u n d Sigel v e r w e n d e t : Bittel, KISt. = K . Bittel, Kleinasiatische Studien (IstMitt. 5, 1942) B r a n d e n b u r g , N. U. = E . B r a n d e n b u r g , N e u e Unt e r s u c h u n g e n auf d e m Gebiet der phrygischen Felsenfassaden (AbhMünchen 23, 3, 1906). Dörner, I s t F o r s c h . 23 = F. K. D ö r n e r — T h . Goell, Arsameia a m N y m p h a i o s . Die Ausgrabungen im Hierothesion des M i t h r a d a t e s Kallinikos von 1953 — 1956 m i t Beiträgen von H . G. B a c h m a n n u. a. (IstForsch. 23 [1963]). Gabriel = A. Gabriel, P h r y g i e IV. L a Cité de Midas. Architecture (1966). Gökoglu, P a p h l . = A. Gökoglu, P a p h l a g o n i a . . . G a y r i M e n k u l Eski Eserleri ve Arkeolojisi (Kastam o n u 1952) de J e r p h a n i o n = G. de J e r p h a n i o n , Mélanges d'Archéologie Anatolienne (Mélanges de l'Université S a i n t - J o s e p h X I I I 1 [1928]). J RGS. = J o u r n a l of t h e R o y a l Geographical Society L e h m a n n - H a u p t , Armenien = C. F . L e h m a n n H a u p t , Armenien einst u n d j e t z t (3 Bde. 1910 bis 1931). Leonhard, Paphl. = R. Leonhard, Paphlagonia (1915). v. d. Osten, O I P . V = H . H . v. d. Osten, E x p l o r a tions in Central Anatolia, Season of 1926 (OIP. V [1929]). Perrot-Guillaume-Delbet = G. P e r r o t —E. Guill a u m e — J . Delbet, E x p l o r a t i o n de la Galatie et d e la B i t h y n i e (1862). S t P . = S t u d i a P o n t i c a (Bd. I — I I I [ 1 9 0 3 - 1 0 ] ) . Verf., I s t M i t t . = H . v. Gall, Die paphlagonischen

Felsgräber. Eine Studie zur kleinasiatischen K u n s t g e s c h i c h t e (IstMitt. Beiheft 1 [1966]). Widengren, K u l t u r b e g e g n u n g = G. W i d e n g r e n , Iranisch-semitische K u l t u r b e g e g n u n g in p a r t h i scher Zeit (1960). Die im K a t a l o g erscheinenden E n t f e r n u n g s a n g a b e n entsprechen den L u f t l i n i e n ; die d o r t m i t einem* versehenen M o n u m e n t e sind v o m Verf. selbst a u f g e s u c h t worden. Außer Abb. 20, die ich H e r r n Prof. D ö r n e r v e r d a n k e u n d Abb. 22, f ü r die ich dem Historischen Museum der Pfalz u n d besonders H e r r n Dr. G. Stein zu D a n k verpflicht e t bin, sind hier n u r eigene P h o t o g r a p h i e n u n d Zeichnungen wiedergegeben. W a s den T e x t anbelangt, so bin ich hier H e r r n Dr. B. D a m m , Heidelberg, f ü r wertvolle A u s k ü n f t e auf F r a g e n geologischer N a t u r großen D a n k schuldig. 1

Mit R e c h t b e m e r k t Dörner, I s t F o r s c h . 23, 140, d a ß der A u s d r u c k n i c h t glücklich ist, d a ein T u n n e l a u c h einen Ausgang h a b e n müsse; vgl. dazu prinzipiell E n c y c l o p a e d i a B r i t a n n i c a 3 2 (1964) X X I I 560ff. s. v. T u n n e l . Der Vorschlag, s t a t t d e s s e n die Bezeichnung ' F e l s g a n g ' zu verwenden, stellt jedoch m. E . keine Verbesserung dar, d a m a n u n t e r einem ' G a n g ' jede beliebige b e g e h b a r e V e r b i n d u n g v e r s t e h t u n d dabei noch n i c h t u n b e d i n g t a u s g e d r ü c k t ist, d a ß diese d a n n gedeckt sein m u ß . W i r m ö c h t e n d a h e r eine Zus a m m e n s e t z u n g m i t der Bezeichnung ' T u n n e l ' beibehalten, d e n n so wird wenigstens die technische Seite, die D u r c h b o h r u n g einer beachtlichen Gesteinsmenge z u m A u s d r u c k gebracht, die j a gerade die zu b e h a n d e l n d e n kleinasiatischen Mon u m e n t e besonders auszeichnet.

