Hegel und die logische Frage 9783110432213, 9783110440348

The logical question is a central theme of 19th century philosophy. The marginal reception accorded to Hegel’s subjectiv

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Hegel und die logische Frage
 9783110432213, 9783110440348

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
I. Hegel und die logische Frage
1. Kritik der formalen Logik
2. Logik und Metaphysik
3. Logik und Naturwissenschaften
II. Eine hegelsche Antwort
1. Die Subjektivität
1.1 Der Begriff
1.1.1. Zur Kritik der in gewöhnlichen Abhandlungen der Logik vorkommenden Einteilungen und Arten von Begriffen
1.1.2 Zur Kritik der Darstellung von Begriffen als Zeichen
1.1.3. Zur Kritik der Trennung der logischen Form des Begriffs von seiner Wahrheit
1.1.4 Der Begriff als solcher – Zu Hegels Bestimmung des Begriffs
1.1.4.1 Der allgemeine Begriff
1.1.4.2 Der besondere Begriff
1.1.5 Die Ohnmacht der Natur
1.2 Das Urteil
1.2.1 Das Verhältnis des Urteils zum Begriff – Das Einzelne
1.2.2 Satz und Urteil
1.2.3 Das Urteil des Daseins
1.2.4 Das Urteil der Reflexion
1.2.5 Das Urteil der Notwendigkeit, oder: Das logische Verhältnis von Gattung und Art
1.2.6 Das Urteil des Begriffs, oder: Die Allmacht des Begriffs
1.3 Der Schluss
1.3.1 Der Schluss des Daseins
1.3.2 Der Schluss der Reflexion
1.3.2.1 Exkurs: John Stuart Mills induktive Logik
1.3.2.1.1 Die Lehre vom Schluss und die Crux des Syllogismus
1.3.2.1.2 Die Induktion als Grundlage aller Wissenschaften
1.3.2.1.3 Naturgesetze und Gesetzmäßigkeit der Natur. Vom Grund der Induktion
1.3.2.1.4 Die Begründung der Kausalität
1.3.2.1.5 Die Methoden der (Natur-)wissenschaften
1.3.2.1.6 Mills Theorie der Arten
1.3.2.2 Allheit, Induktion und Analogie
1.3.3 Der Schluss der Notwendigkeit
1.3.3.1 Die Realisierung des Begriffs im Übergang des Schlusses der Notwendigkeit zur Objektivität
1.3.3.2 Hegels Bestimmung des ontologischen Gottesbeweises als Realisierung des Begriffs
2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine
2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs
2.1.1 Mechanismus
2.1.1.1 Der Mechanismus als vorgestellte Kausalität
2.1.1.2 Der tote Mechanismus als formale Gleichförmigkeit
2.1.2 Chemismus
2.1.3 Teleologie
2.2. Das Leben lebt nicht
2.3 Die Idee des Erkennens
2.3.1 Die Idee des Wahren
2.3.1.1 Das analytische Erkennen
2.3.1.2 Das synthetische Erkennen
2.3.2 Die Idee des Guten
2.4 Die Seele und Substanz aller Objektivität
3. Ausblick: Kritische Naturphilosophie
3.1 Der „Übergang“ zur Naturphilosophie
3.1.1 Das Offenbaren als die abstrakte Idee
3.1.2 Das Offenbaren des Geistes
3.1.3 Das Offenbaren im Begriff
3.2 Der Begriff der Natur und seine kritische Implikation
Siglenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister

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Myriam Gerhard Hegel und die logische Frage

Hegel-Jahrbuch Sonderband

Herausgegeben von Andreas Arndt, Myriam Gerhard und Jure Zovko

Band 6

Myriam Gerhard

Hegel und die logische Frage

DE GRUYTER

ISBN 978-3-11-044034-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-043221-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-043234-3 ISSN 2199-8167 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Konrad Triltsch, Print und digitale Medien GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Vorwort

IX

I. Hegel und die logische Frage . Kritik der formalen Logik . Logik und Metaphysik

5 13

. Logik und Naturwissenschaften

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II. Eine hegelsche Antwort . Die Subjektivität 25 . Der Begriff 25 ... Zur Kritik der in gewöhnlichen Abhandlungen der Logik 26 vorkommenden Einteilungen und Arten von Begriffen .. Zur Kritik der Darstellung von Begriffen als Zeichen 27 ... Zur Kritik der Trennung der logischen Form des Begriffs von 28 seiner Wahrheit .. Der Begriff als solcher – Zu Hegels Bestimmung des 29 Begriffs ... Der allgemeine Begriff 29 29 ... Der besondere Begriff .. Die Ohnmacht der Natur 30 . Das Urteil 33 .. Das Verhältnis des Urteils zum Begriff – Das Einzelne 33 .. Satz und Urteil 38 .. Das Urteil des Daseins 39 .. Das Urteil der Reflexion 45 .. Das Urteil der Notwendigkeit, oder: Das logische Verhältnis von Gattung und Art 49 .. Das Urteil des Begriffs, oder: Die Allmacht des Begriffs 58 63 . Der Schluss .. Der Schluss des Daseins 63 .. Der Schluss der Reflexion 68

VI

Inhalt

... .... .... .... .... .... .... ... .. ... ...

Exkurs: John Stuart Mills induktive Logik 69 74 Die Lehre vom Schluss und die Crux des Syllogismus Die Induktion als Grundlage aller Wissenschaften 78 Naturgesetze und Gesetzmäßigkeit der Natur. Vom Grund der Induktion. 83 86 Die Begründung der Kausalität Die Methoden der (Natur‐)wissenschaften 90 97 Mills Theorie der Arten Allheit, Induktion und Analogie 98 Der Schluss der Notwendigkeit 99 Die Realisierung des Begriffs im Übergang des Schlusses 101 der Notwendigkeit zur Objektivität Hegels Bestimmung des ontologischen Gottesbeweises 105 als Realisierung des Begriffs

. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine 111 111 . Die Objektivität des subjektiven Begriffs .. Mechanismus 113 ... Der Mechanismus als vorgestellte Kausalität 116 ... Der tote Mechanismus als formale Gleichförmigkeit 119 .. Chemismus .. Teleologie 122 .. Das Leben lebt nicht 129 134 . Die Idee des Erkennens .. Die Idee des Wahren 137 ... Das analytische Erkennen 138 ... Das synthetische Erkennen 142 .. Die Idee des Guten 145 . Die Seele und Substanz aller Objektivität 149 . Ausblick: Kritische Naturphilosophie 156 . Der „Übergang“ zur Naturphilosophie 156 .. Das Offenbaren als die abstrakte Idee 159 .. Das Offenbaren des Geistes 160 .. Das Offenbaren im Begriff 161 . Der Begriff der Natur und seine kritische Implikation Siglenverzeichnis Literaturverzeichnis

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Inhalt

Personenregister Sachregister

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VII

Vorwort But the chief object of his ambition, the end and aim of his researches,was to discover a triton and a mermaid, the existence of which he most potently and implicitly believed, and was prepared to demonstrate à priori, à posteriori, à fortiori, synthetically and analytically, syllogistically and inductively, by arguments both deduced from acknowledged facts and plausible hypotheses. (Peacock 1986, S. 71 f.)

Der von Thomas Love Peacock (1785 – 1866) in Nightmare Abbey satirisch charakterisierte Wissenschaftler Mr. Asterias,¹ dessen Name ihn als zur Gattung der Seesterne zugehörend auszeichnet, gilt als Repräsentant (vgl. Jung 2004, S. 240) des wissenschaftstheoretischen Anspruchs seiner Zeit, zu begreifen, was da ist. Dass über das redliche, wenngleich übereifrige Bemühen um wissenschaftliche Erkenntnisse die Reflexion über die Begründbarkeit und die möglichen Grenzen wissenschaftlicher Methoden sowie das Sein dessen, was als Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung da sein soll, zur bloßen Nomenklatur gerät, macht die Pointe der satirischen Darstellung aus. Asterias glaubt an die Existenz von Meerjungfrauen und Wassermänner, die er durch alle denkbaren wissenschaftlichen Methoden zu beweisen sucht. Dabei geht es ihm allerdings nicht um den vermeintlichen Nachweis der Existenz mythologischer Wasserwesen. Peacock zeigt Asterias als einen Evolutionstheoretiker, dem Meerjungfrauen und Wassermänner nichts anderes als die Zwischenglieder von menschlicher und tierischer Existenz sind, wie Süßwasserpolypen – „the first of animated things“ (Peacock 1986, S. 71) – den Übergang von Pflanzen zu Tieren kennzeichnen. Meerjungfrauen und Wassermänner, „half human and half fish“, sind ihm „the ourang-outangs of the sea“, d. h. die Zwischenform von Fisch und Mensch, dessen Nachweis die gemeinsame Deszendenz von Fisch und Mensch erhärten soll. (Peacock 1986, S. 73) Dass dasjenige, was Asterias zu begreifen sucht, sich auch tatsächlich finden lässt, bleibt jedoch in dieser Geschichte seinem Glauben vorbehalten. Das, was ist, zu begreifen, bezeichnet Hegel in der allseits bekannten Passage im Vorwort der Grundlinien zur Philosophie des Rechts als die Aufgabe der Philosophie. Lässt man an dieser Stelle die sich notwendig anschließende Auseinandersetzung um die Wirklichkeit der Vernunft und die Vernünftigkeit der Wirk-

 Als historische Vorbilder für die Figur des Herrn Asterias wurden der französische Zoologe Pierre Denys de Montfort (ca. 1766 – 1820) und der schottische Agrarwissenschaftler Sir John Sinclair (1754– 1835), der mit der Einführung der statistischen Methoden Aufsehen erregte, identifiziert. (Vgl. Smith 2004, S. 157).

X

Vorwort

lichkeit zunächst beiseite, so bleibt die Frage nach der Begreifbarkeit der Wirklichkeit. Zu begreifen, was da ist, hat die Begreifbarkeit der Wirklichkeit zu Voraussetzung. Zur Konstitution wirklicher, objektiver Erkenntnisse wird von alters her die Logik herbeigezogen. Im Ausgang des 18. Jahrhunderts kann Kant ohne große Einschränkung behaupten, dass die Logik seit Aristoteles keine Veränderung erfahren habe. Das ändert sich mit Kants Einführung einer transzendentalen Logik, die am Anfang einer kaum zu überblickenden Reformierung der Logik im 19. Jahrhundert steht. Allen voran die induktive, die mathematische, sowie die symbolische Logik erweisen sich als das Verhältnis von Philosophie und Einzelwissenschaften revolutionierend. Die leitende These der vorliegenden Arbeit ist, dass die Reduktion der Philosophie auf Logik nicht zu einem Begreifen dessen, was da ist, führen kann. Diese These muss ungenau und missverständlich bleiben, solange nicht deutlich gemacht wird, von welcher Art der Logik in diesem Zusammenhang überhaupt die Rede sein kann. Des Weiteren ist zu erklären, welche Art von Erkenntnis das Begreifen ausmacht, welchen Bedingungen es unterliegt und inwiefern es konstitutiv für die Objekte seiner Erkenntnis sein kann. Mit dem Verweis auf das zu behebende Desiderat ist die Sphäre einer bloßen Einleitung schon verlassen. Eine adäquate, sachgemäße Einleitung soll der erste Teil der Arbeit unter dem Titel Hegel und die logische Frage bieten. Im zweiten Teil wird der Versuch unternommen, eine hegelsche Antwort auf die eingangs gestellte logische Frage zu entwickeln. Die Vorgehensweise ist die einer Rekonstruktion, die bestimmte Facetten der hegelschen Argumentation der „in dem Umfange der gewöhnlich so gefassten Logik befaßten Materien“ (GW 12, S. 5) hervorzuheben sucht. Die Argumentation ist dementsprechend sehr eng an den hegelschen Text des „System[s] der subjectiven Logik“ (GW 12, S. 5) gebunden, ohne jedoch ein Kommentar im strengen Sinn zu sein. Anders als für die Logik des Seins und die Logik des Wesens kann Hegel für die subjektive Logik des Begriffs nicht beanspruchen, ein neues Feld zu bearbeiten, da sich für die traditionelle Logik, die Hegel unter dem Titel einer subjektiven Logik des Begriffs zur Darstellung bringt, „ein völlig fertiges und festgewordenes, man kann sagen verknöchertes Material vorfindet, und die Aufgabe darin besteht, dasselbe in Flüssigkeit zu bringen“. (GW 12, S. 5) Das impliziert eine Neubestimmung nicht nur der traditionellen Logik überhaupt, sondern auch des Verhältnisses der philosophischen Logik zu den Einzelwissenschaften. Es soll dabei nicht darum gehen, das Schicksal der Philosophie an das Schicksal der hegelschen Philosophie zu knüpfen, (vgl. Hegel 1997, S. 400) wohl aber um die Möglichkeit, hegelsche Argumente innerhalb der Philosophie als einer (immer noch) „echte[n] Zeit- und Streitfrage“ (Horwicz 1876, S. 3) am Leben zu erhalten.

I. Hegel und die logische Frage

I. Hegel und die logische Frage

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Wenn in der Logik über Hegel’s System als System entschieden wird, so drängt sich in ihr wie in einem Mittelpunkte ein grosses philosophisches Interesse der Gegenwart zusammen. (LF, S. 1)

Der von Karl Löwith als revolutionär bezeichnete Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts ist ohne Berücksichtigung der logischen Frage nicht aufzuklären. (Löwith 1950) Noch Kant galt die Logik als diejenige Disziplin, der von alters her der Respekt einer unhintergehbaren Wissenschaft entgegengebracht wurde und die seit Aristoteles keine Änderung, keinen Fortschritt erfahren habe. Die vermeintliche Abgeschlossenheit der Logik ließ sie zum Vorbild jeder Wissenschaft, und wie Kant schreibt, auch zum Vorbild der Metaphysik, werden.Wenn die Logik, wie Kant behauptet, seit Aristoteles keine Veränderung erfahren habe, oder sogar keine Änderung erfahren haben könne, so muss in Frage gestellt werden, ob die scheinbare Abgeschlossenheit der Logik in ihrer Vollendung oder in der Mangelhaftigkeit der Darstellung ihren Grund hat. Bei aller Differenz zeigt sich in der im 19. Jahrhundert sich entfaltenden Diskussion um die Logik Einigkeit darüber, dass die Logik von einer Vollendung weit entfernt sei. Die logische Frage ist eine der zentralsten, wenn nicht gar die zentralste Fragestellung der Philosophie des 19. Jahrhunderts. In ihr kristallisiert sich das Selbstverständnis der Philosophie, ihr Anspruch auf eine Deutungshoheit, ihre Stellung zu den ‚anderen‘ Wissenschaften. In Bezug auf Hegel ist es Adolf Trendelenburg, der die logische Frage erstmals in dieser Formulierung stellt. Die logische Frage sei die Grundfrage des hegelschen Systems, wie Trendelenburg betont, „da die dialektische Methode des reinen Denkens die absolute sein soll.“ (LF, S. 3) Das gesamte System steht und fällt mit der Methode, die als absolute beansprucht, dem ganzen Denken zugrunde zu liegen. Unter diesem Aspekt ist die logische Frage vor allem eine Frage der Methode und eine Kritik der Dialektik, insgesamt ihrer Anwendung. Trendelenburg macht keinen Hehl aus den Konsequenzen seiner Kritik an der dialektischen Methode für das gesamte System der hegelschen Philosophie, betont jedoch, dass es ihm in erster Linie um eine wissenschaftliche Überprüfung der Dialektik gehe. Die dialektische Methode ist für Trendelenburg nichts weiter als eine wissenschaftliche Hypothese, deren Geltung vermittelst der Frage zu klären sei, ob sie ein wissenschaftliches Verfahren, mithin in sich allgemein und notwendig ist. Diese Forderung sieht Trendelenburg als nicht erfüllt an. Die Logik als wissenschaftliche Begründung der dialektischen Methode werde ihrem Anspruch nicht gerecht. Trendelenburgs Kritik der hegelschen Logik bezieht sich vor allem auf die folgenden beiden Punkte. 1. Die von Hegel unterstellte Voraussetzungslosigkeit des reinen Denkens sei nicht haltbar, ohne die stillschweigende Voraussetzung des Prinzips der äußeren Anschauung, dem Bild der räumlichen Anschauung (LF,

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I. Hegel und die logische Frage

S. 12). Das zeige sich schon im Werden und durchziehe die gesamte Logik. 2. Die Mittel, mit denen die Dialektik meint „vom reinen Sein zur Idee, von der voraussetzungslosen Leere zur Fülle der vernünftigen Welt zu gelangen“ (LF, S. 14), sind keine rein logischen Mittel. Im reinen Denken beschlossen bleibt die absolute Methode unvermittelbar neben der Erfahrung bestehen, „der immanente Zusammenhang, der die Selbstentwicklung der Wissenschaft aus ihrem eigensten Grunde des Begriffes im Gegensatze gegen äusserlich aufgenommene Kenntnisse behauptet,“ sei „nur Schein, nur kühne Versicherung“. (LF, S. 17) Die von Trendelenburg 1842 auf den Weg gebrachte Diskussion um die logische Frage bleibt auf die logische Frage in Hegels System beschränkt. Die logische Frage wird jedoch im Rahmen der Logikreformdiskussion (Vgl. Frank 1991) als Terminus fortgeführt. So lässt sich die logische Frage als Kennwort für den das gesamte 19. Jahrhundert prägenden „Zweifel an der Berechtigung der formalen Logik“ (Rabus 1880, S. 1) begreifen. Die logische Frage wird demnach im Allgemeinen nicht erst nach dem Tod Hegels virulent, sondern schon im Anschluss an Kant wird die Kritik der formalen Logik bedeutsam. (Vgl. Peckhaus 1997 und Villko 2002, S. 30 ff.) Spezifischer muss der Streit um die logische Frage jedoch als ein im Gefolge der 1830er Jahre entbrannter „Kampf“ verstanden werden, der „ein Kampf um den Bestand des Systems“ ist, von dem „alle Consequenzen ab[hängen; M.G.], die sich aus Hegel entwickelt haben.“ (LF, S. 26) Das Interesse der vorliegenden Arbeit besteht in der problemgeschichtlichen Analyse dieser Auseinandersetzung, die jedoch nur einen kleinen Ausschnitt der Problematik aus einer begrenzten Perspektive behandeln kann.

1. Kritik der formalen Logik Hegel spricht in seiner Differenzschrift von einer „Revolution der Philosophie durch ihre Zurükführung auf Logik“. (GW 4, S. 5) Diese „gedrohte – oder vielmehr schon als geschehen angekündigte Revolution der Philosophie“ ist ihm, neben der „Verwirrung“ Reinholds, ein Anlass zum Verfassen der Differenzschrift gewesen. (GW 4, S. 5) Unter dem Titel Differenz des Fichte’schen und Schelling’schen Systems der Philosophie publiziert Hegel 1801 eine Schrift, die in die Auseinandersetzung um die Systemgestalt der Philosophie eingreifen soll. Vornehmlich geht es um die Differenz zwischen Fichtes und Schellings System. Die Position Reinholds und seine Interpretation der Logik Bardilis scheint auf dem ersten Blick eher Beiwerk zu sein. Und doch ist es der heutzutage kaum bekannte Grundriß der Ersten Logik, zur Michaelismesse 1799² von Christoph Gottlieb Bardili (1761– 1808) herausgegeben, der einen nicht zu unterschätzenden Kristallisationspunkt für den Streit um die wahre Gestalt der Philosophie ausmacht. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle den „Streit um die Gestalt einer Ersten Philosophie“ (vgl. Jaeschke 1993) umfassend rekonstruieren zu wollen. Für das Folgende sind der Begriff und die Funktion der Logik für ein mögliches System der Philosophie von besonderem Interesse. Auf diesen Aspekt wird sich die folgende Darstellung beschränken. Es gilt weitläufig als ein Kardinalfehler Hegels, dass er mit seiner Naturphilosophie die Naturerscheinungen aus dem Begriff konstruieren, deduzieren wolle. Gegen diesen Vorwurf finden sich sowohl in der Phänomenologie ³ als auch in der Enzyklopädie hegelsche Argumente. Darüber hinaus scheint Hegel diese Kritik selbst vorweggenommen zu haben – in seiner Auseinandersetzung mit dem logi-

 Die Publikation erfolgte zur Michealismesse 1799, wurde aber auf 1800 vordatiert. Vgl. Karsch 1925, S. 438.  „Wenn der naturphilosophische Formalismus etwa lehrt, der Verstand sey die Electricität oder das Thier sey der Stickstoff, oder auch g l e i c h dem Süd oder Nord und so fort, oder representire ihn, […], so mag über solche Krafft, die das weit entlegen scheinende zusammengreifft, und über die Gewalt, die das ruhende Sinnliche durch diese Verbindung erleidet, und die ihm dadurch den Schein eines Begriffes ertheilt, die […], – es mag hierüber die Unerfahrenheit in ein bewunderndes Staunen gerathen, darin eine tiefe Genialität verehren; so wie an der Heiterkeit solcher Bestimmungen, da sie den abstracten Begriff durch Anschauliches ersetzen und erfreulicher machen, sich ergötzen, und sich selbst zu der geahndeten Seelenverwandtschaft mit solchem herrlichen Thun glückwünschen. Der Pfiff einer solchen Weisheit ist sobald erlernt, als es leicht ist, ihn auszuüben; seine Wiederholung wird; wenn er bekannt ist, so unerträglich als die Wiederholung einer eingesehenen Taschenspielerkunst. […] Jene Gleichfärbigkeit des Schema’s und seiner leblosen Bestimmungen, und diese absolute Identität, und das Uebergehen von einem zum anderen, ist eines gleich todter Verstand, als das andere, und gleich äußerliches Erkennen.“ (GW 9, S. 37 f.)

6

1. Kritik der formalen Logik

schen Realismus Bardilis. Die von Bardili in seinem Grundriß der Ersten Logik explizierte Position wird von ihm selbst, wie auch von anderen, als rationaler, häufiger aber als logischer Realismus bezeichnet. Die Logik habe es demnach mit einer ihr eigenen Art von Gegenständen zu tun, die im weitesten Sinne sowohl von psychischen Phänomenen als auch von sprachlichen Ausdrücken zu unterscheiden sind.⁴ Mehr noch, die logischen Gegenstände existieren unabhängig vom Denken und Sprechen, sie sind für Bardili reale Objekte. Die Konsequenz ist nicht unproblematisch. Die Objekte sollen gleichermaßen unabhängig vom Denken und Gegenstand des Denkens sein. Bardilis Versuch der Auflösung gelingt nicht widerspruchslos. In der Aneignung durch das Denken werde der Gegenstand, die Materie, notwendigerweise zernichtet, „sonst wird kein Gedanke daraus.“ (Bardili 1800, S. 31) Diese Zernichtung könne aber nicht vollständig sein, da es andernfalls kein vom Denken unterschiedenes Etwas geben könne.⁵ Die Auflösung dieses problematischen Verhältnisses von Denken und Sein falle, so Bardili, in die Erste Logik. An die Logik wird demnach der Anspruch gestellt, gleichermaßen Ontologie zu sein. Damit deutet sich einerseits eine Nähe zu Hegel, andererseits aber eine deutliche Differenz zu Kant an, die Bardili in seiner Kritik explizit artikuliert. Während für Kant eine reine Wissenschaftslehre nicht mehr, aber auch nicht weniger als bloße Logik ist, die von jeglichem Inhalt der Erkenntnis absehe, geht es Bardili um die logische Bestimmung eines realen Objekts. Aus der reinen Logik „ein reales Objekt herauszuklauben“ ist, Kant zur Folge, „vergebliche u n d d a h e r a u c h n i e v e r s u c h t e Arbeit.“ (Kant 1799, S. 876) Eben diese noch nie versuchte Arbeit, aus der reinen Logik ein reales Objekt zu demonstrieren, d. h. demonstrativ zu setzen, macht Bardili sich zum Programm seiner Ersten Logik. Mit dieser Logik sei, so Bardili ganz unbescheiden, „der Schlüssel zum Wesen der Natur“ gegeben, „oder sonst überall keine Logik und Philosophie möglich“. (Bardili 1800, S. XII) Bardili begreift seine Erste Logik als ein absolutes Prius von Subjektivem und Objektiven. Sofern das Denken als etwas rein Subjektives aufgefasst werde, sei auch jede Wissenschaft des Denkens, jede Logik nichts anderes als „die Wissenschaft von bloß subjektiven Formen“. (Reinhold 1801, S. 97) Gegen diese ver Edgar Morscher erläutert sein Verständnis des logischen Realismus als „die Lehre, daß es die Logik (einschließlich der Erkenntnistheorie) mit einer eigenen Kategorie von Gegenständen zu tun hat, die sowohl von den psychischen Phänomenen als auch von den sprachlichen Ausdrücken real verschieden sind. Gegenstände dieser Art werde ich ‘logische Gegenstände’ nennen. Der logische Realismus kann somit kurz als jene Auffassung gekennzeichnet werden, wonach es solche logische Gegenstände gibt.“ (Morscher 1972, S. 69).  „An diesem plus muß durchs Denken im Denken zernichtet werden, was daran Stoff ist; sonst käm’ es damit nicht zu einem Gedachten. Es muß aber auch daran etwas seyn, das sich im Denken durch’s Denken nicht zernichten läßt, sonst käm’ es damit nicht zu einem Etwas, als Etwas im Denken Vorgestellten.“ (Bardili 1800, S. 110).

