Archäologischer Anzeiger: Heft 2/1966 [Reprint 2020 ed.]
 9783112323342

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ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1966 • H E F T 2

BEIBLATT

ZUM

JAHRBUCH DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS BAND 81

WALTER DE GRUYTER 1966

â CO • BERLIN

INHALT Seite

B u c h h o l z , H.-G., Tönerne Rasseln aus Zypern. Mit 10 Abbildungen

140

F i n k , J., Ein Bildnis Trajans in Moskau. Der Kaiser und die Vergangenheit. Mit 2 Abbildungen

187

F r a n k e , P. R., Zur Tyrannis des Klearchos und Satyros in Herakleia am Pontos. Mit 1 Abbildung

130

H a f n e r , G., Sinis, der Fichtenbeuger. Mit 4 Abbildungen

151

H o m a n n - W e d e k i n g , E. — J a n t z e n , U. — K o p e k e , G., Samos 196$. Mit 11 Abbildungen

158

J a n t z e n , U., Die Greifenprotomen der Sammlung Erbach. Mit 14 Abbildungen

123

. .

L a u t e r , H., Ein Schüler des Polyklet. Mit 5 Abbildungen

183

L u l l i e s , R., Neuerwerbungen der Antiken-Abteilung der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel 1962—1965. Mit 46 Abbildungen

93

O t t o - D o r n , K . — Ö n d e r , M., Bericht über die Grabung in Kobadabad (Oktober 1965). Mit 12 Abbildungen

170

K o r r e k t u r h i n w e i s auf E. Diehl, A A . 1965, 845 f.: Fragmente aus Samos

191

ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1966 • HEFT 2

N E U E R W E R B U N G E N DER A N T I K E N - A B T E I L U N G D E R STAATLICHEN KUNSTSAMMLUNGEN K A S S E L 1962—1965* Der zweite Weltkrieg (1939—45), der der Stadt Kassel so schwere Wunden zugefügt hatte, ist auch an den Beständen der Antikenabteilung der Staatl. Kunstsammlungen nicht ohne Spuren vorübergegangen. Zwar waren die Kasseler Antiken während des Krieges ausgelagert und, so gut es damals wohl ging, geborgen, so daß die besten und wichtigsten griechischen und römischen Marmorskulpturen und die antike Kleinkunst im wesentlichen erhalten geblieben sind. Dennoch müssen Werke wie das Totenmahl-Relief, Bieber Taf. 33, 781 und das Masken-Relief, Bieber Taf. 28, 88 als verloren gelten. Neue, tiefgreifende Beschädigungen erfuhren während des Krieges der Torso des Doryphoros, Bieber Taf. 10, 4 und der spätrömische Porträtkopf aus der Sammlung Hartwig, Bieber 35 Abb. 6 Taf. 31, 57a. Zahlenmäßig größere Verluste sind bei den römischen Gefäßen, Geräten, Geräteteilen und Instrumenten aus Bronze eingetreten, sowie bei den kleineren römischen Tongefäßen und den Bruchstücken von Schalen in Terra Sigillata. Von den Funden aus den Grabungen J. Boehlaus in der griechischen Nekropole westlich von Tigani auf Samos ist nach dem Kriege der Verbleib einiger kleiner stark fragmentierter Vasen wie der Fikellura-Kannen, J. Boehlau, Aus jonischen und italischen Nekropolen (1898) Taf. 3, 1. 3. 5 (Inv. Samos 8. 9. 7), und der meisten Vasenscherben auf Boehlaus Tafeln 9—12 nicht mehr zu ermitteln gewesen. Auch sie müssen als verloren betrachtet werden. Die Jahre zwischen 1945 und i960 waren neuen Erwerbungen für die Antikenabteilung in Kassel nicht eben günstig. Von den Zugängen aus dieser Zeit verdient es der Marmorkopf eines Philosophen (des Kolotes?) vom Aventin, römische Kopie des 1. Jhs. n. Chr. von einer griechischen Statue aus der Zeit um 300 v. Chr., hervorgehoben zu werden (Inv. Sk. = Skulpturen 110)3. Eine vollständige Übersicht über die Ankäufe der Antikenabteilung während des Jahres 1961 gab E. Berger in dem Heft »Antike Kunstwerke. Neuerscheinungen 1961« (1962). Von

* Hans v o n Schoen zum 90. Geburtstag gewidmet. A u ß e r den in der Bibliographie des Deutschen Archäologischen Instituts angegebenen A b kürzungen erscheint hier noch als Sigel : Bieber = M. Bieber, Die antiken Skulpturen und Bronzen des königl. Museum Fridericianum in Cassel (1915). 2 D e r K o p f ist nach einer älteren Photographie neuerdings wieder abgebildet: G. KaschnitzWeinberg, R o m . Bildnisse, Ausgewählte Schriften I I (1965, Wiederabdruck des Aufsatzes in Die A n t i k e 2, 1926, 36ff.) Taf. 36, 1. S. 59. 1

7 A A . 1966

3

Bedeutende W e r k e aus dem N a c h l a ß Dr. J. Hirsch, A u k t i o n Luzern, 7. 12. 1957, Taf. 37f. Nr. 69. Zur Benennung auf den Epikuräer Kolotes v o n L a m p s a k o s : K . Schefold, Die Bildnisse antiker Dichter, Redner und Denker 116 f. 3. 4 und ders. in Festschrift H. R. Hanloser zum 60. Geburtstag 1959 (1961) 9 A n m . 14. Anders G. Hafner, Gesch. der griech. K u n s t 242 mit A b b . 244 (Deutung auf Alkibiades); zum T y p u s zuletzt Schefold, Gnomon 34, 1962, 585 und G. M. A . Richter, T h e Portraits of the Greeks II (1965) 2o6f.

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Abb. I und 2. Attischer Becher

den seither hinzugekommenen antiken Kunstwerken ist im folgenden eine Auswahl der wissenschaftlich interessanteren getroffen. Einige von denjenigen neu erworbenen Antiken, die schon früher oder in der Zwischenzeit veröffentlicht worden sind, werden hier nicht nochmals aufgezählt. Es sind die Amphora mit Hektors Lösung von einem Maler aus dem Kreis des Exekias (Inv. T. 674)4, der Henkel einer großgriechischen Bronzekanne aus dem 5. Jh. (Inv. Br. 702)5 und das unteritalische Terrakotta-Relief aus dem 4. Jh., auf dem ein Eros dargestellt ist, der mit einer Gans spielt (Inv. T. 667)®. Die Erwerbung von vierzig antiken Gläsern im Jahre 1963 soll hier ebenfalls nur erwähnt sein, ohne daß wir auf diese Gläser im einzelnen eingehen, da sie in einem vollständigen Katalog der antiken Gläser in Kassel von E. Spartz enthalten sind, der demnächst mit Unterstützung der Fritz ThyssenStiftung erscheinen wird. Die Gläser stammen aus einer größeren Privatsammlung, die um 1900 in Syrien angelegt worden war.

4

Lullies, Antike Kunst 7, 1964, 82 ff. Taf. 26. 27. Die Halsamphora in New York 56. 171. 18 aus Sammlung Hearst, die ich a. O. S. 85 dem Maler von Kassel T. 674 zugeschrieben hatte, bringt E. Karydi, AM. 78, 1963, 98 mit den Amphoren in Baltimore, Walters Art Gallery 48. 16 (Beazley, A B V . 140, unten 1) und Northwick Park (Beazley, A B V . 137, 59) in Verbindung, die sie dem gleichen Maler zuschreiben möchte.

5

6

K . A. Neugebauer (Hrsg.), Antiken in Deutschem Privatbesitz (1938) 22 Nr. 60 Taf. 28 (A. Hundt). Bielefeld, Wissenschaftl. Ztschr. der E. M. Arndt-Universität Greifswald, Gesellschafts- und sprachwissenschaftl. Reihe Nr. 4/5 Jahrg. 5, 1955/56, 267 Nr. 2 Taf. 22, 62—64. Greifswalder Antiken, hrsg. von E. Boehringer (1961) 103 Nr. 454 Taf. 56f. (A. Hundt), dazu Lullies, Gnomon 35, 1963, 732. Bielefeld a. O. 255 Taf. 9, 25.

N E U E R W E R B U N G E N D E R STAATL. KUNSTSAMMLUNGEN K A S S E L

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Abb. 3 und 4. Frühkorinthischer Aryballos

Griechische

Vasen

1. Becher mit hohem Henkel. Inv. T. 666. Abb. 1 und 2. H 16,1 cm. Hell-lederbrauner, glimmerhaltiger Ton, weißliche Grundierung. Zwischen Hals und Henkel ein runder Steg, dessen Ansatz auf dem Hals von schwarzen, einen Rhombus bildenden, oben und unten sich schneidenden Linien eingefaßt ist. Standfläche tongrundig. Der untere Teil des Bechers ist schwarz bemalt, darüber bis zum Henkelansatz umlaufende Linien und ein eingefaßtes Band mit gefüllten Tangentenkreisen. Auf dem Hals drei durch vertikale Streifen mit Zickzackmuster abgeteilte Metopen, die unten und an den Seiten von parallelen Linien, oben von einem eingefaßten Punktband gerahmt sind. In der Mitte eine breitere Metope mit zwei antithetischen Vögeln, die sich einem 'Baum 1 von kurzen Zickzacklinien zuwenden. Als Füllmuster dienen Punktrosetten und Hakenkreuze, die von einem Punktkreis umgeben sind. Rechts und links Metopen mit einem Blattstern, in dessen Zwickel ineinandergestellte Winkel hineinragen. Auf dem Mündungsrand Gruppen von parallelen Strichen. Am Innenrand der Mündung zwei umlaufende parallele Linien. Auf der Außenseite des Henkels drei schräge Kreuze zwischen Gruppen von horizontalen Linien. Die schwarze bis dunkelbraune Bemalung ist teilweise abgerieben. Attisch, 2. Hälfte des 8. Jhs. Wenig älter ist der Becher CVA. Mannheim (1) Taf. 5, 3 . 4 . 6 . Etwa gleichzeitig: K. Kübler, Kerameikos V i (1954) Taf. 1 1 1 (Inv. 1303. 363), dazu S. 279f. »Becher mit hohem Henkel« und J d l . 14, 1899, 209 Abb. 81. Aus derselben Werkstatt zum Beispiel Coli. P. Lambros und G. Dattari (Vente Drouot 17.—19.6. 1912) Taf. 4. 5. 1 1 (aus Athen). 2. Aryballos. Inv. T. 673. Abb. 3 und 4. H 6,5 cm. Hell-lederbrauner Ton, feine Grundierung in gleicher Farbe. Schwarzer bis rotbraun verbrannter Firnis. In der von je drei parallelen Linien eingefaßten Bildzone von links nach rechts: Panther — zusammenbrechender Stier, der von einem Löwen in den Nacken

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Abb. 5 und 6. Kanne des Gorgo-Malers

gebissen wird (der Stier hat dem Löwen ein Horn in die Brust gestoßen) — Schwan (unter dem Henkel). Als Füllung dienen Rosetten mit Ritzung, 'Klecks-Rosetten', unregelmäßige Tupfen und andere Muster, die in ihrer Form auf den Umriß der Tiere Bezug nehmen. Dunkelrot: Hals des Panthers und Löwen, Bauchstreif des Stieres, Augen des Panthers und des Stieres, Streifen und Flecken an verschiedenen Stellen auf dem Körper aller vier Tiere. Auf der Unterseite des Gefäßes Sichelmuster um einen vertieften Mittelpunkt. Auf der Schulter und dem Mündungsteller Stabmuster. Der Mündungsrand ist mit gereihten, rechtwinklig gebrochenen, kurzen Linien bemalt, der Henkel mit eingefaßten, waagerechten Parallelen. Frühkorinthisch, um 6oo, "warrior group'. — Zu Form und Stil vgl. H. Payne, Necrocorinthia (1931) 288, 486 ff. (Early Corinthian vases: Round aryballoi II, shape B), dazu Hopper, BSA. 44, 1949, 198!. und Boriskovskaja, BullMus. Budapest 27, 1965, 7 ff. Das Sichelmuster steht hier — wie öfters auf der Unterseite von Salbgefäßen und Dinoi und im Inneren von Schalen und Schüsseln, z. B. J d l . 61/62, 1946/47 Taf. 6, 19 — anstelle eines Gorgoneions und wird daher eine verwandte Bedeutung gehabt haben; vgl. auch das gravierte Sichelmuster auf der Rückseite der Spiegelscheibe in New York, Metrop. Mus.

NEUERWERBUNGEN DER STAATL. KUNSTSAMMLUNGEN

KASSEL

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38. Ii. 3, dem ebenfalls ein apotropäischer Sinn zugrunde liegen dürfte, Richter, AJA. 42, 1938, 339 Abb. 2; Homann-Wedeking, AuA. 7, 1958, 68f. Taf. F. 3. Kanne mit Kleeblattmündung. Inv. T. 669. Abb. 5 und 6. H mit Henkel 26,5 cm. Auf dem hochgeschwungenen, zweigeteilten hellen Henkel vier vertikale Firnislinien. Mündung auch innen schwarz gefirnißt. Im untersten Teil des Gefäßkörpers ein schmales, hell ausgespartes umlaufendes Band. In dem rechteckigen, von Firnislinien gerahmten Bildfeld ein schreitender Löwe mit heraushängender Zunge und nach vorn geschwungenem Schweif vor einem aufgestellten Lotosknospen-Palmettenornament. Über und unter dem Löwen Rosetten und 'Klecks-Rosetten'. Über dem Bildfeld ein Band mit vier Rosetten. Aufgesetztes Dunkelrot am Löwen (Mähne, Streifen auf Bauch und Hinterhand, Unterseite des Bauches, Nüstern, Zunge, Pupille) und an den Ornamenten. Die Palmette und die Rosetten haben ein dunkelrotes Herzstück und abwechselnd schwarze und dunkelrote Blätter. Auf den Rändern der Palmette und der Rosetten feine weiße Tupfen. Auch die Zähne und die Iris des Löwen sind weiß. Auf der dem Bildfeld abgewendeten Seite der Kanne zwei kleine, hell ausgesparte sphärische Dreiecke, die als Rudimente eines — wohl apotropäisch zu verstehenden — Auges gedeutet werden, vgl. P. Jacobsthal, Ornamente griech. Vasen 16. Um 590, Gorgo-Maler. Zu den Kannen des Gorgo-Malers zuletzt Scheibler, Jdl. 76, 1961, iff., und Lullies, AA. 1962, 606 ff. Die Kanne mit dem Löwen des Gorgo-Malers in Hamburg Inv. Nr. i960. 6 jetzt auch in den Bilderheften des Museum für Kunst und Gewerbe V I : H. Hoffmann, Griech. Kleinkunst (1963) 53 Nr. 5 Abb. Die Kanne in Kassel ist zum ersten Mal veröffentlicht: Ars Antiqua AG. Luzern. Antike Kunstwerke, Auktion II. 14. Mai i960 Nr. 130 (K. Schauenburg). I. Scheibler hat sie danach a. O. Abb. 11 abgebildet und S. 20 Nr. 15 — schwerlich mit Recht — unter den Spätwerken des Gorgo-Malers aufgeführt. 4. Halsamphora. Inv. T. 679. Abb. 7 und 8. H 31,8 cm. Scheibenfuß oben und unten mit tongrundigem Profil, in der Mitte mit torusartigem, gefirnißtem Zwischenglied. Standring tongrundig. Unterseite des Fußes gefirnißt bis auf einen tongrundigen Kreis in der Mitte, in dessen Mittelpunkt ein plastischer, rot bemalter Knopf sitzt. Zwischen Fuß und Gefäßkörper rot bemaltes Zwischenglied. Zwischen Körper und Hals feiner, plastischer, rot bemalter Reifen. Dreiteilige Henkel. Über dem Fuß doppelter Strahlenkranz und Lotosknospenkette zwischen umlaufenden Linien. Darüber und unter der Bildzone zwei umlaufende parallele rote Linien. A. Theseus (kurzer, weiß geblümter Chiton, Fell über der einen, Schwertscheide am Bande über der anderen Schulter) hat den Minotaurus am Horn gepackt, um ihn mit dem Schwert zu töten. Minotaurus, davoneilend und schon ins Knie sinkend, ein Tuch über dem rechten Arm, einen Stein in der rechten Hand, wendet sich mit heraushängender Zunge Theseus zu, die Linke um Gnade flehend erhoben. Die Gruppe ist eingerahmt rechts von einem stehenden Bärtigen (langer roter Chiton, rot getupfter und weiß geblümter Mantel) mit einer Lanze in der Rechten und einem Kranz in der Linken, auf der anderen Seite von einem stehenden Bärtigen (langer, rot getupfter und weiß geblümter Mantel), der die Linke staunend oder anfeuernd erhebt; hinter ihm ein herbeieilender Jüngling mit einer Lanze in der Rechten (rot getupfter und weiß geblümter Mantel). — B. Ein Reiter (kurzer roter Chiton, Lanze), vor ihm als Geleiter Hermes (kurzer Chiton, rot getupftes und weiß

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geblümtes Tuch über jedem Arm, weißer Kranz über der einen Schulter, Kerykeion)Hinter dem Reiter fliegender Vogel, stehender Bärtiger mit einer Lanze in der Linken (langer, rot getupfter und weiß geblümter Chiton, langer, rot getupfter Mantel) und eine geflügelte, unbärtige männliche Gestalt mit einem Korb über dem linken erhobenen Arm und einer Doppelhacke in der Rechten (kurzer roter Chiton, Fell). Unter den Henkeln fliegender Vogel und Pegasos. Auf der Schulter Knospenkette und abwechselnd schwarzes und rotes Zungenmuster zwischen feinen umlaufenden Linien. Auf dem Hals: A. Ein Bärtiger, einen Mantel über den Schultern, das Schwert an der Seite, schwingt seine Lanze nach einem um Gnade flehenden, davoneilenden Jüngling. An den Seiten je ein stehender Bärtiger im langen Chiton und Mantel, der Linke mit einer Lanze. B. Ein Bärtiger, einen Mantel über den Schultern und mit Zeigefinger und Daumen der ausgestreckten Linken einen Ring bildend, scheint einen davoneilenden Jüngling zu verfolgen. An den Seiten stehender Bärtiger im langen roten Chiton und Mantel, der linke mit einem runden Salbgefäß in der erhobenen Linken, der andere mit einem Stock. Die Mäntel sind weiß geblümt und rot getupft. An den Figuren auch sonst viel aufgesetztes Rot. Mündung und Hals der Amphora auch innen gefirnißt. Um die Kanten der Mündung dunkelrote Linien. Um 540, 'Affektierter Maler'. Die Darstellung von Theseus und Minotaurus findet sich auch auf den Amphoren des 'Affektierten Malers' in Erlangen I ( = Institutsbesitz) 385, Beazley, ABV. 240,14, und vormals im Kunsthandel, Kunstwerke der Antike. Münzen und Medaillen A. G. Basel, Auktion X X V . 5. 10. 1963 Nr. 94. Sehr ähnlich ist auch die Halsamphora des 'Affektierten Malers' aus Slg. Hearst in New York, BullMetrMus. 15, 1956/57, 171 unten = Beazley, ABV. 239, 8. Der Geflügelte ist, worauf mich D. v. Bothmer aufmerksam machte, als Aristaios zu benennen, vgl. Papaspiridi-Karusu, ASAtene 24—26, 1950, 37ff. und B. F. Cook, BullMetrMus. 20, 1961/62, 31 ff. Die Hacke diente zum Auflockern des Bodens, in dem Korb hatte Aristaios die Saatkörner. Zu Aristaios und dem Korb vgl. auch die Halsamphora Vatikan 338, Beazley, ABV. 241, 24 = EAA. I 99 Abb. 150. 5. Kolonnettenkrater. Inv. T. 698. Abb. 9. H 31,7 cm. Aus Fragmenten zusammengesetzt, Brüche verstrichen, kleine Stücke, namentlich an den schwarz gefirnißten Partien, ergänzt. Doppelter Polsterfuß, bis nahe an den unteren Rand gefirnißt. Die beiden Teile sind durch eine breite tongrundige Linie voneinander abgesetzt. Zwischen Fuß und Gefäßkörper flaches, dunkelrot bemaltes Zwischenglied. Innenseite des Gefäßes einschließlich des Halses schwarz gefirnißt. Auf der Unterseite des Fußes ein Graffito, vgl. die nebenstehende Zeichnung. Im untersten Teil des Gefäßkörpers Strahlenkranz. Auf der Außenseite der Mündung Efeuband, auf ihrer Oberseite je fünf Tiere, und zwar zwei Paare von Löwe und Eber einander gegenüber, dazu links je ein Eber nach links. Auf den Henkelplatten eine auf Ranken stehende Palmette. A. Eine Amazone im kurzen, weißen, gemusterten Chiton (abwechselnd geritzte Kreuze in Quadraten und geritzte Kreuze in Kreisen) mit einem kleinen Mantel im Rücken, der phrygischen Mütze und zwei Lanzen, nach rechts sprengend. Sie wird von einem Hopliten verfolgt. Vor ihr ein fliehender, sich umblickender Hoplit. Weinrot:

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Abb. 7 und 8. Halsamphora des 'Affektierten Malers'

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A b b . 9. Kolonnettenkrater des Hischylos

