Apollonios Rhodios und Theokrit: Die Hylas- und die Amykosgeschichten beider Dichter und die Frage der Priorität 9783666250118, 9783525250112

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Apollonios Rhodios und Theokrit: Die Hylas- und die Amykosgeschichten beider Dichter und die Frage der Priorität
 9783666250118, 9783525250112

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H Y P O M N E M A T A H E F T 12

HYPOMNEMATA U N T E R S U C H U N G E N ZUR A N T I K E U N D ZU I H R E M

NACHLEBEN

Herausgegeben von Albrecht Dihle / Hartmut Erbse Wolf-Hartmut Friedrich / Christian Habicht Bruno Snell Heft 12

VANDENHOECK & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N

ADOLF K Ö H N K E N

Apollonios Rhodios und Theokrit Die Hylas- und die Amykosgeschichten beider Dichter und die Frage der Priorität

VANDENHOECK & R U P R E C H T IN GÖTTINGEN

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Vandenhoeck& Ruprecht in Göttingen 1905. — Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. — Herstellung : Hubert & Co., Göttingen 8316

M E I N E M VATER

VORWORT Die vorliegende Arbeit ist eine in wenigen Einzelheiten veränderte und ergänzte Fassung meiner Dissertation, die im Juli 1963 von der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg angenommen wurde. Nach dem Sommer 1963 erschienene Literatur ist nur in den Anmerkungen berücksichtigt worden. Die Anregung zu dieser Untersuchung gab mir mein Lehrer, Herr Professor Hartmut Erbse. Er hat mir von der Entstehung der Arbeit bis zu ihrer Drucklegung mit seinen Ratschlägen und Hinweisen immer wieder geholfen. Ich bin ihm sehr dankbar. Außerdem danke ich den Herausgebern der „Hypomnemata", die meine Dissertation in ihre Reihe aufgenommen haben, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihren Druckkostenzuschuß und dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für seine Sorgfalt bei der Drucklegung. Dem Wunsch meiner Mutter folgend widme ich dieses Buch meinem Vater, der am 18. August 1941 bei Trudoljubowka in der Ukraine fiel. Buxtehude, den 31.3.1965

Adolf Köhnken

Inhalt Einleitung

9

Bemerkungen zur äußeren Chronologie

13

Die Form der Kiosepisode

17

Die zur Frage der Chronologie von Hylasepisode (Apollonios) und Hylasidyll (Theokrit) in der Forschung vorgetragenen Ansichten

26

Einzelinterpretation von Apollonios, Arg. 1,1172—1279 (im Vergleich mit Theokrit, id. 13) Vorbemerkung

32 32

I. Die Einleitung :A.1,1172—1186im Vergleich mit T. id. 13,32—35 (undid. 22,32—33)

34

II. Erste Einzelszene, 1. Teil: Herakles' Rudersuche, A. 1,1187—1206

39

III. Zweite Einzelszene, Hylas, A. 1,1207—1239 im Vergleich mit T. id. 13,36—54 1. Hylas' Gang zur Quelle 2. Die Vorgeschichte des Hylas 3. Die Vorstellung der Nymphen 4. Das Abenteuer an der Quelle Vorbemerkung zu IV. und V

39 40 46 56 58 67

IV. Dritte Einzelszene, Polyphem, A. 1,1240—1260 (das Löwengleichnis 1,1243—9 im Vergleich mit T. 13,61—65)

67

V. Erste Einzelszene, 2. Teil, Herakles sucht Hylas, A. 1,1261—72

75

VI. Die Abfahrt der Argonauten, A. 1,1273—1279 (im Vergleich mit T. 13,68—69)

79

Ergebnis

80

Die Amykosepisode, Apollonios Arg. 2,1—97 (im Vergleich mit Theokrit, id. 22,27—134)

84

Vorbemerkung

84

Die unmittelbare Verwandtschaft der Darstellungen des Boxkampfes Amykos — Polydeukes bei Theokrit und Apollonios

87

Die Stellung beider Dichter in der Tradition

89

a) Die Anredeformeln für die Dioskuren bei T. 22,1—3 und A. 1,146f.

89

b) Das Verhältnis der beiden Versionen des Faustkampfes zur vorhellenistischen Darstellung der Kontroverse Amykos-Polydeukes

90

8

Inhalt Die These von der Unterlegenheit der apollonianischen Darstellung

93

I. Die Charakterisierung der Hauptpersonen bei beiden Dichtern . . . . 1. Amykos bei Theokrit 2. Amykos (und Polydeukes) bei Apollonios a) Der Tenor der Episode b) Der Vergleich der Kontrahenten (Interpretation der zweiten Szene der Episode, V. 2,25—50)

94 94 95 95 98

I I . Der Faustkampf (T. 22,80—130 im Vergleich mit A. 2,67—97) Allgemeine Vorbemerkung 1. Die Kampfdarstellung bei Theokrit 2. Die Kampfdarstellung bei Apollonios

108 108 109 112

Ergebnis

118

Anhang: Bemerkungen zur zeitlichen Parallelität bei Apollonios

122

Literaturverzeichnis

125

Stellenverzeichnis

128

Einleitung Die vorliegende Arbeit, die sich in erster Linie mit Apollonios beschäftigt, hat zwei Aufgaben : 1. soll das Problem der relativen Chronologie der beiden ähnlichen Hylaserzählungen Theokrit, id. 13, und Apollonios, Argonautika 1, 1172—1279, sowie der zwei Versionen des Mythos vom Boxkampf des Amykos gegen Polydeukes Theokrit, id. 22,27—134, und Apollonios, Arg. 2,1—97, überprüft werden; 2. sucht die Arbeit einen Beitrag zum Verständnis der Erzählkunst des Apollonios am Beispiel der genannten (Hylas- und Amykos-) Episoden im ersten und zweiten Buch der Argonautika zu liefern, deren dichterische Qualität — ebenso wie die des vierten und im Gegensatz zur anerkannten Schönheit des dritten Buches — fast immer etwas abschätzig beurteilt wird 1 . Die Beschränkung des Themas auf die von Theokrit und Apollonios parallel behandelten Erzählungen von Hylas und Amykos hat, was die Frage des zeitlichen Verhältnisses der beiden Dichter zueinander anbetrifft, ihren Grund darin, daß die nicht wenigen sprachlichen Berührungen zwischen anderen Gedichten Theokrits und Versen oder Versteilen in den Argonautika des Apollonios im allgemeinen keine sicheren Schlüsse auf die Priorität des einen oder des anderen zulassen. A. Gercke 2 gibt einen (nicht vollständigen) Katalog der Anklänge zwischen beiden Dichtern, aus denen er Anhaltspunkte für die von ihm vertretene Priorität des Apollonios zu gewinnen sucht; doch kann in seinen Belegstellen jedesmal ebensogut Theokrit der frühere gewesen sein: Zwei Beispiele mögen hier für viele stehen: (1) A. 3,937 (έπιπνείουσιν Έρωτες) ~ T. 12,10 (πνεύσειαν . . . Έρωτες) 3 und (2) Α. 1,1035f. (μοϊραν άνέπλησεν. τήν γάρ θέμις ουποτ' άλύξαι θ-νητοΐσιν) ~ Τ. 24,69 f. (καΐ ως ούκ εστίν άλύξαι άνθ-ρώποις 6 τι Μοίρα κατά κλωστηρος έπείγει). In beiden Fällen ist das Verhältnis umkehrbar; es läßt sich nicht entscheiden, welchem von beiden Dichtern man die Priorität zuerkennen soll. 1 Vgl. z.B. zuletzt (1961) Vian, Einleitung S. 6: «Les chanta I, I I et IV de son (sc. A.'s) poème sont avant tout oeuvre d'érudit. C'est seulement dans le livre III qu'il a pu faire preuve d'originalité et donner la mesure de son talent poétique.» 2 RhM 44, 1889, 137 Anm. 2. 3 Gow, Komm, zu id. 12,10 S. 223 vergleicht außerdem Α. 3,972 (ύπο πνοιησιν Έρωτος); Τ. 17,52 (ϊρωτας προσπνείει) und 18,54 (ψιλότατα πνέοντες) sowie E. I. Α. (πνοιαΐ . . . 'Αφροδίτης φίλαι).

10

Einleitung

Gercke stützt jedoch seine im Anschluß an Wilamowitz und Rnaack 1 entwickelte These, Theokrit übe auch in anderen als dem 13. und 22. Idyll seine „meist launige Kritik" 2 an Apollonios, im wesentlichen auf zwei Beweisstücke, ein inhaltliches und ein vorwiegend sprachliches, die hier kurz betrachtet werden sollen, da besonders das erstere auch sonst oft diskutiert worden ist : 1. Gercke 3 und mit ihm z.B. in neuester Zeit noch Gow4 und Vian 5 sehen in der Partie id. 7,45—48 eine Stellungnahme Theokrits für Kalümachos und gegen die zeitgenössischen Homeriker (und mit ihnen auch gegen Apollonios) : 45 ώς μοι καί τέκτων μέγ' άπέχθ-εται 6στις έρευνη Ισον δρευς κορυφή τελέσαι δόμον Ώρομέδοντος, καί Mot σαν ορνιχες 8σοι ποτί Χΐον άοιδόν 48 άντία κοκκύζοντες έτώσια μοχθίζοντι. Gegen diese Interpretation macht jedoch P. Händel 9 darauf aufmerksam, daß die Verse nur gegen den Größenwahn derjenigen Poeten gerichtet sind, die sich einbilden, sie könnten sich mit Homer messen. Lykidas begrüßt die Bescheidenheit des Simichidas7, der es zurückweist, mit so berühmten Dichtern wie Asklepiades und Philitas zu konkurrieren (V. 39—41) und stellt ihm als ein besonders markantes Gegenbild diejenigen „Musenvögel" gegenüber, die als unbedeutende kleine Dichter vergeblich gegen den großen Homer „ankrächzen", dessen dichterische „Höhe" für sie genauso wenig erreichbar ist, wie der Gipfel des Oromedon mit dem „vermessenen" Versuch eines Baumeisters. Von einer Parteinahme Theokrits für die „kleine Form" des Kallimachos gegenüber dem großen (d. h. umfangreichen) Epos der Kykliker ist nicht die Rede 8 . 2. Gercke meint außerdem 9 , die Verse T.id. 7,126f. (Schluß des Liedes des Simichidas:) άμμιν δ'άσυχία τε μέλοι, γραία τε παρείη | άτις έπιφθύζοισα τά μή καλά νόσφιν έρύκοι, seien „eine köstliche Parodie auf eine etwas kindliche Äußerung des Apollonios" Arg. 3,640 (in Medeas 1

Für Wilamowitz' und Knaacks Auffassung von id. 13 s. u. S. 26ff. RhM 44, 1889, 139. » A.a.O. 139f. 1 Ausg. p. X X I I und Komm. 144. 6 Einleitung S. 2 mit Anm. 2 : «Celui-ci (sc. Callimaque) est le chef de l'école a laquelle apartiennent Théocrite et surtout Aratos.» 6 S. 212f. 7 Zu den Personen Lykidas und Simichidas vgl. J.-H. Kühn, Herrn. 86, 1958, 40ff.: s. u. S. 14. 8 Gow, Ausg. p. X X I I Anm. 5, wendet mit Recht gegen seine eigene Interpretation ein : "There is nothing in the context to invite an opinion on epic poetry" ·—· auch die vier Verse 7 , 4 5 — s i n d nicht als „Stellungnahme zur epischen Dichtung" gemeint. » RhM 44, 1889, 140. 2

Einleitung

11

Gedanken nach ihrem Alptraum 616—632) άμμι δε παρ&ενίη τε μέλοι καΐ δώμα τοκήων.— Die Situationen in beiden Gedichten sind hier jedoch ganz verschieden, und man müßte zudem vor der Annahme einer „Parodie" des Theokrit auf Apollonios erst einmal erklären, wieso die „Äußerung des Apollonios" „kindlich" sein soll: diese Behauptung Gerckes wird sich schwerlich begründen lassen, sein Vorwurf gegen Apollonios ist ganz unberechtigt, und seine These ist unbeweisbar. Es bleibt also wieder nur der sprachliche Anklang, ohne daß man entscheiden könnte, welcher von beiden Dichtern vom anderen beeinflußt ist. Unter den von Gercke aufgezählten Veraanklängen verdient jedoch einer noch nähere Beachtung, T. id. 7,9: αίγειροι πτελέαι τε . . . χλωροϊσιν πετάλοισι κατηρεφέες κομόωσαι, erinnere an Α. 3,928: (1) αίγειρος φύλλοισιν άπειρεσίοις κομόωσα. Beide Dichter lehnen sich in Wortwahl und Versbau offenbar an einen Vers der Ilias parva (F VI, 2 Allen) an 1 : άμπελον (ήν Κρονίδης επορεν . . .) χρυσείοις φύλλοισιν άγανοΐσιν κομόωσαν, doch variiert Apollonios die Wortfolge noch an zwei weiteren Stellen (bei Gercke nicht verzeichnet) : (2) 1,1121: στύπος αμπέλου . . . ίδρυσαν, φηγοΐσιν έπηρεφές άκροτάτησιν und (3) 3,220: [άμπελοι] ημερίδες χλοεροϊσι καταστεφέες πετάλοισιν. Alle drei Stellen bei Apollonios aber weisen, über den Anklang an das gemeinsame Vorbild Ilias parva F VI, 2 hinaus, Übereinstimmungen mit dem Theokritvers (id. 7,9) auf; im ersten Fall (A. 3,928) ist bei Theokrit und Apollonios von αίγειρος (αίγειροι) die Rede (gegenüber der άμπελος der Ilias parva und der beiden übrigen Apolloniosverse) ; im zweiten Beispiel (Α. 1,1121) gleicht das .έπηρεφές dem κατηρεφέες des Theokritverses, und an der dritten Stelle (A. 3,220) heißt es, wie bei Theokrit, χλοεροϊσι ( = χλωροϊσιν) . . . πετάλοισιν (gegenüber χρυσείοις φύλλοισιν im Fragment der Ilias parva). Der Theokritvers läßt sich also fast wörtlich aus den drei Apolloniosstellen zusammensetzen. Für die Frage der Priorität ergibt sich damit folgende Alternative: entweder hat Theokrit seinen Vers aus dem Fragment der Ilias parva 1

Angeführt von Vian,-Komm, zu A.'3,928,

12

Einleitung

und den drei weit voneinander getrennten Apolloniosstellen kombiniert oder Apollonios hat das Fragment der Ilias parva und den Teokritvers dreifach variiert. Das letztere ist viel wahrscheinlicher und könnte ein Indiz dafür sein, daß Apollonios, anders als Gercke es wollte, Theokrits siebentes Gedicht gekannt hat. Ein Vergleich der Versionen aber, die Theokrit und Apollonios vom Hylas- und vom Amykosmythos geben, ist aufschlußreicher als die im ganzen für die Prioritätsfrage wenig ergiebige Auswertung einzelner sprachlicher Anklänge: die Gemeinsamkeit der Themen „Hylas" und „Amykos" ermöglicht eine Gegenüberstellung von Handlungsführung und Akzentsetzung im großen, sowie von Art und Verwendung der einzelnen Motive im kleinen und erlaubt die Frage nach dem Grund von Übereinstimmungen und Abweichungen in den Darstellungen der beiden Dichter. Die Antwort auf diese Frage aber läßt Hinweise zur Lösung des Problems der Priorität viel eher erwarten als Anklänge von Versen, die bei jedem von beiden Dichtern in einem ganz verschiedenen Kontext auftreten und einen inhaltlichen Vergleich, über die Feststellung der ähnlichen sprachlichen Formulierung hinaus, nicht zulassen. In der Arbeit soll so vorgegangen werden, daß zunächst, in einer Vorbemerkung, A) die uns überlieferten äußeren Daten über die zeitliche Einordnung von Theokrit und Apollonios kurz rekapituliert werden; dann, im ersten Hauptteil („Hylas"), in drei Abschnitten B) versucht wird, ein besonderes Aufbauprinzip für die Kios- (oder „Hylas"-)Episode des Apollonios nachzuweisen; C) eine Übersicht über die bisher vorgebrachten Argumente zur Prioritätsfrage gegeben und D) eine neue Interpretation der Einzelheiten der Kiosepisode des Apollonios im Vergleich mit den entsprechenden Versen in der Version Theokrits vorgelegt wird; und schließlich, im zweiten Hauptteil, E) die Amykosversionen behandelt werden: Dieser letzte Abschnitt soll enthalten : 1. den Nachweis der immittelbaren Verwandtschaft der Darstellungen von Theokrit und Apollonios; 2. eine Untersuchung der Stellung der Versionen beider Dichter in der Tradition; 3. die Interpretation der Erzählung dee Apollonios im Vergleich mit derjenigen Theokrits. Dabei werden vor allem die zweite und die vierte Szene bei Apollonios (V. 25—50 und 67—97 im zweiten Buch der Argonautika) Gegenstand der Betrachtung sein.

Bemerkungen zur äußeren Chronologie 1. Von den drei auf Grund inhaltlicher Anspielungen zeitlich fixierbaren Gedichten Theokrits (idd. 15; 16; 17) ist mit großer Wahrscheinlichkeit keines später als 270 v.Chr. geschrieben (s. Gow, Ausg. p. XVII) 1 . Sein „floruit" wird von den Zeugnissen entweder noch unter die Regierung Ptolemaios' I. Soter oder unter die seines Sohnes Ptolemaios' II. Philadelphos2 gesetzt. Da Philadelphos 285—283 v.Chr. Mitregent seines Vaters war, könnte man die beiden Angaben kombinieren und Theokrits Blüte in diese Jahre setzen. Diese Annahme ist nicht unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß Theokrits Ruhm in der Hauptsache auf seinen bukolischen Gedichten beruht3 und die Scholien demnach, wenn sie von seiner άκμή sprechen, seine „Blüte" als Bukoliker meinen können. Die Gedichte 15—17, möglicherweise alle in Alexandria geschrieben, gehörten dann in seine Spätzeit. Der Inhalt von id. 16, das man oft als frühes Gedicht angesehen hat 4 , widerspricht dieser Spätdatierung nicht, denn 1. hat das Idyll ausschließlich das ύμνεΐν άγαθών κλέα άνδρών (V. 2; vgl. 58 έκ Μοισαν . . .κλέος άρχεται άνθρώποισιν und 98: Ίέρωνι κλέος φορέοιεν άοιδοί) zum Thema, gehört also einer anderen Dichtungsgattung an als die bukolischen Gedichte. Die Χάριτες in den Versen 5—12 sind infolgedessen auch nur Symbole für Gedichte, die zum literarischen Genos des Enkomions (vgl. V. 14f.) 1

Für id. 15 ist 270 v.Chr. terminus ante quem, da das Gedicht V. 24 von Arsinoe II. als regierender Königin spricht, also vor ihrem Tode (270 v.Chr.) verfaßt sein muß (Gow, Komm. 265). — Id. 16 ist wahrscheinlich unmittelbar nach der Machtübernahme Hierons II. in Syrakus 275/74 v.Chr. (eher als 269) geschrieben (Gow, Komm. 305—307). — Id. 17 muß wieder (wie id. 15) vor 270 v.Chr. entstanden sein (Königin Arsinoe I I . : V. 128) und nach 274 v.Chr., da der Katalog der von Ptolemaios Philadelphos beherrschten Völker und Gebiete (V. 86ff.) erst in oder nach dem ersten syrischen Krieg möglich ist (Gow, Komm. 326. 339f.). 2 (1) Unter Ptolemaios Soter: vita (a) (Wendel, Schol. T. 1): ήκμασε δέ κατά Πτολεμαϊον τόν έπικλη-9-έντα Λαγωόν codd. (test. Β bei Grow, Ausg. p. XV) und Schol. id. 4 Arg. : κατά τήν ρκδ' 'Ολυμπιάδα (284—281 v.Chr., test. D a bei Gow, Ausg. p. XVI). (2) Unter Ptolemaios Philadelphos: vita (b) (Wendel, Schol. Τ. 1) ( = test. C bei Gow, Ausg. p. XV) und Schol. Syrinx Arg. (test. D b bei Grow, Ausg. p. XVI). 3 Vgl. Schol. A. 1,1289 (S. 116 Wendel): 6 δέ Βουκόλος i. e. Theokrit; auch id. 13 („Hylas") wird unter die Βουκολικά gerechnet, s. Schol. A. 1,1234 (S. 112 Wendel). 4 So z.B. Wilamowitz, Textg. 158: „Als T. die Chariten dichtete, hatte er noch wenig Anklang gefunden; er suchte einen Gönner, und Hieron ist es nicht geworden"; vgl. z.B. auch Kühn, Herrn. 86, 1958, 77.

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Äußere Chronologie

gehören. Die Bukolik bleibt ganz außer Betracht, und über den möglichen Erfolg oder Mißerfolg von Theokrits Hirtendichtung k a n n m a n aus id. 16 von vornherein keine Schlüsse ziehen; 2. ist das Motiv der „Chariten mit den bloßen F ü ß e n " (V. 8) in diesem Gedicht vor allem deshalb verwandt worden, weil Theokrit durch die Fiktion des „armen" Dichters (vgl. V. 10), der die Taten der „reichen und mächtigen" Herren besingt, den Kontrast zwischen der scheinbaren Bedeutungslosigkeit des Dichters im Verhältnis zur Macht der großen Herrscher einerseits und dem tatsächlichen Einfluß seiner Gedichte andererseits besonders scharf hervorheben will. Ohne den Dichter, der die Kunde von den Fürsten der Nachwelt überliefert, sind deren R u h m und Reichtum schnell vergessen (vgl. das dreimalige anaphorische εΐ μή V. 44; 50; 57: „was wären sie, wenn nicht . . .") und nutzlos (V. 58f. έκ Μοισδν άγαθόν κλέος άρχεται άνθρώποισι, | χρήματα δέ ζώοντες άμαλδύνουσι θανόντων). •— Trotz der äußeren Unscheinbarkeit der Chariten (vgl. V. 10—12) ist in Wahrheit nur durch sie dauernder Nachruhm möglich; 3. betont Theokrit ausdrücklich, daß er auf die Gunst Hierons — dem er im zweiten Teil des Gedichtes (V. 76ff.) als dem führenden Mann seiner sizilischen Heimat huldigt — nicht imbedingt angewiesen ist: Nur wenn die freie Entfaltung seiner dichterischen Tätigkeit in Syrakus möglich ist, will er zu Hieron kommen (V. 107f. Μοίσαισι σύν άμετέραισιν ϊοιμ' άν, | καλλείψω δ' ούδ' υμμε . . .; vgl. auch das betonte σύν Μοίσαις (V. 69). Der Satz αΰτάρ έγώ τιμήν τε και ανθρώπων φιλότητα | πολλών ήμιόνων τε καΐ ϊππων πρόσθεν έλοίμαν (V. 66f.) besagt nur, daß Theokrit, bei der Wahl zwischen Reichtum u n d Ansehen, dem letzteren den Vorzug geben würde, nicht aber, daß ihm τιμή und φιλότης der Menschen noch nicht zuteil geworden seien 1 .

Spät zu datieren ist außerdem mit einiger Sicherheit Theokrits siebentes Idyll. J.-H. Kühn 2 hat wahrscheinlich gemacht, daß in den Personen von Lykidas und Simichidas zwei Stadien in Theokrits dichterischer Tätigkeit einander gegenübergestellt werden : Der schon ältere, auch in Alexandria anerkannte, Theokrit ( = Simichidas) konfrontiert sich mit sich selbst und seiner Vergangenheit in der idealisierten Gestalt des (erfolgreichen)3 „bukolischen" Dichters Theokrit ( = Lykidas)4. Das siebente Idyll braucht zeitlich nicht weit von den datierbaren Gedichten 15—17 getrennt zu werden5, und Kühns Interpretation von id. 7 als späten Rückblick des Dichters auf seine bukolische Dichtungsperiode ist so mit dem durch die Zeugnisse nahegelegten Ansatz der άκμή des „Bukolikers" Theokrit auf die Jahre 285—283 v. Chr. durchaus vereinbar. 2. Apollonios wird in den Vitae übereinstimmend als Schüler des Kallimachos bezeichnet6 und durch P.Ox. 1241 als Erzieher des spä1

Anders Kühn, Herrn. 86, 77. Herrn. 86, 1958, 40—79: vgl. zur Spätdatierung S. 76 mit Anm. 2. Vgl. T.id. 7,27—29. 4 Vgl. bei K ü h n bes. S. 75ff. 5 Vgl. Gow, Ausg. p. X X V I . 6 Vita (a) (Wendel, S. 1), Zeile 7: Καλλιμάχου μαθητής (vgl. Suda ν. 'Απολλώνιος· Άλεξανδρεύς) und vita (b) (Wendel, S. 2), Zeile 5: έμαθήτευσε Καλλιμάχω (dagegen P.Ox. 1241 I I 1 nur Καλλιμάχου γνώριμος). 2 3

Äußere Chronologie

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teren Ptolemaios III. Euergetes 1 und als zweiter Bibliotheksvorstand nach Zenodot und vor Eratosthenes bezeugt. Über die Wirkungszeit von Kallimachos, Zenodot und Eratosthenes läßt sich nicht mehr sagen, als daß die beiden ersten eher in die erste und der letzte in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts gehören. Andererseits steht von Euergetes fest, daß er die Regierung 246/45 v. Chr. übernommen hat. Man wird also Apollonios' Ämter als Prinzenerzieher und Bibliotheksvorstand wohl am ehesten in die sechziger Jahre des dritten Jahrhunderts legen. 3. Apollonios hat offenbar nicht nur die Hekale, sondern auch die Aitia des Kallimachos in den Argonautika benutzt 2 : dazu paßt die Angabe der vita (a), erster Abschnitt, Zeile 8—9 (S. 1 Wendel) : (Απολλώνιος) οψέ έπί τό ποιεΐν ποιήματα έτράπετο. Die Aitia stellen sich im Prolog als Alterswerk des Kallimachos vor 3 , können also kaum vor 250 v.Chr. erschienen sein4. Wenn man nicht für die „Locke der Berenike", die den Schluß des vierten Buches der Aitia bildet, eine Sonderausgabe annehmen will5, läßt sich die Herausgabe der Aitia sogar genau bestimmen, da die „Locke" als einziges Gedicht des Kallimachos sicher auf das Jahr 246/45 v.Chr. (Regierungsantritt des Euergetes) zu datieren ist. Die umgekehrte Annahme einer Benutzung der Argonautika des Apollonios durch Kallimachos hat — ganz abgesehen von dem umstrittenen Streit der beiden und dem Weggang des Apollonios aus Alexandria 6 — das Lehrer-Schüler-Verhältnis, das οψέ έπί τό ποιεΐν ποιήματα έτράπετο der vita (a)7 und die Bemerkung der Scholien 1

διδάσκαλος τοϋ τρίτου (πρώτου pap., corr. Hunt) βασιλέως. Siehe Pfeiffer, Call. II p. XLII. 3 Aet. I, F 1, Zeile 3»—38 Pf. 4 Pfeiffer, Herrn. 63, 1928, 338f. (vgl. Call. II p. X X X V I f. und XLII) will den Telchinenprolog, ebenso wie die „Locke der Berenike" erst einer zweifelhaften zweiten Auflage der Aitia zuweisen. 5 Pfeiffer, Call. I, 123, da die „Locke" im P.Ox. 2258C,F 1—2 (vgl. Pfeiffer, Call. I I p. X X I V ) nicht mit den Aitia, sondern mit der Elegie vom „Sieg des Sosibios" verbunden sei. 6 Der Umzug des A. von Alexandria nach Rhodos nach einer mißglückten ersten Epideixis der Argonautika wird in der vita (a) (S. 1 Wendel, aber erst im zweiten Abschnitt Z. lOff. unter λέγεται) und der vita (b) (S. 2, Z. 7ff. Wendel) berichtet. Da aber weder der Zeitpunkt dieser Epideixis noch der seiner Abfahrt nach Rhodos fixierbar ist und ungeklärt ist, ob A. sein Werk in Alexandria oder erst in Rhodos oder überhaupt nicht selbst (Frankel, Arg. 1 mit Anm. 1 und ders., Ausg. p. VI) veröffentlicht hat, sind diese Angaben der vitae für die Datierung der Argonautika schlecht verwendbar. 7 Vgl. für den neuesten Versuch, aus den z.T. widersprüchlichen Angaben der beiden vitae verschiedene Traditionen herauszupräparieren, Händel, Herrn. 90, 1962, 429—443 (im Anschluß an Herter, RhM 91, 1942, 310—326). 2

16

Äußere Chronologie

zu A. 1,1309 ( = Call. Aet. I, F 12,6 Pf.): Καλλιμάχου δ στίχος gegen sich1. 4. Wenn aber einerseits Kallimachos' Aitia um 250 v. Chr. erschienen sind und andererseits dem Apollonios bei der Abfassimg der Argonautika vorgelegen haben, dann können diese Argonautika erst frühestens 250 v. Chr. oder Anfang der vierziger Jahre veröffentlicht worden sein, und die Vertreter der Priorität des Apollonios gegenüber Theokrit sind gezwungen, das dreizehnte Idyll des letzteren mehr als zwanzig Jahre nach der Abfassung der idd. 15, 16, 17 anzusetzen. 1

H. Erbse, Herrn. 81, 1953, 163f., macht außerdem darauf aufmerksam, daß A. nur in dem aus Kallimachos übernommenen V. 1,1309 die nachhomerische Form ήμελλε (sonst zehnmal das homerische ίμελλε) gebraucht : „ A (wollte) also durch die betont unhomerische Form eine sehr deutliche Entlehnung markieren."

Die Form der Riosepisode Vor der Übersicht über die bisher vorgetragenen Argumente zur Frage des chronologischen Verhältnisses der Hylaserzählungen des Theokrit (id. 13) und des Apollonios (Arg. 1,1172—1279) möchte ich zunächst versuchen, die Art der Komposition der Kios-(Hylas-)Episode des Apollonios im Vergleich mit zwei anderen, ähnlich aufgebauten Episoden in den Argonautika näher zu bestimmen. Dabei soll von folgender Gliederung der Kiosepisode (1,1172—1279) ausgegangen werden: es lassen sich sechs Szenen unterscheiden: I. (Al) Einleitung (1172—1186): a) Zeitbestimmung (1172—1176) b) die Argonauten: Ankunft in Mysien (Kios), Vorbereitungen für Abendessen und Nachtlager (1177—1186) II. (Bl) Erste Einzelszene, l.Teil: Herakles' Rudersuche und -Beschaffung (1187—1206) III. (C)

Zweite Einzelszene: Hylas' Wassersuche und sein Abenteuer an der Quelle (Entführung durch die Quellnymphe) (1207—1239).

IV. (D)

Dritte Einzelszene: Polyphems Suche nach Herakles und Hylas (1240—1260)

V. (B2) Erste Einzelszene, 2. Teil: Herakles' sinnlose Suche nach Hylas (1261—1272) VI. (A2) Schluß (1273—1279): a) Zeitbestimmung (1273—1274) b) die Argonauten : Einschiffung und Abfahrt (1274—1279). Anfang und Ende der Episode sind deutlich durch Zeitangaben markiert: zu Beginn eine lange gleichnishafte Zeitperiphrase (1172—1176: „Abend") und zum Schluß eine kürzere Angabe (1273f. : „Morgengrauen"), verbunden mit einer Bemerkung über das Aufkommen günstiger Fahrtwinde (1274). Die ganze Episode, für sich betrachtet, bildet eine ringförmige Komposition : die Erzählung geht vom Hauptstrang der Argonautenhandlung aus (Al), verfolgt nacheinander zwei einander zeitlich parallel gedachte Sonderaktionen (B1, C) und zwei zeitlich auf sie folgende und auch zueinander nachzeitige Einzelhandlungen (D, Β 2) und mündet schließlich wieder in die Haupthandlung der Argonauten (A2) ein. Dabei sind die Einzelszenen C und D (Hylas und Polyphem) 2 8316 Köhnken, Hyp. 12

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Die Form der Kiosepisode

gleichsam Gegenhandlungen zu Β (Herakles), da sie den Erfolg von Herakles' Rudersuche zunichte machen und die Trennung von den Argonauten zur Folge haben. Die Argonautenhandlung ist für die Nacht des Geschehens der vier Einzelszenen (Β 1, C, D, Β 2), die vier Variationen zum Thema,, Suche" darstellen 1 , gleichsam mit dem Schlaf der Argonauten stillgelegt worden und setzt nun nach der Unterbrechung durch die „tote Zeit" des Schlafes am nächsten Morgen wieder ein, und zwar während des Auslaufens der letzten der vorhergehenden Einzelszenen (B2). Die in der Kiosepisode zu beobachtende geschlossene Form mit dem Grundschema : (1) Zeitangabe — (2) Gesamthandlung (der Argonauten) — (3) Einzelhandlung — (4) Gegenhandlung(en) — (5) Einzelhandlung — (6) Zeitangabe — (7) Gesamthandlung, findet sich bei Apollonios an zwei weiteren Stellen: in den beiden Episoden Arg. 3,1191— 1224 und 4,109—184. 1. 3,1191—1224: Die Situation ist folgende: das erste Treffen zwischen Medea und Jason hat stattgefunden (956—1147), Medea hat Jason die Salbe gegeben, die ihn im bevorstehenden Kampf mit Stieren und Erdgeborenen schützen soll und ihm gleichzeitig geraten, allein in einer nächtlichen Opferhandlung sich der Gunst der Hekate für den entscheidenden nächsten Tag zu versichern. Diese nächtliche Opferszene setzt 1191—1193 mit einer Zeitbestimmung ein, analog dem Beginn der Kiosepisode 1,1172—1178 (Stufe (1) der Kompositionsform, s. o.) Aber während dort die Zeitbestimmung („Abend") mit dem Gleichnis des voller Verlangen nach dem Abendessen erschöpft von der Arbeit nach Hause zurückkehrenden Bauern 2 umschrieben wird, steht hier ein (auf zweierlei Weise ausgedrücktes) deutliches Bild für den Sonnenuntergang: „Helios taucht im äußersten Westen unter, Nyx spannt die Pferde an": es ist nicht mehr Tag, aber noch nicht ganz Nacht. Es folgt 1193—1194a die Hinwendung zur Argonautenhandlung (nicht etwa gleich zu Jason als dem Träger der folgenden Handlung) : Stufe (2) der zugrunde Hegenden Darstellungsform. Wie 1,1182—11863 treffen auch hier die Argonauten ihre Vorbereitungen für das Nachtlager (3,1193f.: τοί 8ε χαμεύνας | εντυον ~ l,1182f.: τοί δέ λεχαίην ] φυλλάδα . . . φέρον . . . στόρνυσθαι). 1 Das Motiv wird genaugenommen sogar fünfmal durchgespielt, da Polyphem erst nach Herakles und dann nach Hylas sucht. 2 Vgl. Drögemüller 149f. : „Aktionsgleichnis" (das Gleichnis ergänzt die Handlung). Wie der Garten- oder Landarbeiter im Gleichnis, so können die Argonauten sich nach der Anstrengung des Ruderwettkampfes (1,1153—1171) kaum noch aufrecht halten und brechen am Strand fast zusammen, wie er von Schmutz bedeckt ist, so sind sie schweißüberströmt, wie er haben sie schwielige Hände und einen knurrenden Magen; s. a. Wilamowitz, H. D. 2, 225f. 3 Und T.id. 13,33: πολλοί 8k μίαν στορέσαντο χαμεύναν (χαμεύνα wie Α. 3,1193).

Vergleich von Arg. 3,1191—1224 mit 2,1172—1279

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Erst 1194b konzentriert sich dann die Erzählung auf den einzelnen, Jason (Stufe (3) ), der in starker Antithese (αύτάρ Ίήσων) der anonymen Schar der Argonauten entgegengestellt und aus ihr herausgehoben wird. Genauso wird 1,1187 Herakles mit dem Einsetzen der ersten Einzelhandlung (Β 1 : Rudersuche) von den übrigen Argonauten abgesondert (αύτάρ δ . . . υίός Διός). 3,1195—1196 folgt auf das αύτάρ Ίήσων eine erneute, wieder zweiteilige Zeitbestimmung („Mitternacht") 1 in Parenthese, die das, was Jason jetzt erwartet und was er tun soll, noch in der Schwebe läßt, dadurch die Spannung verstärkt und die schon durch das αύτάρ auf dem Ίήσων liegende Betonung noch weiter steigert. — In der Vergleichspartie 1,1187 wird dieselbe Wirkung erhöhter Spannung dadurch erreicht, daß 1187 (αύτάρ ó) der Träger der Handlung noch verschwiegen wird und das Demonstrativum ó am Anfang des Satzes erst in einer langen Sperrung sein Beziehungswort am Satzende findet (1188: υιός Διός). — Erst 3,1197 wird der 1194 begonnene Hauptsatz αύτάρ Ίήσων mit dem Prädikat fortgesetzt: βη ρ' ές έρημαίην und diese Wortfolge klingt deutlich an 1,1188: βή ρ' 'ίμεν εις ΰλην an 2 , durch den die mit αύτάρ ó angefangene Herakleshandlung weitergeführt wird. Darauf folgen 3,1197—1212 und entsprechend 1,1187—1206 die verschiedenen Aktionen der beiden Helden, im Falle Jasons die Vorbereitungen für das Hekateopfer und anschließend das Opfer selbst, bei Herakles andererseits die längere 3 Suche nach einem passenden Baum für sein neues Ruder, die Beschreibimg der schließlich gefundenen Tanne, und die Darstellung des Kraftaktes, in dem Herakles den Baum mitsamt den Wurzeln aus dem Boden herausreißt. Den Abschluß bildet ein Gleichnis, das die Leistung des Herakles als einer Naturgewalt ähnlich charakterisiert 4 . 1 Die Mitte der Nacht wird 1. durch den Untergang des Großen Bären (1195f., Vian vergleicht T. id. 24,11) und 2. durch die tiefe Stille, die sich vom Himmel her. durch die Mare Nacht ausbreitet (1196: ούρανόθεν δέ πανεύκηλος γένετ' αίθήρ, vgl. Vian ζ. St.) gekennzeichnet. — Seit der Ausgangssituation „Sonnenuntergang" (1191—93), als die Argonauten sich zum Schlaf niederlegten, ist also schon die Hälfte der Nacht vergangen, ohne daß der Dichter anders als durch das Bild vom Großen Bären darauf hingewiesen hätte. 2 Außerdem dieselbe Stellung (Versanfang) und derselbe Rhythmus. 3 Die Dauer der Suche und die weite Entfernung des Herakles vom Lager wird 1190 durch ίπειτ' . . . άλαλήμενος angedeutet. 4 Siehe Drögemüller 215: das Gleichnis 1,1201—1205 (eine winterliche Orkanbö fällt in ein Schiff ein und reißt den Mast mitsamt seinen Verankerungen heraus) habe den Zweck, Herakles' Aktion als „jähes Wüten mit elementarer Gewalt" zu kennzeichnen. — Doch ist „Wüten" offenbar ein nicht ganz treffender Ausdruck, da er schlecht zu den ruhigen und überlegten Vorbereitungen paßt, die Herakles 1194—1199a trifft. Eher scheint das Gleichnisbild das Ruckartige, Plötzliche und Überraschende (vgl. 1201 άπροφάτως) in der Art, wie dem Herakles die Entwurzelung der Tanne mit „elementarer" Kraft gelingt, zu illustrieren.

2*

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Die Form der Kioeepisode

Die erste Phase der Jasonhandlung wird dann 3,1212 mit πάλιν εστιχεν abgeschlossen: Jason macht sich nach der Erfüllung des Opferrituells auf den Rückweg. — Wieder findet sich 1,1206 die genaue Entsprechung : παλίσσυτος ώρτο νέεσθαι. Herakles eilt zur Argo zurück ; der erste Teil der Herakleshandlung (Bl) ist beendet. In beiden Fällen also setzt die Einzelhandlung dazu an, wieder in die allgemeine Argonautenhandlung einzumünden. Im folgenden aber weichen die beiden Episoden voneinander ab. 3,1212b—1220 schließt sich der Aufzug der dem Opfer nahenden Hekate antithetisch und zur Jasonhandlung nachzeitig an (1212: καί ρ' ó μέν άγκαλέσας πάλιν έ'στιχεν ή δ' άίουσα | . . . άντεβόλησεν ίροΐς Αίσονίδαο). In der Kiosepisode aber wird die Herakleshandlung durch die ihr gleichzeitige (1,1207: τόφρα) Hylashandlung (1,1207—1239) abgelöst (C: zweite Einzelszene)1. An die Hylasaktion wiederum schließt sich (1240—1261a) die zu dieser nachzeitige, aber in ihrem ersten Teil (1240—1252) zur Herakleshandlung gleichzeitige Polyphemhandlung (D: dritte Einzelszene) an. Diese ihrerseits fällt in ihrem zweiten Teil (1253—1261a) mit der 1253 wieder aufgenommenen Herakleshandlung zusammen und wird 1261 schließlich unvermittelt ganz fallengelassen. Statt der einfachen Gegenhandlung der Jasonepisode (Stufe (4) des Kompositionsschemas) erscheinen hier also zwei weitere, in einem komplizierten System von Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit angeordnete Einzelhandlungen als Gegenhandlungen; statt des einen Argonauten Jason als Träger seiner Episode treten drei Argonauten auf als Hauptpersonen dreier relativ selbständiger Szenen innerhalb einer Episode. Das wird noch deutlicher, wenn man den Beginn der Hylas- und Polyphemhandlungen mit der Einleitung der Herakleshandlung (Bl) vergleicht. Sowohl Hylas wie auch Polyphem sind schon vom Lager entfernt, als die Erzählung sich ihnen zuwendet (1207 f. "Τλας . . . νόσφιν ομίλου δίζητο . . . ρόον; 1241 Πολύφημος, ιών προτέρωσε κελεύθ-ου). Nur die Einzelaktion des Herakles geht direkt aus der allgemeinen Argonautenhandlung hervor (1187 αύτάρ ó ευ δαίνυσθαι έοΐς έτάροις έπιτείλας βη ρ' ϊμεν εις ΰλην)2. Dieses kompositorische Mittel hat offenbar den Zweck, die Einheit der Episodenform zu betonen und zu erhalten und nicht aus den drei verschiedenen Einzelerlebnissen drei selbständige Episoden werden zu lassen. Dadurch wird die Bedeutimg der zugrunde liegenden ge1

Zu Mehmels Auffassung, A. kenne nur einen eingleisigen Handlungsverlauf, s. den Anhang u. S. 122ff. 2 Bei T. id. 13 ist dagegen sowohl zunächst für Hylas (V. 36) als auch später für Herakles (55f.) das Argonautenlager der selbstverständliche gemeinsame Ausgangspunkt.

Vergleich von Arg. 3,1191—1224 mit 1,1172—1279

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schlossenen Form f ü r Apollonios deutlich : die Einzelhandlung wächst aus der Gemeinschaftshandlung hervor u n d biegt nach ihrer Vollendung wieder in sie zurück; der Ausgangspunkt darf nur einmal erscheinen u n d zwischen den Geschehensteilen kann nicht von neuem auf ihn zurückgegriffen werden. Hier wird das Prinzip besonders klar, da die Erzählungsteile „ H y l a s " und „Polyphem" im Ansatz eigenständige Episoden bilden. Nach der Hekatehandlung wendet sich 3,1221—1222 a die Erzählung erneut dem einzelnen, Jason, (Stufe (5) des Schemas) zu (wieder antithetisch-nachzeitig 1221 Αίσονίδην δ' ήτοι μεν ελεν δέος), mündet sodann mit dessen Ankunft bei den Gefährten wieder in die Gesamthandlung ein (1222b—1223a έτάροισιν | μίκτο κιών) u n d klingt aus in einer Zeitbestimmung (1223b—1224: „Sonnenaufgang") (Stufen (6) und (7) des Kompositionsschemas) 1 . Damit schließt sich im Rückgriff auf den Anfang der Ring der Episode. Auch in der Kiosgeschichte kehrt die Darstellung 1,1261—1272 (B2) wieder zu Herakles als dem eigentlichen ersten Handlungsträger (entsprechend Jason 3,1221 f.) und mit ihm fast auch schon in den Schoß der Haupthandlung (1255 μετά νηα) zurück. U n d wieder zeigt sich die Bedeutung der geschlossenen Form, die die Ausschaltung der Figur des Polyphem verlangte : Herakles steht am Anfang der Episode, Herakles m u ß auch an ihrem E n d e stehen, er k a n n nicht etwa durch Polyphem abgelöst werden. Wenn also das αίτιον von der Gründung der Stadt Kios die Einschaltung Polyphems in die Kiosepisode f ü r Apollonios notwendig macht 2 , so erzwingt die strenge Komposition der Episode selbst sein stillschweigendes Ausscheiden an dieser Stelle der Handlung 3 . I m Gegensatz jedoch zur 3,1222/23 wiederhergestellten Verbindung von Einzelhandlung und Gemeinschaftshandlung, ist 1,1273 nach dem Davonstürzen des Herakles der Zusammenhang der Herakleshandlung mit der Argonautenhandlung abgerissen, u n d die Haupterzählung setzt ohne Beziehung zur vorhergegangenen Aktion wieder ein. Dabei bleibt jedoch äußerlich die Ringform durch die 1273f. ( ~ 3, 1223f.) gegebene Zeitbestimmung („Morgengrauen") u n d den die 1

Hier erscheint die Zeitangabe ganz am Ende, nach der Erwähnung der Argonautenschar. — Am Schluß der Kioserzählung (l,1273ff.) und der JasonMedea-Handlung (4,183f.; s . u . S. 23) steht die Zeitbestimmung vor der Erwähnung der Argonauten. 2 1,1321—1323. 1345—1347; vgl. Türk 22. 3 Sein Zurückbleiben in Mysien ist die mythologische Voraussetzung, doch erklärt sie nur unzureichend seinen merkwürdig sang- und klanglosen Abgang an dieser Stelle: der Dichter hätte ihn ja mit Herakles weitersuchen oder ihn ihm folgen lassen können, aber eben das verbot ihm die vorliegende Konzeption.

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Die Form der Kiosepisode

Episode abschließenden1 Rückgriff auf die Allgemeinheit der Argonauten gewahrt. 2. Ein weiteres Beispiel f ü r die ringförmige Komposition einer Einzelaktion findet sich 4,109—184: Medea ist aus dem Palast des Aietes zu den Argonauten geflohen und von ihnen aufgenommen worden (35—100). Sie erbietet sich, ihnen das Goldene Vlies zu verschaffen, und f ü h r t sie den Weg zu dessen Lageplatz (100—108). — Die Erzählung setzt mit einer die Zeit vor Morgengrauen umschreibenden gleichnishaften Zeitbestimmung der Form ήμος— τήμος ein (109— 114)2, die derjenigen der Kiosepisode sehr ähnlich ist. Darauf folgt beim Ort ,,κριοϋ εύναί" die Trennung der handelnden beiden Einzeldarsteller Jason und Medea von der Argo und dem Chor der Argonauten 3 . Sie wird geschildert in den drei Versen 114 und 121 f., die den Rahmen f ü r die dazwischen 115—121 — durch die Ortsangabe ,,κριοϋ εύναί" ausgelöst und das αίτιον für sie gebend — berichtete Vorgeschichte des Widders und seines Vlieses bilden. Während in der Herakleshandlung des ersten und der Jasonszene des dritten Buches die Trennung des Handelnden von den Gefährten von diesem einzelnen aus gesehen war, „entläßt" in diesem Fall die Gesamtheit der Argonauten die beiden Träger der Einzelaktion aus ihrer Mitte (121 f. τούσγε . . . άριστηες μεθέηκαν). Die Einzelaktion selbst läuft anschließend in folgenden Stationen ab : 123—126 Der Hinweg; das Vlies. 127—144 (wie 3,1212b und 1,1207) Einsetzen der Gegenhandlung in Gestalt des das Vlies bewachenden Drachen (in Antithese zum Vorhergehenden: 127f. αύτάρ ó . . . όφις). — Erst in diesem Augenblick, wo er in die Handlung eingreift, wird der Drache erwähnt. 145—161 Gegeneinander : beschwörende Medea — langsam immer schläfriger werdender Drache, ein Wechselspiel, bei dem die Person Jasons völlig in den Hintergrund tritt (vgl. 149). 1

Erst 1,1280 setzt, durch ein neues Gleichnisbild der Form ήμος — τήμος markiert, ein neuer Abschnitt in der Gesamterzählung ein. 2 An sich die Zeit, zu der die Jäger, die das Licht des Morgens nicht abwarten dürfen, „sich den Schlaf aus den Augen reiben"; vgl. Drögemüller 144: „Es führt nicht weit, wenn man hier noch einen besonderen Hinweis auf den Vliesraub vermutet." — Doch ist das άλευάμενοι φάος ήοϋς (111) des Gleichnisses sicher nicht ganz ohne Bezug auf die Erzählung gesagt : auch die Argonauten haben allen Grund, für den Diebstahl des Vlieses nicht erst das Tageslicht abzuwarten. 3 Vgl. Faerber 11 (und 63) für das von A. gern gebrauchte Bild von der „solistisch hervortretenden Einzelpersönlichkeit gegenüber dem Chor der anderen".

Vergleich von Arg. 4.109—184 mit 1,1172—1279

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162—166 Jason nimmt das Gtoldene Vlies von der Eiche, die Rückkehr zum Schiff wird eingeleitet (165 έήν έπΐ νήα παλιντροπάασθ-αι Ίήσων ήνωγεν) (ähnlich 1,1206 und 3,1212a). 167—178 Die Bedeutung des errungenen Erfolges wird durch eine Folge von drei Gleichnissen verdeutlicht1, welche die Freude Jasons, das Aussehen und die Ausstrahlung des Goldenen Vlieses zeigen. 179—182 Der Rückweg: Jasons Angst um das Vlies. 183—184 Zeitbestimmung („Sonnenaufgang") und Ankunft der beiden bei der Argonautenschar (183f. τοί δ' ες δμιλον Ιξον). Wie 1,1255 angestrebt und 3,1222f. durchgeführt: die Einzelaktion biegt in die Gemeinschaftshandlung zurück und schließt damit den Ring der zugrunde gelegten Kompositionsfigur2. Bei diesem Vergleich zwischen der Kiosepisode und den beiden in der Anlage so nahe verwandten Episoden des dritten und vierten Buches ergeben sich aber folgende auffallenden Unterschiede: 1. statt eines einzelnen Argonauten als Handlungsträger (3,1191— 1224) oder zweier gemeinsam agierender Argonauten (4,109—184) sind am Kiosabenteuer drei getrennt voneinander in Aktion tretende Mitglieder des Argonautenkreises in drei Geschehensteilen von starkem Eigengewicht beteiligt; 1 Darunter als erstes (167—173) das merkwürdige Gleichnis, das die Freude Jasons über das strahlende Vlies in seinen H ä n d e n zu der Freude eines jungen Mädchens über den in ihrem leichten Gewand aufgefangenen Schein des Vollmondes in Beziehung setzt: s. Wilamowitz, H . D . 2,208 Anm. 1; Faerber 46f.; Drögemüller 178—180. — Doch könnte m a n vielleicht der Deutung als „Charakterisierung der seelischen Stimmung J a s o n s " u n d „Farbvergleich" noch folgendes hinzufügen : I n der Erzählung wird der gefährliche erste Teil des Kampfes mit dem Drachen (145—161) ausschließlich von Medea allein bestritten (vgl. 149 εΐπετο Αίσονίδης πεφοβημένος), während im gefahrlosen zweiten Teil des Rückwegs mit dem Vlies (165—182) fast nur von Jason die Rede ist. Das Gleichnis m a c h t den Eindruck, als sollte es auch diese beiden Seiten des Geschehens, in dem „Medea handelt, Jason e r n t e t " im seltsamen Gegensatz von Protasis (παρθένος) u n d Apodosis (Jason) treffen. 2 Als episodenhafte Szenen, bei denen a m Anfang u n d a m E n d e eine Zeitbestimmimg steht u n d zu Beginn u n d a m Schluß die anonyme Gesamtheit der Argonauten erscheint, von deren Hintergrund sich d a n n erst in der Mitte einzelne Personen abheben, sind außerdem zu erwähnen: 1. 1,450—518: das Symposium der Argonauten a m Abend vor der Abfahrt. Doch p a ß t diese Episode deshalb nicht genau zu den drei ausführlicher miteinander verglichenen, weil es sich u m keine eigentliche Einzelató'on, getrennt vom Argonautenkreis, handelt; u n d 2. 2,669—721: die Erscheinung Apolls bei der Thyniasinsel. Doch auch hier ist der Vergleich nicht weiter durchführbar, da der Gott Apoll u n d nicht ein einzelner Argonaut im Mittelpunkt der Episode steht.