1. Kritik der formalen Logik

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meintliche Tendenz aller Transzendentalphilosophie, im Subjektiven den Grund aller Erkenntnis zu suchen und hierin zu beschränken,⁶ sucht Bardili eine Logik zu etablieren, die jenseits der Unterscheidung von Subjektivem und Objektivem liege. Um nicht selbst wiederum bei bloßen Formen des subjektiven Denkens stehenzubleiben, muss Bardili zweierlei erreichen: 1. Das Denken muss selbst zu begreifen sein als ein Jenseitiges von Subjektivem und Objektivem, und 2. Das Denken muss als Denken ein reales Objekt zum Gegenstand haben. Die erste Aufgabe, das Denken als ein Jenseitiges, ein Prius von Subjektivem und Objektivem zu bestimmen, sucht Bardili über die Unterscheidung von Denken und Anwendung des Denkens zu lösen. Zur Illustration führt Bardili die Unterscheidung von Rechnen und Berechnen an. Während beim Berechnen stets ein Etwas vorhanden sein müsse, auf das das Rechnen in Anwendung gebracht werde, sei das bloße Rechnen ein Denken „ohne etwas Anderes, als sein Denken selbst“. (Bardili 1800, S. XVII) Beim Rechnen verbleibe das Denken somit bei sich selbst, sei reine Reflexivität. Der Ausdruck dieser reinen Reflexivität sei, wie Reinhold im Anschluss an Bardili hervorhebt, die unendliche Wiederholbarkeit des A. Dagegen wird beim Berechnen das Denken „in einem Gegenstande außer demselben“ (Bardili 1800, S. XVII) beschrieben, oder das A als ein B gesetzt. Beim reinen Denken, d. h. beim Denken ohne Anwendung des Denkens auf ein anderes, lässt sich zwar von einem vorauszusetzenden Objektiven absehen, doch wie die reine selbstbezügliche Tätigkeit des Denkens, das Denken als Denken, ohne ein Subjekt der Tätigkeit zu denken sei, bleibt Bardili seinen Lesern schuldig.⁷ Für einen Idealisten ist damit Bardilis erste Aufgabe, das Denken als ein Prius von Subjektivem und Objektivem zu begreifen, gescheitert. Doch Bardili will als Realist verstanden werden. Sein Denken als Denken soll auf kein Subjekt zurückgeführt werden können, weder auf ein empirisches, noch auf ein transzendentales oder

 Vgl. Bardili 1800, S. 110: „Da Sie [die Philosophen unserer Zeit; M.G.] das Denken nur als e t w a s S u b j e k t i v e s kennen, und anerkennen, ist ihnen ihre angebliche W i s s e n s c h a f t d e s D e n k e n s , als Denkens, i h r e L o g i k , ihre Ve r n u n f t l e h r e selbst nur die Wissenschaft von blos s u b j e k t i v e n F o r m e n – die also an sich k e i n e r e e l l e W a h r h e i t haben. Sie suchen die letztere in einer sogenannten T r a n s c e n d e n t a l p h i l o s o p h i e auf, die selbst wieder von der Voraussetzung ausgeht, daß das Denken, als Denken, b l o s s u b j e c t i v, die Vernunftlehre bloße Kenntniß s u b j e c t i v e r F o r m e n , und aus der Ve r n u n f t l e h r e also für die, sogenannte, T r a n s c e n d e n t a l p h i l o s o p h i e nichts R e e l l e s , P o s i t i v e s , nichts für die e r s t e A u f g a b e der Philosophie Entscheidendes, zu schöpfen und zu gewinnen sey.“  Auch für Hegel gilt in seiner Wissenschaft der Logik, dass er „das Denken von seinem ,Träger‘, seinem Subjekt löst und in seiner souveränen Eigendynamik zu demonstrieren sucht.“ (Hackenesch 2000, S. 89).

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1. Kritik der formalen Logik

ein logisches Subjekt. Hinter dem Denken steht demnach überhaupt kein Subjekt. Das reine Denken soll einerseits als Urgrund des Wirklichen fungieren, andererseits aber nicht idealistisch zu bestimmen sein. Es soll ein subjektloses System von Formen oder Gesetzen, die innere Logik des Seinszusammenhangs zur Darstellung bringen. Möglich ist das nur, wenn es gelingt, den Übergang aus dieser Form zur Materie aufzuzeigen, d. h. dem Denken ein reales Objekt zu verschaffen. Das ist Gegenstand der zweiten von Bardili zu lösenden Aufgabe. Die zweite Aufgabe, dem Denken ein reales Objekt zu verschaffen, sucht Bardili vermittelst eines Postulats zu lösen. Postuliert wird eine Materie = C. Dass ohne diese absolute Voraussetzung der Materie von der Anwendung des Denkens als Denken keine Rede sein könne, erhebt Reinhold später zur Rechtfertigung des Postulats. In seinen Beyträgen zur leichtern Uebersicht des Zustandes der Philosophie beym Anfange des 19. Jahrhunderts schreibt Reinhold: Die Materie wird hier vorausgesetzt, und angenommen, weil ohne dieselbe die Anwendung des Denkens, als Denkens, sich selbst widersprechen würde, nicht denkbar wäre. (Reinhold 1801, S. 111)

Allen Bemühungen zum Trotz: Die Setzung der Materie bleibt eine Behauptung und Bardilis Anspruch, aus der reinen Logik „ein reales Objekt herauszuklauben“ (Kant 1799, S. 876), muss als gescheitert angesehen werden. Was bleibt ist ein subjektloses und inhaltsleeres System von Formen und Gesetzen. Bardilis Versuch einer Ersten Logik zielt darauf ab, dem absoluten Prius von Subjektivem und Objektivem einen Ort in der Wissenschaft zuzuschreiben, der jeder Wissenschaft gleichsam vorausliegt. Seinem Ansinnen liegt der Gedanke zugrunde, dass erst in der Anwendung das Denken sich auf ein Objektives beziehe und somit ein Denken als Denken, also ein Denken ohne Anwendung, sich weder auf ein Objektives noch auf ein diesem entgegengesetztes Subjektives beziehe. Die Etablierung einer solchen Ersten Logik, einer Wissenschaft vor aller Wissenschaft ist Hegel gleich einem Philosophieren vor dem Philosophieren, mithin ein Unding. Sein Urteil über den logischen Realismus Bardilis und Reinholds ist unmissverständlich: als ein Schlüssel zum Wesen der Natur ist sie vollkommen untauglich. Die Begründungs- und Ergründungs-Tendenz, das Philosophiren vor der Philosophie, hat nehmlich endlich sich vollkommen auszusprechen gewußt; sie hat genau gefunden, um was es zu thun war; es ist die Verwandlung der Philosophie ins Formale des Erkennens, in Logik. (GW 4, S. 81)

Formal bleibe das Erkennen weil das Denken, die Anwendung des Denkens, sowie die Materie gleichgültig, „friedlich“ – wie Hegel schreibt – , nebeneinander stünden. (GW 4, S. 82) Vermittelst der Anwendung des Denkens auf einen Ge-

1. Kritik der formalen Logik

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genstand sei nicht mehr als ein bloß äußerliches Erkennen möglich. Die unendliche Wiederholbarkeit des A im Denken bleibe eine absolute Formalität und „aus einer absoluten Formalität ist zu keiner Materialität zu kommen; beyde sind absolut entgegengesetzt“. (GW 4, S. 82) Der Ansatz einer Ersten Logik scheint damit zum Scheitern verurteilt zu sein. Bardili äußert sich über die Konsequenzen des Scheiterns einer Ersten Logik ungeniert: Gelingt es nicht die Logik zum Schlüssel der Natur zu machen, bleibe die Welt unbegriffen. Ist die Logik kein Schlüssel zum Wesen der Natur: so sind die Verbindungsmittel womit sie sich so viel weiß, nur privative Verbindungsmittel; die Natur hat keine, oder wieder ihre eigene Logik, und die Welt ist kein System. (Bardili 1800, S. XV)

Die Logik im Sinne der von Bardili propagierten Ersten Logik kann für Hegel kein Schlüssel zum Wesen der Natur sein. Die Konsequenz, dass die Natur dann keine Logik habe oder keiner Logik zugänglich sei und die Welt der Naturerscheinungen notwendigerweise sich nicht als ein System darstellen lasse, teilt er jedoch nicht. Für Hegel verbleibt immer noch ein ‚dritter Weg‘ (Vgl. KrV, B 884), nämlich die Beziehung der Erkenntnis auf das Absolute. Diese Alternative formuliert er im Zusammenhang mit seiner Kritik am logischen Realismus. Oder aber die Erkenntniß wird aufs Absolute bezogen, sie wird eine Identität des Subjekts und Objekts, des Denkens und Stoffs; so ist sie nicht mehr formal, es ist ein leidiges Wissen entstanden, und das Begründen vor dem Wissen wieder verfehlt worden. (GW 4, S. 82 f.)

Eine Wissenschaftslehre, die das Wissen vor dem eigentlichen Wissen begründe, sei mit dieser Variante nicht vereinbar. Aber durch die Identität von Denken und Materie verliere ihr Verhältnis seine Äußerlichkeit und die Erkenntnis verbleibe nicht im Formalen. Kennzeichnend für die von Hegel propagierte wissenschaftliche Methode, die ihre Darstellung in der spekulativen Philosophie finde, sei, dass sie „theils von dem Inhalte ungetrennt“ sei und „theils sich durch sich selbst ihren Rhythmus zu bestimmen“ habe. (GW 9, S. 41) Form und Inhalt wissenschaftlicher Erkenntnisse sind demnach nicht voneinander zu trennen, sondern allein in ihrer wechselseitigen Beziehung aufeinander könne von Wahrheit und Realität der Erkenntnis gesprochen werden. Für die Wissenschaft folgt daraus, dass sie ihre Methode oder Methoden nicht als ein Formales, ein Äußerliches aufnehmen darf, sondern – wie Hegel in der Phänomenologie des Geistes schreibt: „Die Wissenschaft darf sich nur durch das eigne Leben des Begriffs organisiren“. (GW 9, S. 38) Zwischen der in der Differenzschrift geäußerten Kritik an der angedrohten Revolution der Philosophie durch ihre Zurückführung auf Logik und Hegels Ausarbeitung eines Systems der Wissenschaft, einer Organisation der Wissenschaft durch das eigene Leben des Begriffs liegen 12 resp. 15 Jahre. Dass sich

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1. Kritik der formalen Logik

Hegels frühzeitige Kritik einer Revolution der Philosophie durch ihre Zurückführung auf Logik in seiner Wissenschaft der Logik manifestiert, soll im Folgenden expliziert werden. Mit der Behauptung der Selbstorganisation der Wissenschaft durch den Begriff geht die von Hegel in der subjektiven Logik vertretene These einher, die Logik sei als ein Organon, als ein Werkzeug, „zur wirklichen Hervorbringung“ (KrV, B 85) objektiver Erkenntnisse, zu begreifen. Damit wendet sich Hegel explizit gegen Kant, der in der 1800 erschienenen Jäsche-Logik für die Bestimmung der Logik als ein Kanon plädiert. Kant schreibt dort an prominenter Stelle: Als eine Wissenschaft, die auf alles Denken überhaupt geht, unangesehen der Objecte als der Materie des Denkens ist die Logik als G r u n d l a g e zu allen andern Wissenschaften und als die Propädeutik alles Verstandesgebrauchs anzusehen. Sie kann aber auch eben darum, weil sie von allen Dingen gänzlich abstrahirt, kein O r g a n o n der Wissenschaften sein. (AA IX, S. 13)

In seiner Einleitung zur transzendentalen Logik bestimmt Kant als eine Aufgabe der Logik, dass sie, „sofern sie die allgemeinen und notwendigen Regeln des Verstandes vorträgt, eben in diesen Regeln Kriterien der Wahrheit darlegen müsse.“ (KrV, B 83 f.) Die regelhaften Kriterien der Wahrheit können nach Kant aber ausschließlich formaler Natur sein und beziehen sich demnach nicht auf die möglichen Gegenstände wahrer oder falscher Erkenntnis, sondern allein auf die bloße Form des Denkens überhaupt. Dass die Logik es demnach ausschließlich mit der „Übereinstimmung einer Erkenntnis mit den formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft“ (KrV, B 84) zu tun haben könne, ist für Kant die einzig denkbare Konsequenz. Die Logik kann demnach nur als „eine negative Bedingung aller Wahrheit“ (KrV, B 84) fungieren, mit Hilfe derer eine jede mögliche Erkenntnis auf die formale Konsistenz ihrer Aussage überprüft werden kann. Einen Irrtum, der nicht durch die Form bedingt ist, sondern sich auf den Inhalt bezieht, kann die Logik nach Kants Verständnis „durch keinen Probierstein entdecken.“ (KrV, B 84) Die Logik ist ihm ein reiner Kanon zur Beurteilung, aber niemals ein Organon, ein Werkzeug, „zur wirklichen Hervorbringung“ (KrV, B 85) objektiver Erkenntnisse. Weder lasse sich aus der Logik eine objektive Erkenntnis hervorbringen, noch ein reales Objekt herausklauben. (Kant 1799, S. 876) Wird die Logik dennoch als Organon betrachtet, dann ist sie für Kant „jederzeit eine Logik des Scheins, d.i. dialektisch“ (KrV, B 86). Als den Grund für den transzendentalen Schein erkennt Kant, „dass die subjektive Notwendigkeit einer gewissen Verknüpfung unserer Begriffe […] für eine objektive Notwendigkeit […] gehalten wird.“ (KrV, B 353) Aber „wie die Natur der Dinge […] nach bloßen Begriffen bestimmt werde solle“ (KrV, B 358) bleibt für Kant eine widersinnige Forderung. Die

1. Kritik der formalen Logik

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Bestimmung der Gegenstände möglicher Erkenntnisse durch den Begriff bleibt ihm ein stets subjektives Geschäft. Eben dieser Forderung, aus dem Begriff die Objektivität aller Erkenntnis zu begründen, will Hegel nicht nur den Anschein des Widersinnigen nehmen, sondern vielmehr will er sie als eine notwendig zu erfüllende Bedingung objektiver Erkenntnis erweisen. Die Tätigkeit des Begriffs darf demnach nicht bei einer rein subjektiven Tätigkeit stehen bleiben. Vielmehr soll der Begriff in und durch seine zunächst subjektive bzw. formelle Tätigkeit zu einem Objektiven werden.⁸ Dieses bewegende Prinzip des Begriffs heißt Hegel die Dialektik. Hegels Verständnis der Funktion der Dialektik möge das folgende Zitat illustrieren: Die höhere Dialektik des Begriffes ist, die Bestimmung nicht bloß als Schranke und Gegenteil, sondern aus ihr den positiven Inhalt und Resultat hervorzubringen und aufzufassen, als wodurch sie allein Entwickelung und immanentes Fortschreiten ist. Diese Dialektik ist dann nicht ein äußeres Tun eines subjektiven Denkens, sondern die eigene Seele des Inhalts, die organisch ihr Zweige und Früchte hervortreibt. Dieser Entwicklung der Idee als eigener Tätigkeit ihrer Vernunft sieht das Denken als subjektives nur zu. Etwas vernünftig betrachten heißt, nicht an den Gegenstand von außen her eine Vernunft hineinzubringen und ihn dadurch zu bearbeiten, sondern der Gegenstand ist für sich selbst vernünftig; […] die Wissenschaft hat nur das Geschäft, diese eigene Arbeit der Vernunft der Sache zum Bewußtsein zu bringen. (HW 7, S. 84 f.)

Es ist kein Zufall, dass Hegel die Dialektik, vor der Kant als eine Logik des Scheins warnt, zur wissenschaftlichen Methode der Wahl bestimmt.⁹ Als ein bloßer Kanon müsse die Logik stets im Reich der Endlichkeiten verbleiben, der Begriff bleibe ein Bedingtes und die Einheit der Vernunft sei von rein regulativem Gebrauch.Wenn es aber gelänge, die Vernunftbegriffe von der Vorstellung, sie seien bloße Ideen qua Vorstellungen, denen keine Realität korrespondieren könne, zu befreien und sie als etwas für die Erkenntnis Konstitutives zu erweisen, wäre auch die Logik als ein Organon bewiesen und die in der Beschränkung auf einen bloßen Kanon zur Beurteilung deutlich werdende „gewöhnliche Vorstellung von der formellen Function der Logik“ (GW 12, S. 26) aufgehoben.¹⁰ Für die einzelnen Wissenschaften bedeutet Hegels Forderung, dass die Wissenschaft sich nur durch das eigene Leben des Begriffs organisieren dürfe (vgl.  Übergang vom formellen Begriff zum objektiven Begriff.  Vgl. Redding 2007, S. 115: „While Kant had warned in the ‘Paralogisms’ and ‘Antinomies’ that pure reason conceived theoretically (‘metaphysics’) would be wrecked on the reef of contradiction, Hegel seems to have taken this entanglement in contradiction as revealing something about reality itself – its contradictioriness – and this alone has commonly been taken as sufficient warrant to exclude his response to Kant from serious consideration.“  Zu Hegels Kritik der formalen Logik vgl. auch Stekeler-Weithofer 1992, S. 15 ff.

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1. Kritik der formalen Logik

GW 9, S. 38), zunächst nichts anderes, als dass sie nicht nur in ihrer Entwicklung, in ihrem Fortschritt, sondern in ihrer Existenz von der Organisation des Begriffs abhängen.Von einer solchen proklamierten Abhängigkeit der Wissenschaften von der Logik ist es nicht weit zur Reduktion aller Wissenschaft auf bloße Logik. Dass diese Konsequenz nicht der hegelschen Intention entspricht, soll im Folgenden deutlich werden. Denn für Hegel ist „der Gang des Entstehens und die Vorarbeiten einer Wissenschaft“ eines, ein anderes aber ist „die Wissenschaft selbst“. (GW 20, S. 236) Was einerseits im Gang des Entstehens und der Vorarbeiten der Wissenschaften als Grundlage erscheine, sei nicht die Grundlage der Wissenschaften selbst, sondern soll „vielmehr die Grundlage des Begriffs seyn“. (GW 20, S. 236) Und allein um eine solche Grundlage des Begriffs kann es einer ‘Wissenschaftsphilosophie‘ nach Hegel zu tun sein. Für Kant besteht die Aufgabe des Denkens darin, „die Vorstellungen der Sinne unter Regeln zu bringen“ (AA IX, S. 11). Ein Denken ohne bzw. jenseits bestimmter Regeln ist ihm kein Denken. „Diese Regeln können wir nun aber wieder für sich selbst denken, d. h. wir können sie o h n e i h r e A n w e n d u n g oder in abstracto denken.“ (AA IX, S. 12) Die Bestimmung dieser Regeln des Denkens unabhängig von der Anwendung des Denkens, unabhängig von den Gegenständen des Denkens, fällt, wie Kant ausführt, in die Logik – der Wissenschaft von der bloßen Form des Denkens überhaupt. Dass die Reformation der Philosophie ihren Ausgang von der Logik nimmt, ist dann nur konsequent (vgl. Reinhold 1801, S. 98), lässt den „Streit über den Inhalt der sogenannten Realphilosophie“ (Reinhold 1804, S. 6) aber (noch) unentschieden.

2. Logik und Metaphysik Einer gängigen philosophiehistorischen Einschätzung gemäß tritt erst mit Freges Philosophie eine angemessene und vor allem notwendige Ersetzung der vormaligen Metaphysik ein.¹¹ Dieser Prozess der Reduktion aller Philosophie auf Logik setzt jedoch, wie im vorangehenden Kapitel angedeutet wurde, schon deutlich früher ein. Die traditionelle Metaphysik durch Logik zu ersetzen, ist auch Hegels Intention, allerdings unter gänzlich anderen Prämissen. Für ihn stellt sich nicht die Frage, ob Logik oder Metaphysik, sondern wie Logik und Metaphysik nach Kant zu bestimmen sind. Als ein wesentlicher, wenn nicht gar der Meilenstein auf dem Weg der Transformation des Metaphysik- und Logikverständnisses der Neuzeit wird zu Recht die Kritische Philosophie Kants betrachtet. Mit ihr ist dasjenige, was zuvor Metaphysik hieß, „mit Stumpf und Styl ausgerottet worden“ (GW 11, S. 5), wie Hegel es bildhaft beschreibt. Als eine Kardinalsaufgabe der Kritik der reinen Vernunft bestimmt Kant in der Vorrede, dass der „Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgeschäfte gehören“ der „sichere(n) Gang einer Wissenschaft“ zu verschaffen sei. (KrV, B VII) Es ist die bekannte Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit einer Metaphysik als Wissenschaft, die hinter dieser Forderung eines sicheren, wissenschaftlichen Gangs für die Vernunfterkenntnisse steckt. Zur gesuchten Wissenschaft, die die vormalige, dogmatische Metaphysik ersetzen soll, soll die Kritik der Vernunft führen. Der Logik wird dieser sichere Gang einer notwendigen Wissenschaft schon von alters her zugesprochen, was auch daran zu erkennen sei, dass sie seit Aristoteles keinen Fortschritt gemacht habe „und also allem Anschein nach geschlossen und vollendet zu sein scheint.“ (KrV, B VIII) Der Grund der Wissenschaftlichkeit der Logik sei ihre Reflexivität, denn in ihr habe „der Verstand es mit nichts weiter als sich selbst und seiner Form, zu tun“ (KrV, B IX).¹² Soll die Metaphysik es der Logik gleich tun und den Rang einer ge-

 Vgl. Gabriel 2007, S. 237: „Den Weg nach Hegel – von Trendelenburg über Lotze zu Frege – unter die Thematik ‚Von der Logik zur Sprache‘ zu stellen, entspricht der verbreiteten, insbesondere durch Michael Dummett etablierten Deutung, es sei Frege gewesen, der die sprachanalytische Wende in der Philosophie eingeleitet hat. Dabei stellt Dummett Frege in einen direkten Gegensatz zu Hegel. Vor dem Hintergrund von Hegels Identifizierung von Logik und Metaphysik impliziert diese Deutung dann auch, daß Frege eine Entwicklung eingeleitet habe, in deren Verlauf die Metaphysik durch logische Sprachanalyse überwunden worden sei. Nimmt man die nachhegelsche Logik genauer in den Blick, so zeigt sich, daß diese Lesart in mehrfacher Hinsicht der Korrektur bedarf.“  An späterer Stelle (KrV, B X) heißt es jedoch, dass in Bezug auf die Logik die Vernunft, und nicht der Verstand, es nur mit sich selbst zu tun habe.