Mähne, Schweif und Zaum des Pferdes; Ränder des Chiton, Streifen auf dem Mantel und der Mütze der Amazone, ferner Chiton, Tänie um den Helm, Palmettenblätter am Helmzwickel, Schwertband, Schildrand und Lanzenspitze des linken Hopliten sowie Chiton, Tänie um den Helm, Helmränder, Streifen und Tupfen am Schildrand des rechten Hopliten. Weiß: Kopf, Hals und Chiton der Amazone; das Weiß im Auge und Zaumzeug am Bug des Pferdes; Schildbänder und Ansätze der Helmbüsche beider Hopliten. Es ist auffallend, daß Gesicht und Hals der Amazone weiß aufgesetzt, Arme und Beine dagegen schwarz geblieben sind. Unter dem Pferd: H 1 V L-0 unter dem rechten Bein des fliehenden Hopliten: E T O I E ^ E N - — B . Viergespann mit galoppierenden und sich bäumenden Pferden. Davor ein fliehender, sich umblickender Hoplit. Der bärtige Wagenlenker trägt einen kurzen weißen, mit geritzten Kreuzen und geritzten Kreisen gemusterten Chiton. Er hält ein Kentron, der Hoplit hinter ihm zwei Lanzen. Dunkelrot: Mähnen, Schweife und Zaumzeug am Bug der Pferde; Bart, Stirnhaar und Kentron des Wagenlenkers; Ränder des Helmes und Ansatz vom Helmbusch des Kriegers auf dem Wagen; Chiton, Ränder des Panzers und des Helmes, Tänie um den Helm, Tupfen auf dem Schildrand und die Lanze des fliehenden Hopliten. Weiß: das Weiß der Augen der Pferde und des Wagenlenkers und

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Abb. 10. Herakles ringt mit dem Löwen. Von attisch-schwarzfiguriger Hydria

des fliehenden Hopliten, Ansatz des Helmbusches des fliehenden Hopliten. Die Bildfelder sind an den Seiten von Efeubändern, oben von einem Zungenmuster gerahmt. Unter den Bildfeldern eine breite umlaufende, dunkelrote Linie. Um 510. Hischylos ist bisher nur als Töpfer von Schalen bekanntgeworden, vgl. H. Bioesch, Formen attischer Schalen 3 1 ff.; Beazley, A B V . i66f. und 172; ders., A R V . 2 1 6 1 f. 1630. Die Bilder des Kasseler Kraters zeigen nicht die Handschrift irgendeiner der von Hischylos signierten Schalen. Zu den reitenden Amazonen in der attischen sf. Vasenmalerei D. v. Bothmer, Amazons in Greek Art iooff. — Ähnliche Graffiti bei R. Hackl, Münch. Archäol. Studien (1909) 41 X L I X b ; 67. 6. Hydria (Kalpis). Inv. T. 683. Abb. 10. H 38,4 cm. Der breit ausladende Gefäßkörper ist von dem scheibenförmigen Fuß durch ein flaches, am oberen Teil rot bemaltes Zwischenglied abgesetzt. Das ganze Gefäß ist schwarz bemalt bis auf die Innenseite der seitlichen Henkel, ein Band zwischen deren Ansätzen und die vertiefte Oberseite der Mündung. Im Bildfeld Herakles, der mit dem Löwen ringt. Im Hintergrund ein Strauch, an dem Köcher, Bogen und Mantel des Helden hängen. Links sitzt Athena (langer, gemusterter Chiton, Agis, attischer Helm), die mit der waagerecht gegen die Mittelgruppe gerichteten Lanze und ihrer Linken den Löwen von sich abzuwehren scheint. Rechts Iolaos mit der Keule des Herakles. Weiß: die unbekleideten Teile der Göttin, Bauchstreif und Zähne des Löwen. Rot: Bart des Herakles, Zunge, Punkte auf der Mähne und ein Streifen auf dem Hinterschenkel des Löwen. Das Bild ist an den Seiten und oben von geraden Linien ge-

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Abb. i l . Sf. Pelike der Leagros-Gruppe

rahmt, darüber außerdem ein eingefaßtes Mäanderband und eine rote Linie. Unter dem Bild von Henkelansatz zu Henkelansatz ein breites Efeuband. Auf dem Hals eine umlaufende rote Linie. 510/500. Zur Darstellung und zum Bildtypus vgl. F. Brommer, Vasenlisten zur griech. Heldensage2 (i960) 85 ff. 7. Pelike. Inv. T. 675. Abb. 11. H 30 cm, Dm des Fußes 14,7 cm. Auf der tongrundigen Unterseite des Fußes eingeritztes Graffito, vgl. nebenstehende Zeichnung. /

Hals innen bis zur Höhe der oberen Henkelansätze \ gefirnißt. Die Bildfelder sind unten und an den Seiten i \ \ von einer breiten Firnislinie, oben von einem Band mit umschriebenen Palmetten gerahmt. A. Bärtiger Kitharöde zwischen zwei bärtigen Preisrichtern, der linke auf einem Klappstuhl, der rechte auf einem hohen, eckigen Hocker. Der Kitharöde trägt ein langes, weißes Gewand aus / I

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Abb. 14 und 15. Halsamphora des Berliner Malers

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dickem Stoff mit dunkelrotem Gürtel und einen dunkelroten Reifen um das Haar. Er hält in der Rechten das Plektron an einem Faden, der durch Ritzung wiedergegeben ist. Das Tragband, das — wie üblich — um den Ansatz des einen Armes der Kithara herumgeführt und durch das die linke Hand des Kitharöden hindurchgesteckt ist, ist dunkelrot. Der obere Teil der Arme der Kithara mit ihrem Zierat und eine waagerechte Reihe von Knöpfen (Köpfe von Nägeln ?) am unteren Ende des Schallkörpers sind weiß, am Instrument vielleicht aus Elfenbein zu denken. Von der Kithara hängt auf der einen Seite ein Tuch mit dunkelroten Tupfen, auf der anderen Seite ein Bündel mit Ersatzsaiten herab. Die Preisrichter sind mit Kränzen um das Haar geschmückt, in denen Zweige stecken. Sie tragen dunkelrot gestreifte, dunkelrot getupfte und weiß geblümte Mäntel und halten einen Stock in der einen Hand. — B. Dionysos, efeubekränzt, im langen Chiton und Mantel, in der Rechten einen Weinstock, in der Linken ein Trinkhorn zwischen zwei tanzenden Silenen. Dunkelrot: Bart und Kranz des Dionysos, Haar und Schweife der Silene. Der Mantel des Gottes ist dunkelrot gestreift, dunkelrot getupft und weiß geblümt. Unter den Bildfeldern zwei breite umlaufende dunkelrote Linien, über den Palmettenbändern und auf dem Hals über den Henkelansätzen je eine schmale dunkelrote Linie. Um 500, Leagros-Gruppe. Stilistische Beziehungen bestehen namentlich zu den Vasen der Antiope-Gruppe (Beazley, ABV. 356ff.). Zu den attisch schwarzfigurigen Peliken, auf denen das Motiv des Kitharöden zwischen Preisrichtern wiederholt vorkommt, vgl. v. Bothmer, JHS. 71, 1951, 40 ff. Zur Darstellung des Kitharöden und der Kithara in ihren einzelnen Bestandteilen Beazley, JHS. 42, 1922, 74; ders., Attic Vase Paintings in the Museum of Fine Arts, Boston II (1954) 42 zu Nr. 88; M. Wegner, Das Musikleben der Griechen (1949) 32 f. 211; vgl. auch CVA. München (5) Text S. 8 zu Taf. 210, 3. 4 und Ohly, AM. 74, 1959, 52 ff. Beazleys Deutung des von der Kithara lang herabhängenden, oft von dem Trageband gehaltenen Gegenstandes auf der linken Seite des Instrumentes als ein Bündel Ersatzsaiten wird durch zahlreiche Belege gestützt, vgl. zum Beispiel CVA. Bonn (1) Taf. 18, 1. 3. 8. Halsamphora. Inv. T. 697. Abb. 12—15. H 30,4 cm. Zwischen dem scheibenförmigen, im unteren Teil tongrundigen Fuß und dem Gefäßkörper ein Zwischenglied, das unten und oben von einer umlaufenden, geritzten Linie abgesetzt ist. Zweiteilige Henkel, hohe, schwere Lippe. A. Nike, mit Schale und Kanne nach links fliegend, den Kopf zurückgewendet nach einem siegreichen bekränzten Jüngling im Mantel auf B., der die Rechte in die Hüfte gestützt und den Kopf zur Nike umgewendet hat. Die Göttin trägt über dem langen Chiton einen Mantel, ferner eine Stephane und Armbänder. Unter den Figuren ein Band mit unterbrochenem Mäander, unter den unteren Henkelansätzen eine an Voluten hängende Palmette. Aus mehreren Stücken zusammengesetzt. Ergänzt: Mündung und Henkel der Oinochoe auf A, Teil der rechten Hand, des linken Fußes und ein Stück vom rechten Flügel der Nike, kleine Partien ihrer Gewänder. Vorzeichnungen und breite Relief umrisse. Berliner Maler, um 480. Beispiele von Darstellungen der Nike mit Phiale und Spendekanne im 5. Jh. gibt Eckstein-Wolf, Mdl. 5, 1952, 62ff. mit Liste S. 73 IX. Zur Bedeutung des Motivs der spendenden Götter vgl. nach Himmelmann-Wildschütz, Antaios. Zeitschrift für eine freie Welt 1 Nr. 2, I73ff. und dems., MarbWPr. i960, 4iff. auch W. Fuchs, RM. 68, 1961, i7Öff. Zur Darstellung vgl. ferner die Halsamphora des Tithonos-Malers, Kunstwerke der Antike, Münzen und Medaillen A. G. Basel, Auktion X X V I . 5. 10. 1963

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Abb. 16 und 17. Halsamphora des Hermonax

Nr. 1 3 3 Taf. 76 = Beazley, A R V . 2 1644, zu S. 309 Nr. 1 bis (Nike einen siegreichen Speerwerfer mit einer Tänie dekorierend). Ars Antiqua, Luzern, Auktion V. 7. 1 1 . 1964 Taf. X X X I V 130. 9. Halsamphora. Inv. 696. Abb. 16 und 17. H 34,5 cm. Scheibenförmiger gefirnißter Fuß. Zwischen Fuß und Gefäßkörper ein flaches Zwischenglied, das unten und oben von einer umlaufenden geritzten Linie abgesetzt ist. Zweiteilige Henkel, Oberseite der Mündung tongrundig. Ungebrochen, kleine Teile an der Oberfläche abgesprengt. A. Ein bärtiger, glatzköpfiger und bekränzter Silen, mit einem Fell über dem linken Arm, verfolgt begehrlich eine vor ihm fliehende bekränzte Mänade im langen Chiton, die ein Rehfell über der Schulter trägt und einen Thyrsos in der Linken hält. B. Laufende Mänade mit flatterndem Haar im langen Chiton, mit Thyrsos und Fackel. Die Figuren stehen auf einem umlaufenden Band. Es zeigt zwischen zwei Einheiten mit unterbrochenem SchlüsselMäander abwechselnd nach unten und oben gerichtete rechteckige Felder mit einem zu

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Abb. 18 und 19. Lekythos des Nikon-Malers

Quadraten stilisierten Vierblatt und mit sich schneidenden Diagonalen. Wenig Vorzeichnungen und Relief umrisse. Um 470, Hermonax. Zum Maler zuletzt Beazley, ARV. 2 4830. 1655. 1706. Griechische Plastik, Vasen und Kleinkunst. Leihgaben aus Privatbesitz. Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel vom 27. 5. bis 27. 9. 1964 Nr. 59 (R. Lullies). 10. Lekythos. Inv. T. 676. Abb. 18 und 19. H 42 cm. Ungebrochen. Fuß auf der Außenseite und Oberseite der Mündung unbemalt. Um den oberen Rand des Fußes eine Abdrehung. Am unteren und oberen Ansatz des scheibenförmigen Zwischengliedes zwischen Fuß und Körper eine umlaufende geritzte Linie. Die Lekythos scheint keinen eingesetzten Ölbehälter besessen zu haben. Dementsprechend sind auch die bei Lekythen mit eingesetztem Ölbehälter üblichen beziehungsweise notwendigen 'Windlöcher' bei diesem Gefäß nicht vorhanden. Vor einer Sitzenden im langen Chiton und Mantel auf einem Lehnstuhl, in der man die heroisierte Verstorbene erkennen darf, steht ein Jüngling im Mantel, eine dunkelrote Tänie um das Haar. Er greift mit der Linken in das herabfallende Mantelende und hält in der anderen Hand ein Rebhuhn (?). Die Sitzende ist mit einem Diadem geschmückt, in dem fünf dunkelrote Blüten stecken. In der einen Hand hat sie eine Frucht, in der anderen

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Abb. 20. Satyr und Mänade. Von der Rückseite des Stamnos Abb. 21

eine Blume. Über ihr ein Handspiegel. Das Bild ist unten und oben von einem umlaufenden Mäanderband eingefaßt. Auf der Schulter großes Palmetten-Rankenornament. Um den plastisch abgesetzten Halsansatz Stabmuster. Vorzeichnungen und breite Reliefumrisse. Um 450, Nikon-Maler. Beazley, ARV. 2 1663, 33 bis (Basle, private). Zum Verständnis der Darstellung vor allem Buschor, Müjb. N. F. 2, 1925, 172 (»... Diese Verschmelzung von Leben und Tod in einer höheren Einheit ist das eigentliche Element der Lekythenmalerei ...«); ders., ÖJh. 39, 1952, 12ff. (»... Die Szene des Frauengemachs ist doppeldeutig, hintergründig geworden, hat sich zum Totendenkmal erhöht...«). — Der Bildtypus unserer Lekythos ist wenig später von den attischen Grabreliefs übernommen worden. 1 1 . Stamnos. Inv. T. 682. Abb. 20 und 21. H 42,5 cm. Ungebrochen. Polsterscheibenfuß mit abgerundeter tongrundiger Kante. Am Ansatz des polsterförmigen Teiles umlaufender plastischer Reifen und umlaufende Ritzlinie. Zwischen Fuß und Gefäßkörper flaches Zwischenglied, das unten und oben durch umlaufende Ritzlinien abgeteilt ist. Auf der tongrundigen Unterseite eingeritztes Graffito, vgl. nebenstehende Zeichnung. Zwischen Schulter und Hals ein plastischer Reifen. Der Hals ist auch innen gefirnißt. A. Rückführung des Hephaistos. Dem Zug voran geht raschen Schrittes Dionysos, sich nach Hephaistos umblickend, im langen Chiton und Mantel, das Haupt mit Kranz und Tänie geschmückt. In der Rechten hält er den Kantharos, in der Linken den Thyrsos, dessen Spitze in eine der umschriebenen Henkelpalmetten hineinragt. Hephaistos sitzt mit kraftlos herabhängenden Beinen auf dem Esel, den ein kleiner Satyrknabe, den Kopf mit den spitzen

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Abb. 21. Stamnos von einem Maler aus dem Umkreis des Polygnotos I

Ohren in Vorderansicht, führt, indem er mit der einen (verdeckten) Hand den Zügel hält und mit der anderen das Tier am Maul faßt. Efeubekränzt, im kurzen gemusterten Chiton, darüber ein Fell und mit einem Mantel, der über die Arme fällt, trägt er hohe Laschenstiefel und hält in der Rechten einen mit Efeu geschmückten Thyrsos, in der Linken die Zange mit weißglühenden Kohlen. Den Zug beschließt ein bekränzter, die Doppelflöte blasender Silen. A m oberen Rand des Bildes zwischen dem Kopf des Esels und des Dionysos in verdünntem Tonschlamm aufgemalt: K A A O Z . Die Früchte in den Kränzen und die Zügel sind weiß. — B. Ein bekränzter, die Doppelflöte blasender Satyr zwischen zwei stehenden Mänaden im langen Chiton und Mantel. Die Linke trägt das Haar in eine Haube eingebunden und hält eine brennende Fackel in der Rechten, die andere, deren Haar von einem weißen Band umwunden ist, hält den Thyrsos. Die Figuren stehen auf einem umlaufenden unterbrochenen Kreuzplatten-Schlüssel-Mäander. Unter den Henkeln großes Palmetten-

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Abb. 22. Stier aus Olympia (?). Bronze

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Abb. 23. Stier aus Sparta. Bronze

Ranken-Ornament, dessen Enden als umschriebene Palmetten antithetisch über den Henkeln angeordnet sind. An den Henkelansätzen im Halbkreis und auf der Lippe dorisches Kymation. Auf der Schulter um den Halsansatz Zungenmuster. Vorzeichnungen und breite Reliefumrisse. Um 440, Kreis des Polygnotos I. Zu den Darstellungen der Rückführung des Hephaistos auf attisch rf. Vasen Brommer, J d l . 52, 1937, 207ff. Zur zoologischen Bestimmung des Esels mit dem Keil auf der Schulter und den dunklen Streifen an den Beinen (equus taeniopus) Rumpf, B J b . 161, 1961, 209f. Griechische

Bronzen

12. Stier. Inv. Br. 700. Abb. 22. L 7,5; H 5 cm. Voll gegossen, hellgrün patiniert. Die Oberfläche ist stellenweise korrodiert. Die Gelenke sind an den Vorder- und Hinterbeinen durch Ausbuchtungen wiedergegeben, die Augen durch plastisch hervortretende Buckel dargestellt. Das Maul ist durch eine Furche, die Nüstern sind durch feine runde Löcher markiert. Zweite Hälfte des 8. Jhs. Nach Stil und Patina wahrscheinlich aus Olympia. Gleiche Stilstufe: K. A. Neugebauer, Die minoischen und archaisch griech. Bronzen in Berlin (1931) Taf. 10, 78; 12, i n (Pferde aus Olympia); 17, 145 (Stier aus Olympia). 13. Stier. Inv. Br. 701. Abb. 23. L 6; H 4,5 cm. Angeblich aus Sparta. Voll gegossen. Dunkelgrün bis schwarz patiniert, an der Innenseite der Beine versintert. Die Gelenke sind an den Vorderbeinen durch feine Ausbuchtungen hervorgehoben, Augen und Nüstern durch feine vertiefte Punkte markiert. Das Maul ist durch eine Furche angegeben. 7. Jh., peloponnesisch. Ähnlich: A. Furtwängler, Die Bronzen von Olympia (1890) Taf. 1 1 , 166. 14. Adler auf runder Standplatte. Inv. Br. 704. Abb. 24 und 25. H und L 4,1 cm. Zusammen mit der Standplatte voll gegossen. Hell- und dunkelgrün, stellenweise auch rostbraun patiniert. Der Vogel sitzt, den Kopf nach rechts gewendet, mit vorgewölbter 8 A A . 1966

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REINHARD

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Abb. 24 und 25. Bronzeadler

Brust majestätisch da. Die geschlossenen, im einzelnen nicht unterteilten Flügel sind lang ausgezogen. Sie gehen mit einem leichten Absatz in das gerundete Zwischenstück zwischen dem Ende der Flügel und dem Ende der Standplatte über, das mit einem runden Loch für eine Schnur versehen ist. Es deutet darauf hin, daß dieser Vogel auch als Amulett getragen werden konnte. Dazu war der Adler seiner Natur nach als einer der größten und stärksten Raubvögel besonders geeignet. 7. Jh., vgl. den Adler auf dem Polos der Potnia Theron an der Hydria von Grächwil, der sich durch seine im organischen Sinne fortgeschrittene Wiedergabe der plastischen Formen als jünger zu erkennen gibt, H. Bioesch, Antike Kunst in der Schweiz 22 ff., 148ff. Taf. 3—7; E. Spartz, Das Wappenbild des Herrn und der Herrin der Tiere (Diss. München 1962) 93f. und 1 3 1 ; H. Jucker, Antike Kunst 7, 1964, 3 ff. Älter der Vogel auf der Bronzeröhre aus Agrinion in Berlin (West), Inv. 7342, zuletzt A. Greifenhagen, JbBerlMus. 7, 1965, i4off. Abb. 19. Zum Verbreitungsgebiet und zur Bedeutung der Bronzevögel, die mit Ösen als Votive aufgehängt und als Amulette getragen werden konnten, vgl. AA. 1962, 630 zu Nr. 16. Zur Bedeutung des Adlers in sepulkralem Zusammenhang P. Wolters in Antike Plastik, Festschr. Amelung 274. 15. Rüstung. Abb. 26—29. Die Rüstung besteht aus einem korinthischen Helm (Inv. Br. 703, 1) und zwei Beinschienen (Inv. Br. 703, 2—3). Nach glaubwürdiger Angabe stammt sie aus einem Grab auf Sizilien. Der Helm mißt in der Höhe, wenn der Rand des Nackenschutzes und die Spitze des linken, gerade heruntergeführten Wangenschirmes in einer Ebene stehen, 24,5 cm. Die Tiefe beträgt von vorn nach hinten 25,5 cm. Ränder, Stirn und Nasenschirm sind verstärkt, die Ränder um die Öffnungen für die Augen abgeschrägt. Die Zwickel zwischen dem Nackenschutz und den Wangenschirmen sind durch ein kleines halbkreisförmiges Zwischenglied ausgefüllt. Die hohe, von den Seiten zur Mitte hin ziemlich steil ansteigende Schädelkappe ist plastisch abgesetzt. Sie ist unten von drei feinen umlaufenden parallelen Reifen umgeben. Der oberste Reifen endigt über der Mitte der Stirn in zwei sich gegeneinander aufbäumenden Schlangen, die sich mit geöffneten Mäulern anzischen. Auf der Höhe des Scheitels zwei dunkelgrau verfärbte, annähernd quadratische Stellen mit einer Seitenlänge

