Archäologischer Anzeiger: Heft 2/1965 [Reprint 2020 ed.]
 9783112323403

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ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1965 • H E F T 2

BEIBLATT

ZUM

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS BAND 80

WALTER DE GRUYTER ä CO • BERLIN 1965

INHALT Spalte

D ö r n e r , F. K . — H o e p f n e r , W. — M ü l l e r - B e c k , H. — W i n k e l m a n n , W., Arsameia am Nymphaios. Bericht über die 1963 und 1964 ausgeführten Ausgrabungen. Mit 19 Abbildungen

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F u c h s , W., Zum Bericht in A A . 1964, 657 ff.: Archäologische Forschungen und Funde in Sizilien von 1955 bis 1964

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H a u s m a n n , U., Antikentausch Louvre—Tübingen. Mit 3 Abbildungen

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H o f m a n n , U . — T h e i s e n , R . , Untersuchung antiker Vasenmalerei mit der Mikrosonde

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L e n z e n , H. J . , Bericht über die X X I I . Warka-Kampagne 1963/64. Mit 13 Abbildungen

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O h l y , D., Kerameikos-Grabung. Tätigkeitsbericht 1956—1961. Mit 57 Abbildungen

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.

T r ü m p e l m a n n , L., Die Skulpturen von Mschatta. Mit 31 Abbildungen

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Z a n k er, P., Ein neugefundenes Grabrelief aus Heraklion. Mit 1 Abbildung

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ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1965 • HEFT 2 EIN NEUGEFUNDENES G R A B R E L I E F AUS H E R A K L I O N In der Nähe des Nationalmuseums von Heraklion auf Kreta wurde ein Grabrelief gefunden (Abb. i) 1 . Trotz seines bescheidenen Kunstwertes verdient es Beachtung. Das Relief scheint in späterer Zeit zu neuer Verwendung zugeschnitten worden zu sein, denn der rechte Abschluß im Rücken des Mannes ist glatt abgearbeitet. Auch sonst hat das Stück sehr gelitten, vor allem die Körper von Dienerin und Pais und die Köpfe aller drei Figuren. Der Marmor ist gelblich, das Erhaltene 1,92 m hoch und 1,19 m breit. Die Stelenform mit den sich verjüngenden, schmalen Anten und dem flach ansteigenden und stark vorspringenden Giebel ohne Architrav erinnert an attische Grabreliefs aus dem zweiten Viertel des 4. Jhs2. Nur vom linken Akroter sind Ansatzspuren erhalten geblieben. Auch das Verhältnis der Figuren zum Reliefgrund hat seine Entsprechung auf attischen Grabreliefs dieser Zeit. Anderes jedoch hebt das kretische Relief von seinen attischen Vorbildern ab: Die Größenverhältnisse und die Gruppierung der Gestalten sind unglücklich. Die Armbewegung des Mannes wirkt linkisch, die Darstellung seiner Beine ungeschickt. Frühere und spätere Formelemente stehen unvermittelt nebeneinander. Die Vorbilder des Mädchens und des Pais scheinen dem 5. Jh. anzugehören3, während der bärtige Mann deutlich spätere Züge trägt. Betrachtet man die sich gegenüberstehenden Gestalten näher, so stößt man darüber hinaus auf interessante Eigenarten dieses kretischen Reliefs. Ein Mann mit Bart, in 1 B C H . 80, 1956, 340. St. Alexiou hat die Publikation freundlicherweise angeregt. 2 H. Diepolder, Die attischen Grabreliefs 29 fr. 3 Die Steilfalten des Chitons der Dienerin erinnern z. B. an die Stele in Andros: G. Lippold, Griech. Plastik, HdArch. I I I 1, 206. ÖJh. 6, 1903 Beibl. 95.

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kurzer Kleidung, die Unterschenkel und Knie frei läßt, steht einem Mädchen im gegürteten Chiton gegenüber. Das eigentümliche Gewand des Mannes besteht aus einem kurzen, hemdartigen Untergewand mit Ärmeln und einem ebenfalls kurzen Mäntelchen, das nicht wie die Chlamys über der Schulter zusammengehalten ist, sondern wie das lange Himation getragen wird. Die rechte Schulter bleibt frei, und der Gewandzipfel liegt über dem gewinkelten linken Unterarm. Der sichtbare Ärmel des Untergewandes scheint aufgerollt zu sein. Beim Mantel fällt der schwere, dicke Saum auf. Vielleicht handelt es sich hier um eine im dorischen Kreta verbreitete Tracht, und der Verstorbene — denn ihn dürfen wir in dieser Gestalt sehen — wäre in seinem Alltagsgewand dargestellt. Man könnte an den berühmten Tribon denken, von dem ja nicht feststeht, ob er lang oder kurz war, und zu dem die auffällige Dicke und Grobheit des Stoffes gut passen würde. Doch spricht das Untergewand gegen diese Annahme. Der Tribon scheint immer ohne Untergewand getragen worden zu sein4. Das Mädchen ist um Kopfeslänge kleiner als der Mann. Es hält ein Kästchen in seiner Linken, das zum Teil von seinem Körper verdeckt wird. Ein ganz ähnliches Kästchen ist auf einem Grabrelief in Venedig dargestellt6. Vom rechten Arm des Mädchens sind nur noch Ansatzspuren erhalten. Er war im Ellbogen gewinkelt, die Hand scheint das geöffnete Kästchen gehalten zu haben. Auch die Rechte des Mannes faßt an den Deckel. Das dichte Haar umschließt den Kopf des Mädchens wie eine Kappe. Ihr Gewand fällt vor dem Standbein in Steilfalten herab, das Spielbein tritt gewinkelt vor. Der Typus des Mädchens mit dem Kästchen ist auf attischen Grabstelen geläufig. Aber dort steht das Mädchen immer seiner 4 5

R E . V I A 2, 24150.; s. v. Tribon (Schuppe). E A . 2579.

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P. Z A N K E R, G R A B R E L I E F A U S H E R A K L I O N

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Abb. 1. Grabrelief aus Heraklion

sitzenden oder stehenden Herrin gegenüber, wie es am schönsten auf der Stele der Hegeso zu sehen ist. Ein Mann ist jedoch nie in dieser Weise mit einer Dienerin verbunden. Das von den Frauenstelen übertragene Motiv hat auf dem kretischen Relief seinen Sinn verloren. Zwischen dem Mann und dem Mädchen steht ein nacktes Knäblein. Es hält in seiner Linken eine Buchrolle und an einem Band einen Aryballos. Der rechte Arm war gesenkt, so daß die Gestalt des Knaben im klassischen Kontrapost in Schrägansicht zu

sehen war. Auch hier ist das Haar als dichte Masse wiedergegeben. Auch das Knäblein befremdet in dieser Szene. Wir kennen den kleinen Pais auf attischen und außerattischen Grabstelen als Begleiter eines Epheben, nicht aber bei einem bärtigen Mann wie dem unseren. Die Buchrolle findet man beim Pais attischer Stelen nie. Auf zwei ionischen Grabreliefs, der Stele in Grottaferrata 6 und einer Münchner Stele 7 , kommt sie in ganz anderem ZuZuletzt Richter, AM 71, 1956 Taf 4 ff ' Müjb. N F 4, 1927, 259«. 6

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sammenhang vor. Auf der einen liest der Jüngling, auf der anderen deklamiert er aus der geöffneten Rolle. Nur auf der vielleicht kykladischen Jünglingsstele in Mantua8 hält der Jüngling die Rolle in der Hand. Ein ionisches Element gesellt sich zu den attischen. Die beobachteten Eigenheiten sind deutliche Zeichen einer provinziellen Nachahmung. Wahrscheinlich ist das Relief in Kreta selbst für eine vermögende Familie gearbeitet worden, die ihren Verstorbenen im attischen Sinne geehrt sehen wollte. Vorlagen standen dem kretischen Steinmetzen in den importierten Stelen (siehe unten) zur Verfügung. Aus der Stelenform als dem jüngsten Element des Reliefs ergibt sich eine Datierung in die Mitte des 4. Jhs. Die schon erwähnten altertümlichen Züge überraschen bei einer provinziellen Arbeit nicht, sie ergeben sich aus der eklektischen Arbeitsweise des in keiner lebendigen Entwicklung stehenden Steinmetzen. In seiner Verbindung von eigenem mit übernommenem Formgut steht das Relief unter den auf Kreta gefundenen Stelen klassischer Zeit allein. Es fehlt nicht an importierten Werken hoher Qualität. Man denke an die beiden Inselstelen in Heraklion und Rethymno9 und an die Stele aus Gortyn im Louvre 10 . Daneben gibt es ganz unbedeutende Arbeiten, bei denen schwer zu entscheiden ist, ob es geringe attische oder einheimische Arbeiten sind 11 . Die importierten Reliefs und die kunstlosen Nachahmungen zeigen gleicherweise die Hochschätzung attisch-ionischer Grab8 J d l . 50, 1935, 26t Abb. 16. Th. Birt, Die Buchrolle in der Kunst 49 ff. 9 ÖJh. 6, 1903 Taf. 1. — Lippold a. O. 1 1 5 . J H S . 57, 1937 Taf. 3. 10 Lippold a. O. 249, 5. 11 ASAtene 8/9, 1925/26, 23 Abb. 20. MonAnt. 1 1 , 1 9 0 1 , 430; E . Kirsten, Kreta im 5. und 4. Jahrhundert (1942) 57ff. Ein sehr kunstloses Werk befindet sich ferner im neuen Museum von Chania. E s stammt aus 'YpTctKivri: Vor einer auf mißratenem Stuhl sitzenden Frau steht ein Mann. Die dicken Säume seines Himations erinnern an die Stele aus Heraklion. Ein zweites Grabrelief im Museum von Chania zeigt eine Sitzende mit trauernder Dienerin. E s ist von besserer Qualität und könnte ebenso wie das Relieffragment ASAtene a. O. 2 1 während des späteren 4. Jhs. importiert sein.