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2. Logik und Metaphysik

schlossenen, vollendeten Wissenschaft einnehmen, so müsste in der Metaphysik die Vernunft es „mit nichts weiter als sich selbst“ (KrV, B IX) und ihrer Form zu tun haben. Diese Forderung der durchgängigen Reflexivität an die Metaphysik geht Kant jedoch zu weit. Anders als die Logik habe die Vernunft es mit ihr heteronomen Gegenständen zu tun. Diese Beziehung des Vernunftgeschäftes auf ihr heteronome Gegenstände hält Kant sogar für notwendig, um einen die mögliche Erfahrung überfliegenden Gebrauch zu restringieren. Würde Kant diese Differenz zwischen der Logik, die es nur mit sich selbst und ihrer Form zu tun hat und der Metaphysik, die es auch mit ihr heteronomen Gegenständen zu tun hat, aufheben, müsste er die Metaphysik als ebenso leer wie die Logik begreifen. Die allgemeine Logik, die sich allein auf die Formen des Verstandes bezieht, ist ausschließlich zu analytischem Erkennen fähig. Ein solches beschränktes Erkennen möchte Kant jedoch nicht für die Metaphysik gelten lassen. Die Metaphysik soll zu wahrer Erkenntnis, und das ist für Kant immer eine synthetische Erkenntnis, fähig sein. Wenn die Metaphysik nun einerseits die Wissenschaftlichkeit, den sicheren Gang der Logik übernehmen soll, andererseits sie sich aber nicht dem Vorwurf der Inhaltslosigkeit aussetzen soll, muss die Logik selbst eine Transformation erfahren, um der Metaphysik zur Wissenschaftlichkeit verhelfen zu können. Aus diesem Grund unterscheidet Kant die formale, von ihm allgemein bezeichnete Logik von einer transzendentalen Logik. Die allgemeine oder formale Logik macht „als Propädeutik gleichsam nur den Vorhof der Wissenschaften aus […], und wenn von Kenntnissen die Rede ist, man zwar eine Logik zur Beurteilung derselben voraussetzt, aber die Erwerbung derselben in eigentlich und objektiv so genannten Wissenschaften suchen muss.“ (KrV, B IX) Die Logik ist somit, obwohl sie in der Form des Denkens einen Gegenstand hat, als Form ohne Inhalt, als Form von nichts bestimmt. Mit der Logik allein lässt sich keine Erkenntnis gewinnen. Deshalb erklärt Kant die Wirklichkeit der Wissenschaft zur Voraussetzung der Bestimmung der Bedingung der Möglichkeit der Wissenschaft überhaupt. Im Gegensatz zur formalen Logik soll mit der transzendentalen Logik ein Erkenntnisgewinn möglich sein. Das hängt mit der Gestaltung ihres Gegenstandsbereiches zusammen. Im Unterschied zur bloß formalen Logik geht es der transzendentalen Logik um die Beziehung apriorischer Begriffe auf ihren ihnen möglichen Gegenstand. Diese „ganz neue Wissenschaft […], von welcher niemand auch nur den Gedanken vorher gefaßt hatte, wovon selbst die Idee unbekannt war“ (AA IV, S. 262), soll die Aufgabe lösen, wie Metaphysik als Wissenschaft möglich ist bzw. wie eine Erkenntnis möglich sein könne, die ebenso allgemein und notwendig ist wie die analytischen Urteile der formalen Logik, aber im Gegensatz zu diesen wirkliche Erkenntnis hervorbringen, d. h. synthetisch sind. Mit der Beantwortung der Frage nach der Bedingung der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori ist demnach zugleich die Frage beantwortet, wie Metaphysik als Wissenschaft

2. Logik und Metaphysik

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möglich sei. Die transzendentale Logik „bestimmt den Ursprung, den Umfang und die objektive Gültigkeit solcher Erkenntnisse“, wodurch wir „Gegenstände völlig a priori denken“. (KrV, B 81) Kant transformiert damit die Metaphysik in Logik, wie Hegel später hervorhebt. Aber Kant geht es nicht um eine vollständige Aufhebung der formalen Logik; sie behält für ihn ihre spezielle Berechtigung. Und auch die transzendentale Logik schränkt Kant soweit ein, dass die Denkbestimmungen nicht vollständig in Seinsbestimmungen aufgehen. Die Unterscheidung der transzendentalen Logik in transzendentale Analytik und transzendentale Dialektik entspricht der Unterscheidung in metaphysica generalis und metaphysica specialis.Während die allgemeine Metaphysik durch die transzendentale Analytik ersetzt werden soll, erteilt Kant der metaphysica specialis in der transzendentalen Dialektik eine deutliche Absage. Gegenstand der transzendentalen Analytik sind „die Prinzipien, ohne welche überall kein Gegenstand gedacht werden kann“ (KrV, B 78). Damit ist sie zugleich als eine Logik der Wahrheit bestimmt, denn „ihr kann keine Erkenntnis widersprechen, ohne dass sie zugleich allen Inhalt verlöre, d.i. alle Beziehung auf irgendein Objekt, mithin alle Wahrheit.“ (KrV, B 78) Wahrheitsbegründend ist für Kant nicht die bloße Form des Erkennens, sondern der Bezug auf einen Gegenstand möglicher Erfahrung. Die transzendentale Logik analysiert eben diesen wahrheitsbegründenden Bezug auf einen Gegenstand. Die reinen Verstandesbegriffe konstituieren damit nicht nur die Erkenntnis von Objekten, sondern zugleich die Objektivität der Erkenntnis. Die transzendentale Logik hat also genau das zu ihrem Gegenstand, wovon die allgemeine Logik abstrahiert, nämlich die Beziehung der Erkenntnis auf das Objekt. Auch Hegel hält die Einführung des Inhalts in die Logik für zwingend geboten. In der Bestimmung des Inhalts der Logik differieren Kant und Hegel jedoch deutlich. Hegel kritisiert, dass die transzendentale Logik den Objekten verhaftet bleibe. Die kritische Philosophie machte zwar die Metaphysik zur Logik, aber sie wie der spätere Idealismus gab […] aus Angst vor dem Object den logischen Bestimmungen eine wesentlich subjective Bedeutung; dadurch bleiben sie zugleich mit dem Objecte, das sie flohen, behaftet, und ein Ding-an-sich, ein unendlicher Anstoß, blieb als ein Jenseits an ihnen übrig. (GW 11, S. 35)

Aufgrund der eingeforderten Beziehung auf den Gegenstand möglicher Erfahrung mache Kant letztendlich die Dinge und nicht wie Hegel fordert, den Begriff der Dinge zum Gegenstand der logischen Betrachtung. (Vgl. GW 11, S. 17) Die Richtigkeit und Wahrheit des Denkens wird „ganz von dem Vorhandenen selbst abhängig gemacht [….] und den Denkbestimmungen für sich keine Inhaltsbestimmende Wirksamkeit zugeschrieben“. (GW 11, S. 13) Als Grund für die vermeintliche Kurzsichtigkeit der kantischen Logik verweist Hegel auf die Erklärung des Logischen und des Begriffs „für etwas nur formelles […], das, weil es von dem Inhalt

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2. Logik und Metaphysik

abstrahire, die Wahrheit nicht enthalte.“ (GW 11, S. 19) Dagegen fordert Hegel, dass der Begriff „nicht nur als eine gleichgültige Form die an einem Inhalte sey, angesehen“ (GW 11, S. 15) werde, sondern als selbst inhaltsbestimmend begriffen werde. Gegen eine solche synthetische Erkenntnis aus Begriffen (KrV, B 358) hat Kant sich stets verwahrt. Hinter der Forderung Hegels, dass dem Begriff selbst eine inhaltsbestimmende Wirksamkeit zugesprochen werde, steckt die Überzeugung, dass die Logik die eigentliche Metaphysik sei. Denn wenn die Logik nicht nur rein formal, d. h. rein, ohne jeden Inhalt sein soll, dann muss sie zugleich Metaphysik sein. Die Denkbestimmungen gehen damit in Seinsbestimmungen über.¹³ Oder Kantisch formuliert: Die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung sind zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung. Kant hatte gegen die Identität von Erkenntnis- und Existenzgrund der Gegenstände an der selbständigen, d. h. von der Erkenntnis unabhängigen Existenz der Gegenstände festgehalten. Deshalb formuliert Kant auch anders: Für ihn sind die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erkenntnis. (Vgl. KrV B 197) Der Preis hierfür ist die Supposition des Ding-an-sich als der unbekannten Ursache der Erscheinungen. Der Verdacht liegt nahe, dass Hegel mit der Zusammenführung von Logik und Metaphysik nichts anderes beabsichtige und bewerkstellige als eine Restitution der vormaligen Metaphysik und damit hinter Kants Forderung, die Metaphysik in den Rang einer Wissenschaft zu erheben, zurückfällt. Diesen Schein gilt es im Folgenden zu entkräften. Hegels Kritik an der kantischen Erneuerung der Logik bezieht sich vor allem auf den für die spekulative Logik entscheidenden Punkt der Funktion des Begriffs. In der transzendentalen Logik Kants bleiben die reinen Verstandesbegriffe vom Objekt abhängig und die reinen Vernunftbegriffe verlieren durch ihre Beschränkung auf den empirischen Gebrauch ihren konstitutiven Charakter. Diese genuine Konstitutivität des Begriffs ist jedoch das eigentliche Herzstück der transzendentalen Logik. In der transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe trifft Kant mit der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption das Wesen des Begriffs, das Hegel zum Movens seiner Logik macht. „Es gehört“ – wie Hegel zu Beginn der subjektiven Logik schreibt – „zu den tiefsten und richtigsten Einsichten, die sich in der Kritik der Vernunft finden, dass die Einheit, die das Wesen des Begriffs ausmacht, als die ursprünglich-synthetische Einheit der Apperception, als Einheit des: Ich denke, oder des Selbstbewußtseyns erkannt wird.“ (GW 12, S. 17 f.) Eben weil es Kant gelingt, das Wesen des Begriffs vermittelst seiner

 Eine vollständige Identität von Denken und Sein findet sich in der sogenannten Identitätsphilosophie Schellings, die die Identität des Idealen und Realen zu begründen sucht.

2. Logik und Metaphysik

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Explikation des Selbstbewusstseins zumindest implizit darzustellen, sucht Hegel über die Kantische Bestimmung des Selbstbewusstseins dem Leser eine Einleitung in die Begriffslogik zu bieten. So erinnert Hegel zu Beginn der subjektiven Logik an die Natur des Ich, wie sie in der kritischen Philosophie zur Darstellung kommt, um eine Hinleitung zum Begriff des Begriffs zu ermöglichen. Entscheidend bei der kantischen Bestimmung des Ich sei die Erkenntnis, dass der Begriff nicht wie „ein Besitz oder eine Eigenschaft“ (GW 12, S. 19) dem Ich inhäriere, sondern für das Selbstbewusstsein selbst von konstitutiver Bedeutung sei. Es ist eben diese Konstitutivität, die die synthetische Einheit der Apperzeption zum höchsten Punkt macht, an dem man, wie Kant schreibt, „allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik […] heften muss“. (KrV, B 134). Weil die Identität des Selbstbewusstseins selbst bedingt sei, müsse der analytischen Einheit, der Verstandeseinheit des Ich = Ich, eine synthetische zugrunde liegen. Diese synthetische Einheit des Selbstbewusstseins nennt Kant die ursprüngliche Apperzeption, „weil sie dasjenige Selbstbewußtsein ist,was, indem es die Vorstellung Ich denke hervorbringt, die alle anderen muss begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann.“ (KrV, B 132) Dieses ursprüngliche Selbstbewusstsein sei Bedingung der Verstandeseinheit, so dass die analytische Einheit des Selbstbewusstseins Resultat der Reflexion der synthetischen Einheit des Selbstbewusstseins sei. Die Forderung einer der analytischen Einheit des Bewusstseins vorausgehenden synthetischen Einheit ist analog der Forderung, „zu dem bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden, womit die Einheit desselben vollendet wird.“ (KrV, B 364) Die Verstandeseinheit, die analytische Einheit des Bewusstseins, ist Gegenstand der Vernunft, niemals aber des Verstandes. Als Prinzipium der reinen Vernunft besagt diese Forderung nichts anderes als, dass „wenn das Bedingte gegeben ist, so sei auch die ganze Reihe einander untergeordneter Bedingungen, die mithin selbst unbedingt ist, gegeben“. (KrV, B 364) Die transzendentale Deduktion der Verstandesbegriffe verweist damit schon in den Bereich der transzendentalen Dialektik, die von der objektiven Gültigkeit dieser auf das Unbedingte zielenden Begriffe handelt. Die transzendentale Deduktion soll den Nachweis bringen, dass die reinen Verstandesbegriffe nicht leer sind, sondern in transzendentaler Bedeutung eine gewisse Notwendigkeit mit sich führen. Der Nachweis gilt Kant dann als erbracht, wenn erwiesen ist, dass „durch sie allein Erfahrung möglich ist“ (KrV, B 126). Eben hierin sieht Hegel den wesentlichen Mangel der Deduktion. Sie leiste nicht den Übergang „jener einfachen Einheit des Selbstbewußtseyns in diese ihre Bestimmungen und Unterschiede“, „die Aufzeigung dieses wahrhaft synthetischen Fortgehens, des sich selbst producirenden Begriffs“ (GW 12, S. 205). Kurz: Kants Transformation der Metaphysik in Logik geht

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2. Logik und Metaphysik

Hegel nicht weit genug. Ein wesentlicher Grund hierfür ist Kants Einschätzung der transzendentalen Dialektik.¹⁴ Die in der transzendentalen Dialektik thematisierten Ideen sind zum Unbedingten erweiterte Verstandesbegriffe. Diese Tendenz, über das Bedingte hinaus zum Unbedingten fortzuschreiten, fasst Kant als eine ganz natürliche Anlage zur Metaphysik auf. Aber dennoch müsse der Gebrauch der reinen Verstandesbegriffe auf den Bereich der möglichen Erfahrung eingeschränkt werden, um nicht der Illusion des transzendentalen Scheins aufzusitzen. Der Grund für den transzendentalen Schein sei, „dass die subjektive Notwendigkeit einer gewissen Verknüpfung unserer Begriffe […] für eine objektive Notwendigkeit, der Bestimmung der Dinge an sich selbst, gehalten wird.“ (KrV, B 353) Beschränkte man die Anwendung der reinen Verstandesbegriffe nicht auf einen Kanon der Beurteilung des empirischen Gebrauchs und ließe sie zugleich „als das Organon eines allgemeinen und unbeschränkten Gebrauchs gelten“ (KrV, B 88), so würde der Gebrauch des reinen Verstandes dialektisch sein. Die aus diesem Gebrauch folgende Logik des Scheins ist Gegenstand der Kritik, die Kant in der transzendentalen Dialektik abhandelt. Diese Beschränkung der Logik auf einen Kanon zur Beurteilung von Erkenntnissen hält Hegel für verfehlt. Werde die Logik ausschließlich als Kanon und nicht „als ein Organon zur Hervorbringung objektiver Einsichten angesehen“ (GW 12, S. 23), so haben die Vernunftbegriffe nichts Konstitutives mehr. Das Wesen des Begriffs, das Hegel in der ursprünglich-synthetischen Einheit des Selbstbewusstseins dargestellt findet, wird in der transzendentalen Dialektik von Kant wieder zurückgenommen. Als eine Logik des Scheins beinhaltet sie vornehmlich eine Kritik der Geltung der durch die Vernunft gebildeten Begriffe vom Unbedingten. Darüber hinaus bietet die transzendentale Dialektik aber das positive Resultat, dass „zu gegebenen Wissenschaften die Quellen in der Vernunft selbst zu suchen“ (AA IV, S. 280) sind. Diese Konstitutivität der Vernunft, die Kant in ihre Grenzen zu weisen sucht, ist für Hegel das Movens der wahren Logik, die zugleich Metaphysik ist. Hierin liegt, neben der Überwindung der vormaligen Metaphysik,

 Vgl. Jaeschke 1979, S. 33: „Es ist nicht die spielerische Lust am Paradoxalen, und es ist auch nicht eine Aufdeckung von ‚Widersprüchen‘ insbesondere in der gesellschaftlich-geschichtlichen Wirklichkeit, die Hegel – im Rahmen eines trivialen Abbild-Verhältnisses – verleitet hätte, eine ebenso widersprüchliche und damit der Wirklichkeit scheinbar adäquate, in Wahrheit aber abstruse Theorie zu entwerfen. Es ist vielmehr die Einsicht, daß eine wissenschaftliche Metaphysik allein dann zu entwerfen sei, wenn die in neuerer Zeit von Kant aufgedeckte dialektische Struktur der Vernunftbegriffe durch ein eigens entworfenes Verfahren verständlich und kontrollierbar gemacht werde.“

2. Logik und Metaphysik

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die Möglichkeit begründet, eine Naturphilosophie zu begründen, die über die vormalige philosophia naturalis hinausgeht.¹⁵

 Vgl. Jaeschke 2012, S. 20: „Dieses Ende [der Metaphysik; M.G.] hat anscheinend – aber dies scheint mir noch etwas undurchsichtig – die Entstehung einer Naturphilosophie begünstigt, die nicht nur philosophia naturalis im Sinne der entstehenden Physik ist, die sich aber von der dominierenden Physikotheologie des späten 17. Und des 18. Jahrhunderts befreit hat.“

3. Logik und Naturwissenschaften An die von Hegel herausgestellte Konstitutivität der Vernunft ist die Frage nach der Notwendigkeit und Berechtigung der gesetzgebenden Macht der Vernunft verknüpft. Der Streit um die Reform der Logik thematisiert zwei Problematiken: die Begründung der Logik und die Anwendung der Logik und mit letzterer den „Streit über den Inhalt der sogenannten Realphilosophie“ (Reinhold 1804, S. 6). Bezogen auf die Konstitutivität der Vernunft lassen sich die beiden Streitfragen der Logikreformdiskussion spezifizieren auf die Fragen, ob die Logik sich vollständig auf die Vernunft als ihren Grund reduzieren, zurückführen lässt und ob sich daraus ein Begründungsverhältnis für andere Wissenschaften ergebe. Es ist vor allem die letztere Frage, die sowohl Hegels Dialektik, ihre Bedeutung für die Naturphilosophie und die Naturphilosophie überhaupt in Misskredit gebracht haben. So äußert sich, um eines von vielen Beispielen zu zitieren, Adolf Horwizc 1876 diesbezüglich überaus deutlich: ich glaube, es giebt im ganzen Bereich der gelehrten und ungelehrten Litteratur keinen besser geschmähten Namen als den Hegels, jeder Apothekerlehrling, der den Stößel führen gelernt, ja jeder communis voyageur der seinen Büchner gelesen, blickt von der Höhe seiner naturwissenschaftlichen Intelligenz mit solcher Ueberlegenheit auf den vor wenigen Jahrzehnten vergötterten Geistes-Heros herab, wie ein Helmholtz oder Dove auf einen klugen Schäfer oder auf einen rothäutigen Medizin-Mann kaum zu thun vermöchte.“ (Horwicz 1876, S. 5)

Auch Ernst Cassirer spricht von einer „volle[n] Ernüchterung“, die an die „Stelle jenes metaphysischen Rausches, der die Systeme der nachkantischen Philosophie beseelte“ getreten sei. Die Logik habe „jeden Anspruch aufgegeben, in den Kern des absoluten Seins einzudringen; sie will nicht länger die ‚Darstellung Gottes‘ in seinem ewigen Wesen sein.“ (Cassirer 1994, S. 12) Die Stellung der Logik zu den Einzelwissenschaften erfährt im 19. Jahrhundert einen grundlegenden Wandel. Von einer „Fackelträgerin“ (Husserl 1992, S. 6), die allen Wissenschaften erst ihre Wissenschaftlichkeit ermöglicht und dergestalt als Bedingung ihrer Möglichkeit ihnen vorhergeht, entwickelt sich das Logikverständnis zu dem einer bloßen Methodenlehre, die dem erfolgreichen Methodenarsenal der Naturwissenschaften abgeschaut wird. Husserl charakterisiert diese Entwicklung eindrücklich: Geht also die Logik noch in diesen neuzeitlichen Anfängen den Wissenschaften voran, so ändert sich dieses wesentliche Verhältnis in der nachfolgenden Epoche, eben als der Epoche der Verselbständigung der Wissenschaften zu Fachwissenschaften, die sich um eine Logik nicht mehr kümmern, ja sie fast verächtlich beiseite schieben. Aber diese selbst irrt in der neuesten Zeit von ihrem eigenen Sinn und ihrer unveräußerlichen Aufgabe ganz und gar ab.

3. Logik und Naturwissenschaften

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Statt die reinen Wesennormen der Wissenschaft nach allen ihren Wesensgestaltungen zu verfolgen, um dadurch den Wissenschaften prinzipielle Leitung geben und ihnen Echtheit der Methodengestaltung und der Rechenschaftsabgabe in allen Schritten ermöglichen zu können, gefällt sie sich vielmehr darin, sich von den faktischen Wissenschaften, insbesondere den vielbewunderten Naturwissenschaften in ihrem Wissenschaftsideal und ihren Problemstellungen leiten zu lassen. (Husserl 1992, S. 7)

Die logische Frage ist somit vor allem eine Frage um die „Macht der Logik“ (Rabus 1880, S. 105). Im folgenden Versuch einer hegelschen Antwort auf die logische Frage wird es deshalb nicht nur um eine Binnenfrage der Wissenschaft der Logik gehen, sondern um die Bedeutung der Logik für die Realphilosophie und damit um die Begründbarkeit eines Systems der Philosophie.

II. Eine hegelsche Antwort¹⁶

 Der folgende Abschnitt bezieht sich hauptsächlich auf Hegels subjektive Logik.

1. Die Subjektivität Alles in der Welt ist nur Entwicklung. Der Samenkern eines Baumes enthält schon den Keim zum ganzen Baume; das Wesentliche, die Formation der Frucht, der Blätter und Äste, [ist] schon im Keim enthalten. Diese Formation ist der Begriff; es ist kein Anderes, das aus dem Keim heraustritt, sondern ein und dasselbe. So verhält es sich auch mit dem Begriff. (V 11, S. 143)

1.1 Der Begriff Will Hegel eine Revolution der Philosophie durch ihre Zurückführung auf eine Logik als eine Wissenschaft der reinen Formen des Denkens abwenden,¹⁷ so muss es ihm gelingen, aufzuzeigen,wie die Wissenschaft sich durch das eigne Leben des Begriffs organisieren lasse. Dem Aufweis einer solchen Selbstbestimmung des Begriffs in seiner Entwicklung muss aber die Bestimmung des Begriffs selbst vorangehen. So beginnt Hegel auch seine subjektive Logik mit der Bestimmung des Begriffs. Doch schon zu Beginn zeigt sich die Schwierigkeit der geforderten Bestimmung des Begriffs: Der Versuch einer Bestimmung des Begriffs scheint sich zugleich in einem Zirkel zu verwickeln. Sowenig wie sich der Begriff irgendeines Gegenstandes unmittelbar angeben lässt, lässt sich die Natur des Begriffs, der Begriff des Begriffs unmittelbar bestimmen. Oder, wie Hegel es formuliert: „Was die N a t u r d e s B e g r i f f e s sey, kann so wenig unmittelbar angegeben werden, als der Begriff irgend eines andern Gegenstandes unmittelbar aufgestellt werden kann.“ (GW 12, S. 11) Die unhintergehbare Voraussetzung der Bestimmung eines Begriffs jedweden Gegenstandes scheint die logische Form zu sein. Die Bestimmung des Begriffs müsste dann immer schon die logische Form des Begriffs voraussetzen. Die Natur des Begriffs ließe sich in der Konsequenz nur bestimmen, wenn die logische Form des Begriffs einem Axiom gleich der Bestimmung des Begriffs vorausgesetzt würde. So ist auch für Hegel der (logische) Begriff nicht nur „eine subjective Voraussetzung“, sondern eine „a b s o l u t e G r u n d l a g e “. (GW 12, S. 11) Als diese absolute Grundlage betrachtet Hegel den Begriff zwar als ein Erstes, ein Unmittelbares, das aber nicht die Bedingung der Vermittlung, sondern das Resultat der Vermittlung sei.¹⁸ Der Begriff kann, so Hegels These, nur als absolute Grundlage genommen werden, „als insofern er sich zur Grundlage  Vgl. hierzu Kapitel 1.1 Kritik der formalen Logik, sowie Gerhard 2010, S. 93 – 108.  Vgl. GW 12, S. 60: „In der Sphäre des Begriffs kann es keine andere U n m i t t e l b a r k e i t geben, als eine solche, die a n u n d f ü r s i c h die Vermittlung enthält, und nur durch deren Aufheben entstanden ist“.