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KASSEL

III

Abb. 26 und 27. Korinthischer Helm

von rund 7 mm, die wohl so zu erklären sind, daß hier zwei Hülsen für eine Helmzier angebracht waren. Die weit ausschwingenden Brauenbögen treten von innen plastisch hervor und sind an den Rändern von feinen Linien begleitet. Feine Punktlinien säumen die Öffnungen für die Augen. An den Enden des Wangenschutzes ein kleines Loch (für ein Halteband?). Etwa in der Mitte des aufgebogenen Nackenschutzes zwei unregelmäßige, etwas größere und derbere Löcher. Sie müssen von Nägeln herrühren, mit denen der Helm auf einer Unterlage befestigt war. Futterlöcher fehlen am Helm ebenso wie an den Beinschienen. Dunkelund hellgrüne, stellenweise auch rotbraune Patina. Über der Mitte der Stirn eine Delle. Das Ende des rechten Wangenschutzes ist verbogen. Kleine Partien sind, zumeist von innen her, ausgebessert. Die Beinschienen sind 42,7 cm (r.) bzw. 42,5 cm (1.) lang und feuer vergoldet. Ränder verstärkt, unten aufgebogen. Um die ganze Schiene läuft je ein Saumstreifen wie bei der Beinschiene mit der Weihinschrift der Zankläer aus Olympia, E . Kunze und H. Schleif, Olympiabericht I I 99f. Taf. 41 rechts und 42. Dunkel- und, namentlich auf der Innenseite, hellgrün, stellenweise auch rotbraun patiniert. Die Vergoldung ist zum Teil sehr gut erhalten. Ein kleines Stück am oberen Rand über der Kniescheibe der rechten Schiene ist ergänzt. Zu den korinthischen Helmen mit abgesetzter Kappe E. Kukahn, Der griech. Helm (1936) 45ff., ferner: Olympiabericht I I 94; Olympiabericht I I I n o f f . ; E . Kunze in Festschrift für C. Weickert (1955) I4ff. und ders., Olympiabericht V 69 ff. Zum Helmbusch Kukahn a. O. 50f., zu den Schlangen über der Stirn Kukahn a. O. 48, ferner Olympiabericht V I I 60, 6 Taf. 16 und 17, 1. 2. Zu den Beinschienen Olympiabericht I I 98^. Die Verwandtschaft des neuen Kasseler Helmes mit zwei Helmen aus Korinth, die zusammen mit schwarzfiguriger Keramik des frühen 5. Jhs. gefunden wurden, spricht für

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Abb. 28 und 29. Vergoldete Beinschienen

eine Datierung unseres Helmes ebenfalls in das beginnende 5. J h . , vgl. Kukahn a. 0 . 46. Die Beinschienen gehören nach Typus und Stil in dieselbe Zeit. Im Vergleich zu der Beinschiene mit der Inschrift der Zankläer, die Kunze a. O. in die Zeit um die Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert datiert hat, ist die Modellierung unserer Beinschienen fortgeschrittener. Ein dem Kasseler Helm sehr ähnliches Exemplar, das aus der Gegend von Barrafranca (Sizilien) stammen soll, befindet sich im Museum von Caltanisetta (Kokalos 8, 1962, 84 Taf. 9, 2). Ein anderer, sehr ähnlicher Helm, der wohl ebenfalls aus Sizilien kommt, war 1964 im Baseler Kunsthandel (Apollo [London] 80, 1964 Nr. 34 X C I X Abb.). Einige weitere Helme desselben Typus kamen im Nordwall des Stadions in Olympia zutage. E . Kunze hält sie, wie er mir mitteilt, für großgriechisch. Sie haben mit dem Kasseler Helm das Band gemeinsam, das den Kalottenabsatz begleitet. Bei zweien dieser Helme verwandelt es sich über der Mitte der Stirn in Schlangen, deren Köpfe in der Mittelachse des Helmes antithetisch emporsteigen. Der eine Helm aus Olympia ist von Kunze vorläufig im AEÄT. 17, 1961/62, Xpov. 1 1 7 Taf. 1 3 2 abgebildet.

Griechische

Terrakotten

16. Dionysos-Protome. Inv. T. 670. Abb. 30. H 2 1 cm. Nach glaubwürdiger Angabe in Attika gefunden. Rötlichbrauner, attischer Ton. Gesicht, Hals und unterer Teil der Protome mit dem horizontalen Abschluß des Chiton am Hals und den herabfallenden Enden derbreiten Tänie waren aus Matrizen gewonnen. Der B a r t und die

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zu Schnecken stilisierten Locken über der Stirn sind aus freier Hand anmodelliert. In der Tänie über dem Haar in der Mitte eine flache Vertiefung von einem beabsichtigten, aber nicht ausgeführten Loch. Das ausgeführte Aufhängeloch befindet sich (vom Betrachter aus) rechts daneben. Rückseite offen. Die ganze Protome war — auch rückwärts—weiß grundiert, die nicht bekleideten Teile (Gesicht, Hals) sind leuchtend rot bemalt. Reste von anderen Farben haben sich nicht erhalten. Im Gesicht und Haar einzelne feine Platzrisse. Die eine Ecke der Protome ist ergänzt. Die Lider sind nicht deutlich voneinander getrennt und im einzelnen nicht ausgeführt, wie dies in der attischen Plastik des ausgehenden 6. Jhs., in Anlehnung an ostgriechische Vorbilder, häufig vorkommt. Der Mund mit den vollen, lebhaft bewegten Lippen ist im Vergleich zu der kräftigen Nase und den breit ausladenden Nasenflügeln klein. Abb. 30. Dionysos-Protome Attisch, um 500. Zur Bedeutung der Dionysosmasken Wrede, AM. 53, 1928, 81 ff. und W. F. Otto, Dionysos (1938) 81 ff. Dionysosmasken und Dionysosprotomen scheinen sich in Böotien öfter gefunden zu haben als in Attika, vgl. F. Winter, Die Typen der figürl. Terrakotten I (1903) 248 und P. Knoblauch, Studien zur archaisch-griechischen Tonbildnerei (Diss. Halle 1937) 167ff. Der Frage, ob die spätarchaischen Terrakottamasken des Dionysos als Weihgeschenke an den Maskengott aufzufassen sind, oder nicht vielmehr in dem Sinne in das Grab gekommen sind, daß der Tote bei der Gottheit ruhen sollte, die Leben gibt und das Leben nimmt, sei hier nicht weiter nachgegangen, vgl. dazu auch Thimme, Antike Kunst 8, 1965, 79 Anm. 26. Zur Frisur über der Stirn Chr. Karusos, Aristodikos 17 und 86f., Anm. 3 1 . Nahe stilistische und zeitliche Parallelen begegnen in den Köpfen von den Metopen des Athener Schatzhauses in Delphi, FdD. IV 4. H. Kähler, Das griech. Metopenbild (1949) Taf. 43f.; zur Datierung der Metopen »gegen 500« Kähler, ebenda 102. Der verhältnismäßig kleine Mund bei auch sonst manieriert zugespitzten Formen kehrt an attischen Koren dieser Zeit mehrfach wieder, vgl. Akropolismuseum Nr. 640 und 616, H. Payne und G. M. Young, Archaic Marble Sculpture from the Acropolis (1936) Taf. 91 und 56. Aus derselben Werkstatt wie die Kasseler Protome stammt eine Dionysos-Protome unbekannten Fundortes im Britischen Museum, R. A. Higgins, Cat. of Terracottas in the Department of Greek and Roman Antiquities I Taf. 108, 803; H. B. Walters, Cat. of Terracottas B 77. Higgins bemerkt zu der Londoner Protome unter Hinweis auf Winter a. O. I 243, 10, es handele sich eigentlich um einen weiblichen Typus, der nur durch den Bart zu einem männlichen Kopf umgebildet sei.

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Abb. 31 und 32. Thronende. Terrakotta

17. Thronende. Inv. T. 672. Abb. 31 und 32. H. 23 cm. Aus Attika. Warmer hellbrauner, glimmerhaltiger attischer Ton. Für die Vorderseite der Figur ist eine Matrize verwendet. Die Rückseite, der kastenförmige Thron, die quadratische Fußbank und die zur Mitte hin leicht konkave Unterseite sind glatt verstrichen. Innen hohl. Auf der Unterseite ist ein größeres Stück ausgebrochen. Die weiße Grundierung und die rote und schwarze Bemalung sind nur noch stellenweise gut erhalten, meist aber bis zum Tongrund verlorengegangen. Die Figur sitzt in strenger Haltung auf einem Kissen, den Kopf mit der kräftigen Nase und den vollen Lippen geradeaus gerichtet, die Hände über den Knien. Die niedrige Stirn ist von flachem Haar im Halbkreis eingefaßt. Darüber ein Diadem. Die Figur trägt einen langen, ärmellosen Chiton und einen Mantel, der wie ein Schleier über den Hinterkopf gezogen ist und dessen Kanten die Gestalt auf beiden Seiten gleichmäßig in einem einheitlichen, schön geschwungenen Bogen von den Wangen über die Schultern und Arme bis zu den Handgelenken einrahmen. Vor den Unterschenkeln fällt der Saum des Mantels in treppenförmigen Falten bis zur unteren Borte des Chitons herab. An den Füßen breite rote Schuhe. Der Thron hat keine Armlehnen, die Rückenlehne ist oben waagerecht begrenzt. Auf dem linken Bein des Thrones ein hohes, dunkelrot und schwarz gemaltes Palmettenornament, dem auf dem rechten Bein ein ebensolches entsprochen haben wird. Reste von dunkelroter und schwarzer Bemalung auch auf den Seitenteilen, auf der Rückseite und der Lehne des Thrones. Der Chiton zeigte ursprünglich eine reiche feuerrote Bemalung, von der sich noch Teile erhalten haben: längs der unteren

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Abb. 33. Löwenkopf von einer Sima. Terrakotta

Kante eine Borte mit Zungenmuster, in Höhe des Gürtels (oder auf dem Gürtel selbst?) ein eingefaßtes Band mit Rautenmuster und ein ähnliches, vertikales Band zwischen den Brüsten. Reste von roter Bemalung auf dem Chiton über dem Schoß (Palmette?) und auf dem unteren Teil des Mantels. Auch das Kissen scheint mit Streifen bemalt gewesen zu sein. Attisch, um 490. Zum Typus vgl. F. Winter, Die Typen der figürl. Terrakotten I 48 ff. und Knoblauch a. O. i74ff. zu D 180, 344ff. sowie S. Mollard-Besques, Cat. Raisonné des Figurines et Reliefs en Terre-cuite Grecs, Etrusques et Romains I (1954) 4, zu B 6f. 18. Löwenkopf von einer Sima. Inv. T. 668. Abb. 33 und 34. Tiefe 19 cm, Breite vom einen zum anderen Ohr 19,7 cm. Nach glaubwürdiger Angabe aus Olympia. Der Kopf, der von der Simaplatte unregelmäßig abgebrochen ist, besteht aus rotbraunem, glimmerhaltigem Ton. E r ist dickwandig, hat in der Mitte der Rückseite eine ovale, 5—6 cm große Öffnung als Brennloch und setzt sich aus großen, klar nebeneinander stehenden und zugleich untereinander verbundenen Kompartimenten zusammen. Die plastischen Formen sind fest und gesammelt, dabei ist die Modellierung reich bewegt. Das Gesicht wird durch den Kranz der Mähne eingefaßt, die im unteren Teil in drei, im oberen Teil (bis zu den runden Ohren) in vier Schichten einzelner, aus freier Hand gearbeiteter, gestaffelter Zotteln wiedergegeben ist. Der Stilisierung der Mähne entspricht die ornamentale Wiedergabe der Lefzen und die dekorative Gravierung der Schnurrhaare. Der Rachen ist nicht durchbohrt, bildet vielmehr in der Tiefe eine geschlossene Höhlung. Das rechte Ohr, einige Zotteln der Mähne, namentlich über der Stirn, mehrere Zähne im rechten Oberkiefer und ein kleines Stück am Unterkiefer sind

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Abb. 34. Profilansicht des Löwenkopfes Abb. 33

abgebrochen. An der rechten Schläfe eine Absplitterung. Reste von weißer Grundierung, keine Spuren einer farbigen Bemalung. Die Oberfläche ist großenteils mit einer dünnen, hellgrauen Sandschicht bedeckt. Peloponnesisch. Der Kopf ist stilistisch jünger als die Wasserspeier vom Parthenon, M. Collignon, Le Parthenon Tai. 41, 2 und 3 ; BrBr. Tai. 82b und vom Heraion in Argos, Ch. Waldstein, The Argive Heraeum 124t. Abb. 61. 62; BrBr. Taf. 82a. E r steht zeitlich etwa auf der gleichen Stufe wie die Löwenköpfe auf den Tetradrachmen von Rhegion, die H. Herzfelder, Les Monnaies d'Argent de Rhegion (1957) i o i f f . Nr. 7 2 — 1 1 4 , Taf. 8 — 1 1 unter seiner zweiten Serie, 5. Gruppe (etwa 415—387 v. Chr.) zusammengefaßt hat. Die Löwen auf den Münzen von Rhegion weisen eine ähnliche Abteilung der Stirn, Backenpartie und Schnauze durch deutlich hervorgehobene, eingegrabene Vertiefungen auf und besitzen ähnlich bewegte Protuberanzen in der Mitte der Stirn. Auch die Form der Augen und die Stilisierung der Nase mit den waagerechten Einschnitten auf dem breiten Nasenrücken sind verwandt. Gegenüber den Löwenköpfen von der Sima des Philippeions in Olympia, Olymp. Forschungen I i o f . Abb. 1. 2 mit ihrer weiter fortgeschrittenen Auflockerung der plastischen Formensprache und der bewegteren Bildung der Mähne muß der Kasseler Löwenkopf jedoch älter sein. Das spricht für eine Datierung in die erste Hälfte des 4. Jhs., ein Ansatz, der sich durch Münzprägungen, wie die karischen Tetradrachmen des Eobolos, stützen läßt, BMC. Caria etc. Taf. 14, 6 sowie durch den Vergleich mit den Wasserspeiern vom Asklepios-Tempel in Epidaurus und aus der Glauke in Korinth, Willemsen, Olymp. Forschungen IV 58 f. Taf. 49 f. Nach den Maßen dürfte der Kasseler Löwenkopf von einem Gebäude in der Größe eines Schatzhauses herstammen. Bisher scheinen weitere Wasserspeier von der gleichen Sima nicht bekanntgeworden zu sein.

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19. Büste der Demeter oder Kore. Inv.

Einh Büste. Zu beiden 'seiten ^ ^ ^^^^^^^^^^^^^^ ^ des Kopfes fallen die Enden einer Tänie * herab. Abb Der Kopf entspricht in seiner breiten - 35- Büste der Demeter oder Kore Anlage und in der weichen Modellierung der plastischen Formen mit ihren unbestimmten, wenig akzentuierten Übergängen einem Schönheitsideal, das für die Kunst Großgriechenlands, insbesondere Tarents in der ersten Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. charakteristisch ist, vgl. zum Beispiel S. Mollard-Besques, Catalogue Raisonné des Figurines et Reliefs en Terre-cuite Grecs, Etrusques et Romains I (1954) Taf. XC, C 274ff. u. ö., sowie E. Langlotz und M. Hirmer, Die Kunst der Westgriechen (1963) Taf. X I I und Abb. 135. Im Auktions-Katalog der Ars Antiqua, Luzern V 7. 11. 1964, Nr. 87, wo die Büste zum erstenmal veröffentlicht ist, wird mit Recht hervorgehoben, daß sie die Schönheit und Monumentalität eines großplastischen Werkes besitzt. K. Schauenburg, Helios 42 t. und 75 Anm. 382, sowie Antike Kunst 5, 1962, 62 hat gesehen, daß die Kreuzfackel nur im unteritalischen Bereich, insbesondere im Kreis von Demeter und Kore, vorkommt. 20. Zwölf vergoldete Terrakotta-Appliken Abb. 36 und 37.

von Holzsarkophagen. Inv. T. 671, 1—12.

Hellbrauner, tarentinischer Ton. Hellgelbe Grundierung. Obwohl es sich um einen geschlossenen Grabfund im weiteren Stadtgebiet von Tarent handelt, lassen sich dem Stil nach mehrere Hände unterscheiden. So sind drei Appliken, und zwar zwei niedergebrochene Hirsche aus der gleichen Form (T. 671, 2—3. — L 12,5; H 5 cm) und ein niedergebrochenes, sich umblickendes Pferd (T. 671, 4. — L 1 1 ; H 5,4 cm), zierlicher und zugleich auf der Vorderseite runder gebildet als die anderen. Unter den übrigen Appliken befinden sich geläufige Typen, wie der Greif im Ansprung (T. 671, 11. — Ahnlich: R. Lullies, Vergoldete Terrakotta-Appliken aus Tarent, RM. Erg.-H. 7 [1962] Taf. 21, 2), der sich umblickende Greif (T. 671, 10. — Ähnlich: Lullies a. O. Taf. 5, 1), das niedergebrochene Pferd nach links (T. 671, 9. — Ähnlich: Lullies a. O. Taf. 20, 5) und eine Gruppe von zwei Greifen, die ein Pferd reißen (T. 671, 5. — Ähnlich: Lullies a. 0. Taf. 5, 4).

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Abb. 36 und 37. Vergoldete Terrakotta-Appliken

Von den restlichen Appliken seien hier zwei Tierkampfgruppen wegen der ungewöhnlichen Verbindung der Tiere hervorgehoben, ferner eine Nereide mit einer Beinschiene des Achill auf einem Seeungeheuer, da sie durch ihre Qualität, die gut erhaltene Vergoldung und die blaue Bemalung der Wellen bemerkenswert erscheint. Die beiden Tierkampfgruppen stellen einen Löwen und einen Panther dar, die einen Hirsch zerfleischen (T. 671, 6. 7. — L 17; H 6 cm, Abb. 36 = T. 671, 7). Sie haben ihre Gegenstücke namentlich in Gruppen in Wien mit einem niedergebrochenen, sich umblickenden Pferd, das von einem Greifen und einem Panther zerrissen wird (Lullies a. O. Taf. 26, 3) und in Tarent, wo es zwei Greifen sind, die ein Reh zerfleischen (Lullies a. O. Taf. 17, 3. 4). Die Nereide (T. 671,1.— L 10,5; H 7 cm, Abb. 37) muß aus einer längeren Reihe von ähnlichen Nereiden stammen, die sich mit den Waffen zu dem trauernden Achill hin bewegten (vgl. Lullies a. O. 61 f.). Tarentinisch, zweite Hälfte des 4. Jhs., vgl. auch H. Hoffmann, A J A . 68, 1964, 315 f.

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Abb. 38 und 39. Frauenkopf von einem Mumienporträt aus Stuck

Stuck 21. Weiblicher Kopf. Inv. V ( = Varia) 67. Abb. 38 und 39. H 19 cm. Vormals Sammlung Baron von Oppenheim. Der Kopf, der von einem Mumienporträt abgebrochen ist, gibt eine Frau in jüngeren Jahren wieder, mit vollen Wangen, kleinem Mund und Kinn und breitem Nasenansatz. Sie trägt Ohrgehänge und einen Kranz über der kunstvoll angeordneten Frisur. Das gewellte und in der Mitte gescheitelte Haar fällt in gedrehten Zöpfen hinter den Ohren herab. Über der Stirn liegt es in kleinen Kreisen an, die sich von dem übrigen Haar herausgelöst haben. Auf weißer Grundierung war das Gesicht rosa, das Haar, Augenlider, Brauen und die Mundspalte schwarz bemalt. Der Kranz war braun mit Spuren von Hellblau. Die Reste eines Tuches oder Schleiers hinter den Ohren sind grün. Für das Gesicht war eine Negativform verwendet, alles andere war aus freier Hand anmodelliert. Die Rückseite ist offen. Ägyptisch-römisch, 1. J h . n. Chr. Zur Gattung der Stuckporträts römischer Zeit aus Ägypten vgl. Greifenhagen, AA. 1933, 435ff.; Colin, R A . 29/30, 1949, 207ff.; Crimmon, A J A . 49,1945, 52ff.; zuletzt K. Parlasca, Mumienportäts und verwandte Denkmäler (1966). Marmor 22. Doppelherme: Bacchus und Ariadne. Inv. Sk. 120. Abb. 40—42. H 26,5; größte B r 21,5 cm. Aus Ostia.

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Weißer, ziemlich großkristallinischer, italischer Marmor. Cremefarbene Patina. Der Kopf des Bacchus gibt einen archaistischen Typus wieder mit langem Backenund Schnurrbart, zwei Reihen Korkzieherlocken, die von dem übrigen Haar durch einen Reifen abgesetzt sind, und langen, geflochtenen Zöpfen hinter den Ohren. Die rechte Seite ist stark versintert. Der jugendliche Kopf der Ariadne trägt in der Mitte gescheiteltes Haar, das oben von einem Band zusammengehalten wird, und zwei kurze Zöpfe an den Seiten.

Abb. 40. Doppelherme von Bacchus und Ariadne

Die Herme wird dekorativ aufgestellt gewesen sein wie die ähnlichen Doppelhermen aufs dem Haus der Vettier in Pompeji, A. Mau, Pompeji (1900) 316 Abb. 163 und S. 440 Abb. 261. Die Köpfe schließen sich an späthellenistische Vorbilder an. Die Behandlung der plastischen Form weist auf eine Entstehung der Herme im 1. Jh. n. Chr. hin.