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kunst im Kreta des 5. und 4. Jhs. Die Aussage des Reliefs von Heraklion geht darüber hinaus: Die Bedeutung der in festem Kanon einander zugeordneten Gestalten der attischen Grabreliefs ist vom Bildhauer oder seinem Auftraggeber nicht verstanden worden; er verbindet drei nicht zusammengehörige Figurentypen. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Familie des Verstorbenen im Mädchen und Knaben Angehörige, vielleicht seine Kinder gesehen hat. Die Nachahmung attischer Reliefs in anderen Kunstlandschaften ist bedeutend schöpferischer als die auf dem kretischen Relief. So gestaltet zum Beispiel die Jünglingsstele in Tarent 12 den attischen Epheben zum heroisierten Krieger im Sinne des lokalen Totenkultes um. Die sitzenden Jünglinge Ostioniens kennt die attische Grabkunst nicht13. Die Dramatik einer thasischen Frauenstele14 gibt diesem Grabrelief eine ganz eigene Aussage. Unbeholfen wirkt neben diesen Möglichkeiten der Umgestaltung das Relief aus Heraklion. Es ist ein Zeugnis für die innere Ferne der dorischen Städte Kretas zur Kunst der Klassik. Bonn

Paul Zanker

ANTIKENTAUSCH LOUVRE — TÜBINGEN Vor einigen Jahren erkannte Sir John Beazley die Zusammengehörigkeit einer Reihe von Campana-Fragmenten; sie ergaben fast vollständig einen Volutenkrater (Louvre C 10749) a u s dem Umkreis des Niobidenmalers. Beazley schrieb ihn dem 'Maler der zottigen Satyrn' zu 1 . Im Bild der Hauptseite (A), einer Darstellung der Kämpfe anläßlich der Peirithoos-Hochzeit zwischen Lapithen und Kentauren, klaffte im rechten Teil eine Lücke, deren Schließung 12 B d ' A . 1926/27, 15. R I A . N.S. 1, 1952, 18 Abb. I i . 13 H. Möbius, Die Ornamente der griech. Grabstelen 18. — Stele aus Samsun, A. Conze, Att. Grabreliefs Nr. 697 a Taf. 134. 14 B C H . 79, 1955 Taf. 4. 1 Jetzt Beazley, A R V . 2 613, 2; vorher bereits: Paralipomena to A R V . 1 5 0 1 . 2526.

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sammenhang vor. Auf der einen liest der Jüngling, auf der anderen deklamiert er aus der geöffneten Rolle. Nur auf der vielleicht kykladischen Jünglingsstele in Mantua8 hält der Jüngling die Rolle in der Hand. Ein ionisches Element gesellt sich zu den attischen. Die beobachteten Eigenheiten sind deutliche Zeichen einer provinziellen Nachahmung. Wahrscheinlich ist das Relief in Kreta selbst für eine vermögende Familie gearbeitet worden, die ihren Verstorbenen im attischen Sinne geehrt sehen wollte. Vorlagen standen dem kretischen Steinmetzen in den importierten Stelen (siehe unten) zur Verfügung. Aus der Stelenform als dem jüngsten Element des Reliefs ergibt sich eine Datierung in die Mitte des 4. Jhs. Die schon erwähnten altertümlichen Züge überraschen bei einer provinziellen Arbeit nicht, sie ergeben sich aus der eklektischen Arbeitsweise des in keiner lebendigen Entwicklung stehenden Steinmetzen. In seiner Verbindung von eigenem mit übernommenem Formgut steht das Relief unter den auf Kreta gefundenen Stelen klassischer Zeit allein. Es fehlt nicht an importierten Werken hoher Qualität. Man denke an die beiden Inselstelen in Heraklion und Rethymno9 und an die Stele aus Gortyn im Louvre 10 . Daneben gibt es ganz unbedeutende Arbeiten, bei denen schwer zu entscheiden ist, ob es geringe attische oder einheimische Arbeiten sind 11 . Die importierten Reliefs und die kunstlosen Nachahmungen zeigen gleicherweise die Hochschätzung attisch-ionischer Grab8 J d l . 50, 1935, 26t Abb. 16. Th. Birt, Die Buchrolle in der Kunst 49 ff. 9 ÖJh. 6, 1903 Taf. 1. — Lippold a. O. 1 1 5 . J H S . 57, 1937 Taf. 3. 10 Lippold a. O. 249, 5. 11 ASAtene 8/9, 1925/26, 23 Abb. 20. MonAnt. 1 1 , 1 9 0 1 , 430; E . Kirsten, Kreta im 5. und 4. Jahrhundert (1942) 57ff. Ein sehr kunstloses Werk befindet sich ferner im neuen Museum von Chania. E s stammt aus 'YpTctKivri: Vor einer auf mißratenem Stuhl sitzenden Frau steht ein Mann. Die dicken Säume seines Himations erinnern an die Stele aus Heraklion. Ein zweites Grabrelief im Museum von Chania zeigt eine Sitzende mit trauernder Dienerin. E s ist von besserer Qualität und könnte ebenso wie das Relieffragment ASAtene a. O. 2 1 während des späteren 4. Jhs. importiert sein.

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kunst im Kreta des 5. und 4. Jhs. Die Aussage des Reliefs von Heraklion geht darüber hinaus: Die Bedeutung der in festem Kanon einander zugeordneten Gestalten der attischen Grabreliefs ist vom Bildhauer oder seinem Auftraggeber nicht verstanden worden; er verbindet drei nicht zusammengehörige Figurentypen. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Familie des Verstorbenen im Mädchen und Knaben Angehörige, vielleicht seine Kinder gesehen hat. Die Nachahmung attischer Reliefs in anderen Kunstlandschaften ist bedeutend schöpferischer als die auf dem kretischen Relief. So gestaltet zum Beispiel die Jünglingsstele in Tarent 12 den attischen Epheben zum heroisierten Krieger im Sinne des lokalen Totenkultes um. Die sitzenden Jünglinge Ostioniens kennt die attische Grabkunst nicht13. Die Dramatik einer thasischen Frauenstele14 gibt diesem Grabrelief eine ganz eigene Aussage. Unbeholfen wirkt neben diesen Möglichkeiten der Umgestaltung das Relief aus Heraklion. Es ist ein Zeugnis für die innere Ferne der dorischen Städte Kretas zur Kunst der Klassik. Bonn

Paul Zanker

ANTIKENTAUSCH LOUVRE — TÜBINGEN Vor einigen Jahren erkannte Sir John Beazley die Zusammengehörigkeit einer Reihe von Campana-Fragmenten; sie ergaben fast vollständig einen Volutenkrater (Louvre C 10749) a u s dem Umkreis des Niobidenmalers. Beazley schrieb ihn dem 'Maler der zottigen Satyrn' zu 1 . Im Bild der Hauptseite (A), einer Darstellung der Kämpfe anläßlich der Peirithoos-Hochzeit zwischen Lapithen und Kentauren, klaffte im rechten Teil eine Lücke, deren Schließung 12 B d ' A . 1926/27, 15. R I A . N.S. 1, 1952, 18 Abb. I i . 13 H. Möbius, Die Ornamente der griech. Grabstelen 18. — Stele aus Samsun, A. Conze, Att. Grabreliefs Nr. 697 a Taf. 134. 14 B C H . 79, 1955 Taf. 4. 1 Jetzt Beazley, A R V . 2 613, 2; vorher bereits: Paralipomena to A R V . 1 5 0 1 . 2526.

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B. B. Shefton2 gelang: ein bisher in manchen Einzelheiten unerklärtes Fragment in Tübingen (E 97; Abb. 1) füllt die Lücke annähernd aus, bildet sozusagen den Schlußstein der gesamten Komposition. Gleichzeitig fanden die strittigen Stellen des Tübinger Scherbens ihre einfache Lösung. Daß der muskulöse Thorax dort zu einem nach rechts hin sprengenden Kentauren gehört, war durch den gerade noch erhaltenen Ansatz des Pferdeleibes in der Hüfte deutlich gewesen. Das Pantherfell über dem vorgestreckten Arm und die Spitze des Vollbartes am Rand oben links hatten diese Ergänzung außerdem nahegelegt. Watzingers Vermutung, daß der einen Gewandrest in der rechten Ecke horizontal überschneidende Gegenstand das Bein eines Tisches sei, den der Kentaur wie einen Schild vor sich halte, hat sich nun bestätigt. Das Gewand jedoch gehört nicht einer Frau, sondern einem bekränzten Jüngling, der, seinen Mantel um den linken Arm geschlungen, nach rechts ausweichend sich gegen den mit einem Opferspieß angreifenden Kentauren zur Wehr setzt. Eine Lapithin flieht nach links mit erhobenen Armen, sich entsetzt umschauend. Kompositorisch stellt sie das Gegengewicht zu ihrem männlichen Partner dar, das noch verstärkt wird durch einen auf hohem Stabdreifuß stehenden Kessel hinter der Kruppe des Kentaurenpferdeleibes. Shefton hat das Vasenbild in den Zusammenhang der großen Wandmalerei des polygnotischen Kreises gestellt. Es kann indessen nicht zweifelhaft sein, daß der Vasenmaler nur Anregungen empfangen und aus ihrem Motivschatz die Gestalten für sein Bild neu zusammengefügt hat. Die ausgewogene bildhafte Komposition zeigt das deutlich an, und die Gruppe Kentaur und Lapith nimmt auf malerischem Felde eher die plastischen Einzelgruppen der Parthenon-Süd-Metopen vorweg, als daß sie die friesartige Anordnung der großen Wandmalerei bewahrt3. Die Abhängigkeit liegt mehr im Ethos als im motivischkompositorischen Bereich, wenngleich An2 Hesperia 3 1 , 1962, 340 Anm. 46. S. 365 Nr. 5 Tai. 1 0 9 a (Photomontage). 3 Vgl. D. von Bothmer, Amazons in Greek A r t 209.