26

1. Die Subjektivität

g e m a c h t hat.“ (GW 12, S. 11) Der Begriff ist demnach nichts Vorzufindendes, nichts, was sich zusammenklauben ließe. Der Begriff lässt sich nur als Resultat seiner eigenen Geschichte, als Resultat seiner ihm immanenten Entwicklung begreifen. Eine solche Geschichte des Begriffs könne aber keine äußerliche, zufällige Historie von Begriffsbestimmungen sein. Allein eine logische, eine dem Wesen des Begriffs immanente Entwicklung könne auch die Natur des Begriffs adäquat darstellen. In diesem Sinne kritisiert Hegel 1. die in gewöhnlichen Abhandlungen der Logik vorkommenden Einteilungen und Arten von Begriffen, 2. den Versuch, Begriffe als Zeichen aufzufassen und 3. die Trennung der logischen Form des Begriffs von seiner Wahrheit. Auf diese drei Kritikpunkte soll im Folgenden kurz eingegangen werden.

1.1.1. Zur Kritik der in gewöhnlichen Abhandlungen der Logik vorkommenden Einteilungen und Arten von Begriffen In den von Hegel so benannten gewöhnlichen Abhandlungen der Logik finden sich verschiedene Einteilungen und Arten von Begriffen. Die Darstellungen von verschiedenen Arten von Begriffen, z. B. der Quantität oder der Qualität nach, sollen – dem Anspruch dieser Abhandlungen gemäß – der Bestimmung des Begriffs überhaupt dienen. Diese Funktion der Bestimmung des Begriffs spricht Hegel den bloßen Darstellungen verschiedenartiger Begriffe ab.Weil die zugrunde gelegten Kriterien der Einteilung der Begriffe als gegeben vorausgesetzt werden und äußerlich an den Begriff herangetragen werden, sei ihnen eine wesentliche Bestimmung der Begriffe unmöglich. Es fällt sogleich die Inconsequenz daran in die Augen, dass die Arten so eingeführt werden: E s g i b t der Quantität, Qualität u.s.f. nach folgende Begriffe. E s g i b t , drückt keine andere Berechtigung aus, als die, dass man solche Arten v o r f i n d e t und sie sich nach der E r f a h r u n g zeigen. Man erhält auf diese Weise eine empirische Logik, – eine sonderbare Wissenschaft, eine i r r a t i o n a l e Erkenntniß des R a t i o n e l l e n . (GW 12, S. S. 43)

Der Begriff lässt sich folglich nur begreifend betrachten, alles andere wäre eine begriffslose Darstellung.Werden die zur Bestimmung des Begriffs vorausgesetzten logischen Formen als eine absolute Grundlage genommen, die unmittelbar gegeben sei, in der Erfahrung unvermittelt vorfindbar sei, so geschähe dies um den Preis einer metabasis eis allo genos. Beweisgrund und Beweisthema würden als gattungsfremd auseinanderfallen und nicht aufeinander zu beziehen sein. Aus diesem Grund habe es sich erst im Urteil, in der Beziehung der Begriffsbestimmungen aufeinander, zu zeigen, was „es für bestimmte Begriffe g i b t “. (GW 12, S. 53)

1.1 Der Begriff

27

1.1.2 Zur Kritik der Darstellung von Begriffen als Zeichen Mit der Bestimmung des Begriffs überhaupt durch die Einteilung desselben in verschiedene Arten wird der Begriff mit sich in verschiedene Verhältnisse gesetzt. Ein Modell eines solchen Verhältnisses ist das der Subordination von Begriffen, oder auch das der Koordination von Begriffen. So werden Gattung und Art, allgemeiner und besonderer Begriff, in das Verhältnis der Subordination, verschiedene Arten aber, verschiedene besondere Begriffe, in das Verhältnis der Koordination gebracht. Das wahre Verhältnis kann sich für Hegel allein im Urteil, der Beziehung der bestimmten Begriffe, ergeben. Der Versuch, die Verhältnisse von Begriffsbestimmungen analog der Darstellung algebraischer Größenverhältnisse darzulegen, verfehle die Natur des Begriffs. Eine Bezeichnung der Verhältnisse der Begriffsbestimmungen durch Linien, Figuren und ähnlichem könne zum Begreifen des Begriffs nichts beitragen. Schon der Versuch der Bezeichnung stellt sich sogleich als an und für sich nichtig dar, wenn man die Natur des Zeichens und dessen,was bezeichnet werden soll, mit einander vergleicht. (GW 12, S. 47)

Das Zeichen ist stets ein dem Bezeichneten Äußerliches und Gleichgültiges. Mit der Bezeichnung wird zwar auf den Gegenstand des Zeichens verwiesen, ohne aber den Gegenstand selbst zu bestimmen.¹⁹ Wenn Begriffe nun in der Weise genommen werden, dass sie solchen Zeichen entsprechen, so hören sie auf, Begriffe zu seyn. Ihre Bestimmungen sind nicht so ein todtliegendes, wie Zahlen und Linien, denen ihre Beziehung nicht selbst angehört. (GW 12, S. 47)

Die Begriffsbestimmungen sind dem Begriff selbst immanent, so dass auch die Verhältnisse dieser Begriffsbestimmungen nicht als etwas diesen Äußerliches und Zufälliges aufgefasst werden können. Das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem, von Gattungsbegriff und Artbegriff ist reziprok und ihrer jeweiligen Bestimmung immanent. Die Begriffsbestimmungen sind lebendige Bewegungen; die unterschiedene Bestimmtheit der einen Seite ist unmittelbar auch der andern innerlich; was bey Zahlen und Linien ein vollkommener Widerspruch wäre, ist der Natur des Begriffs wesentlich. (GW 12, S. 47)

 Vgl. Stekeler-Weithofer 2006, S. 31: „Die Schwierigkeit […] besteht darin, dass wir uns angewöhnt haben, anders zwischen Begriff, Urteil und Schluss zu unterscheiden als Hegel.Wir denken immer noch, ein Begriff sei durch willkürliche, konventionelle, definitorische Festsetzungen bestimmt“.

28

1. Die Subjektivität

1.1.3. Zur Kritik der Trennung der logischen Form des Begriffs von seiner Wahrheit Der Logik des Begriffs geht es um die Bestimmung der logischen Form des Begriffs. Hegel kritisiert an der gewöhnlichen Auffassung der Logik des Begriffs, dass über die Form der Inhalt vergessen werde. In der gewöhnlichen Auffassung der Logik des Begriffs werde diese als eine formelle Wissenschaft vorgestellt, in der es „auf die Form als solche des Begriffs, des Urtheils und Schlusses, aber ganz und gar nicht darauf ankomme, ob Etwas w a h r sey; sondern diß hänge ganz allein vom I n h a l t e ab.“ (GW 20, S. 178) Die Übereinstimmung der logischen Form des Begriffs mit seinem Inhalt, mit der Realität wäre etwas dem Begriff Äußerliches. Die Triftigkeit eines Begriffs wäre kontingent, sie wäre begrifflich nicht zu begründen. Nur wenn es Hegel gelingt zu zeigen, dass die logische Form des Begriffs und sein Inhalt wesentlich aufeinander bezogen sind, die Form sich zu ihrem eigenen Inhalt machen kann, kann auf die metaphysische Voraussetzung eines gegebenen und vorfindbaren Inhaltes verzichtet werden. Der wahre Begriff findet dann seine Realität nicht als ein Fertiges ihm Gegenüberstehendes vor, sondern bildet in der begrifflichen Aneignung des Gegenstandes die Realität als die begriffene Wirklichkeit aus sich heraus. Diese Realität, wie sie in der Idee erreicht werde, sei „wesentlich im Begriffe und durch ihn b e s t i m m t “. (GW 12, S. 42) Die Wahrheit und die Realität des logischen Begriffs bleiben jedoch, wie Hegel betont, abstrakt und bloß formell. Die Realität der formellen Wissenschaft bleibt eine andere als die der konkreten Wissenschaften. Trotz dieser zugegebenen Differenz hält Hegel an der Notwendigkeit des Wahrheitsanspruchs der logischen Begriffsbestimmung fest. Wären wirklich die logischen Formen des Begriffs todte, unwirksame und gleichgültige Behälter von Vorstellungen oder Gedanken, so wäre ihre Kenntniß eine für die Wahrheit sehr überflüssige und entbehrliche H i s t o r i e . (GW 20, S. 178)

Die Kenntnis der logischen Formen des Begriffs soll nicht der bloßen Einteilung und Sammlung von Vorstellungen dienen, sondern als absolute Voraussetzung aller Wissenschaften und auch aller empirischen Erfahrungen fungieren.²⁰ So ist von dem Wirklichen nur dasjenige wahr, „w a s k r a f t d i e s e r F o r m e n , d u r c h s i e u n d i n i h n e n w a h r i s t .“ (GW 20, S. 178)

 Vgl. Stekeler-Weithofer 2006, S. 29: „Hegel verteidigt nun die These, dass das Begriffliche, obwohl nicht absolut erfahrungsunabhängig und ewig, dennoch inhalts-, gegenstands- und erfahrungskonstitutiv ist. Das ist ein modifizierter Kantianismus.“

1.1 Der Begriff

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1.1.4 Der Begriff als solcher²¹ – Zu Hegels Bestimmung des Begriffs Den allgemeinen Begriff, den Begriff als solchen unterscheidet Hegel in seine drei Momente der Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit. In der Bestimmung der Allgemeinheit ist der Begriff der reine Begriff. In dieser Bestimmung, die den reinen Begriff neben andere stellt, ist er aber auch nur ein bestimmter oder ein besonderer Begriff. In seiner Besonderheit ist der Begriff als ein bestimmter Begriff als gegen andere Begriffe unterschieden gesetzt. Das dritte Moment des Begriffs ist die Einzelheit, nicht der einzelne Begriff. Diese Einzelheit soll Resultat der „R e f l e x i o n des Begriffs aus seiner Bestimmtheit i n s i c h s e l b s t “ (GW 12, S. 49) sein.

1.1.4.1 Der allgemeine Begriff In der Allgemeinheit seiner Bestimmung ist der allgemeine Begriff unterschiedslose Beziehung auf sich selbst. Der allgemeine Begriff besteht in seiner Identität mit sich. Als reine Identität mit sich sei das Allgemeine aber nicht leer, „sondern hat vielmehr durch seinen Begriff I n h a l t ; einen Inhalt, in dem es sich nicht nur erhält, sondern der ihm eigen und immanent ist.“ (GW 12, S. 35) Wird von diesem Inhalt abgesehen, so erhält man den abstrakten Begriff, dem wegen seiner Inhaltslosigkeit keine Wahrheit zukommen kann. Der allgemeine Begriff hingegen hat Wahrheit, indem in ihm alle Bestimmungen seiner Realität enthalten sind. In diesem Sinne bezeichnet Hegel das Allgemeine als die „Totalität des Begriffes“ (GW 12, S. 35). Unter diese Totalität fallen alle möglichen Bestimmtheiten des Begriffs, d. h. alle besonderen Begriffe.

1.1.4.2 Der besondere Begriff In einer Hinsicht ist das Besondere das Allgemeine selbst, „aber es ist dessen Unterschied oder Beziehung auf ein A n d e r e s , sein S c h e i n e n n a c h A u s s e n ; es ist aber kein anderes vorhanden, wovon das Besondere unterschieden wäre, als das Allgemeine selbst.“ (GW 12, S. 37 f.) In anderer Hinsicht bestehen daher das Allgemeine und das Besondere nur in ihrer Beziehung aufeinander als Unterschiedene. Wie das Allgemeine als die Totalität des Begriffs das Besondere unter sich enthält, so enthält auch das Besondere das Allgemeine in sich. Jede Art enthält in sich die Bestimmung ihrer Gattung, dessen Bestimmtheit oder Beson-

 Vgl. GW 20, S. 179: „A. Der subjective Begriff a. Der Begriff als solcher“.

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1. Die Subjektivität

derheit sie ist. Insofern sie eine Besonderheit der Gattung ist, ist die Art zugleich die Darstellung der Gattung in ihrer Bestimmtheit. Das Besondere e n t h ä l t also nicht nur das Allgemeine, sondern stellt dasselbe auch durch seine B e s t i m m t h e i t dar; dieses macht insofern eine S p h ä r e aus, welche das Besondere erschöpfen muss. Diese Totalität erscheint, insofern die Bestimmtheit des Besondern als blosse Ve r s c h i e d e n h e i t genommen wird, als Vo l l s t ä n d i g k e i t . Vollständig sind in dieser Rücksicht die Arten, insofern es deren eben nicht mehrere g i b t . (GW 12, S. 37)

Kommt es dem besonderen Begriff zu, das Allgemeine zur Darstellung zu bringen, so ist diese Darstellung nur dann angemessen, sofern sie die Totalität des Begriffs erschöpft. Alle Bestimmtheiten des Begriffs, alle möglichen Arten müssten aufgezählt werden, um diese Totalität des Begriffs in ihrer Vollständigkeit darzulegen. Dass dieses Unterfangen einer unendlichen Aufgabe gleichkäme, muss nicht hervorgehoben werden. Die Forderung einer solchen vollständigen Darstellung des Allgemeinen durch alle Besonderheiten, ergibt sich aus der Annahme einer bloßen Verschiedenheit der Arten. Die Totalität des Begriffs lässt sich aber nur unter der Voraussetzung eines prinzipiellen Unterschieds der Arten untereinander, einer spezifischen Differenz, in eine endliche Darstellung bringen. Für Hegel ist die Totalität des Begriffs allein in der Beziehung des Allgemeinen und des Besonderen aufeinander darzustellen. Allein das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Begriff ermögliche eine begriffliche Explikation der Totalität des Begriffs. Wie aber aus einem bloßen Begriffsverhältnis die Mannigfaltigkeit aller Naturerscheinungen adäquat erfasst werden können soll, ist überaus problematisch. Auch wenn es den meisten seiner Kritiker entgangen ist, so geht Hegel zu Beginn der Naturphilosophie explizit auf dieses Problem ein. Den Grund für die Schwierigkeit einer den Naturerscheinungen adäquaten und doch reinen Begriffsentwicklung sieht Hegel in der Ohnmacht der Natur angelegt.

1.1.5 Die Ohnmacht der Natur²² Inwiefern die Form des Begriffs nicht nur zur formalen Bedingung der Möglichkeit jeglicher Erkenntnis, sondern zugleich zum Grund aller möglichen Erkenntnis

 Vgl. Fulda 2003, S. 150: „Das Wort „Ohnmacht“ drückt, wie der Kontext zeigt, einen antiromantischen Affekt aus. Ein wenig signalisiert es vielleicht auch irritierte Geringschätzung des Begriffskünstlers für ein Material, das sich seiner Kunst weitgehend entzieht; und falls es dies ausdrückt, muß man bezweifeln, daß es einer Philosophie der Natur als Idee wirklich angemessen ist. Dominant aber ist in ihm zweifellos die methodologische, unsere Einstellung zur Natur be-

1.1 Der Begriff

31

bestimmt werden könne, ist eine Schwierigkeit, die sich jeder theoretischen Betrachtung der Naturerkenntnis stellt. Kant bestimmt in der Kritik der reinen Vernunft die Form der Anschauung und die reinen Verstandesbegriffe als die formalen Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung. Die Funktion der formalen Bedingungen jeder Erkenntnis schränkt Kant aber zugleich auf die Kenntnisse einer Natur überhaupt ein. Besondere Gesetze, weil sie empirisch bestimmte Erscheinungen betreffen, können davon nicht vollständig abgeleitet werden, ob sie gleich alle insgesamt unter jenen stehen. Es muss Erfahrung dazu kommen, um die letzteren überhaupt kennen zu lernen. (KrV, B 164 f.)

Die reinen Verstandesbegriffe bestimmen die Form der Erscheinungen, sind aber nicht der Grund der Existenz dieser Erscheinungen. Die Bestimmung der Form der Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen durch die Kategorien hat keine durchgängige Determination der Erscheinungen zur Folge. Eine Vollständigkeit in der Bestimmtheit der Naturerscheinungen ist für Kant aus der Form aller möglichen Erkenntnisse nicht herzuleiten. Hierzu bedürfe es der Erfahrung, eines spezifischen Inhaltes. Kant begegnet der kardinalen Schwierigkeit der theoretischen Betrachtung der Naturerkenntnis, wie die Form der Erkenntnis die Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen adäquat begreifen könne, indem er die Form der Erkenntnis von ihrem Inhalt wesentlich unterscheidet. Eben diese Trennung der Form von ihren Inhalt hat aber für Hegel zur Konsequenz, dass der Bestimmung der Form aller möglichen Naturerkenntnisse keine Wahrheit zugesprochen werden könne. Die logischen Formen des Begriffs sollen aber keine tote, unwirksame und gleichgültige Behälter von Vorstellungen sein, sondern die Natur der Sache bestimmen. Es ist dies „die Betrachtungsweise des Begriffs, der seiner Natur nach überhaupt und damit der Natur als solcher immanent ist.“ (GW 20, S. 235) So fordert Hegel konsequenterweise die vollständige Darstellung der Totalität des Begriffs durch das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Begriff. Mag der Begriff dieser Forderung Folge leisten, so sperrt sich doch die Natur gegen diese Macht des Begriffs. In Absicht auf Vollständigkeit hat sich ergeben, dass das Bestimmte der Besonderheit v o l l s t ä n d i g in dem Unterschiede des A l l g e m e i n e n und B e s o n d e r n ist, und dass nur diese beyde die besondern Arten ausmachen. In der N a t u r finden sich freylich in einer Gattung mehr als zwey Arten, so wie diese vielen Arten auch nicht das aufgezeigte Verhältniß zu einander haben können. Es ist diß die Ohnmacht der Natur, die Strenge des Begriffs nicht festhalten und darstellen zu können, und in diese begrifflose blinde Mannichfaltigkeit sich

treffende Forderung, die Gleichgültigkeit vieler Naturgebilde gegen den spekulativen Begriff zu respektieren und den Bereich des an der Natur philosophisch Relevanten zu begrenzen.“

32

1. Die Subjektivität

zu verlauffen.Wir können die Natur in der Mannichfaltigkeit ihrer Gattungen und Arten, und der unendlichen Verschiedenheit ihrer Gestaltungen b e w u n d e r n , denn die Bewunderung ist o h n e B e g r i f f , und ihr Gegenstand ist das Vernunftlose.“ (GW 12, S. 39)

Nicht der Begriff sei ohnmächtig gegenüber der Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen, sondern vielmehr die Natur sei ohnmächtig gegenüber der Forderung nach einer vollständigen Darstellung durch den Begriff. Die Ohnmacht der Natur bezieht sich nicht, wie der von Hegel gewählte Terminus nahezulegen scheint, auf einen mystischen oder zufälligen Zustand der Natur. (Vgl. z. B. Schultz Schultzenstein 1846, S. 29) Vielmehr verweist die Formulierung auf das notwendige Moment der Irreflexivität der Natur. Anders als Schelling, der die Natur als ein reflexives Subjekt zu bestimmen sucht und in der Konsequenz die Intelligibilität der Natur zu einer Intelligenz hypostasiert, besteht Hegel auf der wesentlichen Differenz zwischen Natur und Vernunft.²³ Darin, dass diese Differenz notwendig sei, stimmen Hegel und Kant überein. In der Art, wie diese Differenz aufzufassen sei, stimmen Kant und Hegel nicht überein.Während Kant mit der Endlichkeit des Begriffs den Hiatus zwischen Natur und Begriff kritisch hervorhebt, sucht Hegel die objektive Wahrheit des Begriffs zu retten, um den Preis eines begriffslosen Residuums, der ohnmächtigen Natur. Aber auch für Hegel bleibt der Hiatus zwischen Natur und Begriff bestehen. Auch wenn es ihm gelingt die immanente Übereinstimmung von Form und Inhalt in der Sphäre der Logik aufzuzeigen, so  Das wird von den meisten Kritikern Hegels anders gesehen, so z. B. Schultz Schultzenstein: „Hegel spricht immer mit Verachtung von den Käferarten, Mollusken, Geschmeiß, weil diese dem philosophischen Gedanken unangemessen seien. Hierin liegt freilich das Richtige, dass die Naturbestimmungen der besonderen Gliederung in der Natur mit den logischen Kategorien in Widerspruch sind. Aber daraus darf man nicht folgern, dass die logischen Gedankenformen hier maßgebend nothwendig, die Natur aber zufällig sei; vielmehr ist daraus zu folgern, dass die logischen Formen zufällig (künstlich) in Bezug auf die Natur, die Natur selbst aber in ihrer eigenen, unerkannten Naturnothwendigkeit ist. Die logischen Kategorien sind dem Naturinhalt unangemessen, weil Natursystem und logisches Kategoriensystem wirklich nicht identisch, sondern verschieden sind.“ (Schultz Schultzenstein 1846, S. 29) Und weiter: „Durch den Widerspruch des logischen Construierens mit dem Lauf der Naturerscheinungen ist die Naturphilosophie bei den Naturforschern in Miscredit gekommen und diess hat letztere zu dem entgegengesetzten Extrem geführt, alle Naturphilosophie als Hirngespinst zu verwerfen und sich damit gedankenloss der rohen, willkürhlichen und zufälligen Empirie in die Arme zu werfen.“ (Schultz Schultzenstein 1846, S. 30) Dagegen wendet Michelet ein: „Wenn also auch in der Natur andere Kategorien vorkommen müssen, als im Geiste, eben weil sie beide sind, was sie sind, so ist doch die Natur so logisch, als der Geist. Denn die Vernunft (der Logos) stellt sich in beiden, wenn auch auf eigenthümliche Weise, dar. Das Logische bildet das Band, welches diese beiden Zweige des Absoluten nothwendig zu Einem Ganzen verbindet. (Michelet 1846, S. 33) Vgl. auch den darauffolgenden Beitrag von Temmler: Ueber philosophisches Wissen und Naturwissen, logische Kategorien und „Naturkategorien“. (Temmler 1846, S. 34– 41).

1.2 Das Urteil

33

bleibt doch die Natur als das Andere der Idee bestehen. Die „Totalität des Begriffs“ (GW 12, S. 53) und die Totalität der Natur in ihrer Vollständigkeit sind zwar aufeinander zu beziehen, aber nicht auseinander zu deduzieren. Die Hervorhebung dieses Hiatus ist die hegelsche Kritik der reinen Vernunft. Jene Ohnmacht der Natur setzt der Philosophie Gränzen, und das Ungehörigste ist von dem Begriffe zu verlangen, er soll dergleichen Zufälligkeiten begreifen, – und wie es genannt worden, construiren, deduciren. (GW 20, S. 240)

Fragwürdig muss an dieser Stelle bleiben, ob es die Grenzen der Philosophie sind, die mit den Eintritt in die Realphilosophie vom Anspruch der hegelschen Logik, einen adäquaten, wahren Begriff zu entwickeln, allein übrig bleiben. Dies wird in den letzten Kapiteln der vorliegenden Arbeit explizit thematisiert werden.