23. Männlicher Porträtkopf. Inv. Sk. 121. Abb. 43 und 44. H 35 cm. Aus Palmyra. Der überlebensgroße unbärtige Kopf aus feinem, lokalen Sandstein saß fast senkrecht, jedoch ein wenig zu seiner Linken gewendet auf dem Hals. Das Haar, das in Reihen von kurzen Lockenbüscheln gegliedert und auf der rechten Seite tief gescheitelt ist, liegt eng am Kopf an. An der Nasenwurzel zwei kurze Falten in Form von Rillen, je zwei weitere über der Mitte der Stirn und den Brauen. Die großen Augen mit geritzter Iris und Pupille blicken starr geradeaus. Der Ausdruck des kleinen Mundes ist durch die schmalen Lippen und die herabgezogenen Mundwinkel bestimmt. Die plastischen Formen haben etwas Hartes, Unsinnliches. Dabei wohnt dem Kopf ein hohes Maß von Monumentalität inne. Da er — auch rückwärts — vollrund ausgearbeitet ist, wird er nicht von einem Grabrelief, sondern von der Deckelfigur eines Sarkophages herstammen, vgl. S. Abdul-Hak, Les Trésors du Musée Nat. de Damas 2 Taf. X I X oder S. und A. Abdul-Hak, Cat. illustré du Département des Antiquités Gréco-rom. au Musée de Damas (1951) Taf. X I X 2. Der Kopf ist im Auktionskatalog der Ars Antiqua, Luzern V 7 . 1 1 . 64 Nr. 11 Taf. IV veröffentlicht und dort bereits stilistisch mit dem Kopf des Malikou, Sohn des Simon, auf einer Palmyrener Stele des 2. Jhs. n. Chr. in Verbindung gebracht (Dupont-Sommer, Syria 23, 1942/43, 78ff. Taf. 5). 24. Büste des Lucius Verus. Inv. Sk. 119. Abb. 45 und 46. H ohne den modernen Büstenfuß 65 cm. Weißer, großkristallinischer Marmor, cremefarbene Patina. Der Kopf und der bekleidete Teil der Büste bestehen aus einem einzigen Marmorblock. Linke Schulter mit dem Gewand

NEUERWERBUNGEN DER STAATL. KUNSTSAMMLUNGEN KASSEL

Abb. 41. Bacchus der Doppelherme Abb. 40

121

Abb. 42. Ariadne der Doppelherme Abb. 40

Abb. 43 und 44. Männlicher Porträtkopf aus Palmyra

122

R.

LULLIES,

NEUERWERBUNGEN KASSEL

U.

J A N T Z E N ,

123

GREIFENPROTOMEN

ergänzt. Gesicht und Bartansatz leicht geputzt. Der Kopf gehört zu dem Haupttypus der bekannten Bildnisse des Kaisers, der durch die niedrige Stirn, das unruhig bewegte Haar, durch die kleinen, von waagerechten Brauenbögen beschatteten Augen mit den dicht an das obere Lid angrenzenden gebohrten Pupillen, den dünnen Schnurrbart und den gelockten Backen- und Spitzbart charakterisiert ist, vgl. M. Wegner, Die Herrscherbildnisse in antoninischer Zeit (1939) 56 ff. Diese Fassung vertritt das offizielle Porträt des Kaisers, das — ebenso wie die früheste offizielle Reichsprägung mit dem Bildnis des Lucius Veras — wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem zweiten Konsulat und dem Beginn der gemeinsamen Herrschaft mit Marc Aurel im Jahre 1 6 1 in Rom entstanden ist. Die Kasseler Büste darf neben der Büste im Louvre (Nr. 1 1 0 1 , Wegner a. O. Taf. 42) als das beste Exemplar des Typus gelten. Zu den Porträts des Lucius Verus in Spanien vgl. Wegner, AEsp. 26, 1953, 88f. Kassel

Reinhard

Lullies

D I E G R E I F E N P R O T O M E N D E R SAMMLUNG E R B A C H Sechs bisher übersehene Greifenprotomen in der Sammlung des Grafen Erbach zu Erbach im Odenwald 1 bieten einen neuen Beitrag zum Kapitel der griechischen Greifenkessel. E s handelt sich um sechs Exemplare gleicher Größe und fast völlig gleichen Aussehens (Abb. 1—12), in denen sich zweifellos die Ausstattung eines einzigen Bronzekessels erhalten hat. Über ihren Fundort läßt sich mit völliger Sicherheit nichts ermitteln. Sie gehören zu den Antikenkäufen des Grafen Franz zu Erbach (1754—1823), der seine Haupterwerbungen2 während seiner beiden Italienreisen 1774—1775 und 1790—1791 getätigt und auch späterhin, im vorliegenden Falle offensichtlich nach 1812, noch fortgesetzt hat. Denn im Erbacher handschriftlichen Sammlungskatalog Nr. 3 von 1840 »Beschreibung der antiken Waffen« heißt es auf Seite 69: »Iu den Ruinen der Kaserne der Prätorianer zu Rom wurden 1 8 1 2 sechs solcher, sich ganz gleicher Greifenköpfe gefunden, wie der unter Nr. 2 hier gezeichnet ist. Wahrscheinlich waren es Hauptzierden von Helmen unter diesem oder jenem Kaiser, der aber nicht bestimmt werden kann«. Warum diese unglaubwürdige Fundnotiz den Greifenprotomen mit auf den Weg gegeben wurde, läßt sich vielleicht verstehen. Da 1

Für die Erlaubnis, die Greifenprotomen untersuchen, fotografieren und publizieren zu dürfen, bin ich der Gräflich Erbach-Erbach- und Wartenberg-Rothischen Rentkammer zu großem Dank verpflichtet, ebenso für eine Reihe von Auskünften über die Stücke. Die Aufnahmen der Protomen 1 — 5 (Abb. 1 — 1 0 ) stammen vom Verfasser; sie sind im April 1965 angefertigt worden, als die 6. Protome sich in Mainz zur Konservierung befand. Daher fertigte freundlicherweise Herr Oberrestaurator F. Waih in Mainz nach der Restaurierung dieses Exemplars die Vorlagen zu Abb. 1 1 und 1 2 an. Auch die

2

übrigen fünf Protomen sollen einer Restaurierung unterzogen werden. Bis auf die an einigen Stellen aufgetretene, fressende Patina ist die Erhaltung einwandfrei. Leider wurden bei der Montage der Stücke je zwei neue Löcher durch die Ansatzplatten gebohrt. Über die Entstehungsgeschichte der Sammlung E r b a c h : K . B . Stark, Zwei Alexanderköpfe der Sammlung Erbach und des Britischen Museums zu London. Festschrift . . . R o m 2 1 . 4. 1879 (Leipzig 1879); E . G. Anthes, Die Antiken der Gräflich Erbach-Erbachischen Sammlung zu Erbach i. O. (Darmstadt 1885).

U.

J A N T Z E N ,

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GREIFENPROTOMEN

ergänzt. Gesicht und Bartansatz leicht geputzt. Der Kopf gehört zu dem Haupttypus der bekannten Bildnisse des Kaisers, der durch die niedrige Stirn, das unruhig bewegte Haar, durch die kleinen, von waagerechten Brauenbögen beschatteten Augen mit den dicht an das obere Lid angrenzenden gebohrten Pupillen, den dünnen Schnurrbart und den gelockten Backen- und Spitzbart charakterisiert ist, vgl. M. Wegner, Die Herrscherbildnisse in antoninischer Zeit (1939) 56 ff. Diese Fassung vertritt das offizielle Porträt des Kaisers, das — ebenso wie die früheste offizielle Reichsprägung mit dem Bildnis des Lucius Veras — wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem zweiten Konsulat und dem Beginn der gemeinsamen Herrschaft mit Marc Aurel im Jahre 1 6 1 in Rom entstanden ist. Die Kasseler Büste darf neben der Büste im Louvre (Nr. 1 1 0 1 , Wegner a. O. Taf. 42) als das beste Exemplar des Typus gelten. Zu den Porträts des Lucius Verus in Spanien vgl. Wegner, AEsp. 26, 1953, 88f. Kassel

Reinhard

Lullies

D I E G R E I F E N P R O T O M E N D E R SAMMLUNG E R B A C H Sechs bisher übersehene Greifenprotomen in der Sammlung des Grafen Erbach zu Erbach im Odenwald 1 bieten einen neuen Beitrag zum Kapitel der griechischen Greifenkessel. E s handelt sich um sechs Exemplare gleicher Größe und fast völlig gleichen Aussehens (Abb. 1—12), in denen sich zweifellos die Ausstattung eines einzigen Bronzekessels erhalten hat. Über ihren Fundort läßt sich mit völliger Sicherheit nichts ermitteln. Sie gehören zu den Antikenkäufen des Grafen Franz zu Erbach (1754—1823), der seine Haupterwerbungen2 während seiner beiden Italienreisen 1774—1775 und 1790—1791 getätigt und auch späterhin, im vorliegenden Falle offensichtlich nach 1812, noch fortgesetzt hat. Denn im Erbacher handschriftlichen Sammlungskatalog Nr. 3 von 1840 »Beschreibung der antiken Waffen« heißt es auf Seite 69: »Iu den Ruinen der Kaserne der Prätorianer zu Rom wurden 1 8 1 2 sechs solcher, sich ganz gleicher Greifenköpfe gefunden, wie der unter Nr. 2 hier gezeichnet ist. Wahrscheinlich waren es Hauptzierden von Helmen unter diesem oder jenem Kaiser, der aber nicht bestimmt werden kann«. Warum diese unglaubwürdige Fundnotiz den Greifenprotomen mit auf den Weg gegeben wurde, läßt sich vielleicht verstehen. Da 1

Für die Erlaubnis, die Greifenprotomen untersuchen, fotografieren und publizieren zu dürfen, bin ich der Gräflich Erbach-Erbach- und Wartenberg-Rothischen Rentkammer zu großem Dank verpflichtet, ebenso für eine Reihe von Auskünften über die Stücke. Die Aufnahmen der Protomen 1 — 5 (Abb. 1 — 1 0 ) stammen vom Verfasser; sie sind im April 1965 angefertigt worden, als die 6. Protome sich in Mainz zur Konservierung befand. Daher fertigte freundlicherweise Herr Oberrestaurator F. Waih in Mainz nach der Restaurierung dieses Exemplars die Vorlagen zu Abb. 1 1 und 1 2 an. Auch die

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übrigen fünf Protomen sollen einer Restaurierung unterzogen werden. Bis auf die an einigen Stellen aufgetretene, fressende Patina ist die Erhaltung einwandfrei. Leider wurden bei der Montage der Stücke je zwei neue Löcher durch die Ansatzplatten gebohrt. Über die Entstehungsgeschichte der Sammlung E r b a c h : K . B . Stark, Zwei Alexanderköpfe der Sammlung Erbach und des Britischen Museums zu London. Festschrift . . . R o m 2 1 . 4. 1879 (Leipzig 1879); E . G. Anthes, Die Antiken der Gräflich Erbach-Erbachischen Sammlung zu Erbach i. O. (Darmstadt 1885).

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ULF

J A N T Z E N

Abb. 3 und 4. Greifenprotome der Sammlung Erbach

D I E G R E I F E N P R O T O M E N D E R SAMMLUNG E R B A C H

Abb. 5 und 6. Greifenprotome der Sammlung Erbach

Abb. 7 und 8. Greifenprotome der Sammlung Erbach 9 A A . 1966

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I2Ö

ULF

J A N T Z E N

Abb. I i und 12. Greifenprotome der Sammlung Erbach

D I E G R E I F E N P R O T O M E N D E R SAMMLUNG

ERBACH

127

sie als Helmzier römischer Krieger erklärt wurden, bedurfte es eines zugkräftigen Fundplatzes für diese zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch gänzlich unbekannten Gegenstände. Meines Wissens handelt es sich hier um den ältesten Greifenfund überhaupt. Alle übrigen sind erst vom späteren 19. Jahrhundert an gefunden und dann auch sogleich richtig als Kesselprotomen verstanden worden. Mag es auch unwahrscheinlich sein, daß innerhalb des Castro Pretorio in Rom, denn nur dieses kann gemeint sein, ein etruskisches Grab mit sechs Greifenprotomen ausgegraben wurde, so läßt sich aus der Inventareintragung, aus der Jahreszahl 1812 und dem Herkunftsland Italien, doch wohl ein etruskischer Fundort erschließen. Eine innere Wahrscheinlichkeit für Etrurien als Fundplatz der Erbacher Greifen kommt hinzu. Wie wir aus den Fundumständen der bisher bekanntgewordenen Greifenkessel oder einzelnen Protomen3 wissen, haben ausschließlich die etruskischen Gräber Italiens vollständige Kesselbefunde bewahrt, während die ständigen Erneuerungen, die sich periodisch wiederholenden Abräumungen veralteter Votive oder sonstige Zerstörungen in den griechischen Heiligtümern der Erhaltung vollständiger Kesselausrüstungen nicht in gleicher Weise günstig waren. Zwar gibt es auch aus Olympia und aus dem samischen Heraion viele unter sich fast identische Protomen, doch läßt sich die Zusammengehörigkeit solcher Stücke nur behaupten, nicht aber durch Fundumstände belegen. Die sechs Protomen der Sammlung Erbach dürften demnach einen geschlossenen Fundkomplex darstellen, der sich im Grab eines etruskischen Fürsten erhalten hat. Damit ist zugleich ein neuer Beleg dafür gewonnen, daß die kanonische Protomenzahl eines Kessels sich auf sechs belief, wofür ja schon mehrfach Gründe angeführt werden konnten4.

3

4

U. Jantzen, Griechische Greifenkessel (1955). — Marunti, Lebeti etruschiin StEtr. 27, 1959, 65 ff. — H.-V. Herrmann, Die Kessel der orientalisierenden Zeit. I. Kesselattaschen und Relief untersätze. Olymp. Forschungen V I (1966). — Teil I I (Protomen und Stabdreifüße) ist bei Abschluß meines Manuskriptes noch nicht erschienen. F ü r die kanonische Sechszahl sprechen folgende Kesselfunde: Aus Griechenland: a) Olympia. Inv. Br. 7497. Sehr zerdrückter Kessel, dessen Protomen nicht erhalten sind. An sechs Stellen befinden sich je drei Nietlöcher zur Befestigung der Protomen. — A. Furtwängler, Olympia I V 1 2 3 (c. Die Kessel). b) Olympia B 4224. Von den 6 Protomen nur 3 in ihren Ansätzen erhalten. — Herrmann, Olymp. Forschungen V I 6 Nr. 5. 1 1 ff. Taf. 1 bis 4. Aus Etrurien: c) Praeneste, Tomba Barberini: 3 Greifen, 3 Löwen. — Jantzen, Greifenkessel 14 Nr. 8 — 1 0 ; Marunti, S t E t r . 27, 1959, 66 Nr. 1 ; V. Poulsen, Meddelelser fra N y Carlsberg Glyptotek 1 4 , 1 9 5 7 , i f f . ; Herrmann, Olymp. Forschungen

s>*

d)

e)

f)

g)

V I 6 Nr. 2. — Die von mir (Greifenkessel 44) ausgesprochene Vermutung, daß die Protome im Louvre Br. 2614 zum Barberini-Kessel gehören könnte, hat sich nicht bestätigt. Zum Bernardini-Kessel kann diese Protome ebenfalls nicht gehören, bleibt also ein Einzelstück. Praeneste, Tomba Bernardini: 6 Greifen. — Jantzen, Greifenkessel 1 5 Nr. 25—29; Marunti, StEtr. 27, 1959, 67 Nr. 4; Herrmann, Olymp. Forschungen V I 6 Nr. 1. Vetulonia, Circolo dei Lebeti: 6 Greifen. —• Jantzen, Greifenkessel 14 Nr. 1 5 — 2 0 ; Marunti, StEtr. 27, 1959, 67 Nr. 3; Herrmann, Olymp. Forschungen V I 6 Nr. 3. Vetulonia, Circolo dei Lebeti: 6 Löwen. — Jantzen, Greifenkessel 36f. Taf. 9 , 1 ; Marunti, S t E t r . 27, 1959, 67 Nr. 2; Herrmann, Olymp. Forschungen V I 6 Nr. 4. Trestina: 3 Greifen, 3 Steinböcke. — Jantzen, Greifenkessel 24 Nr. 1 3 8 — 1 4 0 ; Marunti, StEtr. 27, 1959, 6 5 I Anm. 4. — Marunti stellt dankenswerterweise die falsche Fundortangabe »Brolio«, die ich von H. Mühlestein •—• leider ungeprüft — übernommen hatte, richtig: Der Fundort ist Trestina (Città di Castello), das Fundjahr 1910. Das gleiche gilt f ü r die Greifenprotome Jantzen, Greifenkessel 24 Nr. 1 4 1 in Florenz Inv. 84487. —• Leider habe

128

U I- F

JANTZEN

Abb. 13. München, aus Perugia

Abb. 14. Samos, Heraion B. 440

Der Typus der Erbacher Greifen ist schon einmal durch einen Fund aus Italien vertreten, und zwar durch die beiden Protomen aus Perugia in München (Abb. 13) 5 . Diese wiederum sind durch Formgleichheit mit dem samischen Greifen B. 440 (Abb. 14)6 so eng verbunden, daß die Entstehung der Perugia- wie der Erbach-Greifen auf Samos kaum zu bezweifeln ich diesen Typus den »Brolio-Typus« genannt, der nun eigentlich in »Trestina-Typus« umgetauft werden müßte. Aus Brolio stammt nur eine kleinere Protome, Jantzen, Greifenkessel 24 Nr. 133 in Florenz Inv. 574. — Frl. cand. phil. W. Aschoff danke ich für ihre Bemühungen um diese Fragen im Museum von Florenz. Ebenso danke ich Herrn G. Caputo für die freundliche Übersendung einiger Fotografien von Bronzen aus Brolio und Trestina. h) Tarquinia: 6 Greifen. — Jantzen, Greifenkessel 24 Nr. 127—132. Einen besonders großen Kessel Inv. Br. 13540 (größter Dm 1,25 m), von dem nur der Rand geborgen werden konnte, nennt Furtwängler (Olympia I V 123f. Nr. 809 mit Abb.). E r errechnet aus den Ansatzspuren 8 Protomen, was vielleicht als Ausnahme für derartige Riesenkessel gelten kann. Herrmann (Olymp. For-

schungen V I 146 Anm. 11) rechnet mit Greifenprotomen des zusammengesetzten Typus. — Der späte und provinzielle Kessel von La Garenne (Joffroy, MonPiot. 51, i960, iff.) kann mit seinen 4 erhaltenen Protomen die Sechszahl als Norm nicht erschüttern. 5

Jantzen, Greifenkessel 62 Nr. 58 und 59 Taf. 21, 1. 2. Auf den Abbildungen ist die Stellung der beiden Perugia-Greifen nicht ganz korrekt; sie sind etwas zu sehr vornüber geneigt. Die Ohren müßten schräg nach hinten zeigen, was auf unserer Abb. 13 korrigiert worden ist. Die beiden bei Furtwängler, Olympia I V 123 als in Perugia befindlich erwähnten Greifen konnte ich bisher nicht finden. E s fragt sich, ob sie nicht mit denen in München identisch sind (Jantzen, Greifenkessel 105 unter Nr. 6).

6

Jantzen, Greifenkessel 17 Nr. 55; Jantzen, AM. 73. 32 Beil. 34, 1. 2.

D I E G R E I F E N P R O T O M E N D E R SAMMLUNG

ERBACH

129

ist. Wollte man ausschließlich nach der Anzahl und Verteilung der Funde urteilen, so würde sich freilich ein anderes Bild ergeben, da den acht Greifenprotomen dieses Typus aus Etrurien bisher nur die eine aus dem samischen Heraion gegenübersteht. Doch darf hier der Zufall der Fundstatistik nicht den Ausschlag geben, denn wie etruskische Nachahmungen und Weiterbildungen griechischer Protomen aussehen, glauben wir zu wissen7. Gerade die Samosprotome B. 440 und somit auch die in Etrurien gefundenen Perugia- und ErbachGreifen bilden ein so festes Glied in der langen Kette der griechischen, in unserem Fall der samischen Greifenkunst, daß dieser eleganteste und schwungvollste, zugleich auch in den Proportionen ausgewogenste Typus der frühen Samos-Greifen nicht aus dieser Kette herausgebrochen werden kann. Die sechs Erbacher Greifen variieren in der Höhe nur um wenige Millimeter, je nach ihrem etwas unterschiedlichen Erhaltungszustand, der aus den Abbildungen zu ersehen ist. Ihre Maße bewegen sich zwischen 0,194 und 0,203 m. Diese decken sich genau mit den beiden Perugia-Protomen (0,20 m) und dem Samos-Greifen B. 440 (0,205 m), so daß dieser Typus, soweit wir bisher sehen können, offensichtlich nur in diesem einen Format hergestellt worden ist. Der Vergleich zwischen den Erbacher, den Perugia- und dem Samos-Greifen ergibt ganz eindeutig nur einen einheitlichen Typus, wenn man den Kontur, die plastisch aufgelegte Spirallocke, die spitzen Ohren, den Knauf und die über die ganze Ausdehnung des Halses verteilte Schuppung betrachtet. Doch gibt es auch kleinere Unterschiede, so bei der Ausformung der Augen, die bald etwas größer, bald etwas kleiner erscheinen. Sie waren bei sämtlichen Exemplaren in fremdem Material, üblicherweise in Knochen oder Elfenbein, eingelegt, bei dem samischen zudem in einer kreisrunden Durchbohrung eingelassen. Diese Einlagen haben sich nicht erhalten. Auch die Formen des bekrönenden Knaufes über dem Kopf sind etwas unterschiedlich ausgefallen. Der kleine Ring unter dem breiten Perlglied kann fehlen, ebenso die oberste Spitze. Die Gleichheit der Beobachtungen auf herstellungstechnischem Gebiet ist überzeugend. Gelegentliche Gußfehler werden sorgfältig durch eingesetzte Bronzestücke ausgeflickt. Im Inneren der hohlgegossenen Protomen sind überall die Reste der Kernmasse aus rötlichem Ton und die Ansatzstücke der aus kantigem Bronzedraht bestehenden Kernstützen, bei allen Exemplaren genau an derselben Stelle, zu erkennen. Die Frage der chronologischen Einordnung dieser Gruppe samischer Greifenprotomen soll hier nicht erneut erörtert werden, nachdem sie im Zusammenhang mit den übrigen griechischen Protomen im zweiten Viertel des 7. vorchristlichen Jahrhunderts angesetzt worden ist. Hamburg

7

Jantzen, Greifenkessel 80 f. Taf. 59.