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Die Form der Kiosepisode

2. statt der unmittelbar in Antithese zum Handlungsträger einsetzenden und durch ihn ausgelösten Gegenhandlung innerhalb der Episode („Hekate" und „Drache"), ist im Kiosabenteuer die Hauptfigur Herakles mit ihrer eigentlichen Gegenhandlung (Hylasaktion und Verlust des Hylas) nur mittelbar durch den Informanten Polyphem verbunden 1 ; 3. statt des einheitlichen Handlungsablaufs der verglichenen Episoden zerfällt im Kiosdrama die Herakleshandlung in zwei ganz verschiedene Teilaktionen (Β 1 : Rudersuche ; Β 2 : Suche nach Hylas) ; 4. die Verbindung der Nebenhandlungen mit der Haupthandlung wird nicht wiederhergestellt. Sie ist mit dem Davonstürzen des Herakles und der Abfahrt der Argonauten zunächst inhaltlich abgerissen und wird nur formal durch das αύτίκα in Vers 1273 a angestrebt. Erst das Glaukosorakel 1,1315—1325, das die Argonauten über die Bestimmung der drei Zurückgelassenen aufklärt, und der Hinweis auf Polyphems und Herakles' weitere Aktionen in Mysien 1,1345—1357 dienen später dazu, den zerrissenen Handlungsfaden wieder zusammenzuknoten. An dieser Stelle scheint ein erster Vergleich mit dem Aufbau der parallelen Darstellung des Kiosabenteuers im zweiten Teil von Theokrits „Hylas" (id. 13,30—75)3 angebracht. Bei Theokrit gliedert sich das Geschehen in vier Hauptteile: a) Landung der Argonauten im Gebiet der Kianer und Vorbereitungen für Abendessen und Nachtlager (30—35) ; 1 Außerdem fehlt auch der in den beiden verglichenen Episoden zu beobachtende kausale Zusammenhang zwischen Handlung und Gegenhandlung. Vielmehr löst in diesem Fall umgekehrt die durch Polyphem dem Herakles berichtete Gegenhandlung vom Verlust des Hylas eine neue Aktion des eigentlichen Handlungsträgers aus : das Davonstürzen des Herakles. 2 Das das Wiedereinsetzen der Argonautenhandlung in unbestimmt kurze Zeit nach dem voraufgegangenen Geschehen verlegt. 3 Der erste Teil von Theokrits Gedicht enthält: a) die Themastellung (V. 1 'Έρως; vgl. V. 6 ή ρ α τ ο παιδός) in der einleitenden Adresse an den Freund Nikias (1—4); b) die allgemeine Charakterisierung des als mythologisches Exempel gewählten Liebesverhältnisses Herakles-Hylas (5—15); c) die notwendigsten Anmerkungen zum Argonautenzug (16—24): je drei Verse über (a) Zweck, Führer und Beteiligte der Expedition im allgemeinen: 16—-18; (b) die Teilnahme von Herakles und Hylas im besonderen und ihre Einschiffung in die Argo: 19—21; (c) die Argo selber und ihre charakteristische Leistimg: 22—24; d) eine knappe Skizzierung des Aufbruche der Argonauten bei Frühlingsende (25f.: dreifach ausgedrückt: Aufgang der Pleiaden, Weiden der jungen Lämmer, Wendung des Frühlings zum Sommer) und ihrer Ankunft im Hellespont nach dreitägiger Fahrt: 25—29.

Ergebnis und erster Vergleich mit Theokrits Hylasidyll

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b) Hylas und die drei Quellnymphen (36—54); c) Herakles' Sorge (in Antithese zum Vorhergehenden: 53 Νύμφοα μέν . . . 55 Άμφιτρυωνιάδας δέ), Aufbruch und Suche nach Hylas (55—67 a); d) Herakles und die auf ihn wartenden Argonauten (67 b—71). Das Gedicht schließt in einem Epilog mit dem Ausblick auf die Folgen des Abenteuers (72—75): Hylas' Aufnahme unter die Unsterblichen (72), Abfahrt der Argo ohne Herakles (73—74), Ankunft des Herakles in Kolchis (zu Fuß : 75). Gegenüber Apollonios zeigen sich in der Anlage der Erzählung bei Theokrit folgende Hauptunterschiede : 1. die Herakleshandlung ist bei Theokrit zur Hylashandlung nachzeitig und nicht, wie bei Apollonios, gleichzeitig : Herakles verläßt das Lager nach Hylas ; bei Apollonios dagegen gehen Herakles schon vor Hylas und Polyphem nach Hylas; 2. bei Theokrit gibt es nur zwei Hauptpersonen, Hylas und Herakles, und nicht drei ; die Figur Polyphems hat Apollonios zusätzlich ; 3. bei Theokrit haben beide (Hylas- und Herakles-)Handlungen einen gemeinsamen Ausgangspunkt, das Lager der Argonauten; bei Apollonios folgen unmittelbar aufeinander vier verschiedene Schauplätze: (a) der Lagerplatz der Argonauten, (b) Herakles im Wald, (c) Hylas auf der Suche und an der Quelle und (d) Polyphem unterwegs, ohne daß bei Beginn der Teilaktionen von Hylas und Polyphem (1207 und 1240) noch wieder auf das Lager als Anfangspunkt zurückgegriffen würde; 4. im Gegensatz zu Theokrit wird bei Apollonios Herakles' Fehlen von den Argonauten zuerst nicht bemerkt, und Herakles gelangt auch nicht mehr nach Kolchis. Nach dieser ersten allgemeinen Übersicht über beide Versionen scheint also der Aufbau der Erzählung bei Apollonios komplizierter zu sein als bei Theokrit.

Die zur Frage der Chronologie von Hylasepisode (Apollonios) und Hylasidyll (Theokrit) in der Forschung vorgetragenen Ansichten Alle drei zum Problem des chronologischen Verhältnisses der beiden parallelen Hylasgeschichten Theokrit id. 13 und Apollonios Arg. 1, 1172—1279 (und daran anschließend auch der Amykoserzählungen Theokrit id. 22 und Apollonios Arg. 2,1—97) möglichen Positionen sind in der Forschung mehr oder weniger nachdrücklich und ausführlich vertreten worden, nämlich (1) die Annahme der Priorität des Apollonios, (2) der des Theokrit und (3) die Ansicht, die Frage sei nicht zu entscheiden oder sogar eine Abhängigkeit des einen vom anderen nicht unbedingt anzunehmen: (1) Für Apollonios' Priorität gegenüber Theokrit haben sich zuerst U. v. Wilamowitz1 und im Anschluß an ihn Gr. Knaack2 eingesetzt, und diese Annahme hat seitdem bei weitem die meisten Atihänger gefunden3. Neuerdings ist sie besonders von A. S. F. G-ow4 vertreten lind näher begründet worden. 1

Schriftlich erst: Textg. 1906, 177f. — Doch vgl. Knaack, Herrn. 18, 1883, 29: „Theocritum . . . tacite correxisse Apollonii narrationem . . . in scholis docuit praeceptor meus Udalricus de Wilamowitz." 2 Herrn. 18, 1883, 29f. (29: „ . . . laudandus est poeta bucolicus quod Polyphemum illum alterum Herculem, quem prorsus eodem animi motu perturbatimi induxerat Apollonius, plane omisit") und Herrn. 23, 1888, 137 (T.s Gedicht sei als offene Kritik an der „maßlos ungeschickten" Erzählung des A< anzusehen) und GGA 1896, 884—888; vgl. 884: „T. hat durch die Mischung des dorischen Dialektes mit dem ionisch-epischen und durch seine skizzenhafte Darstellung selbst dafür gesorgt, daß seine Leser an ein episches Vorbild erinnert werden sollten. Dies zitiert er direkt 16 . . ( ~ A. 1,4: s. o. S. 27) . . ., und daß dies keine zufällige Übereinstimmung ist, zeigt der aus A. 2,211 ( = 871) entlehnte Hexameterschluß : μετά κώας Ίήσων. Diese Stelle entscheidet. Lag also dem T. das Gedicht des A. vor, so haben wir das Recht, seine Abweichungen an dem Maßstab der Argonauten zu messen und jedesmal nach dem Grund zu fragen . . . " 3 In den meisten Fällen ohne neue Argumente, so u. a. W. Schmid, Gesch. d. griech. Lit., II, I, 1920, 133 (unter Berufung auf Knaack, GGA, 1896, 883ff.); C. Robert, Die griechische Heldensage (Preller-Robert, Gr. Myth. I I I 1), 1921, 839 (unter Berufung auf Wilamowitz, Textg. 175f.); R. Wyss, Die Komposition von Apollonios' Argonautika, Diss. Zürich 1931, 23 u. 25f. ; H. Faerber, Zur dichteriechen Kunst in Apollonios Rhodios' Argonautica, Diss. Berlin 1932, 64 (spricht von A. als T.s „Vorgänger"); A. v. Blumenthal, R E I I 10, 1934, s. v. Theokritos 1, Sp. 2015 (T. habe sich die Hylaslegende zum Thema gewählt, um mit A. zu wetteifern); F. Stoeßl, Apollonios Rhodios, 1941, 7 (setzt ebenfalls A.s Priorität als feststehende Tatsache voraus: T. habe „den

In der Forschung vertretene Ansichten

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Wilamowitz behauptet zunächst, Theokrit sei durch die i h m vorliegende schlechte Erzählung des Apollonios „gereizt" worden, eine bessere eigene Darstellung desselben Stoffes zu liefern und die Fehler des Apollonios „stillschweigend" zu b e r i c h t i g e n 1 . — Als Belege für diese These führt er an: 1. mit Knaack, GGA 1896, 884 ( s . o . S. 26 Anm. 2): T. 13, 16 (χρύσειον επλει μετά κώας Ιάσων) weise auf Α. 1,4 (χρύσειον μετά κώας) hin. — D o c h konnten beide eine ähnliche Formel z . B . schon i m Argonautengedicht Pindars P. I V 68 f. (δώσω . . . το πάγχρυσον νάκος κριοϋ' μετά γάρ κείνο πλευσάντων Μινυαν . . .) und bei H d t . 7 , 1 9 3 , 2 (έπΐ το κώας επλεον ές ΑΙαν se. oí Άργοναϋται) finden, und sie wird ähnlich bei Hesiod (vgl. F 154 Rz. 3 = Schol. Α. 1,1289, S. 116 Wendel) gestanden haben, auf den Herodots Darstellung wohl zurückgeht 2 . — Ganz abgesehen davon, kann man dieses Argument auch umdrehen und sagen, Apollonios habe die Formel aus Theokrit. Sie beweist für die Priorität also soviel wie nichts. Beweis dafür geliefert", daß A.s „Zusätze" leicht zu Epyllien auszubauen seien) ; M. Pohlenz, Gestalten aus Hellas, 1950, 550 (behandelt T.s Posteriorität als selbstverständlich) ; H. P. Drögemüller, Die Gleichnisse im hellenistischen Epos, Diss. Hamburg 1956, 28 und Anm. 4 (mit Verweis auf Gow, Komm. 231 f. : „Die Priorität der Geschichte bei A. i s t . . . nicht zu bezweifeln"). 4 CQ 32, 1938, 10—17 und Theocritus, vol. II, 1952, 231 f. — Im Anschluß an Gow sprechen sich in neuester Zeit Brooks Otis, Virgil, Oxford 1963, S. 13— 15 und Appendix 3, S. 398—405, sowie T. B. L. Webster, Hellenistic Poetry and Art, London 1964, S. 63ff. für A.s Priorität aus. Webster meint vor allem, "The earliest references to Hylas as occurring in the Argonaut story are . . . A. . . . and T. I t seems unlikely that T., who is only interested in Herakles and Hylas, would have given the story a new setting . . ." (S. 66). — Doch ist die Verbindung Herakles — Hylas — Mysien (vgl. Α. 1,1348—1357) — Argonauten sicher älter und kam möglicherweise schon bei Hellanikos vor (vgl. u. S. 32). Außerdem: welches ältere „setting" setzt Webster voraus? — Brooks Otis argumentiert wieder (wie Gow) mit dem subjektiven Argument von T.s überlegener Dichtkunst (S. 14f. : „the effectiveness of T. — the wonderful harmony of style, plot, characterization, mood — or the relative woodenness of Α.", vgl. S. 403: A.s „clumsy narratives": s. dazu u. S. 80f.). In seiner Appendix führt er eine petitio principii von Gow (s. u. S. 71) noch etwas weiter (S. 400), sucht im Anschluß an Perotta (Studi di Poesia Ellenistica, St. It. Fil. Ν. S. IV 1925/27, S. 85ff. 114ff.) größere Variierung homerischer Formeln bei T. gegenüber Α. nachzuweisen (S. 400f. : besonders für das Löwengleichnis T. 13,62f. ; A. 1,1243—1249, s. dazu u. S. 71—74) und folgt, ebenso wie Webster, der falschen Interpretation von T. id. 7,45—48 (S. 402f.: s.o. S. 10). — Otis weist (S. 399) zu Recht auf den bisher wenig beachteten Zusammenhang von T.id. 13 und 22 hin. Seine Folgerungen für A.s Priorität sind jedoch nicht schlüssig. Vgl. ferner Webster W S 76, 1963, 68—78. 1

Textg. 177: „Gewiß hat er (sc. T.) nicht sein Gedicht gemacht, um literarische Polemik zu treiben, aber die Reproduktion wird zur Korrektur, und das Publikum sollte diese empfinden." 2 Vgl. F. Jacoby, FGrHist. I a , Neudruck u. Add. 1957, 465 (Komm, zu 4 (Hellanikos) F 13011).

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2. Theokrits Löwengleichnis (61—65) sei eine Korrektur von Apollonios' (Löwen- und Stier-)Gleichnissen (1243ff. ; 1265ff.), mit denen dieser sich „so arg verhauen" habe 1 . 3. Telamón sei bei Theokrit (37) nur deshalb Tischgenosse des Herakles, weil er bei Apollonios (1289ff.) für Herakles eintrete. Gow, der Wilamowitz in der Sache recht gibt, seine und Knaacks Argumente jedoch für wenig überzeugend hält 2 , wendet speziell gegen diese letzte These (mit Cholmeley) ein, daß einerseits Telamón schon in früherer Zeit mit Herakles verknüpft worden war 3 und andererseits nicht Telamón, sondern Polyphem bei Apollonios Gefährte des Herakles sei4. — Telamón ist bei Apollonios, was sein Verhältnis zu Herakles angeht, genauso Randfigur wie bei Theokrit, und man könnte mit ebensoviel oder -wenig Recht das Argument von Wilamowitz wieder umkehren und behaupten, Apollonios habe den Telamón aus Theokrit übernommen. Gow seinerseits will die These von der Priorität des Apollonios vor allem auf die „Überlegenheit von Theokrits Erzählung" 5 stützen, eine Annahme, die auch schon bei Wilamowitz und Knaack immer vorausgesetzt wird. Die Hauptanstöße in Apollonios' Geschichte, der nach Gows Meinung jeder Reiz fehlt®, sieht er in folgenden drei „clumsinesses" 7 , die Apollonios unmöglich mit Theokrits vollendetem Vorbild 8 vor Augen hätte stehenlassen können: 1. das Fehlen jeder engeren Beziehung zwischen Herakles und Hylas, die des ersteren Erschütterung bei der Nachricht vom Verschwinden des letzteren erklären könnte; 2. die „plumpe" Behandlung der Nymphenepisode 9 ; 3. die unwahrscheinliche Abfahrt der Argonauten ohne den abwesenden stärksten Helden 10 . 1

Textg. 178, von Wilamowitz nicht näher begründet; vgl. Blumberg, 26. CQ 32, 10 (mit Anm. 12): ". . . the arguments employed have not been very cogent". 3 Gow gibt a.a.O. keine Belege, doch könnte man z.B. vergleichen Pi.N. IV 25 : σύν ώ (sc. Ήρακλεΐ) ποτε Tpotav κραταιός Τελαμών πόρθησε. 4 CQ 32,ίο Anm. 12. 5 CQ 32,11 (vgl. Komm. 231): "I should, however, base my own belief rather on the superiority of T.'s narrative." β CQ 32,11 u. Komm. 232: "...atmosphere and charm, totally lacking in A " 7 Komm. 232 (vgl. CQ 32, 11). 8 Komm. 232: ". . . it is incredible, that A. should have written so ill with T.'s finished pattern before him". 8 CQ 32, 11. 10 Ebd. : noch dazu habe er allein am Abend zuvor die Argonauten an Land gerudert; auch hätte das Gebrüll von Polyphem und Herakles imbedingt von den Argonauten gehört werden müssen. 2

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Davon ist der zweite Anstoß rein subjektiv. Wenn Gow einen unpassenden unglücklichen Zufall bei Apollonios darin sieht, daß Hylas ausgerechnet während eines nächtlichen Nymphentanzes bei der Quelle ankomme 1 , so hat er übersehen, daß Apollonios 1,1223—1225 sagt, daß die Nymphen regelmäßig in jeder Nacht ihre Lieder zu Ehren der Artemis singen (μέλε γάρ σφισι πάσαις . . . "Αρτεμιν έννυχίησιν άεί μέλπεσθαι άοιδαΐς), von einem unglaubwürdigen Zusammentreffen unglücklicher Umstände also nicht die Rede sein kann. Außerdem müßte er diesen Vor wurf eher gegen Theokrit erheben, der gar nicht begründet, wieso es zu dem Tanz der drei Nymphen in der Quelle kommt. Wenn Gow zu diesem Punkt weiter meint, die Artemisverehrung der aus der Quelle auftauchenden Nymphe bei Apollonios sei nicht besonders groß 2 , so läßt sich in der Erzählung auch für diesen Vorwurf kaum ein Anhaltspunkt finden. Als Hylas zur Quelle kommt, versammeln sich die Nymphen eben zu ihrem nächtlichen Reigen (1222—1223 oí δέ που άρτι | νυμφάων ίσταντο χοροί), und sehr natürlich taucht zu eben diesem Zeitpunkt auch die Quellnymphe auf, um wie die übrigen Nymphen der Umgebung der Artemis ihr Lied darzubringen. Zu prüfen bleibt, ob a) die Anstöße 1. (Unklarheit der Liebesbeziehung) und 3. (Unbemerktes Fehlen des Haupthelden) wirklich solche Ungeschicklichkeiten sein müssen, daß sie nur vor Theokrits Fassung denkbar sind; b) Theokrits Darstellung auch vom epischen Standpunkt aus so „vollkommen" ist, daß sie unbedingt nach der „plumperen" Erzählung des Apollonios entstanden sein muß. Nach Gow ist die Prioritätsfrage noch einmal von Η. H. Koch 3 in einer ausführlicheren Besprechung zu Gunsten des Apollonios entschieden worden. Er weist die Thesen von einer Kritik oder Korrektur des Theokrit an Apollonios zurück 4 , meint aber in Weiterentwicklung von Gows erstem Anstoß (s. o.), daß vor allem die „explicite" Schilderung des Liebesverhältnisses bei Theokrit gegenüber Apollonios für 1 A.a.O.: Hylas' "arrival at the spring unfortunately coincides with a nightly dance in honour of Artemis held there by all the . . . nymphs of the neighbourhood' '. 2 CQ 32, 11: " . . . (her) devotion to Artemis does not seem excessive . . ." 3 H. Koch, Die Hylaageschichte bei Apollonios Rhodios, Theokrit, Properz und Valerius Flaccus, Diss. Kiel 1955, 75—88. — Vgl. jetzt Brooks Otis und Webster: s.o. S. 26 Anm. 4. 1 S. 87 : „Beide Behandlungen vertragen sich, da sie zwei ganz verschiedene Genera repräsentieren... durchaus nebeneinander"; ähnlich schon Türk 29 und Blumberg 24.

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die Posteriorität des ersteren spreche, da in dieser Beziehung die Darstellung des Apollonios, wenn er später geschrieben hätte, einen Rückschritt gegenüber Theokrit bedeutete 1 . Hier ist, wie bei Gow, zu fragen, ob dieser Anstoß sich nicht allein aus der Darstellungsform des Apollonios erklären und beseitigen läßt 2 . Im ganzen gesehen wird die Ansicht, Theokrit sei später zu datieren als Apollonios, demnach in drei Varianten vertreten: (a) weil er Apollonios stillschweigend korrigiere, (b) weil er Apollonios offen kritisiere, (c) weil er zwar weder kritisiere noch korrigiere, aber die Motive weiterentwickele. (2) Die entgegengesetzte These einer Priorität Theokrits ist zuerst von Casaubon 3 geäußert worden. Ihr haben sich besonders Ph.E. Legrand 4 , R. J . Cholmeley5 und in neuester Zeit P. Händel® angeschlossen7, im Falle des letzteren mit dem Hinweis, es handele sich um eine „vorsichtige Vermutung" 8 . Legrand führt für seine Ansicht (abgesehen von der äußeren chronologischen Wahrscheinlichkeit) zwei Argumente an 9 : 1. habe Apollonios Theokrit dadurch überbieten wollen, daß er das als Zeitbestimmimg dienende bukolische Bild id. 13,25—28 durch ein viel länger ausgeführtes, aber thematisch ähnliches und ebenso wie dasjenige Theokrits durch die Zeitadverbien ήμος — τήμος eingerahmtes Gemälde variiert habe (1,1172—1177). — Diese Überlegung ist jedoch nicht zwingend — obwohl in beiden Fällen die gleichnishafte Zeitbestimmung die eigentliche Erzählung einleitet —, weil Apollonios die Gleichnisbilder der Form ήμος — τημος am Anfang von Handlungsabschnitten auch sonst liebt 10 und daher nicht unbedingt von Theokrits Bild angeregt zu sein braucht; 1 S. 68 (mit Anm. 1): A. „. . . (dringt) zur direkten Freilegung der seelischen efficientia nicht vor, (kann) diesen in seiner Darstellung also nicht den ersten Rang einräumen. Eben diesen Schritt vollzieht T."; vgl. auch S. 78: „Gerade dies (sc. die „innere Bindung" zwischen Herakles und Hylas), was bei A. verborgen mitklingt, deckt T. auf." 2 Die von Gow und Koch (meistens zweifelnd) für die Priorität A.s ausgewerteten sprachlichen Anklänge sollen zu den betreffenden Stellen besprochen werden. s Lect. Theocr. cap. X I V (nach: Gow, CQ 32, 10 Anm. 1). 4 Étude sur Théocrite, 1889, 76f. ; und Bucoliques Grecs I, Théocrite, 1925, 86: «Je crois plus volontiers, . . . qu'A, s'inspira de l'idylle, et que, en répétant presque littéralement quelques passages, il entendait rendre hommage à son aîné». 6 The Idylls of Theocritus, 19192, p. 28; 277; 286 zu 13,70; 402f. « In (Körte-)Händel, Hell. Dicht. 1960, 235f. (zu T. id. 13). 7 Siehe jetzt außerdem H. Tränkle, Herrn. 91, 1963, 503—505 (s. u. S. 34 Anm. 3). 8 Händel 236. ' Étude sur Théocrite 76. 10 Vgl. Fáerber 4-3 („nach homerischem Muster") und Anm. 4 (mit einigen Beispielen).

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2. habe Apollonios «pour éviter le plagiat trop brutal» das, was Theokrit „treffender" («plus d'à propos») von seinen beiden Hauptpersonen Hylas (59 άραιά δ' ίκετο φωνά) und Herakles (63 έτοιμοτάταν επί δαΐτα) gesagt hätte, auf die eine Person des Polyphem übertragen (1249 μελέη Sé oi επλετ' άυτή und 1252 άγουσι δέ ληίδ' έτοίμην)1. Händel2, der in seinem Vergleich von Theokrits und Apollonios' Darstellungen der des ersteren den Vorzug gibt, weil sie gegenüber der Episode des Apollonios natürlich (so in den Motiven der Sorge des Herakles und des Wartens der Argonauten auf Herakles) und konzentriert wirke, schließt daraus und aus den „überfeinen Einzelheiten" 3 , die er bei Apollonios vor allem in der Beschreibung der Aktion der Quellnymphe (1236—1239) findet, daß „die Gestaltung der Argonautika eine halbe Verzweiflungslösung eines Dichters, der das Natürlichste bereits dahingegeben sah" 4 , sei und Apollonios deshalb Theokrit gekannt haben müsse. (3) Für unlösbar oder noch nicht gelöst schließlich hält das Prioritätsproblem eine dritte Gruppe von Beurteilern, unter denen zuerst G. Türk 5 zu nennen ist, der die Unterschiede in der Darstellung beider Dichter im wesentlichen auf das verschiedene Genos, in dem sie dichten, zurückführt· und das zeitliche Verhältnis beider als völlig ungeklärt ansieht7. Ebenso reserviert verhalten sich E . Delage8 und K. W. Blumberg9 und auch R. Pfeiffer10 und W.-H. Friedrich 11 halten die vorgebrachten Argumente für die Priorität des einen oder des anderen nicht für zwingend. Dazu s. u. S. 72 und 74. S. 235f. 8 S. 235. I S. 236. 6 De Hyla, Breslauer philol. Abh. VII, Heft 4, 1895. β S. 29 (in einer Stellungnahme gegen Knaack, Herrn. 18,29 und 23,137): „. . . pleraque quibus illi (sc. T. et A.) différant, ex diversa carminis epici et idyllii indole facile explicantur." 7 S. 30: „. . .plane nescimus, utrum illud (sc. carmen de Hyla scriptum) composuerit, antequam Apollonii Argonautica edita essent, an postea." 8 Biographie d'Apollonios Rhodios, 1930, 9. • Untersuchungen ζ. episch. Technik d. Α. ν. Rhodos, Diss. Leipzig 1931, 24. 10 Callimachus, vol. II, 1953, X L I I . I I NGG 1959, 85 Anm. 13: Die Frage der Priorität ist noch offen." 1 2

Einzelinterpretation von Apollonios, Arg. 1,1172—1279 (im Vergleich mit Theokrit, id. 13) Vorbemerkung Der Einzelbesprechung soll ein kurzer Überblick über die Zeugnisse für den Hylasmythos 1 vorausgehen: Die Belege in voralexandrinischer Zeit sind spärlich und unsicher 2 : A. Pers. 1054 κάπιβόα τό Μύσιον soll nach Hesych s. v. auf einen Klageruf der Myser nach Hylas gehen, ebenso Ar. Plut. 1127 ποθείς τόν ού παρόντα καί μάτην καλείς3, und schließlich hat Hellanikos 4 den Hylas als Sohn des Theiomenes statt des Theiodamas erwähnt, wobei zweifelhaft ist, ob das betreffende Fragment in die Argonauten- oder die Heraklesgeschichte des Hellanikos gehört 5 . In alexandrinischer Zeit dagegen ist von Hylas so häufig die Rede", daß dieser abgelegene mysische Lokalmythos 7 offenbar erst damals ausgegraben und aktuell geworden ist. Er ist nach den Scholien zu Α. 1,1207 außer von Theokrit und Apollonios noch von Sokrates 8 und Onasos9 und nach den Scholien zu Α. 1,1236 vor allem von Nikander 10 behandelt worden. Ob auch Kallimachos, außer vom Zusammenstoß des Herakles mit Theiodamas 11 , von Hylas erzählt 12 oder vielleicht nur den Namen erwähnt hat, bleibt unsicher 13 . Die Scholien belegen die Geschichte von Hylas und den Nymphen also überhaupt nur für alexandrinische Schriftsteller. Vor dem nun folgenden Vergleich der Einzelheiten der Kiosepisode des Apollonios mit Theokrit id. 13 ist daraufhinzuweisen, daß Unterschiede, die auf das verschiedene Dichtungsgenos (Epos — Idyll) 1

Sie sind zusammengestellt und ausführlich diskutiert bei Türk 1—40. Siehe Türk 10—15. Schol. z. St. und vgl. Suda τ 769 τόν "Υλαν κραυγάζεις. 4 4 F 131 Jao. = Schol. Α. 1,131 und 1207. 5 F. Jacoby, FGrHist Komm, zu F 130/1 (la, S. 465). 6 Siehe Türk 16—40. ' Vgl. Robert 836f. 8 Vgl. Schol. zu T.id. 13, 7. » Vgl. Schol. zu 1,1236 und zu T. 13,48. 10 Im ß' der Έτεροιούμενα, vgl. Schol. zu T. 13,48 und vgl. Anton. Lib. 26 ( = Nik. F 48 Sehn.). 11 Hy. 3,161; Aet. I F 24f. Pf.; vgl. u. S. 51 ff. 12 Wie Türk 34ff., nach Knaack, Herrn. 23, 1888, 136ff., annimmt. 13 Siehe Pfeiffer zu F 596 = Schol. Α. 1,1207 (Call, ί p. 410). 2 3

Vorbemerkung

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zurückzuführen sind, nur mit Vorsicht für die Frage der Priorität verwendet werden dürfen 1 . Dazu gehört, daß 1. das Idyll Theokrits nicht, wie das Epos des Apollonios2, Rücksicht auf die Verknüpfung des Hylasabenteuers mit den vorhergehenden und den folgenden Geschehnissen der Àrgofahrt zu nehmen braucht ; 2. id. 13 unter dem Thema der Liebe des Herakles zu Hylas steht (V. 6)3 und alles, was für dieses zentrale Thema nicht erforderlich ist, wegfällt, so vor allem die Vorgeschichte des Hylas — oder, wenn es nur mittelbar von Interesse ist, auf das Notwendige reduziert wird, wie die Argonautengeschichte 4 und die Begegnung des Hylas mit den Nymphen ; denn auch die letztere tritt in ihrer Eigenbedeutung hinter ihrer Auswirkung auf Herakles zurück. — Bei Apollonios andererseits ist die Aufmerksamkeit gleichmäßiger auf die einzelnen Personen verteilt, und die weitgehende Berücksichtigung mythologischer Daten ist für ihn typisch. Dazu kommen zwei bezeichnende Eigenheiten in der Art der Darstellung der beiden Dichter, die in der Frage der Priorität berücksichtigt werden müssen : 1. Bei Theokrit ist das Gewebe der Handlung zugunsten wirkungsvoller Kleinmalerei 5 und schmückender Zutaten 6 vernachlässigt, während Apollonios auch innerhalb der Episode einer logisch einwandfreien Handlungsführung vor der Kleinmalerei 7 den Vorzug gibt ; 2. Apollonios schildert Affekte und Gefühle gewöhnlich nicht offen, wie Theokrit, sondern läßt sie oft nur indirekt an ihren physischen Symptomen erkennen (vgl. z.B. Eros' Siegesfreude 3, 121f. γλυκερόν 1

Die Beachtung der Besonderheiten der Dichtungsgattungen erledigt schon von vornherein eines der von Knaack für die Priorität des A. vorgebrachten Argumente (Herrn. 23,137:, .Fügen wir noch hinzu, daß von Hylas alles Individuelle, Vaterland, Abstammung usw. abgestreift ist (sc. bei T.), so ist wohl die Bezugnahme (sc. T.s) auf die Episode bei A. nicht zu verkennen") : s. Türk 29f. und Blumberg 24f. u. 28 Anm. 33; vgl. auch o. zu Punkt 2. 2 Vgl. Türk 26: „A. id studet ut epicus poeta, ne quid praetereat, quod in illa expeditione acciderit, quo fit, ut quae de Hyla habet, compluries etiam interrumpantur. ' ' 3 Vgl. Koch 54 und 72 (vgl. auch 86) : wir behaupten, daß das Bild vom rasenden Herakles das Grundthema des Eidyllion ausmacht. Alles andere dient dieser Fassung oder erklärt diesen Tenor." 4 Vgl. Türk 26: „Unum sibi proposuit Hylae fatum describendum, quo duae res contineantur : Hylae rapina et Herculis dolor" ·— doch ist ihm Herakles wichtiger als Hylas — „. . . idque maxime operam dedit, ut omnia omitteret, quae non ad illas res describendas pertinerent." 5 Z.B. Hylas auf den Knien der Nymphen (53f.). 8 Er liebt vor allem formal-effektvolle sprachliche Kombinationen, wie 13, 33 (πολλοί . . . μίαν); 38 (μίαν δμφω); 22,30 (μιας πολλοί), ohne Rücksicht darauf, ob diese Zusammenstellungen inhaltlich gerade besonders sinnvoll sind. 7 Die aber auch bei ihm zu finden ist (s. u. S. 66 und vgl. Koch 26 für die Szene an der Quelle). 3 8316 Köhnken, Hyp. 12

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Hylasepisode und Hylasidyll

δέ οί άμφί παρειάς | χροιη θάλλεν έρευθ-ος oder Herakles' wilden Zorn 1, 1261f. : s. u. S. 75f.) oder zeigt sie unter der Hülle von Gleichnissen (vgl. z.B. 1,269—277: Gefühl der Verlassenheit (Alkimede); 2,25—29: „Betroffenheit" des Amykos, s.u. S. 99ff.; 3,1019—1021: „Heiße" Liebesregung Medeas)1. I. Die Einleitung Der erste Teil der Einleitung, das Gleichnis (A 1 a in der Gliederung o. S. 17), war oben (S. 18 mit Anm. 2) schon besprochen worden, der zweite Teil (Alb), die Argonautenszene, besteht noch einmal aus zwei vom Dichter zusammengefügten Komponenten: (1) dem freundlichen Empfang durch die Myser (1179—1181), der sich bei Theokrit nicht findet, und (2) den parallel zu Theokrit (13,32—35 und 22,32f.) 2 erzählten Vorbereitungen der Argonauten für das Abendessen (1, 1182—1185)3. Die vergleichbaren Verse beider Dichter sollen zunächst einander gegenübergestellt werden : T. 13,32 (22.32) 13.33 (22.33) 13.34 Α. 1,1182

1185 1

έκβάντες δ' επί Φίνα κατά ζυγά δαΐτα πένοντο έκβάντες δ' έπΐ &ΐνα βα-9-ύν και ύπήνεμον άκτήν δειελινοί, πολλοί δέ μίαν στορέσαντο χαμεύναν4. εύνάς τ' έστόρνυντο πυρεΐά τε χερσίν ένώμων λειμών γάρ σφιν Εκείτο μέγα στιβάδεσσιν ονειαρ, ένθ-εν βούτομον οξύ βαθύν τ' έτάμοντο κύπειρον. ενθα δ' επειθ·' οί μεν ξύλα κάγκανα, τοί δέ λεχαίην φυλλάδα λειμώνων φέρον άσπετον άμήσαντες στόρνυσθαι, τοί δ' αδτε πυρήια δινεύεσκον, οί δ' οϊνον κρητηρσι κέρων πονέοντό τε δαΐτα.

Vgl. Koch 22; 37; 157 u n d Drögemüller 225ff.; 228: „ . . . d a s Seelische u n d .Atmosphärische' erfordert die verhaltene Deutung durch das Bild." 2 T. h a t zur Einleitung seines zweiten sich mit A. berührenden Gedichts id. 22a („Amykos" ~ A. 2,1—97; s. u. S. 84fF.) für den R a h m e n der Argonautensage seine eigenen Worte aus id. 13, nur leicht verändert u n d erweitert, wiederaufgenommen (vgl. 13,22 ~ 22,27; 13,33 ~ 22,30; 13,32f. ~ 22,32f.), dabei ergeben T. 13,32—35 u n d 22,32—33 zusammengenommen nahezu A. 1,1182— 1185. — Sichere Schlüsse auf die Priorität lassen sich daraus jedoch nicht ziehen, da m a n ebensogut behaupten kann, T. habe die Biwakszene des A. auf zwei Geschichten verteilt, wie umgekehrt, A. habe die Worte T.s aus id. 13 u n d 22 kombiniert; vgl. Gow, CQ 32, 1938, 10. 3 Vgl. jetzt auch Tränkle, Herrn. 91, 1963, 503—505: Tränkle k o m m t f ü r das „Graslager der Argonauten" zu dem Ergebnis, d a ß A. „das 13. u n d 22. Gedicht des T. bereits gekannt (habe)" (S. 505); die liebevolle Ausgestaltung der Lagerszene sei f ü r A. „ungewöhnlich", f ü r T. jedoch, der die N a t u r in das Geschehen immer einbeziehe und „gleichsam mitspielen" lasse, ganz üblich u n d natürlich. 4 χαμεύνη gebraucht A. in den beiden verwandten Lagerszenen 3, 1193f. τοί δέ χαμεύνας | ίντυον u n d 4,883 δόρπον τε χαμεύνας τ' άμφεπένοντο ; Τ. h a t das ähnliche χαμευνίς noch id. 7,133 (£v τε βαθείαις . . . χαμευνίσιν έκλίνθημες).

Die Einleitung

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Fast identisch sind T. 13,32 δαΐτα πένοντο mit Α. 1,1185 πονέοντό τε δαΐτα; Τ. 13,33 (22,33) στορέσαντο χαμεύναν (εύνάς έστόρνυντο) mit Α. 1,1182 und 1184 λεχαίην (φυλλάδα) . . . στόρνυσθ-αι; Τ. 22,33 πυρεΐά τε χερσίν ένώμων1 mit Α. 1,1184 πυρήια δινεύεσκον. In beiden Fällen ist außerdem eine Wiese in der Nähe (λειμών T. 13,34 ~ λειμώνων Α. 1,1183). Ebenso ist der zeitliche Hintergrund bei beiden derselbe, denn die Angabe Theokrits 13,33 (δειελινοί: „Spätnachmittag" — „Abend") ergibt sich auch aus Apollonios' Zeitperiphrase (1,1172— 1176). Aber nun kommt für Apollonios hinzu, daß er in der Konstruktion und auch im Wortlaut seiner Verse 1182b—1184a offenbar noch von Kallimachos hy. 3,163—165 abhängig ist: παρά δέ σφισι (sc. den Hindinnen der Artemis) πουλύ νέμεσ&αι | Ήρης έκ λειμώνος άμησάμεναι φορέουσιν (sc. Άμνισιάδες νύμφαι) | ώκύθοον τριπέτηλον. Statt έκ λειμώνος verwendet Apollonios in gleicher Bedeutung den ablativischen Genitiv λειμώνων2; für άμησάμεναι φορέουσιν sagt er φέρον άμήσαντες3; dem finalen Infinitiv νέμεσθαι entspricht der ebenfalls finale Infinitiv στόρνυσ&αι ; statt πουλύ τριπέτηλον heißt es allgemeiner φυλλάδα όίσπετον4. Die wörtlichen Anklänge λειμών (T. 34) — λειμώνων (Α. 1183), στορέσαντο (Τ. 33) — στόρνυσθαι (Α. 1184) darf man also nicht, wie Koch 5 , unter die primären Belege für die Sicherung der von ihm vertretenen Abhängigkeit des Theokrit von Apollonios einreihen, da sie auch bei Kallimachos erscheinen. Bei der Annahme einer Priorität des Apollonios gegenüber Theokrit ergäbe sich also für diese Szene die Schlußfolgerung, daß Apollonios einerseits die komplizierte Konstruktion und einen Teil der Worte 1 Wohl gebildet nach χ 10 και δή μετά χερσίν ένώμα (sc. άλεισον; Subj.: Antinoos). — Für πυρεΐα (πυρήια) (nicht in II. und Od.) vgl. h. Merc. 111. Bei T. wie bei A. ist das Wort nur an dieser Stelle gebraucht (22,33 bzw. 1,1184). 2 Dieser Genitiv findet sich bei Α. ζ. B . auch 1,1030. 1196 ; 3,1254 ; 4,598 (angeführt von Mooney zu 1,1030) und z.B. 3,1127 (vgl. Vian ζ. St.). 3 Der Ausdruck λειμώνων φέρον . . . άμήσαντες ist also nicht nur „ a n echo of Ω 451 οροφον λειμωνό-9-εν άμήσαντες" (Mooney zu V. 1183). 4 άσπετον, Adjektiv wie 1142. 1181. 1285; 2,84. 143, nicht Adverb wie 1,1235 (zu ϊβραχεν), vgl. 1247. 3,1399. 6 S. 79 (zu A. 1,1182—1186 ~ T. 13,32—35): „ D i e Vermutung hat etwas für sich, daß T. den Apolloniostext vor Augen oder im Gedächtnis gehabt hat. E r streicht zwar alle Details, die gegenständliche Übereinstimmung aber bleibt offenkundig . . . Die Wiederkehr einiger Ausdrücke macht zuerst stutzig : λειμώνων (1183) — λειμών (34), στόρνυσθαι (1184) — στορέσαντο (33), πονέοντό τε δαΐτα (1185) — δαΐτα πένοντο (32). Ähnlich sind λεχαίην φυλλάδα (1182f.) —χαμεύναν (33) und άμήσαντες (1183) — έτάμοντο (35); dabei können die Wendungen, die T. wählt, bewußte Variationen gegenüber A. sein . . . Der umgekehrte Fall ist, da die Wörter bei A. anscheinend die .näherliegenden' sind, schwerlich denkbar." — Zu dieser letzten Behauptving Kochs s. u. S. 42 mit Anm. 1.



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Hylasepisode u n d Hylasidyll

von 1182b—1184a aus Kallimachos übernommen hätte 1 , andererseits aber seinerseits Vorbild für die wesentlich einfachere Satzfolge bei Theokrit2 gewesen sein müßte — während aus der umgekehrten und chronologisch wahrscheinlicheren Voraussetzung einer Abhängigkeit des Apollonios von Theokrit folgte, daß Apollonios seine Szene aus Anregungen von Theokrit 13,32—35 und 22,32f. und von Kallimachos hy. 3,163—165 zusammengesetzt hätte. Apollonios ergänzt aber seine Einleitungsszene noch durch die in den V. 1,1179—1181 erzählte gastfreundliche Aufnahme der Argonauten durch die einheimischen Myser3, die aus zwei Gründen merkwürdig ist : 1. ist von den Mysern im weiteren Verlauf der Episode nicht mehr die Rede4, und sie scheinen für die Handlung belanglos und überflüssig zu sein ; 2. ist nicht recht einzusehen, warum Hylas 1,1207ff. noch erst Wasser holen muß, wenn die Myser die Argonauten schon mit μήλα mid μέ&υ άσπετον (1181) und offenbar auch mit Wasser (denn ein Teil der Argonauten ist schon vor Hylas' Weggang mit dem „Mischen" des Weins beschäftigt: 1185) versorgt haben8. 1

Der Artemishymnos ist nicht datierbar, wird aber in F o r m u n d A u f b a u mit dem Deloshymnos (hy. 4) zusammengestellt, der etwa in die J a h r e zwischen 270 u n d 260 v. Chr. fällt: vgl. Wilamowitz, H . D. 2, 62. — Herter, R E Suppl. V, 1931, s. v. Kallimachos, Sp. 441, setzt hy. 3 mit Hinweis auf V. 258 in die J a h r e nach 278/77. — Jedenfalls ist die entgegengesetzte Annahme einer Imitation des A. durch Kallimachos, die auch das Lehrer-Schüler-Verhältnis wieder umkehren müßte, so gut wie ausgeschlossen. 2 T. reiht in verhältnismäßig loser Folge vier einfache H a u p t s ä t z e aneinander : a) έκβάντες δ' . . . πένοντο, b) πολλοί δέ . . . στορέσαντο, c) λειμών γάρ . . . ίκειτο, d) ένθεν . . . έτάμοντο : vierfache Parataxe, a) und b) durch δέ verbunden, c) mit γάρ an b) angeschlossen, d) asyndetisch an c) angehängt. — Bei A. dagegen ist die Verbindung der einzelnen Sätze viel sorgfältiger durchgeführt. Die Argonauten werden streng in vier Gruppen eingeteilt: a) oí μέν, b) τοί δέ, c) τοί δ' αΰτε, d) οί δ(έ), wobei a) u n d b) durch das gemeinsame Verb φέρον noch enger verk n ü p f t sind. Die bei T. in den drei Sätzen b), c), d) genannten Einzelheiten sind bei A. in einen Satz, b), zusammengedrängt, so d a ß Α., wo er inhaltlich das gleiche bietet wie T., als Epiker auffälligerweise wesentlich kürzer ist als der Idyllendichter. I n den Satzteilen a), b) u n d d) f ü h r t A. aus Gründen epischer Vollständigkeit noch drei Einzelheiten (Feuerholz, Feuerstäbe : s. o. S. 35 Anm. 1, Wein) mehr als T. an. 3 U n d außerdem noch durch 1186 (Opfer an Apollon Ekbasios), doch gehört die Bemerkung zum epischen Apparat u n d ermöglicht dazu die f ü r die Handlung wichtige Zeitangabe ύπό κνέφας (s. u. S. 41 mit Anm. 4). 4 E r s t im Glaukosorakel 1321—1323 (Schicksal Polyphems) u n d im Bericht über Polyphem u n d das, was Herakles weiter zur Auffindung des Hylas untern i m m t (1345—1357), werden die Myser wieder erwähnt, Geschehnisse, die alle außerhalb der eigentlichen Kiosepisode liegen. 5 Dieser Einwand gegen A. findet sich schon bei Knaack, GGA 1896 (vgl. Faerber 63), der das Fehlen dieser Einzelheit bei T. f ü r seine These der Kritik des A. durch T. ausnutzte.

Die Einleitung

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Vor der näheren Beschäftigung mit diesen Fragen ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die von Apollonios hier verwendeten Verse in ähnlichem Zusammenhang, nämlich in der Einleitung zum Kyzikosintermezzo (l,961ff.), fast wörtlich übereinstimmend schon einmal aufgetaucht sind: und zwar entsprechen dem Vèrs 1,1179f. τούς μέν έυξείνως ΜυσοΙ φιλότητι κ (.όντας | δειδέχατ' . . . die Verse 1,961—963 τούς δ' όίμυδις φιλότητι Δολίονες ήδέ και αύτός | Κύζικος άντήσαντες . . . έυξείνως άρέσαντο1; dem V. 1181 μηλά τε δευομένοις μέθυ τ' ασπετον έγγυάλιξαν gleicht V. 968 f. δώκεν δ' αύτός άναξ λαρόν μέθυ δευομένοισιν | μήλά θ' δ μου ; und V. 1186 Έκβασίω ρέξαντες ύπο κνέφας 'Απόλλωνι findet sein Pendant in V. 966 ενθ·' ο'ίγ' "Εκβασίω βωμόν θέσαν Άπόλλωνι. In der Kyzikosepisode aber sind diese Einleitungsverse notwendige Voraussetzung und Auftakt f ü r das gemeinsame Mahl und die Unterhaltung zwischen dem Gastgeber Kyzikos und den Argonauten ; wenn man jedoch nach der Funktion der Verse in der Kiosepisode fragt, so läßt sich nur die Antwort finden, daß Apollonios bei seiner, als Gegengewicht zu dem Hunger und Erschöpfung ausdrückenden Gleichnis (1,1172—1176), ausführlicher beschriebenen Lager- und Essensszene (1179—1186) begründen mußte, woher die Argonauten den Stoff f ü r ihre Mahlzeit bekamen. Er, der jeden einzelnen Schritt der Handlung begründet 2 , kann nicht einfach ohne Motivierung, wie Theokrit (32), δαϊτα πένοντο sagen. — V. 1181 stellt er die Argonauten ausdrücklich als δευόμενοι hin (was auch schon in der Stimmung des Gleichnisses zum Ausdruck kam) und V. 1185 kann er sie dann, über das πονέοντο . . . δαϊτα hinaus, auch den von den Mysern empfangenen Wein mischen lassen (οί δ' οΐνον κρητηρσι κέρων). Wenn aber die Gastfreundschaft der Myser ein Zusatz ist, der nur mit Rücksicht auf die folgenden Essensvorbereitungen in die Erzählung eingefügt worden ist, dann stellt sich die Frage, weshalb Apollonios diese Vorbereitungen überhaupt so ausführlich geschildert hat 3 , welche Funktion sie f ü r die folgende Erzählung haben. 1 Aus dieser Parallele folgt auch für das Verständnis von 1,1179f., daß φιλότητι mit δειδέχατ' zu verbinden ist (τούς ΜυσοΙ φιλότητι έυξείνως δειδέχατο entsprechend 961 ff. τούς Δολίονες φιλότητι άντήσαντες έυξείνως άρέσαντο) und nicht mit κιόντας, wie Seaton in seiner Übersetzung (Loeb 1912, p. 83): „Them as they came in friendliness, the Mysians . . . hospitably welcomed"; daß die völlig erschöpften Argonauten den Einheimischen nicht unfreundlich entgegentreten konnten, braucht nicht mehr besonders gesagt zu werden. 2 Vgl. z.B. allein in dieser Episode: 1188. 1208. 1211 (γάρ). 1218 (γάρ). 1223 (γάρ). 1231 (γάρ s. u. S. 62f.). 1242 (γάρ). 1251. 3 Wenn Abendessen und Vorbereitungen für die Nacht keine weitere Bedeutung für die Handlung haben, werden sie, wenn überhaupt, nur kurz notiert, wie z.B. 1,979; 2,495—497.761 und 811.1177; 3,1193f.; 4,883f. — Dagegen ist z.B. 1,453—459 mit deutlicher Ankündigimg der folgenden ausgedehnten Zecherei gesagt, und ähnlich ist naturgemäß in der Phineusgeschichte oft vom Essen die Rede: 2,í84ff. 263fF. 302—307.

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Hylasepisode und Hylasidyll

Da die anschließende Heraklesgeschichte zwar, wie der Ruderwettkampf seine Ausdauer, so seine Unempfindlichkeit gegen Hunger und Durst zeigt und hierdurch mit dem Vorhergehenden zusammenhängt, aber eine so eingehende Lagerszene nicht voraussetzt oder erklärt, bleibt nur die Wassersuche des Hylas, die sich ja auch ausdrücklich als Teil der Essensvorbereitungen präsentiert (1208 f. ΰδωρ . . . άφυσσάμενος ποτιδόρπιον) und sie zur notwendigen Voraussetzung hat. Wie ein Teil der Argonauten mit diesen, ein Teil mit jenen Vorbereitungen beschäftigt war, so traf auch Hylas seine Vorkehrungen für das Abendessen, das Herakles nach seiner Rückkehr vorfinden sollte. Wenn aber Lager- und Hylasszene unmittelbar zusammenhängen und Apollonios die Lagerszene durch die nur für ihren Zweck eingeführten V. 1179—1181 innerhalb seiner Erzählung glaubhaft machen mußte, dann scheint er beide Motive vorgefunden und aus einem Vorgänger in seine Darstellung übernommen zu haben. Daß Knaacks Kritik an der Wassersuche des Hylas bei Apollonios an sich nicht unberechtigt war, zeigen Stellen bei Apollonios selber, wo das Wasserholen aus Mangel an gastfreundlichen Einheimischen für die Argonauten eine absolute Notwendigkeit ist, wie 4,1766—1772 bei der Landung in Aigina (wo 1768 an 1, 1208/9 anklingt), aber auch schon vorher 4,1692 (Verproviantierung mit Trinkwasser in Kreta) oder 4,1719—1721 (in Anaphe: mit ausdrücklichem Hinweis auf die menschenleere Insel V. 1719, auf der die Argonauten gezwungen sind, das Opfer an Apoll mit Wasser statt mit Wein zu vollziehen). Da also bei Theokrit „das Wasserholen am öden Strand besser motiviert ist als bei Apollonios"1, andererseits aber Theokrit ohne Hinweis auf die Herkunft der Mahlzeit einfach δαΐτα πένοντο sagt (und im Gegensatz zu Apollonios unter den Voraussetzungen seines Idylls auch keine Begründung zu geben braucht), liegt der Schluß nahe, daß Apollonios Theokrits Motive „Essensvorbereitungen" und damit auch „Wassersuche des Hylas" mit Hilfe der Verbindungsverse 1179—1181 und erweitert durch das einleitende Gleichnis 1172—1178 in seine Erzählung eingebaut hat. Er hätte dann mit dieser für das Epos notwendigen ergänzenden Überlegung zu Theokrits δαΐτα πένοντο in Kauf genommen, daß Hylas' Wasserholen in seiner Version der Geschichte nicht mehr so einleuchtend motiviert ist. Daß Hylas sich aufmacht, um Wasser zu holen, ist eine Neuerung gegenüber dem ursprünglichen Mythos (Hes. F 154 Rz. = Schol. Α. 1, 1289, S. 116 Wendel; und Hdt. 7, 193, 2), wo Herakles auf Wassersuche geht und (in Argus Aphetai) von den Argonauten zurückgelassen wird. — Der Scholiast zu A. 1,1236 führt als Autoren, von denen die Hylasgeschichte behandelt worden ist, Theokrit, Onasos, 1

Faerber 63 mit Knaack, GGA 1896, 884.