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um so erstaunlicher, als in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg an zwei verschiedenen Orten Treppentunnel völlig ausgeräumt worden sind, in der Midasstadt in Phrygien (s.S. 511 Nr. 3) undin Arsameia am Nymphaios in Kommagene (s. S. 517 Nr. 40). Die Treppengänge von der Midasstadt führten eindeutig zum Grundwasser, wie A. Gabriel überzeugend aus der Niveaugleichheit der jeweils untersten Stufe in den Treppengängen im Nordwesten und im Südwesten der 'Akropolis' geschlossen hat 2 . Demgegenüber konnte Dörner in dem von ihm ausgegrabenen Treppengang keine Bezüglichkeit mit dem Wasser feststellen. Sicher aber ist dort die Anlage auf Grund des Umstandes, daß sie sich unterhalb des Hierothesions (des Mithradates Kallinikos) und ihr Eingang sich direkt unter der großen Kultinschrift befindet, sakral und im Zusammenhang mit dem auf der Burg ausgeübten Herrscherkult zu verstehen 3 . Da sich nun beide Orte außerdem an der Peripherie des eigentlichen Verbreitungsgebietes der Felstunnel befinden, schien damit für die übrigen Anlagen nichts gewonnen, schienen die älteren Ansichten weder widerlegt noch im Ganzen gestützt zu sein. In den bisher vorgetragenen Theorien hat man vor allem zwei Deutungen mit Nachdruck vertreten, die kultische, deren geistiger Urheber Richard Leonhard war und die fortifikatorisch-militärische, die von G. de Jerphanion weiter ausgeführt und auch von H . H . v . d . Osten vertreten wurde. Alle drei genannten Forscher haben das zentralanatolisch-pontische Gebiet eingehend bereist, sie kannten die Monumente aus eigener Anschauung, ihre Ideen und Interpretationen sind daher mit größter Sorgfältigkeit zu prüfen. Wir werden im Verlauf unserer Darlegungen auch sehen, daß tatsächlich beiden Ansichten eine Menge berechtigter Argumente zugrunde liegen. R. Leonhard erklärte die Felstunnel in seiner zutiefst künstlerisch empfindenden Art als Wohnung der Berggöttin Kybele, er ging dabei von der Erläuterung Hesychs s. v. Kybela aus und versuchte sich sogar in einer Etymologie, nach der der ursprüngliche phrygische Name Kubile in der Bedeutung 'Höhle', wofür er einige Parallelen in kaukasischen Sprachen fand, auf die spätere phrygische Göttin übergegangen sei4. Daß sich in einigen Anlagen Wasser befand, bzw. noch befindet, war für ihn kein Gegenargument, er hielt dies für eine Sekundärerscheinung, nicht aber den primären Zweck der Anlagen 5 . G. de Jerphanion hat nun demgegenüber auf die wichtige verkehrsmäßige und strategische Lage der anatolischen Kales, auf denen sich die Felstunnel ja sämtlich befinden, hingewiesen und daher auch eine Deutung als Poternen, als Durchlaß für plötzliche Ausfälle während der Belagerung vorgeschlagen 6 . H. H. v. d. Osten hat eine ähnliche Auffassung vertreten und vor allem gegen die kultische Deutung Leonhards eingewandt, daß sich häufig 2—3 Tunnel in einer Kaie zusammen befänden und diese daher wohl kaum als Heiligtümer derselben Gottheit erklärt werden könnten 7 . Merkwürdigerweise ist die ältere, zuerst von W. Belck vorgetragene Erklärung der Anlagen als Wassergänge 8 im Laufe der Zeit immer stärker in den Hintergrund getreten, selbst der Reisegefährte Belcks, C. F. Lehmann-Haupt, hatte die Leonhardsche Interpreta2 3