1.2 Das Urteil Urtheil. ist im höchsten und strengsten Sinne die ursprüngliche Trennunng des in der intellctuellen Anschauung innigst vereinigten Objects und Subjects, diejenige Trennung, wodurch erst Object und Subject möglich wird, die Ur-Theilung. Im Begriffe der Theilung liegt schon der Begriff der gegenseitigen Beziehung des Objects und Subjects aufeinander, und die nothwendige Voraussetzung eines Ganzen wovon Object und Subject die Theile sind. (Hölderlin 1992, S. 50)

1.2.1 Das Verhältnis des Urteils zum Begriff – Das Einzelne Der dritte Abschnitt zum Begriff als solchem hat das Einzelne zu seinem Gegenstand. Das Einzelne stellt Hegel als die dritte Bestimmung des Begriffs neben dem allgemeinen und dem besonderen Begriff dar. (Vgl. GW 12, S. 50, Z. 16 – 23) Nicht der einzelne Begriff, sondern das Einzelne soll den Übergang vom Begriff zum Urteil ermöglichen. Während Hegel zwar von einem Allgemeinem und einem Besonderem im Sinne des allgemeinen bzw. besonderen Begriffs spricht, findet sich für das Einzelne kein entsprechender einzelner Begriff. Für diese Auffälligkeit lässt sich ein Grund angeben. In der Anmerkung zu § 163 der Enzyklopädie bestimmt Hegel das Einzelne als „dasselbe, was das Wirkliche ist, nur dass jenes aus dem Begriffe hervorgegangen […] ist.“ (GW 20, S. 179) Im Wirklichen ist die Einheit des Inneren und des Äußeren, des Wesens und der Existenz gesetzt. Im Einzelnen ist eben diese Einheit des Wesens und der Existenz als die untrennbare Einheit von Form und Inhalt des Begriffs gesetzt. In diesem Einzelnen zeigt sich die immanente Verschränkung von Form und Inhalt des Begriffs, die Untrennbarkeit der

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1. Die Subjektivität

Begriffsbestimmungen. Lässt sich der einzelne Begriff ²⁴ als eine einzelne Begriffsbestimmung von der Existenz eines Diesen trennen, so lässt sich das Einzelne nur in der Einheit seiner Form und seines Inhaltes begreifen. Das Allgemeine der Form und das Einzelne des Inhalts sind in der Einzelheit nicht voneinander zu trennen, beide sind wesentliche Momente des Einzelnen. „In der Einzelheit ist jenes wahre Verhältniß, die Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen, gesetzt“. (GW 12, S. 50) Die Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen in der Einzelheit bezeichnet Hegel auch als die Rückkehr des Begriffs in sich selbst. Als Negation der Negation enthalte die Einzelheit ebenso das Allgemeine,wie das Besondere als Momente des ganzen Begriffs in sich.²⁵ Sofern das Einzelne aber in der Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen nicht die Totalität aller möglichen Begriffsbestimmungen gleich einem ens realissimum umfasst, muss das Einzelne sich auf andere, ihm äußerliche, Einzelne beziehen lassen.²⁶ Die Einzelheit ist neben ihrer ersten Bestimmung als die Rückkehr des Begriffs zu sich selbst auch „sein Verlust“: „Durch die Einzelheit, wie er darin in sich ist, wird er ausser sich“. (GW 12, S. 51) Der Begriff verliert sich in der Äußerlichkeit der vielen Einzelnen. In der Beziehung auf dasjenige, was außer dem Begriff ist, lässt sich das Einzelne als „ein qualitatives S e i n oder D i e s e s “ (GW 12, S. 51) auffassen. Als ein qualitatives Sein steht das Einzelne im Verhältnis der Repulsion zu sich und den ausgeschlossenen Vielen. Das Einzelne ist in dieser Bestimmung eines unter gleichgültig vielen Einzelnen. Der Mangel dieser Bestimmung des Einzelnen als ein qualitatives Sein wird deutlich, sobald die Allgemeinheit auf „diese Einzelnen als gleichgültige Eins“ (GW 12, S. 51) bezogen wird. Das Allgemeine dieser gleichgültig nebeneinander bestehenden Einzelnen kann lediglich das allen Gemeinsame sein. Das Allgemeine ist hier ein bloß äußerliches Verhältnis des Gemeinschaftlichen aller Einzelnen und nicht als ein Moment der Einzelheit zu begreifen. Die Begriffsbestimmungen wären getrennt in das Einzelne als Inhalt und das Allgemeine als äußerliche Form. Soll an der Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen

 Von der Widersinnigkeit eines einzelnen Begriffs sei einmal abgesehen.Wird der Begriff als die synthetische Einheit eines Mannigfaltigen begriffen, so müsste der Begriff eines Einzelnen aus Einem Einzelnen die Einheit vieler machen. Der Begriff eines Einzelnen wäre demnach von einem Eigennamen formal nicht zu unterscheiden.  Vgl. Düsing 1995, S. 249: „Diese „Rückkehr“ des Begriffs in sich selbst ist nach Hegel die Einzelheit oder – ohne Bedeutungsverschiebung – das Einzelne. Dieses ist nichts anderes als das Besondere und das Allgemeine; aber was in jenen gedacht wurde, ist nun auch „gesetzt“ und entwickelt. So ist das Einzelne der ganze Begriff; nur die Abstraktion trennt es vom Besonderen und Allgemeinen und sieht es als eine von jenen abgesonderte dritte Begriffsbestimmung an.“  Vgl. Düsing 1995, S. 249 f.: „Das Einzelne darf, weil es der Begriff ist, nicht als das sinnliche Diese verstanden werden, das nach der Phänomenologie nicht auszusagen und eigentlich nicht einmal zu zeigen ist.“

1.2 Das Urteil

35

festgehalten werden, kann das Einzelne nicht als qualitatives Fürsichsein bestimmt werden. In der „Reflexionssphäre der Existenz“ (GW 12, S. 51) hingegen lässt sich das Einzelne als ein Dieses auffassen, das zwar ein in sich reflektiertes Eins ist, aber ohne Repulsion vermittelst der vorausgesetzten Vielen. Das Einzelne soll als ein Dieses unmittelbar sein. Aber auch die Unmittelbarkeit des Diesen ist nicht ohne Vermittlung zu denken. Die notwendige Vermittlung seiner unmittelbaren Existenz, seiner Wirklichkeit, soll aber nicht dem Einzelnen äußerlich sein. Das Einzelne werde durch die Abstraktion als ein unmittelbares Dieses gesetzt. Der Abstraktion kommt die Aufgabe zu, unter Beibehaltung der Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen, das Einzelne zu bestimmen. Diese Bestimmung kann nur als eine Selbstunterscheidung des Begriffs gedacht werden. Dieses Abstrahiren des Einzelnen ist als die Reflexion des Unterschiedes in sich erstlich ein Setzen der Unterschiedenen als s e l b s t s t ä n d i g e r, in sich reflectirter. Sie sind unmittelbar; aber ferner ist dieses Trennen Reflexion überhaupt, d a s S c h e i n e n d e s e i n e n i m a n d e r n ; so stehen sie in wesentlicher Beziehung. Sie sind ferner nicht bloß s e y e n d e Einzelne gegen einander; solche Vielheit gehört dem Seyn an; die sich als bestimmt setzende E i n z e l h e i t setzt sich nicht in einem äußerlichen, sondern im Begriffsunterschiede; sie schließt also das A l l g e m e i n e von sich aus, aber da dieses Moment ihrer selbst ist, so bezieht [es] sich ebenso wesentlich auf sie. (GW 12, S. 52)

In der Einzelheit ist einerseits das wahre Verhältnis der Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen gesetzt, andererseits bestimmt sich die Einzelheit durch das Setzen der Begriffsunterschiede als Selbstständige. Die Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen und die Selbstständigkeit der Begriffsunterschiede scheinen zunächst unvereinbar. Diese Unvereinbarkeit der Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen und der Selbständigkeit der Begriffsunterschiede findet seinen Ausdruck in Hegels Bestimmung der Einzelheit als „Rückkehr des Begriffs in sich selbst“, die zugleich den „Verlust“ des Begriffs ausmacht. (GW 12, S. 51) Tatsächlich ist der Verlust des Begriffs in der Selbständigkeit der Begriffsunterschiede die Konsequenz des Festhaltens an der Untrennbarkeit der Begriffsbestimmungen. Sind die Begriffsbestimmungen wesentlich aufeinander zu beziehen, dann ist eine jede Bestimmung des Begriffs eine Rückkehr des Begriffs in sich selbst, indem er sich in sich unterscheidet. Die Bestimmung des Begriffs resultiert dann konsequenterweise in seiner ursprünglichen Teilung, dem Urteil: „Seine Rückkehr in sich ist daher die absolute, ursprüngliche T h e i l u n g s e i n e r, oder als Einzelheit ist er als U r t h e i l gesetzt.“ (GW 12, S. 52) An der Einzelheit hat sich als das wahre Verhältnis der Begriffsbestimmungen ihre Untrennbarkeit erwiesen. Das Allgemeine, Besondere und Einzelne sind immanent aufeinander bezogen. Keines der drei Begriffsbestimmungen ist unabhängig von den anderen zu bestimmen. Die verschiedenen Verhältnisse der

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1. Die Subjektivität

Begriffsbestimmungen untereinander sollen ihre Darstellung im Urteil finden. Insofern das Urteil „die am Begriffe selbst gesetzte Bestimmtheit desselben“ ist, soll sich in ihm zeigen, was „es für bestimmte Begriffe gibt, und wie sich diese Bestimmungen nothwendig ergeben.“ (GW 12, S. 53) Das Urteil ist damit als die notwendige Weiterentwicklung des Begriffs bezeichnet, es ist das „Setzen der bestimmten Begriffe durch den Begriff selbst.“ (GW 12, S. 53) Das Begreifen des Begriffs ist für Hegel nur als der immanente Prozess der Selbstbestimmung des Begriffs möglich, andernfalls wäre der Begriff nur als ein vorgefundener, äußerlich zusammenhängender Organon zu fassen. Auch Kant verwahrt sich gegen das bloße Sammeln von Begriffen und stellt dem äußerlichen Auffassen vorgefundener Begriffe die Deduktion der reinen Verstandesbegriffe aus einem einheitlichen Prinzip entgegen. Mit dem einheitlichen Prinzip, dem Vermögen zu urteilen, (Vgl. KrV, B 106) sei zugleich gewährleistet, dass die zu bestimmenden Begriffe „selbst nach einem Begriffe, oder Idee, unter sich zusammenhängen müssen.“ (KrV, B 92) Es sei ein und dieselbe Funktion, welche „den verschiedenen Vorstellungen i n e i n e m U r t h e i l e Einheit gibt“ (KrV, B 104) und ebenso „der bloßen Synthesis verschiedene[r] Vorstellungen i n e i n e r A n s c h a u u n g Einheit“ (KrV, B 105) gibt. Die letztere Einheit bezeichnet Kant mit dem allgemeinen Ausdruck des reinen Verstandesbegriffs. Hängen die Funktionen des Urteils dergestalt mit den Funktionen des Verstandes zusammen, müsse es, wie Kant folgert, möglich sein, aus und mit der einen Funktion die andere zu bestimmen. Die Funktionen des Verstandes können also insgesamt gefunden werden, wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollständig darlegen kann. (KrV, B 94)

Die Bestimmung der reinen Verstandesbegriffe müsse sich demnach aus den Funktionen des Urteils entwickeln lassen. Auch für Hegel ist das Urteil eine Funktion des Begriffs, die Fortbestimmung des Begriffs in die Verschiedenheit der Urteile, die von der Funktion des Begriffs als das Bestimmen des Begriffs durch sich selbst unterschieden ist. (Vgl. GW 12, S. 53) Es erstaunt nicht, diese sachliche Analogie zwischen Kant und Hegel im formalen Aufbau der Urteilsbestimmung

1.2 Das Urteil

37

wiederzufinden. Ein Überblick der Urteilstafeln²⁷ verdeutlicht die Übereinstimmungen wie auch die Unterschiede in der Bezeichnung der verschiedenen Urteile. Auf Hegels Begründung der abweichenden Benennung wird in den Abschnitten zu den einzelnen Urteilsformen selbst eingegangen. Die Entwicklung der verschiedenen Urteilsformen auseinander ergibt sich aus der widersprüchlichen Bestimmung des Urteils als die Beziehung seiner Extreme. Wären die beiden Extreme unterschiedslos, so wäre ihre Beziehung aufeinander kein Urteil, keine Vermittlung, sondern eine nichtssagende Tautologie. Der Satz ‘Das Einzelne ist einzeln’ bringt keine Erkenntnis mit sich. Sind die beiden Extreme aber dergestalt voneinander unterschieden, dass eine widerspruchslose Vermittlung nicht möglich wäre, so würde dieses Urteil keine wahre Erkenntnis zum Ausdruck bringen können. In der hegelschen Explikation des Begriffs sind die Momente des Begriffs vermittelst der Rückkehr des Begriffs in sich zu selbständigen Totalitäten geworden. Die Einheit des Begriffs ist die Beziehung dieser selbständigen Totalitäten. Im Urteil fällt der Begriff einerseits auseinander in die selbstständigen Totalitäten seiner Momente, andererseits konstituiert das Urteil die Einheit des Begriffs, indem es die selbständigen Totalitäten aufeinander bezieht. Aber nicht diese Beziehung als solche, sondern die Art dieser Beziehung ist entscheidend für die Bestimmung der Einheit des Begriffs. Nicht jedes Urteil geht auf die wesentliche Bestimmtheit des Begriffs oder ist ein Urteil des Begriffs. „Die Einheit des Begriffs ist daher nur erst eine Beziehung von Selbstständigen; noch nicht die concrete aus dieser Realität in sich zurückgekehrte, erfüllte Einheit“ (GW 12, S. 55). Die erfüllte Einheit des Begriffs ist erst mit dem Resultat der Entwicklung der Urteile im Urteil des Begriffs zu erhalten. Wäre das Ist der Copula, schon gesetzt als jene bestimmte und erfüllte Einheit des Subjects und Prädicats, als ihr Begriff, so wäre es bereits der Schluß. Diese Identität des Begriffs

 KANT

HEGEL

. Quantität der Urteile Allgemeine Besondere Einzelne B. Urteile der Reflexion Singuläre Partikuläre Allgemeine

. Qualität der Urteile Bejahende Verneinende Unendliche A. Urteile des Daseins Positive Negative Unendliche

. Relation der Urteile Kategorische Hypothetische Disjunktive C. Urteile der Notwendigkeit Kategorische Hypothetische Disjunktive

. Modalität der Urteile Problematische Assertorische Apodiktische D. Urteile des Begriffs Assertorische Problematische Apodiktische

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1. Die Subjektivität

wiederherzustellen oder vielmehr zu setzen, ist das Ziel der Bewegung des Urtheils. (GW 12, S. 59)

Gleich sind sich alle Urteile jedoch darin, dass sie die beiden Selbständigen, die Relata ihrer Beziehung enthalten. Was diese Relata sind, lässt sich unabhängig vom sie bestimmenden Urteil nicht sagen. Aus diesem Grund lassen sie sich zunächst nur formal als Subjekt und Prädikat des Urteils benennen. Es ist daher passend und Bedürfniß, für die Urtheilsbestimmungen diese Nahmen, S u b j e c t und P r ä d i c a t , zu haben; als Nahmen sind sie etwas unbestimmtes, das erst noch seine Bestimmung erhalten soll; und mehr als Nahmen sind sie daher nicht. (GW 12, S. 54)

Der Name ist vom Begriff, der die Natur der Sache zum Ausdruck bringen soll, wesentlich unterschieden. Diese Differenz von Name und Begriff findet sich, wie Hegel hervorhebt, im Urteil selbst. Das Subjekt des Urteils ist als das Bestimmte zunächst nur als ein unmittelbar Seiendes, während das Prädikat die allgemeine Bestimmung, den Begriff ausdrückt. So „ist das Subject als solches zunächst nur eine Art von N a h m e n ; denn, w a s es IST, drückt erst das Prädicat aus, welches das S e y n im Sinne des Begriffs enthält.“ (GW 12, S. 54) Dass das Subjekt des Urteils nicht als ein Begriff vorausgesetzt werden muss, sondern mit einem noch zu bestimmenden Bestimmten angefangen werde, ist einleuchtend, sofern das Urteil nicht als eine bloße Abbildung oder Wiederholung bekannter Bestimmungen, sondern als eine Fortbestimmung aufgefasst wird. Das Urteil kann nicht vom Begriff ausgehen und zugleich die Bestimmung des Begriffs zu seiner Funktion haben. Von weitreichenderer Konsequenz als die Unterscheidung von Name und Begriff ist jedoch Hegels Unterscheidung von Satz und Urteil.

1.2.2 Satz und Urteil Die beiden Momente, die Relata des Urteils sind für Hegel zunächst nichts anderes als Subjekt und Prädikat. Aus der Feststellung, dass Subjekt und Prädikat in jedem Urteil enthalten sind, lässt sich jedoch umgekehrt nicht folgern, dass alles, was ein Subjekt und ein Prädikat enthält, auch ein Urteil ist. So enthält ein jeder Satz in grammatischer Hinsicht ein Subjekt und ein Prädikat und dennoch ist nicht jeder Satz zugleich auch ein Urteil. Zu letzterem gehört, dass das Prädicat sich zum Subject nach dem Verhältniß von Begriffsbestimmungen, also als ein allgemeines zu einem besondern oder einzelnen verhalte. Drückt das, was vom einzelnen Subject gesagt wird, selbst nur etwas einzelnes aus, so ist diß ein bloßer Satz. Z. B. Aristoteles ist im 73ten Jahr seines Alters, in dem 4ten Jahr der 115ten

1.2 Das Urteil

39

Olympiade gestorben, – ist ein bloßer Satz, kein Urtheil. Es wäre von letzterem nur dann etwas darin, wenn einer der Umstände, die Zeit des Todes oder das Alter jenes Philosophen in Zweiffel gestellt gewesen, aus irgend einem Grunde aber die angegebenen Zahlen behauptet würden. Denn in diesem Falle, würden dieselben als etwas allgemeines, auch ohne jenen bestimmten Inhalt des Todes des Aristoteles bestehende, mit anderem erfüllte oder auch leere Zeit genommen. (GW 12, S. 55 f.)

Während im Satz Subjekt und Prädikat als jeweils Einzelne aufeinander bezogen werden, hat das Urteil „Begriffsbestimmungen zu seinen Extremen“ (GW 12, S. 61). Ob „A ist B“ einen Satz oder ein Urteil darstellt, hängt nicht von der bloßen Form der Verknüpfung von Subjekt und Prädikat ab, sondern von der entgegengesetzten Bestimmung beider als Einzelnes oder Allgemeines. In jedem Urteil, und das ist für Hegel der entscheidende Unterschied zum Satz, „wird der Satz von diesem bestimmten Inhalt behauptet [Hervorhebung von mir; M.G.]: d a s E i n z e l n e ist a l l g e m e i n“ . ( G W 1 2 , S . 6 1 ) Hegel begnügt sich nicht mit dieser Behauptung, die andere vor ihm als unhintergehbaren Glauben, als belief auffassten. Die Rechtfertigung dieser Behauptung habe sich in der Realisierung des Begriffs zu erweisen. Weil es sich erst im Urteil zeige, was für bestimmte Begriffe es gibt, bezeichnet Hegel das Urteil auch als eine „Realisirung des Begriffs“. (GW 12, S. 53) Der reine Begriff habe die endlichen Formen des Urteils und des Schlusses zu durchlaufen, „weil er noch nicht als an und für sich eins mit der Objectivität gesetzt, sondern erst im Werden zu ihr, begriffen ist.“ (GW 12, S. 129) Von einer Realisierung des Begriffs lässt sich aber nur reden, wie Hegel einschränkend betont, „insofern die Realität das Treten ins Daseyn als bestimmtes Seyn, überhaupt bezeichnet.“ (GW 12, S. 53) Die erste Urteilsform, die Hegel darlegt, ist demgemäß das Urteil des Daseins.

1.2.3 Das Urteil des Daseins Die Unmittelbarkeit, in der das Urteil zunächst erscheine, evoziere seine Bezeichnung als ein Urteil des Daseins. Will Hegel nicht seiner eigenen Kritik verfallen, so kann das Urteil des Daseins jedoch nicht als ein Gegebenes aufgefasst werden. Ebenso wenig wie sich die Begriffe derart zusammenklauben lassen, dass es der Quantität, Qualität etc. nach bestimmte Begriffe gebe, lässt sich das Urteil als ein Vorgefundenes bestimmen. Aufgrund seiner Unmittelbarkeit ist das Urteil des Daseins zwar auch als ein qualitatives zu bezeichnen, jedoch nur insofern als die Qualität nicht nur der Bestimmtheit des Seyns zukommt, sondern auch die abstracte Allgemeinheit darin begriffen ist, die um ihrer Einfachheit willen gleichfalls die Form der Unmittelbarkeit hat. (GW 12, S. 60)

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1. Die Subjektivität

Das Subjekt des Urteil des Daseins ist demnach „ein a b s t r a c t e s , s e y e n d e s E i n z e l n e s “, während das Prädikat desselben „ein abstract allgemeines“, eine unmittelbare, d. h. unvermittelte Eigenschaft desselben ist. (GW 12, S. 59) Die Unmittelbarkeit des Urteils des Daseins hat seinen Grund darin, dass beide Relata, Subjekt und Prädikat gleichermaßen unmittelbar, mithin unvermittelt sind. Ohne Vermittlung der beiden Extreme bleiben auch die Bestimmungen des Urteils statisch. Aus diesem Grund bezeichnet Hegel das Urteil des Daseins selbst als unmittelbar, insofern sich „an ihm noch keine Reflexion und Bewegung der Bestimmungen ergeben hat.“ (GW 12, S. 60) Die Bewegung der Bestimmungen, das Urteil der Reflexion kann aus dem Urteil des Daseins nur hervorgehen, wenn sich dieses als mangelhaft erweist. Die Beziehung der beiden Extreme im Urteil des Daseins erscheint zunächst unmittelbar oder unvermittelt. Eine solche unvermittelte Beziehung von Subjekt und Prädikat komme im positiven Urteil zum Ausdruck. Das positive Urteil sei die Beziehung seiner Relata, ohne in dieser Beziehung eine Vermittlung oder Negation zu enthalten. Unmittelbar vorhanden sind in dieser Beziehung die abstrakten Begriffsbestimmungen der Einzelheit und Allgemeinheit. Der Ausdruck des positiven Urteils sei deshalb nichts anderes als: „Das Einzelne ist Allgemein.“ (GW 12, S. 61) Als Beispiel für diesen reinen Ausdruck des positiven Urteils führt Hegel das Urteil ‘Die Rose ist rot’ an. Das Subjekt des Urteils, die Rose, ist als ein unmittelbar Einzelnes bestimmt, das im Urteil auf ein Allgemeines, die Farbe Rot, bezogen wird. Problematisch ist hierbei allerdings ‘die Rose’ als ein unmittelbar Einzelnes zu bezeichnen. Als ein unmittelbar, also unvermitteltes Einzelnes könnte strenggenommen nur die Rede von einem deiktisch zu bezeichnendem Diesem sein. ‘Die Rose’ umfasst jedoch in sich diese einzelne Rose, auf die sich zeigen lässt, sowie die Rose als Gattungsbegriff. Das unmittelbare Subjekt des Urteils ist demnach schon ein Allgemeines. Hegel spricht davon, dass das Subjekt in dem Urteil ‘Die Rose ist rot’ ein Allgemeines sei, jedoch in einer anderen Hinsicht. Als das Allgemeine gilt ihm hier die Farbe Rot, die mehreren Subjekten und nicht bloß diesem unmittelbar Einzelnem zugesprochen werden kann. Die Verschränkung von Singularität und Allgemeinheit im Einzelnem, im Diesen, thematisiert Hegel erst im Urteil der Reflexion. Im Urteil des Daseins, der Beziehung eines umfangreicheren Prädikates auf ein Einzelnes interessiert Hegel zunächst nur die mit dieser Beziehung einhergehende Unterstellung, dass das unmittelbar Einzelne ein Allgemeines sei. Die Beziehung im positiven Urteil widerspricht somit der Bestimmung seiner Elemente. Vielmehr aber ist ein solches u n m i t t e l b a r e s Einzelnes NICHT allgemein; sein Prädicat ist von weiterem Umfang, es entspricht ihm also nicht. Das Subject ist ein u n m i t t e l b a r für

1.2 Das Urteil

41

sich s e y e n d e s , und daher das G e g e n t h e i l jener Abstraction, der durch Vermittlung gesetzten Allgemeinheit, die von ihm ausgesagt werden sollte. (GW 12, S. 64)