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klänge im letzteren sicherlich nicht zu leugnen sind. Nach dem Erscheinen des Aufsatzes von Shefton wurde zwischen der Antikenabteilung des Louvre und dem Tübinger Archäologischen Institut ein Tausch vereinbart, der es gestattete, das 'disiectum membrum' in seinen Kontext nicht nur mit Hilfe der Photomontage, sondern de facto einzufügen. Das Tübinger Fragment ist Anfang des Jahrhunderts in Rom erworben, hat sich im Kunsthandel wohl bereits zu der Zeit abgespalten, als der Márchese Campana seine Sammlung zusammenstellte. Dem großzügigen Entgegenkommen der Direktion des Louvre, insbesondere der kollegialen Bereitschaft von P. Devambez ist es zu verdanken, daß als Gegengabe für die Tübinger Sammlung ein Gefäßfragment ausgewählt werden konnte, das nunmehr kurz vorgestellt sei. Es handelt sich um das Schulterstück mit Halsansatz einer rf. Kalpis, wiederum aus dem Vorrat der Campana-Fragmente (Louvre C 11056; Abb. 2). Die nur wenig durch Fehlendes beeinträchtigte Darstellung, eine auf ein einziges Kämpferpaar beschränkte Amazonomachie4, gehört ebenfalls den großen Heroenkampfzyklen an. 4 v. Bothmer a. O. 1 4 3 Nr. 23. S. 144. Beazley, A R V . 2 2 1 7 . — Größte B r 24,7 cm. Schwarze Flecken und leichte Beschädigungen am Helm des Kriegers. Das Fragment ist auf dem Transport leider einmal gebrochen; die Bruchlinie verläuft durch den rechten Teil des Schildes. Durch Nachlässigkeit des Malers gelangte je ein 'Firnis'-Klecks auf beide Oberschenkel und auf den Oberkörper unterhalb des linken Brustmuskels des Kriegers. Der schwarze Grund ist im Brand fleckig geworden, z. T. infolge unregelmäßigen Auftrags des deckenden Tonschlickers. Unterhalb des Bruches am Gefäßhals, über dem Helm des Kriegers, ist der Grund mechanisch beschädigt. Reste von skizzenhafter Vorzeichnung, im Brand rötlich verfärbt: am Thorax und rechten Arm des Kriegers. Ferner lassen Spuren in der unteren Schildhälfte erkennen, daß hier ursprünglich die Führung der Lanze mehr horizontal geplant war; sie hätte dann den Schild störender überschnitten und wäre auf den Unterleib der Amazone gerichtet gewesen. Relieflinien. Krieger: Kontur der Wangenklappe, Basis des Helmbusches, Nase und Kinnlade, Fingerteilung der rechten Hand. Amazone: Rand des Überschlages und unterer Peplossaum am rechten Oberschenkel.

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A b b i . F r a g m e n t eines Volutenkraters. Paris, Louvre, ehem. Tübingen

Von links in weitem Schritt anstürmend der nackte Heros mit langem, über die Schultern fächerförmig nach vorn fallendem dunklen Haar, gewappnet mit attischem Helm, von dessen hohem Busch das Ende bis auf den Rücken herabhängt, und großem Rundschild, die lange Lanze in der gesenkten Rechten; gegenüber, schon auf ihr linkes Knie zusammengesunken, die Amazone in kurzem Peplos mit Überschlag, einen seltsamen Helm auf dem Haupt, der mit der Grundform des attischen Helms die spitze Endigung der phrygischen Ledermütze verbindet, den Bogen in der abwärts weggestreckten Linken, gleich als suche sie mit ihm auf dem Boden Halt zu finden. Die Rechte hat sie flehend dem überlegenen Gegner entgegengestreckt; ihr Arm überschneidet dessen Schildhand und reicht bis hin zum unteren 'Schildband'. Der zentrale Armbügel mit Palmette und zwei Voluten je oben und unten ist in schwarzem 'Firnis' silhouettenhaft wiedergegeben. Ferner erkennt man deutlich die doppelvolutigen Endigungen der Schildbänder sowie die Schnüre zum Aufhängen des Schildes

mit ihren Quastenenden jeweils im oberen und unteren Schildteil. Unter dem Stirnbügel des Helmes der Amazone quillt das dichte Haar als dunkle Masse hervor, gegen den schwarzen Grund ist der Umriß rot ausgespart. Das Nackenhaar fällt über die Schulter nach hinten, zwei gewellte Strähnen sind abgeteilt, die eine kräftigere vom Ohr abwärts, die andere in dünnerem 'Firnis' vom Nackenschutz des Helmes schräg nach hinten. Die Stoffmasse des durch Dreipunktsysteme gemusterten Überschlages verdeckt die Körperformen der Amazone, nur der untere Teil des in schmalen Falten fallenden Gewandes legt sich enger an, hat hier fast chitonartigen Charakter. Die Eckbommeln des Überschlages sind deutlich zu erkennen. Die Amazone ist zweimal verwundet; oberhalb des rechten Knies sind in verdünntem Schlicker, der im Brand rot geworden ist, Blutspuren sichtbar, desgleichen am Bauch, hart unterhalb des Uberschlagrandes. Also nicht die erste Begegnung der beiden Kämpfenden ist dargestellt, sondern die bereits getroffene Amazone ist am

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Abb 2 Fragment einer Kalpis. Tübingen, ehem. Paris, Louvre

Zusammenbrechen und fleht den Gegner um Gnade an. D. von Bothmer hat die Bildform unserer Kampfgruppe eingehend behandelt und die Abhängigkeit der in manchem sekundären Schöpfung von einem bedeutenden Vorbild, der Kalpis des Berliner Malers in New York, dargelegt (Abb. 3) 5 . Dennoch ist die Verschiedenheit der beiden Gestaltungen des gleichen Motivs nicht zu übersehen, ja, es ist höchst aufschlußreich, wie ein nur wenig späterer und, wie wir wohl sagen dürfen, sehr viel bescheidenerer Maler seinem Vorbild zwar deutlich verpflichtet ist, es jedoch auch abwandelt. Zunächst einmal vereinfacht er, ist er sparsamer im antiquarischen Detail. Es fehlen das Schwert des Helden, seine Beinschienen und bei der Amazone der Ohrschmuck, wie von Bothmer bereits festgestellt hat. Andere Unterschiede beruhen auf dem geringeren Können 6 Metr Mus. 10 210 19 v Bothmer a O 143 Nr 22 Taf 71, 1. Beazley, A R V 2 209, 169. Ders., Berliner Maler Taf. 22, 1 — Abb. 3 nach Richter Hall, Red-figured Athenian Vases Taf. 16 (Zeichnung; vgl. dazu ebenda 38 Anm. 1)

des Nachahmers. Die Verzeichnung am Oberkörper des Kriegers hat ebenfalls von Bothmer bemerkt, hinzu kommen seine grob und dickflüssig gezeichneten Haare, die an der Hydria New York in verdünntem Tonschiicker aufs sorgfältigste gegeben sind: unter dem Nackenschutz des Helmes zum größten Teil über die Schulter zurückfließend, während eine Partie vor der Brust senkrecht herabhängt. Außerdem sind vom Stirnhaar die Endigungen feiner paralleler Strähnen sichtbar und, ähnlich stilisiert, ein Büschel des vollen Haupthaares, das beim Aufsetzen des Helmes unter die Wangenklappe geriet. Am Krieger des Campana-Fragments fällt ferner das merkwürdig flache Profil auf, hervorgerufen durch die zu kurz geratene Nase und die entsprechend verunglückte Mundlinie im Verein mit dem unorganisch-schematischen, zu stark akzentuierten Umriß der Kinnlade, die in bugartiger Spitze mit der vorderen Kinnlinie zusammentrifft. Unverstanden oder verunglückt ist auch der hochgeklappte Wangenschutz. Die nach oben offene, langfingrige, flehend ausgestreckte Hand der

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Abb. 3. Schulterbild einer Kalpis des Berliner Malers. New York, Metropolitan Museum

Amazone des Berliner Malers, die jene so unmittelbar sprechende innere Verbindung des Paares herstellt, ist durch eine leblos in die Fläche gedrehte ersetzt, zudem noch überschnitten von der einen Linie des Schildbandes, die offenbar einen Arbeitsgang früher gezogen war. Der eigenartige Helm der Amazone wurde bereits erwähnt. Schließlich sei auf den völlig anderen Gesichtstypus der Amazone hingewiesen. Dieser Unterschied ist nicht so sehr ein solcher der Qualität als des Stils. Aus dem akzentuierten und edel geformten, durch feingliedrige Nase und schmales, aber energisch vortretendes Kinn ausgezeichneten Profil des Berliner Malers ist ein mit wenigen Strichen skizziertes gedrungenes Gebilde geworden, dessen herber, rundlicher Kinnkontur fast an Gesichter des Pan-Malers oder an solche des Berliner Malers aus seiner mittleren Zeit gemahnt. Ebenso sind die zeichnerisch äußerst feinen, in verdünntem Schlicker gegebenen parallelen Stirnhaare

der Amazone des New Yorker Gefäßes, denen die zahlreichen zierlichen Strähnen über Schultern und Brust stilistisch entsprechen, noch Ausdruck spätarchaischer Formgesinnung, die kompakte Haarmasse auf unserem Fragment und die entwicklungsmäßig nur noch als Rudimente wirkenden beiden Korkzieherlocken dagegen klare Kennzeichen einer späteren Stilstufe. Dazu paßt der Trachtwechsel der Amazone: vom kurzen gegürteten Chiton mit Mittelbausch und symmetrisch angeordneten Treppensäumen, der spätarchaischer Gliederungsfreude entspricht und noch lange ins 5. J h . hinein nachwirkt, zum kurzen Peplos mit Überschlag, der durch gleichmäßige Fältelung am Unterteil nicht die Gliederung, sondern die Einheitlichkeit dieser Partie betont. Die genannten Einzelheiten, so wichtig sie sein mögen, sind jedoch nicht ausschlaggebend für die Begründung des wesentlichen Unterschiedes zwischen beiden Fassungen.