4

Gabriel 35. Dörner, Neue Deutsche Ausgrabungen im Mittelmeergebiet und im Vorderen Orient, hrsg. v. E. Boehringer, 84ff. und IstForsch. 23, 142ff. Leonhard, Paphl. 289 vgl. 239; die dort geäußerten Gedanken über psychologische Hintergründe, die zur Entwicklung der monumentalen Treppentunnel geführt hätten, halten wir trotz

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6 7 8

unserer anderslautenden Überlegungen doch für so bedeutsam, daß wir noch einmal besonders darauf hinweisen möchten. Vgl. dazu die Ausführungen Lehmann-Haupts in AA. 1905, 114 und Leonhard, Paphl. 236. a. O. 28. OIP. V 132. ZfE. 33, 1901, 471 ff.

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G A L L

A b b . 1 u n d 2. K a r a l a r , G a l a t i e n . E i n g a n g u n d E n d e des T r e p p e n g a n g e s auf d e r K a i e

tion wenigstens teilweise akzeptabel gefunden 9 . Leider hatte Belck für seine Ansicht nicht die bereits von G. Perrot erläuterte Identifikation 10 der (auch von Belck besuchten) Treppengänge von Amasya mit den OSpeioc in der Form von avpiyyes, die Strabon X I I 3, 39 auf der Burg seiner Heimatstadt beschreibt, angeführt. Die Ortsnamen EIRL TÖV avykva, in der Schlucht, und ¿Tri TÖV TTOTCXHÖV am Fluß, für die beiden (der allerdings zusammen mit dem auf dem Gipfel der Burg gelegenen insgesamt drei) Anlagen lassen keinen Zweifel offen, daß wir die Treppengänge tatsächlich mit den OSpeia — also Wassergängen — identifizieren können. Hinzu kommt, daß sich im pontischen Gebiet gelegentlich Tunnel durch große Steinblöcke verrammelt finden (ich habe das in der Anlage von Gümüslü Kaie südlich von f o r u m und in der Bayram Kalesi, vgl. Abb. 8, sehen können), eine Arbeit, die nur in einer Gemeinschaft geleistet worden sein kann. F. und E. Cumont haben zuerst auf die Nachricht des Strabon X I I 3, 38 hingewiesen, wonach Pompeius nach der Besiegung des Mithradates die Hydreia in den Phruria durch große Steine blockieren ließ11, H . H . v . d . Osten hat diese Überlieferung dann auf den Befund im Gelände übertragen 12 . Wir haben also auch hier eine einwandfreie Identifizierung der genannten Anlagen als Wassergänge—Hydreia. Da nun die meisten Treppentunnel in den Felsen hinein und ganz selten davon wegführen, in keinem Falle aber ein Ausgang festgestellt wurde (zu den von H. H. v. d. Osten für die Tunnel auf der Burg Gök^eli festgestellten Ausgängen s. u. S. 508) wird die Deutung als Wassergang für die überwiegende Mehrzahl der übrigen Anlagen zu gelten haben. Ich selbst habe noch in vier wichtigen Kales die untrüglichen Beweise für die Richtigkeit dieser Ansicht gefunden: 9 10 11

A r m e n i e n I I 2, 615ff. bes. 619. P e r r o t - G u i l l a u m e - D e l b e t 370. S t P . I I 159, E n d e v o n A n m . 3.

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O I P . V 134, w o er a l l e r d i n g s in o f f e n b a r e r U n k e n n t n i s d e r Stelle selbst w i e d e r v o n » s u b t e r r a n e a n c o m m u n i c a t i o n s « i m Sinne seiner P o t e r n e n theorie spricht.