Ulf J a n t z e n

P E T E R

130

R O B E R T

F R A N K E

ZUR T Y R A N N I S DES KLEARCHOS UND S A T Y R O S IN H E R A K L E I A AM PONTOS 1 Um 560 v. Chr. gründeten Auswanderer aus Megara, zu denen auch eine Gruppe Boioter gestoßen war, an der Südküste des Schwarzen Meeres die Stadt Herakleia2. Dank ihrer ungemein günstigen Lage 3 blühte die neue Polis rasch auf und konnte bald schon ihrerseits wieder Tochterstädte besiedeln: Chersonesos auf der Krim 4 und Kallatis in Thrakien sowie Kalpe und Thymias 5 . Trotz des stetig wachsenden Wohlstandes6 kam es jedoch in Herakleia wiederholt zu inneren Auseinandersetzungen in der Bürgerschaft. Demokraten und Oligarchien wechselten mehrfach in der Regierung ab. Diese Wirren — von der wohl noch in das späte 6. Jh. v. Chr. fallenden Tyrannis eines Euopios7 ist nichts Genaueres bekannt 8 — führten dazu, daß sich die Bürgerschaft wiederholt an auswärtige Mächte mit der Bitte um Schlichtung wandte, so die Oligarchen an Timotheos von Athen und im Jahre 364 auch an den vor Byzantion kämpfenden Epameinondas. Man befürchtete auf Seiten der Oligarchie vor allem, daß die vom Demos immer lauter erhobene Forderung nach einem allgemeinen Schuldenerlaß und einer Neuverteilung des Bodenbesitzes eine entscheidende Schwächung der eigenen Machtstellung zur Folge haben werde. 1

A b w e i c h e n d v o n d e n A b k ü r z u n g e n u n d Sigeln der A r c h ä o l o g i s c h e n B i b l i o g r a p h i e w e r d e n hier folgende verwendet:

G r i e c h e n u n t e r X e n o p h o n f o r d e r n ihre F ü h r e r a u f , v o n H e r a k l e i a s t a t t der freiwillig g e w ä h r t e n L e b e n s m i t t e l f ü r drei T a g e 3000 K y z i k e n e r S t a t e r e ( = 1 6 T a l e n t e ) als B e k ö s t i g u n g s g e l d z u fordern. E i n e r der G r i e c h e n v e r l a n g t s o g a r 10000 S t a t e r e . D i e S t a d t v e r s c h l o ß j e d o c h a n gesichts dieser E r p r e s s u n g s v e r s u c h e ihre T o r e , so d a ß die G r i e c h e n w e i t e r z i e h e n m u ß t e n (vgl. a n a b . 6, 2, 4f.). — V o n d e n reichen S c h ä t z e n d e s S a t y r o s b e r i c h t e t der L o k a l h i s t o r i k e r M e m n o n , F G r H i s t . 434 F 1,3,1. Z u r U n t e r s t ü t z u n g d e s K a m p f e s g e g e n die Gallier erhielt i m J a h r e 279 v . Chr. B y z a n t i o n d e n B e t r a g v o n 4000 xpuaoi (wohl Ku£iKT|voi u n d n i c h t 400 G o l d d r a c h m e n , w i e R . L a q u e u r , R E . X V I I [1937] 1620 schreibt), v g l . M e m n o n F 1 , 1 1 , 1 . D e n u m 250 v . Chr. die S t a d t b e d r o h e n d e n Galliern b o t e n die H e r a k l e i o t e n — übrigens d u r c h d e n H i s t o r i k e r N y m p h i s ( F G r H i s t . 432) — 5000 xpucjoi u n d d e n A n f ü h r e r n w e i t e r e 200, v g l . M e m n o n F 1,16,3. Z u r w i r t s c h a f t l i c h e n B l ü t e der S t a d t v g l . M. R o s t o v t z e f f , D i e hellenistische W e l t I (1955) 463; I I I (1956)

R.G.

= W . W a d d i n g t o n — E . B a b e l o n — T h . Rein a c h , R e c u e i l G é n é r a l des M o n n a i e s G r e c q u e s d ' A s i e Mineure I 2 (1908) 341 ff. (nur m i t N r . u n d T a f . - V e r w e i s des K a t a l o g s der M ü n z e n v o n H e r a kleia zitiert). B M C . = W . W r o t h , A C a t a l o g u e of G r e e k Coins in the British Museum, Pontus, Paphlagonia, B i t h y n i a a n d t h e K i n g d o m of B o s p o r u s (1889; ebenfalls n u r m i t N r . u n d T a f . - V e r w e i s des K a t a l o g s der M ü n z e n v o n H e r a k l e i a zitiert). H u n t . C o l l . = G. M a c d o n a l d , C a t a l o g u e of G r e e k Coins in t h e H u n t e r i a n Collection G l a s gow II

(1901).

W e b e r Coll. = L . Forrer, T h e W e b e r Collection of G r e e k Coins I I I 1 (1926). 2

K r . H a n e i l , M e g a r i s c h e S t u d i e n (1934) I2ff. ; J. B e r a r d , L ' E x p a n s i o n et la Colonisation G r e c q u e j u s q u ' a u x G u e r r e s M é d i q u e s (i960) i o i f . ; Chr. D a n o f f , R E . S u p p l . I X (1962) 1065 ff. s. v . P o n tos E u x e i n o s .

3

V g l . L . R o b e r t , É t u d e s A n a t o l i e n n e s (1937) 251 f.

4

Zu d e n Beziehungen zwischen Herakleia und Chersonesos vgl. die bei D a n o f f a. O. 1065 angegebene Lit.

5

H a n e i l a. O. 129I ; R o b e r t a. O. 2 4 5 ! ! ; D a n o f f a. O. 1 0 6 5 .

6

Die große Zahl v o n herakleiotischen Schiffen e r w ä h n t s c h o n X e n . a n a b . 5, 6, 10. — D i e

I 2 i 8 f . A n m . 352. 3 5 3 . 7

S u d a s. v . K l e a r c h o s .

8

D e r A r i s t o t e l e s pol. 5,5,10, v g l . 5,5,5 e r w ä h n t e E u e t i o n (in a n d e r e n Hss. a u c h E u r y t i o n g e nannt), der in H e r a k l e i a w e g e n E h e b r u c h s v e r urteilt wurde, ist k a u m mit Euopios identisch u n d e b e n s o w e n i g T y r a n n der S t a d t g e w e s e n , w i e einst A p e l a. O. 23 A n m . 1 a n n a h m . A r i s t o teles s p r i c h t lediglich d a v o n , d a ß die m i t g e h ä s siger P a r t e i l i c h k e i t d u r c h g e f ü h r t e V o l l s t r e c k u n g des a n sich g e r e c h t e n U r t e i l s einen A u f s t a n d (crrcrais) hervorrief.

Z U R T Y R A N N I S D E S K L E A R C H O S U N D S A T Y R O S I N H E R A K L E I A AM PONTOS

131

Schließlich, im Jahre 364/363, rief man einen der Verbannten, Klearchos mit Namen, nach Herakleia zurück, damit er die rechte Ordnung wiederherstelle9. Klearchos hatte sich längere Zeit in Athen aufgehalten, zum Kreis um Piaton und Isokrates gehört 10 , sich dann aber zu dem sonst unbekannten pontischen Dynasten Mithradates 11 begeben und als Söldnerführer dessen Vertrauen erworben. Daher gelang es ihm auch, die Unterstützung des Mithradates zu erhalten, indem er vorgab, diesem nach gelungener Machtgewinnung Herakleia unterstellen zu wollen 12 . Allein Klearchos, einmal im Besitze der Stadt, setzte seinen Gönner durch eine List gefangen und gab ihm die Freiheit erst zurück, als dieser feierlich auf alle Ansprüche gegenüber Klearchos und Herakleia verzichtet und zudem noch ein hohes Lösegeld entrichtet hatte 13 . Anfangs noch gestützt vom Demos, später allein auf die ihm treu ergebenen Söldner vertrauend, regierte Klearchos fortan als Tyrann über Herakleia, wiewohl er formell das vom Volk verliehene Amt eines Strategos Autokrator beibehielt. E r residierte in der befestigten Burg, enteignete und verfolgte die Oligarchen — vor allem nach einem mißlungenen Aufstandsversuch des Seilenos —, unterhielt ein ausgedehntes Spitzelsystem und beseitigte jeden, der seiner Alleinherrschaft gefährlich zu werden drohte. Die nur zu bald in ihren anfänglichen Hoffnungen enttäuschte Bürgerschaft wurde entwaffnet, was freilich zur Folge hatte, daß sich das Wirken des Klearchos auf Herakleia selbst und allenfalls auf die nächste Umgebung beschränken mußte, da ihm ein starker Rückhalt in der Bevölkerung fehlte. Dennoch unterhielt er mit Timotheos von Athen, nach welchem er seinen ersten Sohn nannte, mit Athen und mit den Perserkönigen Artaxerxes II. und III. beste Beziehungen, ja, er erhielt sogar das attische Bürgerrecht, wenngleich offenbar nur auf Fürsprache des Timotheos und um diesem einen Wunsch zu erfüllen 14 . In seinem äußeren Gehaben ging Klearchos noch über Dionysios I. von Syrakus hinaus, den er als sein großes Vorbild verehrte und dessen Namen sein zweiter Sohn trug 15 . Bei öffentlichen Auftritten ließ er einen goldenen Adler vor sich hertragen, kleidete sich in purpurne und andere, sonst nur den Göttern zustehende, kostbare Gewänder und schmückte sein Haupt mit einem goldenen Kranz. Sich selbst nannte er »Sohn des Zeus«, und einem seiner Söhne — wohl dem Timotheos — gab er den Beinamen »Keraunos«. Auch Kunst und Wissenschaft scheint er nach dem Beispiel anderer Tyrannen gefördert zu haben, wie man wohl aus der Errichtung einer Bibliothek in Herakleia schließen darf 16 . 9

10

11

12

13

Zur Chronologie vgl. K . J . Beloch, Griech. Gesch. I I I 2 1 (1922) 1 3 7 s . ; 2 (1923) 94f. Seine Daten hat auch H. Berve in seinem im Manuskript vorliegenden Buch über die griechische Tyrannis zugrunde gelegt. F ü r die Einsicht in das Herakleia betreffende Kapitel bin ich ihm zu Dank verpflichtet. Die Ansätze in der älteren Lit. sowie in den numismatischen Werken weichen davon meist um 1 — 2 Jahre nach oben ab. Vgl. den Brief des Isokrates (ep. 7) an Klearchos' Sohn Timotheos. Nach Berve a. O. vielleicht der Sohn des Satrapen Ariobarzanes; vgl. Th. Reinach, Mithradates Eupator (1895) 4*Justin. i6,4,7ff. = H. Bengtson, Die Staatsverträge des Altertums I I (1961) 243 Nr. 286. Zu den Einzelheiten, die vor allem in den Lokalgeschichten Herakleias von Memnon und N y m -

14

15

16

phis (FGrHist. 432. 434) überliefert sind, verweise ich auf das Anm. 9 angekündigte B u c h von H. Berve. Demosth. 20,84. — Auf die große Zahl der aus dem pontischen Herakleia stammenden Metöken in Athen seit dem Ende des 5. Jhs. bis in die Kaiserzeit hinein hat Rostovtzeff a. O. I I I 1 2 1 9 Anm. 354 hingewiesen, wiewohl nicht bei allen diesen 'Herakleioten' in Athen sicher ist, ob sie vom Pontus stammen oder aus einem der vielen anderen Orte dieses Namens. Dieser soll nach dem Sturz des jüngeren Dionysios von Syrakus dessen kostbaren Hausrat übernommen haben, wie Memnon F 1,4,5 überliefert. Nach freundl. Mitt. von W. Hoepfner, (vgl. dessen Diss. Herakleia Pontike-Eregh, DenkschrWien, Phil. Hist. Klasse 89, 1966) ist am Ort von den durch Memnon bekannten Bauten des

132

l ' E T E I i

R O B E R T

F R A N K E

So schien es bisher ganz in den üblichen Rahmen der Vorstellungen zu passen, wenn man annahm, der Tyrann habe auch Münzen mit seinem eigenen Namen prägen lassen, obwohl das gerade erst ein Merkmal späterer, hellenistischer Zeit und auch da durchaus nicht die Regel ist. »Mit dem Beginn der Tyrannis (in Herakleia) finden wir die Namen der Herrscher auf den Münzen«, schrieb einst Apel (a. O. 78) aufgrund einiger älterer numismatischer Arbeiten 17 , und seitdem wird diese Auffassung mehr oder minder entschieden wiederholt, sei es nun in den großen Sammlungskatalogen, der Sylloge Nummorum Graecorum, in Handbüchern oder in anderen Werken 18 . Dabei stützte man sich besonders auf einige Serien von Silbermünzen von Herakleia, die folgende Typen aufweisen 19 : 1. Vs: Kopf des bärtigen Herakles im Löwenfell nach links. Rs: HPAKAEIA. Stoßender Stier nach links, oben M. Drachme. R.G. Nr. 5. — Abb. 1,1. a. 4 , 2 0 g Berlin.

d. 5,05 g P a r i s = R . G . N r . 5 T a f . 55,7.

b- 3 , 9 0 g L o n d o n =

Beizeichen : Efeublatt.

B M C . 8 Taf. 29,14.

e. 4 , 5 2 g B e r l i n 2 1 4 3 9 . —

c. 4 , 2 2 g G l a s g o w = H u n t . C o l l . I I 2 4 4 N r . 3.

Abb.

f- 3 . 6 5 g W e b e r C o l i . 4 8 7 3 =

1,1. Taf. 177.

2. V s : HPAK. Kopf der Hera 20 mit Palmettenstephane nach links Rs: Bogen, Köcher und Keule. Im Felde rechts K. A. Diobol. R.G. Nr. 25. — Abb. 1, 2. 3. a. 1 , 6 8 g B e r l i n

(P.-O.)21.

Abb.

g. 1,42g Berlin (Imh.). —

1,15.

b. 1 , 6 5 g M ü n c h e n . c. 1 , 6 2 g B e r l i n ( I m h . ) . — Abb. d. 1 , 5 3 g P a r i s = Abb.

1,16.

R . G . Taf. 55,19.

k. 1,48 g S N G . v . A u l o c k N r . 6934. Abb.

e. 1 , 5 3 g B e r l i n ( F o x ) . — Abb.

1,3.

Abb.

= T a f . 254,20.

c. 0 , 7 3 g M ü n c h e n .

f. o , 6 8 g B e r l i n ( I m h . ) . — Abb. Taf. 177.

f ü h r t e n T y p e n stets nur einige

sten Baureste s t a m m e n v o m Wiederaufbau der

a n g e g e b e n . W e i t e r e S t ü c k e sind bei S i x a.

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der Zerstörung

während

durch M. Aurelius

d e s 3. M i t h r i d a t i s c h e n

Bosch,

Türkiyenin

Antik

Devirdeki

Clemens)

F. Bompois, Monnaies d'Argent frappées à Hera-

t i n a d a i r B i b l i y o g r a f y a (1949) ist leider v o l l s t ä n d i g n o c h in d e n Z i t a t e n g e n a u .

(1878); 20

S i x , N u m C h r o n . 1 8 8 5 , 5 1 ff. BMC.

Nr.

8 ff. ; L .

Forrer,

Weber

Coll.

Nr.

ques e t R o m a i n e s I I 2 (1910) 1505/06; S N G . Cop. Nr. 412if.; S N G . v. Aulock Nr. 36of.;

B . V . H e a d , Hist. N u m . 2 5 1 4 t u. a. Nachstehend

N r . 23 ff. w i r d d i e G ö t t i n

weder

als T y c h e

be-

z e i c h n e t , i c h z i e h e m i t S i x a. O . 5 5 N r . 25, S N G . Cop. Nr. 4 i 2 f f . und S N G .

4879!!. ; E. Babelon, Traité des Monnaies GrecBithyn.

R.G.

O.

Meskükä-

cléa de B i t h y n i e : L e T y r a n Cléarchos

F . I m h o o f - B l u m e r , Z f N u m . 7, 1880, 2 1 fï. ; J . P .

19

Belegexemplare

Materialzusammenstellung von E. ( =

Krieges

( 7 4 — 6 7 v. Chr.).

18

1,4.

g. 0,81 g S N G . C o p . N r . 4 1 7 .

4. u n d 3. J h s . v . C h r . n i c h t s e r h a l t e n . D i e ä l t e -

Cotta 17



1,13.

e. o , 8 3 g C a t . G r o s e , F i t z w i l l i a m M u s . 7 4 6 5

B M C . Taf. 29,17.

d. 0 , 6 5 g W e b e r Coli. 4881 =



14.

1,4.

a. 0,80g P a r i s = R . G . T a f . 55,20. b- ° ' 7 5 S L o n d o n =

i, 2.

1. 1 , 6 3 g S N G . v . A u l o c k N r . 6933.

B M C . Taf. 29,16.

B. Oboi. R.G. Nr. 26. — Abb.

1,17.

Taf. 177.

i. 1 , 4 7 g S N G . C o p . N r . 4 1 6 .



1,18.

f. 1 , 4 6 g L o n d o n =

Abb.

h . 1 , 6 2 g W e b e r C o l i . 4880 =

werden zu den vollzählig

21

E i n in K l a m m e r n g e s e t z t e s P . - O . , I m h . ,

Fox,

L ö b b . b e i B e r l i n e r S t ü c k e n b e d e u t e t , d a ß sie a u s den

aufge-

v. A u l o c k Nr. 360f.

die B e n e n n u n g H e r a vor.

ehemaligen

Imhoof-Blumer,

Sammlungen

Prokesch-Osten,

Fox und Löbbecke

stammen.

Z U R T Y R A N N I S D E S K L E A R C H O S UND S A T Y R O S IN H E R A K L E I A AM PONTOS

133

P E T E R

134

R O B E R T

F R A N K E

3. Vs: HPAK. Kopf der Hera mit Palmettenstephane nach links. R s : Tropaion aus bebuschtem Helm, Speer, Rundschild, angelehnter Keule und Bogen mit Köcher. Im Felde links K. Diobol. R.G. Nr. 23. — Abb. 1, 5. a. 1,68g Berlin (Imh.) = R . G . Taf. 55,17.

b.

Berlin (Löbb.). — Abb.

1,5.

4. V s : HPAK. Kopf des bartlosen Herakles im Löwenfell nach links. Rs: Tropaion aus bebuschtem Helm, Speer, Rundschild, angelehnter Keule und Bogen mit Köcher. Im Felde links K. Obol. R.G. Nr. 29. — Abb. 1, 6. a. 0,86g Berlin (Imh.) = R . G . T a f . 55,22. — Abb. 1,6.

b. 0,70g Berlin.

5. Vs: HPAK. Kopf des bartlosen Herakles im Löwenfell nach links. R s : Tropaion aus bebuschtem Helm, Speer, Rundschild, angelehnter Keule und Bogen mit Köcher. Im Felde links K, oben Beizeichen Efeublatt. Obol. R.G. Nr. 30. a. 0,60g Karlsruhe 21,1 Taf. 1 , 1 1 .

=

Z f N u m . 7, 1880,

b. 0 , 7 1 g W e b e r Coli. 4879 = T a f . 177 R . G . Taf. 55,22. c. 0,82 g S N G . Cop. 418.