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ULRICH

Dieser liegt in der Gesamtkomposition, d. h. in der Weise der Zuordnung der beiden Kämpfenden. Der Berliner Maler spannt sie ein in das Koordinatensystem eines Kräfteparallelogramms, in welchem die Leiber von Grieche und Amazone die primären Strukturelemente, die zustoßende Lanze und die vor dem Schildrund ohne Berührung übereinanderliegenden Arme die sekundären, in ihrer handlungsmäßigen Verknüpfung jedoch die inneren Strukturlinien sind. Die federnde, fast elegante Kurve der Amazonengestalt mit dem kühn in die Vorderansicht gedrehten rechten Bein und Fuß, letzterer den vorderen des Heros überschneidend und damit die Gruppe an der Basis verschränkend, erscheint wie der Ansatz zu einer Kreiskomposition, doch durchstößt der fast krampfhaft angewinkelte linke Arm der Amazone diesen Kreiskontur so energisch, daß er für die Gesamtkomposition nicht als bestimmend angesehen werden kann. Ein nach rechts fallendes Parallelogramm, oder besser Trapez, ist als deutende Grundfigur auch für den tieferen Sinn der Darstellung zutreffender. In ihr wird durch die schräg gerichteten parallelen Körper die apriorische Gleichwertigkeit der beiden Partner offenbar. Unterstrichen wird diese noch dadurch, daß, nach einer Beobachtung von Bothmers, die Amazone in ihrer Längenausdehnung absolut größer gegeben ist, sichtlich in dem Bestreben, trotz der zusammenbrechenden Attitüde das kompositorische und bedeutungsmäßige Gleichgewicht zu erhalten. Daß dies Gleichgewicht ein labiles, fast möchte man sagen transitorisches ist, wird durch die Stoßkraft des Helden klar angezeigt. Aber das, worauf es dem Maler ankam, war, auch im Sieg des einen Partners die wesensmäßige Ebenbürtigkeit des Unterlegenen sichtbar zu machen. Eine besondere, fast persönliche Verbindung beider Kämpfer ist darin leise angedeutet; sie gibt uns die Berechtigung zur Benennung, auch wenn keine äußeren Indizien eine solche stützen: es sind Achilleus und Penthesilea. Nimmt man diese Deutung für die New Yorker Hydria des Berliner Malers an, kann man sie für das Werk des Nachahmers aus seinem Umkreis nicht in Abrede stellen.

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Dazu ist die Abhängigkeit eine zu große. Aber wie kontrastiert die spätere Fassung! Aus der von agonaler Spannung fast in der Schwebe gehaltenen Trapezkomposition ist etwas völlig anderes geworden. Legt man wiederum eine geometrische Figur zugrunde, so wird man ein ungleichseitiges Dreieck wählen, dessen schroff und kurz aufsteigende eine Kathete Achill, die längere und sanft fallende andere die Linie vom Zenith des Helden bis zur linken Bogenhand der Penthesilea bezeichnet. In einer Figur von Steigen und Fallen vollzieht sich hier das Schicksal der Amazonenkönigin. Das Neuartige, von der Lösung des Berliner Malers Abweichende liegt darin, daß das Fallen stärker im spannungslosen Zusammensinken zum Ausdruck gebracht ist. Der spätere, sicher auch jüngere Maler, hat daher in der Gestalt der Amazone die größeren Veränderungen vorgenommen, während er die des Heros im wesentlichen übernahm. Insofern er hier abweicht, etwa in der weniger heftig ausholenden Führung des Lanzenarmes, der steifen Haltung des Schildarmes, scheint er hinter seinem Vorbild zurückzubleiben, ist die Haltung Achills kraftlos und nicht so überzeugend wie bei seinem Vorbild. Oder sollte auch diese Abschwächung in einer neuen Auffassung des mythischen Geschehens ihren Grund haben ? Zugleich mit der grundlegenden Abwandlung der Penthesilea-Gestalt, die, in der Hüfte abgeknickt, sich im Oberkörper noch eben aufzurichten sucht und dabei mit der Linken ins Leere stößt, hat der Maler die Kämpfenden stärker auseinandergezogen und so die enge, im Aufprall der Kampfbegegnung erfolgte Verspannung durch Distanzierung gelöst. Die nun nur noch eben bis zur Mitte des Schildes reichende ausgestreckte Rechte der Amazone und der Fortfall der Überschneidung im Bereich der Füße sind hierfür die äußerlichen Anzeichen. Aufgegeben ist ferner durch das Abknicken im Leib der Amazone die Parallelisierung der beiden Gestalten: während ihr Oberkörper sich aufrichtet und sich dadurch dem Gegner zuwendet, wird der Unterkörper dem Schwergewicht folgend zur Erde herabgezogen. Ein neues Gefühl für das Pondus macht sich geltend. Dem ent-

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ANTIKENTAUSCH LOUVRE—TÜBINGEN

spricht auch der Fall der schweren Falten des Peplos-Überschlages und ebenso der natürliche Verlauf des unteren Gewandes. Von hier aus gewinnt ferner die oben erwähnte Abschwächung der aggressiven Haltung Achills einen neuen Aspekt. Die Amazone ist bereits zweimal getroffen, beginnt in sich zusammenzusinken; sie richtet sich im Fallen nochmals auf und fleht um ihr Leben, indem sie kraftlos die rechte Hand vorstreckt. Dabei sieht sie dem Gegner nicht ins Antlitz, wie z. B. auf der fragmentierten Schale des Duris im Cabinet des Médailles6, während Achill deutlich seinen Blick auf sie richtet, aber mit zurückgezogener Lanze vor dem letzten Zustoß wie zögernd innezuhalten scheint. Das meisterhafte Innenbild des Schalenmalers zieht, den Kompositionsgesetzen des Tondo folgend, die Gruppe wieder eng zusammen und erreicht dadurch einen Grad von Konzentration und Verinnerlichung, der, obwohl das Gefäß kaum später als unsere Kalpis entstanden ist, auf die frühklassische Lösung des Penthesilea-Malers vorausweist. Die Amazone, mit angezogenen Knien seitwärts hingesunken, ist als Sterbende dargestellt, wenngleich nicht mit brechendem Auge wie auf der Hydria des Berliner Malers in New York: aus einer Wunde in der Mitte des Leibes strömt das Blut zur Erde und mit ihm schwinden die Kräfte. Noch eben vermag sie sich mit der Linken abzustützen und erhebt emphatisch den rechten Arm, der als steile Diagonale, parallel zur Lanze des Achill, die innere Beziehung der Gruppe in einer groß empfundenen Gebärde herstellt. Als dritte Parallele dieser 'Seelenachse1 des Bildes darf die Blickbeziehung beider Partner aufgefaßt werden. Aus verständlicher Zurückhaltung gegenüber sentimentalen Interpretationen der Münchner Schale, wie sie früher vielfach üblich waren, resigniert von Bothmer in der Ausdeutung dieses Zuges völlig7. Sicherlich sollte man vermeiden, die romantische Umdeutung Kleists, wonach die Amazone, von Haß und Liebe umgetrieben, sich in heftige 6 Nr. 538. v. Bothmer a. O. 143 Nr. 26. S. 145 Tai. 71, 3. Beazley. A R V . 2 428, 16. 7 a. O. 147 ff.

IÔ2

Leidenschaft verstrickt, an die antiken Bildzeugnisse heranzutragen. Trotzdem darf gewiß schon für die kyklische Tradition die kurze Bemerkung des sonst so trockensachlichen Verfassers der Apollodorischen Bibliothek (Epitome 5, 1) ernst genommen werden, Achill sei nach dem Tode der Penthesilea in heftiger Liebe zu ihr entbrannt, H8TOC ödvorrov epaaÖEls Tfjs 'Ancc£6vos und habe Thersithes, der ihn darob schmähte, getötet. Nachdem sein 6vn6s gestillt ist, wird Achill von der Schönheit der Gegnerin überwältigt8. Nicht nur die erotische Faszination des toten Körpers, sondern auch die in diesem noch gegenwärtige KctAoKayaöia der einzig Ebenbürtigen wird seine leidenschaftliche Aufwallung hervorgerufen haben. Wie sollte ein bildender Künstler diese Leidenschaft einer Toten gegenüber anders darstellen als durch intensive Blickbeziehung und eindringliche Gebärdensprache im Augenblick kurz vor Eintritt des Todes ? Gebärde und Aufblick der Amazone gelten indes nur der Bewahrung ihres Lebens, von Achill her ist der Blick auf sein Opfer zugleich Zeichen des 6u|jös und des Epcos, Ausdruck von beidem in tragischer Spannung. In der archaischen Epoche lag die tiefere Darstellung dieser Beziehung noch außerhalb der Möglichkeiten der Bildkunst; es fehlten die Voraussetzungen, eine solche seelische Dimension sichtbar zu machen, man vermochte sie nur zeichenhaft anzudeuten durch die Richtung des Blickes9. Die rotfigurige Vasenmalerei von der spätarchaischen bis zur frühklassischen 8 Vgl. E. Kunze, Archaische Schildbänder (Olymp. Forschungen II) 150 f. Nur Exekias, aber er allein in seiner Zeit, vermag das Blickmotiv zu vertiefen (Amphora London, v. Bothmer a. O. Tai. 51, 1), wie er auch den Selbstmord des Aias schon mit tragischem Geist erfüllte. 9 Vgl. Kunze a. O. Taf. 20 (Vc). Die Seitenvertauschung auf den Schildbändern und im Bild der Penthesilea-Schale darf man wohl kaum mit Schefold, AM. 77, 1962, 130 so auffassen, daß hier Penthesilea als 'eigentliche' Siegerin gemeint sei. Kunze äußert sich viel zurückhaltender, und die von Schefold wenig später (S. 131) gegebene glänzende Analyse des Motivs, die vom Uberholvorgang ausgeht, befriedigt weit mehr und erklärt auch die gewaltsame Drehung von Achills Oberkörper erstmals überzeugend aus dieser Kühnheit der Bildvorstellung des Malers.