Herakles' Rudersuche

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Nikander und Apollonios auf. Wahrscheinlich ist Theokrit der Erfinder des Motivs von der Wassersuche des Hylas. Die Änderung des Mythos ist schon deshalb eher ihm als Apollonios zuzuschreiben, weil letzterer dadurch gezwungen wird, bei seiner Erwähnung des Aitions von „Argus Aphetai" (Arg. 1,589—591) die traditionell damit verknüpfte Geschichte vom Zurückbleiben des Herakles (s. o.) auszuscheiden1. II. Erste Einzdszene, 1. Teil: Herakles' Rudersuche Die Heraklesszene (1,1187—1206) ist schon oben (S. 19ff.) im Zusammenhang mit der Episodenform besprochen worden. Ihre drei Funktionen für die Argonautenerzählung im allgemeinen und die Kiosepisode im besonderen sind: 1. Vor dem Ausscheiden des Herakles aus der Argonautenexpedition soll, wie durch den vorhergehenden Ruderwettkampf (1,1153—1171), so auch durch diese Aktion, die gewaltige Kraft des Helden demonstriert werden 2 und damit zugleich der unersetzliche Verlust, der den Argonauten durch die Trennung von ihm bevorsteht. Auf diesen Verlust wird dann im weiteren Verlauf der Fahrt oft angespielt 3 . 2. Die Rudersuche hat den kompositorischen Zweck, Herakles aus dem Lager zu entfernen und so die Hylas- und Polyphemaktionen zu ermöglichen4. 3. Die überlegene Kraftleistung des Herakles am Anfang der Episode (B 1) soll offenbar auch den Kontrast zu seiner kopflosen Panik auf die Nachricht von Hylas' Verschwinden am Ende (B 2) abgeben 6 . III. Zweite Einzelszene, Hylas Die in der Mitte der Episode stehende Hylasszene (1,1207—1239, entsprechend Theokrit 13,36—54) soll in vier Abschnitten behandelt werden : 1

Vgl. Schol. zu A. 1,1167—1168b und Händel, Zetem. 7,29. Vgl. Blumberg 26f. 3 2,145—153 (Herakles hätte Amykos sofort mit der Keule niedergeschlagen) ; 2,772ff. (Lykos bedauert die Argonauten: 774f. οίου φωτός άποπλαγχθέντες άρωγής | πείρετ' ές Αίήτην τόσσον πλόον); 3,1232—1234 (nur Herakles hätte sich mit Aietes messen können); 4,1458ff. (vergeblicher Versuch, den am Tage zuvor in Libyen gewesenen Herakles wiederzufinden) ; vgl. auch Blumberg 30. 4 Blumberg 27 : „In epischer Breite schildert der Dichter das Fällen der Fichte (sc. durch Herakles) . . . Dadurch wird die eigentliche Handlung . . . verzögert; gleichzeitig ist so motiviert, wie Hylas sich in der Zwischenzeit so weit entfernen konnte." 6 Ähnlich wie T. 13,5—7 der starke Löwenbändiger Herakles mit seiner Schwäche, der Liebe zu Hylas, konfrontiert wird: vgl. dazu Koch 46. 2

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Hylasepisode und Hylasidyll

1. 2. 3. 4.

Hylas' Gang zur Quelle A. 1207—1210. 1221—1222a ~ T.36—40; die Vorgeschichte des Hylas A. 1211—1220; die Vorstellung der Nymphen A. 1222b—1229a ~ T. 43—45; das Abenteuer an der Quelle A. 1228—1239 ~ T. 43—54. 1. Hylas' Gang zur Quelle

Die Gegenüberstellung der Versionen beider Dichter im Wortlaut beweist zunächst die direkte Abhängigkeit eines der beiden vom anderen : T. 36

40 Α. 1207 1209 1221

κώχεθ' "Υλας ó ξανθός υδωρ έ π ι δ ό ρ π ι ο ν οΐσων αύτω θ-' Ήρακληι και άστεμφεΐ Τελαμώνι, οί μίαν αμφω εταίροι άεί δαίνυντο τράπεζαν, χ ά λ κ ε ο ν ά γ γ ο ς ε χ ω ν . τ ά χ α δέ κράναν ένόησεν ήμένω εν χώρω . . . τόφρα δ' "Υλας χ α λ κ έ η συν κ ά λ π ι δ ι νόσφιν ομίλου δίζητο κρήνης ιερόν ρόον, ώς κέ οί υδωρ φθαίη άφυσσάμενος π ο τ ι δ ό ρ π ι ο ν . . . α ΐ ψ α δ ( δ γ ε κρήνην μετεκίαθ-εν ήν καλέουσιν Πηγάς άγχίγυοι περιναιέται . . .

F a s t wörtlich stimmen überein : ΰδωρ έπιδόρπιον (36) mit υδωρ . . . ποτιδόρπιον (1208—1209); χάλκεον αγγος εχων (39) mit χαλκέη σύν κάλπιδι (1207) 1 ; und τάχα . . . κράναν ένόησεν (39) mit αΐψα . . . κρήνην μετεκίαθεν (1221). Außerdem sind ähnlich αύτω (fr' Ήρακλήι) (37) und oí (. . . ΐόντι) (1208 und 1210), da sie dieselbe Person im selben Kasus bezeichnen, u n d schließlich gleichen sich in der Bedeutung (υδωρ . . .) οΐσων (36) u n d ώς κε ( . . . ύ δ ω ρ ) φθαίη άφυσσάμενος (1209): finales Partizip F u t u r auf der einen, finaler Nebensatz auf der anderen Seite. Während aber bei Theokrit Hylas losgeht, um irgendwoher Wasser zu holen, u n d dann eine Quelle findet, sucht er bei Apollonios schon von vornherein nach einer Quelle, u m aus ihr Wasser zu schöpfen 2 . Diese Stellung scheint gegenüber der des Theokrit sekundär : aus dem unverbundenen (und erst vom Leser gedanklich zu verbindenden) einfachen Nebeneinander von Wasser und Quelle bei Theokrit kombiniert Apollonios einen kausalen Zusammenhang expressis verbis: Quelle, weil Wasser 3 . Bei Theokrit ist das Wasser f ü r Hylas der primär gesuchte Gegenstand (36), u n d er findet d a n n gleichsam zufällig eine Quelle (39) (und damit natürlich, ohne daß Theokrit das ausdrücklich sagt, das gesuchte Wasser). — Bei Apollonios dagegen ver1

Die Bedeutung ist bei leicht veränderter Konstruktion (part. coni, ϊχων einerseits, präpositionaler Ausdruck andererseits) dieselbe. 2 Vgl. auch 1258 (Polyphem zu Herakles:) Ύλας κρήνηνδε κιών . . . 3 Für einen zweiten ähnlichen Fall s. u. S. 64f. zu V. 1239 T. 49) (κάββαλε — κατήριπε).

Hylas : Der Gang zur Quelle

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läuft das Geschehen in der Folge: Quelle (1208 primär gesuchtes Objekt) — Wasser—Quelle (1221 gesuchtes Objekt gefunden). Im Unterschied zu Theokrit erwähnt Apollonios die Quelle also zweimal, und zwar zuerst (1208) allgemein als irgendeine noch nicht näher bestimmte Quelle (κρήνης ιερός ρόος) und dann beim zweiten Mal als die ganz bestimmte Quelle Pegai 1 (1221f. κρήνην μετεκίαθ-εν ην καλέουσιν I Πηγάς άγχίγυοι περιναιέται). Der Wassereimer des Hylas ist bei beiden Dichtern aus Erz (39 ~ 1207); während aber diese Einzelheit für die Erzählung Theokrits belanglos ist, gewinnt sie bei Apollonios im weiteren Verlauf der Handlung noch eine besondere Bedeutung, da sie ihm 1236 ein effektvolles „Bild" vom Aufprall des Wassers auf das tönende Erz des Eimers ermöglicht 2 . Auch hier läßt sich viel eher vorstellen, daß Apollonios die bei Theokrit vorgefundene nebensächliche Bemerkung χάλκεον άγγος weitergedacht und f ü r eine besondere Pointe in seiner eigenen Erzählung ausgenutzt, das Erz zum Tönen gebracht hat, als daß Theokrit das von Apollonios Vorgegebene etwa wieder zu einem bloßen Epitheton degradiert haben könnte 3 . Theokrit führt dann Hylas ohne viele Umstände direkt an die Quelle als Schauplatz der folgenden Ereignisse — abgesehen von der langen Sperrung des ώχετο . . . ο'ίσων (36) vom zugehörigen Satzteil χάλκεον αγγος έ'χων (39), die vielleicht den Eindruck einer Pause zwischen Hylas' Aufbruch aus dem Lager und seiner Ankunft bei der Quelle hervorrufen soll. — Apollonios aber läßt Hylas ausdrücklich erst nach der Quelle suchen (1207f. νόσφιν ομίλου | δίζητο κρήνης ιερόν ρόον). Die Länge der Suche wird außerdem noch betont durch die 1211—1220 erzählte Vorgeschichte des Hylas: sozusagen während er sucht, macht der Dichter den Leser näher mit ihm bekannt und läßt ihn erst dann (1221) die Quelle entdecken. Das „retardierende Moment" der Suche ist für Apollonios, außer der Gelegenheit, über Hylas und seinen Vater zu berichten, aus drei Gründen notwendig: 1. ist es nach seiner in der Handlung streng durchgehaltenen Zeitvorstellung Nacht 4 , und die Suche war dadurch, trotz des Vollmonds (1231f.), erschwert; 1

Der Name scheint ad hoc erfunden zu sein, einmal wegen der Variation gegenüber 1208, zum anderen aber wohl auch, weil der Anschein geographischer Bestimmtheit besser zu dem auch sonst auf die Mitteilung von Namen bedachten Epos paßt. T. kann die Quelle ohne Namen lassen. 2 Siehe u. S. 64. 3 Knaacks These (Herrn. 23, 1888, 137), T.s κρωσσός (46) sei eine Kritik an A.s κάλπις (1207 und 1234), ist schon von Türk 29 (vgl. Blumberg 28 Anm. 33) ad absurdum geführt worden. 4 Außer den ausführlichen Zeitangaben am Anfang und am Ende der Episode („Abend" 1172ff. — „Morgengrauen" 1273f.) weist A. mehrfach darauf hin, daß das Geschehen bei Nacht (1225. 1232) und Dunkelheit (1186. 1255) zu denken ist: s. Mehmel 37f.

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Hylasepisode und Hylasidyll

2. befand sich Hylas sowieso in einer ihm unbekannten Gegend (vgl. Schol. zu 1208); 3. mußte während der Herakles- wie der zu ihr gleichzeitigen Hylashandlung soviel Zeit verstrichen sein, daß Polyphem (1242) wegen des langen Ausbleibens des Herakles unruhig geworden sein konnte. Das wird auch dadurch bekräftigt, daß die beiden gleichzeitigen ersten Szenen, zusammen mit den sich anschließenden kürzeren Polyphemund Heraklesaktionen, die ganze Nacht dauern (bei Anbruch der Dunkelheit 1186 hatte Herakles die Argonauten verlassen; mit dem Aufgehen des Morgensterns 1273f.,nach dem Davonstürzen des Herakles, fahren die Helden ab). Die Unterschiede zwischen beiden Dichtern in dieser Zeitfrage sind im wesentlichen auf die verschiedene Dichtungsgattung zurückzuführen: in Theokrits Idyll, das in der Hauptsache die Wirkung von Hylas' Verlust auf Herakles zeigen soll (vgl. o. S. 33), sind die Handlungsverknüpfung im einzelnen und der zeitliche Hintergrund von untergeordneter Bedeutung (vgl. auch u. S. 45f.); im Epos des Apollonios dagegen steht die Hylasgeschichte in einem größeren Zusammenhang, und innerhalb des sorgfältig durchdachten Handlungsgewebes ist der Zeitfaktor wesentlich (s. S. 41 Anm. 4 und vgl. z.B. u. S. 62f.). Anmerken könnte man vielleicht noch, daß Apollonios spezielle Vokabeln hat, wo Theokrit allgemeine Ausdrücke gebraucht : so δίζητο (1208) statt ώχετο (36) und άφυσσάμενος (1209 „aus der Quelle schöpfen") für οϊσων (36)1. Als Personen, für die Hylas das Wasser schöpfen soll, nennt Theokrit in der Parenthese 37 f. außer Herakles selber auch seinen ständigen Tischgenossen Telamón. Apollonios dagegen sagt nur oi. . . ίόντι (1208 und 1210), ohne den Namen „Herakles" überhaupt zu erwähnen, und bringt damit zum Ausdruck, welche überragende Rolle Herakles als Gebieter im Denken des Hylas spielt: „er" ist für den Knaben ganz selbstverständlich Herakles 2 . Hylas ist so „erzogen" und auf seinen Herrn eingespielt, daß er automatisch, ohne besondere Aufforderung, während dessen Abwesenheit seine Aufgaben als Diener zu erfüllen sucht — bei Theokrit andererseits scheint es so, als ob Herakles und Telamón ihn das Wasser holen lassen 3 . 1 Koch 79, hatte für A. 1,1182—1186 ~ T. 13,32—35 die Wörter bei A. als die „anscheinend . . . näherliegenden" bezeichnet (s. o. S. 35 Anm. 5), ohne jedoch zu sagen, warum: man könnte für jene Stelle auch kaum angeben, wessen Ausdrücke die gesuchteren sind. — Hier aber (T. 36 ~ A. 1208/09) sind, anders als Koch es wollte, T.s ώχετο und οϊσων sicherlich „näherliegender" als A.s δίζητο und άφυσσάμενος. 1 Koch 80: „Die Ausrichtung auf seinen .Herrn' ist deutlich." 3 Anders Türk 26 unten: „. . . quod Hylas aquam Herculi et Telamoni hausturus abit, facit sua sponte, ut decet filium pium patri servire."

Hylas : Der Gang zur Quelle

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Apollonios fügt 1209b—1210 noch hinzu, daß Hylas außer dem Schöpfen des Trinkwassers auch alle sonst notwendigen Vorkehrungen für Herakles' Abendessen treffen will (άλλα τε πάντα ότραλέως κατά κόσμον έπαρτίσσειεν ίόντι). Welche das aber im einzelnen sein sollen, wird nicht gesagt, darauf kommt es Apollonios hier nicht an. Vielmehr zeigt gerade die Unbestimmtheit des άλλα τε πάντα, daß nicht die Dienstleistungen selbst, sondern die Art und Weise, wie sie ausgeführt werden, nämlich ότραλέως und κατά κόσμον, betont werden soll : schnell und ordentlich hat Hylas seine Aufgaben gegenüber Herakles zu erfüllen. Der Satz leitet über zu der mit γάρ angeschlossenen allgemeinen Begründung für dieses Handeln: δή γάρ μιν τοίοισιν έν ήθεσιν αυτός εφερβε (1211). τοϊα ήθη kann nur auf ότραλέως und κατά κόσμον zurückbezogen werden. Schnelligkeit und Zuverlässigkeit im Dienst sind die Charakterzüge, die Herakles bei Hylas ausgebildet sehen wollte. Er hatte ihm nur das beigebracht, was ein guter Diener wissen und tun muß, um seinem Herrn das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Auf etwa vorhandene höhere Absichten des Herakles mit Hylas oder auf eine Liebesbeziehung zwischen den beiden kann aus dem Wortlaut hier nicht geschlossen werden 1 . Auf Blumbergs Frage 2 : , , . . . würde man von der Tätigkeit eines bloßen Dieners mit den Worten τοίοισιν έν ήθεσιν reden?", kann man nur antworten, daß der Text keine andere Interpretation zuläßt; mit ήθη ist hier nichts Großartiges gemeint. Auch aus dem Katalogvers 1, 131 f. geht nicht mehr hervor: "Υλας . . ., έσθ-λός οπάων πρω&ήβης, ίων τε φορεύς φύλακός τε βιοΐο. έσθλός heißt bei Apollonios nie mehr als „geschickt", „erfahren" 3 , „tüchtig" 4 oder (einmal) „nützlich" 5 , soll hier also den Hylas als brauchbaren, tüchtigen Knappen kennzeichnen, πρωθ-ήβης braucht nicht mehr zu sein als ein Hinweis auf sein Alter (wie Θ 518, wo den πρωθήβαι die πολιοκρόταφοι gegenübergestellt sind; vgl. θ· 263)e. Apollonios beschränkt demnach die Hinweise auf eine Liebesverbindung Herakles-Hylas (und Polyphem-Hylas) auf den Schlußakkord der 1

Vgl. Türk 26 : ,,A. narrat Hylam ad varia servi muñera educatimi esse, inter quae etiam illa aquatio est" ; vgl. auch Gow, C Q 32,11 und Komm. 231 ; Koch 80. 2 Blumberg 26 Anm. 30. 3 Vom Steuermann: 1, 106f.; 2,174; vom Seher: 3,917f. 4 1,58; 3,405; 4,196. s 3,803, von Medeas φάρμακα; Gegensatz ραιστήρια. 6 Anders Blumberg 26 Anm. 30: Zudem wird Hylas schon V. 132 als πρωθήβης eingeführt, daraus geht schon genug hervor" ; ähnlich auch Koch 78 : „. . . sie (sc. die Aufgaben des Hylas V. 132) mögen aber gleichzeitig, unterstützt durch πρωθήβης, Ausdruck der inneren Bindung sein, denn ohne diesen Hintergrund können sie kaum für so wichtig eingeschätzt werden, daß sie die Teilnahme des Knaben an der Fahrt glaubhaft machen" ; auf S. 80 aber schreibt Koch: „Bei A. fungiert Hylas ausschließlich als Diener des Herakles: er tut das, was er gelernt hat, oder: er tut es, weil er es gelernt hat."

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Hylasepisode und Hylasidyll

Erzählung l,1261ff. und vor allem auf die Gleichnisse (1265ff. und 1243ff.), wo er hinter der hemmungslosen Wut des Herakles (und vorher der Sorge Polyphems) etwas von der beim Leser anscheinend als bekannt vorausgesetzten1 Liebe erkennen läßt2. Charakteristischerweise sind die Beziehungen des Herakles zu Hylas bei Theokrit ganz anders dargestellt. Vor allem die Verse 13,5—15 sind hierfür zu vergleichen: Theokrit sagt sofort unverhohlen, worauf es ihm ankommt: V. 5f. Άμφιτρύωνος υιός . . . ήρατο παιδός, | τοΰ χαρίεντος "Τλα, eine Aussage, die für Apollonios in dieser Unmittelbarkeit gar nicht zu erwarten ist 3 . Theokrit schließt dann V. 8—15 seine Vorstellungen von der liebevollen Erziehung des Hylas durch Herakles an. Herakles habe seinen Liebling alles das gelehrt, was ihn selbst αγαθός καί άοίδιμος gemacht habe (V. 9); was das im einzelnen ist, läßt Theokrit offen. Für ihn ist nur wesentlich, daß die beiden immer zusammen waren (V. 10—13)4. Bei Apollonios dagegen beschränken sich die Gegenstände der Ausbildung ganz nüchtern und konkret auf den Pflichtenkreis eines guten Dieners ; und wenn Theokrit seine Betrachtung damit schließt (14f.), daß Herakles mit seiner 1

Vgl. Türk 26. Siehe u. S. 75ff. 3 E i n gutes Beispiel f ü r die, anders als bei T., bei A. erst hinter vordergründig realistischer Darstellung auftauchende und sich langsam entwickelnde seelische Regung ist die Schilderung des Lemnosabenteuers. Obwohl die Geschichte ganz auf der Voraussetzung der Liebe der Argonauten zu den Lemnierinnen, Jasons zu Hypsipyle u n d umgekehrt aufgebaut ist, wird von Liebe direkt nur 1,850 Κύπρις γάρ επί γλυκύν ϊμερον ώρσεν — aber auch hier durch die E r w ä h n u n g der Kypris abgeschwächt — gesprochen. Schon der Nachsatz jedoch kehrt wieder zur nüchternen Betrachtungsweise zurück: 851/52 Ήφαίστοιο χάριν πολυμήτιος, δφρα κεν αδτις | ναίηται μετόπισθεν ακήρατος άνδράσιΛήμνος (vgl. 648ff. 865ff. 898. 905ff.). Die Gefühle werden aber indirekt deutlich in der Atmosphäre der Gleichnisse (774ff. 879ff.), in der Freude, mit der J a s o n u n d die Argonauten begrüßt werden (783f. 843ff.), u n d in den Opfern u n d Liedern an Kypris (859f.). 4 Kunstvoller Versbau : (a) V. 8—9 ( = 2 Verse)·. Thema: Erziehung, Herakles Subjekt (seine Gaben an Hylas) — (b) V. 10—13 ( = 4 Verse): Hauptsache: sie waren nie getrennt: zweifach ausgedrückt, zuerst generell: „niemals", d a n n speziell in polarer Ausdrucksweise: „weder mittags noch morgens noch a b e n d s " — (a) V. 14—15 (2 Verse): Thema: Erziehung, Hylas Subjekt (Zweck der Erziehung von Hylas aus gesehen. — F ü r A. war die absolute Feststellung „Herakles ließ Hylas nie aus den Augen" k a u m verwendbar, da er nach seiner Darstellungsweise d a n n h ä t t e begründen müssen, wieso Hylas den Herakles nicht auf die Rudersuche begleitete. F ü r T. dagegen stellt sich bei seiner lockeren u n d auf streng logische Zusammenhänge weniger bedachten Erzählung eine solche Frage (warum läßt Herakles den Hylas allein gehen?) k a u m . E r gibt der äußeren F o r m — sein Gedicht h a t vier Einleitungs- (1—4) u n d vier Schlußverse (72—75) u n d ist im ersten Teil (V. 5—24) in der regelmäßigen Versfolge von 3—2—4—2—3—3—3 Versen gebaut —, den Ornamenten (Pflanzen: V. 35. 40—42) u n d der Kleinmalerei (Quelle u n d Nymphen) vor der H a n d l u n g den Vorzug. 2

Hylas : Der Gang zur Quelle

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Erziehung beabsichtigte, seinen Liebling zu einem Menschen nach seinem Herzen (14 αύτω κατά θυμό ν) und zu einem wahrhaftigen Mann zu machen (15 ώς . . .ές άλα&ινόν ανδρ' άποβαίη), so findet sich von alldem bei Apollonios nichts. Höhere Ideale für Hylas und Ambitionen mit ihm hat sein Herakles offenbar nicht : von άγαθός, άοίδιμος, άλαίΗνός, ist nicht die Rede. Es ist überhaupt fraglich, ob Apollonios einen seiner „Helden", Herakles eingeschlossen, für άγαθός και άοίδιμος gehalten hätte 1 . Herakles jedenfalls wird in den Argonautika, anders als bei Theokrit, ganz konsequent ausschließlich und einseitig als der physisch ungewöhnlich starke Mann gekennzeichnet, ohne den leisesten Anflug von Qualitäten, die ihn, wie bei Theokrit, als Erzieher des Hylas geeignet oder auch nur denkbar erscheinen ließen2. Die Darstellung des „Lehrers" Herakles ist bei Theokrit aber noch dazu so allgemein und nichtssagend (weil für ihn über den allgemeinen Eindruck einer besonders engen Verbindung zwischen Herakles und Hylas hinaus uninteressant), daß sie für den sorgfältig überlegenden Apollonios schon deshalb nicht zu gebrauchen war3. Wenn Theokrit schließlich im Vergleichsabschnitt noch eine detaillierte Beschreibung der rund um die Quelle wachsenden Pflanzen gibt (V. 40—42), so kann diese Beschreibung wieder nicht für Apol1

Für die „unheldische" allgemeine „Labilität" der Argonauten des A. s. Fränkel, Arg. 14 (vgl. dens., Don Quijote If.): „Die Menschen des A. sind ungewöhnlich labil, mit wenigen Ausnahmen, unter denen der unverwüstlich tüchtige Herakles an erster Stelle steht" — Herakles ist jedoch nur in seiner körperlichen Kraft und Ausdauer „unverwüstlich" : wie schnell und vollkommen er seine Fassung verlieren und in eine Stimmung haltloser Verzweiflung geraten kann, zeigt seine Reaktion auf die Nachricht vom Verschwinden des Hylas (1, 1261 ff.: s . u . S. 75ff.). Für seine Unbeherrschtheit vgl. außerdem 4,1441ff. (vgl. nächste Anm.). 2 Besonders eindrucksvoll tritt seine Erscheinung und das Bild, das A. von ihm hat, in der (negativen, aber aufschlußreichen) Beschreibung der Hesperide Aigle (4,1432—1449) hervor, wo er als „wilder Kraftprotz" (also positiv gewendet „grimmiger Haudegen") gezeichnet wird. •— Wenn Α., der mit Epitheta auffallend sparsam ist und meistens nur den Namen nennt (25mal nach Fr.s Namensindex), Herakles näher charakterisiert, dann durch βίη κρατερόφρονος Ήρακλήος (im Katalog, 1,122, wo er ihn mit dem erymanthischen Eber auf dem Rücken vorstellt) oder μέγα σθένος Ήρακλήος (1,531, wo er wegen seines Gewichtes mit Ankaios in der Mitte des Schiffes Platz nimmt). Zweimal wird er θρασύς genannt (1,341 und 1316), einmal πελώριος (1,1242) und zweimal ήρως : 2,766f. und 2,967. An der letzteren Stelle, wo er der Amazone Melanippe auflauert, ist die Bezeichnung ήρως möglicherweise ironisch gemeint, so wie auch Jason 4,477, nach seinem heimtückischen Mord an Apsyrtos, ήρως genannt wird, in dem Augenblick also, wo er dieses Prädikat wohl am wenigsten verdient. — A. setzt Epitheta also möglichst nur, wenn sie zur Charakterisierung der Person beitragen oder eine besondere Nuance geben. 3 Formal sagt T., was Herakles dem Hylas beibrachte (nämlich alles, was er selbst gelernt hatte : V. 8—9), wie er es ihm beibrachte (wie ein Vater seinem Sohn: 8) und warum (damit ein guter Mensch aus ihm würde: 15); inhaltlich bleibt das alles ganz imbestimmt.

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Hylasepisode u n d Hylasidyll

Ionios erwartet werden, weil sie den zeitlichen Hintergrund des Geschehens außer acht läßt, den Apollonios immer berücksichtigt 1 . Auch bei Theokrit ist es Abend, als die Argonauten im Lande der Kianer ihr Lager aufschlagen (V. 32f., vgl. 36 έπιδόρπιον) und Nacht, als Hylas die Nymphenquelle erreicht (44 Νύμφαι άκοίμητοι, vgl. 69 μεσονύκτιον), doch kann Theokrit trotzdem fünf verschiedene Pflanzensorten 2 in der Flora des Marschgebietes rings um die Quelle unterscheiden. Bei Apollonios können diese Pflanzen eben darum schon nicht auftreten, weil sie in der Dunkelheit trotz des Mondscheins kaum erkennbar sein dürften 3 . 2. Die Vorgeschichte des Hylas 1,1211 leitet der Satz τοίοισιν έν ήθεσιν αυτός Ιφερβε über zum kurzen Bericht über die Herkunft des Hylas und die Kontroverse zwischen seinem Vater Theiodamas und Herakles 4 , eine Vorgeschichte, die bei Theokrit, als für das Thema der Liebe des Herakles zu Hylas unwesentlich oder sogar störend, naturgemäß fehlen muß : 1211

1

δή γάρ μιν τοίοισιν έν ήθεσιν αύτός £φερβε, νηπίαχον τά πρώτα δόμων έκ πατρός άπούρας δίου5 Θειοδάμαντος, δν έν Δρυόπεσσιν επεφνεν νηλειώς®, βοάς άμφί γεωμόρου άντιόωντα.

Siehe o. S. 41 mit Anm. 4 u n d u. S. 62f. Die Pflanzen sind ü b e r h a u p t eine Spezialität T.s: s. Gow, Ausg. p. X I X ; schon V. 35 waren zwei weitere Pflanzenarten genannt. 3 Abgesehen davon, d a ß A. sowieso nie ausgefallene Pflanzen u m ihrer selbst willen (also aus botanischer Neigung, wie T. an dieser Stelle u. ö.) aufzählt, sondern nur übliche Pflanzen, vor allem Bäume — meistens im Interesse der Handlung (z.B. 3,200ff. ; 3,927ff.) oder in Ortsbesehreibungen von besonderem Stimmungsgehalt (z.B. 2,732ff.: besonders schaurig: acherusisches Vorgebirge; oder 3,219ff.: besonders schön: Aietes' Palast) oder in Gleichnissen (s. Drögemüller 8 Iff.) — erwähnt. 4 Vgl. dazu vor allem R . Pfeiffer, Kallimachosstudien 78ff. (mit den Parallelen für die Theiodamasgeschichte) u n d Faerber 94. 5 δίου libri, Tzetzes: δηίου E t y m . Genuin, s . v . Δρύοψ; δήου (Fr. im Text) würde eine Feindschaft zwischen Herakles u n d Theiodamas schon voraussetzen, während doch die im folgenden beschriebene Kontroverse der beiden, die zum Tode des Theiodamas führte, erst mit dem Streit u m den Ochsen einzusetzen scheint. — F ü r δίου, das den fürstlichen R a n g des Theiodamas bezeichnen würde, spricht V. 1218f., da Theiodamas einigen Einfluß bei den Dryopern gehabt haben muß, wenn er zum Anlaß eines Krieges zwischen ihnen u n d Herakles werden konnte. 6 Frankels K o n j e k t u r νηλειή ist, selbst wenn er das „mitleidlos" zu R e c h t auf Theiodamas bezieht (Θειοδάμαντα, δν . . . νηλειη . . . Επεφνεν), überflüssig, d a auch mit dem überlieferten νηλειώς die von ihm gewollte Interpretation möglich ist, wenn m a n das K o m m a hinter νηλειώς (1214) streicht u n d νηλειώς als Adverb zu άντιόωντα (1214) u n d nicht zu ϊπεφνεν (1213) auffaßt. (Allerdings würde d a n n der kunstvolle Zusammenhalt der beiden V. 1213—1214 durch E n j a m b e m e n t [in auffälliger Parallele zu 1218f.] aufgehoben.) 2

Hylas : Die Vorgeschichte

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1215 ήτοι ó μέν νειοΐο γύας τέμνεσκεν άρότρω Θειοδάμας ^άνίη^ βεβολη μένος- αύτάρ ó τόνγε βοϋν άρότην ήνωγε παρασχέμεν ούκ έθέλοντα. ϊετο γάρ πρόφασιν πολέμου Δρυόπεσσι βαλέσθ-αι λευγαλέην, έπεί ου τι δίκης άλέγοντες ëvaiov. 1220 άλλά τά μέν τηλοϋ κεν άποπλάγξειεν άοιδης· αίψα δ'(έ) . . . Die Geschichte ist im Aufbau ebenso kunstvoll, wie im Inhalt, auf Grund der sich auf Andeutungen beschränkenden Kürze, dunkel und merkwürdig : (a) 1211—1212 (2 Verse) nimmt die Erzählung ihren Ausgang beim Raub des Hylas aus dem Palast seines Vaters, nennt dann stichwortartig (b) 1213—1214 (2 Verse in Enjambement) den Namen des Vaters, Theiodamas, dessen Ermordung durch Herakles im Dryoperland und den Anlaß seines Todes : einen Pflugstier ; (c) 1215—1217 (3 Verse) wird das Stichwort „Pflugstier" aufgegriffen und kurz erläutert, wie er zum unmittelbaren Anlaß des Streites zwischen Herakles und Theiodamas werden konnte. 1215—1216a: Theiodamas beim Pflügen — 1216 b—1217: Herakles verlangt die Herausgabe des Pflugstiers, ohne daß Theiodamas dazu bereit ist. — Wie Herakles sein Verlangen begründet hat und ob er das überhaupt tat, sagt Apollonios nicht; (d) 1218—1219 (2 Verse in Enjambement) schließlich gibt Apollonios die eigentliche Ursache (γάρ) für Herakles' Forderung von Theiodamas und damit für den Streit um den Ochsen und den Tod des Theiodamas an: Herakles brauchte einen Vorwand für einen Krieg gegen die Dryoper, er bricht also den Streit vom Zaun. Warum ? έπεί ου τι δίκης άλέγοντες εναιον. — Herakles' Verlangen nach dem Pflugstier ist demnach ein bloßer Vorwand für einen Krieg. Daraus geht hervor, daß Herakles a) den Ochsen eigentlich gar nicht nötig hatte und b) dem Theiodamas gegenüber wahrscheinlich auch keinen zwingenden Grund für seine Forderung angegeben hat 1 . 1

Damit wird aber auch wahrscheinlich, daß das νηλειώς in V. 1214 sich eher auf Herakles als auf Theiodamas bezieht; wenn von Herakles V. 1218 gesagt werden kann ϊετο . . . πρόφασιν πολέμου . . . βαλέσ-9-αι, dann wird die Rücksichtslosigkeit in diesem Fall auf seiner Seite und nicht auf der des Theiodamas gelegen haben.

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Hylasepisode und Hylasidyll

(e) 1220

schließlich bricht Apollonios seinen Exkurs ab, da er zu weit von der eigentlichen Erzählung abführe. Mit diesem Schlußvers sagt er ausdrücklich, daß er den der Vorgeschichte zugrunde liegenden Mythos nur angedeutet und keineswegs erschöpfend oder in den Einzelheiten vollständig behandelt habe.

Apollonios hat diese neue kleine Episode innerhalb einer Episode also so komponiert, daß die beiden auf Hylas bezogenen Verse 1211— 1212 mit dem Stichwort τοίοισιν έν ήθεσιν nur aus der Hylaserzählung in die Geschichte vom Dryoper Theiodamas einführen sollen, in der Hylas selbst dann gar keine Rolle mehr spielt. Die Dryopergeschichte wiederum ist folgendermaßen gegliedert: Zwei Verse am Anfang (1213f.), in denen der Streit Herakles — Theiodamas und der Tod des Theiodamas zunächst nur festgestellt werden, und zwei Verse am Ende (1218f.), die die Ursache für die Auseinandersetzung nennen, bilden den Rahmen für die drei Verse 1215—1217 im Zentrum, die die Situation der entscheidenden Streitszene, deren Resultat in V. 1213 f. schon vorweggenommen war, kurz rekapitulieren. Der Vers 1220 bricht das Intermezzo ab und biegt zugleich mit τά μέν, dem in V. 1221 αίψα Sé entspricht, wieder in die eigentliche Hylasgeschichte zurück. Wenn man aber danach fragt, welche Zusammenhänge des Mythos Apollonios in seiner Darstellung unerklärt oder vielleicht absichtlich unbestimmt läßt, so ergeben sich aus dem Text allein folgende Probleme : 1. (Im zweiten Abschnitt: (b)): Wer ist Theiodamas? δίου (1213) (wenn das richtig ist) und δόμων έκ πατρός (1212: wohl „Palast") sprechen für einen Fürsten; doch war er König der Dryoper? Apollonios sagt nur, daß Herakles ihn im Gebiet der Dryoper tötete, und läßt unbestimmt, in welchem Verhältnis Theiodamas zu ihnen stand. Doch wenn seinetwegen ein Krieg zwischen Herakles und den Dryopern entstehen konnte (1218), muß er eine bedeutende Rolle in diesem Volk gespielt haben. 2. (Im zweiten Abschnitt: (b)): Bezieht sich νηλειώς (1214) auf έ'πεφνεν und damit auf Herakles 1 oder auf άντιόωντα2 (was weniger wahrscheinlich ist) und folglich auf Theiodamas 3 ? Worin bestünde im letzteren Fall die Mitleidslosigkeit, denn Herakles macht in Apollonios' Fassung des Mythos nicht den Eindruck, als ob Theiodamas ihm aus Mitleid seinen Pflugstier hätte ausliefern müssen 4 . 1

So z.B. Seaton und Mooney. „Während er sich ihm widersetzte", „im Verlauf eines Streites" (vgl. 1, 998 ; 2,69), sonst müßte man άντιάσαντα erwarten : vgl. Faerber 94. 3 So Frankel, Ausg. S. 51, da er δν (sc. Θειοδάμαντα) . . . νηλειή konjiziert. 4 Frankel ist infolgedessen auch gezwungen, zur Stützung seiner Konjektur νηλειή eine Lücke hinter V. 1217 anzunehmen, in der er die Geschichte vom 2

Hylas : Die Vorgeschichte

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3. (Im dritten Abschnitt: (c)): Was meint Apollonios, wenn er Theiodamas +άνίη + 1 βεβολημένος pflügen läßt? Wenn άνίη korrupt ist 2 , so deutet doch βεβολημένος darauf hin, daß Theiodamas von irgendeinem Unglück oder einer Sorge getroffen ist und sich nun in einer unerfreulichen Lage befindet3, ^άνίηί βεβολημένος scheint zu erklären, warum er pflügt oder pflügen muß4. 4. (Im dritten Abschnitt: (c)): was will Herakles mit dem Ochsen anfangen? hungernden kleinen Sohn des Herakles, Hyllos, unterbringen will. Zur Begründung einer K o n j e k t u r eine weitere zu machen, ist jedoch methodisch k a u m zu rechtfertigen. Außerdem aber m u ß Frankel die Lücke auch gegen den zur Stelle erhaltenen P a p y r u s annehmen: s. dazu H . Erbse, Rez. F r . 24. 1 Das W o r t ist verdächtig, weil das J o t a in άνΐη, wie bei Homer so auch bei T., Kallimachos, Α., gewöhnlich lang ist (s. Pfeiffer, Call. I, 254 zur Ausnahme Call. F 263). Frankel (Ausg. 51) f ü h r t als Verbesserungsvorschläge im Apparat a n : άτη Merkel, μανίη P l a t t (Journ. of Philol. 35,74), πενίη Wilamowitz, &ζγΐ Pfeiffer. Dabei ist wohl Frankels Angabe zu Pfeiffers K o n j e k t u r („Class. Qu. 37. 25") zu berichtigen in: „Kallimachosstudien, 83 Anm. 4 " (wo Pfeiffer die bisher gemachten Vorschläge zusammenstellt u n d den seinen begründet; in Class. Qu. 37.25 h a t er &ζγι βεβολημένος in einem Partheniosfragment ergänzt). Zur K o n j e k t u r von Wilamowitz, πενίη, m ü ß t e m a n bei Frankel der Vollständigkeit wegen hinzufügen: „SBAk Berlin 1914, 1. Halbbd., S. 239 Anm. 1 " : Wilamowitz versieht seine K o n j e k t u r mit einem Fragezeichen. 2 Woran m a n k a u m zweifeln kann, weil von den fünfzehn von Wellauer im Index aufgeführten Belegstellen f ü r das Wort bei A. das J o t a immer lang ist u n d das W o r t noch dazu ausschließlich a m Versende steht. 3 βεβολημένος meint bei Α., wenn es übertragen gebraucht ist, immer etwas Unerfreuliches oder Negatives. E r verbindet das W o r t einmal mit άμφασίη (2, 409: die Argonauten sind nach der Prophezeihung des Phineus „vor Schreck sprachlos") u n d dreimal mit άμηχανίη: 3,432 (Jason, als er die Bedingung des Aietes a n n i m m t ) ; 3,893 (άμηχανίη βεβόληται | πάσα πόλις: die Kolcher wissen nicht, wie sie den Fremden gegenüber auftreten sollen) u n d 4,1318 (von Jasons hilfloser Verzweiflung über die aussichtslose Lage der Argonauten in der Libyschen Wüste). — Siehe außerdem (in konkreter Anwendimg) 1,1269 κακω βεβολημένος οϊστρω (vgl. u. S. 76). 1 Gegen P l a t t s μανίη, s t a t t άνίη, spricht das, was Wilamowitz schon gegen Merkels &τη eingewandt h a t (SBAkBerlin 1914 I, 239 Anm. 1): eine άτη h a t ihn . . . schwerlich getroffen ; er war beim Pflügen, als Herakles k a m : d a n n erst traf ihn das Unheil." Ebenso m u ß m a n gegen P l a t t einwenden, d a ß Theiodamas höchstens „ v e r r ü c k t " genannt werden könnte, als er sich dem Verlangen des Herakles widersetzt, aber noch nicht in seiner Eigenschaft als pflügender Bauer. — Pfeiffers verführerischer Vorschlag άζη βεβολημένος „von Dreck bespritzt" (er vergleicht dazu Schol. N i k . T h . 748) h a t gegen sich, d a ß es f ü r diesen Gebrauch von βεβολημένος keine Parallele bei A. gibt (vgl. vorige Anm.). An den beiden Stellen, a n denen das Partizip nicht übertragen gebraucht ist, heißt es entweder (1,262): Alkimede war u m ihren Sohn „herumgeworfen", d. h. „hielt ihn in ihrer U m a r m u n g " (άμφ' αύτόν βεβολημένη: der Ausdruck ist angezweifelt; Frankel ändert mit Herwerden in άμφασίη βεβολημένη) oder (3,1310) : der Stier war von einem einzigen Schwung (Jasons) „zu Boden geworfen" worden (μιη βεβολημένον όρμή). •— Über einen anderen Einwand gegen Pfeiffers όέζη s. Faerber 94. 1 8316 Köhnken, Hyp. 12

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Hylasepisode und Hylasidyll

5. (Im vierten Abschnitt: (d)): was meint Apollonios, wenn er von der „ungerechten Lebensweise der Dryoper" spricht? Für alle diese Unklarheiten stellt sich die Frage nach der Vorlage, die Apollonios an dieser Stelle benutzt hat und die er offenbar als so bekannt voraussetzt, daß er sich auf stichwortartige Hinweise beschränken kann oder seine eigene Auffassung nur anzudeuten braucht, um von seinen Lesern verstanden zu werden. Die Scholien zu 1,1212—1219 (S. 110 Wendel) geben folgende Version der Herakles-Theiodamasgeschichte 1 : Herakles kommt, zusammen mit Deianira, seinem hungernden Sohn Hyllos und dem erschöpften Pädagogen Lichas — nach seiner Verbannung aus Kalydon wegen des Mordes an Kyathos und nach der Bestrafung des Kentauren Nessos — in das Gebiet der Dryoper, eines räuberischen Nachbarvolkes der Malier — wie das Scholion mit Hinweis auf Pherekydes anmerkt 2 . Auf diese, hier schon für Pherekydes belegte Charakterisierung der Dryoper als ληστρικό ν έθνος spielt Apollonios also anscheinend mit seinem οΰ τι δίκης άλέγοντες εναιον (1219) an 3 , ob er sie aber direkt aus Pherekydes hat, ist damit noch nicht gesagt. Nach dem Bericht der Scholien begegnet Herakles darauf dem Theiodamas 4 und bittet ihn (bescheiden) um etwas zu essen (Zeile 19/20 συντυχών τω Θειοδάμαντι ήτεΐτο όλίγην τροφήν), wie es scheint in erster Linie für seinen hungernden Sohn Hyllos (Zeile 18 του παιδός πεινώντος). Theiodamas aber will ihm diese Bitte nicht erfüllen (Zeile 20 ó δέ ούκ έδίδου). In dieser Version ist ohne Zweifel Herakles derjenige, der Mitleid verdient, und Theiodamas der Unerbittliche. Doch ebenso deutlich stimmt diese Fassung der Scholien nicht zu dem Text des Apollonios, schon deshalb nicht, weil ήτεΐτο όλίγην τροφήν (Scholien Ζ. 20) eine ganz andere Situation voraussetzt als βοϋν άρότην ήνωγε παρασχέμεν (Α. 1217). Im ersten Fall bittet Herakles nur um irgend etwas zu essen, um eine „kleine Gabe" für den Sohn, im letzteren verlangt er gleich den für Theiodamas unentbehrlichen Pflugstier. Die Scholien dürfen also nur mit Vorsicht für die Rekonstruktion des dem Apollonios vorliegenden Mythos verwandt werden 5 . 1

Ganz ähnlich Apollod. bibl. 2,150.153. ώς Φερεκύδης έν τη γ' (S. 110, Ζ. 17 f. Wendel = FGrHist. 3 F 19). 3 F. Jacoby, FGrHist l a , 397 (Komm, zu 3 F 19). 4 Wie bei A. im Text wieder ohne nähere Angabe seiner Stellung bei den Dryopern. 6 Und für die Konstitution des Textes sind sie nicht verwendbar, wie Frankel es tut, wenn er hinter 1217 eine Lücke annimmt. Er schlägt im Apparat als Ergänzimg e. g. vor: (πείνη τειρομένω παύρην δόμεν Ύλλω έδωδήν). Er möchte damit wohl die Vollständigkeit des Mythos erreichen, dreht aber mit diesem Zusatzvers die Situation bei A. geradewegs um und setzt sich in Widerspruch 2

Hylas: Die Vorgeschichte

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Im Text der Scholien heißt es weiter, Herakles habe auf die Unfreundlichkeit des Theiodamas hin, diesem den einen seiner beiden Ochsen 1 ausgespannt 2 , ihn geschlachtet und verspeist. Theiodamas aber sei in die Stadt gegangen, habe einen Feldzug gegen Herakles begonnen und ihn und seine Begleiter in eine schwierige Lage gebracht, sei aber schließlich von Herakles besiegt und getötet worden. — Auch hier erzählt Apollonios anders, da bei ihm der Tod des Theiodamas in unmittelbarem kausalen Zusammenhang mit dem Streit um den Pflugstier zu stehen scheint und nicht erst in einem späteren allgemeinen Dryoperkampf erfolgt. Nach dem Tode des Theiodamas nimmt Herakles dann, im Bericht der Scholien, dessen Sohn Hylas mit sich und siedelt das ganze Volk der Dryoper in die Peloponnes um, während sie vorher um das thessalische Trachis 3 am Oetagebirge gewohnt hätten 4 . Das Scholion schließt seinen Bericht endlich mit dem Satz : τούτων δέ καΐ ó Καλλίμαχος μέμνηταιΑ Hierzu weist Pfeiffer® auf die (von Wendel zur Stelle nicht berücksichtigten) Parisiner Scholien (Apollonios Rhodios, ed. Brunck, vol. II, 1813, Scholien, ed. Schäfer p. 102) hin, in denen der Satz lautet: της δέ μετοικίας μέμνηται και Καλλίμαχος. Der Verweis der Scholien auf Kallimachos gälte danach nur der Umsiedlung der räuberischen Dryoper aus der Doris nach der Peloponnes. Bei Kallimachos finden sich nun aber zweimal Kontroversen zwischen Herakles und einem pflügenden Bauern im ersten Buch der Aitia 7 , im Zusammenhang mit der Frage nach dem αίτιον des Brauchs der Lindier, Herakles unter Flüchen zu opfern 8 , in zwei aufeinanderfolgenden sehr ähnlichen Versionen dargestellt. Folgende Unterschiede bestehen jedoch zwischen den beiden Fassungen: Im ersten Fall ist der Bauer wahrscheinlich ein anonymer 9 Lindier, im zweiten aber der Dryoper zum übrigen Text, denn seine Ergänzung paßt weder ζυΘειοδάμας tavífl t βεβολημένος (1216) noch zu βοΰν άρότην ήνωγε παρασχέμεν (1217), noch zu (Ηρακλής) ί'ετο . . . πρόφασιν πολέμου Δρυόπεσσι βαλέσθαα (1218). 1 τόν 2να βοϋν entspricht τόν ίτερον των ταύρων in der Fassung der apollodorischen Bibliothek 2,153. 2 Das offenbar stark gekürzte Scholion erwähnt erst hier, daß Theiodamas beim Pflügen ist. 3 Bei A. siedelt Herakles 1,1355—1357 die von den Mysern für Hylas empfangenen Geiseln in Trachis an. 4 Der Text der Scholien ist an dieser Stelle nicht vollständig überliefert, muß aber wohl so verstanden werden (vgl. Schol. d z. St. : S. 111, Z. 11 f. Wendel). 5 S. 111, Z. 3 Wendel. 6 Kallimachosstudien 80. ' Aet. I, F 22/23 und 24/25 Pf. 8 Aet. I, F 7, 19—21 Pf. (Kallimachos fragt die Musen:) κώς δέ, θεαί, . . . | ή δ' έπί δυ[σφήμοις] Λίνδος άγει θυσίην, | η . . . τηνε[ τ]όν Ήρακλήα σεβίζη ; 8 Pfeiffer zu F 22 (Call. I p. 29). 4»

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Hylasepisode und Hylasidyll

Theiodamas; einmal beschimpft der lindische Bauer hilflos den gewalttätigen Herakles, der ihm den Ochsen wegnimmt 1 , beim anderen Mal muß umgekehrt Herakles selber in bedrängter Lage den unbarmherzigen Dryoper Theiodamas um Hilfe bitten 2 . Diese Unterschiede werden bestätigt durch die beiden zum Teil wörtlich übereinstimmenden Erzählungen (1) Apollod. bibl. 2,118 (Herakles in Lindos; vgl. besonders βοηλάτου τινός λύσας τόν έτερον των ταύρων άπό της αμάξης εύωχεΐτο θύσας, sc. Ηρακλής) und (2) Apollod. bibl. 2,153 (Herakles bei den Dryopern; vgl. besonders άπαντήσαντος Θειοδάμαντος βοηλατοϋντος τόν έτερον των ταύρων λύσας καί σφάξας (καΐ σφάξας add. Arg. S.Trach.) εύωχήσατο (-εϊτο Arg. S. Trach.), sc. Ηρακλής), die Inhaltsangaben der beiden Versionen desKallimachos zu sein scheinen. Wie bei diesem ist im ersten Fall der Bauer hilflos gegenüber dem „Räuber" Herakles (βοη-9-εϊν έαυτφ μή δυνάμενος), im zweiten dagegen Herakles der Hilfsbedürftige (άπορων τροφής).

Schließlich scheint in der ersten Version des Kallimachos Herakles allein zu sein, in der zweiten aber trägt er seinen hungernden Sohn Hyllos auf den Armen 3 . Außerdem aber spielt Kallimachos noch hy. 3,159—161 auf die Begegnung zwischen Herakles und Theiodamas an: ού γάρ ογε (sc. Ηρακλής) Φρυγίη περ υπό δρυί γυΐα θεωθείς | παύσατ' άδηφαγίης· ετι οί πάρα νηδύς έκείνη, | τη ποτ' άροτριόωντι συνήντετο Θειοδάμαντι4: Hier aber kann nur gemeint sein, daß Herakles aus Gefräßigkeit dem pflügenden Theiodamas einen seiner Ochsen ausspannte und ihn verspeiste. Das aber heißt, daß diese Anspielung auf Theiodamas nicht zur Theiodamasgeschichte der Aitia paßt, sondern nur zu der vom anonymen lindischen Bauern 5 . Daraus jedoch kann man folgern, daß Kallimachos mit drei Varianten des Mythos gespielt hat : 1. der gefräßige Herakles nimmt dem pflügenden Theiodamas einen seiner Pflugstiere weg; 2. der gefräßige Herakles raubt einem pflügenden lindischen Bauern einen Ochsen; 3. der fürsorgliche Herakles trifft den rauhen Theiodamas beim Pflügen und bittet ihn um etwas Nahrung für Hyllos. Er nimmt sich erst dann mit Gewalt einen der Ochsen, als Theiodamas sich als unerbittlich erweist: Herakles wird zur Selbsthilfe gezwungen. 1

F 23,1—2 und 7 Pf. : [ώ]ς 6 μέν ίνθ' ήρατο, σύ δ' ώς αλός ήχον άκούει | [Σ]ελλός . . . [λυ]γρών ώς έπέων ούδέν [όπι]ζόμ[εν]ος und Zeile 6 : [έσσί] γάρ ού μάλ' έλαφρός, . . . 2 F 24, Ζ. 13 Pf. (Theiodamas nach der Bitte des Herakles:) [αύτάρ δ]γ' άγρεϊον [καί άμείλιχον έξ]εγέλασσε. 3 F 24, Ζ. 1—3 und Ζ. 11 Pf. 4 In den Scholien zu hy. 3,161 (Pfeiffer, II 63) wird hier Theiodamas ausdrücklich als βασιλεύς Δρυόπων bezeichnet. 5 Anders Faerber 94, der die Andeutung im Artemishymnos mit der Theiodamasgeschichte der Aitia gleichzusetzen scheint.