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A. In dem Treppentunnel (H. 2,05, Br. 1,85 m am Eingang) der Burg von Karalar in Galatien (Abb. 1 und 2, Nr. 6). Dieser Tunnel führt über 53 Stufen zu einem verschütteten, schachtartigen Ende (Br. 2,90 m), in das man über kleinere Stufen (Br. Im) hinabsteigen konnte. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir es hier nicht mit einer Poterne, sondern mit einem Quellgang zu tun haben, v. Diest fand ihn noch mit Wasser gefüllt und brachte ihn mit einer warmen Quelle am Fuß der Kaie in Verbindung 13 . Tatsächlich sollen nach Abb. 3. Sebinkarahisar. Einer der neun nebeneinanderlieAussagen der Einheimischen im Wingenden T r e p p e n t u n n e l a m nordöstlichen Steilhang der Kaie ter sowohl dort als auch im Innern des Tunnels selbst warme Quellen entspringen, die in der heißen Jahreszeit aber versiegen. B. In Amasya. Dort führt der oberste Treppentunnel, der sich im Westteil der Burg öffnet (H. 2,88, Br. 3,15 m) über fast 300 Stufen 14 noch heute zu einer Quelle mit köstlichem, kalten Wasser, das durch große Blöcke schwer zugänglich gemacht worden ist. G. Perrot berichtet noch von einem »bassin, entouré . . . d'un mur d'appareil héllenique«15, von dem zwar heute nichts mehr zu sehen ist, an dem aber auf Grund des Umstandes, daß an einer rissigen Stelle auch der Felsgang selbst mit hellenistischen Buckelquadern zugesetzt ist, nicht gezweifelt werden kann. Diese Beobachtungen bestätigen also in vollkommener Weise die oben erwähnte Überlieferung des Strabo X I I 3, 39. C. Auf der Burg von Sebinkarahisar (Colonia) in Kleinarmenien. Dort fand ich in dem Winkel, den der Nord- und Ostabhang (Nr. 50) bildet, neun Treppentunnel, oder besser gesagt, diagonale Treppengänge (der am wenigsten verschüttete, Abb. 3, ist im Querschnitt flach-oval und bis 20 Stufen begehbar, Br. 3,12, H. 2,57 m) dicht nebeneinander. Sie sind in den Burgfels hinein eingetieft und ganz deutlich zur Auffangung des durch den Felsen hindurchsickernden (Regen-) Wassers bestimmt, standen sie doch bei meinem Besuch im Sommer 1966 noch über der Verschüttung voll mit Wasser. Zweifelsohne handelt es sich hier um die »neuf citernes vastes et profondes qui recueillaient les eaux de pluie sur le flanc de rocher«, die E. und F. Cumont erwähnen 16 . D. In Bayburt am Çoruh (Nr. 42). Hier befinden sich auf der Kaie zwei Treppentunnel, von denen einer durch den steilen Ostabhang hindurchgetrieben ist (unregelmäßige Arbeit, Br. etwa 2m). In der mittleren Höhe dieser Anlage ist ein mittelalterliches (?) Mörtelgewölbe zu sehen, das offensichtlich eine Einbruchsteile überdecken sollte und somit die lange Benutzung des Tunnels veranschaulicht. Verschiedene hohle Stellen deuten an, daß der Tunnel bis zum Fluß hinabgetrieben war, so wie ich dies auch in dem gewaltigen zum Kolaz Çay hinabführenden Tunnel der Burg von Boyabat (s. Nr. 12) beobachten konnte. 13

14

W . v. Diest, P e t e r m a n n s Mitt., E r g . - H . 125 (1899) 58. N a c h der Z ä h l u n g von Guillaume in P e r r o t Guillaume-Delbet 373; der G a n g ist h e u t e ganz

15 16

m i t Schlick u n d E r d e bedeckt, so d a ß die S t u f e n n i c h t m e h r w a h r n e h m b a r sind. P e r r o t in Perrot-Guillaume-Delbet 373. S t P . I I 302.