IÓ3

ULRICH

H O F M A N N — R O G E R

Stufe läßt die Stationen des Weges vom einen zum anderen erkennen, von der vordergründigen Schilderung des Kampfgeschehens, nicht ohne Sinn für die körperlichathletische Arete, im Frühwerk des Berliner Malers, über die besondere Hervorhebung des Unterganges der Amazone im schwächeren Werk seines Nachahmers bis hin zur schicksalhaften Verknüpfung der beiden heroischen Gestalten, die zugleich dem Kampfgeschehen eine neue vertiefte Deutung gibt, indem sie mit aufs äußerste gesteigerter Dramatik die Grausamkeit des Vorganges in der Agonie des Todes erst transparent und damit bewußt macht. Schon wegen dieser Zuspitzung im Bild des Penthesilea-Malers, für die Duris deutlich den Vorklang bildet, muß die Münchner Schale auf Achill und Penthesilea gedeutet werden. Die attische Amazonomachie des Theseus entbehrt der individuellen schicksalhaften Note und kann daher kaum mit dieser Darstellung gemeint sein. D. v. Bothmer selbst gibt zu, daß die Schale unter Umständen nur ganz allgemein mit dem Mikonischen Wandgemälde im Theseion zusammenhängt. Die Umsetzung in die TondoKomposition läßt bereits den Anteil selbständiger Erfindung des Vasenmalers klar erkennen. Wie sollte man ihm nicht auch die Wahl des anderen Mythos zubilligen! Auf dem skizzierten Wege kommt einem Werk des Pan-Malers besondere Bedeutung zu: der leider nur schlecht erhaltenen Darstellung auf dem Kelchkrater ehemals in Broomhall10. Nach den Beschreibungen bei Beazley und von Bothmer schließt sich die allgemeine Komposition sehr eng an die New Yorker Hydria des Berliner Malers an, jedoch hat sich die federnde Verspannung des Kämpferpaars durch den am Boden aufgestützten linken Arm der Amazone bereits zugunsten der nach rechts abwärts fallenden Linie aufgelöst und verschoben, etwa in der Intention des neuen Tübinger Fragments. Einzigartig und den Zweikampf im Sinne des tragischen Sieges hervorhebend, ist die Einfügung der auf den Helden zufliegenden Nike, ein echtes Motiv 10 Beazley, A R V . 2 550, 3. Ders., Panmaler 20 Taf. 25, 2. v. Bothmer a. O. 143 Nr. 25. S. 145.

THEISEN

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des Pan-Malers, der die schwebenden Figuren so liebt. Auch im Ethos der Charakterisierung ist die allein noch einigermaßen erhaltene Gestalt des Heros Ausdruck der neuen, auf die Frühklassik gerichteten Entwicklung. An innerer Größe weist dieses Haupt aus der Zeit höchster Reife des Malers fast schon über die Münchner Schale des Penthesilea-Malers auf den Achill der Amphora im Vatikan voraus, deren Maler nach dem Helden selbst benannt ist. Tübingen

Ulrich Hausmann

UNTERSUCHUNG A N T I K E R VASENMALEREI MIT DER MIKROSONDE Bei unserer ersten Untersuchung1 hatten wir aus den von Adam Winter zur Reproduktion verwendeten Malschlickern und aus der elektronenoptischen Untersuchung der Oberfläche geschlossen, daß das aufgemalte Schwarz der schwarz- und rotfigurigen attischen Vasen und der rote Überzug der römischen Terra Sigillata als fein ausgeschlämmter, eisenreicher Illit (glimmerartiges, Kalium enthaltendes Tonmineral) aufgebracht wurde. Mit der Röntgenfluoreszenz2 hatten wir darauf an antiken Malschichten den hohen Kaliumgehalt bestätigt. Die Röntgenfluoreszenz ermöglichte jedoch keine quantitativen Bestimmungen der Elemente. Deswegen wählten wir zur weiteren Untersuchung die Elektronenmikrosonde. Die Malschichten und die Scherben attischer Vasen sowie der Terra Sigillata wurden mit der Elektronenmikrosonde auf ihre chemische Zusammensetzung untersucht. In der Mikrosonde wird ein Elektronenstrahl sehr fein, bis auf 1 pm Durchmesser herunter, zentriert. Er erzeugt im Objekt die Röntgenstrahlung der darin enthaltenen Elemente, die gemessen wird. Die Elektronenstrahlen dringen in das Objekt nur etwa 1 um tief ein. Man kann einen antiken 1 2

Hofmann, Angewandte Chemie 74, 1926, 397. Hofmann-Russow, Keramische Zs. 1963, 676.

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ULRICH

H O F M A N N — R O G E R

Stufe läßt die Stationen des Weges vom einen zum anderen erkennen, von der vordergründigen Schilderung des Kampfgeschehens, nicht ohne Sinn für die körperlichathletische Arete, im Frühwerk des Berliner Malers, über die besondere Hervorhebung des Unterganges der Amazone im schwächeren Werk seines Nachahmers bis hin zur schicksalhaften Verknüpfung der beiden heroischen Gestalten, die zugleich dem Kampfgeschehen eine neue vertiefte Deutung gibt, indem sie mit aufs äußerste gesteigerter Dramatik die Grausamkeit des Vorganges in der Agonie des Todes erst transparent und damit bewußt macht. Schon wegen dieser Zuspitzung im Bild des Penthesilea-Malers, für die Duris deutlich den Vorklang bildet, muß die Münchner Schale auf Achill und Penthesilea gedeutet werden. Die attische Amazonomachie des Theseus entbehrt der individuellen schicksalhaften Note und kann daher kaum mit dieser Darstellung gemeint sein. D. v. Bothmer selbst gibt zu, daß die Schale unter Umständen nur ganz allgemein mit dem Mikonischen Wandgemälde im Theseion zusammenhängt. Die Umsetzung in die TondoKomposition läßt bereits den Anteil selbständiger Erfindung des Vasenmalers klar erkennen. Wie sollte man ihm nicht auch die Wahl des anderen Mythos zubilligen! Auf dem skizzierten Wege kommt einem Werk des Pan-Malers besondere Bedeutung zu: der leider nur schlecht erhaltenen Darstellung auf dem Kelchkrater ehemals in Broomhall10. Nach den Beschreibungen bei Beazley und von Bothmer schließt sich die allgemeine Komposition sehr eng an die New Yorker Hydria des Berliner Malers an, jedoch hat sich die federnde Verspannung des Kämpferpaars durch den am Boden aufgestützten linken Arm der Amazone bereits zugunsten der nach rechts abwärts fallenden Linie aufgelöst und verschoben, etwa in der Intention des neuen Tübinger Fragments. Einzigartig und den Zweikampf im Sinne des tragischen Sieges hervorhebend, ist die Einfügung der auf den Helden zufliegenden Nike, ein echtes Motiv 10 Beazley, A R V . 2 550, 3. Ders., Panmaler 20 Taf. 25, 2. v. Bothmer a. O. 143 Nr. 25. S. 145.

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des Pan-Malers, der die schwebenden Figuren so liebt. Auch im Ethos der Charakterisierung ist die allein noch einigermaßen erhaltene Gestalt des Heros Ausdruck der neuen, auf die Frühklassik gerichteten Entwicklung. An innerer Größe weist dieses Haupt aus der Zeit höchster Reife des Malers fast schon über die Münchner Schale des Penthesilea-Malers auf den Achill der Amphora im Vatikan voraus, deren Maler nach dem Helden selbst benannt ist. Tübingen

Ulrich Hausmann

UNTERSUCHUNG A N T I K E R VASENMALEREI MIT DER MIKROSONDE Bei unserer ersten Untersuchung1 hatten wir aus den von Adam Winter zur Reproduktion verwendeten Malschlickern und aus der elektronenoptischen Untersuchung der Oberfläche geschlossen, daß das aufgemalte Schwarz der schwarz- und rotfigurigen attischen Vasen und der rote Überzug der römischen Terra Sigillata als fein ausgeschlämmter, eisenreicher Illit (glimmerartiges, Kalium enthaltendes Tonmineral) aufgebracht wurde. Mit der Röntgenfluoreszenz2 hatten wir darauf an antiken Malschichten den hohen Kaliumgehalt bestätigt. Die Röntgenfluoreszenz ermöglichte jedoch keine quantitativen Bestimmungen der Elemente. Deswegen wählten wir zur weiteren Untersuchung die Elektronenmikrosonde. Die Malschichten und die Scherben attischer Vasen sowie der Terra Sigillata wurden mit der Elektronenmikrosonde auf ihre chemische Zusammensetzung untersucht. In der Mikrosonde wird ein Elektronenstrahl sehr fein, bis auf 1 pm Durchmesser herunter, zentriert. Er erzeugt im Objekt die Röntgenstrahlung der darin enthaltenen Elemente, die gemessen wird. Die Elektronenstrahlen dringen in das Objekt nur etwa 1 um tief ein. Man kann einen antiken 1 2

Hofmann, Angewandte Chemie 74, 1926, 397. Hofmann-Russow, Keramische Zs. 1963, 676.

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UNTERSUCHUNG A N T I K E R VASENMALEREI

Scherben im Querschnitt anstrahlen und die 10—40 um dicke Malschicht neben dem Scherbeninnern untersuchen. Um eine Aufladung durch die Elektronen zu vermeiden, wurde die Oberfläche des Objekts mit einer aufgedampften 30 Ä dicken Platinschicht

überzogen. Es gelang, die Elektronenabbremsung und die Massenabsorption der Röntgenstrahlen im Objekt so genau zu berechnen, daß die durch Vergleich mit Eichsubstanzen ermittelten Prozentgehalte auf ± 0,5 Absolutprozent zuverlässig sind.