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Bei einem Vergleich mit der Darstellung des Apollonios ergibt sich aber, daß dieser mit großer Wahrscheinlichkeit den Vers Call. hy. 3, 161 gekannt und verwertet hat, einmal, weil συνήντετο (Call. 161) und (έ'πεφνεν) άντιόωντα (Α. 1214) sowie άροτριόωντι. . . Θειοδάμαντι (Call. 161) und τέμνεσκεν άρότρω | Θειοδάμας (Α. 1215f.) deutlich aneinander anklingen 1 , zum anderen aber, weil die Benutzung des Artemishymnos durch Apollonios schon einmal festzustellen war 2 . Darüber hinaus aber hat Apollonios wahrscheinlich auch beide Versionen der Aitia gekannt und benutzt, denn Apollonios' Worte βοός άμφί γεωμόρου (1214) und τέμνεσκεν άρότρφ (1215) stimmen auffällig überein mit Call.Aet. I, F 22 Pf. (τέμνοντα σπορίμην αύλακα γ ε io μόρο ν) 3 , das Pfeiffer mit ziemlicher Sicherheit zur Lindosgeschichte rechnet 4 . Außerdem erinnert jedoch Apollonios 1215f. : ήτοι ó μέν νειοΐο γύας τέμνεσκεν άρότρω | Θειοδάμας im ganzen auch an die eigentliche Dryopergeschichte Call.Aet. I, F 24,4—6 Pf. : . . . τοι (sc. Ήρακλεΐ) τρίπολον νειόν άνερχομένω | ώμογέρων ετι πουλύς άνήρ5 άβόλησε βοωτέων j [Θει]οδάμαςβ. Weiter zeigt sich, daß die Scholien zu Apollonios 1, 1212—1219 (S. 110, Z. 16ff. Wendel) den Streit zwischen Herakles und Theiodamas anscheinend nur nach der dritten ( Dryoper-)Version des Kallimachos (F 24f.) erzählen, denn ήτεϊτο όλίγην τροφήν (Schol.,Z. 19f.) deutet auf Call. F 24, Ζ. 10—12 Pf. (Herakles bittet Theiodamas:) [ει τι κα]τωμαδίης ούλάδ[ος έστί]ν εσω | [τόσσο]ν 8σον τ' άπό πα[ιδί κακήν β]ούπειναν έλά[σσαι,] | [δός μοι] • καί φιλίης [μνήσομ' αεί δό]σιος : Herakles bittet zunächst nicht etwa schon um einen Stier, sondern nur um ein wenig zu essen für Hyllos aus der Provianttasche des Theiodamas. Im Gegensatz dazu aber verlangt im Text des Apollonios Herakles den Ochsen. Wenn also dem Apollonios die drei Versionen des Kallimachos vorgelegen haben, so ist er nur im äußeren Rahmen des Dryoperlandes als Schauplatz, des Theiodamas und vielleicht der Motive „Dryoper1

Vgl. Türk 37. Siehe o. S. 35. 3 Knaack, Herrn. 23, 1888, 138; vgl. Türk 36. 4 Call. I, 29, Anm. zu F 22 (mit Lobel, Herrn. 70, 1935, 39). — γειομόρος (γεωμόρος) als Substantiv „Landarbeiter" (Call. a.a.O.; vgl. A. 3,1387) oder Adjektiv „Land bearbeitend" (A. a.a.O.; vgl. 4,1453) ist selten (vgl. Mooney zu A. 1214). Als Adjektiv wird es von L-S s. v. nur noch in der Verbindung γεωμόρος τέχνα IG 9 (I). 880 (Kerkyra) belegt: vgl. Pfeiffer, App. zu F 22 (Call. I, 29). 6 Pfeiffer, Call. I, 33, vergleicht für diese Wendung A. 1,760: βούπαις οΰπω πολλός. « Vgl. F 24, Ζ. 17 (Call. I, 34 Pf.) (für όίροτρον) und Türk 37. — Vgl. auch Call. F 24, Ζ. 9 Pf. (άνωγα) und Α. 1217 (ήνωγε). 2

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Hylasepisode u n d Hylasidyll

krieg" und „räuberische" Dryoper1 der dritten Version des Kallimachos gefolgt, im Tenor der Handlung aber („armer" Theiodamas und „unbarmherziger" Herakles) und ebenso darin, daß er Herakles allein sein läßt, seiner zweiten, „lindischen" Szene mit dem anonymen Bauern. Deren Verknüpfung mit Theiodamas wiederum bot sich durch Kallimachos' erste Anspielung auf ein Aufeinandertreffen des „gefräßigen" Herakles mit Theiodamas (hy. 3,161) an. In der merkwürdigen syntaktischen Doppeldeutigkeit des νηλειώς (Α. 1214), das sich jedoch primär auf Herakles beziehen muß, könnte dann aber in der auch möglichen Verknüpfimg mit Theiodamas eine versteckte Anspielung auf die Situation in der dritten kallimacheischen Fassung vorliegen2, der Apollonios offen nicht gefolgt ist. Der Name des Hylas kommt in den uns erhaltenen Fragmenten des Kallimachos nicht vor, er könnte ihn im Rahmen der Geschichten vom αίτιον des Fluchopfers an den Herakles Buthoinas auch höchstens flüchtig genannt haben3. Es gibt also keinen Grund für die Hylasgeschichte als solche auch Kallimachos als Quelle in Betracht zu ziehen ; für die eingelegte Theiodamasgeschichte aber, in der auch bei Apollonios Hylas nur ganz am Rande auftaucht, werden die beiden Geschichten in den Aitia des Kallimachos die von Apollonios vorausgesetzte bekannte Darstellung des Mythos und so die von ihm benutzte Vorlage gewesen sein4. 1 F 25 Pf. (Call. 1,34): δειλαιοΐς Άσινεϋσιν έπί τριπτηρος tàrcàaaçt mit dem K o m m e n t a r des E t y m . Genuin, dazu (zitiert von Pfeiffer z. St.) ; Call, scheint die Dryopergeschichte mit dem μετοικισμός der räuberischen Dryoper nach Asine in der Peloponnes abgeschlossen zu h a b e n : Pfeiffer z. St. Das Motiv h a t t e er möglicherweise aus Pherekydes: F . Jacoby, FGrHist I a , 397: K o m m , zu 3 (Pherekydes) F 19 ( = Schol. A. 1,1212, S. 110, Z. 17/18 Wendel). — F ü r A. k o m m t m a n wohl mit Call, als Vorlage f ü r den Mythos aus. 2 Ähnlich wie in der Vorgeschichte der Lemnierinnen A. 1,609—-632 im Satz: (άνέρες) Ιχον δ' έπί ληιάδεσσιν | τρηχύν ίρον (612f.) . . . έπεί χόλος αΐνός δ π α ζ ε | Κύπριδος (614f.) das absolut scheinende δπαζε seltsam zweideutig ist. Man ergänzt zunächst αύτοΐς τρηχύν ëpov (vgl. Blumberg 15f.), doch soll man, wenn m a n 611 liest κουριδίας . . . ά π η ν ή ν α ν τ ο γυναίκας, zwischen den Zeilen wohl auch verstehen: (8παζε) αύταΐς δυσοσμίαν (so ergänzt Faerber 64 Anm. 2) u n d darin die Standardfassung des Lemnosmythos (s. z.B. Apollod. bibl. 1, 114f. u n d Schol. A. l,609ff.: S. 53f. Wendel) wiedererkennen. Eine Anspielung auf eine in der Erzählung nicht berücksichtigte Variante des Mythos bringt A. z.B. auch 1,532—533 καί οί (sc. Ήρακλεΐ) Ινερθε | ποσσίν ύπεκλύσθη νηός τρόπις, denn Antimachos h a t t e in der Lyde gesagt, Herakles sei auf Grund seines zu großen Gewichtes von den Argonauten zurückgelassen worden (Schol. A. 1,1289—1291, S. 116, Z. 14—16 Wendel): Blumberg 13. ' Wie Knaack, Herrn. 23, 1888, 138 annimmt. 4 Vgl. Faerber 94: „Die ganze Art der Darstellung ist n u r z u erklären durch das Vorhandensein eines Vorgängers, eben Call., dessen Behandlung in den Αίτια (sc. F 7 Pf. 1 ) uns n u n kenntlich i s t . . . " ; — doch konnte Faerber 1932 noch nicht wissen, d a ß Call, in den Aitia zwei verschiedene Fassungen eines Streites des Herakles mit einem pflügenden Bauern gab, in F 7 Pf. 1 also zwei

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Zu den an den Text des Apollonios gestellten Fragen (o. S. 48—50) läßt sich also zusammenfassend sagen: 1. Die Stellung des Theiodamas bei den Dryopern geht auch aus den Fragmenten des Kallimachos nicht hervor (vgl. F 24, Ζ. 5 Pf. ώμογέρων έτι πουλύς άνήρ). In den Scholien zu hy. 3,161 wird er zwar als βασιλεύς Δρυόπων bezeichnet, doch bei Apollod. bibl. 2,155 nimmt ein Laogoras diesen Platz ein. 2. νηλειώς (A. 1,1214) bezieht sich, entsprechend Call. Aet. I, F 22/23 Pf., auf Herakles, weist aber vielleicht in der syntaktischen Zweideutigkeit auch auf den Theiodamas von Call. Aet. I, F 24/25 Pf. hin. 3. távív)t βεβολημένος (Α. 1,1216) geht möglicherweise auf die Armut des lindischen Bauern, der sich von Herakles den für ihn unentbehrlichen Pflugstier wegnehmen lassen muß (Wilamowitz' πενίη wäre dann die am ehesten zutreffende der bisherigen Konjekturen). 4. Über den Verwendungszweck des Ochsen ist bei Apollonios nichts gesagt, doch kann man als Grund für Herakles' Verlangen nach diesem Stier eigentlich nur seinen unersättlichen Hunger ansehen (wie bei Call. hy. 3,161 und Aet. I, F 22/23 Pf.). Dieses Motiv vom „Vielfraß" Herakles konnte Apollonios in seinem Epos allerdings nicht offen verwenden 1 , sondern nur durchscheinen lassen2. Statt dessen spricht er von dem Vorwand, den der gleichsam „richtende" Herakles suchte, um die Dryoper für begangene Übeltaten zu bestrafen — eine Begründung, die in Apollonios' Zusammenhang so wirkt, als hätte Herakles selber sie zur vordergründigen Rechtfertigung seines Handelns gegenüber Theiodamas erfunden 3 , und die vielleicht ironisch gemeint ist 4 , denn: 5. die „ungerechte Lebensweise der Dryoper" (A. 1219), die auf das ληστρικόν έθνος im Mythos anspielt, ist, ernst gemeint, nur in einem Kontext sinnvoll, in dem (wie in Kallimachos' dritter Fassung Versionen enthalten waren (7,23—40 Pf. 1 = F 23 Pf. 2 : lindischer Bauer; und 7,1—22 Pf. 1 = F 24 Pf. 2 : Dryoper Theiodamas). 1 Ahnlich wie er in der Lemnosgeschichte die Dysosmie, die Aphrodite über die Lemnieriimen verhängt hatte, verschleiert (l,614f. ; vgl. o. S. 54 Anm. 2). 2 Doch paßt es gut zur erbosten Schilderung, die Aigle 4, 1447—1449 vom „saufenden" Herakles gibt. 3 So wie er bei Call. — in einer Passage, auf die A. schon zweimal zurück griff — hy. 3,157, um von Artemis auch einmal Rindfleisch vorgesetzt zu bekommen, auf das Argument verfällt: καΐ βόες άνθρώποισι κακόν μέγα· βάλλ' έπΐ καΐ τούς, womit er seine wahren egoistischen Motive zu verhüllen sucht. 4 Denn selbst mit zwei Konjekturen (νηλειή V. 1214 und Lücke nach V. 1217) und der Aufnahme des zweifelhaften δήου (für das sich im Mythos kein Anhaltspunkt findet) in V. 1213 kann Fränkel nur mit Mühe Theiodamas als „Sündenbock" hinstellen, da t άνίη t βεβολημένος auch dann immer noch unerklärt bleibt.

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Hylasepisode und Hylasidyll

und der der Scholien zu Apollonios) die Unfreundlichkeit des Theiodamas gegenüber Herakles und seiner Begleitung Herakles' Reaktion verständlich macht und die Unterstützung, die die übrigen Dryoper dann dem Theiodamas zukommen lassen, Herakles' Zorn gegen das ganze Volk erklärt und seine Rolle als strafenden Richter gegenüber einem obendrein noch räuberischen Volksstamm rechtfertigt. 3. Die Vorstellung der Nymphen 1222b—1229a: Nachdem Apollonios die Einzelaktion des Hylas bis zu dessen Ankunft an der Quelle Pegai durchgeführt hat, läßt er in Gestalt der Nymphen die Gegenhandlung einsetzen: . . . οί δέ 1 που αρτι νυμφάων ϊσταντο χοροί" μέλε γάρ σφισι πάσαις δσσαι κεΐν' έρατόν νύμφαι ρίον άμφενέμοντο 1225 "Αρτεμιν έννυχίησιν άεί μέλπεσθαι άοιδαΐς. αί μέν, δσαι σκοπιάς ορέων λάχον ή και έναύλους2, αί δε και3 ύλήωροι4, άπόπρο&εν έστιχόωντοή δέ νέον κρήνης άνεδύετο καλλινάοιο 1229 νύμφη έφυδατίη . . . 1222

Der Einleitungssatz (1222—1223 a) ist dem Vers, mit dem Theokrit seine drei Nymphen vorstellt (13,43), sehr ähnlich: υδατι δ' έν μέσσω νύμφαι χορόν άρτίζοντο. Bei beiden Dichtern ist der Chor (sind die Chöre) gerade dabei, sich zu formieren (Imperfekt), mit dem Unterschied, daß bei Theokrit die Nymphen Subjekt, der Chor Objekt, bei Apollonios aber die Chöre Subjekt sind, daß weiter Apollonios statt der bestimmten Ortsangabe „in der Mitte der Quelle" zuerst einmal unbestimmt sagt „irgendwo in der Nähe (der Quelle)" und daß er statt eines Chores von drei namentlich genannten Nymphen (T. 44—45 νύμφαι ακοίμητοι, δειναί θ-εαί άγροιώταις | Εύνίκα καΐ Μαλίς 1

Vgl. 3,1212 (ή δ' άίουσα). 4,127 (αύτάρ ό). ϊναυλοι (sc. όρέων): „Berggründe" oder „-höhlen", vgl. Schol. L (P) z. St. (S. 111 Wendel) und z.B. E. Her. 371. 3 αί δέ καί Etym. Genuin, s. ν. ύλήωροι: αί γε (α'ίδε S) μέν (μήν A) libri; Frankel führt als Beleg für αί γε μέν ohne eigenes Verb in einer Aufzählung 4,1466 an (Βορέαο μέν ώρμή&ησαν | υΙε δύω . . . | Εύφημος (δέ) (sc. ώρμήθη) . . .,Λυγκεύς γε μέν οξέα τηλοϋ | 6σσε βαλεϊν (sc. ώρμήθη), πέμπτος δέ . . . ϊσσυτο Κάνθος) ; —• an dieser Parallelstelle wird jedoch Lynkeus durch γε μέν unter den aufgezählten Personen (neben Kanthos) besonders hervorgehoben, weil er im folgenden der einzige ist, der Herakles noch sieht oder zu sehen glaubt. — 1,1227 dagegen gibt es keinen Grund, die νύμφαι ύλήωροι vor den übrigen besonders herauszustellen. — Für die Aufzählung der drei Nymphengattungen durch αί μέν . . ., αί δέ . . ., αί δέ . . . aber gibt es eine genaue Parallele in 4,1149—1151, so daß man hier wohl eher dem Etym. folgen wird. 4 „Baum-" oder „Waldnymphen": Etym. Genuin. (B) (S. 111 Wendel) s. v. ύλήωροι- άμαδρυάδες. 2

Hylas : Die Vorstellung der Nymphen

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έ'αρ θ' όρόωσα Νύχεια) zunächst ganz allgemein von vielen Chören mehrerer Nymphen in der Umgebung der Quelle, dann aber nur von einer Nymphe in der Quelle selbst spricht. Theokrits Darstellung ist also sehr viel einfacher. Für die Verschiedenheit der Genera Idyll und Epos bezeichnend ist aber wieder, daß Theokrit die drei Nymphen einfach dasein lassen kann, während Apollonios jetzt begründen muß, woher sie kommen und was sie tun (1223b μέλε γάρ . . .). Und hier wird auch die Funktion, welche die so allgemein eingeführten Nymphenchöre bei Apollonios für die Handlung haben, deutlich. Er muß die nächtlichen Chöre zu Ehren der Artemis zu einer stehenden Einrichtung machen \ damit dann vor diesem Hintergrund später gleichsam natürlich die Quellnymphe dem Hylas begegnen kann, als sie, wie jede Nacht um diese Zeit, auftauchen will, um der Artemis ihre Reverenz zu erweisen. Die Erzählung rückt ganz allmählich vom Allgemeinen zum Besonderen vor. Apollonios beginnt mit der kurzen, unpersönlichen Feststellung, es gebe Nymphenchöre in der Gregend (χοροί Subjekt); dann wechselt er in der Begründung auf ein persönliches Subjekt über und spricht von den Nymphen, die diese Chöre bilden, in ihrer Gesamtheit, erwähnt die Lieder, die sie der Artemis darbringen und erläutert das που άρτι (1222) durch die genauere Ortsangabe έρατόν ρίον (1224); darauf unterscheidet er in der unbestimmten Allheit von Nymphen (1223 πάσαις) nach der Figur des καθ·' όλον και κατά μέρος drei einzelne Gattungen (Berg-2, Wald-, Quellnymphen3), deren dritte nur durch ewie Nymphe vertreten ist, die νύμφη έφυδατίη nämlich, welche zur Hauptperson der kommenden Ereignisse werden soll (1228f.). Er schiebt gleichsam seine Kamera immer näher auf den Brennpunkt des Geschehens zu; die zunächst in verschwommener Masse erscheinenden Objekte differenzieren sich und treten immer deutlicher hervor, bis endlich die zentrale Figur der Quellnymphe klar vor dem „zuschauenden" Leser steht. 1 Genauso wie er in der Einleitung zum Boxkampf Amykos-Polydeukes (2,iff.: s . u . S. 95ff.), um die Umstände des Geschehens wahrscheinlich zu machen, die Herausforderung des Amykos an die Argonauten als einen allgemeinen άεικής θεσμός (V. 2,5) für alle das Land der Bebryken besuchenden Fremden darstellt, während T. in seiner Amykosgeschichte (id. 22) nur von einer individuellen, einmaligen Unhöflichkeit des Amykos gegenüber dem einzelnen Polydeukes spricht (22,55ff.). — Um eine exzeptionelle Situation (die er nach seiner Konzeption immer auch besonders motivieren müßte) zu vermeiden, läßt A. die Handlungsweise des Amykos als ganz normal erscheinen : wie alle Fremden, so damals auch die Argonauten : V. 2,8 καί δέ τότε. 2 1226: δσαι σκοπιάς ορέων λάχον ή καΐ έναύλους (sc. ορέων): „Bergeshöhen oder auch Gebirgsgründe (oder -Schluchten)": zu Μναυλοι vgl. o. S. 56 Anm. 2. 3 Diese drei Gattungen von Nymphen auch 3,881—883 (in der Reihenfolge: Quell-, Hain- [entsprechend ύλήωροι 1,1227], Bergnymphen) und 4,1149—1151 (Reihenfolge: Fluß-, Berg-, Hainnymphen).

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Hylasepisode und Hylasidyll

Sie aber ist, rückwärts gesehen, auch der eigentliche und einzige Grund für die ganze Szenerie, die Apollonios entfaltet hat. Um sie jetzt, wo sie für die Handlung gebraucht wird, auftauchen lassen zu können, muß er eine so eingehende Begründung dafür geben, daß Nymphen in dieser Gegend nicht ungewöhnlich sind und mit ihrem Erscheinen in der Erzählung gerechnet werden kann. Auch dieses Motiv der Nymphenquelle macht also den Eindruck, als ob es dem Apollonios vorgegeben war und durch den kunstvoll-komplizierten Aufbau mit den eine sorgfältige Motivierung fordernden Gesetzen seines Epos in Einklang gebracht werden soll. Was ergibt sich aus diesem Befund für das chronologische Verhältnis zu Theokrit ? Bei Theokrit ist das Motiv von den drei Nymphen in der von Hylas gefundenen Quelle ohne alle Umstände, ohne Vorbereitung und ohne Begründung, als ÜberraschungsefFekt eingeführt ; bei Apollonios dagegen als sorgsam vorbereitetes Schlußglied der Kette: alle Nymphen, Nymphenjrrwppe», einzelne Nymphe, in die Handlung eingebaut. Wenn also einer der beiden die Begegnung des Hylas mit den Nymphen vom anderen übernommen hat, dann höchstwahrscheinlich Apollonios von Theokrit 1 . 4. Das Abenteuer an der Quelle Das Abenteuer an der Quelle, vom Erscheinen der Nymphe(n) bis zum Einsetzen der nächsten Handlungsstufe („Polyphem" bzw. „Herakles"), umfaßt äußerlich bei beiden Dichtern dieselbe Anzahl von Versen (A. 1228—1239 ~ T. 43—54 = 12 Verse). Davon habe ich die Vorstellung der Nymphen, die inhaltlich nicht vom eigentlichen Abenteuer getrennt werden kann, schon gesondert im voraus behandelt: die den drei Quellnymphen Theokrits entsprechende, für die kommende Handlung allein wichtige, eine Wassernymphe bei Apollonios tritt erst als Schlußglied einer längeren vorbereitenden Kette von Nymphen auf, und die Art der Einführung dieser Feen erschien mir deshalb, für sich betrachtet, schon für die sekundäre Stellung des Apollonios aufschlußreich. Wie verschieden aber, trotz der gleichen Länge, die Akzente in den beiden Beschreibungen gesetzt sind und wie unterschiedlich ihre Bedeutung innerhalb der ganzen Geschichte ist, zeigt die Gegenüberstellung der Texte : T. 43ff.: 43 1

ΰδατι δ'έν μέσσω Νύμφαι χορόν άρτίζοντο, Νύμφαι ακοίμητοι, δειναί θ-εαί άγροιώταις,

Da die Scholien für das Motiv „Hylas-Nymphen" nur Parallelen bei Schriftstellern alexandrinischer Zeit nennen und unter ihnen niemanden, der zeitlich vor T. anzusetzen wäre, könnte dieser der Erfinder gewesen sein.

Hylas: Das Abenteuer an der Quelle

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45 Εύνίκα και Μαλίς έ'αρ θ' όρόωσα Νύχεια. ήτοι δ κούρος έπεΐχε ποτω πολυχανδέα κρωσσόν βάψαι έπειγόμενος" ταί δ' έν χερί πασαι εφυσαν πασάων γαρ "Ερως άπαλάς φρένας έξεφόβησεν Άργείω έπί παιδί, κατήριπε δ' ές μέλαν υδωρ 50 άθ-ρόος, ώς δτε πυρσός άπ' ούρανοϋ ήριπεν άστήρ αθρόος έν πόντω, ναύτας δέ τις ειπεν έταίροις· 'κουφότερ', ώ παίδες, ποιεΐσθ' όπλα" πλευστικος ούρος'. Νύμφαι μεν σφετέροις έπί γούνασι κοϋρον έ'χοισαι 54 δρακρυόεντ' άγανοΐσι παρεψύχοντ' έπέεσσιν Άμφιτρυωνιάδας δέ . . . Α. 1228ff. :

1228 ή δέ νέον κρήνης άνεδύετο καλλινάοιο νύμφη έφυδατίη. τον δέ σχεδόν εΐσενόησεν 1230 κάλλεϊ καί γλυκερήσιν έρευθόμενον χαρίτεσσιν, προς γάρ οι διχόμηνις άπ' αιθέρος αύγάζουσα βάλλε σεληναίη" της δέ φρένας έπτοίησεν Κύπρις, άμηχανίη δέ μόλις συναγείρατο θυμόν αύτάρ 6γ' ώς τά πρώτα ρόω ένί κάλπιν ερεισε 1235 λέχρις έπιχριμφθείς, περί δ' άσπετον εβραχεν υδωρ χαλκόν ές ήχήεντα φορεύμενον, αύτίκα δ' ήγε λαιόν μέν καθύπερθεν έπ' αύχένος ανθετο πήχυν, κύσσαι έπιθύουσα τέρεν στόμα, δεξιτερή δέ 1239 άγκών' έσπασε χειρί- μέση δ' ένί κάββαλε δίνη. Bei Theokrit fungiert der Abschnitt im Aufbauplan des Gedichtes als Voraussetzung und Übergangsstadium für die folgende Heraklesszene (53 Νύμφαι μέν . . . 55 Άμφιτρυωνιάδας δέ), die den dramatischen Höhepunkt des Idylls bildet ; Apollonios dagegen hat seine Schilderung an zentraler Stelle der Kiosepisode als eigenen, in sich abgerundeten Höhepunkt konzipiert. Das zeigt besonders klar der lakonisch-kurze Schlußsatz (1239b), der das Ergebnis konstatiert 1 und zugleich das Ende einer Szene vor dem Beginn einer neuen scharf markiert. Aufeinander zukomponiert sind, wie es scheint, 1. die Eingangsverse T. 43—44 und A. 1228—1229: „die Nymphen waren gerade dabei, ihren Chor vorzubereiten" (Impf, άρτίζοντο) bzw. „die Nymphe war soeben dabei, aufzutauchen" (Impf, νέον . . . άνεδύετο) ; vor allem aber, aneinander anklingend, T. 44 Νύμφαι άκοίμητοι 1 In ähnlich prägnanter Kürze und ebenso am Versende wird das Ergebnis hervorgehoben: 2,97 (Ende des Boxkampfes Polydeukes-Amykos: Tod des Amykos) τοϋ 8' άθρόος ίκχυτο θυμός; und 3,284 (der Pfeil des Eros hat Medea getroffen:) τήν δ' άμφασίη λάβε θυμόν.

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und Α. 1229 νύμφη έφυδατίη, beide am Versanfang, beide Male im zweiten Vers der Szene 1 ; 2. offensichtlich voneinander nicht unbeeinflußt sind auch die V. 46f. und V. 1234: in der Sache dasselbe meinend und im selben Kasus gebraucht ποτω und ρόω, κρωσσόν und κάλπιν; sowie, übereinstimmend verwandt, die Aoriste (von bedeutungsähnlichen Verben) βάψαι und ένερείσαι (ένί. . . έρεισε)2 ; 3. zum Teil wörtlich stimmen überein die Verse T. 48 und A. 1232b— 1233a: die Konstruktion ist dieselbe, beide Male ist der abhängige Genitiv der Person vorangestellt : πασάων . . . άπαλάς φρένας und της δέ φρένας; die Prädikate έξεφόβησεν und έπτοίησεν, sowie die Subjekte "Ερως 3 und Κύπρις, sind bedeutungsgleich; 4. weiter berühren sich T. 47 und A. 1238b—1239a: „sie wuchsen ihm in die H a n d " und „sie zog ihn mit der rechten Hand am Arm" meinen einen ähnlichen Sachverhalt; 5. schließlich korrespondieren metrisch genau T. 49 b κατή ρίπε δ' ές μέλαν ΰδωρ und der entsprechende Vers des Apollonios 1239 b μέση S' ένί κάββαλε δίνη. Beide Halbverse beziehen sich auf den Fall des Hylas, und beide haben ihren Platz am Schluß eines Verses. Während aber bei Theokrit der Satz in der Mitte seiner Hylasszene erscheint und in der folgenden Zeile noch fortgesetzt wird (er steht in Enjambement zu άθ-ρόος V. 50), handelt es sich bei Apollonios um einen vollständigen Satz, der noch dazu als Abschluß der ganzen Hylashandlung eine besonders auffallende Position einnimmt. Man könnte fast vermuten, daß Apollonios hier bewußt auf Theokrit als seinen Vorgänger hinweist, indem er durch Verwendung derselben Rhythmenfolge zeigt, bis zu welchem P u n k t der Handlung er dem Vorbild gefolgt ist. Vielleicht hat diese Annahme mehr f ü r sich, als die umgekehrte einer Anlehnung des Theokrit an Apollonios (geschweige denn Korrektur oder Kritik, denn worin sollte die hier bestehen?), da bei Theokrit der Ton viel weniger auf κατήριπε δ' ές μέλαν ΰδωρ als vielmehr auf dem folgenden άθ-ρόος (V. 50) liegt, das noch durch ein Gleichnis illustriert und durch die Wiederholung am Anfang von V. 51 weiter verstärkt wird: Man müßte also, wollte man an der Priorität des Apollonios festhalten, 1 Außerdem liegt auf Νύμφαι (bzw. νύμφη) der gleiche Nachdruck: er wird bei T. durch die Figur der Epanalepse (νύμφαι. . . Νύμφαι) erreicht, bei A. durch die Sperrung zwischen dem demonstrativen ή am Anfang und dem Beziehungswort νύμφη έφυδατίη am Ende des Kolons. 2 έν(ί) . . . ϊρεισε (1234): Tmesis, wie 1,1198 (nicht évi in Anastrophe zu ρόω : so Frankel). 3 έρως Gow, — doch ist hier wohl nicht das Abstraktum „Liebe", sondern der Gott Eros vorgestellt (vgl. 13, l f . und 71 : θεός), wie, formal ähnlich, Aphrodite bei A.

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glauben, daß Theokrit einen Halbvers des Apollonios leicht variiert, aber im selben Rhythmus, übernommen und ihn dann in seiner eigenen Darstellung auf einen unauffälligeren Platz verbannt hätte, wo er aber trotzdem noch an seine einstige Bedeutung bei Apollonios erinnern sollte. Der am meisten auffallende Unterschied zwischen den beiden Erzählungen ist jedenfalls, daß Apollonios inhaltlich nur etwas mehr als die Hälfte dessen, was bei Theokrit steht, bringt, dafür aber wesentlich ausführlicher. Die Handlung ist für ihn mit dem Fall des Hylas ins Wasser zu Ende, während bei Theokrit noch das die Art des Sturzes charakterisierende Kometengleichnis (V. 50—52) und ein Bild vom weinenden Hylas auf den Knien der Nymphen (V. 53—54) folgt. Soweit aber die beiden Partien den gleichen Sachverhalt darstellen, lassen sie sich folgendermaßen gliedern : T. (43—49):

A. (1228—1239):

(a) die drei Nymphen in der Quelle (43—45) (b) der Knabe : will den Eimer eintauchen (46— 47a) (a) die Nymphen·. packen ihn an der Hand (47 b) Begründung nachgeholt : Liebe (48—49 a) (b) der Knabe : stürzt (49 b)

(a) die Quellnymphe (1228—1229a) (a + b) die Nymphe sieht den Knaben (1229b) (b) der Knabe : seine Schönheit (1230) Begründung: Vollmond (1231— 1232a) (a) die Nymphe : hat sich verliebt (1232b—Í233) (Begründung vorangegangen: 1230) (b) der Knabe : schöpft Wasser (1234—1236a) (a) die Nymphe : (1) sie legt ihren linken Arm auf seinen Nacken (1237) Begründung: sie will ihn küssen (1238a) (2) sie ergreift mit der rechten Hand seinen Arm (1238b—1239a) (a + b) die Nymphe wirft den Knaben hinab (1239b)

Auffallend ist bei dieser vergleichenden Gliederung die einfache, fast flüchtige und unpersönliche Darstellung Theokrits (Schema des Handlungsablaufs : a-b-a-b) gegenüber der eingehenden, komplizierten und sehr persönlichen Schilderung des Apollonios (Kompositionsschema: a-ab-b-a-b-a-ab). Schon die Überleitung der Nymphenhandlung in die Hylashandlung ist bei Apollonios viel raffinierter und durchdachter als bei Theokrit : Apollonios beginnt (1228—1229): „sie aber war gerade dabei, aus der schönfließenden Quelle aufzutauchen, die Nymphe des Wassers :

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νύμφη έφυδατίη"1, danach Pause: die Zäsur nach dem dritten longum fällt mit Sinneinschnitt und Satzende zusammen 2 und bewirkt, zusammen mit dem Klangeffekt des doppelten Ypsilon, eine lange, fast unheimliche Pause, in der das Geschehen in der Schwebe gehalten, die Spannung gleichsam in einer Ruhe vor dem Sturm konzentriert wird — da sieht sie den Knaben (Aorist είσενόησεν gegenüber dem Impf, άνεδύετο vorher) — und in einer schnellen Folge von dreisilbigen Daktylen wird gemalt, daß seine Erscheinung (τον Sé betont vorangestellt) sie aufschreckt ·— wie wenn ein plötzlicher Trommelwirbel in friedliche Stille hereinbricht — und sie in ihrer Bewegung erstarren läßt (vgl. 1232—1233 φρένας έπτοίησεν | Κύπρος, άμηχανίη δέ μόλος συναγείρατο θυμόν). Theokrit stellt unverbunden gegenüber : hier die Nymphen (43—45 Εύνίκα και Μαλίς (και) . . . Νύχεια) — dort den Knaben (46: ήτοι. δ κοϋρος), er sieht nur entweder sie oder ihn. Apollonios aber stellt eine enge Beziehung des Mädchens zu Hylas her, er verschmilzt die beiden Komponenten und sagt nicht nur, wie Theokrit, „Hylas kommt an die Quelle", sondern „die Nymphe sieht ihn kommen". Aus zwei getrennt nebeneinander herlaufenden Geschehensteilen wird ein einheitliches, untrennbar ineinandergreifendes Geschehen. Theokrit läßt dann Hylas sofort seinen Eimer auf das Wasser zuhalten (46 έπεΐχε ποτω πολυχανδέα κρωσσόν), Apollonios aber beschreibt vorher die Schönheit des Knaben; und zwar schildert er zunächst, wie Hylas der Nymphe erscheint: „gerötet von Schönheit und süßer Anmut" (1230), und begründet dann das έρευθόμενον mit dem gegenüber Theokrit neuen Motiv des Vollmondes3, bei dessen Licht sich die Ereignisse überhaupt abspielen (1231 άπ' αιθέρος αύγάζουσα) und von dessen Schein insbesondere Hylas, während er an der Quelle steht, voll getroffen wird (1231f. προς γάρ οί δι,χόμηνις . . . βάλλε σεληναίη)4. 1

έφυδάτιος ist άπαξ und wohl vor allem wegen des Klanges gewählt. Noch dazu ist es hier als Adjektiv dreier Endungen gebildet, um die Wirkung des doppelten η zu erreichen: -ος ginge metrisch auch, aber der Effekt wäre zerstört. 2 Ähnlich E. Med. 6 (von Wilamowitz, Griechische Verskunst, 96, als ein „Prachtstück" von „voller Interpunktion mitten im Verse" nach Enjambement -— angeführt). 3 Bei der Annahme der chronologischen Reihenfolge Α.—T. wäre kaum zu verstehen, wie T. sich ein so wirkungsvolles Handlungsmoment hätte entgehen lassen können. 4 Friedrich, 85 Anm. 14, schreibt : „Vielleicht hat A. auf sie (sc. die Blumen an der Quelle) verzichtet, als er Tag in Nacht verwandelte. Andererseits bringt er . . . den Tag wieder hinein, wenn er Hylas γλυκερησιν έρευθόμενον χαρίτεσσιν nennt. Nun ist aber Bot das Zeichen der blühenden J u g e n d . . . , ist hier also mehr Eigenschaft als aktueller Farbwert." — Bei dieser Interpretation läßt Friedrich jedoch außer acht, daß A. den Hylas nur deshalb έρευ&όμενον nennt, weil er vom rötlichen Licht des Vollmondes getroffen wird (1231 γάρ), nicht aber,

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Doch hat der Mond hier sogar eine dreifache Funktion: er erklärt nicht nur die besondere Schönheit des Hylas gerade in diesem Augenblick, sondern auch, weshalb die Nymphe ihn „sogleich" 1 bemerken konnte und warum sie sich fast notwendigerweise in ihn verhebte 2 . Theokrit holt 48—49 a, als die Nymphen Hylas schon gepackt haben, in einer fast beiläufigen Anmerkung nach, daß sich alle drei in den Knaben verliebt hatten. Der formale Effekt des wiederholten πασαι (47) . . . πασάων (48) ist ihm hier, wie auch sonst (43f. νύμφαι . . . Νύμφαι; 49f. κατήριπεν . . . ήριπεν; 50f. άθρόος . . . αθρόος ; 58f. τρίς . . . τρίς), wichtiger als die inhaltliche Motivierung: die Verdreifachung der Liebe läßt diese blaß und unpersönlich erscheinen.— Bei Apollonios dagegen wird die unwiderstehliche Anmut des Knaben durch das wirksame, auch sonst in der Episode als Kontrast zur Dunkelheit der Nacht wichtige (vgl. 1254b—1255a: ευ δέ μιν έ'γνω — διά κνέφας) Motiv des Mondscheins glaubhaft. Der Aufbau der Partie bei Apollonios ist wieder besonders kunstvoll : 1229 sieht das Mädchen den Knaben — 1230—1232 a beschreibt der Dichter in Parenthese die durch die optische Wirkung des Lichtes unterstrichene Schönheit ihres Objekts — und 1232 kehrt er in einem Hexameter, der genauso auffällig gebaut ist wie 12293 vor der Parenthese, zum Mädchen zurück. Erst nach so sorgfältiger Vorbereitung sagt Apollonios jetzt (1232b): „ihr aber erschreckte Kypris die Sinne". So wie 1229 Hylas ihr Objekt war, ist die Nymphe nun selbst zum Objekt der Aphrodite geworden: 1232 της δέ: die Person betont vorangestellt wie 1229 τόν δέ. Die Nymphe ist verwirrt und braucht Zeit, bis sie sich mühsam gefaßt hat (1233): wieder ein Einfall, der über das von Theokrit Gesagte hinausgeht, denn dieser hatte die Nymphen sofort zugreifen lassen (47). Zugleich aber gibt die Verwirrung der Nymphe dem Apollonios eine weitere Möglichkeit, seine Darstellung von der Theokrits abzuheben. Letzterer läßt Hylas nicht über den Versuch, den Eimer weil unzulässigerweise das Tageslicht wieder in die Erzählung eingeführt worden wäre. Den zeitlichen Hintergrund (Nacht) beachtet A. ganz konsequent (s.o. S. 41 f. u. 45f.). 1 σχεδόν (1229) ist hier doppeldeutig: es ist aber wohl weniger lokal „ganz in der Nähe" (vgl. z.B. 1243 u. o.), als vielmehr temporal „sogleich" (vgl. 2, 426; 3,947.1149 und besonders 4,1591) zu fassen, denn das γάρ in 1231 bezieht sich nicht nur auf έρευθόμενον (1230), sondern vor allem auch auf σχεδόν είσενόησεν (1229) : weil er so hell beleuchtet ist, sieht sie ihn sofort. 2 Das rötliche Mondlicht, in das die Gestalt des Hylas eingetaucht ist, „bezaubert" wie das Licht des aufgehenden Sternes (l,777f. κυανέοιο δι' αιθέρος 8μματα θέλγει | καλόν έρευθόμενος) oder der goldene Schimmer des Vlieses (4, 167—173; und 4,1145—1147: δαϊε [sc. τό κώας] δ' έν όφθαλμοϊς γλυκερών πόθον). 3 Auch 1232 fällt nach βάλλε σεληναίη (wieder in Enjambement zum vorhergehenden Vers) die männliche Zäsur mit dem Satzende zusammen.

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Hylasepisode u n d Hylasidyll

in das Wasser zu tauchen, hinauskommen (46f. έπεΐχε (Impf.: er war noch dabei) ποτω . . . κρωσσόν | βάψοα έπειγόμενος), die Nymphen ergreifen ihn schon, ehe er überhaupt zum Schöpfen kommt. Apollonios dagegen gewinnt Zeit dadurch, daß die Nymphe erst wieder zu sich kommen muß, und läßt währenddessen den Knaben seinen Eimer schon in die Quelle getaucht haben (1234: ώς τά πρώτα ρόω ένί κάλπιν ^ρεισε: effektiver Aorist, das Eintauchen ist gelungen). Das aber erlaubt Apollonios einen weiteren, gegenüber Theokrit neuen, Effekt: er läßt in einem akustischen „Bild" das Wasser von allen Seiten in den dröhnenden Kessel aus Erz hineinrauschen (1235 b— 1236a περί δ' ασπετον1 εβραχεν ΰδωρ | χαλκόν ές ήχήεντα 2 φορεύμενον). „Sobald er aber erst einmal den Eimer in die Flut hineingestoßen hat" (1234), ist die Nymphe dann soweit, daß sie zum Angriff auf den nichtsahnenden Hylas übergehen kann (1236b: αύτίκα δ'ήγε). Dabei wird jetzt (1236b—1239a) das, was bei Theokrit nur in einem Halbvers (47 b) flüchtig angedeutet ist, zu einer bis in das Detail ausgestalteten Angriffshandlung ausgebaut3. Wieder ist die „Zusammenschau" der beiden Handlungskomponenten „Nymphe" und „Hylas" gegenüber der Unverbundenheit der Handlungsstränge bei Theokrit zu beobachten. Wo dieser nur sagt „sie wuchsen ihm in die Hand" (47b) und „er stürzt" (49b), heißt es bei Apollonios: „sie umschlingt mit dem linken Arm seinen Nacken" — „sie möchte ihn küssen" — „sie faßt nach seinem Arm mit der rechten Hand" (1237—1239a)4 und schließlich „sie wirft ihn hinab" : μέση δ' ένί κάββαλε δίνη (1239b)5. Während Theokrits κατήριπε (49) den Kontakt zwischen Angreifer (Nymphen) und Angegriffenem (Hylas) nur gedanklich vom Leser vollziehen läßt (denn der Fall des Hylas setzt ja voraus, daß die 1

άσπετον ist hier anders als 1181 (s. o. S. 35 mit Anm. 4) Adverb zu ίβραχεν („laut"), nicht A t t r i b u t zu ΰδωρ, denn die Wassermenge ist begrenzt. — A. h e b t so auf dreifache Weise (άσπετον, έβραχεν, ήχήεις) hervor, wie stark das Geräusch ist. 2 Siehe o. S. 41. 3 Das Ganze wirkt d a n n so plastisch, als ob A. ein Bild beschriebe: die N y m p h e taucht schräg, hinter Hylas auf, d a sie ihren linken Arm u m seinen Rücken schlingt; der Grund: sie darf von ihm nicht bemerkt werden. Hylas selbst ist sehr tief über das Wasser gebeugt (vgl. 1235a), denn das Mädchen legt den Arm „von oben" (1237 κα-9-ύπερθεν) auf seinen Nacken: sie steht also etwas höher als er selber. Mit ihrem rechten Arm greift sie d a n n nach seinem (möglicherweise auch rechten ihr zunächst liegenden) A r m (so d a ß m a n δεξιτερόν αγκώνα aus δεξιτερή χειρί άπό κοινοϋ ergänzen könnte), u m ihn zu sich herumzudrehen u n d zu küssen (1238). 4 Vgl. Faerber 63 mit Anm. 3, der f ü r die „Erwähnung beider H ä n d e " 2,599 (Athene) u n d 4,44—46 (Medea) vergleicht. 5 Die Wendung an sich variiert ein homerisches Vorbild, wie M 206 μέσω δ* ένί κάββαλ' όμίλω (sc. der Adler die Schlange in den H a u f e n der angreifenden Trojaner).

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Nymphen ihm einen Stoß gegeben haben), stellt Apollonios dadurch, daß er κατήριπε durch κάββαλε ersetzt, die Verbindung ausdrücklich her1. Durch diese Änderung wird zugleich aber auch das Kometengleichnis Theokrits (50—52), das ja einen „Fall" durch den jähen 2 Absturz eines rot flammenden Kometen in das Meer illustriert, für Apollonius unbrauchbar — ganz abgesehen davon, daß der handlungsfremde zweite Teil des Gleichnisses (51b—52) seiner Gleichniskonzeption widerspricht3. Schließlich bleibt noch zu erwähnen, daß Apollonios, wieder in einer zusätzlichen Überlegung zu Theokrit, auch den überraschend schnellen und widerstandslosen Absturz des Hylas vorsorglich plausibel gemacht hat. Hylas steht „schräg" über die Quelle „gebeugt" (1235 λέχρις έπιχριμφθείς), in einer so unsicheren Stellung also, daß es, wenn man dazu noch den schon mit Wasser gefüllten, schweren Eimer bedenkt, durchaus einleuchtet, warum er, selbst bei einem nur leichten Zugriff der Nymphe, sofort den Halt verlieren muß. Der knappe letzte Satz 1239 b μέση δ'ένί κάββαλε δίνη sticht endlich auch deshalb als Krönung und Schlußstrich der Szene besonders hervor, weil die ganze zweite Hälfte des Abschnitts vorher, von 1234— 1239a (αύτάρ δγ' ώς τά πρώτα . . . ερεισε . . αύτίκα δ' ήγε4 λαών μέν . . . άνθετο πηχυν, . . . δεξιτερη δέ . . . έσπασε χεφί") eine einzige lange Periode bildet — auf einen jede Bewegimg der beiden Akteure in aller Ruhe ausmalenden, ungewöhnlich langen Satz also eine kurze, scharfe, einschlagende Schlußpointe folgt. Das Motiv vom weinenden Hylas auf den Knien der Nymphen unten in der Quelle, mit dem Theokrit seine Geschichte noch weiterführt, ist zu märchenhaft, als daß es Apollonios, der in seiner — im Rahmen der vorgegebenen phantastischen Nymphenszenerie — möglichst natürlichen und realistischen Erzählung auf logisch einleuch1

Vgl. 3,1308 (Jason gegen den ersten der beiden Stiere des Aietes:) τόν 8' έν χθονί κάββαλεν όκλάξ. — Dagegen m a c h t Α. es 3,284 ähnlich wie T. 13,49. E r läßt den Eros 3,282—284 a seinen Pfeil auf Medea abschießen (284 ήκ' έπΐ Μηδείη) u n d konstatiert d a n n sofort die Wirkung: την 8' άμφασίη λάβε θυμόν. D a ß der Pfeil traf, ist aus dem Effekt zu erschließen. 2 Gow, K o m m . 241 zu id. 13,50, meint, T.s Gebrauch von ά-9-ρόος im Sinne von „jählings" könnte ganz gut durch A. 1,428.1007 angeregt worden sein. — Abgesehen davon, d a ß m a n ebensogut das Gegenteil behaupten könnte, m ü ß t e m a n dann f ü r die Hylasgeschichte annehmen, daß T. A.s Erzählung u m eine ganze Reihe von guten Einfallen verkürzt hätte, nur u m R a u m f ü r ein Gleichnis zu gewinnen, von dem Gow selbst, K o m m . 242, sagt, „ t h e simile (sc. V. 50—· 52) . . . despite its intrinsic merit, does not seem very appropriate". 3 Siehe u. S. 72f. u n d 76f. zum Löwen- u n d Stiergleichnis: jede Angabe innerhalb des Gleichnisses h a t ihre Bedeutung f ü r die Erzählung; vgl. Drögemüller, 30 f. u n d 60. 1 F ü r δέ im Nachsatz nach temporalem Vordersatz vgl. z.B. Φ 53 τόν 8' ώς ούν ένόησε . . ., όχθήσας 8' άρα είπε u n d Thuk. 5,16,1 έπειδή . . . τ ό τ ε δέ codd.; Kühner-Gerth, I I 276. 5 8316 Köhnken, Hyp. 12

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tende Verknüpfung Wert legt, hätte gebrauchen können 1 . Auch die Nymphe selbst hat bei Apollonios keine göttlichen oder übermenschlichen Attribute und Fähigkeiten (vgl. dagegen T. 44 Νύμφαι ακοίμητοι, δειναί &εαί άγροιώταις), sondern ist ganz wie ein verliebtes Mädchen gesehen, dessen schwachen Kräften durch die Gunst der Umstände, die das Gelingen des Überfalls ermöglichen, Rechnung getragen werden muß 2 . Soweit die beiden Erzählungen des Theokrit und des Apollonios aber parallel zueinander verlaufen, ergibt sich, daß Apollonios in einer ganzen Reihe von kleinen Einfällen, die nicht auf die Verschiedenheit des Genus zurückzuführen sind, über das von Theokrit Gesagte hinausgeht, so 1. in dem optischen Motiv des Mondes, in dessen zauberhaftem rötlichen Licht Hylas besonders schön erscheint; 2. mit dem akustischen Effekt des in das Erzgefäß rauschenden Wassers ; 3. in der Verwirrung der Nymphe, die Hylas Zeit läßt, mit dem Schöpfen zu beginnen; 4. mit der leicht zu erschütternden Schräglage des Hylas; 5. in der Beobachtung der einzelnen Bewegungen des angreifenden Mädchens 3 ; 6. in der ausdrücklichen Herstellung des Kontaktes zwischen Angreiferin und Angegriffenem (besonders auffällig in dem Gebrauch von κάββαλε statt κατήριπε). Alle diese in das Feld der „Kleinmalerei" gehörenden Einzelheiten lassen sich eigentlich nur als ein Weiterdenken der in der Darstellung Theokrits gegebenen, aber noch nicht voll ausgeschöpften Möglichkeiten des Stoffes verstehen 4 , — nicht aber umgekehrt als eine „bewußte Straffung der Handlung des Apollonios durch Theokrit" 5 oder gar eine Kritik Theokrits an Apollonios erklären. 1 Ebenso fehlt bei ihm später die Antwort des Hylas aus dem Wasser (T. 59f.) : s. u. 8. 75. 2 1232f.: της δέ φρένας έπτοίησεν | Κύπρις ist Κύπρις bloße Floskel, die zum epischen Apparat gehört (vgl. Schol. zu 1233, S. 112 Wendel: Κύπρις· τό έρωτικόν πάθος) : der Satz meint nicht mehr als „sie verliebte sich", allerdings im Sinne des plötzlichen, unerklärbaren „Erfaßtseins" von der Liebe. An die Gegenwart oder auch nur Einwirkung der Göttin Aphrodite ist aber offensichtlich nicht gedacht. 3 Vgl. Faerber 63: „der Sturz selbst wird von A. 1237—1239 mit jener, der hellenistischen Dichtung eigenen, feinen Genauigkeit besser als von T. beschrieben"; doch akzeptiert auch Faerber, 64, die These von der Priorität des A. 4 Das klarste Beispiel ist das Ausspielen von χάλκεον δγγος (T. 39 ~ Α. 1207 χαλκέη κάλπις) zu χαλκός ή χ ή ε ι ς (Α. 1236). 5 Koch 81 ; — das Prädikat der „Straffung" kann man ebensogut A. dafür zuerkennen, daß er das Kometengleichnis T.s, dessen zweiter Teil unnötiger Ballast für die Erzählung ist, wegläßt und seine Szene mit Hylas' Fall abbricht.