=

Der jeweils auf der Rückseite dieser Münzen erscheinende Buchstabe K bzw. >1 wurde als Abkürzung für K(ÄEccpxos) aufgefaßt. Dabei wurde jedoch verschiedentlich ignoriert, daß die mit >1 gezeichneten Münzen des hier unter 1 aufgeführten T y p s (Abb. 1,1) in nicht wenigen Fällen der Zeit vor 364, dem Jahr der Herrschaftsgewinnung des Klearchos, zugewiesen wurden, in einigen Fällen sogar der Zeit vor 394 v. Chr. 22 . Die Existenz eines dieser Gruppe angehörenden Stückes im Britischen Museum, das statt des >1 ein M trägt 23 , übersah man ebenso geflissentlich, wiewohl schon dieses eine Stück mit einem nicht erklärbaren 'Anfangsbuchstaben' zur Vorsicht bei der Zuweisung der anderen Münzen an Klearchos hätte warnen müssen. Auch auf die Frage, wie denn die sehr zahlreichen Münzen dieses T y p s mit dem stoßenden Stier auf der Rückseite, die überhaupt keinen Buchstaben tragen 24 , zeitlich einzuordnen seien, was es mit Stilentwicklung und eventuellen Stempelkopplungen auf sich hat, ging man nicht ein. Eine weitere Stütze für die Deutung des K als Signatur des Tyrannen Klearchos schien bisher eine andere Münze zu geben, die man dem Satyros zuwies und zu der erst kürzlich ein zweites, nicht stempelgleiches Exemplar in der Sammlung v. Aulock bekanntgeworden ist. Satyros hat nach der Ermordung seines ein bis zwei Jahre jüngeren Bruders Klearchos von 352/351—345 die Vormundschaft über dessen beide noch unmündigen Söhne Timotheos und Dionysios übernommen und sich dabei nach Kräften bemüht, ihnen als Regent das väterliche Erbe zu bewahren. Dabei versuchte er, wenigstens die krassesten Auswüchse 22

z. B . S N G . Cop. Nr. 405 und v. A u l o c k Nr. 352: 4 1 5 — 3 6 4 V. Chr.; L. Forrer, W e b e r Coll. Nr. 4873: 4 1 5 — 3 9 4 V. Chr.; G. Macdonald, H u n t . Coli. 244 Nr. 3 : 3 9 4 — 3 5 3 V. Chr. — Bompois a. O. Nr. 8; Imhoof-Blumer a. O. 2 1 ; Six a. O. 54 und W r o t h , B M C . Nr. 8. 9 sowie A . B . Brett, Cat. of Greek

23

24

Coins B o s t o n (1955) Nr. 1367 u. a. weisen hingegen auch diese Stücke wegen des K dem Klearchos zu. Six a. O. 54 Nr. 16 = B M C . Nr. 9 = R . G . Nr. 5 ( d ) . z. B . S N G . v . Aulock Nr. 350.

Z U R T Y R A N N I S DES K L E A R C H O S U N D S A T Y R O S IN H E R A K L E I A AM PONTOS

I35

der Gewaltherrschaft seines Vorgängers zu mildern. Als seine Münze aus den Jahren 352/ 351—345 sah man — neben vielen unsignierten, die man aus stilistischen Gründen seiner Zeit zuwies — vor allem einen Diobol an, der denen des Klearchos im T y p entsprach (vgl. A b b . 1,5 »Klearchos« mit Abb. 1 , 7 . 8 »Satyros«), der aber neben dem Tropaion statt des K ein Z trägt: V s : HPAK. Kopf der Hera mit Palmettenstephane nach links. R s : Tropaion aus bebuschtem Helm, Speer, Rundschild, angelehnter Keule und Bogen mit Köcher. Im Felde links Z. Diobol. R.G. Nr. 24. — Abb. 1, 7. 8. a. 1,56g Berlin (Imh.) = R . G . T a i . 55,18. — Abb. 1,7.

b. 1,48g S N G . v . A u l o c k Nr. 361. — Abb. 1,8.

Entsprechend K = K(Aeocpxos) löste Imhoof-Blumer 25 daher Z als Z(örrvpos) auf und glaubte, daß damit eine Münzreihe des Satyros nachgewiesen sei. Zwei Argumente schienen diese Gleichsetzung zu stützen. Timotheos und Dionysios, die Söhne des Klearchos, ließen nach dem Tode ihres Onkels Satyros 345 während ihrer von 340—338/337 dauernden gemeinsamen Herrschaft 26 Münzen prägen, die den Namen beider Tyrannen voll ausgeschrieben tragen: Vs: Kopf des Dionysos mit Efeukranz und Thyrsos nach links. R s : T I M O 0 E O Y — A I O N Y Z I O Y . Herakles mit Löwenfell, Bogen und Köcher errichtet ein Tropaion aus Helm, Rundschild, Speer und angelehnter Keule. Statere und Viertelstatere. R.G. 33—37. Abb. 1, 9 . 1 0 . Zum andern ließ auch Dionysios während seiner Alleinherrschaft 338/337—305/304 seine im T y p den vorangegangenen Münzen völlig entsprechenden Statere (R.G. Nr. 38. 40. — Abb. 1,11) und Drachmen (R.G. 39) ebenfalls mit dem eigenen Namen statt mit dem Ethnikon versehen. Beides zusammen schien die Zuweisung der mit K und Z versehenen Stücke an die Tyrannen Klearchos und Satyros zu rechtfertigen, die man gleichsam als Vorstufen zu den mit vollen Namen versehenen betrachtete. Über die vorsichtigen Formulierungen 25 26

Z f N u m . 7, 1880, 22. A u f g r u n d v o n Memnon F 1 und Diod. 16, 36, 3; 88,4 folgern F. J a c o b y im K o m m e n t a r zu Memnon F 1 (FGrHist. I l l b [1955] 272) und B e r v e (vgl. oben A n m . 9) mit Recht, daß Timotheos bis 340 zunächst allein regiert habe und dann erst seinen jüngeren Bruder als Mitregenten aufnahm. Die Münzen widersprechen dem jedoch nicht in d e m Maße, wie J a c o b y meint, der für 345—340 eigene Münzen mit dem N a m e n des Timotheos vermißt, so d a ß die gemeinsamen Prägungen der beiden Brüder (ab 340) gegen die jahrelange Alleinherrschaft des Timotheos sprächen. N u n hätte aber zunächst Timotheos ohne weiteres v o n A n f a n g an für seinen B r u der mitprägen lassen können, denn dieser w a r j a zur Mitherrschaft bestimmt. D a es aber, wie hier gezeigt werden soll, keine v o n K l e -

archos und S a t y r o s signierten Münzen gibt, braucht m a n a u c h für die Alleinherrschaft des Timotheos keine mehr voraussetzen. Vielmehr k a n n durchaus erst der Beginn der gemeinsamen Herrschaft 340 der A n l a ß zu Prägungen mit den vollen N a m e n des Timotheos und Dionysios (Abb. 1,9.10) gewesen sein. Timotheos h a t überdies sich sehr bemüht, wieder A n k l a n g beim D e m o s zu finden und verschiedene M a ß n a h m e n getroffen, die dem dienen sollten, vgl. Memnon F 1,4,1 f. Eine eigene, gleichsam dynastische Münzprägung h ä t t e schwerlich in diese Bestrebungen gepaßt. D a es sich bei den gemeinsamen Münzen des Timotheos und Dionysios u m Statere und Viertelstatere handelt, liegt sogar der Gedanke an eine ausgedehnte und repräsentative Festprägung nahe, e t w a anläßlich der Übernahme der Mitherrschaft durch Dionysios.

136

P E T E R

R O B E R T

F R A N K E

von Waddington, Babelon und Reinach im R.G. 344: »2e période. Tyrannie (364—281). Les pièces 23—32 sont attribuées très dubitativement à Cléarque I e r à cause de la lettre K qui figure sur plusieurs d'entre elles Le groupe 16—22 se rattache au précédent par ce type associé à celui d'Héraclès, sans qu'on puisse affirmer s'il lui est postérieur (Satyros ?) ou antérieur« las man stets hinweg. Bei der Bearbeitung des 1. Nachtragsheftes zur Sylloge Nummorum Graecorum von Aulock, das sich zur Zeit als Heft 15 der ganzen Sammlung im Druck befindet, und bei der Durchsicht der Bestände des Berliner Münzkabinetts27 fand ich jedoch insgesamt sechs Münzen, die die Zuweisung der Stücke mit K und 2 an die Tyrannen Klearchos und Satyros zwingend widerlegen. Denn es handelt sich bei ihnen um Stücke mit dem K, die eindeutig auf solche mit Z überprägt worden sind, und zwar um die Diobole : Grundtyp : Vs : Kopf der Hera mit Palmettenstephane nach links, rechts H PAK. Rs: Bogen, Köcher und Keule. Rechts im Felde K. Abb.

1,5.

Überprägt auf: Vs : Kopf der Hera mit Palmettenstephane nach links, rechts H PAK. Rs : Tropaion aus bebuschtem Helm, Speer, Rundschild und angelehnter Keule, rechts Bogen und Köcher, links im Felde Z. Abb.

1,7.8

(=

12).

Nachweisbare Überprägungen : a. 1,63g S N G . v. Aulock 6933. Abb.

1,13.

1,16.

Überprägungsspuren:

V s : Über dem Herakopf H e l m und Helmbusch des Tropaions, im Hinterkopf das R u n d des Schildes, rechts Spuren v o n Bogen und K ö cher. V o r dem K o p f a m Original noch klar erkennbare Reste des 2, die im Foto, das nach einem Gipsabguß gemacht wurde, nicht sichtbar sind.

V s : Undeutliche Spuren, besonders in der Palmettenstephane.

900

R s : K o p f der H e r a (um zur senkrechten Bildebene nach rechts verdreht). b. 1,48g S N G . v. A u l o c k 6934. Abb.

1,14.

Überprägungsspuren : V s : V o m Ohr der H e r a schräg nach

R s : Oben rechts der neben dem Tropaion befindliche B o g e n m i t K ö cher, Achse also u m 900 verschoben. d. 1,68g Berlin (P.-O.). Abb.

1,15.

Überprägungsspuren: V s : I n der Palmettenstephane und im K o p f der H e r a der H e l m und H e l m busch des Tropaions. R s : Undeutliche Spuren. e. 1,42g Berlin (Imh.). Abb.

1,17.

Uberprägungsspuren:

R s : Undeutliche Reste des Herakopfes.

V s : Spuren des älteren Herakopfes im K o p f des jüngeren.

H. v. A u l o c k danke ich für die Erlaubnis, die beiden Stücke gesondert zu publizieren, H . D . Schultz für die in V e r t r e t u n g v o n A. Suhle bereitwillig gewährte Erlaubnis, das Berliner Material zu prüfen und, soweit erforderlich, hier auch

abzubilden. G. L e Rider und M. Mainjonet d a n k e ich für die liebenswürdige Zusendung einiger Gipsabgüsse v o n Pariser Münzen. H. K ü t h m a n n gestattete wie stets die Durchsicht der Münchner Bestände. W . K i s s k a l t fertigte die F o t o s an.

links unten der P f a h l des Tropaions.

27

c. 1,62g Berlin (Imh.). Abb.

Überprägungsspuren :

Z U R T Y R A N N I S D E S KLEARCHOS U N D SATYROS I N H E R A K L E I A AM PONTOS Rs: Im Köcher noch Reste des Rundschildes, links oben (um 450 von der Senkrechten nach links verschoben) Helmbusch und Helm des Tropaions, im Felde links noch deutlich — vor allem am Original zu sehen — Reste des 2.

f. 1,53g Abb.

Paris

137

5 8 3 = R G. Taf. 55,19.

1,18.

Uberprägungsspuren: Rs: Über der Keule noch Bogen und Köcher zu erkennen, der sonst neben dem Tropaion rechts ist.

Aus diesen sechs Überprägungen, deren Zahl bei entsprechender Erfassung anderer Sammlungen gewiß leicht zu vermehren ist, ergibt sich zunächst, daß es sich keineswegs um zufällige, einmalige Überprägungen handelt, wie sie oftmals vorkommen, sondern daß dieses Verfahren bei einer sehr großen Menge von Münzen angewandt worden sein muß. Es kann sich aber auch nicht um Überprägungen der Münzen vom Typ Herakopf/Herakleswaffen und K auf solche vom Typ Herakopf/Tropaion und K handeln, wie man zunächst aufgrund anderer Beispiele von Überprägungen gleicher Typen oder von Überprägungen von Münzen früherer Zeit mit Stempeln späterer Zeit des nämlichen Prägeherrn vermuten könnte — d. h., daß ein alter Typ durch einen neuen abgelöst werden sollte und man daher die alten Bestände einfach umprägte28. Zudem liegt auch kein vernünftiger Grund dafür vor, daß der selbstherrliche Despot Klearchos 'seine' neuen Münzen mit dem Tropaion plötzlich wieder mit den althergebrachten Symbolen des Herakles hätte überprägen lassen. Wenn man die Münzprägung von Herakleia als Ganzes betrachtet — einige der dem Ende des 5. und dem Anfang des 4. Jhs. zugehörigen Stücke sind Abb. 1,19—23 wiedergegeben29 — , so ergibt sich nämlich, daß der Münztyp mit den Waffen des Herakles, der ja auf den Namenspatron der Stadt Bezug nimmt, eindeutig der ältere ist. Memnon berichtet in seiner Lokalgeschichte von Herakleia, daß sich ein Standbild des Herakles auf der Agora befunden habe, und der Text 30 an der Stelle, an der er von den Agalmata spricht, die bei der Eroberung der Stadt durch Cotta zerstört oder verschleppt wurden: Kai Sri Kai töv 'HpaKÄsa töv Ik Tfis äyopäs avr|ipei, Kai okei/t^v aüroö ttjv crrrö Ttjs irupapiSos, TroAuTsAdas Kai neyeöous Kai 5fi Kai puöiaoö Kai x®P1TOS Kai texvtis oüSevös t « v Euaivounevcov onroAEnronEVTiv. fjv 8e pöiraAov cipupfiAarov &TTE(p0ov xpvcoü TreTroir||jiEVOV, Korrä 8e oütoü Aeovtt) usydAr) ekex^to, Kai ycopuTÖs Tfjs oarrfis nev OAt)S, ßeAcov Se yepcov Kai tö^ou . . macht deutlich, daß zwischen diesem Standbild und den Münzsymbolen von Herakleia, den Waffen des Herakles, dem Tropaion und Herakles selbst (besonders auf den Münzen des Timotheos und Dionysios, vgl. Abb. 1,9—11) ein enger Zusammenhang bestand. Der Münztyp mit dem Tropaion ist zweifellos der jüngere31, er weist vielleicht durch das Siegeszeichen auf einen besonderen Waffenerfolg der Herakleioten hin, wobei freilich offenbleibt, ob die Einführung dieses Typs, der unter Timotheos und Dionysios noch durch den das Tropaion errichtenden 28

Einige Beispiele habe ich in Die antiken Münzen von Epirus I (1961) 269 Anm. 29 zusammengestellt, weitere aus Elis, Korinth, Pharsalos, Sizilien u. a. sollen gelegentlich in anderem Zusammenhang veröffentlicht werden.

29

Alle Stücke in Berlin. Abb. 1,19 = 0,83g (Imh.) = R.G. Nr. 3; Abb. 1,20 = 1,73g (P.-O.) = R.G. Nr. 1; Abb. 1,21 = 1,20g (P.-O.) = R.G. Nr. 6; Abb. 1,22

=

2,28g ( F o x )

=

R . G . N r . 10;

Abb.

1,23 = 1,09g (Löbb.) = R.G. Nr. 12. 30

Memnon F 1,35,8.

31

Der Abb. 1,6 wiedergegebene Obol in Berlin

(oben S. 134, 4 a) läßt auf der Vorderseite, u m etwa 300 nach rechts gedreht, noch deutlich die Umrisse eines überprägten, nach links gerichteten Hera- oder Herakleskopfes erkennen, auf der Rückseite in Schild und Helm des Tropaion noch Spuren der Keule oder des Tropaionpfahles. Leider ließ sich trotz aller Bemühungen nicht entscheiden, ob die überprägte Münze vielleicht v o m Typ R.G. Nr. 13 (unsere A bb. 1,23) oder R.G. Nr. 28 (unsere Abb. 1,24) war. D a die Gewichte der herakleiotischen Münzen bei den einzelnen Stücken sehr stark schwanken, ist mit ihrer Hilfe ebenfalls nicht weiterzukommen.

138

P E T E R

R O B E R T

F R A N K E

Herakles erweitert wurde, auf Klearchos, Satyros, Timotheos, Dionysios oder auf keinen von diesen zurückzuführen ist. Da es sich bei den sechs angeführten Münzen um solche mit den Heraklesinsignien und K handelt, die auf Münzen mit dem Tropaion und Z überprägt worden sind, kann K nicht = Klearchos und Z nicht = Satyros sein. Denn die antiken Quellen bezeugen übereinstimmend, daß Satyros erst nach dem Tode seines Bruders Klearchos die Regentschaft übernahm und daß er zuvor in keiner Weise in Erscheinung getreten ist. Demnach können die Buchstaben K und Z auf den Diobolen und Obolen von Herakleia nur Emissionszeichen sein, wie sich das ja auch schon bei den Drachmen mit dem stoßenden Stier auf der Rückseite (Abb. 1,1) gezeigt hat. Es gibt überdies außer den mit Buchstaben (K, Z, M32 [Abb. 1,25] und A—I [?]33) versehenen Silbermünzen von Herakleia auch noch eine sehr große Anzahl von Stücken, die statt der Buchstaben verschiedene andere Beizeichen aufweisen, z. B. eine Weintraube, ein Efeublatt (Abb. 1,24), eine Mondsichel (Abb. 1,26), einen Stern, einen Punkt, einen Astragal (Abb. 1,27) und eine Opferschale (oder O ?). Eine nicht minder große Gruppe trägt weder Buchstaben noch Beizeichen34. Und alle diese Stücke werden in der Literatur und in den Sammlungskatalogen wohl mit Recht in die Zeit zwischen 364 und 305/304 datiert. Schließlich ließe sich noch fragen, warum denn die Tyrannen Klearchos und Satyros — wären es wirklich ihre Signaturen — lediglich einen kleinen, doch sehr bescheiden wirkenden Teil des Kleinsilbers signiert haben und auch das nur mit dem Anfangsbuchstaben ihres Namens. Da zumindest Klearchos, wie eingangs dargelegt, alles andere als zurückhaltend oder bescheiden war, nimmt es sehr wunder, daß unter ihm wie unter Satyros — von dem dann ohnehin aus sieben Regierungsjahren bisher nur zwei Münzen mit Z vorhanden wären — das weitaus repräsentativere Großsilber, also die Statere35, ebenso wie die sehr zahlreichen Tetrobole36 (Abb. 1, 26. 27) unsigniert blieben, wiewohl doch gerade diese Stücke den Ruhm ihrer Herrschaft und Macht weit besser in aller Welt verkündet hätten. Auf die ebenfalls unsignierten Kleinmünzen, meist Diobole und Obole37, sei ebenfalls verwiesen. Nachdem die Überprägungen im Verein mit anderen Überlegungen gezeigt haben, daß es keine Namensmünzen des Klearchos und Satyros gegeben hat, bleibt nur noch die Folgerung zu ziehen, daß sich diese beiden Tyrannen ebenso wie Timotheos während seiner fünfjährigen Alleinherrschaft 345—340 genau den gleichen freiwilligen Beschränkungen unterworfen haben wie etwa Dionysios I. und Dionysios II. von Syrakus, die ebenfalls darauf verzichteten, ihren Namen auf Münzen zu setzen. Die herakleiotischen Münzen erweckten so den Anschein, als bestehe die Demokratie nach wie vor in ihren alten Formen weiter. Das auf allen Münzen mehr oder weniger ausgeschriebene Ethnikon HPAKAEIA38 32

33

Die R . G . Nr. 15 aufgeführte und hier Abb. 1,25 wiedergegebene Achteldrachme in Berlin (Vs. K o p f des bartlosen Herakles, Rs. Bogen, K ö c h e r und Keule) t r ä g t auf der R s . rechts ein kleines M, das R . G . Nr. 15 nicht erwähnt wird. L i n k s befindet sich vielleicht ebenfalls ein M. Eine v o n Six a. O. 57 Nr. 34 erwähnte D r a c h m e m i t A-l auf der Vs. wird als Fälschung im Pariser K a b i n e t t verwahrt, vgl. R . G . 347 A n m . 1. D a s andere, 3,65g schwere Stück, das Six 57 Nr. 42 erwähnt und das ebenfalls die B u c h s t a b e n A-l aufweisen soll, konnte ich leider nicht ermitteln. Möglicherweise gehört es ebenfalls zu den Falsa.

34

Vgl. die Zusammenstellungen v o n Imhoof a. O. 21 ff.; Six a. O. 51 ff. und besonders R . G . Nr. 5 ff.

36

R . G . Nr. 16. 17. 20 = Taf. 55, 26. 27. 30.

36

R . G . Nr. 18. 21 = T a f . 31. 33.

37

R . G . Nr. i g . 22. 28 = T a f . 55, 29. 34. 21.

38

D i e Legende H P A K A E Q T A N setzt bezeichnenderweise erst nach d e m Sturz der T y r a n n i s ein, a u c h die abgekürzte F o r m H P A K der hier unter Nr. 2 — 5 (Abb. 1, 2—6) angeführten Münzen sowie der angeblichen des Satyros (Abb. z, 7. 8) ist als H P A K A E I A aufzufassen.