Chemische Zusammensetzung griechischer Vasenmalerei

K Gew—%

Fe G e w — %

1) Attischer Scherben, 5. Jh. v. Chr. "Athen" (Archäolog. Inst. Heidelberg) Schwarze Malschicht, 20 um Übergangsschicht rot, 9 um Scherbenmasse

5.7 o,7 0,6

3,9 2.3

2) Attischer Scherben, Olympia 5. Jh. Schwarze Malschicht, 6—9 um Übergangsschicht dunkelrot, 4 — 1 5 11m Scherbenmasse

2,8 2,4 0,8

7,2 5,1 i,4

3) Griechischer Scherben, 500 v. Chr. (Archäolog. Inst. Heidelberg) Schwarze Malschicht, 25—30 |jm Scherbenmasse

3,9 1,0

6,4

4) Attischer Scherben, Olympia etwa 4. Jh. Schwarze Malschicht, 12—15 um Übergangsschicht dunkelrot, 4 um Scherbenmasse

3,8 o,9 o,7

7-1

5) Antiker Scherben, Paestum 4. Jh. v. Chr. Schwarze Malschicht, 35 um Scherbenmasse

3,4 0,9

7,8

3—4,5 0,6 o,9

5,8 3,7 1,2

Bezeichnung der untersuchten Probe

6) Intentional Red (Archäolog. Inst. Heidelberg) Schwarze Malschicht, 40 |am Intentional Red-Malschicht, 10 pm Scherbenmasse

5.2

i,4 0,4

2,3

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HEINRICH

Die Tabelle zeigt, daß bei attischen Mustern die Schwarzmalschicht 2,8—5,7% Kalium enthält, während die Masse des Scherbens nur sehr wenig Kalium besitzt. Das Kaliumoxid wirkt als Flußmittel und bewirkt das Sintern der schwarzen Malschicht beim reduzierenden Brand, während die kaliumarme Scherbenmasse porös bleibt und bei der nachfolgenden Reoxydation wieder zu Rot oxydiert wird. Die Intentional-Red-Malschicht des 6. Musters enthielt fast kein Kalium. Sie blieb bei der Reduktion porös und wurde bei der Reoxydation wieder zu Rot oxydiert. Der Eisengehalt ist in der Schwarzmalschicht hoch, im Intentional Red beträchtlich und im Scherben niedrig, entsprechend der bekannten Farbtiefe. Mangan wurde in keinem Fall gefunden. Die Scherbenmasse enthielt erhebliche Mengen an Calcium. Das Calciumoxid wirkte als schwächeres Flußmittel zu einer Verkittung des porös bleibenden Scherbens. Der Siliciumgehalt war in der Malschicht und im Scherben praktisch gleich zwischen 16 und 20%. Da die Malschicht aus sehr fein ausgeschlämmtem Tonschiicker bestand, weist ihr hoher Kaliumgehalt darauf hin, daß ein illitischer, glimmerartiger Ton ausgeschlämmt wurde. Die kaliumarme Intentional-Red-Schicht war entsprechend aus einem kaolinitischen kaliumfreien Ton ausgeschlämmt. Feldspat kommt als Kaliumlieferant nicht in Frage, weil er erstens im Ton selten vorkommt und zweitens zu grob ist, um beim Schlämmen in dem feinen Schlicker zu bleiben. Die oxydierend braunrot gebrannte Überzugsschicht der Terra Sigillata war gleichfalls kaliumreich, also verwendeten auch die Römer für sie einen illitischen Schlicker. Die rote Farbe ist stets Fe 2 0 3 . Das Pigment des Schwarz ist FeO. A1 2 0 3 neben Fe 3 0 4 . Die Ergebnisse bestätigen die schon früher ausgesprochene Vermutung. Eine ausführliche Veröffentlichung erfolgt in der Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie. Heidelberg

Ulrich Hofmann Roger Theisen

J.LENZEN

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B E R I C H T Ü B E R D I E X X I I . WARKAKAMPAGNE 1963/64 Infolge der unruhigen politischen Lage konnte mit der Ausgrabung erst in den ersten Januartagen 1964 begonnen werden. Der Mitarbeiterstab umfaßte außer dem Grabungsleiter und Berichterstatter die Damen Frau G. Hecker als Archäologin, Fräulein R. Fischer als Sekretärin und die Herren A. von Haller, W. Hecker, P. Newe, W. Schirmer als Architekten, M. A. Brandes als Archäologen, P. Meyer als Photographen und P. Röhe-Hansen als Restaurator. Die Feldarbeit dauerte bis zum 15. März, und die meisten Mitglieder der Expedition waren bis Ende März in Warka mit der Aufarbeitung der Funde und der Sicherung der Ruine beschäftigt. Es wurde im wesentlichen an zwei Stellen gearbeitet, die beide in Eanna liegen. Daneben wurden die letzten, abschließenden Untersuchungen am altbabylonischen Palast des Sinkäsid zu Ende geführt. Die Durcharbeitung des Grabungsbefundes der Winterkampagne 1961/62 hatte ergeben, daß der Palast des Sinkäsid in seiner Nordosthälfte so stark zerstört war, daß selbst die Hoffnung, aus den Fundamenten etwas aufbauen zu können, vergeblich war. Selbst die Ruinen eines älteren Palastes, wahrscheinlich aus der Zeit der I I I . Dynastie von Ur, die unter den altbabylonischen Ruinen hervorschauen, sind so mitgenommen, daß man für beide Kulturperioden auf keine aufschlußreichen oder nennenswerten Funde mehr rechnen kann. Aus dem Grunde entschlossen wir uns, in dem besser erhaltenen Teil des Palastes Arbeitsstege, die eventuell wichtige Mauerteile noch verdeckten, abzutragen und alle Räume, deren Fußböden erhalten waren, bis zu diesen Fußböden freizulegen. Bei den Grabungen der letzten Jahre wurden aus dem Palast eine stattliche Anzahl bedeutender altbabylonischer Tontafeln geborgen. Die wichtigsten dieser Tontafeln wurden von Professor Dr. A. Falkenstein in den Baghdader Mitteilungen Bd. 2 veröffentlicht. Die meisten dieser Tontafeln stammen aus Türangelkapseln des Palastes, und sie waren dort niedergelegt, bevor' der Palast in

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HEINRICH

Die Tabelle zeigt, daß bei attischen Mustern die Schwarzmalschicht 2,8—5,7% Kalium enthält, während die Masse des Scherbens nur sehr wenig Kalium besitzt. Das Kaliumoxid wirkt als Flußmittel und bewirkt das Sintern der schwarzen Malschicht beim reduzierenden Brand, während die kaliumarme Scherbenmasse porös bleibt und bei der nachfolgenden Reoxydation wieder zu Rot oxydiert wird. Die Intentional-Red-Malschicht des 6. Musters enthielt fast kein Kalium. Sie blieb bei der Reduktion porös und wurde bei der Reoxydation wieder zu Rot oxydiert. Der Eisengehalt ist in der Schwarzmalschicht hoch, im Intentional Red beträchtlich und im Scherben niedrig, entsprechend der bekannten Farbtiefe. Mangan wurde in keinem Fall gefunden. Die Scherbenmasse enthielt erhebliche Mengen an Calcium. Das Calciumoxid wirkte als schwächeres Flußmittel zu einer Verkittung des porös bleibenden Scherbens. Der Siliciumgehalt war in der Malschicht und im Scherben praktisch gleich zwischen 16 und 20%. Da die Malschicht aus sehr fein ausgeschlämmtem Tonschiicker bestand, weist ihr hoher Kaliumgehalt darauf hin, daß ein illitischer, glimmerartiger Ton ausgeschlämmt wurde. Die kaliumarme Intentional-Red-Schicht war entsprechend aus einem kaolinitischen kaliumfreien Ton ausgeschlämmt. Feldspat kommt als Kaliumlieferant nicht in Frage, weil er erstens im Ton selten vorkommt und zweitens zu grob ist, um beim Schlämmen in dem feinen Schlicker zu bleiben. Die oxydierend braunrot gebrannte Überzugsschicht der Terra Sigillata war gleichfalls kaliumreich, also verwendeten auch die Römer für sie einen illitischen Schlicker. Die rote Farbe ist stets Fe 2 0 3 . Das Pigment des Schwarz ist FeO. A1 2 0 3 neben Fe 3 0 4 . Die Ergebnisse bestätigen die schon früher ausgesprochene Vermutung. Eine ausführliche Veröffentlichung erfolgt in der Zeitschrift für anorganische und allgemeine Chemie. Heidelberg

Ulrich Hofmann Roger Theisen

J.LENZEN

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B E R I C H T Ü B E R D I E X X I I . WARKAKAMPAGNE 1963/64 Infolge der unruhigen politischen Lage konnte mit der Ausgrabung erst in den ersten Januartagen 1964 begonnen werden. Der Mitarbeiterstab umfaßte außer dem Grabungsleiter und Berichterstatter die Damen Frau G. Hecker als Archäologin, Fräulein R. Fischer als Sekretärin und die Herren A. von Haller, W. Hecker, P. Newe, W. Schirmer als Architekten, M. A. Brandes als Archäologen, P. Meyer als Photographen und P. Röhe-Hansen als Restaurator. Die Feldarbeit dauerte bis zum 15. März, und die meisten Mitglieder der Expedition waren bis Ende März in Warka mit der Aufarbeitung der Funde und der Sicherung der Ruine beschäftigt. Es wurde im wesentlichen an zwei Stellen gearbeitet, die beide in Eanna liegen. Daneben wurden die letzten, abschließenden Untersuchungen am altbabylonischen Palast des Sinkäsid zu Ende geführt. Die Durcharbeitung des Grabungsbefundes der Winterkampagne 1961/62 hatte ergeben, daß der Palast des Sinkäsid in seiner Nordosthälfte so stark zerstört war, daß selbst die Hoffnung, aus den Fundamenten etwas aufbauen zu können, vergeblich war. Selbst die Ruinen eines älteren Palastes, wahrscheinlich aus der Zeit der I I I . Dynastie von Ur, die unter den altbabylonischen Ruinen hervorschauen, sind so mitgenommen, daß man für beide Kulturperioden auf keine aufschlußreichen oder nennenswerten Funde mehr rechnen kann. Aus dem Grunde entschlossen wir uns, in dem besser erhaltenen Teil des Palastes Arbeitsstege, die eventuell wichtige Mauerteile noch verdeckten, abzutragen und alle Räume, deren Fußböden erhalten waren, bis zu diesen Fußböden freizulegen. Bei den Grabungen der letzten Jahre wurden aus dem Palast eine stattliche Anzahl bedeutender altbabylonischer Tontafeln geborgen. Die wichtigsten dieser Tontafeln wurden von Professor Dr. A. Falkenstein in den Baghdader Mitteilungen Bd. 2 veröffentlicht. Die meisten dieser Tontafeln stammen aus Türangelkapseln des Palastes, und sie waren dort niedergelegt, bevor' der Palast in