Polyphem

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Vorbemerkung zu IV. und V. Die beiden letzten Einzelszenen „Polyphem" (D) und „Herakles" (B 2), die beinahe zur Hälfte von zwei großen „Aktionsgleichnissen" (Drögemüller), 1,1243—1249 (Löwengleichnis, auf Polyphem) 1 und 1,1265—1272 (Stiergleichnis, auf Herakles) 2 , bestritten werden, sind mit Vorliebe als Belege für die Priorität des Apollonios ins Feld geführt worden3. Es ist insbesondere zu prüfen, ob a) das Löwengleichnis Theokrits (id. 13,62—65) wirklich nach den Gleichnissen des Apollonios und als Antwort auf sie geschrieben sein kann, oder ob sich die bisher mehr als wahrscheinliche Posteriorität des Apollonios auch hier bestätigt; b) die Gestalt Polyphems, außer ihrer Einführung aus Gründen mythologischer Vollständigkeit, noch Bedeutung für die Handlung bei Apollonios hat und Polyphems Erscheinen in der Kiosepisode nicht auch mit der Rücksicht auf die Darstellung Theokrits erklärt werden kann. IV. Dritte Einzelszene, Polyphem Der Auftritt des Polyphem (1,1240) und damit die dritte Einzelszene (D) in der Episode wird eingeleitet und ausgelöst durch den Schrei, den Hylas beim Sturz in die Quelle ausgestoßen hat und der den Polyphem zu Hilfe holt: 1240 1242

του δ' ήρως ίάχοντος έπέκλυεν οίος εταίρων Είλατίδης Πολύφημος, ίων προτέρωσε κελεύθ-ου• δέκτο γάρ Ήρακλήα πελώριον όππόθ' ίκοιτο.

Koch 4 hat darauf aufmerksam gemacht, daß wir von diesem Sdirei überhaupt erst hier hören, wo er als Katalysator für die kommende Aktion Bedeutimg gewinnt, nicht aber schon beim Fall des Hylas, wo er logisch hingehört. Dadurch, daß Apollonios den Schrei für Polyphem „aufspart", schafft er sich eine glatte Überleitung von der abgeschlossenen Hylasszene zum neuen, von Polyphem bestimmten Geschehen. Ähnlich wie Herakles 1187 f. (ó . . . υιός Διός) wird auch Polyphem dadurch besonders hervorgehoben, daß er zunächst, am Anfang des Drögemüller 27—31. Drögemüller 48—61. 3 Siehe o. S. 28; z.B. von Knaack, Herrn. 18, 1883, 29f.; Wilamowitz, Textg. 177f.; Gow, CQ 32, 1938, 12; Koch 84. 4 S. 28: darin, daß der Schrei des Hylas „erst dort, wo er handlungstechnisch notwendig und effektvoll" sei, erscheine, zeige sich der „,Wirksamkeitsmaßstab', . . . ein im Epos neuer, von der Dramatik übernommener Aspekt". 1

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Hylasepisode und Hylasidyll

Satzes, mit seinem „Stand" eingeführt wird (1240: ήρως), während der Name erst in Sperrung dazu am Schluß des Kolons und zu Beginn des nächsten Verses genannt ist: 1241 Είλατίδης Πολύφημος1. Ausdrücklich hebt Apollonios hervor, daß Polyphem den Hilferuf als „einziger unter den Gefährten" (1240 οίος έταίρων) hören kann, denn so wie Hylas 1207 νόσφιν ομίλου seine Quelle suchte, ist auch Polyphem „unterwegs" (1241)2. Wie immer, so nennt auch hier Apollonios sogleich die Ursache (γάρ 1242) für Polyphems Spaziergang : „Er wartete darauf, daß Herakles endlich komme" 3 ; seit dessen Aufbruch aus dem Lager muß also schon sehr viel Zeit verstrichen sein. Polyphem hat sich, wegen des langen Ausbleibens des „gewaltigen" (1242 πελώριος) Helden beunruhigt, auf die Suche gemacht und ist inzwischen selbst schon eine beträchtliche Strecke vom Lager der Argonauten entfernt 4 . Das Motiv der „Sorge", das bei Theokrit den Herakles auf die Suche nach Hylas treibt (55f. Άμφιτρυωνιάδας δέ ταρασσόμενος περί παιδί I ωχετο), hat Apollonios also auch verwandt, nur ist bei ihm Polyphem und nicht Herakles beunruhigt, Gegenstand der Unruhe ist, statt Hylas, Herakles selber, und der seelische Zustand der Sorge wird nicht offen festgestellt, wie Theokrit es tut (55 ταρασσόμενος), sondern ist erst aus dem äußeren Verhalten des Helden zu erschließen5, ein Kunstgriff, den Apollonios auch sonst gern verwendet®. Nach den Bemerkungen zur Person Polyphems und der Ursache seiner Anwesenheit, fährt der Dichter fort : 1243

1

βή δε μεταΐξας Πηγέων σχεδόν, ήύτε τις ·9·ήρ άγριος, ον ρά τε γηρυς άπόπροθεν ΐκετο μήλων,

Dagegen wurde der im Heroenkreis weniger gewichtige Hylas 1207 gleich mit seinem Namen vorgestellt. 2 προτέρωσε κελεύθου kann nur meinen, daß er, das Lager im Rücken, „nach vorne" in die Richtimg geht, in der er Herakles vermutet. 3 δέκτο . . . όππάθ' ί'κοιτο: in der Formel liegt die Ungeduld des Wartens, vgl. Η 415 (die Troer erwarten Erfolg oder Mißerfolg der Mission des Idaios:) πάντες δμηγερέες, ποτιδέγμενοι όππότ' ϋ.ρ' ίλθοι | Ίδαιος (vgl. auch Β 794). 4 Abgesehen von οίος έταίρων (1240), geht das daraus hervor, daß er in der Nähe der Nymphenquelle ist (vgl. 1243 μεταΐξας Πηγέων σχεδόν), nach der Hylas lange und weitab von den Gefährten suchen mußte (1207f.). 5 Er konnte das Warten im Lager nicht mehr aushalten und hat sich deshalb auf den Weg gemacht. 6 Siehe z.B. u. S. 75f. zur Beschreibimg der Reaktion des Herakles auf die Nachricht Polyphems (1261—1264) und vgl. Koch 21f. : „Die tiefe innere Bindimg des Herakles an Hylas wird . . . erst nachträglich aus dem verzweifelten Leid des Herakles erschlossen werden müssen . . . Das Ganze liefert wieder einen Beitrag, A. als einen Dichter zu verstehen, der der Aufdeckung seelischer Bereiche nicht expressis verbis, sondern weitgehend nur durch Darstellung der sichtbaren Phänomene und Symptome Genüge zu tun bereit ist."

Polyphem sucht Hylas

1245

1250

1255

1260

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λιμώ δ' αίθόμενος μετανίσσεται, ούδ' επέκυρσε ποίμνησιν, προ γάρ αύτοί ένΐ σταθ-μοΐσι νομήες £λσαν· δ δε στενάχων βρέμει άσπετον, οφρα κάμησιν — ως τότ' αρ' Είλατίδης μεγάλ' έ'στενεν, άμφΐ δέ χώρον φοίτα κεκληγώς, μελέη δέ οί επλετ' άυτή1. αΐψα δ' έρυσσάμενος μέγα φάσγανον ώρτο δίεσθ-αι2, μή πως ή θήρεσσιν ελωρ πέλοι, ήέ μιν άνδρες μοϋνον έόντ' έλόχησαν, άγουσι δέ ληίδ' έτοίμην. ενθ-' αύτω ξύμβλητο κατά στίβον Ήρακλήι γυμνόν έπισσείων3 παλάμη ξίφος, εδ δέ μιν εγνω σπερχόμενον μετά νηα δια κνέφας" αύτίκα δ' άτην εκφατο λευγαλέην, βεβαρημένος ασθ-ματι θυμό ν „Δαιμόνιε, στυγερόν τοι άχος πάμπρωτος ένίψωού γάρ "Υλας κρήνηνδε κιών σόος αδτις ΐκάνει, άλλά έ ληιστήρες ένιχρίμψαντες άγουσιν ή θήρες σίνονται- έγώ δ' ίάχοντος ακουσα."

Die Polyphemszene endet in einer kunstvollen Schlinge bei eben dem „Schrei", der sie ausgelöst hatte: am Anfang (1240) hieß es τοϋ δ* ήρως ί ά χ ο ν τ ο ς έπέκλυεν, jetzt am Schluß heißt es, mit nur leichter Variation des Themas, έγώ δ' ί ά χ ο ν τ ο ς ακουσα (1260). Dieses Thema wird auf folgende Weise durchgespielt : (1) der Schrei

des Hylas

( 1240)

(2) trifft auf Polyphem (1241—1242); (3) erste Reaktion Polyphems: Losstürmen auf die Quelle (1243a) Gleichnis (1243b ff.): Schrei der Schafe: Losstürzen des Löwen ; 1 ίπλετ' άυτή E t y m . Genuin.-Magn. s. ν. μέλεον: άπλετο φωνή libri; als Variation gegenüber T. (59 αραιά δ'ϊκετο φ ω ν ά ) ist άυτή wahrscheinlicher. 2 δίεσθαι (disertim) E t y m . — (ohne genauere Angabe bei Frankel Ausg. 52) — νέεσθαι libri; δίεσ&αι „los-", „hinwegstürzen", „davonjagen" (vgl. M 304, im Löwengleichnis M 299—307, das vielleicht zu A.s Vorbildern f ü r sein Löwengleichnis hier 1243—1249 gehört: vgl. Drögemüller 28) verdient sicher den Vorzug vor dem an dieser Stelle viel zu blassen νέεσθαι. δίεσθαι ist außerdem lectio difficilior. 8 έπισσείων R u h n k e n : έπαΐσσων libri; έπαΐσσω wird bei Α. nur entweder absolut „vor-", „losstürzen" (z.B. 1,1033) oder mit dem Dativ des Ziels „sich stürzen auf j d n " (z.B. 1,75), aber nie mit einem Akkusativobjekt u n d einem instrumentalen Dativ gebraucht. — Man könnte έπαΐσσων also hier nur halten, wenn m a n es absolut f a ß t : „auf ihn (sc. Herakles) losstürzend". Man m ü ß t e d a n n f ü r γυμνόν . . . παλάμη ξίφος eine Ellipse von έχων o. ä. annehmen (vgl. 3,1381 γυμνόν δ' έκ κολεοϊο φέρεν ξίφος, wo auch zu έκ κολεοϊο ein Wort wie έρυσσάμενος gedanklich zu ergänzen ist) u n d den Ausdruck wie 4,465 γυμνόν άνασχόμενος παλάμη ξίφος auffassen. — Wahrscheinlich aber h a t R u h n k e n recht, der seine K o n j e k t u r durch Verweis auf O 230 τη (sc. αίγίδι) μάλ' έπισσείων stützt.

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Hylasepisode u n d Hylasidyll (4) zweite Reaktion Polyphems: Wegstürzen Quelle (1250) 1 ; Vermutungen : Hylas zum Opfer gefallen a) Tieren (1251a) (a) b) R ä u b e r n (1251b—1252) (b)

(5) ' I (6) ss (7)

I• i ν m

(8)

a) Räubern (1259) b) Tieren (1260a)

(b) (a)

von

der

Β

} A

Die Polyphemszene besteht also aus zwei Teilen, die durch die Begegnung Polyphems mit Herakles voneinander abgehoben werden: im ersten Teil sind die Erlebnisse Polyphems direkt erzählt, im zweiten Teil noch einmal indirekt im Bericht des Polyphem an Herakles gespiegelt. Die beiden Teile stehen in einem doppelten Chiasmus zueinander, einmal im großen, in der Sequenz der Handlungspartien: Schrei (mit seinen Folgen) (A) — Vermutungen Polyphems (B) = Vermutungen (B) — Schrei (A) ; und zum anderen im kleinen, durch die Umkehrung der Überlegungen des Polyphem in seinem Bericht im Verhältnis zur direkten Darstellung : zuerst heißt es θ-ηρες (a) — άνδρες (b) (1251—1252), nachher ληιστήρες (b)—θήρες (a) (1259—1260). Dieser so kunstvolle Aufbau aber wirkt zugleich sehr natürlich, denn es ist durchaus verständlich, daß Polyphem in seiner Aufregung dem Herakles die Vermutungen, an die er zuletzt dachte, zuerst erzählt und ihm der zeitlich am weitesten zurückliegende eigentliche Anlaß seiner verzweifelten Suche, der Hilferuf des Hylas, erst am Ende seiner hastigen Mitteilung wieder einfällt2. 1

Während er vorher die Gegend u m die Quelle absuchte (1248—1249 άμφΐ δέ χώρον φοίτα), stürzt er jetzt auf dem P f a d davon, auf dem er d a n n Herakles begegnet (1253 κατά στίβον) — in der dem Schiff entgegengesetzten Richtung, denn der ihm entgegenkommende Herakles geht auf das Schiff zu (1255 μετά νήα). Es scheint also die Vorstellung vorzuliegen, daß v o m Lager der Argonauten durch den Wald ein Hauptweg hindurchführt, in dessen Nähe die Quelle liegt, u n d auf dem zuerst Herakles, d a n n Hylas (bis zur Quelle) u n d schließlich Polyphem entlangkommen, so daß Polyphem vermuten kann, Hylas sei auf diesem Weg e n t f ü h r t worden. 2 Fränkel, Ausg. 52, stellt die Verse 1250—1252 hinter 1242 u m u n d erreicht damit, d a ß Polyphem unmittelbar nachdem er Hylas h a t schreien hören, sein Schwert zieht u n d sofort vermutet, daß Hylas Tieren oder R ä u b e r n zum Opfer gefallen ist. — Die Umstellung ist aber aus zwei Gründen abzulehnen: 1. liegt Anlaß und Vergleichspunkt f ü r das Gleichnis 1243ff. im „Schrei" des Hylas 1240 (τοϋ . . . ίάχοντος entsprechend γηρυς . . . μήλων 1244). Durch den Einschub der V. 1250—1252 hinter 1242 aber würde diese notwendige Beziehimg zerrissen durch Erwägungen Polyphems, f ü r die es im Gleichnis keine Parallele

Polyphem (Herakles) sucht Hylas

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D a s L ö w e n g l e i c h n i s selbst ( 1 2 4 3 — 1 2 4 9 ) m u ß i m Vergleich m i t d e m parallelen Gleichnis T h e o k r i t s u n t e r s u c h t w e r d e n (id. 1 3 , 6 1 — 6 5 ) . D a b e i i s t der Z u s a m m e n h a n g bei T h e o k r i t ab V . 58 z u b e r ü c k s i c h t i g e n : 58 60 621

65

τρις μεν "Υλαν αυσεν (sc. Η ρ α κ λ ή ς ) δσον βαθύς ήρυγε λαιμός, τρίς δ' άρ' ó παις ύπάκουσεν, άραιά 8' ίκετο φωνά έξ ύδατος, παρεών δέ μάλα σχεδόν είδετο πόρρω. νεβροΰ φθ-εγξαμένας τις έν οΰρεσιν ώμοφάγος λίς έξ εύνας εσπευσεν έτοιμοτάταν έπί δαΐτα" Ήρακλέης τοιούτος έν άτρίπτοισιν άκάνθαις παϊδα ποθ-ών δεδόνητο, πολύν δ' έπελάμβανε χώρον.

Gow 2 versucht, aus Theokrits Gebrauch von δονεΐσθ-αι (65) 3 , in der übertragenen B e d e u t u n g „von der Liebe geschüttelt werden", ein Argument f ü r Apollonios' Priorität zu gewinnen : " N o b o d y so soaked in Homer as Theocritus could read Apollonios' bull-and-breeze simile (sc. 1,1265—1272: s . u . S. 76f.) without thinking instantly of its probable source; a n d t h a t ist χ 299ff. — (χ 300 τάς, sc. βόας, μέν τ' αίόλος οίστρος έφορμηθείς έδόνησεν) — I suggest in short, t h a t δεδόνητο is due to t h e conscious or unconscious inspiration of t h e Odyssey, to which Theocritus' mind was directed b y Apollonios' second simile." Diese Assoziationstheorie ist als petitio principii zu verwerfen, denn nur, wenn m a n schon voraussetzt, daß Theokrit die Gleichnisse des Apollonios vor Augen h a t t e , was gerade erst noch zu beweisen ist, k a n n m a n darauf verfallen, Theokrits δεδόνητο könne (indirekt) durch Apollonios angeregt worden sein, in dessen Gleichnissen (1243ff. u n d 1265ff.) das Verb selbst überhaupt nicht vork o m m t . — Bei unbefangener Fragestellung lassen sich dagegen eine ganze Reihe von wahrscheinlicher möglichen Vorbildern f ü r Theokrits metaphorischen Gebrauch von δονέω finden: Gow selbst nennt, im K o m m e n t a r zu V. 65, Ar.Eccl. 954 (Liebe) u n d Pi. P. V I 36 (Furcht), Pfeiffer 4 verweist (gegen Gow) auf Sapph. F 137 D. (Liebe), u n d m a n könnte auch noch Pi. P . I V (Argonautengedicht!) 219 anführen (L—S): ποθ-εινά δ''Ελλάς αύτάν (sc. Μήδειαν) έν φρασί καιομέναν δονέοι μάστιγι Πειθούς. gibt, die also mit diesem nicht das Geringste zu t u n haben. Die drei Verse stören hinter 1242 also n u r ; 2. sind die Verse an der überlieferten Stelle sehr sinnvoll: erst als Polyphem den Hylas a n der Quelle nicht mehr finden k a n n (1249), k o m m t ihm der neue Gedanke, R ä u b e r oder Tiere könnten ihn verschleppt haben, u n d das erst läßt ihn zum Schwert greifen (1250—1252), das er d a n n 1254 in der H a n d trägt. Außerdem aber würde Fränkels Umstellung die feine und doch natürliche Kompositionsidee zerstören, Polyphem das zuletzt Gedachte zuerst erzählen zu lassen. — Siehe zu Fränkels Versumstellung auch H. Erbse, R h M 106, 1963, 230—234, der besonders auf die Sinnwidrigkeit von Polyphems Schreien (V. 1248f.) in dem nach der Versumstellung sich ergebenden Handlungsablauf aufmerksam macht (a.a.O. 233f.). 1 Vers 61 ist eine Interpolation : der Vers ist schon syntaktisch nicht möglich, fehlt aber außerdem noch in zwei wichtigen Textzeugen (P 4 u n d K) : s. Gow, K o m m , zu V. 61. 2 CQ 32, 1938, 12 (vgl. K o m m . 243 zu V. 65). 3 Gewöhnlich von Blättern oder Bäumen, die der Wind schüttelt: vgl. z.B. Ρ 55 τό δέ τε (sc. Ιρνος έλαίης) πνοιαΐ δονέουσι, Τ. 24,90 άνέμω δεδονημένον αδον ¿ίχερδον, Α. 3,1376 δρύες ας τ' άνέμοιο κατάικες δονέουσιν. « Call. I I , p. X L I I Anm. 4.

72

Hylasepisode und Hylasidyll

Bei Theokrit schreit Herakles zuerst nach Hylas (58), und dieser hört ihn (und antwortet) (59f.), Herakles agiert, Hylas reagiert. I m folgenden Gleichnis (62ff.) dagegen ist der Ablauf gerade umgekehrt, das Rehkitz schreit, und der Löwe jagt diesem Schrei nach. Das Gleichnis bei Theokrit ist also nur auf die Teilhandlung vom Antwortschrei des Hylas bis zu der darauf folgenden neuen Reaktion des Herakles zu beziehen, wobei aber der Hauptwert auf den Vergleich der Erscheinung des Herakles mit der eines Löwen gelegt wird (vgl. Ήρακλέης τοιούτος im ,,So-Satz" 64). Die Parallelität des Gleichnisses zur Handlung ist sonst durch νεβροΰ φθεγξαμένας (62 = [Antwort-]Schrei des Hylas) und εσπευσεν (63) (was f ü r ein Losstürzen des Herakles zu sprechen scheint: doch s. u.) angedeutet, während alle übrigen Züge des Gleichnisses (έν οΰρεσιν (62) — έξ εύνας (63) — έτοιμοτάταν (επί δαΐτα) 63) handlungsfremd sind, nur zur Ausschmückung der Gleichnishandlung dienen. Einerseits zeigt also das τοιούτος (64) in der Antapodosis, daß das Gleichnis die Aufgabe hat, Stimmung und Lage des Herakles zu illustrieren. Dazu aber scheint die Situation des Gleichnisträgers: „hungriger Löwe mit Aussicht auf günstige Beute" (63 έτοιμοτάταν επί δαΐτα), nicht besonders gut zu passen. Herakles' Stimmung dürfte kaum dem Vorgefühl auf eine reichhaltige Mahlzeit vergleichbar sein. — Andererseits entspricht aber auch die Aktion des Gleichnisses: Losstürzen (ingressiver Aorist εσπευσεν 63), vom Lager weg (63 έξ εύνας: Ausgangspunkt), auf die Beute zu (63 επί δαΐτα: Ziel), nicht genau der der Erzählung. Statt des Losstürmens des Löwen ist vom Einherstürmen und Umherirren des Herakles (duratives Plqpf. und Impf, δεδόνητο 65, έπελάμβανε 65; vgl. άλώμενος 66) die Rede, der Ausgangspunkt f ü r die Suche des Herakles, das Lager der Argonauten, entsprechend der εύνή des Löwen, liegt vor der durch das Gleichnis illustrierten Teilhandlung (s. o.), und das Ziel (Hylas, entsprechend der δαίς = νεβρός φθεγξαμένη) ist f ü r Herakles bestimmt nicht έτοιμότατος. Bei Apollonios ist die Ausgangssituation umgekehrt. Statt „Herakles ruft nach Hylas, und dieser antwortet", steht hier zuerst der Schrei des Hylas, auf den Polyphem, der zunächst die Rolle des Herakles bei Theokrit spielt, reagiert. Dieser Schrei gibt das Stichwort f ü r das folgende Löwengleichnis, ähnlich wie bei Theokrit, wo der Ansatzpunkt f ü r das Gleichnis in der Erzählung der (Antwort-) Ruf des Hylas ist (T. 59 άραιά . . . φωνά ~ 62 νεβροΰ φθεγξαμένας : Α. 1240 τοΰ . . . ίάχοντος έπέκλυεν ~ 1244 γήρυς . . . ϊκετο μήλων). Gleichnisträger ist bei beiden Dichtern ein Löwe 1 , erstrebtes Objekt, statt des Hirschkalbs bei Theokrit, bei Apollonios eine Schafherde 2 . 1 2

Ζιιθήρ άγριος (A. 1243f.) vgl. Schol. zu 1243 (S. 112Wendel) und Drögemüller 27 f. Technisch notwendig für den Ablauf der Gleichnishandlung, s. u. S. 74.

Polyphem (Herakles) sucht Hylas

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Ganz anders aber als bei Theokrit, bei dem über den „Schrei" und die „löwenhafte Erscheinung" des Herakles hinaus nur mit Mühe weitere Übereinstimmungen zwischen Gleichnisaktion und Erzählung festgestellt werden konnten, findet sich bei Apollonios eine Gleichnishandlung, die (wesentlich länger und weiter ausgeführt als diejenige Theokrits) in jeder Einzelheit auf die Erzählung bezogen ist und sie erläutert 1 : wie Polyphem geht der Löwe „voller Verlangen" (1245 λιμω 8' αίθ-όμενος)2 auf die Suche (1243 βή δέ μεταΐξας ~ 1245 μετανίσσεται), wie Polyphem trifft er das Objekt seiner Suche nicht mehr an (1245 ούδ' έπέκυρσε, vom Löwen ~ 1249 μελέη . . . επλετ' άυτή, von Polyphem) 3 , wie Hylas in der Quelle, so sind die Schafe im Pferch dem Zugriff des Suchenden entzogen (1246f. ; vgl. 1239), wie der Löwe im Gleichnis stöhnend brüllt, so stöhnt Polyphem in der Erzählung (1247 στενάχων βρέμει ασπετον, οφρα κάμησιν4 ~ 1248 μεγάλ' εστενεν). Das Gleichnis ist also in sorgfältiger Parallelität zur Handlung angelegt, ergänzt diese sogar in zwei Punkten (1245a und 1247b). Durch einen formalen Kunstgriff teilt Apollonios überdies sein Gleichnis in zwei Hälften, die den inhaltlichen Kategorien „Ursache" (Schrei) und „Wirkung" (Suche) entsprechen: durch Enjambement sind einerseits V. 1243/44 (0-ήρ | άγριος) eng verbunden und andererseits 1245/46 (έπέκυρσε | ποίμνησιν) und 1246/47 (νομήες | έλσαν), SO daß also hinter 1244 (μήλων) ein scharf markierter Einschnitt fällt. Aus diesem Vergleich der Darstellungen von Theokrit und Apollonios folgt nun, daß (1) das Löwengleichnis bei Apollonios um mehrere Züge erweitert ist: a) das Verb μετανίσσεται 1245 (vergleichbar dem εσπευσεν έπί (δαΐτα) T. 63) führt Apollonios durch ούδ' έπέκυρσε (mit Begründung, γάρ 1246, wie meistens) weiter: bei Theokrit war Erfolg oder Mißerfolg der Jagd des Löwen offengeblieben ; b) das Schreien des Herakles bei Theokrit, bzw. des Polyphem, bei Apollonios, überträgt der letztere auch auf den Löwen als Gleichnisträger (1247 στενάχων βρέμει ασπετον); 1

Vgl. Drögemüller 30f. Ohne Parallele in der Erzählung, aber sie ergänzend. Wie der Löwe „vor Hunger brennt", so Polyphem vor Verlangen nach Hylas. Das spielt, zusammen mit μεγάλ' έστενεν (1248) und κεκληγώς (1249), offenbar auf die frühere Liebesbeziehung Polyphem — Hylas an. 3 ούδ' έπέκυρσε ποίμνησιν· πρός τό συμβεβηκός Schol. (S. 113, Ζ. 11 Wendel), und so auch Drögemüller 31 : „Daß Polyphem Hylas nicht antrifft, wird nur im Gleichnis, nicht in der Erzählung gesagt." — Doch wenn Polyphems Rufen vergeblich ist (1249 μελέη . . . άυτή), so folgt daraus auch schon in der Erzählung selbst, daß er Hylas nicht mehr antrifft. 4 Άφρα κάμησιν : ebenfalls ohne ausdrückliche Entsprechung in der Erzählung, aber ebenfalls ergänzend: Polyphem schreit so lange, bis er müde wird. 2

74

Hylasepisode und Hylasidyll

(2) bei Apollonios für die νεβρός φθεγξαμένη (T. 62) eine γήρυς μήλων (1244) eintritt. Für ein hilfloses Rehkitz, das noch dazu έτοιμοτάτη (T. 63) war, ließ sich schlecht denken, wieso es dem Zugriff des Löwen hätte entgehen können, bei den ebenso hilflosen Schafen aber war es die gegebene Lösung, sie kurz vor Ankunft des Löwen von den Hirten in die Ställe getrieben sein zu lassen ; (3) zwei Einzelheiten des theokriteischen Gleichnisses bei Apollonios wegfallen, weil sie der Handlung nicht entsprechen oder ihr sogar widersprechen : a) έξ εύνας (T. 63) : bei Apollonios wird nicht gesagt, woher der Löwe kommt, er ist schon „unterwegs", wie Polyphem in der Erzählung (und Herakles bei Theokrit); notwendigerweise, da nur Polyphem den Hilfeschrei des Hylas hören durfte — denn bei einem Aufbrechen aus dem Argonautenlager ( ~ der εύνή des Löwen) hätten auch die anderen Argonauten aufmerksam werden müssen; b) έτοιμοτάταν (έπί δαΐτα) widerspricht der Erzählung, da Hylas im Gregenteil für Polyphem (und für Herakles bei Theokrit) unerreichbar ist 1 . (Apollonios spielt aber auf diesen Ausdruck Theokrits an, indem er 1252 den Hylas in der Phantasie des Polyphem eine ληίς έτοιμη für Wegelagerer sein läßt). Die Priorität Theokrits bestätigt sich demnach auch hier, da die umgekehrte Annahme einer Reduzierung der soviel weiter ausgeführten und in ihrem Zusammenhang so klar durchdachten Gleichniszüge des Apollonios auf den längst nicht so genau überlegten Satz Theokrits έξ εύνας έ'σπευσεν έτοιμοτάταν έπί δαΐτα (63) nicht vorstellbar ist. Wenn man sich aber klarmacht, welche Bedeutung die Person des Polyphem, auf die nicht nur das Löwengleichnis, sondern auch das Motiv der „Sorge" vom Herakles des Theokrit übertragen ist, für die Handlung der Kiosepisode des Apollonios als solche hat, dann ergeben sich folgende Gesichtspunkte : 1. Apollonios hat, als Variation zur Darstellung Theokrits, Herakles mit dem Motiv der Rudersuche schon vor Hylas aus dem Argonautenlager in den Wald gehen lassen : Herakles konnte daher von Hylas'Wassersuche nichts wissen, da er auch keinen Befehl dazu gegeben hatte 2 ; 1 Dazu schreibt Scheidweiler 352f.: „Bei T. stößt man sich an έτοιμοτάταν έπί δαΐτα (13,63) . . . Und doch hätte T. dieses ungeschickte Beiwort leicht vermeiden können; . . . Aber er hat es nicht getan, weil er m. E. an der Vielheit der Vergleichungspunkte, wie sie A. in seinen Gleichnissen liebt, Kritik üben wollte . . . T. hat dieser Vielheit gegenüber zeigen wollen, daß es nur auf das eine tertium comparationis ankomme und deshalb absichtlich einen nicht passenden Zug in sein Gleichnis eingefügt." — Bei dieser Interpretation kann man wirklich nur fragen, ob man statt eines solchen „Salto mortale" nicht doch lieber einfach und natürlich annehmen sollte, daß A. einen „nicht passenden Zug" seines Vorgängers T. zum Nutzen der Handlung weggelassen hat.

75

Herakles sucht Hylas

2. Apollonios will offenbar seine Erzählung so realistisch-glaubhaft wie möglich halten und vermeidet deshalb die beiden ausgesprochenen Märchenmotive Theokrits „Hylas auf den Knien der Nymphen" (53/54) und „Hylas' erstickte Antwort vom Grunde der Quelle" (59/60): nach dem Fall des Hylas ins Wasser kann es also bei Apollonios keinen Kontakt mehr mit dem Knaben geben. Wenn aber unter diesen Voraussetzungen Herakles selber als Zeuge für den Hilferuf des Hylas (etwa auf dem Rückweg zum Schiff) nicht mehr gut verwendbar ist, weil er bei einem plötzlichen Schrei kaum sogleich vermuten kann, daß er ausgerechnet von Hylas kommt, dann wird Polyphem als Mittler zwischen Hylas und Herakles 1 zu einem notwendigen Bestandteil der Handlung. Er teilt dem nichtsahnenden Herakles mit, daß Hylas a) zur Quelle gegangen ist (1258 κρήνηνδε κιών) und b) um Hilfe gerufen hat (1260). V. Erste Einzelszene,

2. Teil: Herakles

sucht

Hylas

Daß das Verschwinden des Hylas nicht nur eine allgemeine άτη λευγαλέη (1255f.) ist, sondern bei Herakles noch einen ganz besonders tiefen Schmerz hervorrufen muß, sagt Polyphem zu Beginn seines Berichtes ausdrücklich (1257 στυγερόν τοι άχος): er spricht ihm als erster (1257 πάμπρωτος) sein Mitgefühl aus. Schon hier kommt zum Ausdruck, was dann in den beiden Reaktionen des Herakles (1261— 1264), deren zweite anschließend im Spiegel des Stiergleichnisses noch weiter ausgeführt ist, noch deutlicher wird: Herakles kann Hylas nicht nur wegen seiner Dienstwilligkeit geschätzt haben, sondern muß mit ihm darüber hinaus eng verbunden gewesen sein2. Dadurch, daß bei Apollonios die Hiobsbotschaft des Polyphem im Unterschied zu Theokrit einen auch nicht durch die leiseste Ahnung vorbereiteten Herakles trifft, erreicht der Dichter eine gesteigerte Wirkung: Herakles zeigt sich im ersten Augenblick wie vom Schlag getroffen. Diese Wirkung wird dargestellt an zwei physischen Symptomen 3 : ein Strom von Schweiß ergießt sich von seinen Schläfen (1261 f.), 2 1208—1211 wird gesagt, daß Hylas alle Vorkehrungen für Herakles' Rükkehr trifft, weil er in dieser Gewohnheit erzogen worden sei (1211): Hylas geht also nicht auf Grund eines besonderen Auftrags des Herakles, sondern aus eigener Initiative los. 1 Vgl. Koch 27: die Quelle mit Hylas sei bei A. sowohl vom Lager als auch von Herakles zu weit entfernt gedacht, als daß der Schrei des Jungen hätte gehört werden können: „Dadurch hat der Dichter sich die Gelegenheit verschafft, eine Mittelsperson einzufügen, die zur Ausführung eines Aition ebenfalls in Mysien zurückbleiben, also sofort in den Vorfall verwickelt werden muß . . ." 2 Vgl. Blumberg 25f.; Faerber 64; Koch 21. 37. 3 Koch 37: „Es handelt sich um Liebesschmerz, der den gewaltigen Helden Herakles völlig überwindet . . . Die Charakterisierung des Schmerzes erfolgt durch äußere Kennzeichen, die körperlichen Symptome werden angegeben..."

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Hylasepisode und Hylasidyll

und das Blut kocht auf in seinen Adern (1262); seine zweite Regung ist dann, daß er sein eben gewonnenes neues Ruder zu Boden wirft (1263)1 und besinnungslos davonstiirzt, wohin ihn seine Füße tragen (1263—1264 ές δέ κέλευθον | τήν θέεν ή πόδες αύτον ύπέκφερον άίσσοντα)2. Ganz anders als im ersten (Löwen-)Gleichnis auf Polyphem, das beim „Schrei" des Hylas ansetzte, wird das jetzt folgende Stiergleichnis auf Herakles durch die Nachricht des Polyphem ausgelöst 3 , die Herakles trifft, wie der Stich der Bremse den Stier, und sein wildes Davontoben zur Folge hat. Apollonios hat den Ausgangspunkt für das Gleichnis durch den Aufbau der Gleichnishandlung klar herausgearbeitet dadurch, daß sie, die aus einem einzigen Satz, aber vielen kleinen Kola besteht, mit dem Stich der Mücke beginnt (1265 ώς δ'δτε τις τε μύωπι τετυμμένος εσσυτο ταύρος) und auch mit ihm endet (1269 κακω βεβολημένος οί'στρω). Dabei stehen Anfang und Schluß wieder formal chiastisch zueinander, und die beiden Substantive, wie die beiden Verben, sind synonym gebraucht. Zur Form des „Wie"-Satzes ist weiter zu sagen, daß die Verbformen, deren Zahl auffallend groß ist, sich alle, entweder als participia coniuncta oder als verba finita, auf ein Subjekt, den Stier, beziehen — auch dies anders als im vorhergehenden Löwengleichnis, in dem das Subjekt mehrfach wechselte (Löwe — Blöken der Lämmer— Löwe — Löwe — Hirten — Löwe). In der Aufeinanderfolge der zehn Verbformen (drei Gruppen zu drei — vier — drei Verben) des Stiergleichnisses kann man folgendes Ordnungsprinzip beobachten: in der ersten Gruppe steht ein verbum finitum zwischen zwei Partizipien (τετυμμένος 1265 — έ'σσυτο 1265 — προλοπών 1266), in der mittleren Gruppe gehen zwei finite Formen zwei infiniten Verbformen (Partizip -f- Verbaladjektiv) voran (δθεται 1267—πρήσσει 1267 — απαυστος 1267 — ιστάμενος 1268), und die dritte Gruppe zeigt wieder, wie die erste, ein verbum finitum in der Mitte zweier Partizipien (άείρων 1268 — ΐησιν 1269 — βεβολημένος 1269) : die imiten Verben verhalten sich also zu den infiniten Verbformen in der ersten und letzten Gruppe wie 1 : 2, in der mittleren wie 2 : 2. 1 Darin zeigt sich genau das, was T. (67) durch τά S' Ιάσονος ΰστερα πάντ'ής expressis verbis sagt. Herakles hat seine Gefährten und die Argo völlig vergessen und demonstriert mit dem Wegwerfen des Ruders unbewußt, wie gleichgültig ihm plötzlich der Argonautenzug geworden ist. 2 Der Anschluß an T. 70—71 δ 8' ά πόδες αγον έχώρει | μαινόμενος ist unverkennbar. — Fränkels Konjektur πόδες αύτοί („die Füße von selbst") statt αυτόν ist zwar leicht, aber wohl unnötig, da dieser Sinn schon so in dem Satz liegt. Wenn die Füße und nicht er selbst als Subjekt sein Davonstürmen bestimmen, so heißt das schon, daß sie gleichsam mit ihm machen, was sie wollen. Fränkels Parallelen (T. 70 : s. ο. ; A. 4,1700f.) beweisen wenig für seine Konjektur. 3 Drögemüller 60 mit Anm. 3 (gegen Faerber 31, der den μύωψ (1265) ( = οίστρος 1269) auf den 2ρως beziehen will).

Herakles sucht Hylas

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In der Antapodosis klingt diese Zusammenballung von Verben damit aus, daß noch einmal zwei aus participium coniunctum und verbum finitum bestehende Yerbpaare einander ablösen: μαιμώων... έπαλλεν (1270) und μεταλλήγων . . . βοάασκεν (1271—1272): diese Paare demonstrieren zugleich inhaltlich die beiden Komponenten des Vergleichs, wütender Lauf einerseits und Innehalten mit lautem Gebrüll andererseits. Durch die vielen Verben, die den einen fortlaufenden ,,Wie"-Satz in viele kurze Teilsätze gliedern, erreicht Apollonios, daß die Bewegung, der rasende Schmerz, des dahintobenden Stiers (wie des Herakles) und doch gleichzeitig auch der „abgehackte" Wechsel zwischen Lauf und Stillstand (um zu brüllen) schon durch die Form des Satzgefüges angedeutet wird und das Ganze ein eindrucksvolles Beispiel für das Zusammenspiel von Form und Inhalt bietet. Apollonios hat demnach ganz außerordentliche Sorgfalt darauf verwandt, daß sich sein zweites, auf Herakles bezogenes Gleichnis auch in der Struktur scharf vom ersten auf Polyphem abhebt. Daß das Stiergleichnis inhaltlich gegenüber dem Löwengleichnis steigert, Herakles vom Verlust des Hylas leidenschaftlicher betroffen 1 , seine Verfolgung besinnungs- und zugleich sinnloser ist als die Polyphems, der immerhin noch den Schrei des Hylas gehört hatte, dem „er nachlaufen konnte" 2 , hat man der These von Polyphem als einem „alter Hercules" 3 zu Recht entgegengehalten 4 . Apollonios hat zwar die Aufgaben, die im Handlungsablauf bei Theokrit allein der Person des Herakles zugeordnet sind, in seiner Erzählung auf Herakles und Polyphem verteilt, dabei aber die naheliegende Gefahr einer bloßen Verdoppelung ängstlich dadurch vermieden, daß er die ganz verschiedene Intensität der Erregung beider (Polyphem überlegt, was er tut — Herakles verliert augenblicklich und vollständig den Kopf) und die unterschiedlichen äußeren Umstände, unter denen sie handeln, nachdrücklich hervorhebt und vor allem in den Gleichnissen gegeneinander absetzt: hier gezielte Verfolgung, dort ziellose Panik 5 . 1

Doch daß auch Polyphem den Hylas gern hatte, läßt sich wohl kaum bestreiten: vgl. 1248 Είλατίδης μεγάλ' ίστενεν (vgl. Schol. zu 1245, S. 113, Z. 9—10 Wendel) und Faerber 43, Anm. 1 (zu λιμω αίθόμενος) ; anders Koch 29, Anm. 1 : „Ich meine, daß A. absichtlich vermeidet, Polyphem als έραστής (. . .) zu zeichnen, um nicht die Wirkung der Heraklespartie 1261—1272 zu schwächen. Wie Polyphem handelt, würde und müßte jeder andere Argonaut in diesem Moment auch handeln." 2 Blumberg 26. 3 Knaack, Herrn. 18, 1883, 29. 4 Blumberg 25f. 5 Vgl. Blumberg 26.

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Hylasepisode und Hylasidyll

Zum Abschluß dieses Kapitels soll noch ein Unterschied zur Darstellung Theokrits nachgetragen werden. Statt des dreifachen Schreies des Herakles (und der dreimaligen Antwort des Hylas) (T. 58f.), läßt Apollonios Polyphem dauernd nach Hylas rufen (1249 φοίτα κεκληγώς) und Herakles in unregelmäßigen Abständen beliebig oft brüllen (1270—1272 ότέ μεν . . . επαλλεν . . ., ότέ S (ε) . . . μεγάλη βοάασκεν άυτη)1. Theokrit ist an dieser Stelle dem homerischen Vorbild Λ 462— 4632 (von Odysseus: τρις μέν επειτ' ήυσεν δσον κεφαλή χάδε φωτός, τρις δ' αιεν ίάχοντος άρηΐφιλος Μενέλαος) sehr viel näher als Apollonios, doch interessanterweise hat dieser dieselben homerischen Verse dafür an anderer Stelle variiert: 4,75—76 (77): Medea ist aus dem Palast des Aietes geflohen ; sie steht am Ufer des Phasis, sieht von der gegenüberliegenden Seite die Lagerfeuer der Argonauten herüberleuchten und ruft den Namen des jüngsten Phrixossohnes, Phrontis : τρις μέν άνήυσεν, τρις 8' ότρύνοντος ομίλου | Φρόντις άμοιβήδην άντίαχεν (οί δ' άρα τείως | ήρωες μετά τήνγε θοοΐς έλάασκον έρετμοΐς). Der unterschiedliche Hintergrund in den angeführten Beispielen zeigt, warum Apollonios dem Theokrit in den Herakles- und Polyphemszenen nicht gefolgt ist : Im Falle der Iliasparallele wird der Hilferuf des Odysseus a) gehört und hat b) Erfolg, da Menelaos ihm mit Aias zu Hilfe kommt (A 472f.). Ähnlich steht es mit dem dreifachen Ruf und Gegenruf A. 4,75f. : die Argonauten hören Medea und rudern ihr schon entgegen, als sie noch ruft (τείως 76); dabei orientieren sie sich an der Stimme Medeas über deren Standort, bei dem sie nach dem dritten Ruf anlegen. Bei Theokrit dagegen gibt es zwar noch die dreifache Antwort des Hylas aus dem Wasser, aber das Schreien des Herakles bleibt trotzdem ohne Erfolg, da er den Knaben nicht findet und auch nicht finden kann. Weil das aber so ist, hat Theokrit in der Hauptsache wohl deshalb den Herakles nur dreimal rufen und dreimal Antwort bekommen lassen, um den formalen Effekt des doppelten τρίς zu erhalten. 1

Die Wendung erinnert an T. 13,58 (von Herakles) άυσεν δσον βαθύς ήρυγε λαιμός. — Gow, CQ 32, 1938, 11, stützt hier seine These von der Minderwertigkeit der Erzählung A.s gegenüber derjenigen T.s mit dem Argument: „In spite of the fact that Polyphemus is roaring like a wild beast and Heracles bellowing like a bull their absence is unnoticed . . . " — doch war schon mehrfach Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß die Schauplätze aller drei Einzelszenen sehr weit vom Argonautenlager entfernt gedacht werden müssen (vgl. Koch 27). Dazu kommt, daß die Argonauten bei der Landung in Mysien vollkommen erschöpft waren (1174f.) und nach dem Genuß des von den Mysern reichlich erhaltenen Weines (μέθυ 1181, gemischt mit Wasser 1185), mit Ausnahme des wegen seines Schwagers Herakles beunruhigten Polyphem, ziemlich tief geschlafen haben müssen, bis Tiphys durch den aufkommenden Wind geweckt wurde (1274f.). 2 Angeführt von Gow, Komm. 242, zu T. 58f.

Die Abfahrt der Argonauten

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Apollonios jedoch, für den ein möglichst natürlicher Inhalt vor der wirkungsvollen Form den Vorrang hat, der aber die letztere dann durchaus sucht, wenn der erstere sie zuläßt (siehe das Beispiel 4,75 f. und vgl. o. S. 76f.), konnte in diesem Fall ein nur dreimaliges Schreien des — auch bei Theokrit (62—67 und 70f.) — wild und ausdauernd nach Hylas suchenden Herakles nicht sinnvoll erscheinen. Wie Apollonios schon die theokriteischen Einfalle „Hylas unter Wasser" und „Hylas' Antwort" weggelassen hatte, so läßt er hier konsequenterweise Polyphem und Herakles so lange schreien, bis sie erschöpft aufgeben (vgl. 1247 vom Löwen: δφρα κάμησιν); denn da die Suche ohne Antwort und ohne Erfolg bleiben muß, kann man sich auch für den ebenso ausdauernden wie liebeskranken Herakles kaum einen anderen Grund vorstellen, der ihn bei der Verfassung, in der ihn die Erzählung 1272 verläßt, bewegen könnte, von der Verfolgung abzulassen — und dieser Fall wird ganz beträchtliche Zeit später zu denken sein. VI. Die Abfahrt der

Argonauten

Die Kiosepisode schließt mit der Abfahrt der Argonauten vor Morgengrauen (1,1273—1279), die nur dadurch — sehr lose — mit der vorher geschilderten Suchaktion des Herakles zusammenhängt, daß sie „sogleich danach" (1273 αύτίκα) stattfindet. An dieser Stelle muß noch ein letztes wichtiges Indiz für die Priorität Theokrits erwähnt werden. Gow 1 schreibt zu μεσονύκτιον (T. 13, 69): "The night must be that on which the Argonauts have landed, and if 33 f. are rightly interpreted as preparations for a night on shore . . ., their preparations for departure are unexplained . . . it is possible that this is one of the places where T. has not fully thought out the implications of his scene." — Diese Nachlässigkeit in der Handlungsführung ist für Theokrit nicht außergewöhnlich 2 ; wenn aber Apollonios diesen in Theokrits Gedicht bestehenden Widerspruch zwischen den Vorbereitungen zum Nachtlager (33—35) und der offenbar noch für denselben Abend geplanten Weiterfahrt (68—69) nicht hat, weil er die Argonauten erst am nächsten Morgen abfahren läßt, dann ist das nicht anders zu erklären, als daß er, als der spätere Dichter, Theokrits Ungenauigkeit gesehen und beseitigt hat; denn man wird Theokrit wohl nicht zutrauen wollen, daß er aus lauter Oberflächlichkeit einen Fehler in eine vorher einwandfreie Handlung hat eindringen lassen. Apollonios begründet den Aufbruch der Argonauten (1276ff.) mit dem Aufkommen eines guten Fahrtwindes, den der Steuermann 1

Komm. 244. Gow führt zu id. 2,144 (τό γ' έχθές), Komm. 60, eine ganze Reihe von Beispielen an. 2

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Hylasepisode und Hylasidyll

Tiphys auszunutzen befiehlt (1274f. ώκα δε1 Τϊφυς | έσβαίνειν òpó-9-υνεν έπαυρέσθ-αι τ' άνέμοιο). Zu dieser Situation vergleicht Mooney im Kommentar zur Stelle die zweite Hälfte von Theokrits Kometengleichnis — das Apollonios für seine Hylasszene nicht verwenden konnte (s.o. S. 65f.) — T. 13,51b—52 ναύτας (Brunck statt -αις codd.) δέ τις είπεν έταίροις (Κ: -ος cett.) ,,κουφότερ', ώ παίδες, ποιεΐσθ' δπλα· πλευστικος ούρος". — Es ist wohl nicht abwegig, hier (1274— 1275) eine Anspielung des Apollonios auf Theokrits Kometengleichnis zu vermuten, an einer Stelle also, wo die kleine Schiffahrtsszene Theokrits sehr viel besser paßt als in einem Gleichnis, das den Sturz des Hylas illustrieren soll. Sehr ähnlich im Ansatz ist dieser Abfahrtsszene des Apollonios die Schilderung des Aufbruchs aus Iolkos 1, 519ff., wo ebenfalls auf eine Zeitbestimmung („Sonnenaufgang" 519—520a) eine Bemerkimg über den Wind folgt (520b—521). Darauf heißt es dann 522f.: δή τότ άνέγρετο Τΐφυς, άφαρ δ' όρόθ-υνεν εταίρους | βαινέμεναί τ'έπί νηα και άρτύνασθαι έρετμά. An dieser Parallelstelle aber müssen die Argonauten außerdem noch rudern, während ihnen 1,1278—1279 der Wind alle Arbeit abnimmt. Aus der Parallele kann man für die vorliegende Abschlußszene der Kiosepisode (1273ff.) ergänzen, was Apollonios nicht ausdrücklich sagt, daß nämlich entsprechend 1,522 δή τότ' άνέγρετο Τΐφυς auch hier Tiphys durch das Wehen des Windes erst geweckt wird und nicht etwa schon länger aufgewesen ist oder sogar die ganze Nacht gewacht hat 2 . Daß das Einschiffen der Argonauten 1276—1279 noch in den Rahmen der Kioserzählung gerechnet werden muß, zeigt die erst 1280 mit einer neuen langen Zeitbestimmung der Form ήμος — τήμος einsetzende nächste Szene. Ergebnis

Wenn schon die äußere Chronologie eine Spätdatierung der Argonautika des Apollonios (vor allem wegen ihrer Abhängigkeit von Kallimachos' Aitia) wahrscheinlich machte und damit die Annahme des Erscheinens eines Theokritgedichtes nach der Herausgabe dieser Argonautika erschwerte, so erwiesen sich auch die inhaltlichen Argumente, mit denen man versucht hat, diese Ansicht zu stützen, als wenig stichhaltig. Besonders die These von der Unterlegenheit der Darstellung des Apollonios gegenüber der des Theokrit, die in der 1 Vgl. Mehmel 38: „. . . das übliche gewollt naive archaisierende Sé deckt hier eine kausale Beziehung . . . " 2 So wie z.B. l,1082f. Akastos und Mopsos den Schlaf der Gefährten bewachen, weil man vor einem eventuellen Racheakt der Leute des getöteten Kyzikos doch nicht so ganz sicher sein kann. — In Kios aber gab es keinen Anlaß Wachen auszustellen.