Z U R T Y R A N N I S D E S K L E A R C H O S U N D S A T Y R O S IN H E R A K L E I A AM PONTOS

139

bekundet diese Fiktion bis zu Dionysios und Timotheos hin39. Erst die beiden Söhne des Klearchos haben dann das Ethnikon durch ihre voll ausgeschriebenen Namen ersetzt (Abb. 1, 9. 10), aber offensichtlich nur auf den repräsentativen großen Silbernominalen, also den Stateren und Viertelstateren. Ein Teil des Kleinsilbers ohne Signatur bzw. Namen scheint jedenfalls erst unter ihnen geprägt worden zu sein. Selbst Dionysios, der 306 dem Beispiel der anderen hellenistischen Herrscher folgte und gleichfalls den Königstitel annahm, hat es vermieden, seinem Namen auf den Münzen ein BAZIAEßZ hinzuzufügen. Sein schon 305/304 erfolgter Tod ist schwerlich der Grund dafür, daß es keine Münzen von ihm mit dem Königstitel gibt, denn wenn solche zu erwarten wären, so doch wohl aus der Zeit, als er diese neue Würde annahm und kundmachen ließ. Die auch sonst in vielen Punkten noch nicht geklärte Chronologie40 der Münzprägung des pontischen Herakleia verliert durch den Wegfall der als gesichert angesehenen signierten Münzen der Tyrannen Klearchos und Satyros zwei wichtige Fixpunkte. Es ist daher erforderlich, das gesamte Material neu zu erfassen41 und es dann unter Berücksichtigung von Stempelkopplungen, Schatz- und Grabungsfunden usw. sowie anhand der stilistischen Entwicklung durchzuarbeiten. Nur so kann man zu einer einigermaßen verläßlichen Basis für die Beurteilung der Münzprägung dieser in der Geschichte der griechischen Tyrannis so wichtigen Stadt gelangen. München

39

O b die attische Inschrift IG. II/III 2 117, die 361/360 v. Chr. datiert wird, als Zeugnis für einen formellen Weiterbestand der Demokratie zumindest in den ersten Jahren des Klearchos angesehen werden kann, steht und fällt m i t der zweifellos sehr g u t begründeten A n n a h m e v o n Wilhelm, Arch.-Epigraph.Mitt. 15, 1892, 4; 17, 1894, 37, daß 1 1 7 eine Analogie zu I G II/III 2 363 darstellt und daß in 117 wirklich das pontische Herakleia gemeint ist. D a ß die attische Gesandtschaft an die Herakleioten gerichtet war, sagt über die staatsrechtlichen Zustände nicht allzuviel aus. Immerhin heißt es aber in 363,39 eis 'HpaKAeiav cos Aiovücriov, w a s die tatsächlichen Verhältnisse genau trifft. Z u r neuen Datierung 331/330 v. Chr. vgl. Suppl. Epigr. Graec. 21, 1965 Nr. 281.

40

So z. B . bei den Stateren mit dem frontal gesehenen Herakleskopf und der den S t a d t n a m e n schreibenden N i k e auf der Rückseite, Abb. 1,2g (6,50 g Berlin [Löbb.]). E i n solches Stück wird S N G . v . A u l o c k Nr. 356 in die Zeit 4 1 5 — 3 6 4 gesetzt, v o n Head, Hist. N u m . 2 515 hingegen 302—281 und im K a t . H e s s - L e u 19, 1962 Nr. 261 u m 280, wobei m a n glaubt, daß die Rs. des im R . G . 352 A n m . 1 nach Herakleia in L u k a n i e n gelegten

Peter Robert Franke

Stückes den Seesieg feiere, den Herakleia als V e r b ü n d e t e des Ptolemaios K e r a u n o s 281 über Antigonos Gonatas errang. E s k a n n aber auch eine P r ä g u n g sein, die sich auf die Wiederherstellung der Demokratie 288/87 bezieht, wenn das S t ü c k nicht noch dem 4. Jh. angehört. D a s gleiche gilt bei den in den ersten Jahrzehnten des 3. Jhs. entstandenen schönen Tetradrachmen m i t dem Herakleskopf und dem thronenden Dionysos (R.G. Nr. 4 2 — 4 6 T a f . 5 6 , 9 — 1 4 , hier Abb. 1,28; 9,70g Berlin [Fox]), und bei den mit N a m e n und Königstitel in Amastris geprägten Münzen der Königin Amastris, Gemahlin des herakleiotischen T y r a n n e n Dionysios und später d e s L y s i m a c h o s , v o m T y p R . G . (Amastris) Nr. r.2, S N G . v. A u l o c k Nr. 6798. 6799 sowie denen mit d e m E t h n i k o n der v o n Herakleia aus gegründeten S t a d t v o m T y p R . G . Nr. 5, S N G . v . A u l o c k 152. 6800. Zu einer Bronzemünze des Lysimachos, die ein Bildnis der Amastris zeige, vgl. Mamroth, B e r l N u m Z . 1949, 81 ff. 41

D a b e i sollte auch, worauf mich W . Hoepfner hinwies, die S a m m l u n g des A p o t h e k e r s Sabit D u r a n in Eregli, d e m antiken Herakleia, bea c h t e t werden, d a sie a m Orte selbst zusammeng e k o m m e n ist.

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H A N S - G Ü N T E R

B U C H H O L Z

TÖNERNE R A S S E L N AUS Z Y P E R N Aus Ton gefertigtes Kinderspielzeug ist in der Antike so allgemein gewesen, daß die Vermehrung des Bestandes grundsätzliche Erkenntnisse kaum zu fördern vermag. Allerdings gehören dazu Kinderrasseln1, von denen L. Deubner gezeigt hat, daß sie ein allgemeineres kulturgeschichtliches Interesse verdienen2. Die Existenz solcher Klangwerkzeuge im Lebensbereich der Erwachsenen griechisch-geometrischer Zeit3 legt es zumindest nahe, sie nicht im voraus und immer als Mittel harmlosen Zeitvertreibs anzusehen, sondern auch nach ihrer möglichen ernsteren Bedeutung im Kult zu fragen4. Eine Entscheidung wird nicht generell erfolgen können; allgemein darf die Regel gelten, daß in frühen Zeiten und überhaupt in primitiven Kulturen Rasseln verwendet wurden, um böse Geister zu vertreiben (Abwehrzauber), oder auch, um den lebenspendenden Regen herabzuziehen (AnalogiezauberjB: »Das Musikinstrument als Kultgerät . . . schließt jede ästhetische Betrachtung aus. Es soll wirken: nicht als Spender künstlerischen Genusses, sondern als Rufer lebenerhaltender, als Banner lebenzerstörender Kräfte.. . **. fPSB^M

; I P ^

I

stammt. Wenn Lippold aufgrund der angeblich fortschrittlicheren Haarbehandlung eine Datierung nach dem Diadumenos und sogar nach dem Tode des Argivers befürwortet, dann muß doch bedacht werden, daß die Gestaltung des Haares keine Fortbildung eigentlich polyklet isolier Formen ist, vielmehr etwas Wesensfremdes beif' ^ M l l m e n g t . Anstelle einer geordneten, wenn r ''mmm^tfU^^^^^^^^^M auch freien Lockenanlage wie beim DiammmtM'^^^^^^^M dumenos herrscht hier eine unübersichtliehe Verwirrung kleinteiliger Formen, die in der Absicht des Künstlers gelegen haben muß. Bezeichnend ist die unpolykletische Wiedergabe der 'Spinne' (Abb. 4). Scheidet

Abb. 5. Kopf eines Epheben. Ehemals

Sammlung Jandolo

die H a a r g e s t a l t u n g als z e i t l i c h e s I n d i z a u s ,

e i n e Datierung um 440/430 v. Chr. vorzuziehen, wie sie schon Arndt vorschlug. Das plastische Volumen des Kopfes findet die nächsten Parallelen an polykletischen Werken dieses Zeitraumes, dem Hermes und der Amazone etwa 7 . Der 'polykletische' Eindruck, den der Kopf erweckt, hat nur ganz allgemeine Geltung. Das einzelne ist anders. Das Flimmern der kurzen, in ihrem Duktus scharf gebogenen Locken, das Verhältnis der vollen Haarkappe zum Gesicht begegnet nirgends im Oeuvre des Argivers. In der Profilansicht des Kopfes Tunis-Janiello ist ein weiterer auffälliger Zug zu beobachten. Der Hinterkopf springt stark vor, beult sich geradezu heraus, während der Umriß an polykletischen Köpfen steiler vom Nacken her ansteigt und nur leicht ausschwingt8. Das Eigentümliche des Kopfes scheint nun genauer bestimmt werden zu können. Die unruhige Lagerung der Locken, ihr eigenwilliger Duktus begegnen ähnlich an Werken des inselionischen Bereiches. Verwandt ist im Duktus der Locken und im Gefüge des Haares ein Stelenfragment in Paros9, verwandt auch das wohlbekannte Stelenfragment auf Samos10, das im Einringeln der Locken noch ältere ionische Formeln bewahrt 11 . Es zeigt aber gerade

7

8

H e r m e s : etwa Replik Boston, Mus. Fine Arts (Jdl. 24, 1909 Taf. 1) und Oslo (V. Poulsen, En klassiske Skulptur in Oslo, Spectrum 1947, Nr. 2. 3). A m a z o n e : beste Replik in Rom, Pal. Conserv., Orti Mecenati 8 (H. Stuart Jones, The Sculpt, of the Pal. dei Conserv. Taf. 57; Jdl. 41, 1926, 32 Abb. 19). So an dem von Arndt a. O. 647 verglichenen Epheben Westmacott, vgl. MonLinc. 26, 1920,

so ist

9

10

11

674 Abb. 62. E. Buschor—R. Hamann, Die Skulpturen des Zeustempels zu Olympia (Text) Abb. 30. AM. 71, 1956 Beil. 48. 49. Zuletzt W.-H. Schuchhardt in Festschrift Karl Lehmann (1964) 295f., der das Jonische des Reliefs betont. Etwa Stele in Berlin aus Megara (Blümel K 18. 93; ders., 90. B W P r . 9 Abb. 5; Lippold, HdArch. III 1, 175 Anm.7).

J. F I N K ,

EIN BILDNIS T R A J A N S IN MOSKAU

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im Verhältnis der Haarkappe zum Gesicht die entschiedenste Nähe zum Epheben TunisJaniello. Sehr ähnlich ist schließlich die Umrißführung des Profiles mit dem bezeichnenden Auswölben des Hinterkopfes. Beide Reliefs stehen dem Epheben auch zeitlich sehr nahe, das pansche wird um weniges früher, das samische etwas später sein. Gut vergleichbar in der Mischung polykletischer und ionischer Elemente ist ferner eine qualitätvolle Kleinbronze dieser Zeit, die aus Zypern stammt 12 . Im Umriß des Kopfes, in dem besonderen Duktus der Locken zeigt sich trotz der Größenunterschiede beider Werke eine schlagende Ähnlichkeit. E. Langlotz beschreibt die Bronzefigur aus dem Heiligtum des Apollon Hylates: »(sie) veranschaulicht die Wirkung polykletischer Jünglingsfiguren auf einen ionischen Bildner«. Die Übernahme einzelner polykletischer Formen durch andere Kunstschulen der griechischen Welt, besonders auch des Aegaeisbereiches, ist im übrigen keine Seltenheit13, doch gerade am Epheben Tunis-Janiello ist dies nicht ein bloßes Spielen mit Einzelheiten wie so oft, sondern der Meister hat es verstanden, die verschiedenartigen Anregungen zu verschmelzen. Diese Tatsache lenkt das Augenmerk auf das Problem der Bildhauerschulen. Die Annahme von Schultraditionen, die vorwiegend durch die Art eines Stammes, durch das gemeinsame Blut bestimmt sind, ließe ein Werk wie den Kopf Tunis-Janiello nicht verstehen. Es wäre vielleicht besser, von Bildhauerwerkstätten zu sprechen, die zwar möglicherweise lokal, aber nicht biologisch abgegrenzt sind. In Übereinstimmung mit der antiken literarischen Überlieferung wird ferner die schulbildende Bedeutung der großen Meister bestätigt. Landschaftliche Grenzen kennt dieser Einfluß nicht. Der Ephebe TunisJaniello ruft dies in Erinnerung, wenigstens für die Zeit der reifen Klassik. Der Meister des Kopfes Tunis-Janiello kann als Schüler des Polyklet betrachtet werden, der, vielleicht vorher, in einer östlichen Werkstatt gelernt hatte. Ist er auch kein Künstler ersten Ranges, so weiß er doch, Eigenes zu geben. Bochum

Hans Lauter

EIN

BILDNIS

TRAJANS

IN

MOSKAU

D E R K A I S E R UND DIE VERGANGENHEIT

Das hier abgebildete Kunstwerk (Abb. 1 und 2) war ein Teil einer gewandeten Figur und ist von zweiter Hand in ein Porträt verwandelt worden. Es befindet sich im Staatlichen Puschkin-Museum in Moskau, wo ich es im Herbst 1965 sah. Durch die Güte der Direktorin Natalie Britowa kann ich es bekanntmachen. Frau Britowa ließ auf meinen Wunsch die Fotografien herstellen und gab in dankenswerter Weise mündliche und schriftliche Aus12

13

In New York. G. M. A. Richter, Catalogue of Bronzes Nr. 87; E. Langlotz, Frühgriech. Bildhauerschulen 113 Tai. 68. Inselstelen: Iraklion (ÖJh. 6, 1903 Taf. 1; Jdl. 28, 1913, 319 Abb. 3). — Leningrad, Ermitage, aus Andros (Jdl. 50, 1935, 23 Abb. 11). — Vielleicht sikeliotisch: Syrakus, von Kap Pachynos (NSc. 1905, 428 Abb. 16). — Attisch (?):

Triest (EA. 583; T e x t zu BrBr. 745 Abb. 4). — Jonische bzw. jonisch-italische Werke der Zeit, die strenger in der östlichen Tradition verharren, sind etwa der Kopf auf Jüngling Odescalchi (BrBr. 596.597 und Text hierzu), das Palästritenrelief im Vatikan (Lippold, HdArch. I I I 1, 160 Anm. 7 ; Heibig 4 875 ; Magiin Stud. Robinson 1615 Taf. 58—60) und ein Kopf im Louvre, Inv. 3434.

J. F I N K ,

EIN BILDNIS T R A J A N S IN MOSKAU

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im Verhältnis der Haarkappe zum Gesicht die entschiedenste Nähe zum Epheben TunisJaniello. Sehr ähnlich ist schließlich die Umrißführung des Profiles mit dem bezeichnenden Auswölben des Hinterkopfes. Beide Reliefs stehen dem Epheben auch zeitlich sehr nahe, das pansche wird um weniges früher, das samische etwas später sein. Gut vergleichbar in der Mischung polykletischer und ionischer Elemente ist ferner eine qualitätvolle Kleinbronze dieser Zeit, die aus Zypern stammt 12 . Im Umriß des Kopfes, in dem besonderen Duktus der Locken zeigt sich trotz der Größenunterschiede beider Werke eine schlagende Ähnlichkeit. E. Langlotz beschreibt die Bronzefigur aus dem Heiligtum des Apollon Hylates: »(sie) veranschaulicht die Wirkung polykletischer Jünglingsfiguren auf einen ionischen Bildner«. Die Übernahme einzelner polykletischer Formen durch andere Kunstschulen der griechischen Welt, besonders auch des Aegaeisbereiches, ist im übrigen keine Seltenheit13, doch gerade am Epheben Tunis-Janiello ist dies nicht ein bloßes Spielen mit Einzelheiten wie so oft, sondern der Meister hat es verstanden, die verschiedenartigen Anregungen zu verschmelzen. Diese Tatsache lenkt das Augenmerk auf das Problem der Bildhauerschulen. Die Annahme von Schultraditionen, die vorwiegend durch die Art eines Stammes, durch das gemeinsame Blut bestimmt sind, ließe ein Werk wie den Kopf Tunis-Janiello nicht verstehen. Es wäre vielleicht besser, von Bildhauerwerkstätten zu sprechen, die zwar möglicherweise lokal, aber nicht biologisch abgegrenzt sind. In Übereinstimmung mit der antiken literarischen Überlieferung wird ferner die schulbildende Bedeutung der großen Meister bestätigt. Landschaftliche Grenzen kennt dieser Einfluß nicht. Der Ephebe TunisJaniello ruft dies in Erinnerung, wenigstens für die Zeit der reifen Klassik. Der Meister des Kopfes Tunis-Janiello kann als Schüler des Polyklet betrachtet werden, der, vielleicht vorher, in einer östlichen Werkstatt gelernt hatte. Ist er auch kein Künstler ersten Ranges, so weiß er doch, Eigenes zu geben. Bochum

Hans Lauter

EIN

BILDNIS

TRAJANS

IN

MOSKAU

D E R K A I S E R UND DIE VERGANGENHEIT

Das hier abgebildete Kunstwerk (Abb. 1 und 2) war ein Teil einer gewandeten Figur und ist von zweiter Hand in ein Porträt verwandelt worden. Es befindet sich im Staatlichen Puschkin-Museum in Moskau, wo ich es im Herbst 1965 sah. Durch die Güte der Direktorin Natalie Britowa kann ich es bekanntmachen. Frau Britowa ließ auf meinen Wunsch die Fotografien herstellen und gab in dankenswerter Weise mündliche und schriftliche Aus12

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In New York. G. M. A. Richter, Catalogue of Bronzes Nr. 87; E. Langlotz, Frühgriech. Bildhauerschulen 113 Tai. 68. Inselstelen: Iraklion (ÖJh. 6, 1903 Taf. 1; Jdl. 28, 1913, 319 Abb. 3). — Leningrad, Ermitage, aus Andros (Jdl. 50, 1935, 23 Abb. 11). — Vielleicht sikeliotisch: Syrakus, von Kap Pachynos (NSc. 1905, 428 Abb. 16). — Attisch (?):

Triest (EA. 583; T e x t zu BrBr. 745 Abb. 4). — Jonische bzw. jonisch-italische Werke der Zeit, die strenger in der östlichen Tradition verharren, sind etwa der Kopf auf Jüngling Odescalchi (BrBr. 596.597 und Text hierzu), das Palästritenrelief im Vatikan (Lippold, HdArch. I I I 1, 160 Anm. 7 ; Heibig 4 875 ; Magiin Stud. Robinson 1615 Taf. 58—60) und ein Kopf im Louvre, Inv. 3434.

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J O S E F

F I N K

künfte; sie berichtete, daß der Kopf aus dem Dalubka-Museum im Palais des Fürsten M. S. Woronzow auf der Krim stammt (jetzt ein staatliches Gästehaus, S.W. S. Churchill, The Second World War VI 302). Mehr ist nicht bekannt. Das Stück trägt die Inv.-Nr. II i a 837. Es besteht aus grobkörnigem, weißem Marmor und hat eine Höhe von 0,37 m. Niemand wird zögern, den Kopf den Bildnissen Kaiser Trajans zuzuweisen, obwohl keine Inschrift den Namen bezeugt, so daß die letzte Gewißheit zunächst fehlt. Denn der durch moderne Augenschulung und Psychologie erfahrene Beobachter menschlicher Antlitze weiß, daß es viel weniger eigene Gesichter als Individuen gibt und daß Leitbilder die Unterschiede noch verringern. Ein Zeitgenosse Trajans wäre hiernach im Grunde nicht auszuschließen. Aber es müßte dann die Frage beantwortet werden, wer dargestellt sein könnte und wer ein solches Bildnis verdiente. Der Rest der Haarzier gibt einen Hinweis auf ehrende herrscherliche Erhöhung. Hinzu kommt in der charakteristischen trajanischen Gestaltung des Stirnhaares eine Besonderheit, die in einer begrenzten Zeit dem Bildnis des Kaisers selbst so eigentümlich ist, daß wir aufgrund dieses Details vom allgemeinen Eindruck nun sogar zum genau bestimmbaren Porträt geführt werden. Es ist das »Zweite Bildnis«, das W. H. Gross als Bürgerkronentypus bezeichnet hat 1 . Der Wendepunkt der Haarsträhnen »ist aus der Mitte der Stirn gegen die linke Schläfe hin verschoben und sitzt nun über dem linken Auge«. Einige Köpfe dieser Gruppe tragen die Bürgerkrone. Es ist das offizielle Porträt des Kaisers in den Jahren 103 bis 1082. Die Rückseite zeigt die Reste einer gewandeten Figur. Es handelt sich um ein abgeschlagenes Knie und um Gewandfalten auf dem Unterschenkel. Man erkennt dies, wenn man Abb. 2 auf den Kopf stellt; die zerstörte Kniepartie befindet sich nun oben. Es ist ein rechtes Bein. An der Innenseite, also zwischen den Beinen, hängen die Falten tief durch. Man kann den rechten Unterschenkel einer Frauenstatue aus Erythrae im Britischen Museum in London3 vergleichen. Dieses Beispiel soll nur die Vorstellung unterstützen. Unser Fragment kann ebensogut und eher als einer hellenistischen Frauenfigur einem männlichen Bild in der Art der römischen Kaiserstatuen mit Toga angehört haben. Das genannte Maß von 0,37 m entspricht, da der Beinrest nahe an die Stelle des Fußes heranreicht, einer lebensgroßen Statue. Der Befund der Rückseite veranlaßt einige Überlegungen im Hinblick auf die Herkunft des Kopfes. Bei Marmorwerken, die aus alten Stücken hergestellt sind, wird gern Entstehung in Ägypten vermutet, wo der Marmor knapp war, ein Umstand, der die Verwertung von Altmaterial zur Folge hatte. Stammte der Kopf in Moskau wie andere Kunstwerke dort aus der Leningrader Sammlung Goldnischeff, so läge der Gedanke an Ägypten um so näher, als diese Sammlung aus ägyptischen Fundstücken bestand 4 ; und dem Mangel an Uberlieferung plastischer Trajansporträts aus Ägypten abzuhelfen, den Gross beklagt 5 und der inzwischen durch einen Fund in Kyrene 6 vielleicht ein wenig gemildert erscheint, wäre eine willkommene Gelegenheit gewesen. Hingegen macht die einstige Zugehörigkeit zur Kollektion Woronzow eine solche Annahme ganz unwahrscheinlich, schließt sie nach Ansicht von Frau Britowa sogar aus. Denn das 1837 erbaute Palais des Fürsten enthielt größtenteils Kunstwerke aus Westeuropa, im besonderen aus Italien. Der stilistische Vergleich führt auf die Beispiele der Trajansporträts in Samos7 und in Florenz, Palazzo Corsini al Prato8. Dies legt eine Zuweisung des Moskauer Kopfes an die östliche griechische Kunst 1 2 3 4

Bildnisse Traians 75 ff. Ebenda 83. RM. 38/39, 1923/24 Taf. 7. A A . 1892, 129.

a. O. 24. • A A . 1959, 294 Abb. 34. 35. 7 Gross a. O. Taf. 1 1 b . 8 Ebenda Taf. 12 d.