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Abb. i. Rundpfeiler aus dem altbabylonischen Sinkäsidpalast

Abb. 2. Reste des peristylartigen Hofes im Palast des Sinkäsid

H E I N R I C H

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Abb. 3. Altbabylonische Tonpilze des Königs Sinkääid. Seitenansicht. H des linken Stückes 1 1 , 7 cm, des rechten 1 1 cm

Flammen aufging. Wenn wir unsere Arbeit am Palast in der oben angedeuteten Weise fortsetzten, dann deshalb, um nichts unversucht gelassen zu haben, um nach aufschlußreichen Kleinfunden so exakt wie möglich gesucht zu haben. Bei diesen abschließenden Untersuchungen wurden noch einige nicht unwichtige Entdeckungen gemacht. In dem annähernd quadratischen Hof 281 wurden bei der Freilegung bis auf das Hofniveau sechs Rundpfeiler auf rechteckiger Basis festgestellt. Diese Pfeiler mit 120 cm Durchmesser (Abb. 1. 2) waren möglicherweise schon vor der Zerstörung des Palastes abgetragen, da nirgendwo mehr als höchstens zwei Schichten des aufgehenden Mauerwerks erhalten blieben. Da die Kanten des aufgehenden Mauerwerks der den Hof einschließenden Wände nirgendwo mit absoluter Sicherheit festgestellt werden konnten, so lassen sich auch keine durchaus exakten Maße für die Rundpfeilerstellung im Hof angeben. Der Abstand der in zwei Reihen angeordneten Pfeiler voneinander beträgt auf der Südost- und Nordwestseite rund 4,40 m, auf der Südwest- und Nord1

s. U V B . X X Taf. 35.

ostseite 3,50 m. Anscheinend haben diese Rundpfeiler ein Dach getragen, das die Hofmitte freiließ. Dort befindet sich eine Zisterne, die das Regenwasser aufnehmen konnte (Abb. 2). Man wird bei dieser Anlage des frühen 2. Jts. an die griechischen Peristylhäuser oder noch stärker an gewisse Gruppen altitalischer Atriumhäuser erinnert. Unter dem Fußboden von Raum 75 wurde eine weitere aus Backsteinen errichtete Gruft freigelegt. Wie die meisten anderen Grüfte war auch diese ausgeraubt. Bei der Ausraubung war auch das Skelett des Toten zerstört worden. Nahe der Nordecke des peristylartigen Hofes wurde ein halber Brennofen freigelegt. Aus diesem Brennofen wurden etwa 125 mehr oder weniger gut erhaltene Tonpilze mit Inschriften Sinkäsids geborgen. Zusammen mit einer Tontafelgruppe (W 20336, 1—6), die neben der Fundamentkante des Palastes gefunden wurde, sind diese Tonpilze ein Zeichen dafür, daß der Palast wahrscheinlich erst beträchtlich nach dem Regierungsantritt Sinkäsids errichtet wurde. Wie mir A. Falkenstein in einem Brief mitteilte, handelt es sich bei den Texten auf den Tonpilzen um zwei verschiedene. Der am häufigsten vor-

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X X I I . W A R K A - K A M P A G N E 1963/64

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Abb. 4. Tonpilze Abb. 3. Aufsicht

kommende Text (Abb. 3. 4) lautet in der Ubersetzung: »Lugalgirra, dem Herrn von Dürum, seinem Herrn, habe ich Sinkäsid, König von Uruk, König des Stammes Amnänum, General von Durum, sein Enihusila, das schrecklichen Glanz trägt, gebaut. Damals kosteten in meiner Regierungszeit 3 Kur Gerste, 12 Minen Wolle, 10 Minen Kupfer, 3/30 Kur 'Dumöl' nach dem Tarif meines Landes ein Sekel Silber. Meine Jahre seien Jahre des Überflusses.« Was an dieser Inschrift einigermaßen verwunderlich ist, ist die Tatsache, daß sie sich nicht auf einen Tempel bzw. eine in Warka beheimatete Gottheit bezieht. Später wird man auf diesen Text näher eingehen2. Die Arbeiten am altbabylonischen Palast des Sinkäsid dürften damit als abgeschlossen angesehen werden; dagegen müßte die Arbeit an den umliegenden Hügeln zu gegebener Zeit fortgesetzt werden, da es sich bei diesen Anlagen offensichtlich um Gebäude handelt, die mit dem freigelegten Palast zusammen die Residenz des Königs innerhalb 2 Falkenstein schreibt in seinem Brief: »Lugalgirra ist eine Nergalgestalt und zusammen mit Meslamta'ea genannt, der in der sonst gleichlautenden Inschrift W 2 1 4 1 5 , 14 erscheint. Beide Gottheiten hatten also in Dürum ein Heiligtum. Dürum ist wahrscheinlich mit Teil al Lahm gleichzusetzen.«

der Stadt Uruk gebildet haben. Von der Tempel- und Wohnstadt war sie wahrscheinlich durch Gärten oder Brachland getrennt. Die Arbeiten in Eanna wurden an zwei Stellen fortgesetzt. Herr Newe grub an der Südwestaußenmauer, einmal, um ihren Verlauf weiter zu verfolgen, zum anderen aber, um festzustellen, ob das Wasserbecken in dem vor einigen Jahren freigelegten Hof der Schicht Uruk IVa durch eine begehbare Wasserrinne gespeist wurde, oder ob der große Hof durch diese Rinne entwässert wurde. Bei dieser Untersuchung stellte es sich heraus, daß die Südwestaußenmauer von Eanna in Ne X V I I 2 abreißt. Soviel man heute erkennen kann, ist an dieser Stelle der Zingel scharf nach Nordosten umgebogen, und die erwähnte begehbare Wasserrinne scheint mit dieser Ecke im Zingel in Verbindung gestanden zu haben. Das Gefälle in dieser Wasserrinne indessen ist so gering, daß man heute nicht mit Sicherheit sagen kann, ob man die Rinne als Zuleitung oder Ableitung auffassen muß. Das Rätsel um das Wasserbecken und um den großen Hof ist damit noch immer nicht gelöst. Die Hauptarbeit lag aber auch jetzt wieder bei den Anlagen rund um den Tempel C. Es war bereits im letzten Bericht ge-

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H E I N R I C H

J . L E N Z E N

Abb. 5. Schnitt durch eine runde 'Feuerstelle' im T-förmigen R a u m von Tempel C (zu jedem Estrich gehört eine neue Feuerstelle)

Abb. 6. Pfeilerhalle mit Stiftmosaiken und zwei runden 'Feuerstellen' Im Hintergrund Badeanlagen

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X X I I . W A R K A - K A M P A G N E 1963/64

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Abb. 7. Mittelhof mit zwei runden 'Feuerstellen' im Kopfbau vonXempelC (Schicht U r u k I V a )

Abb. 8. Hauptraum im R u m p f b a u von Tempel C mit rechteckiger 'Feuerstelle'

7

A A . 1965

I

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J.

L E N Z E N

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Abb. 9. Pfeiler mit Stiftmosaikfeldern (Uruk IV), von der Halle aus nach NW gesehen. I m Hintergrund Mauerzüge des Stampflehmgebäudes der Schicht Uruk I I I

sagt worden3, daß der T-förmige Hauptraum im Rumpf bau des Tempels nicht, wie ich es bisher angenommen hatte, als Hof, sondern als überdeckter Raum anzusehen ist. In dieser Kampagne konnten wir diesen Raum, soweit er erhalten ist, ganz freilegen und dann ausräumen. Es stellte sich heraus, daß sein Fußboden stellenweise bis zu einer Höhe von 40 cm mit Brandschutt bedeckt war. Die verkohlten Balken waren teilweise mehrere Meter lang erhalten. An anderen Stellen waren sie vollkommen zu Asche zerfallen, hatten aber auf dem Estrich die Brandspuren hinterlassen, so daß man heute mit großer Sicherheit die Dachkonstruktion erkennen kann. Leider ist von dem Fußboden in der Vierung nicht genügend erhalten geblieben, daß man aus den auf ihm liegenden Balkenresten etwas über die Dachkonstruktion über der Vierung hätte aussagen können. Bei der Ausräumung des Tempels bis auf den Fußboden sah man, daß alle Räume 3

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des Rumpfbaues Spuren der Brandzerstörung zeigen. Sie sind alle mit Brandschutt angefüllt. Dazu im Gegensatz steht der Kopfbau. Nur ein einziger Raum, der Raum, der beide Bauteile miteinander verbindet, die Zella, zeigt die Brandspuren und Aschenreste, alle anderen Räume sind vollkommen frei, und an den weiß getünchten Nischenwänden ist nirgendwo eine Brandrötung festzustellen, woraus ich schließen möchte, daß die Räume des Kopfbaues alle unbedeckt geblieben sind. Die Dachdeckung ruhte auf Unterzügen, die mindestens 45 cm hoch und 25 cm breit waren. Anscheinend lagen sie in Abständen bis zu vier Metern voneinander entfernt. Diese Unterzüge trugen die längsstreichenden Balken, die offensichtlich in einem Abstand von 60—80 cm voneinander verlegt waren. Auf diesem Balkenlager waren Schilfstengel sorgfältig nebeneinandergelegt, die ihrerseits mit Schilfmatten abgedeckt wurden. Auf diesen Schilfmatten war der Lehmestrich des Daches aufgebracht.