Ergebnis

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Diskussion um die Prioritätsfrage die größte Rolle spielt, läßt sich nicht halten. Theokrits Idyll, das man immer als so vollkommen hingestellt hat, weist f ü r einen Betrachter, der so genau ist wie Apollonios, manche Mängel auf: 1. die Vernachlässigung des zeitlichen Hintergrundes zugunsten der „Kleinmalerei", die sich z.B. in der detaillierten Beschreibung der Flora an der Nymphenquelle, trotz der nächtlichen Dunkelheit, zeigt ; 2. die Bevorzugung formaler Effekte ohne Rücksicht auf ihre inhaltliche Berechtigung oder Glaubwürdigkeit, wie die häufige Epanalepse, der zuliebe Theokrit z.B. alle drei Nymphen sich in Hylas verlieben läßt (s. o. S. 63) und die ihn dazu verleitet, Herakles nur dreimal nach Hylas rufen zu lassen (s. o. S. 78f.) — oder die nicht weniger beliebte Antithese (πολλοί μίαν 13,33 — μίαν αμφω 38: s. o. S. 33 mit Anm. 6; es ist schwer zu sehen, wieso es inhaltlich gerade besonders sinnvoll sein soll, daß „viele" „ein" gemeinsames Lager bereiten, oder warum es hervorgehoben werden muß, daß „beide" „einen" gemeinsamen Tisch f ü r ihre Mahlzeit benutzen); 3. die beiden zwar formal schönen, inhaltlich aber wenig befriedigenden Gleichnisse 13,50—52 und 62—65 (s.o. S. 65 und S. 71—74); 4. der offensichtliche Widerspruch zwischen den Vorbereitungen f ü r das Nachtlager (13,33—35) und der geplanten Abfahrt um Mitternacht (13,69) (s. o. S. 79). Wenn sich aber die „Vollkommenheit" von Theokrits Idyll aus der Sicht des Epikers durchaus anzweifeln ließ und Apollonios seinerseits ein viel sorgfältigeres Handlungsgewebe bietet, dann war zu fragen, welche Hindernisse f ü r die Annahme der Posteriorität des Apollonios noch bestehen könnten. Dabei zeigte sich, daß die beiden allein erwägenswerten Einwände, 1. das Wasserholen sei bei Theokrit besser motiviert (Knaack) und 2. die Abfahrt der Argo ohne Herakles sei bei Theokrit glaubwürdiger dargestellt (Gow), einerseits 1. aus den Bedingungen des Epos im allgemeinen, das eine ausführlich geschilderte Lager- und Essensszene auch besonders begründen mußte (s. o. S. 37f.), andererseits 2. aus den mythologischen Voraussetzungen, die ein Zurückbleiben von Herakles und Polyphem in Mysien verlangten, erklärt werden können. Zum zweiten Einwand aber ist außerdem zu sagen, daß Apollonios trotzdem dieses unbemerkte Fehlen der beiden Helden, so gut es ging, motiviert hat : a) es ist noch dunkel, als die Argonauten abfahren (1,1273, vgl. 1280ff.); b) sie werden durch einen guten Fahrtwind begünstigt (l,1274ff.), brauchen also nicht zu rudern (das ist ist sicherlich beabsichtigt : beim Rudern β 8316 Köllnken, Hyp. 12

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Hylasepisode und Hylasidyll

hätte das Fehlen des Herakles mindestens seinem Banknachbarn Ankaios sofort auffallen müssen). Wenn man sich jedoch fragt, was in der Erzählung des Apollonios positiv für seine Posteriorität sprechen könnte, so ist zu erwähnen: 1. Apollonios geht in fast jeder Einzelheit, die er mit Theokrit gemeinsam hat, einen Schritt weiter: a) in der Verknüpfung von Quelle und Wasser (s. o. S. 40f.); b) in der Synopsis der Nymphe und Hylas (s. o. S. 62—66) ; c) in der Herstellung des Kontaktes von Angreiferin und Angegriffenem (κάββαλε 1239: s.o. S. 64f.); d) in der Weiterentwicklung des erzenen Eimers zum „tönenden" Erz (s. o. S. 64); e) im Motiv der Nymphenchöre, die er zu einer „stehenden Einrichtung", gegenüber der Einmaligkeit bei Theokrit, macht, und in der Einführung der Quellnymphe gleichsam als Schlußglied in einer Dihairesis der Nymphen vom genus supremum zur infima species (s. o. S. 57f.) ; f) in der Erweiterung des Löwengleichnisses durch die beiden Züge „Schreien des Löwen" (s. o. S. 73) und „Vergeblichkeit der Suche" (s. o. S. 73); 2. Apollonios hat eine ganze Reihe von kleinen, aber wirksamen Motiven mehr als Theokrit (s. o. S. 66): a) b) c) d) e) zu

das Mondlicht, das rauschende Wasser, die Verwirrung der Nymphe, die unsichere Stellung des Hylas an der Quelle, die einzelnen Bewegungen des Mädchens und ihren Wunsch, Hylas küssen ; 3. Bei Apollonios fehlen die Unstimmigkeiten in Theokrits Erzählung : a) er läßt das Kometengleichnis weg, dessen zweiter Teil die Handlung unnötig belastet (s. o. S. 65f.); b) er bringt das Löwengleichnis mit der Erzählung in Einklang (s.o.S. 73f.); c) er läßt die Argonauten die Nacht an Land verbringen und beseitigt damit den Widerspruch bei Theokrit (s. o. S. 79) ; d) Polyphem und Herakles schreien beliebig oft, nicht nur dreimal wie Herakles bei Theokrit (es ist auch bei Theokrit nicht einzusehen, wieso Herakles nach dem dritten Ruf plötzlich schweigen und nur noch lautlos dahinstürmen sollte) (s. o. S. 78f.);

Ergebnis

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4. Die ungewöhnlich komplizierte Handhingsverknüpfung in der Kiosepisode (s. o. S. 20f. und 23—25) läßt sich gut mit dem Wunsch des Apollonios erklären, seine Darstellung gegen die seines Vorgängers abzusetzen. Gewöhnlich hat auch Apollonios nur eine zur Argonautenhandlung gleichzeitige Handlung 1 und innerhalb der Sonderaktion einzelner Argonauten in seinem Epos nur ein Gegeneinander oder Nacheinander der Handlungsteile (Handlung und Gegenhandlung) 2 . Die bei Theokrit vorliegende antithetische Aufeinanderfolge von Hylas- und Herakleshandlung würde man an sich auch für Apollonios eher erwarten: doch Polyphem und Herakles etwa zusammen aus Sorge (das Motiv hat Apollonios ja auch: s. o. S. 68) um Hylas aus dem Lager gehen zu lassen, wäre eine bloße Imitation Theokrits gewesen, die dem Apollonios nicht genügen konnte. Alle Beobachtungen, die die vergleichende Betrachtung der Erzählungen beider Dichter ergab, führen demnach zu dem Schluß, daß Apollonios seine Episode nach dem Idyll Theokrits und unter Weiterentwicklung und Variation der bei diesem vorliegenden Motive und Einfälle geschrieben hat. 1

Vgl. Anhang (S. 122—124). Vgl. außer den o. S. 18ff. mit der Kiosgeschichte verglichenen Episoden 3, 1191—1224 und 4,109—184 z.B. noch 2,815ff. (Idmons Tod: Gegeneinander von Idmon und κάπριος); 4,452ff. (Ermordung des Apsyrtos: Nacheinander: die Argonauten (mit Medea) 452—454a — Jason 454b—455 — Apsyrtos (-»Medea) 456ff.: Gegenhandlung — Jason 464 usw.); außerdem 4,1502ff. (Tod des Mopeos: Gegeneinander von Mopsos und δφις: V. 1505 eingeführt). 2

β·

Die Amykosepisode, Apollonios, Arg. 2,1—97 (im Vergleich mit Theokrit, id. 22,27—134) Vorbemerkung

Als Ergänzimg zur Besprechung der Hylasgeschichte ist es notwendig, noch auf das zweite von Theokrit und Apollonios gemeinsam behandelte Thema, den Faustkampf zwischen Amykos und Polydeukes (T.id. 22,27—134—A.Arg. 2,1—97), einzugehen, der in der Diskussion um die Priorität ebenfalls eine, wenn auch geringere, Rolle spielt. Eine vergleichende Gegenüberstellung des Handlungsablaufs bei Theokrit und Apollonios ergibt folgendes Bild : T. 22,27—134: A) 27—33: Lavdung der Argonauten bei den Bebryken B) 34—74 : Die Dioskuren Kastor und Polydeukes abseits von den übrigen Argonauten 1. 34—36: Ihr Spaziergang 2. 37—74: Ihre Begegnung mit Amykos : a) 37—43 : Der Schauplatz : die Quelle und ihre Umgebung b) 44—52: Amykos an der Quelle (sein Aussehen) c) 53—74: Stichomythie Polydeukes — Amykos (Amykos weigert sich, die Dioskuren aus der Quelle trinken zu lassen und fordert Polydeukes zum Boxkampf auf) C) 75—79: Überleitung: Amykos ruft die Bebryken (75—77), Kastor die Argonauten (78/79) D) 80—130: Der Boxkampf (Ergebnis: Amykos wird zweimal zu Boden geschlagen und gibt beim zweiten Mal den Kampf auf) E) 131—134: Begnadigung und Eid des Amykos (Er schwört, künftig Fremden gegenüber höflich aufzutreten).

A. 2,1—97: A) 1—24: Vorspiel 1. 1—7: Amykos und sein frevelhafter θεσμός: tödlicher Boxkampf für jeden Fremden 2. 8—19a: Herausforderung der landenden Argonauten 3. 19 b—24 : Annahme der Herausforderung durch Polydeukes B) 25—50: Vorbereitendes Stadium: Amykos und Polydeukes 1. 25—29: Gleichnis: Amykos fixiert seinen Gegner 2. 30—42 : Charakterisierende Vergleichspartie 3. 43—50: Die verschiedene Einstellung zum Kampf C) 51—66: Vorbereitungen für den Kampf: 1. 51—62 a : Die Boxriemen 2. 62b—66: Die Sekundanten: Kastor und Talaos (62 b—64) — Aretos und Ornytos (65f.) D) 67—97 : Der Boxkampf (Ergebnis: Amykos wird tödlich getroffen) E) 98—163: Nachspiel: Der Kampf der Argonauten mit den Bebryken.

Bei dieser Gegenüberstellung fällt zunächst die verschiedene Verteilung der Gewichte in den beiden Darstellungen auf. Theokrit richtet seine volle Aufmerksamkeit auf die stimmungsvolle Umrahmung. Er geht nicht direkt auf sein Thema „Loblied auf Poly-

Vorbemerkung

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deukes" (V. 26) los, der Boxkampf des Dioskuren mit Amykos liegt durchaus nicht von vornherein im Brennpunkt des Interesses : Theokrit geht aus von der Landungsszene (30—33), spricht dann von einer Sonderaktion der Dioskuren, ihrem Umherstreifen im Wald (35f.), und beschreibt schließlich besonders ausführlich die Schönheit der Quelle, auf die Kastor und Polydeukes stoßen, und deren reizvolle Umgebung (37—43). Das friedliche Landschaftsbild soll offenbar den Kontrast zur wilden und abstoßenden Erscheinung des dasitzenden Amykos abgeben1, dessen eindrucksvollen Körperbau der Dichter im folgenden mit sichtlicher Freude am Detail ausmalt (45—52). Er läßt weiter das Gespräch zwischen Polydeukes und Amykos erst ganz allmählich von der unfreundlichen Antwort des letzteren auf den höflichen Gruß des ersteren — über einen Streit um das Quellwasser — auf das Verlangen des Amykos nach einem Faustkampf zusteuern. Theokrit „pirscht" sich also gleichsam nur sehr langsam und mit vielen Digressionen an sein eigentliches Ziel heran. Sobald er es jedoch erreicht hat (V. 65fF.), geht er, ohne sich lange bei den Vorbereitungen für das Duell aufzuhalten, gleich in medias res und schildert den Kampf in aller Ausführlichkeit (80—130). Apollonios dagegen läßt in seiner Darstellung alle Ornamente weg, der Faustkampf wird von Anfang an (V. 6f.) als Kernstück der Handlung herausgestellt, und jede Einzelheit hat ihre Bedeutung für das zentrale Thema der Auseinandersetzung zwischen Amykos und Polydeukes. Argonauten und Bebryken erscheinen ganz am Rande — daß Amykos ein Gefolge bei sich hat, wird vor dem Ende des Zweikampfes überhaupt nur einmal (V. 36) erwähnt —, und selbst Kastor tritt nur ein einziges Mal innerhalb des Vergleichsabschnittes (bis V. 97) auf, und zwar als einer der beiden Sekundanten seines Bruders (V. 62). Die Landschaft spielt keine Rolle. Die drei vorbereitenden Szenen, die Apollonios dem eigentlichen Kampf vorausschiebt (1—66), nehmen insgesamt mehr Raum ein als das Duell selber (67—97), doch haben sie ausschließlich den Zweck, dieses vorzubereiten und die grundverschiedenen Persönlichkeiten der beiden Kontrahenten deutlich zu machen. Die Schilderung des Boxkampfes, für sich genommen, ist um genau zwanzig Verse kürzer als diejenige Theokrits (31 gegenüber 51 Versen). Die Unterschiede zwischen der theokriteischen und der apollonianischen Version der Amykosgeschichte sind also beträchtlich2: vor 1

Hagopian 10. Am schärfsten betont von Fränkel, Ap. 144, Anm. 3: ,,. . . in fact, genre, style and aims are so dissimilar in the two works that it is hardly possible to weigh the merits and defects of the one against those of the other." — Vgl. schon Wilamowitz, Textg. 194: „Es ist ganz klar, daß inhaltlich keinerlei Beziehimg zwischen T. und A. o b w a l t e t . . . " a

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Amykós

allem der verschiedene Ausgang des Kampfes fällt auf: Begnadigung des Amykos auf der einen, sein Tod auf der anderen Seite. Da die Abweichungen so viel größer sind als im Falle des „Hylas", ist es schwieriger, die Frage nach dem zeitlichen Verhältnis der beiden Darstellungen zueinander zu beantworten. Hinzu kommt, daß aus drei Gründen die Möglichkeit, beide Dichter könnten unabhängig voneinander auf eine gemeinsame Quelle zurückgreifen, nicht ganz auszuschließen ist : 1. Anders als in den beiden Fassungen des Hylasmythos gibt es bei den beiden parallelen Amykosgeschichten nur wenige1 wörtliche Anklänge. 2. Der Boxkampf Polydeukes — Amykos ist schon in vorhellenistischer Zeit mehrfach behandelt worden, vor allem von Epicharm in seiner Komödie "Αμυκος2 und Sophokles in einem Satyrspiel, ebenfalls mit dem Titel "Αμυκος3. — Im Gegensatz dazu war die Behandlung der Hylasgeschichte nur für zeitgenössische Autoren nachweisbar4. 3. Es gibt eine Reihe von vorwiegend etruskischen, bildlichen Darstellungen von Szenen aus dem Boxkampf Polydeukes — Amykos 6 , 1 Zusammenstellungen bei Peschties 52f.; Gow, C1R 56, 1942, 11 Sp. 2, Anm. 3; Scheidweiler 353, Anm. 1. T. 44 ύπέροπλος ~ A.4 ύπεροπληέστατος (das Wort ist selten und wird bei Horn, und Hes. nicht von Personen gebraucht: vgl. Peschties 52) — T. 97 ύπερφίαλον (sc. "Αμυκον) ~ A. 54 (von Amykos:) έπέεσσιν ύπερφιάλοισιν (vgl. 129 Βέβρυκας υπερφιάλου?) — T. 65 εΤς ένί χείρας όίειρον έναντίος άνδρΐ καταστάς (vgl. 68) ~ Α. 14 πρίν χείρεσσιν έμησιν έάς άνά χείρας άεϊραι (vgl. 78 χερσίν έναντία χείρας ίμειξεν) (doch vgl. auch Ψ 686f.) — T. 94 έναλίγκιος ~ Α. 37 έναλίγκιοι (doch vgl. z.B. Hes. op. 129) — T. 99 oí S' άμα πάντες άριστηες κελάδησαν ~ Α. 96f. oí δ' ίάχησαν | ήρωες Μινύαι — Τ. 104 μέσσης £ινός ΰπερθε κατ' όφρύος ήλασε πυγμή ~ Α. 108 (Polydeukes im Bebrykerkampf :) δεξιτερή σκαιής υπέρ όφρύος ήλασε χειρί — Τ. 124 πλήξεν υπό σκαιόν κρόταφον ~ Α. 95 κόψεν . . .ύπέρ οΰατος (vgl. aber σ 96 αύχέν' ϊλασσεν υπ' ουατος, όστέα δ' εϊσω | ίθ-λασεν und Ψ 690 κόψε δέ παπτήναντα παρήϊον) — Τ. 126 πυκνοί δ' άράβησαν δδόντες ~ Α. 83 βρυχή δ' ύπετέλλετ' όδόντων (doch vgl. Ψ 688 χρόμαδος γενύων γένετ'(ο)). — Zu Τ. 80— 82 ~ Α. 67—69 s. u. S. 87—89. In einigen Fällen lassen sich die Übereinstimmungen also als Rückgriff und Variation zu den von beiden Dichtern benutzten homerischen Erzählungen der Boxkämpfe zwischen Epeios und Euryalos (Ψ 664—699) und zwischen Odysseus und Iros (σ 1—100) erklären. 2 F 6—8 Kaibel; vgl. Schol. A. 2,98 (S. 132 Wendel): Die Scholien nennen außer Epicharm noch Peisandros und Deiochos, doch ist der erstere überhaupt eine „fragwürdige Erscheinung" (Jac. FGrHist. la 2 S. 493, vgl. die Nachträge S. 544—547: Komm, zu Nr. 16 Peisandros), bei letzterem ist die Datierung unsicher (4. Jh. nach Jacoby, FGrHist I l l b S. 370 : Komm, zu Nr 471 Dei(l)ochos v. Kyzikos, doch vgl. Gow, Komm. 399f.). 3 F 8 und 9 Steffen (SGF p. 151) = F 111 und 112 Pearson. 1 Siehe o. S. 32. 5 Vgl. ζ. Β. Beazley, Plate XIV, 1 (auf dasselbe griechische Original zurückgehend wie die Ficoroni-cista : Beazley p. 5 und 58f.) und Plate XIX, 1 (mit Beazley's Bemerkungen p. 80). — Als ältestes erhaltenes Bild von Amykos erwähnt Beazley, p. 60, einen attischen Krater aus dem Ende des 5. Jh.s v. Chr.

Vorbemerkung

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unter ihnen vor allem diejenige auf der Ficoroni-cista des Novios Plautios (4. Jh. v. Chr.)1. In der Stellungnahme zur Amykosgeschichte hat man jedoch zu Recht darauf verwiesen, daß auf Grund der nachweisbaren direkten Beziehung zwischen den beiden Versionen des Hylasmythos mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Fall des „Amykos" der eine der beiden Dichter die Darstellung des anderen gekannt und benutzt haben wird2. Unter dieser Voraussetzung sind die meisten Forscher, wie schon bei „Hylas" so auch hier, der Meinung, das Gedicht Theokrits sei später zu datieren als die Erzählung des Apollonios3. Ausschlaggebend ist dabei wieder die Behauptung, Theokrits Hymnus sei der Episode des Apollonios weit überlegen4. Für die Besprechung ergeben sich also drei Fragen: 1. Inwieweit läßt sich die unmittelbare Verwandtschaft der beiden Darstellungen aus dem Text selbst wahrscheinlich machen? 2. Ist es möglich, etwas über das Verhältnis der beiden Erzählungen zu der vor allem aus der Ficoroni-cista und den Scholien in Einzelheiten rekonstruierbaren vorhellenistischen Behandlung der Amykossage auszusagen, und sind daraus Anhaltspunkte für die zeitliche Einordnung zu gewinnen? 3. Ist die Behauptung, Apollonios' Darstellung sei derjenigen Theokrits unterlegen, berechtigt? Zur Prüfung dieser letzten Frage möchte ich besonders die zweite Szene in der Episode des Apollonios (Punkt Β der Gliederung o. S. 84) im einzelnen interpretieren und den Aufbau der eigentlichen Kampfhandlung bei beiden Dichtern (Punkt D der Gliederung o. S. 84) vergleichen. Die unmittelbare Verwandtschaft der beiden Darstellungen des Boxkampfes

Faerber5 hält unter den wörtlichen Anklängen die Verse T. 80— 82 ~ A.67—69 als Argument für die direkte Verwandtschaft für „schlagend". Da diese Partie zugleich der einzige wirklich über1

Abbildung z.B. bei Gow, Komm. Plates XIV und XV. Wilamowitz, Textg. 178; vgl. Gow, C1R 56, 1942, 12 Sp. 1: » . . . if in one of the two stories common to the poets a connexion between them is established, there is some a priori likelihood of a connexion also in the second . . . " 3 So z.B. Wilamowitz, Textg. 178; Peschties 53; Gow, C1R 56, 12 Sp. 1 und Komm. 382; Hagopian 65. 4 Vgl. z.B. Gow, Komm. 382: „. . . T. is writing second, for Α., if he had T.'s much superior narrative before him must either have written better or, if he could not, have taken pains to avoid provoking comparison" und 383: „His (sc. T.'s) narrative excels A.'s . . . in precisely the same manner as id. 13 excels A.'s narrative of the rape of Hylas". — Umgekehrt führt Scheidweiler, 353, in einer merkwürdigen Argumentation, den angeblich geringen Wert der 2

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Amykos

zeugende Beleg dafür zu sein scheint, daß die Beziehungen zwischen den beiden Darstellungen des Boxkampfes sich nicht auf die Gemeinsamkeit des Stoffes und der Quellen beschränken, möchte ich sie hier anführen : T. 80—82(3):

οί δ' έπεί οδν σπείρησιν έκαρτύναντο βοείαις χ ε ί ρ α ς και περί γυΐα μακρούς ε Ελιξαν ιμάντας, ες μέσσον σύναγον φόνον άλλήλοισι πνέοντες, ένθα . . . Α. 67—69(70): οί δ' έπεί οδν ί μ α σ ι 1 διασταδον ήρτύναντο αύτίκ' άνασχόμενοι ρεθ-έων προπάροιθε βαρείας, χ ε ί ρ α ς , έπ' άλλήλοισι μένος φέρον άντιόωντες. ένθα δέ . . . In beiden Fällen stehen die Verse an auffallender Stelle der Handlung: sie kennzeichnen den Beginn des eigentlichen Kampfes. Dabei ist bei Theokrit das Anlegen der Boxriemen nur hier im Einleitungssatz erwähnt, während Apollonios daraus eine eigene Szene macht (51—66: Punkt C der Gliederung o. S. 84) und so die Rüstung zum Boxkampf scharf vom eigentlichen Kampf trennt. Die Gegner stehen bei ihm jetzt startbereit in einiger Distanz voneinander (67 διασταδον) auf ihren Plätzen. Bei Theokrit andererseits wird der Rüstung keine besondere Bedeutung zugemessen, sie wird erst bei Beginn des Kampfes selbst kurz referiert und damit in dessen Bereich mit hineingezogen. Von diesem Unterschied abgesehen aber sind die Übereinstimmungen in der Eröffimngspartie ganz auffallend. Die ersten Worte der Anfangsverse οί δ' έπεί οδν (T. 80 a ~ A. 67 a) können Theokrit und Apollonios zwar beide aus Γ 340 (Eröffnung des Zweikampfes Paris — Menelaos: οί δ' έπεί οδν έκάτερθ-εν ομίλου θωρήχθησαν) übernommen haben 2 , doch ist derselbe Einsatz, beide Male zu Beginn des eigentlichen Faustkampfes, immerhin bemerkenswert. Bei beiden Dichtern jedoch folgt die Erwähnung der Boxriemen (σπείρησιν T. 80 a und ίμασι Α. 67 a, bedeutungsgleich und im selben Kasus gebraucht), und auch έκαρτύναντο und ήρτύναντο (80b und 67 b) gleichen sich in der Sache und im Klang. Das sehr ähnliche Enjambement T. 80f. (σπείρησιν) βοείαις | χείρας bzw. Α. 68f. βαρείας | χείρας3 aber kann kaum mehr zufällig sein. Dazu kommt das aneinander anErzählung des A. als Beleg dafür an, daß T.'s Dioskurenhymnos vor A. geschrieben sein müsse: A.s Darstellung sei „so wenig originell, daß sich T. schwerlich veranlaßt gesehen hätte, damit in Wettbewerb zu treten". 5 S. 62. 1 ίμασι LASG: έν ίμδσι PE. Für das lange Jota vgl. Θ 544. 2 Gow, Komm. 394, macht für T. 80 (unter Hinweis auf Denniston, Gr. Part. 460) auf die ungewöhnliche Trennung der Partikeln 8' . . . οδν aufmerksam, ohne aber den oben zitierten Iliasvers zu berücksichtigen. 3 Auch βοείαις und βαρείας stimmen im Klang fast überein.

Die Stellung beider Dichter in der Tradition

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klingende Zusammenstoßen der Kontrahenten (82 ~ 69)1 und das beiden Abschnitten gemeinsame Einschwenken in die Kampfsituation mit ένθα (T. 83 ~ Α. 70). Die Vermutung, daß hier der eine Dichter mit voller Absicht den anderen „zitiert", liegt nicht fern. Die Stellung beider Dichter in der

Tradition

Unter dieser Voraussetzung jedoch ist es nach der äußeren Chronologie (s. o. S. 13—16) und auf Grund der Ergebnisse der Untersuchung der beiden Hylaserzählungen von vornherein wahrscheinlich, daß auch hier Apollonios als der spätere Dichter auf seinen Vorgänger Theokrit anspielt. Ich möchte aber versuchen, diese Annahme noch durch eine Bestimmung der Stellung beider Dichter in der Tradition zu stützen. Dabei soll a) die Vorstellung von Kastor und Polydeukes in der Einleitung des theokriteischen Hymnos (id. 22,1—26) sowie im Katalog der Argonautika des Apollonios (1,146—150) mit den üblichen Anredeformeln für die Dioskuren verglichen werden, b) der Faustkampf zwischen Amykos und Polydeukes bei Theokrit und Apollonios in seinem Verhältnis zur vorhellenistischen Darstellung, soweit sie sich rekonstruieren läßt, geprüft werden. a) Die Anredeformeln für die Dioskuren Theokrit beginnt seinen Hymnos mit den Worten (22,1—3) : ύμνέομεν Λήδας τε και αίγιόχου Λιός υίώ, Κάστορα και φοβερόν Πολυδεύκεα πύξ έρε&ίζειν χείρας έπιζεύξαντα μέσας βοέοισιν ίμασιν. Obwohl Theokrit zuerst Polydeukes besingen will (vgl. V. 26) und dessen Stärke im Boxen auch besonders unterstreicht (V. 2f.), hält er sich hier und ebenso an den beiden anderen Stellen, wo er die Dioskuren namentlich erwähnt, V. 25 (Κάστορος ή πρώτου Πολυδεύκεος αρξομ' άείδειν;) und V. 34 (Κάστωρ δ' αίολόπωλος δ τ' οίνωπός Πολυδεύκης), ganz an die konventionelle (und metrisch bequeme) Reihenfolge der Namen, zuerst Kastor, dann Polydeukes, wie sie zuerst Γ 237 (vgl. λ 300) erscheint : (Helena bei der Mauerschau) δοιώ δ' ού δύναμαι ίδέειν... Κάστορα ίππόδαμον και πύξ άγαθον Πολυδεύκεα. 1

Dabei fällt auf, daß bei T. (82) die beiden Gregner φόνο ν άλλήλοισι πνέοντες aufeinander losgehen, Amykos am Ende jedoch sein Leben behält, während es bei A. (69) zunächst viel harmloser und sportlicher heißt έπ' άλλήλοισι μένος φέρον άντιόωντες, Amykos aber am Ende mit dem Kampf zugleich sein Leben verliert.

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Amykos

Dieselbe Folge der Namen findet sich im homerischen Hymnos auf die Dioskuren (hy. 33), der Theokrit als Vorlage für die im Prolog seines Gedichtes (22,6—26) folgende Szene von Kastor und Polydeukes als Retter in Seenot geratener Schiffe gedient hat 1 : Hy. 33,1—3 : άμφί Διός κούρους έλικώπιδες εσπετε Μουσαι ΤυνδαρίδαςΛήδης καλλισφύρου άγλαά τέκνα, Κάστορά θ·' ίππόδαμον και άμώμητον Πολυδεύκεα. Ähnlich auch im 17. homerischen Hymnos (V. 1): Κάστορα καΐ Πολυδεύκε' άείσεο Μοϋσα λίγεια2. Apollonios dagegen stellt die Dioskuren im Katalog (1,146ff.) folgendermaßen vor: και μήν Αίτωλίς κρατερόν Πολυδεύκεα Λήδη Κάστορά τ' ώκυπόδων ώρσεν δεδαημένον ίππων Σπάρτηθεν, . . . Die umgekehrte Anordnung der Namen ist ganz bewußt gewählt: Polydeukes ist für die Argonautika der wichtigere der beiden Brüder, da er im Kampf mit Amykos seine besondere Aristie erhält. Er wird doshalb als erster genannt und nur durch das Attribut κρατερός gekennzeichnet, während Kastor, der im weiteren Verlauf der Fahrt kaum noch eine Rolle spielt, deshalb an dieser Stelle eine eigene charakterisierende Bemerkung erlangt (V. 147). Wie schon in der Hylaserzählung, so zeigt sich auch hier wieder, wieviel genauer als Theokrit Apollonios auch in Einzelheiten überlieferte Daten nach den Erfordernissen seiner Dichtung durchdenkt. Die Hervorhebung des Polydeukes ist eine Neuerung gegenüber der Tradition, mit der Theokrit sich noch im Einklang befindet und über die er nicht weiter nachgedacht hat. Die über Theokrit hinausgehende Überlegung des Apollonios stimmt zu der Annahme, daß die Argonautika später verfaßt sind als der theokriteische Dioskurenhymnos. b) Das Verhältnis der beiden Versionen des Faustkampfes zur vorhellenistischen Darstellung Für die vorhellenistische Auffassung vom Boxkampf zwischen Amykos und Polydeukes läßt sich folgendes feststellen: Epicharm ließ in der Komödie „Amykos" den Kampf mit der Fesselung des » Vgl. Gow, C1R 56, 1942, 11 Sp. 1 und Komm. 382. 2 Die übliche Reihenfolge Kastor — Polydeukes ζ. B. auch : Hes. F 94, Ζ. 13, Ζ. 27 und Ζ. 31 Rz. 3 und außerhalb hexametrischer Dichtung: Pi.P, XI 61 f. ; Ν. X 49f. ; I. V 33.

Die Stellung beider Dichter in der Tradition

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Amykos durch Polydeukes enden 1 , und damit stimmen die bildlichen Darstellungen überein, von denen mehrere den an einen Baum gefesselten Amykos zeigen2. Außerdem ist das Motiv der Dioskuren an der Quelle auf der Ficoroni-cista und auf anderen Bildern nachweisbar 3 , ist also von Theokrit (V. 37—40) übernommen 4 . Dazu aber hat Novios Plautios auf der Cista auch die von Theokrit (V. 30—33) beschriebene Landungsszene abgebildet: die Argo ist zu sehen und sogar die an der Bordwand lehnende κλΐμαξ (vgl. T. 30), auf der einer der Argonauten mit Geräten für das Kampieren herabsteigt 5 . Durch die Tradition waren also folgende Züge der Amykosgeschichte vorgegeben: 1. Die Szene von der Landung der Argonauten in Bebrykien (in einer Fassung, die derjenigen Theokrits (30—33) ähnlich war). 2. Das Zusammentreffen der Dioskuren mit Amykos® an einer Quelle (vgl. T. 37ff.) und damit wohl auch der Streit um das Wasser 7 (vgl. T. 62ff.). In der Nähe des Kampfplatzes muß es Bäume gegeben haben, da Polydeukes den Amykos an einen Baum fesselt. Dazu scheint Theokrits Beschreibung unmittelbar zu stimmen, da er den Kampf unter Platanen stattfinden läßt (76, vgl. 40f.). Apollonios dagegen erwähnt erst bei der Siegesfeier der Argonauten, nach der Schlacht mit den Bebryken, daß die Argo am Stamm eines Lorbeerbaums vertäut ist, mit dessen Blättern die Argonauten sich Siegeskränze winden (159f. ; vgl. 166). 3. Die Ausrüstung der Boxer mit Riemen um Hände und Unterarme 8 , wie bei Theokrit, V. 80f., wo deutlich zwischen den σπεΐραι für die χείρες (80f.) und den ιμάντες . . . περί γυΐα (81) unterschieden wird 9 . 1 Schol. A. 2,98 (S. 132 Wendel): vgl. F 7 Kaibel. Wie das Stück bei Sophokles ausging, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, doch vermutet Pearson (I p. 71), daß es ebenfalls mit der Fesselung des besiegten Amykos geschlossen haben könnte. Ein solches Ende sei für ein Satyrspiel eher zu erwarten als der Tod des Amykos. 2 Vgl. außer der Ficoroni-cista z.B. noch Beazley, Plate XIV, 1 (mit p. 58— 60); Matthies, S. 79, Abb. 15. 3 Z.B. Beazley, Plate XIV, 1 und X I X , 1. 4 Wilamowitz, Textg. 195. 5 Gow, Komm. Plate XV. β Vgl. Epich. F 6 Kaibel (es spricht offenbar Kastor:) "Αμυκε, μή κύδαζέ μοι τόν πρεσβύτερον άδελφεόν. 7 Die Quelle erscheint fast regelmäßig auf den bildlichen Darstellungen, entweder zusammen mit der Fesselung des Amykos (s. z.B. Beazley, Plate XIV, 1 und die Ficoroni-cista) oder auch in einer anderen Szene des Kampfes (Beazley, Plate X I X , 1). Sie scheint das Streitobjekt und damit der Anlaß für den Boxkampf zu sein. 8 Ficoroni-cista, Gow, Komm. Plate XIV. Ebenso auf den beiden Stamnoi bei Beazley, Plate XIV, 1 und X I X , 1. 9 Zu den verschiedenen Formen der Boxriemen s. Gow, Komm. 394.

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4. Die Fesselung des Amykos: der besiegte Bebrykerkönig bleibt also am Leben, wie bei Theokrit (V. 131)1. Theokrit hat demnach die Szenerie und die Grundzüge der Handlung aus der Tradition übernommen. Möglicherweise ist seine Hauptvorlage die erwähnte Komödie "Αμυκος des Epicharm gewesen, wie Wilamowitz 2 zweifelnd erwägt. Dafür könnte sprechen, daß 1. Theokrits Schilderung deutlich komödienhafte Züge aufweist, so vor allem in der übertrieben martialischen Figur des Amykos (V. 44— 52), im Dialog zwischen Polydeukes und Amykos (V. 54—74, besonders der Vergleich des Preisboxens mit einem Hahnenkampf V. 72), in der Diskrepanz zwischen dem „blutdürstigen" Anfang des Kampfes (V. 82) und dem verhältnismäßig harmlosen Ende (V. 131— 134) und in den komischen Versen 112—1143; 2. die Beschäftigung des Syrakusaners Theokrit mit seinem Landsmann Epicharm durch T. ep. 18 (auf eine Statue Epicharms) gesichert ist. Andererseits zeigt ein Vergleich mit der Version, die Apollonios von der Auseinandersetzung des Polydeukes mit Amykos gibt, die folgenden grundsätzlichen Abweichungen von der Tradition und dem mit dieser im Einklang stehenden Gedicht Theokrits 4 : a) Die Argonauten treffen schon bei der Landung mit Amykos zusammen (V. 8if.), und der Boxkampf wird direkt am Meeresstrand ausgetragen (V. 36 ένί ψαμά&οισιν), von einer Quelle, wie auf den bildlichen Darstellungen und bei Theokrit, ist nicht die Rede; b) Es gibt keine Sonderstellung der Dioskuren, die Herausforderung des Amykos richtet sich an alle Argonauten (10—20a), aus deren Mitte sich dann Polydeukes meldet und den „Fehdehandschuh" aufnimmt (V. 20b—25a). Der jüngere Bruder Kastor erscheint erst V. 62 als einer der beiden Sekundanten des Polydeukes und erschlägt 1

Daß Polydeukes seinen Gregner erst nur fesselt und ihn dann später doch noch umbringt, ist ganz unwahrscheinlich. — Gut denkbar ist dagegen, daß Amykos wieder freigelassen wird, nachdem er, wie bei T., einen Eid geschworen hat, sich in Zukunft höflicher zu benehmen: vgl. Gow, Komm. 400 (zu T. V. 131). 2 Textg. 195: „Das (sc. die Bemerkung der Schol. zu A. 2,98) berechtigt uns nicht gerade zu sagen, T. nahm die Geschichte aus seinem Landsmann Epicharm, aber er kannte doch die verbreitete Geschichte in der Form, wie sie auch Epicharm gegeben hatte." 3 Sieheu. S. 112. * Bei A. sind nur die Probeschläge in die Luft, die Polydeukes zum „Warmwerden" vollführt (45—47), einer Einzelheit auf der Ficoroni-cista ähnlich: Polydeukes ist dargestellt, wie er Übungshiebe gegen einen Punchingball ausführt (Gow, Komm. Plate XV). Bei T. dagegen gibt es kein Training.

Die These von der Unterlegenheit der apollonianischen Darstellung

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in den Versen 102ff., nach dem Tode des Amykos, als erster einen der Polydeukes angreifenden Bebryken 1 . Diese Hervorhebung Kastors erinnert an die traditionelle Untrennbarkeit der Dioskuren, die auch bei Theokrit noch ganz selbstverständlich als Paar erscheinen. Bei Apollonios aber treten nicht mehr die Dioskuren, sondern Polydeukes allein auf; c) Apollonios erwähnt nur eine Sorte von Boxriemen (ιμάντες 52 f. 63f. 67), die die Boxer wohl nur um die Hände binden (vgl. V. 57 βάλευ περί χερσί);

d) Der Kampf endet mit dem Tod des Amykos (V. 97)2. Dieses Verhältnis zur Tradition scheint mir die Priorität Theokrits zu bestätigen. Bis zu ihm ist der Kampf zwischen Polydeukes und Amykos eine relativ harmlose Rauferei, in der der immer überlegene Polydeukes 3 dem „Grobian" 4 Amykos gleichsam den gebührenden „Denkzettel" gibt; erst mit Apollonios wird daraus ein Kampf um Leben und Tod (vgl. V. 6f.; 50; 88f.) unter gleichwertigen Gegnern 5 . Die Konzeption des Apollonios ist dann für spätere Schriftsteller, die das Thema behandeln, verbindlich geworden, denn sie lassen den Kampf immer tödlich für Amykos ausgehen®. Die These von der Unterlegenheit der apollonianischen Darstellung Zur Prüfung der These von der Unterlegenheit der apollonianischen Darstellung gegenüber derjenigen Theokrits ist ein Vergleich der Handlungsabläufe im einzelnen erforderlich. Dabei möchte ich I. die Charakterisierungen, die Theokrit und Apollonios von den zentralen Figuren der Handlung, vor allem von Amykos geben, miteinander vergleichen; II. die Versionen beider Dichter vom Verlauf des eigentlichen Zweikampfes (Punkt D der Gliederungen o. S. 84) einander gegenüberstellen. 1

Faerber 63, A r n . 2, macht auf die Herausstellung Kastore im Bebrykenkampf aufmerksam. 2 Legrand, Ausg. 181, meint, T. «a . . . adouci les conséquences de la défaite d'Amycos . . . » — Richtiger ist es wohl zu sagen, daß erst A. die traditionelle Strafe für Amykos, die T. nur geringfügig variiert hatte, wesentlich verschärfte. 3 Siehe u. S. llOff. 4 Faerber 63. 5 Siehe u. S. 112ff. 8 Vgl. Apollod. bibl. 1,119; Orph. Arg. 661 ff.; Val. Flacc. 4,308ff.; Hyg.fab. 17.

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Amykos

I. Die C h a r a k t e r i s i e r u n g d e r H a u p t p e r s o n e n bei b e i d e n D i c h t e r n 1. Amykos bei Theokrit Theokrit führt seinen Amykos als einen άνήρ ΰπέροπλος ein (V. 44) und erläutert dieses Attribut durch die folgende Beschreibung seines Aussehens (45—52) : seiner στήΟ-εα . . . πελώρια (46), seines πλατύ νώτον (46) und der μύες . . . ήύτε πέτροι (48—49). Das Löwenfell über seinen Schultern (51 f.) unterstreicht den überwältigenden Eindruck (45 δεινός ίδεΐν) seiner äußeren Erscheinung, άνήρ ύπέροπλος bedeutet, ebenso wie ύπερφίαλος (97)1 nicht mehr als „ein Mann von riesenhaftem Körperbau", ein Τιτυω έναλίγκιος άνήρ (94)2. Das Adjektiv sagt also nichts über den Charakter aus, es ist ganz konkret zu verstehen 3 . Theokrit ergänzt dieses rein äußerliche Bild durch die Stichomythie Polydeukes — Amykos (V. 54—74), die zeigt, daß dem grobschlächtigen Äußeren des Bebrykers ein ebenso „ungehobeltes" Inneres entspricht. In der zweiteiligen Wechselrede, die Polydeukes mit einem freundlichen Gruß beginnt (54), gibt Amykos zunächst auf höfliche Worte des Polydeukes fünf negative Antworten (55. 57. 59. 61. 63) mit dem Tenor: „Laß mich in Frieden! Ich will mit dir nichts zu schaffen haben. Von mir bekommst du nichts, wie ich von dir nichts verlangen werde." Polydeukes kann ihm auf Grund dessen mit Recht den Vorwurf grober Unhöflichkeit machen (58 άγριος εΖ, προς πάντα παλίγκοτος ήδ' υπερόπτης). — Dann aber im zweiten Teil des Gesprächs, der wieder aus fünfmaliger Rede und Gegenrede besteht (64—74), wird Amykos durch die Aussicht auf einen Boxkampf aus seiner Reserve gelockt. Er reagiert auf die Fragen des Polydeukes positiv und legt in seinen beiden ersten Antworten (65 und 67) den Kampf und die Art zu kämpfen fest, in der vierten und fünften (71 und 73f.) bestimmt er den Kampfpreis (der Besiegte soll zum Sklaven des Siegers werden: 71) und beharrt auf ihm auch gegen den spöttischen Einwand des Polydeukes (72 ορνίθ-ων φοινικολόφων τοιοίδε κυδοιμοί). Die dritte Antwort aber (69) zeigt die hohe Meinung, die Amykos von seinen Fähigkeiten als Boxer hat : Statt auf die Frage des Polydeukes seinen Namen zu nennen, gibt er sich den anonymen Ehrentitel ,,ό πύκτης". Er sieht sich als den Boxer par excellence. 1 ϊσχεθε δ* ¿ρμής | παΐδα Ποσειδάωνος ύπερφίαλόν περ έόντα „obwohl er so übermächtig war". Polydeukes bremste den Ansturm des Sohnes des Poseidon, obgleich man das bei dessen gewaltiger Körperkraft nicht erwartet hätte: die Bedeutimg von ύπερφίαλος ergibt sich aus dem Gegensatz zu ϊσχε&ε δ'όρμής. 2 Vgl. über sein Gewicht die Verse 90 (πολύς . . .έπέκειτο) und 93 (έπιβρίσας) und zu seiner Größe 85 (μέγας άνήρ) und 112f. (έκ μεγάλου). 3 Vgl. Hagopian 17.

Die Charakterisierung der Hauptpersonen

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Aus all diesen Einzelheiten ergibt sich, daß Theokrits Amykos eher dumm-überheblich 1 als böswillig oder gefährlich ist. Die Initiative zum Gespräch geht von Polydeukes aus, und Amykos verhält sich zu dessen Annäherungsversuchen zuerst ganz ablehnend-gleichgültig. Erst als er den Zweikampf ins Spiel bringen kann, erwacht sein Interesse. Auf seine körperliche Überlegenheit glaubt er sich etwas einbilden zu können, und im Verlangen nach der physischen Auseinandersetzimg im Boxen ist er unersättlich (115 άδηφάγος). Daß jedoch sein unfreundliches Verhalten gegenüber Polydeukes ihm etwa als ein Verstoß gegen das Gastrecht zum Vorwurf gemacht werden könnte, ist ihm kaum bewußt 2 . Nach seiner Meinung darf man so lange nichts von ihm verlangen, wie er keine Ansprüche an andere stellt 3 . Theokrit zeichnet seinen Amykos also als die fast komische Figur eines gedankenlosen Grobians, dem Polydeukes für seine Unfreundlichkeit die verdiente Tracht Prügel verabreicht 4 . 2. Amykos (und Polydeukes) bei Apollonios α) Der Tenor der Episode

Bei Apollonios dagegen hat die Auseinandersetzung zwischen Amykos und den Argonauten von Anfang an einen viel ernsteren Charakter. Sein Amykos ist eine ganz andere Erscheinung als der des Theokrit 5 , obgleich er ihn durch dieselben Attribute kennzeichnet: ύπέροπλος (V. 4) und υπερφίαλος (vgl. V. 54 und von den Bebrykern V. 129). In deutlichem — und vielleicht beabsichtigtem — Unterschied zu seinem Vorgänger gebraucht Apollonios diese Adjektive aber in erster Linie in der übertragenen Bedeutung „überheblich" und erläutert sie durch άγήνωρ (2), άγηνορίη (150) und ύπερβασίη (9; vgl. 792). Ibscher® weist darauf hin, daß die Amykosepisode bei Apollonios ganz unter dem Thema „Bestrafte Hybris" steht. Er übersieht jedoch, 1

Vgl. Hagopian 17 (vgl. auch 21): ein Wesen, daß jedweder Erwägung bar ist." 2 Vgl. Hagopian 48: „Der theokritische Amykos . . . handelt instinktmäßig: er denkt an eine Motivierung seiner Handlungsweise überhaupt nicht, weil ihm das Gefühl von der Beschaffenheit derselben völlig abgeht." 3 Vgl. V. 59 της σης γε μέν ούκ έπιβαίνω und 61 μήτε σύ με ξείνιζε, τά τ' έξ έμεϋ ούκ έν έτοίμω. 4 Vgl. Faerber 63 : „. . . bei Τ. (ist Amykos) der typische Faustkämpfer. . . und ein bis zur Grenze des Komischen ungebärdiger Grobian, der nur gebändigt zu werden braucht." 5 Vgl. Hagopian 48: „Während also dieser (sc. T.s Amykos) ein elementarer Unhold, ein Antaios ist" — doch ist T.s Amykos nicht so ernst zu nehmen — ist der Amykos des A. ein Busiris, ein seiner Grausamkeit bewußter Barbar." β S. 31 : „Nicht das Abenteuer an sich soll nun geschildert werden, sondern A. will mit der Bestrafung des Amykos und seiner Landsleute ein besonderes Exemplum bringen, das die Hybris und ihren verdienten Fall zeigt"; vgl. auch

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daß Amykos nicht nur wegen seiner Überheblichkeit im allgemeinen, sondern auch für einen ganz bestimmten Frevel bestraft werden muß. Ibscher meint, Amykos versuche durch den von ihm aufgestellten θεσμός (V. 5; vgl. 12) „seine ύπερβασίη zu verbergen"1, und sieht in θέσμιόν εστίν (12) einen Gegensatz zu dieser ύπερβασίη2. — Diese Annahme läßt sich jedoch nicht halten. Die allgemeine Hybris des Amykos zeigt sich eben gerade besonders kraß am Beispiel der Aufstellung dieses θεσμός: επί. . . ξείνοισιν άεικέα θ-εσμον ε-9-ηκεν (Υ. 5). Der zum Gesetz erhobene Faustkampf, der zum Tode des jeweiligen Gegners führen soll, stellt einen flagranten Bruch des Gastrechtes dar. Amykos ist sich dieser Tatsache auch bewußt: χρειώ μέν έρέσθαι | ναυτιλίης oí τ' εΐεν ύπερβασίησιν άτισσε (V. 8f.): „er mißachtete in seinem Übermut, nach der Bestimmung ihrer Reise und wer sie seien zu fragen"3. Das heißt, Amykos weiß genau, was die Regeln des Gastrechts vorschreiben, und setzt sich ganz bewußt über sie hinweg. Damit verstößt er mit voller Absicht gegen ein göttliches Recht 4 . Sein Verstoß wiegt noch schwerer dadurch, daß er dem heiligen Gastrecht nicht nur die Achtung versagt, sondern sich außerdem anmaßt, es durch eigene θέμιστες5 zu ersetzen (V. 17), und alle Besucher seines Landes zwingen will, sich diesen Satzungen zu unterwerfen. Amykos erhebt sein „Recht von eigenen Gnaden" (17 έμαί. . . θέμιστες) gleichsam zu göttlichem Rang und verhöhnt damit den Zeus Xenios®, ein Frevel, der nur durch seinen Tod gesühnt werden kann7. PolyS. 33: „Die Verankerung der ganzen Episode im Ethischen, die Bestrafung der Hybris ist das Wesentliche." 1 S. 31. — Ähnlich Hagopian 17 (vgl. 48): Amykos werfe „seiner schändlichen Handlungsweise den Schleier der Gesetzbarkeit u m " . 2 S. 31 : „ I m Gegensatz steht das «θέσμιόν έστιν» . . . " — Ähnlich Hagopian 48. 3 Unrichtig Ibscher 31 : „Amykos geht zum Schiff u n d fragt, wer die Argonauten seien." — Das Wesentliche ist gerade, daß er es gar nicht f ü r nötig h ä l t zu fragen. 4 Vgl. z . B . : A. Hik. 701—703. E u m . 546—548: das Gastrecht gehört zu den drei wichtigsten Bestimmungen der göttlichen Gerechtigkeit (A. Hik. 708 f. èv θ ε σ μ ί ο ι ς Δίκας γέγραπται μεγιστοτίμου). 5 Die Lästerimg wird besonders deutlich, wenn m a n z.B. A 238f. dagegenh ä l t : . . . δικασπόλοι, o2 τε θ έ μ ι σ τ α ς | πρός Δ ι ό ς είρύαται. • Wie sehr sich Amykos gegen ihn vergangen h a t , zeigt eine andere Stelle bei Α., wo Jason in einer Rede an seine Gefährten zum Ausdruck bringt, was die Achtimg vor dem Zeus Xenios verlangt: 3,192f. (Aietes habe Phrixos bei sich aufgenommen): πάντες έπεί πάντη, και δτις μάλα κύντατος άνδρών, | Ξ ε ι ν ί ο υ α ι δ ε ί τ α ι Ζηνός θ έ μ ι ν ήδ' άλεγίζει. Jason formuliert mit diesen Worten pointiert die gültige Rechtsauffassung, zu der das Verhalten des Amykos in krassem Widerspruch s t e h t . — V g l . 2, 1131—1133. — Der Verfasser der Orph.Arg. expliziert in seiner von A. abhängigen Kurzfassimg der Amykosgeschich te folgerichtig (V.660f.) ("Αμυκος) δστε Π α ν ο μ φ α ί ο υ Ζηνός θ έ μ ι ν ούκ ά λ ε γ ί ζ ω ν | ά&λον έπΐ ξείνοισι . . . θ-ήκατο. 7 Amykos' Tod wird zugleich die Vergeltung f ü r die vielen von ihm im Boxkampf Erschlagenen (V. 7) bringen: Frankel, Ap. 144, Anm. 3.

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deukes wird so zu einem Werkzeug des göttlichen Strafgerichts gegen Amykos. Der Dichter gibt den Schlüssel für diese Interpretation durch folgende Hinweise : a) Nach dem Sieg der Argonauten über die Bebryken zitiert Apollonios (Y. 145—153) die Ansicht eines ungenannten Argonauten als Ausdruck der Stimmung der Masse der Helden, die die Abwesenheit des Herakles beklagen: „Herakles hätte es nicht auf einen Boxkampf ankommen lassen, er hätte den Amykos mitsamt seinentì-εσμοίsogleich mit der Keule niedergeschlagen." Der folgende Vers (154) jedoch sagt, warum es nicht so kommen durfte: τά δέ πάντα Διός βουλησι τέτυκτο. Durch das πάντα gibt Apollonios zu verstehen, daß die Διός βουλαί sich nicht nur auf die Trennung des Herakles von den Argonauten beziehen, sondern auch den Faustkampf selber einschließen. Wenn es nach dem „wilden Zorn" der Argonauten (V. 19f.) und nach dem Wunsch derer, die sich hier (145ff.) auf Herakles berufen, gegangen wäre, hätte man sich sofort auf Amykos gestürzt. Polydeukes aber hatte in der Ausgangssituation dadurch, daß er die Herausforderung „sogleich" annahm (V. 21 αίψα δ' έών έτάρων πρόμος ίστατο), seine Gefährten von der Reaktion, die ihr άγριος χόλος erwarten ließ, zurückgehalten. Er war dem Bebrykerkönig gleichsam im Auftrag seines Vaters Zeus entgegengetreten: Amykos sollte „nach den Ratschlüssen des Zeus" durch den von ihm selber aufgestellten frevelhaften θεσμός umkommen und damit besonders augenfällig machen, wofür er bestraft wurde. b) Der Zorn der Argonauten (V. 19f.) und die Rede des Polydeukes, in den Worten θεσμοϊς . . . (ύπείξομεν), οίς1 αγορεύεις (23), zeigen das Ausmaß der Rechtsverletzung des Amykos 2 : „wir werden uns den θεσμοί, die du da verkündest, fügen", d. h. „an sich sind das keine anerkennenswerten Satzungen, von denen du da sprichst, du hast kein Recht sie aufzustellen". Daß die Antwort des Polydeukes so zu verstehen ist, zeigen die Verse 149f. αύτοΐς άφαρ οίς άγόρευεν | θεσμοϊσιν: Herakles hätte den Amykos samt seinen sogenannten θεσμοί zu Boden geschlagen. 1 οίς Arnaldus: ώς libri; Arnaldus vergleicht überzeugend V. 149f. αύτοϊς άφαρ οίς άγόρευεν θεσμοϊσιν. — Frankels Parallelen zur Verteidigung des ώς — 4,1101 (Alkinoos zu Arete) ούδέ μέν Αίήτην άθεριζέμεν, ώς αγορεύεις, λώιον: ώς αγορεύεις auf λώιον zu beziehen; und ψ 62 (Penelope zu Eurykleia) άλλ' ούκ δδε μύθος έτήτυμος, ώς άγορεύεις: ώς άγορεύεις auf έτήτυμος bezogen — sind nicht genau zutreffend, da in beiden Fällen die syntaktische Beziehung andersartig ist. 2 Unrichtig Ibscher 32: „Die Argonauten erkennen die falsche Rechtfertigung des Amykos . . . " — Amykos ist viel zu überheblich, um auch nur den Versuch einer Rechtfertigung zu machen.