Das Prädikat erscheint als das Allgemeine, sofern es dem Subjekt eine Bestimmung zuspricht, die nicht allein diesem unmittelbar Einzelnen zukommt, sondern einer Vielheit von Subjekten. So ist die Farbe Rot nicht ausschließlich dem unmittelbar einzelnen Subjekt, der Rose, zuzusprechen, vielmehr inhäriert das Prädikat einer Vielheit von Subjekten. In dem Urteil ‘Das Einzelne ist allgemein’, wird das Subjekt des Urteils als eines unter vielen Subjekten aufgefasst, denen dasselbe allgemeine Prädikat gemeinschaftlich zukommt. Für das einzelne Subjekt selber drückt das allgemeine Prädikat hingegen nur eine einzelne Bestimmung aus. Das Prädikat ist daher für das konkrete Subjekt nur „ein abstracteinzelnes.“ (GW 12, S. 62) Die inhaltliche Bestimmung des Subjekts durch das Prädikat kann nur eine einzelne sein. So bestimmt im positiven Urteil das Prädikat, um Hegels Beispiel zu bemühen, die Rose als wohlriechend, ohne jedoch auf die Mannigfaltigkeit aller weiteren Eigenschaften der Rose zu verweisen. Der bloßen Form nach wird das Subjekt des positiven Urteils, das unmittelbar Einzelne, als ein allgemeines bestimmt: ‘Das Einzelne ist allgemein’, oder: ‘Die Rose ist rot’. Dem Inhalt nach betrachtet gibt das Prädikat im positiven Urteil dem Subjekt nur eine einzelne Bestimmung: ‘Die Rose ist wohlriechend’. Wird das Urteil seinem Inhalt nach betrachtet als der Satz: Das Allgemeine ist einzeln, dann ist das Subjekt ein Allgemeines von Eigenschaften. „Ein solches Subject ist daher vielmehr nicht eine e i n z e l n e solche Eigenschaft, als sein Prädicat aussagt.“ (GW 12, S. 64) So widerspricht sich das positive Urteil nicht nur der Form nach, sondern auch sofern es seinem Inhalt nach genommen wird. ‘Das Einzelne ist allgemein’ und ‘Das Allgemeine ist einzeln’ sind die beiden Möglichkeiten der Beziehung der beiden Extreme des positiven Urteils. Beide Extreme des positiven Urteils, das Einzelne und das Allgemeine, erscheinen in ihrer unmittelbaren Beziehung selbst als ihr Anderes. So wird das unmittelbar Einzelne zu einem Allgemeinen, sofern das Prädikat nur eine einzelne Qualität der Vielheit seiner Eigenschaften zu bestimmen vermag. Umgekehrt wird das allgemeine Prädikat in seiner Beziehung auf das Subjekt zu einer spezifischen Bestimmung des Subjekts, zum Ausdruck einer einzelnen Eigenschaft, die dem Subjekt unter anderen Eigenschaften zukommt. Die unmittelbare Beziehung des unmittelbar Einzelnem und des abstrakten Allgemeinen verläuft sich in einen Widerspruch. In ihrer Unmittelbarkeit lassen sich das Einzelne und das Allgemeine nicht miteinander

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1. Die Subjektivität

vermitteln.²⁸ Beide Sätze, der Satz der Form des Urteils: ‘Das Einzelne ist allgemein’, sowie der Satz des Inhalts des Urteils: ‘Das Allgemeine ist einzeln’, widersprechen sich. „Beyde Sätze müssen daher v e r n e i n t werden, und das positive Urtheil vielmehr als n e g a t i v e s gesetzt werden.“ (GW 12, S. 64) Das Allgemeine ist demnach nicht einzeln und das Einzelne ist nicht allgemein. Die Negation der beiden Sätze des positiven Urteils bezieht sich aber nicht auf das positive Urteil überhaupt, sondern auf die in ihm ausgedrückte Bestimmung. Das negative Urteil ist keine „totale Negation“, es „ist daher wesentlich noch positiv“. (GW 12, S. 67) So ist die Rose zwar nicht rot, aber trotz der Negation nicht bar jeder Farbe. In diesem Sinne, dass die Rose, wenn sie auch nicht rot ist, so doch eine Farbe hat, ist das negative Urteil „wesentlich noch positiv“. (GW 12, S. 67) Das Subject als das zu Grunde liegende Unmittelbare bleibt unberührt von der Negation, es behält also seine Bestimmung, ein Prädicat zu haben, oder seine Beziehung auf die Allgemeinheit.Was daher negirt wird, ist nicht die Allgemeinheit überhaupt im Prädicate, sondern die Abstraction oder die Bestimmtheit desselben, welche gegen jene Allgemeinheit als I n h a l t erschien. (GW 12, S. 67)

Die beiden Sätze des positiven Urteils, ‘Das Allgemeine ist einzeln’ und ‘Das Einzelne ist allgemein’, sollen im negativen Urteil in dem Satz ‘Das Allgemeine ist ein Besonderes’ zusammengebracht werden. Mit dieser Vermittlung des Einzelnen und des Allgemeinen soll das Desiderat des positiven Urteils aufgehoben werden. Diesen Übergang vom positiven zum negativen Urteil bezeichnet Hegel auch als „Uebergang von der Form der Beziehung zur Form der Bestimmung“. (GW 12, 66) Der von Hegel kritisierte Mangel des positiven Urteils findet seinen Ausdruck auch darin, dass dem positiven Urteil, der bloßen Form der Beziehung, keine Wahrheit zugesprochen werden könne. In den ‘gewöhnlichen’ Abhandlungen der Logik wird unterstellt, dass allein der Inhalt zum Kriterium einer wahren Aussage werden könne. Ein solcher Inhalt wird aber nicht zum Gegenstand logischer Untersuchungen. Die „logische Wahrheit“ (GW 12, S. 64) betreffe nach dieser Vorstellung allein die Form der Urteile und fordere nichts weiter als ihre logische Konsistenz. Zur Form des Urtheils selbst wird nichts gerechnet, als dass es die Beziehung z w e y e r Begriffe sey. Es hat sich aber ergeben, dass diese beyde Begriffe nicht bloß die verhältnißlose Bestimmung einer A n z a h l haben, sondern als E i n z e l n e s und A l l g e m e i n e s sich verhalten. Diese Bestimmungen machen den wahrhaft logischen I n h a l t , und zwar in dieser Abstraction den Inhalt des positiven Urtheils aus; was für a n d e r e r I n h a l t (die Sonne ist

 Vgl. GW 12, S. 63: „Einzelheit und Allgemeinheit können noch nicht in die Besonderheit vereinigt werden, weil sie im positiven Urtheile noch als u n m i t t e l b a r e gesetzt sind.“

1.2 Das Urteil

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rund, Cicero war ein großer Redner in Rom, jetzt ists Tag u.s.f) in einem Urtheil vorkommt, geht das Urtheil als solches nichts an. (GW 12, S. 64)

Die Beziehung von Einzelnem und Allgemeinem macht den logischen Inhalt des positiven Urteils aus. Insofern diese Beziehung es nicht vermag, die beiden Extreme zu vermitteln, sondern vielmehr sich in Widersprüche verwickelt, widerspricht der logische Inhalt der Form und genügt somit dem Kriterium der Wahrheit nicht. Das positive Urtheil hat alsdenn durch seine Form als positives Urtheil keine Wahrheit; wer die R i c h t i g k e i t einer A n s c h a u u n g oder W a h r n e h m u n g , die Uebereinstimmung der Vo r s t e l l u n g mit dem Gegenstand, W a h r h e i t nennte, hat wenigstens keinen Ausdruck mehr für dasjenige, was Gegenstand und Zweck der Philosophie [Hervorhebung von mir; M.G.] ist. Man müßte den letztern wenigstens Vernunftwahrheit nennen, und man wird wohl zugeben, dass solche Urtheile, dass Cicero ein großer Redner gewesen, dass es itzt Tag ist u.s.f. keine Vernunftwahrheiten sind. Aber sie sind diß nicht, nicht weil sie gleichsam zufällig einen empirischen Inhalt haben, sondern weil sie nur positive Urtheile sind, die keinen andern Inhalt als ein unmittelbar Einzelnes und eine abstracte Bestimmtheit zum Inhalte haben können und sollen. (GW 12, S. 65)

Die Form selbst ist der Inhalt logischer Untersuchungen. Nur indem die Form zum Inhalt der logischen Untersuchung wird, lässt sich der Anspruch auf die Wahrheit einer logischen Untersuchung geltend machen. Die Wahrheit des positiven Urteils soll im negativen Urteil liegen. Die bloße Richtigkeit eines positiven Urteils ist auch ohne die Beziehung auf ein negatives Urteil möglich. Diese Richtigkeit oder die Verstandeswahrheit ist einerseits durch die Form des Urteils bedingt, andererseits aber unabhängig von der Form des Urteils. Bedingt ist die bloße Richtigkeit des positiven Urteils durch seine Form, insofern sich aus der unmittelbaren Beziehung von Einzelnem und Allgemeinem keine konsistente Übereinstimmung, wie sie das Kriterium der Wahrheit fordert, ergeben kann. Dass das positive Urteil nicht mehr als die Richtigkeit zum Ausdruck bringen kann, ist somit die Folge seiner mangelhaften Form. Unabhängig von der Form des positiven Urteils ist seine Richtigkeit, insofern die Übereinstimmung selbst, die die Richtigkeit zum Ausdruck bringt, z. B. dass Cicero ein großer Redner war, ihren Grund nicht in der formalen Bestimmung des Urteils hat. Die Wahrheit des positiven Urteils ist zugleich der Mangel des negativen Urteils. Im negativen Urteil erfolgt die Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem durch das Besondere. Positiv ausgedrückt lautet das negative Urteil: ‘Das Einzelne ist ein Besonderes’. Der Rose als Subjekt des negativen Urteils kommt zwar nicht das allgemeine Prädikat rot zu, dennoch wird ihr die Bestimmtheit überhaupt durch eine spezifische Farbe nicht abgesprochen. Welche Farbe die Rose hat, geht aus dem negativen Urteil nicht hervor. Die Farbe

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1. Die Subjektivität

der Rose ist ein unbestimmt Bestimmtes, ein Besonderes. Im negativen Urteil ist das Einzelne dementsprechend ein Besonderes. „Aber das Einzelne ist auch nicht besonderes; denn die Besonderheit ist von weiterem Umfange als die Einzelheit; sie ist also ein Prädicat das dem Subject nicht entspricht, in dem es also seine Wahrheit noch nicht hat.“ (GW 12, S. 68) So wie sich das Einzelne und das Allgemeine nicht widerspruchslos im Urteil vereinigen lassen, lässt sich das Einzelne auch nicht mit dem Besonderen vermitteln. Die Rose hat nicht irgendeine Farbe, sondern eine bestimmte Farbe. „Das Einzelne ist nicht ein unbestimmt bestimmtes, sondern das bestimmte Bestimmte.“ (GW 12, S. 68) Die Konsequenz dieser Argumentation ist, dass das Einzelne sich nur als ein Einzelnes und anhand von Einzelnem bestimmen lässt. Das Urteil des Daseins fällt dann in die Tautologie des ‘Das Einzelne ist einzeln’. Das andere Extrem, ‘Das Allgemeine ist das Allgemeine’, ergibt sich, sobald man das Subjekt in der Allgemeinheit seiner Bestimmungen betrachtet. Das Subjekt umfasst alle seine Eigenschaften und nicht bloß die aktual prädizierte Eigenschaft. Das Subjekt des Urteils, das Allgemeine seiner Eigenschaften, ist dann nicht ein Besonderes, sondern ein Allgemeines. Die Wahrheit des Urteils scheint nichts anderes als die Beziehung des Subjekts auf sich selbst zu fordern. Wenn „keine positive Beziehung mehr zwischen ihm [dem Prädikat; M.G.] und dem Subject“ (GW 12, S. 69) vorhanden ist, ist das Urteil ein unendliches. Das unendliche Urteil lässt sich in ein positiv unendliches und in ein negativ unendliches Urteil unterscheiden. Das positiv unendliche Urteil kommt über die Behauptung der Identität des Subjekts des Urteils nicht hinaus. Dass das Einzelne einzeln und dass das Allgemeine ein allgemeines ist, ist eine Bestimmung, die dem Urteil vorausgeht, aber keine Bestimmung, die Resultat des Urteils wäre. Insofern das positiv unendliche Urteil keine Bestimmung des Subjekts ist, ist es kein Urteil. Das negativ unendliche Urteil hingegen enthält zwar eine Bestimmung, die aber wegen der Beziehungslosigkeit von Subjekt und Prädikat, keine Bestimmung des Subjekts sein kann.Während das negative Urteil, ‘Die Rose ist nicht rot’, noch die Beziehung von Subjekt und Prädikat in der Sphäre der Farbbestimmung enthält, ist im negativ unendlichen Urteil, ‘Der Geist ist nicht rot’, keine Beziehung zwischen Subjekt und Prädikat vorhanden. Durch diese Reflexion der Urtheilsbestimmungen in sich, hat nun sich das Urtheil aufgehoben; im negativ-unendlichen Urtheil ist der Unterschied, so zu sagen, zu groß, als dass es noch ein Urtheil bliebe; Subject und Prädicat haben gar keine positive Beziehung aufeinander; im Gegentheil ist im positiv-unendlichen nur die Identität vorhanden, und es ist wegen des ganz ermangelnden Unterschiedes kein Urtheil mehr. (GW 12, S. 70)

Die Aufgabe des Urteils des Daseins ist es, in einem Urteil zu bestimmen, was ein Einzelnes ist. Die Bestimmung des unmittelbar Einzelnen im Urteil hat sich jedoch als mangelhaft gezeigt.Was das Einzelne in Wahrheit ist, lässt sich vermittelst des

1.2 Das Urteil

45

Urteils des Daseins nicht bestimmen. Mit dieser Kritik scheint jede weitere Untersuchung der Formen des Urteils obsolet geworden. Dennoch führt Hegel seine Untersuchung fort. Soll dieses Festhalten am Programm der Untersuchung nicht bloß äußerlich motiviert sein, muss sich aufzeigen lassen, dass die Kritik am Urteil des Daseins nicht zum Verwerfen einer Urteilslehre schlechthin führen muss. In den qualitativen Urteilen des Daseins soll bestimmt werden, was das Einzelne ist. Dieses Einzelne ist also dasjenige, was bestimmt werden soll. Gleichzeitig muss dieses im Urteil zu Bestimmende als Subjekt des Urteils vorausgesetzt werden. Ohne Subjekt ist das Urteil ein Urteil von nichts, mithin kein Urteil. So ist dasjenige, was erst im Resultat des Urteils bestimmt sein soll, dem Urteil selbst vorauszusetzen. Was dieses Subjekt ist, lässt sich unmittelbar nicht angeben. Aus diesem Grund ist das Subjekt des Urteils, wie eingangs des Kapitels dargelegt, zunächst nur zu bezeichnen. Eben dies, dass das Subjekt des Urteils des Daseins bloß ein Benanntes ist, macht den Mangel des Urteils aus. Auf der Grundlage eines bloß Benannten lässt sich in keinem Urteil bestimmen, was das Einzelne seinem Wesen nach ist. Die qualitativen Urteile können zwar richtig, aber nicht wahr sein. Der Grund hierfür liegt aber nicht in der Kontingenz des empirischen Inhalts der Urteile, sondern in der mangelhaften Form der qualitativen Urteile.

1.2.4 Das Urteil der Reflexion Das unmittelbare Subjekt des Urteils, das Einzelne, erfährt im qualitativen Urteil des Daseins keine Bestimmung, die seinem Wesen entspräche. So spricht Hegel in dieser Sphäre des Urteils auch bloß von der Richtigkeit, nicht aber von der Wahrheit des Urteils. Die Wahrheit des Urteils scheint, wie schon oben angedeutet, nichts anderes als die Beziehung des Subjekts auf sich selbst zu fordern. In der Darstellung Hegels zeigt sich demgemäß die Entsprechung, die Adäquation, zwischen Begriff und Gegenstand, bzw. Subjekt des Urteils und der ihm „naturgemäß“ zukommenden Eigenschaft, zunächst als allein in der Reflexion oder Selbstbezüglichkeit des Subjekts des Urteils, i. e. in seiner Identität, denkbar zu sein. Diese Beziehung des Subjekts, des Einzelnen auf sich selbst sucht Hegel im Urteil der Reflexion zu entwickeln. Dabei wird deutlich, dass die gesuchte Identität des Subjekts, des Einzelnen, „allein durch die Beziehung Unterschiedener“ (GW 12, S. 71) zu bewerkstelligen ist. Es sei diese Beziehung Unterschiedener, welche die Allgemeinheit als Allgemeines setze. Im Resultat soll sich erweisen, dass das Subjekt weder als Singuläres, noch als Partikuläres, sondern nur in der Allgemeinheit (Universalität) seiner Merkmale wesensgemäß zu bestimmen ist. Diese im Reflexionsurteil zum Ausdruck kommende Wesentlichkeit ist aber, wie Hegel einschränkt, keine absolute Bestimmung, sondern „eine Bestimmung im

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1. Die Subjektivität

Ve r h ä l t n i s s e , oder eine z u s a m m e n f a s s e n d e Allgemeinheit“. (GW 12, S. 71) Die im Urteil der Reflexion erreichte Allgemeinheit ist die Universalität einer Bestimmung, die allen Einzelnen zukommt und insofern abhängig ist von der Existenz dieser Einzelnen für die Reflexion. Inwiefern im Rahmen einer solchen Universalität von der Wahrheit eines Urteils gesprochen werden kann, muss sich jedoch erst erweisen. Das Urteil der Reflexion bestimmt Hegel auch als quantitatives Urteil. Im Unterschied zum qualitativen Urteil ist die Unmittelbarkeit nunmehr aufgehoben und das Subjekt bar jeglicher bestimmter Qualitäten. Die Rose ist nicht mehr rot, sondern diese einzelne Rose. Das Subjekt des Urteils ist somit „ein Einzelnes als solches“. (GW 12, S. 71) Ein Einzelner als solcher wäre z. B. Cajus.²⁹ Das Einzelne ist demnach kein Unmittelbares mehr, sondern ein durch seine Singularität bestimmtes oder vermitteltes Dieses. Die Bestimmung des Subjektes durch seine Singularität genügt der aus dem qualitativen Urteil folgenden Forderung der Beziehung des Subjektes auf sich selbst, um sich seinem Wesen gemäß zu bestimmen. Dass das Hinausgehen des Einzelnen aus seiner Singularität zu seiner wesensgemäßen, allgemeinen Bestimmung nicht unproblematisch ist, ist Hegel nicht entgangen. Im singulären Urteil soll das vorausgesetzte Einzelne als ein Allgemeines bestimmt werden: „Dieses ist ein wesentlich allgemeines.“ (GW 12, S. 72) Die Unvereinbarkeit von Singulärem und Allgemeinem durch die Reflexion findet ihren Ausdruck in der negativen Form des singulären Urteils: „Nicht ein Dieses ist ein Allgemeines der Reflexion“. (GW 12, S. 72 f.) Als ein Allgemeines der Reflexion kann nur etwas fungieren, was über die bloße Einzelnheit hinaus ist, i. e. die Besonderheit. Die Besonderheit hat ihre Existenz nicht an einem Einzelnen, sondern an mehreren Einzelnen und ist insofern von einer „allgemeineren“ Natur. In dieser Verbindung mehrerer Einzelner liege die Vermittlung zwischen der wesentlichen Einzelheit und der in ihr zum Ausdruck kommenden Allgemeinheit begründet. Das Einzelne sei darum im partikulären Urteil aufgehoben als „eine Erweiterung desselben in äußerer Reflexion“. (GW 12, S. 73) Das partikuläre Urteil lautet: „Einige Einzelne sind ein allgemeines der Reflexion“. (GW 12, S. 73) Eine quantitativ bestimmbare Mehrzahl Einzelner lässt sich, im Gegensatz zum Singulären, als ein Allgemeines bestimmen. Diese Allgemeinheit ist die Allheit aller betroffenen Einzelnen, aber keine Totalität aller möglichen Einzelnen. Das partikuläre Urteil ist insofern ein universelles Urteil, da es sich auf die Allheit der unter ihm subsumierten Einzelnen bezieht. „Diese Allgemeinheit ist daher nur ein Zusammenfassen der für sich bestehenden Einzelnen; sie ist eine Gemeinschaftlichkeit, welche ihnen nur in der Vergleichung zukommt.“ (GW 12, S. 74) Die im

 Vgl. GW 12, S. 73: „Cajus soll ein Einzelner als solcher sein.“

1.2 Das Urteil

47

Urteil der Reflexion zustande kommende Allgemeinheit ist demnach von bloß komparativer Natur.³⁰ Die Einzelnen bleiben in dieser ihnen äußerlichen Zusammenfassung unverändert, das Allgemeine ist das allen Einzelnen zufällig Gemeinschaftliche. Das von Hegel angeführte Modell dieser kontingenten Zusammenfassung ist die empirische Allgemeinheit qua Allheit. Im empirischen Verständnis der Allgemeinheit werden alle der Erfahrung zugänglichen Einzelnen zu einer Allheit bestimmt, unter die sie sich umgekehrt subsumieren lassen. Diese Subsumtion einer bestimmbaren Menge Einzelner unter eine Allgemeinheit ist konstitutiv für empirisch allgemeine Sätze. Ein empirisch-allgemeiner Satz, denn es werden deren doch aufgestellt, beruht nun auf der stillschweigenden Uebereinkunft, dass wenn nur keine Instanz des Gegentheils angeführt werden könne, die Mehrheit von Fällen für Allheit gelten solle; oder dass die subjective Allheit, nemlich, die zur Kenntniß gekommenen Fälle, für eine objective Allheit genommen werden dürfe. (GW 12, S. 75)

Der Nachweis der Gültigkeit empirisch-allgemeiner Sätze kann, wie Karl Popper ausführlich dargelegt hat, mit Hilfe des Prinzips der Falsifikation erfolgen. Die aus der Feststellung der endlichen Reichweite empirischer Sätze gefolgerte Konsequenz für den Wissenschaftsbegriff sieht bei Popper jedoch ganz anders aus als bei Hegel. Während es für Hegel gilt den Mangel empirisch-allgemeiner Sätze aufzuheben, konstatiert Popper eine notwendige Relativität der Geltung wissenschaftlicher Aussagen.³¹

 Zu Urteilen komparativer Natur vgl. Kant: „Aus einem Erfahrungssatze Nothwendigkeit (ex pumice aquam) auspressen wollen, mit dieser auch wahre Allgemeinheit (ohne welche kein Vernunftschluß, mithin auch nicht der Schluss aus der Analogie, welche eine wenigstens präsumirte Allgemeinheit und objective Nothwendigkeit ist und diese also doch immer voraussetzt) einem Urtheile verschaffen wollen, ist gerader Widerspruch. Subjective Nothwendigkeit, d.i. Gewohnheit, statt der objectiven, die nur in Urtheilen a priori stattfindet, unterschieben, heißt der Vernunft das Vermögen absprechen, über den Gegenstand zu urtheilen, d.i. ihn, und was ihm zukomme, zu erkennen, und z. B. von dem, was öfters und immer auf einen gewissen vorhergehenden Zustand folgte, nicht sagen, daß man aus diesem auf jenes schließen könne (denn das würde objective Nothwendigkeit und Begriff von einer Verbindung a priori bedeuten), sondern nur ähnliche Fälle (mit den Thieren auf ähnliche Art) erwarten dürfe, d.i. den Begriff der Ursache im Grunde als falsch und bloßen Gedankenbetrug verwerfen.“ (AA V, S. 12).  „So ist die empirische Basis der objektiven Wissenschaft nichts „Absolutes“; die Wissenschaft baut nicht auf Felsengrund. Es ist eher ein Sumpfland, über dem sich die kühne Konstruktion ihrer Theorien erhebt; sie ist ein Pfeilerbau, dessen Pfeiler sich von oben her in den Sumpf senken – aber nicht bis zu einem natürlichen, gegebenen Grund. Denn nicht deshalb hört man auf, die Pfeiler tiefer hineinzutreiben, weil man auf eine feste Schicht gestoßen ist: wenn man hofft, daß sie das Gebäude tragen werden, beschließt man, sich vorläufig mit der Festigkeit der Pfeiler zu begnügen.“ (Popper 1935, S. 88). Vgl. Stekeler-Weithofer 2009.