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J. G. Taylor schildert solche zum Fluß hinabführenden Wassergänge in den Burgen von Egil (s. Nr. 44) und Hasankeyif (s. Nr. 46) am Tigris17. Sind damit vier wichtige Belegstücke, an die sich die übrigen Beispiele (s. die Liste S. 511 ff.) ohne Schwierigkeit angliedern lassen, für die Deutung der Treppentunnel als Wassergänge vorgeführt, so soll schließlich das von H. H. v. d. Osten angeführte Gegenbeispiel in der Burg Gökgeli bei Göynücek in der Nähe von Amasya (s. Nr. 29) nicht unberücksichtigt bleiben, v. d. Osten glaubte, dort nämlich die Ausgänge der Tunnel als Beweis für seine Ansicht, daß es sich in allen Fällen nur um militärische Poternen handele, gefunden zu haben 18 . Ich kann hier wenigstens am Beispiel des großen Tunnels (Abb. 4—6) zeigen, daß der 'Ausgang' nichts anderes ist als ein späterer Durchbruch, dessen rohe Ausführung in keinem Verhältnis steht zu der Sorgfältigkeit der Meißelarbeit am Eingang und im Inneren des eigentlichen Treppenganges. Auch die Höhe des Durchbruchs liegt, wie Abb. 5 zeigen kann, nicht in der Flucht des Treppenlaufes, sondern wird überhaupt erst über die Verschüttung zugänglich. Bei ausgesprochenen Poternen, wie sie uns aus hethitischer Zeit bekannt sind19, ist eine derartige Diskrepanz zwischen dem Ein- und Ausgang nicht zu beobachten. 17

J R G S . 38, 1868, 295 sagt er sogar, d a ß sich solche T u n n e l in allen alten B u r g e n K u r d i s t a n s u n d (Nord-) Syriens b e f ä n d e n u n d d a ß sie in vielen Fällen zum F l u ß h i n a b f ü h r t e n .

18 O I P . V 126, 130. R . N a u m a n n , A r c h i t e k t u r Kleinasiens 119 u n d 281 ff.

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Abb. 7 und 8. Bayram Kalesi bei Tokat. Eingang des großen und kleinen Treppentunnels (der letztere ist durch einen großen Stein blockiert)

Schließlich muß noch auf das Argument Leonhards »Zisternen bestanden außerdem auf allen Burgen20« kurz eingegangen werden, ein Einwand, der auch v. d. Osten dazu bewegt hat21, in den Treppentunneln keine Wassergänge zu sehen. In der Tat finden sich auf den meisten anatolischen Kales neben den diagonalen Treppengängen auch vertikale, rechteckige oder runde, in den Fels eingetiefte Schächte oder Bassins, die zweifellos Zisternen gewesen sind (in Autopsie bekannt sind mir hierfür Beispiele auf den Burgen von Uniye s. Nr. 33, Bayram Kalesi, s. Nr. 27, Pekerif, s. Nr. 49). Nun aber sind Zisternen Wasserspeicher, Wasserdepots, die entweder zur Auffangung des Regenwassers (das gilt aber wohl nur für die kleineren) oder zur Speicherung des trinkbaren Brunnen- oder Flußwassers bestimmt waren, (z. B. sind Zisternen gelegentlich — wie in Pekerig — mit einem Deckel versehen, der das Herunterlaufen des Regenwassers gerade verhindern sollte). Nach dem Verbrauch müssen also die eigentlichen Zisternen neu aufgefüllt werden, sie regenerieren sich nicht von selbst. Im Gegensatz dazu führen die Treppentunnel stets zu einem Wasserkreislauf, der ein Fluß, eine Quelle, oder ein unterirdischer wasserführender Horizont sein kann, jedenfalls ein nie versiegendes Wasserreservoir darstellt. Man muß geradezu im Gegensatz zu der Argumentation der genannten Forscher sagen, daß ein Wassergang der beschriebenen Art auf einer Kaie meist überhaupt erst die Möglichkeit bietet, Zisternen mit Wasser aufzufüllen. Es handelt sich jedenfalls bei den erwähnten Felsanlagen um zwei verschiedene zweckbestimmte Typen, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen. Als zeichnerische Veranschaulichung unserer Darlegung verweisen wir auf Abb. 10, die im übrigen auch die beiden Typen der Treppentunnel nebeneinander darstellt, den zu einem Fluß den Kaieabhang hinunterführenden Gang und den zu einem unterirdischen Wasserkomplex in den Kalefeisen hineingetriebenen. 20 21

a. O. 239. OIP. V 132 in bezug auf Gök