7

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Köhnken, Hyp. 12

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c) Die Verse 38—40 zeichnen Amykos als einen Feind des Zeus 1 . d) Apollonios deutet Vers 66 schon auf das Ende des Zweikampfes voraus: Aretos und Ornytos assistieren Amykos κακη δήσαντες έπ' α'ίσγ). Der Tod des Königs als Strafe für seinen Frevel steht von vornherein fest. e) Lykos, der König der Mariandyner, der nach dem Tode des Amykos in dessen Land eingefallen war (V. 138—142), bezeichnet gegenüber den Argonauten die Bestrafung des Amykos und die Verwüstung des Bebrykerlandes durch die Mariandyner als einen von den Göttern gewollten Akt ausgleichender Gerechtigkeit: 2,796—798 ίμτνης δ' έξ ύμέων εδοσαν τίσιν ουδέ ε φημι | ήματι τωδ' άέκητι θεών έπελάσσαι άρηα, | Τυνδαρίδη, Βέβρυξιν, 6τ' άνέρα κεΐνον έπεφνες. Ganz anders also als der harmlose Grobian bei Theokrit erscheint Amykos bei Apollonios als ein gefährlicher und bewußter Frevler. Zweimal spricht der Dichter von der ύπερβασίη Άμύκοιο, dem Überschreiten der ihm gesetzten Grenzen — das erste Mal in bezug auf seine Mißachtung der Regeln des Gastrechts (V. 9 ύπερβασίησιν άτισσεν), das andere Mal (in der Rede des Lykos) von seinem rechtswidrigen Übergreifen auf fremdes Gebiet (792—794 έμέ των (sc. meines Reiches) Βέβρυκες ύπερβασίη τ' Άμύκοιο | . . . ένόσφισαν . . . | δήν άποτεμνόμενοι γαίης άλις). Was bei Theokrit eine Unhöflichkeit im besonderen Fall gegenüber einzelnen war, wird bei Apollonios zu einer allgemeinen Rechtsbeugung 2 , nicht nur im Verkehr mit den Nachbarn, sondern „sogar gegenüber Fremden" (V. 5 6ς τ' επί και ξείνοισιν άεικέα θ-εσμόν εθηκεν), die unter dem besonderen Schutz des Zeus stehen. — Wenn Theokrit die Initiative zur Unterhaltung mit Amykos von Polydeukes ausgehen ließ (V. 53), so macht Apollonios den Amykos zum Herausforderer, der die Anerkennung seiner Gesetze unter Androhung von Gewalt zu erzwingen sucht (V. 10 ff.). Theokrit nannte seinen Amykos ύπέροπλος und ύπερφίαλος (V. 44 bzw. 97) und kennzeichnete damit ganz vordergründig dessen riesenhafte Gestalt, Apollonios steigert das Attribut zu ύπεροπληέστατος άνδρών (V. 4) und macht daraus einen Hinweis auf den Charakter des Bebrykerkönigs. Die körperliche Größe tritt dabei ganz in den Hintergrund. b) Der Vergleich der Kontrahenten

Wie sehr die innere Prägung der Gestalt des Amykos für Apollonios vor seiner äußeren Erscheinimg den Vorrang hat, wird besonders deutlich in der zweiten Szene der Episode (V. 25—50: Punkt Β der 1 2

Siehe u. S. Í05f. Vgl. o. S. 57 mit Anm. 1.

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Gliederung o. S. 84), die ich deshalb hier besprechen möchte. Die Szene setzt mit einem Gleichnis ein 1 : 25

ώς φάτ' άπηλεγέως. ó δ' έσέδρακεν βμμαθ' έλίξας, ώστε λέων ύπ' άκοντι τετυμμένος, δν τ' έν ορεσσι άνέρες άμφιπένονται* ó δ' ίλλόμενός περ όμίλφ των μεν ετ' ούκ άλέγει, επί δ' βσσεται οίόθεν οίος 29 ανδρα τόν δς μιν ετυψε παροίτατος ούδ' έδάμασσεν. Polydeukes hat die an die Gesamtheit der Argonauten gerichtete Herausforderung angenommen, und Amykos wendet sich ihm als seinem künftigen Gegner zu. Wie vorher die hochmütige Forderung des Königs den Polydeukes noch mehr als die anderen Argonauten traf (V. 20 πέρι δ' αδ Πολυδεύκεα τύψεν όμοκλή), so wird jetzt Amykos seinerseits, im Bilde des Löwen, von der überraschend schnellen (21 αίψα) und offenen (25 άπηλεγέως) Antwort des Polydeukes getroffen: Y. 26 (vom Löwen) τετυμμένος und 29 (vom Jäger) £τυψεν. Doch welche Worte in der Rede des Polydeukes konnten Amykos verletzen? Gegen die Interpretation Frankels 2 , Amykos habe die bloße Anwesenheit der Argonauten schon als Angriff auf seine Person aufgefaßt, wendet sich mit Recht Drögemüller 3 , ohne jedoch zu sagen, worin er selbst die Ursache für die „Betroffenheit" des Bebrykerkönigs sieht 4 . Die Antwort auf diese Frage läßt sich nur im verächtlichen Ton der Rede des Polydeukes finden: ί'σχεο νυν, . . ., δτις ευχεαι είναι beginnt er V. 225 ; Amykos hatte in seiner Ansprache an die Argonauten (V. 11—18) seinen Namen und Ruhm so selbstverständlich als bekannt vorausgesetzt, daß er es für überflüssig hielt, sich noch vorzustellen. — Polydeukes macht weiter dadurch, daß er die Gesetze des Amykos „sogenannte Satzungen" nennt (V. 23), unmißverständlich klar, was er von solchen angemaßten Rechten hält. Außerdem aber scheint V. 22f. (μηδ* αμμι κακήν, δτις ευχεαι είναι, φαίνε βίην) ironisch gemeint zu sein, denn Apollonios trennt das Attribut κακήν durch die Anrede οτις ευχεαι είναι („wer bist du denn überhaupt") von seinem Beziehungssubstantiv βίην und gibt damit dieser „schlimmen Gewalt" eine abschätzige Nuance. Polydeukes weist überdies V. 24 ausdrücklich darauf hin, daß er den Kampf nicht gezwungen, sondern αυτός έκών 1

Behandelt von Frankel, Ap. 145 und Drögemüller 18—22. Ap. 145: ,,. . . to Amycus the mere presence on his soil of a number of strangers was tantamount to a deliberate attack on his person." 3 S. 20, Anm. 5: „Für diesen Mann (sc. Amykos) sind doch die landenden Argonauten keine Angreifer ! Umgekehrt : er freut sich geradezu, wieder einmal jemanden vor die Fäuste zu bekommen." 4 Er stellt, S. 20, nur die „Umkehrung der Situation" fest: „Jetzt ist Amykos nicht mehr der überlegene Angreifer, sondern der gestellte und bereits verwundete Gregner." — Doch worin die Verwundung besteht, sagt er nicht. 5 Vgl. die Schol. z. St. (S. 126 Wendel): έτΐί. καταφρονήσει εϊρηται. 2



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auf sich nehmen wolle, die κακή βίη des Amykos also keinen großen Eindruck auf ihn gemacht habe. Dieser verächtliche Unterton in den Worten des Polydeukes mußte den von der eigenen Bedeutung so sehr überzeugten Amykos naturgemäß schwer treffen, und nur in diesem Sinne kann man von einer „seelischen Verwundung" 1 durch Polydeukes sprechen. Die Annahme. der Herausforderimg konnte den König höchstens durch ihre Schnelligkeit überraschen, ist aber im Grunde nur das, was er selber verlangt hatte. Das Gleichnis hat im ganzen die Funktion, die Aufmerksamkeit des Lesers auf die beiden Kontrahenten zu konzentrieren 2 . Amykos wendet seinen Blick von der eben noch gemeinsam angesprochenen Gesamtheit der Argonauten ab 3 und faßt allein Polydeukes ins Auge, so wie der von der Masse der Jäger umstellte Löwe nur noch den sieht, der ihn zuerst getroffen hat : 25 ó δ' έσέδρακεν ομμαθ' έλίξας (Amykos) ~ 28 έπί δ' οσσεται οίόθεν οίος | άνδρα (der Löwe). Die Szene 2,25—50 setzt mit Amykos ein (Gleichnis 25—29) und schließt auch mit ihm (48—50). Dabei wird die szenische Einheit außerdem dadurch markiert, daß das Motiv des Anfangs: ó δ' (sc. "Αμυκος) έσέδρακεν (sc. Πολυδεύκεα) 8μμα&' έλίξας (25) am Ende leicht variiert wieder aufgegriffen wird: εις αυτόν (sc. Πολυδεύκεα) εχ' όμματα (sc. "Αμυκος) (49) und noch ergänzt wird durch καί oí όρέχθ-ei | θυμός έελδομένω στηθέων εξ αίμα κεδάσσαι (49—50). Amykos sieht in Polydeukes das Opfer, das er, sobald er es einmal fixiert hat (25), nicht mehr aus den Augen lassen will (49f.). Durch die Herausstellung der Figur des Amykos zu Beginn und am Schluß der Szene deutet Apollonios an, wo für ihn der Schwerpunkt in diesem Stadium der Handlung liegt: Amykos ist ihm wichtiger als Polydeukes, letzterer dient vor allem als leuchtende Kontrastfigur, gegen die sich die düstere Erscheinung des ersteren scharf abhebt. Die Vergleichspartie, die auf das die Szene einleitende Gleichnis folgt (V. 30—42), soll hier im einzelnen behandelt werden, weil sie nicht nur die von Theokrits Darstellung verschiedene Auffassung des 1

Vgl. Drögemüller 20. Siehe Drögemüller 22: „Der Blick des Lesers wird einzig auf Amykos und Polydeukes gelenkt : sie sind die Handelnden in den folgenden Szenen. . . Das Gleichnis bewirkt einen Szenenwechsel, es leitet zum Folgenden über, aber es fügt auch zusammen: es ist Szenenfuge." 3 (έσέδρακεν) ομμαθ' έλίξας (25) ist wahrscheinlich mit den Schol. z.St. (S. 126 Wendel: έλίξας· οίον έπιστρέψας εις αύτόν τα όμματα) zu verstehen als: „(er fixiert ihn) nachdem er ihm die Augen zugewandt hatte". Diese Auffassung ist eher zutreffend, als daß man, wie Drögemüller 19, den Ausdruck auf das „groteske Augenrollen der jähen Wut" bezieht; denn für dieses gibt es im Gleichnis keine Parallele (vgl. 28f.) und es ist auch eine zu grobe Wendung für A. Der Dichter scheint mit δμμαθ' έλίξας nur das έάλη τε χανών seines Vorbildes Τ 168 (angeführt bei Drögemüller 18) zu variieren. 2

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Apollonios hervortreten läßt, sondern auch ein eindrucksvolles Bild von seiner Kunst gibt: 30 έ'νθ·' άπό Τυνδαρίδης μέν έύστιπτον θέτο φάρος λεπταλέον, τό ρά οI τις έόν ξεινήιον είναι ώπασεΛημνιάδων* || 6 δ' έρεμνήν δίπτυχα λώπην αύτησιν περόνησι καλαύροπά τε τρηχεΐαν κάββαλε τήν φορέεσκεν οριτρεφέος κοτίνοιο. 35 αύτίκα δ' έγγύ&ι χώρον εαδότα παπτήναντες, Ιζον έούς δίχα πάντας ένΐ ψαμάθοισιν έταίρους, ού δέμας ουδέ φυήν έναλίγκιοι είσοράασθαι* άλλ' ό μέν ή όλοοΐο Τυφωέος ήέ και αύτης Γαίης είναι εικτο πέλωρ τέκος οία πάροιθεν 40 χωομένη Διί τίκτεν || δ δ' ούρανίω άτάλαντος άστέρι Τυνδαρίδης, οδπερ κάλλισται εασιν 42 έσπερίην διά νύκτα φαεινομένου άμαρυγαί" Die Partie fällt zuerst durch ihre kunstvolle symmetrische Gliederung auf. Sie besteht aus drei Teilen zu je 5 — 3 — 5 Versen, der erste und der dritte Teil bilden dabei wieder jeder zwei Gruppen zu je zweieinhalb Versen. Jede dieser Untergruppen charakterisiert abwechselnd einen der beiden Kontrahenten, während der Mittelteil der Partie (V. 35—37) auf beide Gegner gemeinsam geht. Es entsteht also folgendes Bild: (1) V. 30—32a (2l/2 Verse): Polydeukes (a) A (2) V. 32b—34 (2γ 2 Verse) : Amykos (b) Β V. 35—37 (3 Verse): beide ((c)) (3) V. 38—40a (27 2 Verse) : Amykos (b) C (4) V. 40b—42 (2γ 2 Verse): Polydeukes (a)

{

Die Teile A und C stehen demnach in Korresponsion zueinander, während ihre Untergruppen einen Chiasmus bilden (a — b — (c) — b — a), eine Variationsfigur, die Apollonios gern verwendet 1 . Wenn man die vorausgehende und die folgende Partie der Szene (25—29 bzw. 43—50) hinzunimmt, ergibt sich die Personenverteilung:

1

( Siehe o. S. 70 und 76.

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Amykos nimmt in der schematischen Darstellung also nicht nur den äußeren sondern auch den inneren Ring als Hauptfigur ein. Wieder ist das Wechselspiel von Form und Inhalt bemerkenswert : Apollonios setzt durch die Anordnung der Personen im Bauplan der Szene der Akzente für die Handlung. Inhaltlich beschreibt der Dichter im ersten Vergleichspaar der Mittelpartie (V. 30—34) (A), wie die beiden Gegner sich für den Kampf ihrer Kleider entledigen. Polydeukes legt behutsam (30 άπό... θ-έτο) seinen schönen, weichen Mantel ab (30f. έύστιπτον . . . φάρος | λεπταλέον), ein Gastgeschenk seiner lemnischen Geliebten (31 f.: Apollonios sagt wörtlich nur τις . . . Αημνιάδων). Der Mantel ist also (1) von auffallend schöner Machart, er gibt einen Hinweis auf die elegante „städtische" Erscheinung des Polydeukes und hat (2) für diesen noch einen besonderen Erinnerungswert1. Aus beiden Gründen verdient das Kleidungsstück eine schonende Behandlung. Zugleich aber zeigt die trotz des bevorstehenden gefährlichen Kampfes betont ruhige Art des Ablegens die besonnene und überlegene Haltung des Polydeukes. — Amykos andererseits reißt sich seinen dunklen Umhang (32 ερεμνήν δίπτυχα λώπην: lautmalend) vom Leibe, ohne sich die Mühe zu machen, die Spangen zu lösen (33 αύτησιν περόνησιν)2 und wirft ihn zu Boden (34 κάββαλε). Im Gegensatz zum „Festgewand" des Polydeukes (30 φάρος)3 steht der einfache „Hirtenmantel" (32 δίπτυχα λώπην)4 des Amykos, der es vertragen kann, zusammen mit dem Hirtenstab (33 καλαύροπα)5 achtlos auf die Erde „geknallt" zu werden. Wie V. 31 f. der Mantel des Polydeukes durch einen Relativsatz näher bestimmt wurde, so erläutert Apollonios jetzt, ebenfalls relativisch, die καλαϋροψ des Amykos. Sie wird nicht nur allgemein als τρηχεΐα gekennzeichnet (33), sondern bekommt durch die Angabe ihrer Herkunft von einer wilden Bergolive (34 την φορέεσκεν οριτρεφέος κοτίνοιο) noch einen zusätzlichen robusten Beigeschmack. Aus dieser Beschreibung der Attribute ergibt sich für die Person ihres Trägers : 1 Vgl. Frankel, Ap. 146 und 152 f.—Man braucht nicht so weit zu gehen wie Frankel 153, ,,. . . i t seems that she gave him, to wear it as a cloak, the blanket under which they had slept together". — Frankel hält, Ausg. 59, das έόν in V. 31 für suspekt und schlägt im App., anscheinend seiner oben zitierten Interpretation zuliebe, &o ξεινήιον εύνής als Verbesserung vor. — Vgl. jedoch: T. id. 7,128f. ό δέ μοι τό λαγωβόλον . . . έκ Μοισαν ξεινήιον ώπασεν ήμεν: Ebenso wie έκ Μοισδν ξεινήιον ήμεν wird man auch έόν ξεινήιον είναι „als ihr Gastgeschenk, ein G. von ihr" in der Epexegese sagen können. 2 Vgl. Frankel, Ap. 146. 3 Vgl. z.B. Β 43. Θ 221. 4 Vgl. ν 224, wo Athene dem Odysseus in der Gestalt eines jungen Hirten erscheint: δίπτυχον άμφ' ώμοισιν ίχουσ' εύεργέα λώπην. 5 Die καλαϋροψ erwähnt Α. noch 4,973f. (von einer der Töchter des Helios, die dessen Rinder hüten:)Λαμπετίη δ' έπΐ βουσίν . . . | πάλλεν όπηδεύουσα καλαύροπα.

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So rauh wie der Knüppel, so finster wie der Umhang, so wild und unbeherrscht wie der ganze Akt des achtlosen Wegwerfens der Kleidung ist Amykos selber. Er kann es gar nicht erwarten, das Blut seines Widersachers zu vergießen (Vgl. 49f. οί ορέχθ-ει | θυμός εελδομένω στηθ-έων έξ αίμα κεδάσσαι). Bemerkenswert an der für dieses Vergleichspaar so bezeichnenden Parallelität der Glieder ist zugleich aber auch die Kunst der Variation. Bei Polydeukes ist nur vom Mantel die Rede, bei Amykos von Mantel und Hirtenstab; dort gibt der Relativsatz die Herkunft des Mantels an, hier nennt er den Ursprung des Stockes. Der Eindruck des eleganten Gewandes dort und des groben Umhangs hier wird nicht durch einen bloßen Gegensatz der Attribute hervorgerufen, Apollonios spricht vielmehr auf der einen Seite von der feinen Webart des Stoffes (30f.), auf der anderen von der dunklen Farbe und der einfachen Form des Kleidungsstückes (32 έρεμνήν und δίπτυχα). Ein Blick auf die Beschreibung, die Theokrit (V. 45—52) von seinem Amykos gibt, zeigt den großen Unterschied in der dichterischen Konzeption. Während Theokrit ganz naiv-lebendig und ausführlich die „kolossale" Erscheinung des Amykos schildert, läßt Apollonios dessen Verhalten in einer kurzen, fast nebensächlichen Szene in einem ganz bestimmten Licht erscheinen. Mit dem raffiniert-einfachen Mittel, zwei verschiedene Verhaltensweisen bei einer so banalen Handlung wie der Ablage der „Garderobe" zu konstrastieren, hastiges Wegwerfen einerseits, gegenüber behutsamem Auskleiden andererseits, erreicht Apollonios eine ebenso lebhafte Vorstellung von der wilden Roheit als Grundzug im Wesen des Amykos, wie Theokrit durch seine jede Einzelheit erwähnende Beschreibung vom abschreckenden Äußeren des Bebrykers. Diese Tendenz des Apollonios, mit hintergründigen Andeutungen auszukommen, wo Theokrit vordergründigausführliche Schilderungen gibt, ist sicher die „modernere" von beiden Auffassungen. Als Übergang zur zweiten Vergleichspartie (V. 38—42 : C) dienen die drei Verse 35—37 (B), in denen die beiden so sehr verschiedenen Gregner den Gefährten ihre Plätze als Zuschauer im bevorstehenden Zweikampf anweisen. — Wieder ist der Vergleich mit Theokrit aufschlußreich. Dieser begnügt sich damit, Bebryken und Argonauten herbeirufen zu lassen (V. 75—79) ; wie der Kampfplatz beschaffen ist und wo die Zuschauer stehen, kümmert ihn weiter nicht 1 . Eine Orts1 χώρω ¿vi στεινώ während des Duells, V. 94, deutet darauf hin, daß di® Bewegungsfreiheit der Kämpfer beschränkt war, ist aber offenbar nur als wirkungsvoller Gegensatz gesetzt, um die vorübergehende Bedrängnis des Polydeukes durch die Körpermasse des Amykos augenfällig zu machen, nicht jedoch, um die Beschaffenheit des Platzes zu erläutern. T. erklärt das στεινός auch nicht weiter.

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angabe findet sich Vers 76: die Bebryken versammeln sich beim Ertönen des Muschelhorns υπό σκιεράς πλατανίστους. Also muß sich auch der Kampf unter diesen Bäumen, in der Nähe der Quelle, abgespielt haben 1 . Apollonios aber räumt der Kombination weniger Spielraum ein. Bei ihm halten die beiden Kontrahenten ausdrücklich nach einem geeigneten Kampfplatz Ausschau (35 χώρον έαδότα παπτήναντες) und lassen ihre zuschauenden Gefährten in zwei Gruppen, Bebryken und Argonauten getrennt voneinander (36 δίχα)2, auf dem Strand (36 ένΐ ψαμάθοισιν), in der Nähe des Ankerplatzes der Argo (35 έγγύαΚ), Platz nehmen. Hier ist genügend Raum dafür vorhanden, daß später, in der ersten Phase des Faustkampfes, Amykos den zurückweichenden Polydeukes vor sich hertreiben kann (74f. Τυνδαρίδην φοβέων επετ' ουδέ μ (.ν εΐα | δη&ύνειν). Die Beschreibung ist also trotz ihrer Kürze anschaulich, sie enthält alle Daten, die der Leser braucht, um sich den Ort des Geschehens vorstellen zu können. Apollonios scheint die äußeren Gegebenheiten für den darzustellenden Boxkampf genauer durchdacht zu haben als Theokrit. Die dritte Zeile in dieser überleitenden Versgruppe schließlich (37 ού δέμας ούδέ φυήν έναλίγκιοι είσοράασθαι) ist bewußt ambivalent gehalten. Syntaktisch gehört sie noch zur mittleren Gruppe (B), inhaltlich deutet sie schon auf die kommende zweite Vergleichspartie (C) voraus. Derartige Kupplungsverse, die eine enge Verbindung zwischen den einzelnen Szenenbildern herstellen, sind später auch noch in der eigentlichen Kampfschilderung zu beobachten 3 . Der zweite Vergleichsabschnitt (C) gilt, anders als der erste (A), nicht dem verschiedenen Verhalten der Hauptpersonen in einer bestimmten Situation, sondern hebt die gegensätzlichen Erscheinungen selber gegeneinander ab. Die Partie bedeutet eine Steigerung, verglichen mit der ersten, da die Personen nicht mehr nur aneinander gemessen, sondern jede von beiden jetzt einem eigenen Vergleichsobjekt zugeordnet wird. Amykos scheint ein Enkel 4 oder sogar ein Sohn der (dunklen) Gaia zu sein (38—40a), Polydeukes dagegen gleicht dem heileuchtenden Abendstern (40b—42). Auch Theokrit hatte seinen Amykos, um eine Angriffshandlung während des Kampfes selbst zu illustrieren, mit einem Sohn der Gaia verglichen (94 Τιτυω έναλίγκιος άνήρ), jedoch nur, um die hünenhafte Gestalt zu veran1

Die Kennzeichnung der Bäume als „Platanen" verrät wieder T.s botanisches Interesse: bei der Beschreibung der Quelle, an der Amykos saß, und in deren Nähe der Kampf stattgefunden haben muß, hatte T. von Fichten, Platanen und Zypressen gesprochen (40f.). 2 V. 36 Ιζον έούς δίχα πάντας ένί ψαμάθοισιν έταίρους variiert κ 203 f. (Odysseus auf Aiaie:) αύτάρ έγώ δίχα πάντας έυκνήμιδας έταίρους | ήρίθμεον . . . 3 Siehe u. S. 117. 4 Ein Sohn des Erdsohnes Typhoeus; im Anschluß an Hes. Th. 820ff.

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schaulichen 1 . Das, was bei Theokrit eine eher beiläufige Bemerkung war, wird von Apollonios zu einem besonderen Bild außerhalb der eigentlichen Kampfhandlung ausgebaut und bekommt überdies eine zusätzliche, ganz neue Aufgabe. Zwar wird mit dem Ausdruck Τυφωέος ήέ και αύτης | Γαίης . . . πέλωρ τέκος (Α. 38f.) auch, wie bei Theokrit, das Riesenhafte in der äußeren Erscheinung des Amykos getroffen, doch erhalten Τυφωεύς und Γαίη darüber hinaus zwei nähere Bestimmungen, die dem Vergleich eine tiefere Bedeutung geben: Typhoeus wird als ολοός (38) bezeichnet, und zu Γαίης . . . τέκος setzt Apollonios den erläuternden Nebensatz οία πάροιθεν | χωομένη Διί τίκτεν (39f.) Damit wird Amykos, wie die Erde oder der Riese, von dem er abzustammen scheint, als ein Feind des Zeus eingestuft. Er ist ein Frevler gegen die göttliche Ordnung, die er mit seinen, gegen alles Recht aufgestellten θέμιστες zu beseitigen sucht. So dunkel wie der Mantel, den er trug, und die Erde, der er gleicht, ist auch die charakterliche Erscheinung des Amykos, dessen Vernichtimg durch den Sohn des Zeus von vornherein ebenso feststeht, wie die Bestrafung der Söhne der Gaia durch Zeus selber 2 . Zugleich aber deutet Apollonios an, daß Amykos f ü r Polydeukes ein nicht weniger gefährlicher Gregner sein wird, als Typhoeus es f ü r seinen Vater Zeus war. Neben das finstere Bild des Bebrykerkönigs setzt Apollonios das leuchtende Gegenbild: Polydeukes wird nicht zu einem beliebigen Stern in Beziehung gesetzt, sondern zum Abendstern 3 , der am schönsten am Nachthimmel funkelt (41 f. οδπερ κάλλιστα!, εασι,ν | έσπερίην διά νύκτα φαεινομένου άμαρυγαί). Aber auch hier weist der Dichter über die äußere Schönheit des Polydeukes hinaus auf seine besondere Funktion in der Auseinandersetzung mit Amykos hin. Obwohl ατάλαντος I άστέρι (40f.) allein schon die Verbindung zum Himmel herstellt und aus dem Gegenbild zu schließen ist, daß auch hier weniger die „Erscheinung" als die „Bedeutung" des Polydeukes getroffen werden soll4, fügt Apollonios zu άστέρι noch ουρανί ω (40) hinzu. Das Attribut stünde pleonastisch, wenn es nur der Lokalisierung dienen sollte. Der Zusatz soll vielmehr ausdrücklich den „Standort" des Poly1

Siehe o. S. 94. Vgl. Frankel, Ap. 146: „. . . the comparisons imply that Amycus seemed an embodiment of the brute and fiendish powers of Earth and the Nether World, and the reader is prepared to see the coming boxing match and the general battle in the light of the victory of Zeus over Typhoeus and of the Olympians over the Giants." 3 Siehe Frankel, Αρ. 146. 4 Siehe Drögemüller 100 und besonders 101: „. . . der Bedeutungssinn des Vergleiches . . . mag sich am Gegenbild (38ff.) erweisen: Ist Amykos seinem Wesen nach den niederen Kräften der Erde verwandt, so Polydeukes den oberen Mächten, deren Wirken sich in den Erscheinungen des Himmels erweist. . . Amykos ist .gigantisch', Polydeukes .olympisch'." 2

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Amykos

deukes—seine Nähe zu Zeus—hervorheben, auf Grund derer er dazu bestimmt ist, die Bestrafung des Grottesfrevlers Amykos auf sich zu nehmen. Alle in dieser Vergleichspartie der zweiten Szene erwähnten Einzelheiten sind also doppeldeutig. Oberflächlich betrachtet, schildern sie einmal das Ablegen der Kleidung als die notwendige Voraussetzung für einen Faustkampf und zum anderen das verschiedene Aussehen der beiden Hauptakteure, an denen Größe und Kraft auf der einen Seite und Schönheit auf der anderen bemerkenswert scheinen. Wenn man genauer hinsieht, wird der erste Eindruck korrigiert. Die Streiflichter auf das Wesen der Personen werden zur Hauptsache, die Vorbereitungen für den Kampf und das äußerliche Bekanntmachen der Kämpfer erweisen sich als bloßes Mittel zum Zweck. Die charakterisierenden Bemerkungen sind dabei, trotz ihrer Kürze, wohl gezielt, um eine ganz bestimmte Vorstellung im Leser hervorzurufen. Wenn die Kennzeichnung des Amykos bei Apollonios (38f. Τυφωέος . . . είναι έικτο πέλωρ τέκος) zuerst so aussah, als sei sie nicht mehr als ein blasses Pendant zu Theokrits Beschreibung (46 στή&εα δ' έσφαίρωτο πελώρια; vgl. 94 Τιτυω έναλίγκιος άνήρ) — dann allerdings hätte man mit Recht Theokrit als einen „Verbesserer" seines „Vorgängers" Apollonios bezeichnet ! —, so sieht man bei genauerer Betrachtung, daß die Darstellung des Apollonios in Wahrheit die für die Handlung entscheidenden Charakterzüge seiner beiden zentralen Figuren aufdeckt und damit die bloße Personenbeschreibung, wie sie bei Theokrit vorliegt, zu einer Wesensbestimmung weiterentwickelt. Diese Charakterzeichnung vervollständigt Apollonios noch im folgenden letzten Abschnitt der Szene (V. 43—50) : 43 τοϊος εην Διός υιός, έτι χνοάοντας ίούλους άντέλλων, ετι φαιδρός έν ομμασιν, άλλά οί άλκή 45 καί μένος ήύτε θηρός άέξετο " | [ πήλε δέ χείρας πειράζω ν ε'ίθ' ώς πρίν έυτρόχαλοι φορέονται μηδ' άμυδις καμάτω τε καί είρεσίη βαρύθοιεν. ού μάν αύτ' "Αμυκος πειρήσατο" σίγα δ' άπωθεν έστηώς εις αυτόν εχ' δμματα, καί οί δρέχθει 50 θυμός έελδομένω στηθέων έξ αίμα κεδάσσαι. Apollonios sorgt für einen engen Zusammenhang mit dem Vorhergehenden dadurch, daß Polydeukes Gegenstand der Betrachtung bleibt, doch gehören die Verse 43—47 nicht mehr in den Rahmen der Vergleichspartie, τοΐος εην Διός υιός (43) stellt den Übergang vom abgeschlossenen Vergleich der Erscheinungen zu etwas Neuem her. Die in der ganzen Szene auffallende Verseinteilung wird beibehalten : a) 43—45a (21/i Verse): Polydeukes: seine Jugend — sein Mut b) 45b—47 (27a Verse): Polydeukes: Übungsschläge c) 48—50 (3 VerSe) : Amykos : Verzicht auf Vorübungen.

Die Charakterisierung der Hauptpersonen

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Formal ist außerdem noch, wie auch sonst in der Szene1, die häufige Anwendung des Enjambements bemerkenswert: 43f. ίούλους | άντέλλων; 44f. άλκή | καί μένος; 48f. άπωθεν | έστηώς; 49f. ορέχθει | θυμός. — Inhaltlich hebt Apollonios zunächst die Jugendlichkeit des Polydeukes als einen Nachteil für ihn hervor, wobei der Begriff der „Jugend" nur aus zwei sie umschreibenden Merkmalen hervorgeht: 1. 'έτι χνοάοντας ίούλους άντέλλων und 2. ετι φαιδρός έν ομμασιν. Das anaphorische ετι malt das Überraschende, das im Auftreten des Polydeukes gegen Amykos liegt: Wie kann ein eben erwachsener junger Mann es wagen, gegen einen so erfahrenen und gewaltigen Boxer wie den König der Bebryken anzutreten? Daß Amykos selber so denkt, zeigt sein Verzicht auf Lockerungsübungen (V. 48) und vor allem die überhebliche und verächtliche Rede (V. 54—59), in der er dem Gegner die Wahl der Boxriemen überläßt. Aber auch dem unvoreingenommenen Beobachter mußte die jugendliche Unerfahrenheit des Polydeukes als ein großes Handikap erscheinen, das noch einmal die gefährliche Lage betont, in die der Zeussolm sich begeben hat. Zwei Faktoren verbessern jedoch (44 άλλά) seine ungünstige Ausgangsposition: sein Mut (44f.) und vor allem seine Besonnenheit. Die letztere wird wieder nur indirekt durch ein Beispiel demonstriert: Polydeukes prüft sorgfältig durch Boxhiebe in die Luft, ob seine Arme nicht durch die Anstrengung des Ruderns unbeweglich geworden sind 2 . An πεφάζων (V. 46) schließt sich dann das letzte Bild der Szene an: V. 48 ού μάν αδτ' "Αμυκος πειρήσατο. Amykos glaubt, auf ein Training gegenüber einem so sehr unterlegenen Gegner verzichten zu können. Wieder tritt die Hybris des Bebrykers hervor, gleichzeitig aber weist Apollonios auf den Umstand hin, der allein Amykos zum Verhängnis werden kann: die Unterschätzung des anderen und die daraus resultierende Unvorsichtigkeit. Amykos steht schweigend da (48f. σίγα . . . έστηώς), doch ist die Ruhe nur äußerlich und bildet einen starken Kontrast zu seiner inneren Erregung (49f. καί οι ορέχθει | θυμός): Es ist die „drohende Unbeweglichkeit" des Löwen im Gleichnis zu Beginn der Szene (25—29), der den Feind fixiert, um sich im nächsten Augenblick auf ihn zu stürzen. Das Motiv der Augen (49 εις αύτον έχ' δμματα) stellt ausdrücklich die Beziehung zum Anfang her 3 . Für beide, den von 1 Besonders deutlich: 30f. φάρος | λεπταλέον; 33f. τρηχεϊαν | κάββαλε; 38f. αυτής | Γαίης; 40 f. ούρανίω άτάλαντος | άστέρι. 2 Derselbe Sachverhalt wird doppelt ausgedrückt, einmal positiv (46 ε ϊ θ ' ώς πρίν έ υ τ ρ ό χ α λ ο ι φ ο ρ έ ο ν τ α ι ) und einmal negativ (47 μηδ' άμυδις καμάτω τε καί είρεσίγ) β α ρ ύ θ ο ι ε ν ) . Vgl. z . B . 3 , 1 9 4 f . — V. 46 erinnert a n T 3 8 4 f . : πειρήθη δ' So αύτοϋ έν έντεσι δΐος Άχιλλεύς, | εί οΐ έφαρμόσσειε καί έντρέχοι άγλαά γυϊα. 3 Siehe o. S. 100.

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Amykos

Polydeukes verspotteten Amykos 1 wie den verwundeten Löwen, trifft der Schlußsatz der Szene zu: καί oí δρέχθει | θυμός έελδομένω στηθέων έξ αίμα κεδάσσαι (49f.). II. D e r F a u s t k a m p f Allgemeine Vorbemerkung Im „Vorfeld" des Kampfes, das bis jetzt Gegenstand der Betrachtung war, konnten Parallelen von Apollonios zu Theokrit auf Grund der ganz verschiedenen Szenerie nur vereinzelt gezogen werden. Den Faustkampf selbst (Punkt D der Gliederung o. S. 84) aber bauen beide Dichter formal ähnlich auf, und ein immittelbarer Vergleich wird damit möglich. Ich möchte von der folgenden schematischen Gegenüberstellung ausgehen: T. 80—130:

A. 67—97:

1. 80—82 (3 Verse): Einleitung 2. 83—106 (24 Verse) : 1. Kampfphase (Polydeukes bleibt ganz unverletzt, trifft seinerseits aber Amykos mehrfach schwer und schlägt ihn 105 f. zum ersten Mal zu Boden) (106—107: Pause angedeutet) 3. 107—114 (8 Verse): 2. Kampf phase (Amykos trifft schlecht oder gar nicht, Polydeukes immer) 4. 115—130 (16 Verse) : 3. Kampfphase a) 115—117 (3 Verse): Einleitung: Musenanruf b) 118—121 (4 Verse): Angriff des Amykos. c) 122—130 (9 Verse) : Abwehr und Gegenangriffe des Polydeukes : Amykos wird zum zweiten Male zu Boden geschlagen und gibt auf.

(a) 1. 67—69 (3 Verse): Einleitung (b) 2. 70—78 (9 Verse) : 1.Kampfphase (Amykos unablässig im Angriff, Polydeukes weicht mit Mühe aus) (c) 3. 79—85 (7 Verse) : 2.Kampf phase (Ausgeglichener Schlagwechsel) d 4. 86—87 (2 Verse): Kampfpause 5. 88—97 (10 Verse): 3. Kampfphase (a) a) 88—89 (2 Verse) : Einleitung b) 90—93 (4 Verse) : Angriff des (b) Amykos und Abwehr des Polydeukes. (c) c) 94—97 (4 Verse) : Angriff des Polydeukes und Tod des Amykos.

Die Einleitungsverse (T. 80—82 ~ A. 67—69), die aufeinander zukomponiert zu sein scheinen, sind oben (S. 87—89) schon besprochen worden. Apollonios macht aus dem Anlegen der Boxriemen, das Theokrit nur kurz zu Beginn des Kampfes (80—81) erwähnt, eine eigene kleine Szene (51—66). Sie gibt ihm Gelegenheit, die gefährliche Härte der Riemen zu beschreiben (52f.), deren sich Amykos ausdrücklich rühmt und die er in Beziehung setzt zu seiner Härte im Kampf, die Polydeukes sogleich zu spüren bekommen werde (55—59). Die Rede zeigt noch einmal die vermessene Selbstüberschätzung des Siehe o. S. 99 f.

Der Faustkampf bei Theokrit

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Amykos (vgl. 54 έπέεσσιν ύπερφιάλοισι μετηύδα)1. Polydeukes' einzige Reaktion besteht in einem ruhigen Lächeln (61 ήκα δε μειδήσας), das gut zu der beherrschten Art, mit der er seinen Mantel ablegte (30—32), und der besonnenen Überprüfung der Schlagkraft seiner Fäuste (45— 47) paßt. — Jedem der Kämpfer ordnet Apollonios schließlich ein Sekundantenpaar zu, das ihnen die Riemen umlegt (62—66); die Sekundanten des Amykos charakterisiert er dabei als ebenso verblendet (66 νήπιοι) wie ihren König. Sie ahnten nicht, daß sie ihm zum letzten Mal ihre Dienste erwiesen (65 f. ουδέ τι ηδειν | . . . ύστατα κείνα κακη δήσαντες έπ' αΐση). Der äußere Aufbau der Kampfhandlungen selbst aber ist, wie die Gliederung zeigt, in beiden Fällen ähnlich. Sie bestehen jedesmal aus drei Phasen; nach der ersten bei Theokrit und der zweiten bei Apollonios findet sich eine Pause (bei T. 105—107 nur angedeutet, bei A. 85—87 ausgeführt), und die dritte, entscheidende Runde ist bei beiden Dichtern deutlich gegen die vorhergehenden abgesetzt: auf der einen Seite durch einen Musenanruf (T. 115—117), auf der anderen durch die Kampfpause (A. 85—87) und ein das neue Handlungsstadium einleitendes Gleichnis (88f.). Hinzu kommt, daß beide Dichter die dritte Kampfphase mit einem Angriff des Amykos einsetzen lassen, der fehlschlägt und eine Gegenaktion des Polydeukes zur Folge hat, die das Ende der Auseinandersetzungen bringt (T. 118—130 ~ A. 90—97). Innerhalb dieses gemeinsamen Rahmens aber sucht jeder von beiden Dichtem das Ziel einer möglichst wirkungsvollen Darstellung mit ganz verschiedenen Mitteln zu erreichen. 1. Die Kampfdarstellung bei Theokrit Bei Theokrit ist zuerst die Art der Untergliederung bemerkenswert. Sie ist so kunstvoll, daß man fast schon von einem Spiel mit Zahlen sprechen kann. Er teilt seine Schilderung des Zweikampfes (ohne die drei Einleitungsverse 80—82) in zwei genau gleichlange Abschnitte: A. 83—106 ( = 24 Verse) und B. 107—130 ( = 24 Verse). Die Zäsur fällt hinter die erste Runde, die damit genauso lang ist wie der zweite und dritte Gang zusammen. Jeder der beiden Hauptteile besteht wiederum aus je zwei Teilstücken, von denen die beiden ersten den ersten Akt des Kampfes genau halbieren (a. 83—94 = 12 Verse und b. 95—106 = 12 Verse), die beiden letzten im Verhältnis 1 : 2 zueinander stehen (a'. 107—114 = 8 Verse und b'. 115—130 = 16 Verse). Da auch diese Unterabschnitte noch in kleinere Versgruppen mit 1

Die „Prahlerei" des Amykos ist aber nicht, wie bei T., „Ausdruck des Tölpelhaften und Bäurischen dieses Kraftmenschen", wie Mehmel, Val.47, meint, der zu Unrecht den Amykos des T. mit dem des A. gleichsetzt.

Amykos

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einem bestimmten Zahlenverhältnis aufgeteilt sind, ergibt sich folgendes Schema (die Einteilung folgt aus den mit voller Interpunktion am Versende zusammenfallenden Sinneinschnitten): Α. (24) 1. Runde

(1) (2) (1) (2) (3)

Β. (24) 2. und 3. Runde

(1) 107—108 (2 Verse) (Beide) (2) 109—111 (3 Verse) (Unwirksame-wirksame Schläge) (3) 112—114 (3 Verse) (Einschrumpfen des Am. — Aufblühen des P.) (1) 115—117 (3 Verse) ) (Musenanruf) (2) 118—121 (4 Verse) / (Angriff des Am.) (3) 122—124 (3 Verse) \ (Reaktion des P.) (4) 125—130 (6 Verse) J (Schlagserie des P.)

a'. (8) 2. Runde

b'. (16) 3. Runde

83—86 (4 Verse) (Vorgefecht) 87—94 (8 Verse) (Vergebliche Angriffe des Am.) 95—97 (3 Verse) (P. im Angriff) 98—101 (4 Verse) (Am. verletzt) 102—106 (5 Verse) (Angriffe des P.)

Theokrit hat also seine kleinsten Verseinheiten entweder nach dem Prinzip der Verdoppelung der Anzahl der Verse in der jeweils zweiten Gruppe gegenüber der ersten 1 oder nach dem Grundsatz einer gleichmäßig ansteigenden Zahlenreihe 2 angeordnet. Diese Aufteilung in viele kurze Abschnitte, die durch starke Interpunktion und oft auch noch durch Partikeln und Konjunktionen am Versanfang, die den Beginn von etwas Neuem markieren 3 , gegeneinander abgesetzt sind, gibt der Erzählung teilweise einen „hämmernden" Rhythmus, der gleichsam die vielen Schläge, die im Faustkampf zwischen Polydeukes und Amykos ausgeteilt werden, stoßartig untermalt. Inhaltlich zeichnet sich Theokrits Darstellung dadurch aus, daß fast ausschließlich Polydeukes Erfolge zu verzeichnen hat und Amykos die Treffer „einstecken" muß, ohne jemals wirklich zum Zuge zu kommen. In der langen ersten Runde (A.) gibt es nur ein einziges Mal den Ansatz zu einer wirksamen Aktion des Amykos : Er versucht, Polydeukes durch das Gewicht seines Körpers zu Boden zu drücken (90f. πολύς δ' έπέκειτο νενευκώς | ές γαΐαν). Schon jubeln die Bebryken (91), und die Argonauten sind besorgt (91—94) — doch das nächste Bild zeigt schon wieder Polydeukes im Angriff (95ff.). Diesem mißglückten Überrumpelungsversuch des Amykos aber stehen vier Erwähnungen von erfolgreichen Aktionen des Polydeukes in der ersten Runde gegenüber: 1

a. und b' (zweite Hälfte). b. und b' (erste Hälfte) ; a' : 2—3—3 Verse. 83 ϊνθα; 87 αύτάρ δγ(ε); 95 ήτοι δγ(ε); 107 2νθα; 109 άλλ' ó μέν ; 115 πώς γάρ δή (Musenanruf); 118 ήτοι δγε. 2 3

Der Faustkampf bei Theokrit

Í11

1. V. 88f.

του δ' άκρον τύψε γένειον | Τυνδαρίδης επιόντος

2. V. 95f.

ήτοι 6γ' ένθ-α και ένθα παριστάμενος Διός υιός | άμφοτέρησιν άμυσσεν

3. V. 102f. τόν μέν άναξ έτάρασσεν έτώσια χερσί προδεικνύς | πάντοθ·εν 4. V. 104f. μέσσης ρινός υπερθε κατ' όφρύοςήλασε πυγμή, | παν 8' άπέσυρε μέτωπον ές οστέον

Demgegenüber wird aus der anfänglichen wirkungslosen Angriffslust des A m y k o s (87 κεχολωμένος ίετο πρόσσω u n d 89 όρίνθη δέ πλέον ή πρίν) schließlich völlige Hilflosigkeit (98 έ'στη δέ πληγαΐς μεθύων u n d 103 6τε δή μιν (sc. "Αμυκον) ά μ η χ α ν έ ο ν τ ' ένόησεν (sc. Πολυδεύκης), ...),

und am Ende der Runde liegt er langausgestreckt am Boden (105 f. πληγείς | ύπτιος έν φύλλοισι τεθηλόσιν έξετανύσ&η).

Der Beginn der zweiten Runde, nachdem Amykos sich wieder erhoben hat (107), scheint zunächst einen mehr ausgeglichenen Kampfabschnitt anzukündigen (108 άλλήλους δ' ολεκον (Impf, de conatu) στερεοΐς θ-είνοντες ίμασιν). Doch der erste Eindruck täuscht und wird sofort korrigiert: Amykos trifft entweder nur die Brust seines Gegners, oder er schlägt überhaupt vorbei (109—110a), Polydeukes dagegen setzt die Serie wirksamer Treffer aus der ersten Runde fort : 5. 110b—111 ό δ' άεικέσι πληγαΐς | παν συνέφυρε πρόσωπον . . . Πολυδεύκης. Genau das gleiche Bild zeigt die letzte Runde, die durch einen Musenruf zu Beginn (115—117) als entscheidend gekennzeichnet wird. Amykos kommt über den Wunsch nach einer erfolgreichen Aktion (118 ρέξαι τι λιλαιόμενος μέγα έργον) nicht hinaus. Sein, wie es scheint, unfairer Angriff (118—121)1 wird von Polydeukes mühelos abgefangen (123), und der Rest der Runde gehört wieder den Schlägen des Tyndariden : 6. V. 123f. στιβαρή δ' άμα χειρί | πλήξεν (sc. Πολυδεύκης) ύπό σκαιόν

κρόταφον (sc. "Αμυκον). 7. V. 126 λαιη δέ στόμα κόψε 8. V. 127f. αίεί δ' όξυτέρω πιτύλω δηλεΐτο πρόσωπον | μέχρι συνηλοίησε παρήια.

Amykos bleibt gar nichts anderes mehr, als, halb bewußtlos am Boden liegend (128f.), schleunigst beide Hände zugleich als Zeichen der Aufgabe emporzureißen (129f. άνέσχεθ-ε . . . άμφοτέρας άμα χείρας). Die „turmhohe" Überlegenheit des Polydeukes in diesem Faustkampf führt dazu, daß die Erzählung inhaltlich kaum Spannung aufzuweisen hat. Sie ist eigentlich nicht viel mehr als eine achtfache 1 Gow, Komm. 398: Amykos „. . .seizes in his left hand his opponent's left, thereby immobilising his guard. This is no doubt a f o u l . . . "

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Amykos

Variation zum Thema „Schläge des Polydeukes in das Gesicht des Amykos". Die Kirnst Theokrits liegt darin, den immer gleich bleibenden Sachverhalt durch immer neue sprachliche Formulierungen zu verschleiern und auf diese Weise keine Langeweile aufkommen zu lassen. Er gebraucht einen ganzen Katalog von Verben f ü r die verschiedenen Formen und Wirkungen der Schläge des Polydeukes 1 und läßt die Hiebe möglichst jedesmal einen anderen Teil des Gesichtes des Amykos treffen, ohne aber Wiederholungen ganz vermeiden zu können 2 . Die ganze so martialisch aussehende Geschichte aber hat einen unverkennbaren komischen Charakter, der sich schon im spielerischen Gleichklang der Formulierungen παν δ' άπέσυρε μέτωπον (105) und παν συνέφυρε πρόσωπον (111) ausdrückt und in einer Versgruppe (112—114) fast burleske Züge annimmt: σάρκες δ' ώ μεν Ιδρώτι συνίζανον, έκ μεγάλου δέ αΐψ' ολίγος γένετ' άνδρός· ó δ' αιεί πάσσονα γυΐα αύξομένου3 φορέεσκε πόνου καΐ χροιη άμείνω. Schon die Aussage, daß aus dem eben noch so großen Mann plötzlich ein ganz kleiner geworden ist, zeigt, daß sich Theokrit mit seinem Amykos durchaus in der Tradition von Komödie und Satyrspiel 4 hält — das übersteigerte Gegenbild des Polydeukes aber, dessen Glieder mit der wachsenden Anstrengung sozusagen „mitwachsen" und eine immer gesündere Hautfarbe annehmen, bewegt sich hart an der Grenze des Lächerlichen 5 . 2. Die Kampfdarstellung bei Apollonios Wie verschieden davon die Auffassung des Apollonios ist und welches ganz andere Ziel er verfolgt, geht vor allem aus der veränderten Stellung des Polydeukes zu seinem Gegner Amykos hervor. Theokrit setzt die Unbesiegbarkeit des Polydeukes voraus (111 άνίκητος Πολυδεύκης) und braucht ihn, anders als seinen Gegenspieler, nicht besonders zu charakterisieren, weil er die durch die Tradition 1 88 τύψε; 96 δμυσσεν; 102 έτάρασσεν; 104 ήλασε; 105 άπέσυρε; I l l συνέφυρε; 124 πλήξε ν ; 126 κόψε; 127 δηλεϊτο ; 128 συνηλοίησε. 2 88 άκρον . . . γένειον; 100 £λκεα λυγρά περί στόμα τε γναθ-μούς τε; 101 οίδήσαντος . . .προσώπου; 104 μέσσης ρινός ΰπερθ-ε und κατ' όφρύος; 105 μέτωπον; 111 πρόσωπον (vgl. 101); 124 ύπό σκαιόν κρόταφον vgl. 125 κροτάφοιο χανόντος; 126 στόμα; 127 πρόσωπον (vgl. 101 und 111); 128 παρήια. 3 αύξομένου Meineke: άπτομένου codd. : Siehe Gow, Komm. 397 (zu V. 114). 4 Siehe o. S. 86 und 92. 5 Vgl. Gow, Komm. 397 (schon zu V. 112 σάρκες . . . Ιδρώτι συνίζανον): "The picture of Amycus reduced by sweating from a giant to a pygmy is ridiculous" •— Das gilt aber noch mehr vom „Aufblühen" des Polydeukes.