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Abb. 10. Ein R a u m aus der Badeanlage der Schicht Uruk I V

Von der Inneneinrichtung des Tempels blieb so gut wie nichts erhalten. Von Postamenten oder Altären fehlt jede Spur. Dafür aber gibt es flache pfannenartige Gebilde, wenige Zentimeter tief in den Estrich eingelassen, mit Brandspuren (Abb. 5). Diese Vorrichtungen zeigen gewisse Ähnlichkeit mit den runden Opferstätten, wie wir sie aus der frühdynastischen Zeit kennen. Wir haben in diesem Winter insgesamt sieben solcher 'Feuerstellen' gefunden: zwei im Kopfbau des Tempels C (Abb. 6), zwei etwas größere im Rumpfbau desselben Tempels, zwei weitere in der Halle mit den Stiftmosaikpfeilern (Abb. 7) und die siebente, abweichend in ihrer Form, wieder im Rumpfbau von Tempel C (Abb. 8). Diese zuletzt genannte 'Feuerstelle' erinnert in ihrer Form an die Podien von Tempel I X in Tepe Gawra, vor allem an das Podium in der Westecke von Raum 9044 dieses Tempels, mit dem Unterschied freilich, daß die Anlagen in Warka sich nicht über den 4 A. J . Tobler, Excavations at Tepe Gawra I I Tai. 2. 29a.

7'

Boden erheben, sondern in den Estrich eingetieft sind. Die Pfeilerhalle konnte in diesem Winter vollkommen freigelegt werden. Es ist ganz offensichtlich, daß sie zwei Höfe voneinander trennt. Auf der Südwestseite ist diese Halle fest mit einer sehr ausgedehnten, großzügigen Badeanlage verbunden. Auf den drei anderen Seiten steht sie frei, ist aber auf der Nordostseite nur durch einen schmalen Korridor von den nach dieser Seite anschließenden Gebäuden getrennt. Diese Pfeilerhalle zeigt insgesamt zwölf quadratische Pfeiler, auf jeder Längsseite fünf, auf den Schmalseiten je drei Pfeiler von rund 2,80 m 2 . Die Zwischenräume zwischen den Pfeilern sind etwa gleich groß wie die Pfeiler, aber schon während des Baues sind die Zwischenräume durch von den Pfeilern ausgehende Zungenmauern eingeengt, so daß nur etwa 90 cm breite Eingangsöffnungen übrigbleiben (Abb. 9). Auf jeder Seite des Pfeilers sind sechs schmale Mosaikfelder in flachen Nischen angebracht. In den Durchlässen ist jeweils eines dieser Felder durch die später hinzu-

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HEINRICH

J.LENZEN

Abb. 12. Neubabylonisches Doppeltopfgrab

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X X I I . W A R K A - K A M P A G N E 1963/64

Abb. 13. Deckel eines Kästchens mit Elfenbeinornamenten

gefügten, oben erwähnten Zungenmauern verdeckt worden. Bei einem flüchtigen Hinsehen könnte man annehmen, daß die Mosaikfelder in sich zwar geordnete Muster zeigen, daß sie aber untereinander ganz willkürlich aufeinanderfolgen. Erst bei genauem Studium erkennt man eine Regel, nach der die Felder angeordnet sind. Über diese Anordnung, die sehr kompliziert ist, wird später ausführlich berichtet werden. Die auf der Südwestseite der Halle gelegenen Türen führen unmittelbar in die oben erwähnte Badeanlage, die sich aus einer großen Anzahl von größeren und kleineren Räumen zusammensetzt. Als Baderäume zu erkennen sind sie von vornherein daran, daß Wände und Fußböden der Räume mit Asphalt ausgestrichen sind und daß Abflußrinnen für das Wasser durch die Mauern hindurchgeführt sind, um in einem gemeinsamen Sickerschacht abgeleitet zu werden. Diese Badeanlage ist wahrscheinlich schon in I V b angelegt und dann immer wieder umgebaut worden. Wir zeigen nur

einen dieser Baderäume (Abb. 10). In ihm stieg man auf Stufen in einen niedriger gelegenen Teil, in dessen Ecke eine viertelkreisförmige Bank stand. Man sieht auf dem Photo deutlich, daß ältere Mauerzüge in einem späteren Bauzustand einfach gekappt waren und als umlaufende Bank dienten (die Asphaltschicht der Bänke ist von uns bei diesen Mauerzügen entfernt, und die Ziegel der Mauer werden gezeigt; daß aber auch diese Mauerzüge einer älteren Badeanlage angehörten, wird deutlich an dem Asphalt, der auch die Wände der älteren Mauern bedeckte). In der Schicht Uruk I I I , welche die neu beschriebenen Teile des Gebietes um den Tempel C überbaute, sind wir nun auf die Nordwestbegrenzung des riesigen Gebäudes mit Stampflehm wänden gestoßen. An der Nordwestecke des Stampflehmgebäudes erreichten wir wieder ältere Unterabteilungen der Schicht I I I , die nicht durch den Riesenbau in Mitleidenschaft gezogen oder gar völlig zerstört worden waren. Wenn sich

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ARSAMEIA AM

diese Reste auch noch nicht zu einem einigermaßen geschlossenen Bilde zusammenfassen lassen, so ist doch eindeutig zu erkennen, daß sie im Charakter genau zu den Gebäudegruppen gehören, die auf der Südostseite des Stampflehmgebäudes liegen. Mit diesen Gebäuden sind Backsteinanlagen verbunden, die auf mehr oder weniger kunstvolle Wasserkünste schließen lassen, die indessen vollkommen verschieden sind von den Badeanlagen der oben beschriebenen Schicht Uruk IV. Wie an den meisten Stellen an der Südwestseite der Zingelanlage Sargons II. fehlen auch an den neu untersuchten Stellen alle Zwischenschichten zwischen der frühdynastischen Zeit und den Neubauten der neuassyrischen und neubabylonischen Periode. Auch die Bauwerke dieser Zeit sind zu einem nicht unbeträchtlichen Teil verlorengegangen durch Ziegelgruben, die in sasanidischer Zeit angelegt wurden. Erhalten blieben die tiefer eingebetteten Gräber, meistens Doppeltopfgräber, und am Nordostrand unseres diesjährigen Grabungsfeldes eine Gruppe runder Brennöfen, die durch Überreste in ihnen eindeutig als TerrakottaBrennöfen ausgewiesen sind. Diese Brennöfen (Abb. 11) müssen eine lange Zeit hindurch bestanden haben und benützt worden sein. Die am häufigsten vorkommenden Terrakotten sind Flaschenhalterfiguren, unbekleidete weibliche Gestalten mit herabhängenden Armen, die möglicherweise auf eine Kline gelegt werden konnten, zwei verschieden geformte Mutter-und-Kind-Figuren und eine große Anzahl von Kamelfiguren. Als Beispiel für eine neubabylonische Bestattung zeigen wir ein Doppeltopfgrab (Abb. 12) mit einigen Beigaben. Als echte Grabbeigaben darf man sicher die kleine tönerne Schale vor der Brust des Toten und die Flasche neben dem Schädel auffassen. Am linken Arm des Toten liegt eine Holzdose, die mit Knochenschnitzereien geschmückt war (Abb. 13). Sie dürfte nicht als kultisch bedingte Grabbeigabe zu betrachten sein. Baghdad

H e i n r i c h J. L e n z e n

NYMPHAIOS

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ARSAMEIA AM NYMPHAIOS B E R I C H T Ü B E R DIE 1 9 6 3 UND AUSGEFÜHRTEN

1964

AUSGRABUNGEN*

Das Jahr 1963 bedeutet für die Erforschung der 1951 in Kommagene entdeckten Königsresidenz von Arsameia am Nymphaios1 einen wichtigen Einschnitt. Denn erstmals haben wir seit Beginn der Ausgrabungen im Jahre 1953 den Bezirk des Hierothesion, d. h. der sepulkralen Kultstätte, die sich der kommagenische Herrscher Mithradates Kallinikos »in der Vorstadt von Arsameia am Nymphaios«2 errichtet hatte, verlassen und unsere Untersuchungen in dem weiten Flußtal begonnen, das sich zu Füßen der beiden das Stadtgebiet charakterisierenden Hügelkuppen ausdehnt3 (Abb. 1). Diese beiden Erhebungen tragen heute den Namen Eski Kaie und Yeni Kaie, d. h. alte und neue Burg. Während die Yeni Kaie von den stolzen Ruinen einer Mamlukenfestung gekrönt wird4, lag auf der Höhe der Eski Kaie und auf der Südflanke dieses Hügels das Hierothesion des Mithradates Kallinikos. * B e i d e m folgenden B e r i c h t ist jeweils vermerkt, u n t e r wessen L e i t u n g die einzelnen G r a b u n g s a b s c h n i t t e gestanden haben. D i e gen a n n t e n Mitarbeiter sind jeweils a u c h f ü r den B e r i c h t über die v o n ihnen durchgeführten A u f gaben zuständig. A u ß e r den in der Bibliographie a u f g e f ü h r t e n werden folgende A b k ü r z u n g e n g e b r a u c h t : Arsameia I F . K . Dörner — Th. Goell, A r s a m e i a a m N y m p h a i o s . Die A u s g r a b u n g e n i m Hierothesion des Mithradates K a l l i n i k o s v o n 1 9 5 3 — 1 9 5 6 (Istanbuler Forschungen X X I I I . Berlin 1963). Humann-Puchstein K . H u m a n n — O. Puchstein, Reisen in K l e i n asien und Nordsyrien (Berlin 1890). D ö r n e r - N a u m a n n , Forschungen F . K . Dörner — R . N a u m a n n , Forschungen in K o m m a g e n e ( = Istanbuler Forschungen X. Berlin 1939). Nemrud D a g T h . Goell — F . K . Dörner, N e m r u d D a g . T h e E x c a v a t i o n s of t h e Hierothesion of A n t i o c h u s I of C o m m a g e n e (in Vorbereitung). 1 V g l . A r s a m e i a I 24 ff. 2 Arsameia I 40 Z. 7 f . ( K u l t i n s c h r i f t ) : kv 'Apuaneica TRJI npö$ Nun