6

E I N B I L D N I S T R A J A N S IN M O S K A U

Abb. i. Marmorkopf. Moskau, Staatl. Puschkin-Museum

Abb. 2. Rückseite des Kopfes Abb. 1

nahe. Nach meiner Meinung könnte der einst auf der Krim aufbewahrte Kopf der reichen archäologischen Domäne dieses Gebietes selbst entstammen. Hinter den Unterschieden der drei verglichenen Stücke ist das gemeinsame starke Oberflächenleben spürbar. Die repräsentative Note des samischen Kopfes fehlt; dessen Ausdruck menschlicher Güte wird fast übertroffen. Die Nähe zum Florentiner Kopf ist ungeteilt wirksam: Haargestaltung, Stirn, Nasenansatz, der Bereich des Mundes, alles wohl ein Grad schlichter, flacher und, gewiß, das Temperament nüchterner, römischer. Aber im ganzen hält die Güte der Darstellung Schritt, und die K r a f t des Antlitzes ist groß. Die Wahl eines wertlos gewordenen Steins für diesen Auftrag bleibt uns undurchsichtig. Zwar gibt es in jeder Bildhauerwerkstatt Stein Vorrat aus Abfällen und alten Werkstücken. Dies wird auch im Altertum nicht anders gewesen sein. Aber wo es sich um ein Kaiserbild handelt, kann die Erklärung des doppelt bearbeiteten Stückes als gerade verfügbares, dem 13 AA.

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J O S E F

F I N K

Zufall verdanktes Material nicht voll befriedigen. Leichter nachweisbar ist ohnehin die Verwendung alter Architekturstücke für neue Köpfe 9 . Die Herstellung eines Porträts aus einem Figurenrest ist eine große Seltenheit. Das Thema Wiederverwendung von Kunstwerken im Altertum ist unerforscht. Wer es in Angriff nimmt, was F. Poulsen in einer kurzen Übersicht versucht hat 10 , bekommt es, sobald er gründlicher als Poulsen vordringt und die Beobachtungen in einen Sinnzusammenhang bringt, größtenteils mit einem von ideellen Zwecken beherrschten künstlerischen Arbeitsgebiet zu tun. Die Kaiserköpfe am Konstantinsbogen in Rom, die Konstantin und Licinius in abgeänderten, verehrungsvoll gewählten Bildnissen Trajans, Hadrians und Mark Aurels darstellen11, sowie das Bildnis Justinians, das in S. Apollinare Nuovo in Ravenna aus einem getilgten Theoderich strafend und strahlend hervorging12, bezeichnen die Spannweite der tiefer verursachten künstlerischen Wiederverwendungen. Daneben sind materielle und technische Gründe selten, und in jedem einzelnen Fall ist die Möglichkeit einer hintergründigen Bedeutung zu erwägen13. Einige, der bisherigen Forschung wahllos erschienene Beispiele sind ungeklärt, so Köpfe in Bologna 14 und Brescia 15 oder eine fragmentierte Statue vom Ponte Sisto in Rom 16 . In der Hauptsache geht es um fremde Köpfe. Bei dem Togatus vom Ponte Sisto um einen solchen zu einer überlebensgroßen Statue, die wohl von Anfang an ein Herrscherbild war, das wir nicht mehr benennen können und das später offenbar Valentinian I. oder Valens darstellte. Oder es geht um veränderte Köpfe, einen Reliefkopf (denjenigen in Bologna), dessen moderner Rufname bezeichnenderweise Livia ist, und einen männlichen Kopf (den in Brescia), der erst weiblich gewesen sein soll, was gar nicht sicher ist. Er könnte ein Kopf wie Agrippa 17 gewesen sein. Neben den wenigen unklaren Fällen läßt die Mehrheit der Wiederverwendungen das Walten von Willkür und Zufall deutlich zurücktreten. Deshalb ist der herangezogene Vergleich moderner Verhältnisse einzuschränken. Im Altertum stehen mindestens die statuarischen Kunstwerke in einer lebensähnlichen Ordnung. Ihre Bildinhalte sind geborgen und nicht nach Belieben verletzlich18. Sie bleiben Vorbilder ferner Geschlechter, in denen sie bisweilen ihre Wiedergeburt feiern. Sie erleiden auch die Strafen, denen die Dargestellten verfallen können, und werden mit ihnen vernichtet 19 . Unverdienterweise zu Schaden ge-

9

Hauser, Berl. Philolog. Wochenschrift 25, 1905, 69.

10

G a z B A . 12, 1934

11

H . P . L ' O r a n g e — A . v o n Gerkan, Der spätantike Bildschmuck des Konstantinsbogens i 9 o f . (Gegenargumente s. bei Gross a. O. 10 A n m . 25).

11

Verhältnisse anzuwenden. Die Äußerungen, die W . Fuchs z u m T h e m a : U m g a n g mit alten K u n s t w e r k e n g e m a c h t h a t ( J d l . 20. Ergänzungsheft 186), sind zuwenig behutsam.

lfi-

12

v . Lorentz, R M . 50, 1935, 339 ff.; K u n s t der Ostgotenzeit 61 ff.

13

Themistokles ließ der Eile wegen alles schnell verfügbare Material in die S t a d t m a u e r n A t h e n s verbauen (Thuk. I 90, 3), sogar alte Grabdenkmäler (W. Judeich, Topographie v o n A t h e n 2 71). D e r N u t z e f f e k t erscheint v o n heiliger V e r a n t w o r t u n g berührt. D a s Beispiel gibt einen guten Hinweis sowohl auf P r a x i s wie Anlässe als auch auf ihre vertretbaren Ausführungen. Der Sinn der obigen Bemerkungen liegt in der W a r n u n g , allzu bedenkenlos moderne Ansichten auf antike

14

F . Poulsen, Porträtstudien in norditalienischen Provinzmuseen 22 A b b . 38. 39.

15

E b e n d a 31 A b b . 64. 65. Ders., G a z B A . 12, 1934 II 3 f .

S.Fuchs, 16

RM. 26, 1 9 1 1 , 244t. T a f . 12. 13.

17

R M . 48, 1933 T a f . 33 ff.

18

W e n n Dio v o n Prusa für die Zeit Hadrians willkürliche Namensänderungen auf S t a t u e n in seiner rhodischen R e d e (Or. 31) bezeugt, so gibt er, indem er diese Unsitte geißelt, der Grundhaltung, v o n der hier die R e d e ist, klaren Ausdruck.

19

Vgl. die M a ß n a h m e n der *damnatio R E . I V 2, 2059.

memoriae',

E I N B I L D N I S T R A J A N S IN

MOSKAU

191

kommene Denkmäler religiösen Bereichs werden vergraben20, begraben 21 . Man spürt, wie gering der Spielraum ist, in dem eine antike Statue im Altertum zu nutzbarem Altmaterial werden konnte. In Anbetracht solcher Verhältnisse gilt auch der Rückseite unseres Trajansbildnisses fragendes Interesse, wenn auch eine Antwort verwehrt ist. Wie immer die Zusammenhänge im einzelnen gewesen sein mögen, aus den turbulenten Jahrzehnten vor Trajan gab es entthronte, zerstörte und verworfene höfische Bildgestalten genug. Aus solchem Bodensatz der politischen Geschichte mag das Bild des hohen Trägers einer besseren Zukunft absichtsvoll und vertrauend geschaffen worden sein. Auch die Burgmauer des klassischen Athens war ein großes Denkmal, zugleich, um ein Wort des Pausanias auf sie anzuwenden, »ein Denkmal des Hasses«22. Die Reste der Schmach stecken für immer darin. Münster

20

21

Josef F i n k

Z u m Beispiel v o m B l i t z getroffene Figuren des Ostgiebels des Aphaia-Tempels v o n Ä g i n a , E . Kirsten — W . Kraiker, Griechenlandkunde 4 305. A u c h die im Perserkrieg beschädigten W e i h geschenke der Akropolis v o n A t h e n sind hier zu nennen, K i r s t e n — K r a i k e r a. O. 54. Vgl. ebenda 251 V o r g ä n g e in Delphi. W . F u c h s (s. oben A n m . 13) stellt sich v o n der klassischen Zeit a b derartige V o r g ä n g e als mehr oder weniger gedankenlos, jedenfalls ohne

22

R ü c k s i c h t durchgeführte Aufräumungsarbeiten vor. A b e r für das römische A l t e r t u m b e z e u g t (z. B . favissae das lateinische W o r t favissae Capitolinae) unterirdische R ä u m e , K a m m e r n oder Stollen zur B e r g u n g unbrauchbar gewordener Götterbilder, und noch i m Mittelalter und später werden verstümmelte heilige Bildwerke oftmals begraben. Elbern, JbBerlMus. 3, 1961, 171 A n m . 42. X 35, 2: TOÖ exSous ÜTropurincrra.

K O R R E K T U R H I N W E I S A U F E . D I E H L , A A . 1965, 845I

Fragmente aus Samos In der Legende zu Abb. 23 und 24 ist statt »Fragmente zweier Salblöffel aus Marmor und Alabaster« zu lesen: »Fragmente zweier Salblöffel aus Alabaster«.

u

Reallexikon der Assyriologie

Nach E. Ebeling • B. Meissner • E. Weidner Unter Mitwirkung von R. Borger • P. Calmeyer • D. 0. Edzard A. Falkenstein • A. Moortgat H. Otten • D. J. Wiseman Herausgegeben von W. von Soden

Walter de Gruyter & Co • Berlin vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Sutten tag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. TrObner • Veit A Comp.

Daa bereits 1928 von B. Meissner und E. Ebeling begonnene und nach dem Kriege von E. Weidner (ortgeführte „Reallexikon der Assyriologie" soll nun mit einem neuen Mitarbeiterstab weitergeführt werden. Eine Erweiterung des Herausgeberkollegiunis war unerläßlich, da bei der Stoffülle, die uns die letzten 35 Jahre gebracht haben, eine Aufteilung in Fachgebiete notwendig wurde, die für den einzelnen) gerade noch überschaubar sind. So] werden ab] Lieferung 4 des 3. Bandes dem Hauptherausgeber W. von Soden zur Seite stehen: A. Falkenstein und D. O. Edzard für die Sumerologie, R. Borger für die Akkadistik, H. Otten für die Hethitologie, A. Moortgat und P. Calmeyer für die Vorderasiatische Archäologie und D. J. Wiseman für die Geschichte des alten Vorderasien. Die Vorbereitungen für die geplanten weiteren 5 bis 7 Bände des Werkes, zu denen später nach Bedarf Ergänzungsbände treten sollen, — sind inzwischen im Wesentlichen abgeschlossen. Für alle Fachgebiete wurden neue Stichwortkarteien zusammengestellt, die dem gegenwärtigen Stand der Forschung entsprechen und laufend ergänzt werden. Zahlreiche Wissenschaftler des In- und Auslandes haben ihre Mitarbeit zugesagt und werden bereits in der 4. Lieferung des 3. Bandes vertreten sein. Abweichend vom bisherigen Gebrauch werden die Artikel nicht ins Deutsche übersetzt, sondern erscheinen in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch. Alle Herausgeber sind bemüht, ein möglichst rasches und kontinuierliches Erscheinen des Werkes zu gewährleisten. Die Herausgeber und der Verlag erhoffen sich von der Fortsetzung des Werkes einen Brückenschlag zwischen den verschiedenen Spezialgebieten der Altorientalistik, aber auch eine neue Verbindung zu den Nachbarwissenschaften. Das Reallexikon soll den Theologen, Religionswissenschaftlern, Historikern, Prähistorikem, Archäologen und Philologen anderer Fachrichtungen verläßliche Informationen aus dem weiten .Gebiet der Altorientalistik in allen ihren Zweigen vermitteln.

Band I

A-Bepaste. XI, 483 Seiten mit 59 Tafeln. 1932. In 6 Lieferungen. DM 71,25

Bandü^Ber-Ezur und Nachträge. 490 Seiten. 1934—1938. In 5 Lieferungen. DM 55,80 Band DI, Lieferung 1: F-Fixsterne. IV, 80_Seiten. 1957. DM 18 — Band III, Lieferung 2: Flächenmaß-Gebet. Seiten 81—160. 1959. DM 18,— Band m , Lieferung 3: Gebet II-Geschwulst. Seiten 161—232. 1964. DM28,—

Soeben erscheint:

Band m , Lieferung 4 Geschwulst — Gewand. Seiten 233 — 320. 1966. DM 18,—

Weitere 3 Lieferungen sind im Druck bzw. in Vorbereitung; sie werden im Laufe des Jahres 1967 erscheinen.

»GES-TUKU — G E T R Ä N K E d geS-tuku

s.

dgii-tuku.

Geitula « g e ä t u - l ä „der das Ohr hinhält" (wörtl. „hängen läßt"), sum. Epithet des Enki. CT 24,14, 35 (Liste An:Anum); C T 24, 27,5, wo mit «"geätü-abzu geglichen. D. O. Edzard

Gestus s. G e b e t s g e b ä r d e n u n d G e betsgesten. Geätuiega. «[Gl5].KU.PI-Se-[ga], in der rechten Spalte (linke nicht erhalten) von CT 24, 37, 92 (An:Anum) genanntes sum. Götterepithet, „willfähriges Gehör". R. L. Iitke, Yale-Diasertation über die Götterliste An: Anum (1965 noch unpubliziert). D. O. Edzard

Gêta. urage-e-ia. Eine der von Sargon II. auf seinem 8. Feldzug eroberten 30 Ortschaften im Lande Aiadi* nördlich vom Van-See. Sg. 8, 282.

D. O. Edzard

Getränke. A. Nach sumerischen und akkadischen Texten: L e domaine de la boisson (imaStîtu, maltîtu, sum. a. n a g ; du verbe Satû: boire, sum. n a g ; Saqû — également n a g ou dé, en sum. — signifie: donner à boire, abreuver; et maSqîtu, sum. a et a. n a g . : potion; comp. Sâqû: échanson) est, dans l'ensemble, assez mal, et surtout fort inégalement documenté. § 1. B o i s s o n s n o n - f e r m e n t é e s . Mis à part le lait (Milch*), lequel, bien que compté avant tout comme aliment, pouvait être servi à table parmi les breuvages (vg. Racc. 75, 4, 7, [10]), coutume dérivée peut-être des semi-nomades (vg. GilgameS, P 81s.), la première boisson et la plus universelle, comme partout ailleurs, était l'eau (Wasser*) (mû; en sum. le mot qui la désigne: a, fait partie intégrante d'à peu près tous les termes relatifs au boire, et même n a g — voir ci-dessus — s'écrit par le signe de la «bouche» dans lequel est inclu celui de l'«eau»). «Nourriture et boisson» se dit couramment

Probeseite

«pain et eau»: akalu u mû (nombreuses réff. dans C A D A1 239—242), et l'eau était le premier remède de la soif (CAD Ç 95: satnû; et 246 ss: $ûmu et summu). On lui demandait seulement d'être «pure» (zakû: C A D Z 23b) et «fraîche» (kasû: AHw. 459a). Aussi, comme aujourd'hui encore en Iraq et en Syrie, la mettait-on à décanter et rafraîchir dans une outre (Satû mê nâdi : R A 13 [1916] 1 1 1 , 13), et de préférence un vase de terre poreuse (dug. a.Se4 .dè: karpat mê kaçûti: Hh X 72, MSL 7, 79; le nom moderne de ce vase est hûb, à Baghdad), suspendu dans le coin le plus frais de la maison (comp. le relief assyrien reproduit dans A f O 7 [1931/32] 12 : iii). L'eau n'était certainement pas le seul breuvage «naturel»: mais, sur ce chapitre, nous sommes presque entièrement réduits à la conjecture. Qu'on l'ait bue mélangée aux boissons fermentées, ne fait aucun doute (voir plus loin). Mais il est à présumer, en dépit du mutisme presque total des documents, que l'on avait depuis la nuit des temps pris l'habitude d'y ajouter divers produits, en vue de lui donner plus de saveur et de valeur nutritive. Puisqu'on sucrait le lait servi à table (ga.ku T .ktt 7 : B B R 26 ii 13, p. 124s.), a fortiori devait-on en faire de même pour l'eau. Les textes médicaux, notamment, nous apprennent que l'on avait mis au point, sans doute depuis fort longtemps, divers procédés pour extraire dans l'eau, par cuisson, infusion ou décoction (SubSulu: A H w . m a ; marâsu J A O S Spl. 10, 5o 78 ; rasSnu : ibid. 486î; rabâku: MSL 2, 110), le suc ou les principes nutritifs ou aromatiques des plantes vertes, séchées ou réduites en poudre (sîktu: Z A 4 5 [1939] 215): ainsi, des infusions chaudes ou refroidies, du type de l'actuel Sai nûmi Basra (limons séchés, écrasés et infusés), qui fournit en Iraq une boisson succulente et très rafraîchissante, peuvent-elles être de tradition fort archaïque. On sait, du reste, que les premières opérations de la brasserie avaient pour procédé essentiel l'infusion (JAOS Spl. 10, 6; StudOpp. 76), dont le résultat, le d i d a , moût sucré et aromatisé, pouvait être bu et servi tel quel, avant toute fermentation (ibid. 81I.

UNTERSUCHUNGEN ZUR ASSYRIOLOGIE UND VORDERASIATISCHEN ARCHÄOLOGIE (Ergänzungsbände zur Zeitschrift für Assyriologie und vorderasiatische Archäologie. Neue Folge)

BAND I

Die altassyrischen Texte

Herausgegeben von BUKRHART KIENAST Mit 32 Tafeln Keilschriftautogiaphien und 8 Tafeln Photos von Siegelabrollungen. Quart. XII, 125 Seiten. 1960. Ganzleinen DM 42 —

des orientalischen Seminars der Universität Heidelberg und der Sammlung Erlenmeyer, Basel

BANDII V o n R U T H OPIFICIUS

Das altbabylonische Terrakottarelief

Mit 24 Tafeln. Quart. XII, 229 Seiten. 1961. Ganzleinen DM 84,— Ein Beitrag zur Ethnographie des alten Kleinasien

B A N D III

V o n EINAR VON SCHULER

Die Kaskäer

Quart. XVI, 198 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 64,—

BAND IV

Die Entwicklung der Glyptik während der Akkad-Zeit

V o n RAINER M . BOEHMER

Quart. Mit 63 Tafeln. XVI, 194 Seiten. 1965. Ganzleinen DM 98,—

ZEITSCHRIFT FÜR A S S Y R I O L O G I E UND VORDERASIATISCHE ARCHÄOLOGIE Begründet von CARL BEZOLD, herausgegeben von A . FALKENSTEIN, J . FRIEDRICH, Zuletzt erschien: Neue Folge Band 23 (57. Band). 1965. Bandpreis DM 58,—

HANDBUCH

DER

A . MOORTGAT

KEILSCHRIFTLITERATUR

Von Professor Dr. RYKLE BORGER. 2 Bände. Band I. Repertorium der sumerischen und akkadischen Texte. X, 672 Seiten. 1966. Im Druck Band II. (Sachliche Ordnung des Textmaterials) In Vorbereitung

WALTER

DE

GRUYTER

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• BERLIN

30 Printed in Germany. 10/X/66

Sigel für Archäologischer Anzeiger: A A .

Anschrift der Redaktion: Zentraldirektion des Deutschen Archäologischen Instituts, x Berlin-Dahlem, Peter-Lenne-Str. 28-30. P o s t a n s c h r i f t : 1 Berlin 3 3 1 , Postfach. Das Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts und die Archäologische Bibliographie erscheinen jährlich einmal. Der Archäologische Anzeiger erscheint etwa vierteljährlich in vier Einzelheften pro Jahr.

Letzte Einsendetermine für d r u c k f e r t i g e Manuskripte: 15. November (für A A . Heft 1 des folgenden Jahrgangs) 1 5 . Februar

(für A A . Heft 2 des laufenden Jahrgangs)

15. Mai

(für A A . Heft 3 des laufenden Jahrgangs)

1 . August

(für J d l . und A A . Heft 4 des laufenden Jahrgangs)

Abkürzungsverzeichnisse werden von der Redaktion gegen Voreinsendung des Portos auf Bestellung verschickt. E s wird darum gebeten, den eingereichten Manuskripten ein Abbildungsverzeichnis mit Herkunftsangabe der Vorlagen und in erforderlichen Fällen einen Genehmigungsnachweis für die Reproduktion beizufügen.

Archiv-Nr. 3815 666 Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Printed in Germany