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1. Die Subjektivität

Mit dem Urteil der Reflexion wird die „Allgemeinheit des Begriffs“ (GW 12, S. 75) angestrebt, die aber als ein Jenseits solange erhalten bleibt wie die Allgemeinheit als bloße Allheit, als eine Klasse von Einzelnen, aufgefasst wird. Soll der Mangel empirisch-allgemeiner Sätze aufgehoben werden, muss der Begriff der Allgemeinheit als kategorisches An- und Fürsichsein des Einzelnen bestimmt werden. Die damit geforderte Einheit von Einzelnem und Allgemeinheit ist jedoch über die rein äußerlich die Einzelnen zusammenfassende Reflexion nicht möglich. Die empirische Allgemeinheit fasst die Einzelnen als unmittelbar der Reflexion vorausgesetzt auf. Die Einzelnen werden somit vorgefunden und rein äußerlich durch die Reflexion zusammengefasst. Weil aber das Einzelne als Dieses schlechthin gleichgültig gegen diese Reflexion ist, so können sich die Allgemeinheit und solches Einzelne nicht zu einer Einheit vereinigen. Die empirische Allheit bleibt darum eine Aufgabe; ein Sollen (GW 12, S. 75).

Als ein solches ist es stets falsifizierbar. Die Reflexion, „welche die Einzelheit zur Allheit erweitert“ (GW 12, S. 76), soll im Resultat nicht der Einzelnheit äußerlich sein, sondern durch die Reflexion soll das Einzelne für sich werden, was es an sich schon ist. Das Einzelne zu Beginn des Urteils der Reflexion ist kein Unmittelbares wie im Urteil des Daseins, sondern die erste Bestimmtheit ist das Ansich der Einzelnheit. Was sie an sich ist, „ist nun durch die Bewegung des Reflexionsurtheils gesetzt, nemlich die Einzelnheit als identische Beziehung des Bestimmten auf sich selbst.“ (GW 12, S. 76) Die im Urteil zum Ausdruck kommende Bestimmung des Subjekts ist sodann von substantieller Art und nicht mehr „eine Wesentlichkeit“ als „eine Bestimmung im Verhältnisse“. (GW 12, S. 71) Wenn die Reflexion des Subjekts des Urteils auf sich ein wahres Urteil zum Resultat haben soll, so muss in ihm die wahre, wesensgemäße Bestimmung des Subjekts zum Ausdruck kommen. Die wesensgemäße Bestimmung des einzelnen Subjekts sieht Hegel durch die dem Einzelnen zukommende Gattungsbestimmtheit gegeben. Das Einzelne ist somit wesentlich ein Allgemeines qua seiner Gattungszugehörigkeit.³² Anders als im positiven Urteil, das dem Subjekt eine von vielen möglichen Prädikaten zuspricht, z. B. dass die Rose rot ist, müsse das universelle Urteil dem Subjekt eine ihm wesentliche, gattungsspezifische Eigenschaft zusprechen, z. B. dass die Rose – wie alle anderen Rosen (als Rosen) auch – pflanzlicher Natur ist. „Was Allen Einzeln einer Gattung zukommt, kommt durch ihre Natur, der Gattung zu“. (GW 12, S. 77) Die Allheit wird dann als ein kategorisches An- und Fürsichsein begriffen. Nicht die empirische Allgemeinheit, sondern die in der Gattungszuge-

 Dass an dieser Stelle die Gattung nicht als biologischer Begriff verwendet wird, sollte evident sein.

1.2 Das Urteil

49

hörigkeit zum Ausdruck kommende objektive Allgemeinheit hält Hegel als Resultat des Urteils der Reflexion und als Ausgangspunkt für das sich in der Darstellung Hegels anschließende Urteil der Notwendigkeit fest. Mit dem Erreichen der objektiven Allgemeinheit kehrt sich, so Hegels Argumentation, das Verhältnis von Subjekt und Prädikat um. (Vgl. GW 12, S. 76) Das Prädikat ist nicht länger das zu Grunde liegende, dem sich das Subjekt anzupassen habe, vielmehr seien Subjekt und Prädikat „in die Copula zusammengegangen“. (GW 12, S. 77) Diese Identität³³ von Subjekt und Prädikat sei die an und für sich seiende Natur eines Dinges oder die Gattung. „Das Subject hat insofern die Formbestimmung des Reflexionsurtheils, welche vom Diesen durch Einiges zur Allheit hindurchging, abgestreift; statt Alle Menschen ist nunmehr zu sagen: der Mensch.“ (GW 12, S. 76) Bezogen auf die traditionelle Bestimmung des Menschen als einem vernunftbegabten Sinnenwesen bedeutet dies, dass zwar nicht ‚alle Menschen‘ vernunftbegabt sind, hingegen aber ‚der Mensch‘, wie er an und für sich bestimmt ist, vernunftbegabt ist.³⁴

1.2.5 Das Urteil der Notwendigkeit, oder: Das logische Verhältnis von Gattung und Art Die Grundlage für das Urteil der Notwendigkeit sieht Hegel mit der an- und fürsichseienden oder objektiven Allgemeinheit gegeben. Die in ihr gesetzten Bestimmungen sind nicht zufällig, sondern notwendig. Was dem Menschen als solchem zukommt, kann, so die explizite Forderung an die objektive Allgemeinheit, keine zufällige oder dem Menschen äußerliche Bestimmung sein. Damit scheidet explizit auch eine Bestimmung per Konvention, wie sie in einigen sprachphilosophischen Ansätzen nahegelegt wird, aus. Die Notwendigkeit ihrer Bestimmungen erscheint in der objektiven Allgemeinheit als gesetzt. Diese Setzung erfolge durch die Relation³⁵ ihrer Elemente. Dieses besondere Verhältnis führt Hegel als die logische Relation von Art und Gattung ein; die im Urteil der Notwendigkeit gesetzte Allgemeinheit sei „als Gattung und Art bestimmt.“ (GW 12, S. 77) Beide, Art und Gattung, seien dergestalt aufeinander bezogen, dass sie ihre Bestimmung nur im wechselseitigen Verhältnis zueinander erhalten können: „sie ist Gattung, nur insofern sie Arten unter sich begreift; die Art ist Art nur, inso-

 Vgl. Ploucquet 1773, S. 105: „In der Vergleichung des Subjektes mit dem Prädikat verstehen wir entweder ihre Identität oder Verschiedenheit.“  Dessen ungeachtet bleibt die Frage, wer denn ‚alle‘ sei, in der aktuellen Debatte um die Anerkennung von moralisch zu berücksichtigenden Subjekten auch weiterhin umstritten.  Hegels Urteil der Notwendigkeit entspricht dem Urteil der Relation bei Kant.

50

1. Die Subjektivität

fern sie einerseits in Einzelnen existirt, andererseits in der Gattung eine höhere Allgemeinheit ist.“ (GW 12, S. 77 f.) In dieser Notwendigkeit der Beziehung aufeinander sind Art und Gattung als Relata bestimmt. Diese Bestimmung erscheint aufgrund der notwendigen, wechselseitigen Beziehung von Art und Gattung als gesetzt. In eben dieser Setzung manifestiert sich die Subjektivität des sich bestimmenden Begriffes. Mit der Einführung der objektiven Allgemeinheit ist demnach mitnichten die Sphäre der Subjektivität verlassen.Vielmehr sucht Hegel durch die Einführung der objektiven Allgemeinheit „das absolute Urtheil über alle Wirklichkeit“ (GW 12, S. 88) zu entwickeln. Die Urteile der Notwendigkeit vermögen zwar ihren Gegenstand als objektive Allgemeinheit aufzufassen, doch noch ist die objektive Allgemeinheit ohne Beziehung auf den Begriff vorhanden. Erst das Urteil des Begriffs soll sich als „wahrhaft objectiv“ (GW 12, S. 88) und damit als Wahrheit des Urteils erweisen. Das notwendige Verhältnis von Allgemeinem (Gattung), Besonderem (Art) und Einzelnem (Individuum) expliziert Hegel anhand des kategorischen, des hypothetischen und des disjunktiven Urteils. Die Unterscheidung der Urteile der Notwendigkeit in kategorische, hypothetische und disjunktive hat für Hegel keine bloß grammatische Bedeutung.³⁶ Er nimmt sie aus der Tradition auf, aber nicht ohne ihren Bestimmungen auf den Grund gehen zu wollen. Der nicht zu unterschätzende Verdienst der Urteile der Notwendigkeit ist für Hegel, dass in ihnen der Gegenstand in seiner objektiven Allgemeinheit betrachtet wird. (Vgl. GW 12, S. 84) Ihr Mangel liegt in der fehlenden Beziehung auf den Begriff, den das Urteil des Begriffs beheben soll. Im Kontext der notwendigen, wechselseitigen Beziehung von Art und Gattung sind auch die Verhältnisse von Subsumtion resp. Subordination und Inhärenz zu betrachten. Einerseits erscheint eine hierarchische Ordnung von Arten unter den ihnen höheren Gattungen notwendig zu sein, andererseits erscheinen alle spezifischen Differenzen der verschiedenen Arten als in der entsprechenden Gattung zumindest implizit enthalten.³⁷ Im Kern thematisiert Hegel mit den Urteilen der Notwendigkeit die Problematik der logischen Division³⁸ des Begriffs. Anders als

 Vgl. Frege 1879, § 4: „Die Unterscheidung der Urteile in kategorische, hypothetische und disjunktive scheint mir nur grammatische Bedeutung zu haben.“  Vgl. Schäfer 2006, S. 62: „Hegels Theorie der objektiven Allgemeinheit bzw. der Gattungsallgemeinheit widerspricht also der traditionellen Lehre von der Reziprozität von Inhalt und Umfang der Begriffe und dem Verhältnis von Gattung und Art; denn nach Hegel hat der allgemeinere Gattungsbegriff nicht weniger spezifische Merkmale, Besonderheiten als die Arten.“  Zur divisio in der Botanik vgl. Kützing 1852, S. 3: „Die Art (species) wird als die niedrigste Kategorie im System angesehen; die Abtheilung (divisio) als die höchste. Das ist Alles, was man über den Werth der Kategorien im System sagen kann.“

1.2 Das Urteil

51

bei der partitio, dessen Zweck die Einteilung des Inhalts eines Begriffs in seine Merkmale ist, geht es in der Einteilung per divisio um die Einteilung des Umfangs eines Begriffs, um die Zerlegung der Gattung in Arten. „Die Gattung theilt sich“ (GW 12, S. 77). Insofern diese Teilung der Gattung durch sie selbst erfolgt, der Einteilungsgrund, das principium dividendi, in ihr selbst liegt,³⁹ lässt sich diese Teilung in Anlehnung an Hölderlins etymologische Deutung auch als eine Urteilung verstehen. Das Urteil der Notwendigkeit wäre demnach das Ur-teil, die Urteilung der Gattung in seine Arten. Die Notwendigkeit der Urteile besteht in nichts anderem als den sich daraus ergebenden Verhältnissen. Diese Verhältnisse sind (1) beim kategorischen Urteil „die substantielle Identität des Subjects und Prädicats“ (GW 12, S. 78)⁴⁰, z. B. die Rose ist eine Pflanze,⁴¹ (2) beim hypothetischen Urteil „der Zusammenhang von unmittelbaren Bestimmtheiten“ (GW 12, S. 79), der der Existenz nach notwendige Zusammenhang zwischen dem Allgemeinem, der Gattung und dem Besonderen, den Arten, denn wenn das Allgemeine (A) ist, dann ist notwendigerweise auch das Besondere (B). (3) Beim disjunktiven Urteil erscheint das notwendige Verhältnis als die Identität des Besonderen mit dem Allgemeinen, d.i. die Totalität der Besonderungen der Gattung. Ein besonderes Kennzeichen der divisio ist, dass jedes Glied sämtliche Merkmale des eigentlichen Begriffs enthält, d. h. jedes einzelne Glied enthält das Wesen des Ganzen. Eben hierin liegt, wie im Folgenden noch darzulegen ist, der Grund für Hegels Wertschätzung der vergleichenden Anatomie, die beansprucht, aus einem einzigen Knochen auf das Wesen des ganzen Tieres schließen zu können. Das Ideal der Einteilung ist die Klassifikation, die wie z. B. in der Zoologie auf ein System ihrer Gegenstände abzielt. Das Entweder Oder des disjunktiven Urteils ist das logische Prinzip zur Bestimmung eines solchen Systems, einer Totalität, es ist die „Nothwendigkeit des Begriffs“ (GW 12, S. 80).

 Die objektive Allgemeinheit hat den Unterschied ihrer Bestimmungen als „Princip in sich selbst“. (GW 12, S. 77)  Der Charakter der Wesensbestimmung ist dem Gattungsbegriff traditionell eigen. Erst mit der modernen Logik wird das logisch-ontologische Verhältnis vollständig in ein mathematisches Verhältnis von Klassen aufgelöst, in dem die Gattung definiert ist als eine Klasse G, deren echte Teilklassen A1, A2, … An sind. Jede der Teilklassen ist wiederum eine Art der Gattung.  Dasjenige, was vom Subjekt des kategorischen Urteils ausgesagt wird, ist kein „einzelner zufälliger Inhalt“, wie die Farbe der Rose, sondern „die Totalität der in sich reflectirten Form.“ (GW 12, S. 78) Zur Totalität der in sich reflektierten Form würde, um beim Beispiel zu bleiben, die vegetabilische Natur der Rose gehören. ‘Die Rose ist eine Pflanze’ ist das von Hegel gewählte Beispiel eines kategorischen Urteils. Dass die Rose von vegetabilischer Natur ist, ist eine ihr immanente Notwendigkeit. Diese innere Notwendigkeit erscheint im kategorischen Urteil noch nicht gesetzt als eine Beziehung, die im hypothetischen Urteil in einen notwendigen Zusammenhang von unmittelbaren Bestimmtheiten übergeht.

52

1. Die Subjektivität

Diese Totalität hat ihre Nothwendigkeit in der negativen Einheit des objectiv-Allgemeinen, welches die Einzelnheit in sich aufgelöst, und als ein einfaches Princip des Unterschieds immanent in sich hat, wodurch die Arten bestimmt und bezogen sind. (GW 12, S. 81)

Weil die Gattung keine durch Vergleichung und Weglassung entstandene abstrakte Allgemeinheit ist, verhalten die Arten sich nicht als bloß verschiedene gleichgültig zueinander. Die Gattung ist die den Arten immanente Allgemeinheit, die durch die wechselseitige Abhängigkeit, das wesentliche Verhältnis von Gattung und Arten zugleich keine abstrakte, sondern eine konkrete Allgemeinheit ist. In der negativen Beziehung der Arten aufeinander vollzieht sich dergestalt eine vollständige Einteilung der Gattung,⁴² sie „schließt eine totale Sphäre in sich ab.“ (GW 12, S. 81) Der Begriff ist damit gesetzt als die Identität der allgemeinen Natur mit ihrer Besonderung. Das Verhältnis des Urteils wird mit dieser Identität aufgehoben. „Wenn die Disjunction einer Gattung in Arten noch nicht diese Form“ – in welcher die Allgemeinheit sich als die Totalität darstellt – „erreicht hat, so ist diß ein Beweis, dass sie sich nicht zur Bestimmtheit des Begriffs erhoben, und nicht aus ihm hervorgegangen ist.“ (GW 12, S. 83) Diese mangelhafte Form des disjunktiven Urteils zeigt sich in empirischen Urteilen. Das disjunktive Urteil setzt Diskontinuitäten innerhalb der Gattung voraus, anders ist die Besonderung der Gattung in distinkte Arten nicht denkbar. Das Subjekt des Urteils, A, ist entweder B oder C oder D etc. Bei einem empirischen Urteil ist diese Distinktion ohne Notwendigkeit: „A ist entweder B oder C oder D u.s.f. weil die Arten B, C, D u.s.f. sich vorgefunden haben“. (GW 12, S. 81) Die Vollständigkeit der vorgefundenen Arten ist rein subjektiv. Anders als die logischen Arten haben die empirischen Arten „ihre Unterschiede an irgend einer Zufälligkeit [Hervorhebung von mir; M.G.], die ein äusserliches Princip, oder daher nicht ihr Princip, somit auch nicht eine immanente Bestimmung der Gattung ist; sie sind darum nach ihrer Bestimmtheit auch nicht auf einander bezogen.“ (GW 12, S. 81) Das Verhältnis von Art und Gattung soll in der Wissenschaft der Logik jedoch nicht „nach der Gestalt, wie sie aus der Idee in weitere selbständige Realität getreten ist“ (GW 12, S. 82) betrachtet werden, sondern als eine reine Begriffsbestimmung gelten. Dennoch finden die logischen Bestimmungen der Arten und Gattungen in einem bestimmten Maß ihre Entsprechung in den biologischen Bestimmungen von Art und Gattung. Mit Darwins Behauptung der Variabilität der Arten wird die Möglichkeit einer distinkten Begriffsbestimmung nicht nur der einzelnen Arten, sondern des Artbegriffs überhaupt aufgehoben. Jeder Versuch „einer festen und logischen Begriffsbestimmung der organischen ‘Species’“ ist

 Nach Darwin wäre das Prinzip der Besonderung der Arten nichts anderes als das Prinzip der Selektion.

1.2 Das Urteil

53

naturgemäß vergeblich, wie Haeckel in seiner Natürlichen Schöpfungsgeschichte schreibt, denn „der Begriff der Species ist ebenso gut relativ, und nicht absolut,wie der Begriff der Varietät, Gattung, Familie, Ordnung, Classe u.s.w.“ (Haeckel 1889, S. 266) Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Bestimmung des biologischen Artbegriffs liegt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um einen ‘modernen‘ Universalienstreit handelt. Der Streit lässt sich auf die Frage reduzieren, ob die bestimmten Artformen oder nur einzelne Exemplare existieren. Sowohl für eine Systematik organischer Erscheinungsformen als auch für das Wissenschaftsverständnis ist die Streitfrage um den Begriff und die Existenz der Spezies bedeutsam. Bevor sich Linnés Systematik durchsetzte, wurden die organischen Naturformen gemäß „ihrer nähern oder entferntern Aehnlichkeit nach geschieden oder in Gruppen vereinigt […] unbekümmert darum, welchen Werth man diesen Formen beilegte.“ (Kützing 1856, S. 3) Erst durch die systematischen Arbeiten Linnés erhielten die organischen Formen einen wissenschaftlichen Wert, der ihnen durch die Systematik selbst beigelegt wurde. (Vgl. Kützing 1856, S. 3) Wie der Botaniker Kützing 1856 schreibt, „war es die Categorie der Art (species), welche durch Linné erst ihre wissenschaftliche Existenz und Festigkeit erhielt. Für diese Bestimmung war eigentlich das ganze System und die scharfe Terminologie geschaffen, welche Linné’s Namen unsterblich gemacht.“ (Kützing 1856, S. 3) Der Begriff der Art wird seit Linné unauflöslich mit einer Systematik organischer Formen verknüpft gedacht. Allein die Konstanz der Form vermag die Konstanz der Systematik und damit die Exaktheit der beobachtenden Naturwissenschaft zu garantieren.Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass mit dem Leugnen der Konstanz der Arten zugleich die Systematizität und Exaktheit zumindest eines Teils der Naturwissenschaften auf dem Spiel stand. Für Cuvier⁴³ ist die Konstanz der Arten eine notwendige Bedingung für die Existenz der wissenschaftlichen Naturgeschichte. Wird den Arten die Konstanz abgesprochen, so scheint daraus eine Gesetzlosigkeit, eine Zufälligkeit der organischen Naturerscheinungen zu folgen, die somit keiner Wissenschaft zugänglich wären. Diese dem Anspruch einer organischen Naturwissenschaft scheinbar widersprechenden Zufälligkeit ist einer der Hauptkritikpunkte der Darwin-Gegner. Aber auch bei Annahme der Konstanz der Arten ist eine Zufälligkeit der Naturerscheinungen nicht auszuschließen, wie Hegel in seiner Naturphilosophie explizit darlegt. Für Linné selbst ergab sich die Notwendigkeit der Konstanz der Arten aus einem anderen Grund. Linné musste die Formen deshalb als voneinander getrennte, als isolierte auffassen, weil andernfalls eine Definition der vorfindbaren Arten nicht möglich ist.

 Vgl. hierzu den Pariser Akademiestreit von 1830.Vgl. dazu D. Kuhn 1967, Uschmann 1964, Appel 1987, Goethe 1964 und Goethe 1990.

54

1. Die Subjektivität

Die Unterscheidung zwischen Spezies als konstanten Formen und Varietäten als variablen Formen erweist sich für den Naturforscher jedoch als überaus problematisch. In der Praxis der beschreibenden Naturwissenschaft zeigte sich, dass eine streng konstante Form nicht aufzufinden ist, sondern nur konstantere Formen. Der Begriff der Spezies konnte demnach nur von relativem, nicht aber von absolutem Wert sein. Aufgrund der Schwierigkeiten, denen sich die beschreibenden Naturforscher bei der eindeutigen Bestimmung der Arten gegenübersahen, mehrten sich schon deutlich vor 1859 die Stimmen der Naturwissenschaftler, die die Existenz der Arten „in das Gebiet des naturhistorischen Aberglaubens verweisen“ (Braun 1852, S. 393), wie der Botaniker Alexander Braun 1852 in der Botanischen Zeitung schreibt. Dennoch „blieb in der praktischen Arbeit der Pflanzenbeschreibungen ein Artbegriff im linnéschen Sinne anwendbar, der breit genug interpretierbar war, dass er auch abweichende Formen als „Varietäten“ berücksichtigen konnte.“ (Jahn 1998, S. 306). Der Artbegriff bleibt „für die botanische Systematik ein theoretisches Schlüsselproblem“. (Jahn 1998, S. 306) Auch für Hegel lässt sich der Begriff eines lebendigen Organismus, eines Tieres z. B., nicht ohne weiteres bestimmen. Im § 368 der Enzyklopädie erörtert Hegel die Gattung und die Arten und mit ihrem Verhältnis zueinander die Möglichkeit ihrer systematischen Ordnung nach einem künstlichen oder natürlichen Klassifikationssytem. Der Streit um künstliche und natürliche Klassifikationssysteme fand im 18. Jahrhundert, vor allem im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um Linnés Klassifikationsmethode, einen ersten Höhepunkt. Im Vordergrund der naturhistorischen Klassifikationsbemühungen steht die Suche nach der Einheit, der Allgemeinheit in der Mannigfaltigkeit. Mit der stetig wachsenden Anzahl gesammelter Exemplare sowohl botanischer als auch zoologischer Natur wurde die Ordnung der mannigfaltigen Naturformen zu einem zunehmend drängenden Problem. Das Systematisieren ist die Methode der Wahl der Naturgeschichte. Doch erst die Einfachheit des Systems, d. h. die Restriktion auf wenige Merkmale macht das Ordnen der unüberschaubaren Mannigfaltigkeit der Naturformen möglich. So hebt auch Hegel als Vorteil eines künstlichen Klassifikationssystems die Bereitstellung einfacher und sicherer Merkmale für das subjektive Erkennen einer Art- oder Gattungszugehörigkeit hervor. (Vgl. GW 20, S. 367) Die Kehrseite dieses Vorgehens liegt aber zugleich im Mangel des subjektiven Erkennens begründet: es bleibt der Natur des zu erkennenden gegenstandes äußerlich. Diese Äußerlichkeit des subjektiven Erkennens ist allen künstlichen Systemen eigen. Selbst Linné, der einflussreichste Systematiker, dessen künstliches Ordnungssystem zum Gemeingut wurde, suchte letztendlich ein natürliches System zu begründen. Ein solches natürliches System war für ihn allerdings erst am Ende aller Systematisierungsbemühungen zu erreichen. Die Kenntnis der Totalität aller Organismen sei eine unhintergehbare Voraussetzung