Der Faustkampf bei Apollonios

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festgelegten Züge des πυξ άγαθ-ός für seinen Hymnos unverändert übernimmt 1 . Apollonios aber schildert einen Kampf unter gleichwertigen Gegnern, im Anfang ist sogar Amykos eindeutig überlegen und treibt Polydeukes unablässig vor sich her (74f. Τυνδαρίδην φοβέων επετ' ούδέ μ ιν εϊα | δηθύνειν). Dieser hat trotz seiner Geschicklichkeit alle Mühe, dem Verfolger auszuweichen: wie Theokrit hebt auch Apollonios Klugheit und Gewandtheit als Vorzüge des Polydeukes hervor: T. 85 ίδρείη μέγαν άνδρα παρήλυθες, ώ Πολύδευκες — Α. 71f. im Bilde des Steuermanns, mit dem er Polydeukes vergleicht ή δ' (sc. ναϋς) υπό τυτθ-òv | ίδρείγ) πυκινοΐο κυβερνητήρος άλύσκει | . . . κλύδωνος. Doch wird die ίδρείη bei Theokrit nur an einem Einzelfall als besonderer Ausdruck der allgemeinen Überlegenheit des Tyndariden demonstriert, bei Apollonios dagegen ist sie der einzige Vorteil, den Polydeukes gegen seinen gefährlichen Gegner einzusetzen hat und mit dem er den Nachteil geringerer Körperkraft und Erfahrung eben ausgleichen kann (75f. ó δ' αρ' (sc. Πολυδεύκης) αίέν άνούτατος ήν δια μ η τ t ν | άίσσοντ' (sc. "Αμυκον) άλέεινεν; vgl. τυτ&όν ύπαλύσκει im Gleichnis V. 7If.). Polydeukes ist nicht mehr άνίκητος wie im theokriteischen Hymnos, der ausgewogene Kampf an sich läßt — vom Zuschauer aus gesehen — die Möglichkeit des Sieges für beide Kontrahenten bis zuletzt offen, obschon der durch die Andeutungen des Dichters eingeweihte Leser darauf vorbereitet ist, daß Amykos für seine Hybris bestraft werden muß, im Endeffekt also Polydeukes der Sieger sein wird. Durch dieses Mittel der Gleichstellung der Gegner erreicht Apollonios, daß der Boxkampf spannender verläuft als bei Theokrit. In der ersten Runde ist Polydeukes so lange auf dem Rückzug vor dem angreifenden Amykos (70—76), bis er sich auf diesen eingestellt hat (76f. άπηνέα δ' αϊψα νοήσας | πυγμαχίην, f¡ κάρτος άάατος f¡ τε χερείων, . . . ). In der zweiten Runde kommt es dann zu einem gleichmäßigen Schlagwechsel mit harten Treffern auf beiden Seiten (82 f. τοίσι παρήιά τ' άμφοτέρωθεν | και γένυες κτύπεον und 84 ούδ' έλληξαν έπισταδόν ούτάζοντες), und in der Pause sind beide gleichermaßen erschöpft (86f.). Hier ist nicht mehr, wie bei Theokrit, immer nur Amykos „der Dumme", sondern beide haben die gleichen Chancen, zu treffen und getroffen zu werden. Der Kampf wird nicht deshalb unterbrochen, weil Amykos schon halb geschlagen am Boden liegt (T. 105—107), sondern weil beide Gregner eine Atempause brauchen: V. 85 εστε περ ούλοον άσθμα και άμφοτέρους έδάμασσεν. In der betonten Bemerkung „und zwar beide" kann man vielleicht einen Hinweis auf Theokrit sehen, der nur den einen, nämlich Amykos, „bezwungen" sein läßt. 1

Siehe o. S. 89.

8 8316 Köhnken, Hyp. 12

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Amykos

Bei einem solchen Stand der Dinge hält Apollonios in der Pause vor der dritten Runde, in der die Entscheidung fallen muß, selbst den eingeweihten Leser in gespannter Erwartung: wie wird der Dichter das Problem lösen, trotz der absoluten Ebenbürtigkeit der Gegner den Polydeukes als Sieges aus dem Kampf hervorgehen zu lassen? Hinzu kommt noch ein weiterer Kunstgriff, durch den Apollonios seine Erzählung gegenüber derjenigen Theokrits verändert. Letzterer hatte die naturgetreue „Reportage eines Boxkampfes" mit ihren vielen, sich immer wiederholenden Schlägen gegeben, Apollonios aber stilisiert seine Darstellung dadurch, daß er, was Fausthiebe und Treffer angeht, alles nur einmal sagt 1 und streng darauf achtet, keine Konstellation des Kampfes doppelt zu schildern. Um dieses Ziel zu erreichen und dabei trotzdem die lebendige Vorstellung vom bewegten Hin und Her eines Boxkampfes zu erhalten, verlagert Apollonios das Geschehen in den beiden ersten Runden zu einem großen Teil in die Ebene von zwei großen „Aktionsgleichnissen" (70ff. und 79ff.) 2 . Das geschickte, aber nur „hauchdünne" Ausweichen des Polydeukes vor den Hieben des Amykos einerseits, wird illustriert durch das Bild eines klugen Steuermanns, der sein Schiff jedesmal gerade noch vor dem Anprall der Wogen bewahren kann 3 — die unablässige Folge dumpfdröhnender Schläge und Gegenschläge andererseits, wird veranschaulicht am Beispiel von Schiffszimmerleuten, die auf einer Werft mit regelmäßigen Hammerschlägen Bolzen von zwei Seiten in gegeneinandergelegte Balken treiben. — Auf diese Weise braucht Apollonios in der ersten und zweiten Runde zusammen die Fäuste der Kämpfer nur ein einziges Mal ins Spiel zu bringen, und zwar mit dem Kolon χερσίν εναντία χείρας εμειξεν (78) am Ende der ersten Runde. In der zweiten aber erwähnt er statt der Fäuste die durch sie verursachten Wunden (84 ούδ' έλληξαν έπισταδόν ούτάζοντες) und die getroffenen Gesichtspartien (82f. παρήια; γένυες; δδόντες), nennt also der Abwechslung halber das Bewirkte an Stelle des Wirkenden. Das Gleichnis, das dann die letzte Phase des Kampfes einleitet (88f.), hat formal genau dieselbe Funktion wie Theokrits Musenanruf (T. 115—117): den dritten Akt gegen das Vorhergehende abzusetzen und als ausschlaggebend anzukündigen. Theokrit läßt es dabei auch bewenden: ohne die drei Einleitungsverse 115-—117 wäre seine letzte 1 In der ersten Runde nur V. 78 χερσίν έναντία χείρας Εμειξεν ; in der zweiten V. 82—83 παρήια . . . | καΐ γένυες κτύπεον und βρυχή . . . όδόντων (die Geräusche werden also einmal verbal, einmal substantivisch ausgedrückt) ; außerdem V. 84 έπισταδόν ούτάζοντες; in der dritten Runde V. 93 κράτα παρακλίνας, ώμω . . . άνεδέξατο πηχυν; 95 κόψε . . . υπέρ ουατος und 95—96 όστέα δ' είσω | ρήξεν. 2 Zu ihrer Erklärung s. Fränkel, Αρ. 148f. und Drögemüller 132—135. 3 Das Gleichnis erinnert in der Thematik an die Rettung aus Seenot im hom. Dioskurenhymnos (33) und im Prolog des theokriteischen Hymnos (besonders 22,10—13).

Der Faustkampf bei Apollonios

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Runde nichts eigentlich Neues: einen von Polydeukes abgewehrten Angriff des Amykos (118—124) und eine Schlagserie des ersteren, an deren Ende der letztere schwer getroffen am Boden liegt (125—130), hatte es bei ihm in der ersten und zweiten Runde ähnlich auch schon gegeben (87—89: Angriff des Amykos, von Polydeukes abgefangen; und 104—106: Schläge des Polydeukes, Amykos getroffen am Boden). Theokrits letzte Runde faßt also nur den Gesamteindruck des Kampfes noch einmal konzentriert zusammen. Ganz anders Apollonios: Schon das Einleitungsgleichnis (88f. „Zwei Stiere kämpfen um eine Kuh") geht über Theokrits vom Geschehen selbst unabhängige, formelhafte Wendung 1 hinaus. Apollonios gibt durch das Stiergleichnis inhaltlich den Ton für das Folgende an. Statt, wie Theokrit, das Wissen um den Ausgang des Kampfes spielerisch der Muse zuzuschieben (T. 115f. πώς γάρ δή Διός υιός άδηφάγον άνδρα καθ-εΐλεν; | είπε, θεά, σύ γάρ οίσθα2, bleibt Apollonios mit seinem Gleichnis ganz im Rahmen des Kampfes ; es dient ihm dazu, auf den tödlich-ernsten Charakter der Schlußauseinandersetzung hinzuweisen3. Die dritte Runde bei Apollonios (88—97) zeichnet sich gegenüber den beiden ersten durch zwei Besonderheiten aus : 1. Sie ist, mit Ausnahme der Einleitungsverse (88f.) und des Kurzvergleiches in Vers 91 (βουτύπος οία), eine reine Erzählungspartie. 2. Sie stellt zum ersten und einzigen Mal eine direkt erzählte wirkliche Kampfhandlung dar: Bis jetzt hatte Apollonios noch keine echte kämpferische Einzelaktion geschildert, sondern in den beiden ersten Gleichnissen, wie in den erzählenden Zwischenstücken, nur von der allgemeinen Situation gesprochen. Apollonios bringt also, anders als Theokrit, im Endstadium des Duells etwas ganz Neues. Er hat sich die Beschreibung einer besonderen Kampfstellung für seinen Schlußakkord aufgespart, der durch die Einmaligkeit des Geschilderten gesteigert auf den Leser wirken soll: 1 Die Verse T.s variieren den traditionellen homerischen Musenanruf, wie z.B. Β 484ff. (vor dem Schiffskatalog): T. verwendet den Musenanruf formal in derselben einleitenden Funktion wie Homer. 2 Auf Grund der bei A. mehrfach vorkommenden Musenanrufe (1,22; 2,845; 4,552ff. 984 f. 1381 f. und in der Einleitung zum 3. u. 4. Buch) meint Wilamowitz, Textg. 198f. : T. „wendet eine Manier des A. (sc. die Berufung auf die Musen) im genau entgegengesetzten Sinne (sc. um eine „Neuerung" anzubringen) an: da hat er also den A. treffen wollen . . . " — Doch 1. ist die Berufung auf die Musen eher eine homerische „Manier" und 2. ist nicht der Schluß des theokriteischen Gedichtes (Schonung des Amykos) eine „Neuerung" gegenüber der Tradition (das läßt sich aus T.s Formulierung V. 116 εγώ δ' έτέρων ύποφήτης kaum herauslesen), sondern viel eher der der apollonianischen Erzählung. (Tod des Amykos: s. o. S. 93). 3 Siehe Drögemüller 46: „Stierkampf um eine Färse kann Kampf um Leben und Tod sein; beide Kämpfer sind von stierischer Mordlust gepackt." 8*

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Amykos

1. Teil (V. 90—93): „Amykos reckt sich zu seiner vollen Höhe empor und läßt die schwere Faust auf den Gregner hinabsausen — dieser aber duckt sich, weicht mit dem Kopf seitwärts aus und fängt den Arm des anderen mit der Schulter ab." 2. Teil (V. 94—97) 1 : „Polydeukes schleicht ganz langsam in unmittelbarer Nähe seitwärts am Gegner vorbei, ,schießt' dann urplötzlich seine Faust ab, die den (völlig überraschten) Amykos oberhalb des Ohres trifft und ihm die Knochen bricht" (94—96) — „Er stürzt — die Argonauten jubeln auf — er stirbt" (96—97). Der Schlag trifft Amykos also völlig unvorbereitet. Er hat offenbar nicht mit der Schnelligkeit des Polydeukes gerechnet und sich eine Blöße in der Deckung gegeben. Die Unterschätzung des Gegners wird ihm zum Verhängnis 2 . Die drei das Ergebnis des Kampfes und seine Wirkung auf die Zuschauer konstatierenden Schlußsätze malen in ihrer schlagartigen Kürze, noch gesteigert durch die dreifache Anfangsstellung des Demonstrativums, das Plötzliche dieses Endes, das nach dem Verlauf des Kampfes kaum zu erwarten war: ó δ' άμφ' οδύνη γνύξ ήριπεν. oí δ' ίάχησαν | ήρωες Μινύοα. του 8' ά&ρόος έ'κχυτο θυμός (96—97). Zwischen den Sturz und den Tod des Amykos wird der Aufschrei der Argonauten eingeschoben und damit als gleichzeitig mit dem Fall des Bebrykerkönigs gekennzeichnet. — οί δ' ίάχησαν beginnt Apollonios, und man bezieht das Kolon zunächst auf die Reaktion beider zuschauenden Parteien, bis das nachklingende ήρωες Μινύαι am Anfang der nächsten Zeile Einschränkung und nähere Bestimmung liefert : es handelt sich um ein Jubelgeachrei der Argonauten. Zugleich aber hört man hinter dieser Formulierung auch das, was Apollonios nicht ausdrücklich sagt, als Negativ mit: Die Bebryken sind vor Schreck sprachlos. 1

Koechlys Konjektur in V. 94 (τυτθδν δ' άγχ' αύτοΐο für: . . . | τυτθάν ó 8' άγχ' αύτοΐο der Hss.) ist überzeugend, da 1. τυτθάν . . . γόνυ γουνός άμείβων (94) „langsam gehen" eine genaue Parallele in Λ 547 δλίγον γ. γ. άμείβων hat und 2. τυτθόν auf άνεδέξατο (93) bezogen, nicht sinnvoll ist, da das Wesentliche darin besteht, daß Polydeukes den Schlag mit der Schulter abfängt und nicht am Kopf getroffen wird, nicht aber darin, ob der Schlag die Schulter voll oder nur wenig trifft. — Außerdem wird durch die leichte Änderung der wirkungsvolle Kontrast zwischen dem „langsamen Vorbeigehen" und dem plötzlichen Losstürzen in V. 9S hergestellt. — Der Grund für Frankels Konjektur V. 94 (άνδιχα τοΐο παρέκ für άγχ* αύτοΐο παρέκ) ist schwer zu erkennen: άνδιχα ergäbe hier nur eine unnötige Wiederholung dessen, was auch schon in παρέκ liegt. — Fränkels Parallelstelle 2,973 παρέξ £θεν άνδιχα (βάλλων), wo vom Thermodon gesagt wird, daß er eine Unzahl von Nebenflüssen „von sich weg" (£&εν ίίνδιχα) „nebeneinander aussendet" (παρεκβάλλει), beweist nur, daß &νδιχα im besonderen Fall neben παρέκ (-βάλλων) auftreten kann, nicht aber, daß δνδιχα τοΐο (παρέκ) an unserer Stelle notwendig ist. 2 Siehe o. S. 107.

Der Faustkampf bei Apollonios

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Zum Schluß sind noch ein paar Bemerkungen über den äußeren Aufbau der Handlung bei Apollonios nachzutragen. Man hat vor allem die gliedernde Funktion der Gleichnisse hervorgehoben 1 : drei ausgeführten Gleichnissen (70—76. 79—84. 88—89) entsprechen drei Phasen der Handlung, jedes Gleichnis ist einer Runde zugeteilt. Dabei ist jedoch zu beachten, daß das dritte eine andere Aufgabe hat als die beiden ersten, es dient nur zur Einleitung der dritten Runde 2 , während die vorhergehenden das Geschehen selbst in der ersten und zweiten Kampfphase widerspiegelten. Gegenüber Theokrits Aufteilung der Erzählung in viele kleine Abschnitte betonen Apollonios' Aktionsgleichnisse die Einheit der Handlungsteile — wie überhaupt die Gliederung bei ihm in erster Linie von inhaltlichen Gesichtspunkten bestimmt ist, während sie bei Theokrit zum Teil durch sein effektvolles Spiel mit Zahlenverhältnissen beeinflußt schien. So sind auch, anders als bei Theokrit, bei dem die übermäßige Ausdehnung der ersten Runde auffiel, die drei Kampfteile bei Apollonios etwa gleich lang (9 Verse — 7 Verse — 10 Verse). Der Klarheit des Aufbaus dienen auch zwei weitere Änderungen, die Apollonios vornimmt. Theokrit hatte eine Kampfpause nach dem ersten Akt angedeutet (106: Amykos liegt auf der Erde und muß sich erst wieder erheben, ehe der Kampf weitergehen kann), ihr jedoch keinen besonderen Platz eingeräumt. Sie wird nur durch den neuen Einsatz zu Beginn der zweiten Runde markiert: 107 εν θ· α μάχη δριμεία πάλιν γένετ* όρθ·ωθέντος. Apollonios aber hebt diese Pause (1) durch zwei ihr gewidmete Verse (86f.) hervor und verschiebt sie (2) vom Ende der ersten an den Schluß der zweiten Runde. Er erreicht dadurch, daß der Einschnitt zwischen den beiden ersten und der dritten Phase des Kampfes noch schärfer hervortritt als bei Theokrit: der dritte Gang wird nicht nur durch die besondere Einleitung, sondern auch durch die vorangehende Kampfruhe akzentuiert. Einen eleganten und nahtlosen Übergang von der ersten zur zweiten Szene und von der zweiten zur Pause sichert sich Apollonios durch zwei ambivalente Verse (78 und 85), die syntaktisch noch zum Vorhergehenden gehören, inhaltlich aber schon auf die Situation im Folgenden vorausweisen 3 . Endlich möchte ich noch auf einen weiteren bezeichnenden Unterschied im Schluß teil des Kampfes zwischen Theokrit und Apollonios eingehen. Theokrit läßt zwar, wie Apollonios, die letzte Szene mit 1

Faerber 48 A. 3; Fränkel, Ap. 148; Drögemüller 46. Siehe o. S. 114f. 8 Faerber 61 f. weist auf die Verse 69. 78 und 85 hin, in denen „der Inhalt des Folgenden" zur ^Vermeidung des homerischen Abschließens" angegeben werde. — Vgl. auch o. S. 104. 2

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einer Angriffshandlung des Amykos einsetzen, die Polydeukes abfängt und auf die er mit einem Gegenschlag antwortet (118—124), er schwächt dann jedoch den Effekt der Szene dadurch, daß er Polydeukes' Gegenaktion in eine Vielzahl von Schlägen auflöst, die den Gegner erst allmählich zermürben (126—128), bis er schließlich wieder am Boden liegt (128f.). Bei Apollonios dagegen besteht die letzte Phase aus nur einem Schlag des Amykos (90—93 = 4 Verse ; Theokrit hat auch hier eine mehrteilige Aktion), dem ein einziger Gegenschlag des Polydeukes entspricht (94—97 = 4 Verse) : die dramatische Wirkung erscheint in Mißerfolg und Erfolg dieser beiden Schläge auf das Höchste zugespitzt. Alle diese Einzelzüge lassen sich nur als gedankliche Weiterentwicklung und Vertiefung der in der Erzählung Theokrits angelegten Möglichkeiten verstehen. Apollonios achtet auch mehr als Theokrit darauf, daß Form und Inhalt sich ergänzen, der letztere aber den Vorrang behält. Der strengen Ökonomie im Ablauf der Handlung entspricht der klare Aufbau: der Einteilung in der ersten Hälfte des Kampfes bis zur Pause (Einleitung — erste Phase — zweite Phase) korrespondiert die Gliederung der zweiten Hälfte nach der Pause, also der dritten Runde : auch sie besteht noch einmal aus einer Einleitung und zwei Handlungspartien. Die Darstellung des Faustkampfes bei Apollonios ist also in der Figur des Parallelismus der Glieder vor und nach der Pause mit dem Schema a-b-c-(d)-a-b-c gebaut. Ergebnis

Obwohl die Parallelen zwischen der Amykosgeschichte in Theokrits Dioskurenhymnos und der Amykosepisode des Apollonios weniger zahlreich sind als in den Hylaserzählungen, sind doch Indizien zu finden, die das Ergebnis der Untersuchung der Hylasversionen bestätigen : 1. Aus dem verschiedenen Verhältnis der beiden Dichter zur Tradition ergeben sich die folgenden Anhaltspunkte : a) Die beiden vorhellenistischen literarischen Behandlungen des Themas vom Boxkampf des Polydeukes gegen Amykos, von denen wir wissen, waren eine Komödie (Epicharm) und ein Satyrspiel (Sophokles). Bei Theokrit erscheint Amykos als eine komische Figur, und seine Erzählung hat überhaupt eine humoristische Tönung1, bleibt also im Rahmen dieser Tradition (s. o. S. 90—92). Apollonios 1

Daß die komische Färbung der Amykosgeschichte nicht T.s Erfindung ist, sondern aus seiner Vorlage stammt, zeigt sich auch bei einem Vergleich mit der Darstellung des Zweikampfes Kastor — Lynkeus im zweiten Teil von T.s Dioskurenhymnos. Hier ist er u. a. offenbar von Pi. Ν. Χ 62 ff. beeinflußt, und der Ernst der Vorlage gibt auch seiner Erzählung einen ernsten Anstrich.

Ergebnis

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aber stellt den Amykosmythos als die Bestrafung eines gefährlichen Frevlers dar, der im Faustkampf mit Polydeukes den verdienten Tod findet. Für diese Version ist Apollonios unser frühester Zeuge, und sie ist wahrscheinlich seine Erfindung, der sich spätere Schriftsteller dann durchweg angeschlossen haben (s. o. S. 93). b) Polydeukes ist traditionell der unsterbliche der beiden Söhne der Leda, der unbestrittene Sohn des Zeus (während Kastor zum Teil als sterblicher Sohn des Tyndareos gilt). Er ist bei Pindar (Ν. Χ 67— 70) schon der unbesiegbare der beiden Brüder und wird von Theokrit ausdrücklich mit diesem Prädikat bezeichnet (V. 111 άνίκητος Πολυδεύκης). Er ist der selbstverständliche Sieger im Kampf gegen Amykos (s. o. S. llOff.). Apollonios aber rückt ihn, ebenso wie die übrigen Argonauten 1 , auf ein „menschliches" Maß herab und läßt ihn als Überraschungssieger über Amykos erscheinen (s. o. S. 116). c) Die Szenerie für den Kampf ist von Theokrit ohne große Veränderung aus der Tradition übernommen worden, Apollonios dagegen differiert stark von der Überlieferung (s. o. S. 90ff.). Diese Übereinstimmungen Theokrits mit der Tradition und die Abweichungen des Apollonios von ihr, die sich schon äußerlich in der veränderten Vorstellungsformel für die Dioskuren dokumentieren (s. o. S. 89—90), sprechen für die Posteriorität des letzteren. Die Annahme, Apollonios könnte sich mit seiner ernsten Darstellung zwischen die in der humoristischen Färbimg kongruierenden Behandlungen der Amykossage in der vorhellenistischen Überlieferung einerseits und bei Theokrit andererseits geschoben haben, ohne daß bei Theokrit von dieser ernsthaften apollonianischen Version Spuren zu finden sind, ist kaum wahrscheinlich. 2. Im Aufbau des Faustkampfes selber sprechen folgende Einzelheiten dafür, Apollonios später als Theokrit anzusetzen : a) Statt der allzu großen Überlegenheit des Polydeukes bei Theokrit, macht Apollonios Amykos und Polydeukes zu gleichwertigen Gregnern und erzielt dadurch einen spannenderen Verlauf des Kampfes (s. o. S. 112ff.); b) Die bei Theokrit nur angedeutete Kampfpause ist bei Apollonios ausgeführt (s. o. S. 117). Sie wird außerdem von ihrer für den Handlungsaufbau unzweckmäßigen Stellung hinter dem ersten Akt bei Theokrit, hinter den zweiten Akt des Duells verlegt. Apollonios rückt dadurch die beiden unentschiedenen ersten Kampfphasen näher zusammen und hebt die Sonderstellung des entscheidenden dritten Aktes schärfer als Theokrit hervor (s. o. S. 117); 1 Für das „menschliche" Niveau, auf dem die Argonauten des A. sich im allgemeinen bewegen, vgl. Frankel, Arg. 14 und denselb., Don Quijote 1.

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Amykos

c) Statt der inhaltlich nicht motivierten übergroßen Ausdehnung des ersten Kampfabschnittes gegenüber dem zweiten und dritten bei Theokrit, sind bei Apollonios die drei Runden von ausgewogener Länge, mit nur leichtem Übergewicht des dritten, ausschlaggebenden Ganges (s. o. S. 117); d) Wiederholungen, wie sie bei Theokrit mehrfach vorkommen (vor allem das doppelte „Zu-Boden-Gehen" des Amykos), werden von Apollonios streng gemieden (s. o. S. 114ff.). Apollonios stellt einen literarisch überhöhten Kampf dar, in dem jede Situation nur in exemplarischer Einmaligkeit vorgeführt wird: Verfolgung und Ausweichen im ersten Gang — Schlagabtausch im zweiten Gang — Einzelner Schlag und Gegenschlag in der dritten Runde. Die beiden ersten Phasen des Duells geben also nur summarische Vorstellungen vom Kampfverlauf, der dritten bleibt die besondere Aktion vorbehalten. An Stelle der realen Ausführlichkeit einer Kampfreportage, ergänzt durch rein formale Effekte, wie sie bei Theokrit vorliegt, strebt Apollonios durch eine von inhaltlichen Gesichtspunkten bestimmte Komposition, die ganz auf die dramatische Zuspitzung des Geschehens im dritten Akt des Kampfes angelegt ist, eine ideale Wirksamkeit an 1 . Seine stilisierte Kampfdarstellung ist sekundär gegenüber Theokrits mehr deskriptiver Schilderung vom natürlichen Verlauf eines Boxkampfes. 3. Wie schon bei den Hylasgeschichten, so zeigte sich auch hier, daß das mit Vorliebe angeführte subjektive Argument von der „Minderwertigkeit" der apollonianischen Erzählung auf recht schwachen Füßen steht. Gegen die Behauptung von Wilamowitz 2 , Theokrit „protestiere" als der „freie Künstler" gegen die „unfreie Nachahmimg" des Apollonios, spricht schon der Befund, den die Untersuchung der Stellung beider Dichter zur Tradition ergab. Theokrit zeigt sich im Fall der Amykosgeschichte weitgehend auf der Linie der Überlieferung, während die „freie" Umdeutung auf das Konto des Apollonios geht (s. o. S. 90—93). — Gows Ansicht 3 , bei Apollonios gäbe es „no setting, no atmosphere, nothing to prevent the Argonauts . . . from attacking the Bebrykes at once, nothing but the king's t h r e a t . . .", läßt außer acht, daß eben diese Drohung des Amykos, 1

Wenn Mehmel, Val. 48, vom „getreulichen Abspiegeln des Geschehens bei A. und T." spricht und, Val. 50, schreibt: ,,A. und T. sehen das Geschehen des Boxkampfes vor sich . . . in seinem ununterbrochenen Ablauf vom Anfang zum Ende, und so geben sie ihn wieder: sie spiegeln den Gegen-stand ab" — so ist das nur für T. zutreffend. Mehmel beurteilt hier die Darstellung des A. nach den Maßstäben T.s, ohne das ganz andere Ziel des ersteren zu berücksichtigen. Seine Behauptung, Val. 44, T. habe in der Darstellung des Faustkampfes „längeren Atem als A." ist deshalb auch unberechtigt. 2 Textg. 199. 3 C1R 56, 1942, 12 Sp. 1.

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seine Berufung auf seinen frevelhaften θεσμός, eine ganz andere Strafe verdient, als daß der König in einem Angriff der Argonauten hätte erschlagen werden dürfen (s. o. S. 95—98). Gows Kritik berücksichtigt nicht, daß die Erzählung des Apollonios unter dem Thema „Bestrafte Hybris" (Ibscher) steht und dieses Motiv konsequent durchgespielt wird: der von Amykos zum Verderben anderer als „θεσμός" eingeführte Boxkampf führt auch seinen eigenen Untergang herbei.— Hagopians These 1 schließlich, Theokrits Erzählung sei aus fünf Motiven aufgebaut 2 und deshalb als ein „fünfaktiges Drama" im Sinne der Postulate der peripatetischen Poetik zu betrachten3, scheint ziemlich weit hergeholt. Seine Behauptung ist sogar eher für Apollonios zutreffend, bei dem man nicht einmal auf „Motive" zurückzugreifen brauchte: Seine Darstellung besteht deutlich aus fünf Szenen (s. die Gliederung o. S. 84), einem Vorspiel („Amykos und die Argonauten": Punkt A der Gliederung), zwei die Gegner vorstellenden und den Kampf vorbereitenden Teilen (Punkt Β und C der Gliederung), der Kampfszene selber (Punkt D der Gliederung) und endlich einem Nachspiel („Sieg der Argonauten über die führerlosen Bebryken" : Punkt E der Gliederung). Dabei sind die vorbereitenden Szenen (B und C), die der Charakterisierung von Amykos und Polydeukes und der Bestimmung ihres „Standortes" in der kommenden Auseinandersetzung dienen, straff auf die eigentliche Kampfhandlung zukomponiert. Diese ist Höhe- und Wendepunkt des ganzen „Dramas" zugleich, da mit dem Tod und damit der Bestrafung des Amykos auch die Sache der Bebryken überhaupt verloren ist, die bisher ein die Nachbarn unterdrückendes Herrschervolk waren (s. o. S. 98). Als Folge der Niederlage ihres Königs werden sie im „Nachspiel" der Amykosepisode (E), führerlos geworden, von den Argonauten ohne Mühe niedergemacht und ihr Land noch dazu von den Mariandynem verwüstet. Man kann also die Darstellung des Apollonios mit mehr Recht als diejenige Theokrits als ein „modernes fünfaktiges Drama" bezeichnen und wird, anstatt wie Hagopian 4 zu behaupten, „der ältere Apollonios (wandelt) auf den Bahnen der Tradition", vielmehr sagen müssen: Apollonios gibt, anders als der in diesem Fall eher traditionsgebundene Theokrit, dem überlieferten Amykosmythos eine neue, tiefere Bedeutung. S. 59. Nämlich dem „Motiv der Landschaftsschilderung —· Amykos-AntaiosMotiv — Agonmotiv — Zuschauermotiv — Kampfmotiv". 3 Hagopian 59 f. « S. 66. 1

2

Anhang Zu den zeitlich parallelen Handlungen bei Apollonios : s. o. S. 20 Anm. 1 F. Mehmel 1 schreibt: „Es gibt für Apollonios nur einen zeitlichen Ablauf, in den alles eingeordnet werden muß, gewissermaßen nur ein Geleise, auf dem dies oder das hintereinander, aber nicht zweierlei zu gleicher Zeit, nebeneinander fahren kann." — Doch hatte schon L. Klein 2 für die Anfangsszenen des dritten Buches (bis zum Erosschuß 3,275ff.) auf die zeitliche Parallelität von himmlischer und irdischer Handlung hingewiesen; Mehmels These trifft danach jedenfalls nicht für das dritte Buch zu. Zurückhaltender als Mehmel will daher Ibscher die Eingleisigkeit der Handlung nur für die beiden ersten Bücher der Argonautika annehmen 3 : er vermutet eine Entwicklung der Kompositionstechnik des Apollonios, der nach seiner Ansicht erst vom dritten Buch ab zeitlich parallele Handlungen kennt 4 . Weder Mehmels noch Ibschers Annahmen lassen sich jedoch aufrechterhalten. Beide Thesen werden schon durch die Hylasgeschichte (die von Mehmel nicht berücksichtigt ist 5 ) klar widerlegt. Die Hylasaktion ist ausdrücklich und bewußt von Apollonios als zur vorher berichteten Herakleshandlung gleichzeitig gedacht und gestaltet ; und zwar geht das nicht nur aus τόφρα (V. 1,1207)β hervor, sondern auch aus den folgenden, deutlich auf den Eingang der Heraklesszene bezogenen Versen 1,1208b—1209a (von Hylas: ώς κέ oí, sc. Ήρακλεΐ, ΰδωρ I φθαίη άφυσσάμενος ποτιδόρπιον ~ 1,1188b—1189, von Herakles : 1

Virgil und Α. 75; vgl. schon Mehmel, Val. 1—20 (bes. S. 7 u. 13). Philol 86, 1931, 34. 3 Ibscher 47f.: er spricht vom „Fehlen jeder Handlungsverschränkung und gleichzeitiger Ereignisse" im ersten und zweiten Buch, räumt jedoch ein: „einen Ansatz dazu bildet das Lemnosabenteuer und das Hylasabenteuer . . ." (von mir gesperrt). 4 S. 100 (vgl. 72 und 97f.): „Das dritte Buch hatte gegenüber der Technik des ersten und des zweiten Buches, die das lineare Geschehen in ununterbrochenem Nacheinander ablaufen ließen, die Durchbrechung dieses Prinzips durch die Einführung von Parallelhandlungen und gleichzeitigen Handlungsgeschehnissen gebracht, die nacheinander erzählt und vorgeführt wurden." —· Ibschers Haltung ist jedoch nicht ganz konsequent: in der Behandlung der Phineusepisode des zweiten Buches sagt er, S. 34, die „Harpyienverfolgung" sei „eigentlich als Parallelhandlung" zu bezeichnen; in der Zusammenfassung, S. 47f., aber verschweigt er diese eindeutig zur Haupthandlung gleichzeitige Harpyien-Boreaden-Aktion : vgl. vorige Anm. 5 Zu Ibschers Ansicht s. o. Anm. 3. 6 Vgl. Schol. L (P) z. St. (S. 109 Wendel). 2

Parallele Handlungen bei Apollonios

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ως κεν έρετμόν | οϊ αύτώ φθαίη καταχείριον έντύνασθαι). Herakles will sich ein Ruder besorgen, bevor er sich an das Abendessen macht, Hylas aber will dem Herakles Wasser holen, bevor dieser zum Abendessen zurückkommt, also während er fern vom Lager im Wald nach seinem Ruder sucht (vgl. 1,1210 ίόντι). Die Verse 1,1188b—1189 und 1208b—1209 sind im Bau und im Wortlaut so auffallend ähnlich, daß sie sicher aneinander erinnern sollen : der Dichter hebt auf diese Weise die von ihm beabsichtigte zeitliche Parallelität der Heraklesund der Hylasszene noch besonders hervor. Aber auch sonst ist die These Mehmels 1 , erst Yergil habe echte gleichzeitige Handlungen, nicht zu halten (ebensowenig, wie die Auffassung Ibschers). Schon für Arg. 3, 609 (τόφρα: Argos verhandelt mit seiner Mutter im Palast des Aietes V. 609ff., während dieser eine Volksversammlung abhält: 576—608; vgl. besonders die Überleitungsverse 606—608: die Korresponsion von και ρ' ó μέν V. 606 und τόφρα δέ V. 609 betont die Gleichzeitigkeit der Geschehnisse) — muß Mehmel 2 eine „erzwungene zeitliche Parallelität" zugeben; doch ist die Gleichzeitigkeit ebensowenig zu bestreiten f ü r 2,301 (τόφρα) : die Boreadenhandlung (273—300) verläuft gleichzeitig zur Phineus-Argonautenhandlung (301—426); 3,275 (τόφρα): die Ankunft des Eros ist gleichzeitig zum vorher erzählten Empfang der Argonautendelegation durch Aietes; 3,1246 (τόφρα): Jasons Rüstung (1246—1264) ist zeitlich parallel zu der des Aietes (1225—1245) u. a. m. Außerdem finden sich einige kompliziertere Beispiele f ü r gleichzeitige Handlungen: so macht Vian 3 z.B. darauf aufmerksam, daß die 3,576ff. von Aietes einberufene Kolcherversammlung „sogleich" nach dem Weggang der Argonauten aus dem Palast des Aietes (3,442 und 448) stattfindet, das αύτίκα in V. 3,576 sich also nicht auf die unmittelbar vorher (573—575) erwähnte Landung der Argonauten bezieht, wie Mehmel es wollte 4 . Diese Landung ist vielmehr, ebenso wie alles, was Apollonios nach der Unterredung der Argonautendelegation mit Aietes (also ab V. 448 bis V. 575) erzählt hatte, als zeitlich parallel zur Kolcherversammlung (V. 576ff.) zu denken 6 . Ebenso ist wohl auch der Wechsel der Schauplätze 4,1170 ff.6 damit zu erklären, daß Apollonios den Aufbruch des Alkinoos zu den Kolchern, die seine Entscheidung über Medea erwarten, einerseits (4, 1

S. 78. S. 75. 3 Komm. 83 zu 3,576. 4 Seine Erklärung der Stelle, S. 74, ist sehr gezwungen. 5 Zu weiteren Beispielen für parallele Handlungen im dritten Buch der Argonautika s. Vian, Einleitung p. 12 mit Anm. 4. 6 Der Frankel, Ausg. 217 App., veranlaßt, eine Umstellung der Verse 4, 1182—1200 hinter 1169 zu erwägen. — Für die Unzulässigkeit dieser Versumstellung vgl. H. Erbse, RhM 106, 1963, 246—251. 2

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Anhang

1176—1181) und die Wallfahrt der Trauen aus der Stadt und der Leute vom Lande zu den die Vollendung des γάμος von Medea und Jason feiernden Argonauten andererseits (4,1182—1200) als zeitlich parallel kennzeichnen will. Die überlieferte Anordnung der Verse hat so ihren guten Sinn : der Abschluß der Hochzeit fällt mit dem Gang des Alkinoos zu den Kolchem zeitlich zusammen (Zeitpunkt für beide Handlungsteile: der frühe Morgen nach der Hochzeitsnacht: 1170ff.) und bildet sachlich die Voraussetzung für das Urteil, welches Alkinoos 1201ff. trifft. Die das Ende des γάμος und die „Gratulationscour" der Phäaken darstellende Szene (1182—1200) wird deshalb zwischen die Vorbereitungen für die Urteilsverkündung (1176—1181) und das Urteil selbst ( 1201 £F. ) eingeschoben : noch rechtzeitig vor der endgültigen Entscheidung liegt dann dem Alkinoos die Nachricht vom Vollzug der Heirat vor (1202 ήδη δέ γάμου τέλος έκλήιστο), und er verkündet daraufhin 1 seinen unumstößlichen Rechtsspruch (1201 f. δίκης άνά πείρατ' Ιειπεν | ΐθ-είης), nach dem Medea dem Jason zugesprochen wird. Man wird also anerkennen müssen, daß Apollonios in allen vier Büchern seiner Argonautika von der Möglichkeit einer doppelgleisigen Handlungsführung Gebrauch macht : die Belege zeigen, daß er in den Fahrtschilderungen im ersten, zweiten und vierten Buch gewöhnlich nicht mehr als ein zur Argonautenhandlung paralleles Geschehen darstellt 4 (eine Ausnahme ist die Kiosepisode; vgl. o. S. 83), während das dritte Buch mit den Abenteuern in Kolchis teilweise sogar noch mehr sich parallel zueinander entwickelnde Teilhandlungen aufweist 3 . 1

Das Sé von V. 4,1202 enthält eine kausale Nebenbedeutung (vgl. 1,1274: s . o . S. 80, Anm. 1): „Schon aber w a r . . . bekanntgeworden", d . h . „denn schon war . . . bekanntgeworden". 2 Für das erste Buch vgl. noch V. 1,640 (τείως) : die Aktion der Lemnierinnen (633—639) ist zeitlich parallel zu der der Argonauten (640ff.); vgl. auch o. S. 122, Anm. 3. — Für das vierte Buch vgl. Herter, Symb. Osi. 35, 1959, 43, Anm. 1, zu Iris' Botengang 4, 770 ff. : Ankunft und Aufenthalt der Iris bei Aiolos (777ff.) stehen parallel zu Thetis' Reise zu Hera (780 τόφρα). * Vgl. Vian, Einleitung p. 12 mit seinen Beispielen in Anm. 4.

Literaturverzeichnis A) Ausgaben und Kommentare 1. Apollonios Rhodios: zugrunde gelegt wurde : a) Apollonii Rhodii Argonautica, ree. H. Frankel, Oxford 1961 (zit. : Frankel [Ausg.]). sonst benutzt wurden : b) Apollonii Rhodii Argonautica, ed. A. Wellauer, Leipzig 1828 (Index) (zit. : Wellauer). c) Apollonii Rhodii Argonautica, ree. R. C. Seaton, Oxford 1900. d) Apollonius Rhodius, The Argonautica, with an English translation by R. C. Seaton, London 1912 (zit.: Seaton). e) The Argonautica of Apollonius Rhodius, ed. with a comm. by G. W. Mooney, Dublin 1912 (zit.: Mooney). f ) Apollonios de Rhodes, Argonautiques, Chant III, edition, introduction et commentaire de F. Vian, Paris 1961 (zit. Vian). g) S c h o l i e n : Scholia in ApoUonium Rhodium Vetera, ree. C.Wendel, Berlin 1935 (zit.: Wendel). 2. Theokrit: a) Theocritus, ed. with 1950, two vol. (zit. : b) Bucolici Graeci, ree. c) Bucolici Graeci, ed.

a transi, and comment, by A. S. F. Glow, Cambridge Grow, Ausg. oder Komm.). A. S. F. Gow, Oxford 1952. U. v. Wilamowitz, Oxford 1910'.

3. Kallimachos: a) Callimachus, ed. R. Pfeiffer, vol. I, Oxford 1949; vol. II, Oxford 1953 (zit.: Pfeiffer, Call.). b) Kallimachos, Dichtungen, griech. und deutsch, übertragen, eingeleitet und erklärt v. E. Howald und E. Staiger, Zürich 1955. B) Literaturbericht Herter, H. : Jahresber. üb. d. Fortschr. d. Klaas. Altertumsw., Apollonios Rhodios, CCLXXXV, 1944—1955, 213—410 (zit.: Herter). C) Literatur (mit Ausnahme der nur einmal S. 26—31 mit ihrer Ansicht zur Prioritätsfrage berücksichtigten Autoren) : Beazley, J . D.: Etruscan Vase-painting, Oxford 1947 (zit.: Beazley). Blumberg, K. W. : Untersuchungen zur epischen Technik des Apollonios von Rhodos, Diss. Leipzig 1931 (zit.: Blumberg). Drögemüller, H. P. : Die Gleichnisse im hellenistischen Epos, Dies. Hamburg 1956 (zit.: Drögemüller).

126

Literaturverzeichnis

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18). Knaack, Knaack, Properz

K ü h n , J . - H . : Die Thalysien Theokrits, Herrn. 86, 1958, 40—79 (zit..: K ü h n , Herrn. 86). Legrand, P h . E. : É t u d e sur Théocrite, Paris 1898.

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Verzeichnis der behandelten Stellen Apollonios Arg. l,131f. 1,146-150 1,269-277 1,460-518 1,519fr. 1,532f. 1,589-591 1,609fr. 1,640 1,961 ff. l,1035f. l,1082f. 1,1121

1,1172-1279 1,1179-1181 1,1182-1185 1,1187-1206 1,1201-1205 l,1207ff. 1,1207 1,1211-1220 1,1214 1,1216

1,1217 1,1222-1229 1,1227 1,1228-1239 1,1229 1,1230-1232 l,1235f. 1,1239b 1,1240-1260 1,1240-1242 1,1250-1252 1,1254 1,1261-1272 1.1263 1.1264 l,1273ff. 1,1309

Arg. 1,1315-1325 43}. 89}. 34 23 A. 2 80 54 A. 2 38f. 44 A. 3, 54 A. 2 124 A. 2 37 mit A. 1 9 80 mit A. 2 11}. 17-25 36-39 34-39 19ff., 39 19 mit A. 4 40-46 41, 64 mit A. 1, 66 mit A. 4 46-56 46 A. 6, 47 mit A. 1,48 mit A. 3 u. 4, 54f., 55 A. 4 49 mit A. 1-4, 55 50 mit A. 5 56-58 56 A. 3 58-66 63 mit A. 1 62 mit A. 4, 63 mit A. 2 64 mit A. 1 59 mit A. 1, 60]., 64}., 65 A. 1 67-75 67 f. 70 A. 2 69 A. 3 75-79 76 mit A. 1 76 A. 2 79}., 81f. 16 mit A. 1

1,1345-1357 2,1-97 2,1-19 2,5 2,19-21 2,23 2,25-50 2,25 2,25-29 2,30-42 2,31 f. 2,43-50 2,46 f.

2,66

2,67-97 2,67-69 2,69 2,94 2,97 2,98-163 2,138-142 2,145-154 2,301 2,669-721 2,732ff. 2,792-798 2,967 2,973 3,121 f. 3,192 f. 3,219ff. 3,220 3,275 3,282-284 3,576ff. 3,609 3,640 3,928 3,937 3,1019-1021 3,1191-1224 3,1195f.

24, 21 mit A. 2, 36 mit A. 4 24, 21 mit A. 2, 26 A. 4, 36 mit A. 4, 51 mit A. 3 84-121 95-98 57 A. 1, 98 97 97 mit A. 1 98-108 100 A. 3 99}., 34 100-106

102 mit A. 1 106-108

107 mit A. 2 98 108}., 112-118 87-89 89 A. 1 116 A. 1 59 A. 1 84, 92}., 121 98 97 123 23 A. 2 46 A. 3 98 45 A. 2 116 A. 1 33}. 96 mit A. 6 46 A. 3 11}. 123 65 A. 1, 59 A. 1 123 123 10}. 11}. 9 34 18-21

19 mit A. 1

Verzeichnis der behandelten Stellen 3,1246 4,75-77 4,109-184 4,109-114 4,167-173 4,477 4,770ff. 4,1170ff. 4,1432-1449 4,1466

123 78f. 22-24 22 mit A. 2 23 Α. 1 45 A. 2 124 A. 2 123f. 45 A. 1 u. 2 56 A. 3

Theokrit id. 7 7,9 7,39-48 7,126f. 7,128f. id. 12,10 id. 13,1-29 13,5-15 13,30-75 13,32-35 13.33 13,36-54 13,36-40 13,38 13,40-42 13,43-54 13.43-45 13,50-52 13,53 f.

Homer A238f. Β 484ff. Γ 237 340 Η 416 Θ 518 Λ 462f. 547 M 206 304 Τ 384f. Ψ 664-699 Ω 451

96 mit Α. 5 115 mit Α. 1 89 88 68 Α. 3 43 78 116 Α. 1 64 Α. 5 69 Α. 2 107 Α. 2 100 Α. 3 86 Α. 1 35 Α. 3

θ 263 κ 203f. λ 300 ν 224 σ 1-100 χ 10

43 104 Α. 2 89 102 Α. 4 86 Α. 1 35 mit Α. 1

Τ 168

hy.Hom. 17,1 90 33,Iff. 90, 114 Α. 3 Il.Parv. F VI, 2 Allen 11 f. Kallimachos Aet. I, Γ 1, 33-38 Pf. I , F 7, 19-21 Pf. I, F 12, 6 Pf. I, F 22-25Pf. Locke der Berenike hy. 3 3,157 3,159-161 3,163-165

15 mit A. 3 51 mit A. 8 16 mit Α. 1 51-56 15 36 A.l 55 A. 3 52-56, 32 mit A. 11 35f.

129

13,58-65 13,58 f.

id. id. id. id.

13,65 13,67 13,68f. 13,70f. 15 16 17 22,1-26

22,27-134 22,32 f. 22.34 22.44-74 22.45-52 22,55 ff. 22,75-79 22,80-130 22,80-82 22,82 22,94 22,97 22,112-114 22,131-134 22,137-211 id. 24,69f. ep. 18

14 llf. 10 10 f. 102 Α. 1 9 mit A. 3 24 A.3 44 mit A. 4, 45 mit A. 3 24f., 32-83 34-39, 79 33 mit A. 6, 81 39 ff. 40-46 33 mit A. 6, 81 45 f. 58-66 56-58 65 mit A. 2, 80 65f., 75, 79, 33 mit A. 5 71-75 78 mit Α. 1, 79, 82 71 76 mit Α. 1 79 76 mit A. 2 13 mit Α. 1, 14 13f. 13 mit Α. 1, 14 89f., 114 mit A. 3 84-121 34^36 89 94f., 98 94, 103 57 Α. 1, 98 103 f. 108-112

87-89 89 Α. 1 103 Α. 1 94 mit Α. 1, 98 112 84, 92 mit Α. 1 118 Α. 1 9 92

HERMANN FRANKEL

Einleitung zur kritischen Ausgabe der Argonautika des Apollonios Abhandlungen d. Akad. d. Wissensch, in Göttingen, Phil.-hist. Kl. III/55 1964. 167 Seiten, brosch. 2 3 , — D M Die Arbeit behandelt nach einer Erörterung der antiken „Proekdosis" des Epos und einem Bericht über einen neuen Apolloniospapyrus eingehend typische Überlieferungsfehler nach ihren Anlassen und Wirkungen und bespricht die einzelnen Handschriften und deren Beziehungen zueinander. Ein Abschnitt über die Scholien revidiert ihre bisherige Behandlung. Die wichtigsten früheren Ausgaben werden nach ihrer Leistung und Eigenart charakterisiert, von dem Verfahren bei der neuen Oxford-Ausgabe wird Rechenschaft gegeben. Schließlich werden grundsätzliche Fragen der Textkritik mit Entschiedenheit aufgegriffen, im Hinblick auf die Praxis eines Editors oder Benutzers von kritischen Ausgaben. HEINRICH D Ö R R I E

Der Königskult des Antiochos von Kommagene im Lichte neuer Inschriftenfunde Abhandlungen d. Akad. d. Wissensch, in Göttingen, Phil.-hist. Kl. III/60 1964. 236 Seiten, brosch. 32,— D M Aus den vielen Stiftungen Antiochos I. (etwa 70—35 v. Chr.) sind neben Fragmenten zwei vollständige Einsetzungsdekrete — in Stein gemeißelt, 260 und 237 Zeilen — erhalten, das eine ist vor kurzem aufgefunden. Ihr Vergleich läßt den Wandel in der Selbstauffassung des Antiochos als Gott erkennen. Diese Dekrete •— Meisterwerke hellenistischer Kunstprosa — dürfen als die Magna Charta von Kommagene bezeichnet werden. E R N S T HEITSCH

Die griechischen Dichterfragmente der römischen Kaiserzeit I/II Abhandlungen d. Akad. d. Wissensch. in Göttingen, Phil.-hist. Kl. III/49 u. 58 Band I : 2., veränd. Aufl. 1963. 205 Seiten und 12 Tafeln, brosch. 29,— DM, Leinen 33,— DM Band II: 1964. 64 Seiten, brosch. 9 — D M Band I wurde für die 2. Auflage in vielen Einzelheiten berichtigt und ergänzt. Band II, mit dem die Sammlung abgeschlossen ist, enthält u. a. die teils medizin-, teils religions- und geistesgeschichtlich wichtigen Gedichte des Andromachos (Leibarzt des Kaisers Nero), Markellos von Side und das anonyme Carmen de viribus herbarum. „Ein sehr willkommenes, um es gleich zu sagen, gelungenes Buch ist diese Sammlung der Bruchstücke von griechischen Epen, Elegien, Mimen, Hymnen und lyrischen Gedichten aus der Kaiserzeit, worunter sich auch manche kleine ganz erhaltene Stücke finden. Das meiste Material haben die Papyri geliefert, ein kleinerer Teil kommt aus erhaltenen Schriftstellern. Ausgeschlossen waren inschriftlich auf uns gekommene Stücke . . ." Gnomon VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN U N D ZÜRICH

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ALTERTUMSWISSENSCHAFT

Herausgegeben von Bruno Snell und Hartmut Erbse

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Griechische Metrik 3., erweiterte Auflage 1962. 65 Seiten, brosch. 5,20 DM Heft 2

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Die tragische Dichtung der Hellenen 2., um Nachträge erweiterte Auflage 1964 255 Seiten, brosch. 15,80 DM Heft 3

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Das mathematische Denken der Antike 1957. 128 Seiten, brosch. 9,50 DM Heft 4

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Der antike Roman 2., durchgesehene Auflage 1956. 80 Seiten, brosch. 4,80 DM Heft 5

ULRICH KNOCHE

Die römische Satire 2., mit einem Nachtrag versehene Auflage 1957. 122 Seiten, brosch. 6,40 DM Heft 6

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Griechische Epigraphik 1957. 107 Seiten, brosch. 7,80 D M Heft 7

ALBRECHT DIHLE

Die goldene Regel Eine Einführung in die Geschichte det antiken und frühchristlichen Vulgärethik 1962. 135 Seiten, brosch. 14,80 DM Heft 8

JAMES W. HALPORN — MARTIN OSTWALD

Lateinische Metrik Ubersetzt von Herbert Ahrens. 1963. 62 Seiten, brosch. 5,20 DM Heft 9

T. B. L. WEBSTER

Griechische Bühnenaltertümer 1963. 83 Seiten und 8 Tafeln, brosch. 9,80 DM Heft 10

REINHOLD MERKELBACH — HELMUT VAN THIEL

Griechisches Lesebuch zur Einführung in die Paläographie und Textkritik 1964. Etwa 120 Seiten, brosch. etwa 12,80 DM Heft 11

RÜDIGER VISCHER

Das einfache Leben Wort- und motivgeschichtliche Untersuchungen zu einem Wertbegriff der antiken Literatur Etwa 200 Seiten, brosch. etwa 26,— D M

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