1.2 Das Urteil

55

für die Auffindung der Kriterien eines natürlichen Systems. Wie er in der Philosophia botanica schreibt, sei an ein natürliches System erst dann zu denken, wenn „alles festgestellt ist, was sich auf unser System bezieht“. (Linné 1751, Aph. 12) Um diese Voraussetzung zu erfüllen, schien ihm nahezu jedes Mittel recht zu sein. Nicht selten wurden die aufgefundenen Exemplare den angenommenen Art-Taxa passend gemacht resp. entsprechend interpretiert. Die Verwendung von nur einigen wenigen Merkmalen zur Bestimmung von Pflanzen und Tieren brachte jedoch nicht die erhoffte Annäherung an ein natürliches System. Neue Hoffnung ließ die vergleichende Anatomie aufkommen, deren neue Methode ein natürliches System in greifbare Nähe rücken ließ. Während die künstlichen Klassifikationssysteme, z. B. jene von Linné und Jacob Theodor Klein (1685 – 1759), auf die Bereitstellung von sicheren und einfachen Merkmalen für das subjektive Erkennen abzielen, soll es in den natürlichen Klassifikationssystemen (Cuvier, Lamarck u. a.) um „die objective Natur der Gebilde selbst“ (GW 20, S. 367) gehen. Die gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstehende Morphologie wendet sich explizit gegen die systematische Zoologie. Nicht mehr die einer Einheit, einem Taxon gemäß zu ordnende Mannigfaltigkeit der Naturformen steht im Fokus der Bemühungen, sondern das Phänomen der Gestalt und ihre Entstehung. Noch die 1848 erstmals erscheinende Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie wird durch das Selbstverständnis der „wahren“ wissenschaftlichen Zoologie geprägt. Die sich in ihr äußernde Kritik an der systematischen Zoologie verwirft letztere als ebenso unwissenschaftlich wie einige Zeit später die Morphologie ihrerseits von der Entwicklungsphysiologie bzw. Entwicklungsmechanik als unwissenschaftlich kritisiert wird. Der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit gegen die taxonomische Zoologie bezieht sich vor allem auf die Willkür mit der einige Merkmale als wesentliche Unterscheidungsmerkmale hervorgehoben werden. Für die Einfachheit, die Handhabbarkeit des Klassifikationssystems ist die Restriktion auf wenige Merkmale zwar zwingend, der Suche nach einem natürlichen System sind jene äußerlichen Bestimmungen jedoch nicht zuträglich. So betont Cuvier, dass sich eine natürliche Klassifikation nicht „auf äußere, willkürlich ausgewählte Merkmale stützen“ (Jahn 1998, S. 326) dürfe. Und auch Johann Spix kritisiert das Vorgehen, in dem „willkürlich ein beliebiger Theil zur Vergleichung durch alle Individuen hindurch herausgehoben“ wird und alle „nach diesem Standpunkt geordnet“ (Spix 1811, S. 9 f.). Die in den künstlichen Systemen sich manifestierende Willkür widerspricht dem Anspruch einer objektiven Naturwissenschaft, denn, wie Zunck 1840 schreibt, „die Natur, objectiv betrachtet, ist allen ein und dieselbe, nicht aber, wie sie die Naturforscher oft nach ihren vorgefaßten Meinungen aufzufassen pflegen“. (Zunck 1840, S. 9) Hegel bezieht in der Auseinandersetzung zwischen künstlichen und natürlichen Klassifikationssystemen eindeutig Stellung. Der Forderung des Begriffs

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1. Die Subjektivität

könne kein künstliches Systematisieren genügen, allein ein natürliches System könne dem soweit gerecht werden, wie es die Natur der Sache⁴⁴ überhaupt erlaube.⁴⁵ Hegels Kritik des künstlichen Systems gründet sich auf seiner generellen Kritik an einem bequemen Formalismus, der seine Ursache allein in der „Unkenntniß und Misachtung des Begriffs“ (GW 20, S. 360) habe. Die äußerliche Anheftung eines Schemas an das Material mag zwar „eine große Mannichfaltigkeit von Formen möglich“ (GW 20, S. 360) machen, aber ein „natürliches“, naturgemäßes Erkennen ermögliche sie nicht. Analog zu Buffons Kritik am Linnéischen System sucht Hegel das äußerliche Ordnen und Systematisieren durch abstrakte Begriffe, die im hegelschen Verständnis des Begriffs Vorstellungen sind, von der natürlichen Ordnung zu unterscheiden. Hegel stützt sich in seiner Argumentation im § 368 der Enzyklopädie vor allem auf Cuviers Versuch, z. B. erstmals im Tableau élémentaire d’histoire naturelle des animaux (1798), eine Tiersystematik auf der Grundlage der vergleichenden Anatomie zu begründen. Wie Cuvier betont, dürfe sich eine natürliche Klassifikation nicht „auf äußere, willkürlich ausgewählte Merkmale stützen“ (Jahn 1998, S. 326), sondern müsse „in erster Linie nach den spezifischen anatomischen Verhältnissen erfolgen“. (Jahn 1998, S. 326) Dabei dürfe der vergleichende Anatom nicht bei den Besonderheiten der Erscheinungen stehenbleiben, sondern müsse auf das gehen, was sie allgemein charakterisieren. Weil die vergleichende Anatomie nicht die „Willkür“ eines subjektiven, äußerlichen Erkennens bediene, spricht Hegel ihr den nicht zu überschätzende Verdienst zu, ihr empirisches Material gegen den Begriff hin gearbeitet zu haben. (Vgl. GW 20, S. 368) Indem die Zoologie mit Hilfe der vergleichenden Anatomie über das bloße Beschreiben der Einzelheiten der Erscheinung hinausgehend, die allgemeinen Bestimmungen, die Arten und Gattungen finde (Vgl. GW 20, S. 54), habe sie es zu einer Erweiterung ihrer Kenntnisse gebracht wie kaum eine andere Wissenschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Mit der vergleichenden Anatomie stand somit eine neue, überaus erfolgreiche Methode zur Ordnung der mannigfaltigen natürlichen Formen zur Verfügung. Im Unterschied zu den vorangegangenen Systematiken bezog sich die vergleichende Anatomie nicht auf die Unterschiede zwischen den Organismen und den unterstellten hierarchischen Ordnungskriterien. Die vergleichende Anatomie stellt die Ähnlichkeiten in den Mittelpunkt ihres Interesses. Der Vergleich und die Analogie bestimmen ihre Herangehensweise. Eine unhintergehbare Voraussetzung der Anwendung dieser Methode ist jedoch die Unterstellung von Typen. (Vgl. Braeunig-Octavio 1956) So schreibt auch Hegel, dass diesen Klassifikationssystemen der „durch den Begriff bestimmte(n) Typus

 Natur der Sache: gen.obj. und subj.  Dazu in den folgenden Abschnitten mehr.

1.2 Das Urteil

57

des Thiers“ (GW 20, S. 367) oder der Pflanze zugrunde liege. Die Kenntnis des Typus, des Ganzen der ein jedes Lebewesen bestimmenden Eigenschaften, ermöglicht umgekehrt von einem Teil auf das entsprechende Ganze zu schließen. Nichts anderes erlaubt die logische Division für den Begriff. Da bei einer divisio jedes Glied sämtliche Merkmale des eigentlichen Begriffs enthält, lässt sich von jedem untergeordneten Begriff auf das Ganze schließen. Hegel beschreibt den Habitus „als ein die Construction aller Theile bestimmender Zusammenhang“, der es Cuvier ermögliche „aus einem einzelnen Knochen die wesentliche Natur des ganzen Thieres erkennen zu können.“ (GW 20, S. 368) Cuvier schreibt dazu: Jedes Lebe-Wesen bildet ein Ganzes, ein einziges und geschlossenes System, in welchem alle Theile einander gegenseitig entsprechen und zu derselben endlichen Aktion durch wechselseitige Gegenwirkung beitragen. Keiner dieser Teile kann sich verändern, ohne dass die übrigen auch verändert werden, und folglich bezeichnet und giebt jeder Theil einzeln genommen alle übrigen. (Cuvier zit. n. Nöggerath 1822, S. 72)

Die vergleichende Anatomie erweist sich für Hegel als ein Paradebeispiel für das wechselseitige Verhältnis von Begriff und Beobachtung als ein wesentliches Moment naturwissenschaftlicher Untersuchung. Einerseits liegt den natürlichen Klassifikationssystemen der „durch den Begriff bestimmte(n) Typus des Thiers“ (GW 20, S. 367) zugrunde, andererseits gelingt es der vergleichenden Methode durch die Beobachtung das Material dem Begriff entgegenzuarbeiten. Cuvier bemerkt die Verschränkung von Beobachtung und Begriff und sieht in der Zulassung der Beobachtung einen deutlichen Vorteil für die Bestimmung von Arten, Klassen etc. gegenüber künstlichen Systemen, die sich allein auf das vom System, der Theorie, dem Begriff Vorgegebene leiten lassen müssen. Einem natürlichen System müsse es um die Erkenntnis des Einzelnen als Einzelnem gehen, ohne seine Bedeutung für das Ganze aus dem Blick zu verlieren. Wenn nun die Beobachtung dort als Hülfsmittel angenommen wird, wo uns die Theorie verlässt, so gelangt man zu einer erstaunenswerthen Erkenntnis des Einzelnen. Die kleinste Knochenfläche, die geringste Apophyse hat einen bestimmten Karakter in Bezug auf die Klasse, auf die Ordnung, die Gattung und Art, der sie angehört, und dieses geht soweit, dass man, mit der erforderlichen Geschicklichkeit und mit etwas gewandtem Zuhülfekommen durch Analogie und wirkliche Vergleichung, aus jedem wohlerhaltenen Endstück eines Knochens ebenso sicher alle übrigen Beziehungen bestimmen kann, als wenn man das Tier selbst beßäse. (Cuvier zit. n. Nöggerath 1822, S. 79 f.)

Die dergestalt ermöglichte Kenntnis des Einzelnen führt das empirische Material zum Begriff hin. Bei der als Hilfsmittel zugelassenen Beobachtung geht es also nicht um die quantitative Erweiterung der Fülle von Beobachtungen, sondern die Zoologie hat es mit Hilfe der vergleichenden Anatomie geschafft, „dass ihr Ma-

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1. Die Subjektivität

terial sich gegen den Begriff hin gearbeitet hat“. (GW 20, S. 368) Die Berücksichtigung nicht nur einiger weniger Merkmale, sondern aller und damit auch so scheinbar marginaler Unterscheidungsbestimmungen wie die der Zähne, Klauen u. ä. ermöglicht nicht nur eine „natürlichere“ Bestimmung bzw. Klassifizierung der Tiere. Sie ermöglicht zudem die Herausstellung der Subjektivität in der besonderen Natur der Tiere. Die Subjektivität in der Natur manifestiert sich für Hegel beim Tier in seiner Selbstunterscheidung. Das Tier unterscheidet sich von anderen Tieren, indem es sich selbst durch seine Zähne, Klauen und andere Waffen „gegen die andern als ein Fürsichseyendes setzt und erhält“. (GW 20, S. 368) Muss dem künstlichen System der Mangel des subjektiven Erkennens vorgeworfen werden, sofern die die Art bestimmenden Merkmale willkürlich herausgestellt werden, so bleibt das natürliche System vor die Aufgabe gestellt, den zugrunde gelegten Typus, den Habitus zu begründen. Die Lösung dieser Aufgabe besteht in nicht weniger als der Erklärung der Identität von Einzelnem und Allgemeinem. Das einzelne Tier soll ein Allgemeines, eine bestimmte Art sein, die als solche überhaupt nicht existiert, sondern sich allein in den einzelnen Exemplaren manifestiert. Die Behauptung der Identität von Einzelnem und Allgemeinem in der Natur hält Hegel zu Recht für unbegründbar. Er bezeichnet diese Problematik als die Schwäche des Begriffs bzw. als die Ohnmacht der Natur. Diese Problematik weist aber schon über den Horizont der disjunktiven Urteile, die auf das Verhältnis von Allgemeinem und seinen Besonderungen, d. h. Gattung und Art, gehen, hinaus auf die Urteile des Begriffs, in denen die Identität des konkreten Einzelnen, das eine besondere Beschaffenheit aufweist, mit dem Allgemeinen erst seine adäquate Bestimmung erfahren soll.

1.2.6 Das Urteil des Begriffs, oder: Die Allmacht des Begriffs Der Ohnmacht der Natur setzt Hegel die „Allmacht des Begriffes“ (GW 12, S. 88) entgegen. Die Rede von der Allmacht des Begriffs legt zunächst zwei Verständnisweisen nahe. Zum einen wird die Allmacht des Begriffs als göttliche Allmacht verstanden, so dass die aus der Begriffsentwicklung hervorgehende Entsprechung von Begriff und Gegenstand im Urteil des Begriffs als Fleischwerdung des Logos erscheint.⁴⁶ Zum anderen wird die Allmacht des Begriffs im Sinne der Schöpfung

 Vgl. z. B. Düffel, S. 82, FN 109: „Das, wodurch das Wirkliche zu einer Sache wird, womit auf die Verdinglichung des Wirklichen, die Fleischwerdung des Logos hingewiesen wird, ist die Urteilung der absoluten Einheit. Diese ursprüngliche Teilung ist somit konstitutiv für die konkrete Identität der Idee als die ‚Seele der Sache‘, die sich im Innern der Sache auf Gott als die Allmacht [Hervorhebung von mir; M.G.] bezieht.“

1.2 Das Urteil

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alles Denkbaren verstanden, so dass alles, was ist, nicht allein seinen Grund im Begriff habe, sondern vielmehr seine Existenz allein dem allmächtigen Begriff verdanke.⁴⁷ Dass sich dem Denken allein das Denkbare als ein zu Begreifendes erschließt, bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass alles, was ist, auch durchgängig und ausschließlich vernünftig sein muss. Dem Denken erschließt sich jedoch nur das Denkbare als ein zu Begreifendes. Wie im Folgenden dargelegt werden soll, sind die beiden skizzierten Interpretationen der von Hegel behaupteten Allmacht des Begriffs dem hegelschen Begriff des Begriffs nicht angemessen. Von der Allmacht des Begriffs spricht Hegel im vierten und abschließenden Urteilskapitel, das er mit „D. Das Urteil des Begriffs“ betitelt hat. Hier ist nicht nur seine abschließende Beurteilung des Urteils, sondern auch der Übergang zum Schlusskapitel zu erwarten. Zunächst aber ist der Gegenstand des Urteils des Begriffs dasjenige, was gemeinhin unter der Modalität der Urteile abgehandelt wird. Hegel schreibt selbst noch in der Begriffslehre für die Oberklasse von 1809/10 von der „Modalität der Urteile oder Urteile der Beziehung des Begriffs auf das Dasein“. (HW 4, S. 148) In der subjektiven Logik betitelt er das entsprechende Kapitel als Urteil des Begriffs. Der Gegenstand dieser Urteile ist die Beziehung des Begriffs auf das spezifische Sein der Gegenstände des Urteils.Von einer Logik, für die beansprucht wird zugleich Metaphysik zu sein, ist hier der Schlüssel zur Objektivität der Urteile zu erwarten. Die im vorangegangenen Kapitel zum Urteil der Notwendigkeit verhandelte Problematik, ob und inwiefern die Notwendigkeit der Urteile eine Notwendigkeit der Gegenstände der Urteile implizieren kann, sucht Hegel mit der Bestimmung des Urteils des Begriffs zu klären. Kant hatte in seiner Kritik des ontologischen Gottesbeweises hierzu eindeutig Stellung bezogen und darauf verwiesen, dass die „unbedingte Notwendigkeit der Urteile aber […] nicht eine absolute Notwendigkeit der Sachen“ (KrV, B 621) sei. „Denn die absolute Notwendigkeit des Urteils ist nur eine bedingte Notwendigkeit der Sache, oder des Prädikats im Urteile.“ (KrV, B 621 f.) Diese notwendig anzuerkennende Differenz zwischen logischer und realer Modalität ist ein wesentliches Element der kantischen Kritik des ontologischen Gottesbeweises. Aus dem Begriff, und sei es der Begriff des allerrealsten Wesens, lasse sich, so der Kern seiner Argumentation, weder das Dasein noch die objektive Realität des Begriffenen herausklauben. In dem Urteil „Gott ist allmächtig“ (KrV, B 626), fungiere das „ist“ nicht als reale

 Zur Allmacht des Begriffs vgl. Kroner 2007, S. 282: „Der Begriff ist allmächtig. Hegel findet die stolzesten und kühnsten Worte, um sein Herrscherreich zu verkünden, er findet Worte der höchsten Verachtung, um diejenigen zu schmälern, die das Recht des Begriffes schmälern und sein Gebiet beschneiden wollen.“ Und: „Der Begriff ist allmächtig, denn nichts läßt sich denken, das sich nicht eben – denken ließe. Die Philosophie kann keine andere Herrin über sich anerkennen.“ (Kroner 2007, S. 283).

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1. Die Subjektivität

Prädikation des Seins, sondern das „ist“ habe nur die rein logische Funktion „das Prädikat b e z i e h u n g s w e i s e aufs Subjekt“ (KrV, B 627) zu setzen. Es ist die inhaltsleere Copula, die das Subjekt „Gott“ mit dem Prädikat „allmächtig“ in Beziehung setzt. Die Behauptung der Existenz Gottes im assertorischen Urteil „Gott ist“ fügt dem Begriff Gottes kein reales Prädikat hinzu.⁴⁸ Dem Begriffe kann dadurch, dass ich diesen Gegenstand als schlechthin gegeben (durch den Ausdruck: er ist) denke, nichts weiter hinzukommen. Und so enthält das Wirkliche nichts mehr als das bloß Mögliche: Hundert wirkliche Taler enthalten nicht das mindeste mehr, als hundert mögliche. (KrV, B 626 f.)

Kant hält es für erwiesen, dass die Modalität des Urteils zum Inhalt eines Urteiles nichts beitrage, „sondern nur den Wert der Kopula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht.“ (KrV, B 100) D.h. die verschiedenen Verhältnisweisen von Subjekt und Prädikat erscheinen ihm allein in Beziehung auf einen Verstand gegeben. Hegel hingegen konzediert der Kopula eine besondere Stellung im Urteil des Begriffs, die nicht in einer bloß äußerlichen, subjektiven Beziehung von Subjekt und Prädikat des Urteils durch den Verstand aufgeht. Die Kopula sei nicht als ein abstraktes „Ist“ zu begreifen, sondern übernehme die Funktion des objektiven Grundes.⁴⁹ In dieser „Erfüllung der Copula“ (GW 12, S. 89) sieht Hegel dann auch den Übergang des Urteils zum Schluss begründet. Als Grund fungiert die Copula aber nicht unmittelbar, sondern vermittelst des Begriffes. Das, was der Copula zugrunde liegen soll, ist nunmehr der Begriff selbst. (Vgl. Düsing 1995, S. 263) Es ist diese Beziehung, die für Hegel den Inhalt des Prädikats ausmacht. Der Inhalt des Prädikats ist ihm, im Gegensatz zu Kant, keine zu prädizierende Bestimmtheit, sondern „die Beziehung des Subjects auf den Begriff“ (GW 12, S. 86). Diese Beziehung des Subjekts auf den Begriff ist möglich, wirklich oder notwendig. Das entsprechende Urteil ist assertorisch, problematisch oder apodiktisch. Das assertorische Urteil ist für Hegel ein unmittelbares Urteil, indem das Subjekt des Urteils als ein konkretes Einzelnes mit dem Prädikat, das dasselbe konkrete Einzelne „als die Beziehung seiner Wirklichkeit, Bestimmtheit oder Beschaffenheit, auf seinen Begriff“ (GW 12, S. 85) ausdrückt, in Verbindung ge-

 Zu Hegels Kritik vgl. K. Düsing 2009, S. 221– 232.  Vgl. Longuenesse 2007, S. 119: „Hegel sets out to expound his own speculative view of modal categories. In brief, Hegel owes to Kant the idea that the modal categories express nothing other than the degree of unity between existence and a unified system of thought-determinations. But he opposes Kant in that for him, that unity leaves no room on the side of existence for a world of the beyond.“

1.2 Das Urteil

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bracht wird. Das konkrete Einzelne, z. B. dieses Haus, wird in Hegels Beispielen assertorischer Urteile nicht als Subjekt einer bestimmten Prädikation, z. B. einer bestimmten Beschaffenheit (Farbe, Größe, Form etc.), sondern als Subjekt eines wertenden Urteils aufgefasst. In Hegels Verständnis ist ein assertorisches Urteil demnach nicht irgendein wahrheitsdefiniter Satz, indem ein bestimmter Sachverhalt, behauptet wird, z. B. dass dieses Haus gelb ist, sondern die Behauptung der Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung eines konkreten Einzelnen mit seiner allgemeinen Natur, seinem Begriff. In Hegels Beispiel eines assertorischen Urteils – „Diß Haus ist schlecht“ (GW 12, S. 85) – ist die Forderung der Begründung der Assertion implizit schon enthalten. Dieses konkrete, einzelne Haus ist darum schlecht, weil es in seiner spezifischen Beschaffenheit der allgemeinen Natur, dem allgemeinen Begriff eines Hauses nicht entspricht. Dahingegen zeigt sich in der Behauptung, dieses Haus ist gelb, aufgrund der konkreten, empirischen Überprüfbarkeit der Behauptung ihre Begründung als nachrangig. Dass etwas so ist, wie es im assertorischen Urteil behauptet wird, „hat seinen Zusammenhang in einem äusseren Dritten“ (GW 12, S. 85), „seine Bewährung ist eine subjective Versicherung“ (GW 12, S. 85) und seine Entsprechung mit dem Begriff ist daher „zufällig“ (GW 12, S. 86). Weil dem assertorischen Urteil mit gleichem Recht das entgegengesetzte Urteil, z. B., dass dieses Haus nicht gelb ist, gegenübersteht, es eben so positiv wie negativ genommen werden kann, ist es wesentlich problematisch. Problematisch ist, „ob das Prädicat mit einem gewissen Subjecte verbunden werden soll oder nicht“ (GW 12, S. 86). Hiermit wird das Problematische der bloß subjektiven Versicherung zu einem Problematischen der Sache. Am problematischen Urteil zeigt sich die Teilung des Subjekts in „seine Allgemeinheit oder objective Natur, sein Sollen“ und seine „besondere Beschaffenheit des Daseyns“ (GW 12, S. 87). Ob also das Prädikat mit einem bestimmten Subjekt in einem Urteil verbunden werden soll, hängt demnach von der konkreten Beschaffenheit des Subjekts des Urteils ab und nicht vom urteilenden Subjekt. Das problematische Urteil wird damit zu einem apodiktischen Urteil. Das Urteil, das „an der Beschaffenheit des Subjects seinen Grund“ (GW 12, S. 88) hat, ist eben deshalb apodiktisch. Ein Haus kann als gut oder schlecht beurteilt werden, weil es eine bestimmte Beschaffenheit aufweist, die dem Begriff des Hauses entspricht oder nicht. Die Beschaffenheit enthält den Grund, „warum dem ganzen Subject ein Prädicat des Begriffs-Urtheils zukommt oder nicht, d.i. ob das Subject seinem Begriff entspricht oder nicht“. (GW 12, S. 87 f.) Somit wird die von Kant als inhaltsleer kritisierte Copula zum Grund. Das Begriffsurteil ist für Hegel das wahrhaft objektive Urteil (Vgl. GW 12, S. 88), in dem Subjekt und Prädikat denselben Inhalt haben, die konkrete Allgemeinheit. Das absolute Urteil über alle Wirklichkeit aber ist, „dass sie in sich gebrochen ist in ihr Sollen und ihr Seyn“ (GW 12, S. 88). Die Allmacht des Begriffs macht für Hegel eben diese „ursprüng-

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1. Die Subjektivität

liche Theilung“ von Sein und Sollen aus. Die Allmacht des Begriffs ist deshalb nicht als die Subsumtion des Seins unter das durch den Begriff geforderte Sollen, sondern als die Diremtion in Sein und Sollen zu verstehen. Das Ist der Copula ist im Begriffsurteil noch nicht „gesetzt als jene bestimmte und erfüllte Einheit des Subjects und Prädicats, als ihr Begriff“ (GW 12, S. 58 f.) Dies bleibt dem Schluss vorbehalten. „Dadurch, dass im Urteil Subjekt und Prädikat als Eines gesetzt werden, wird das Urteil zum Schluss. Die Mitte des Urteils ist das Ist, die Kopula, welches aber nur das Leere ist.“ (V 11, S. 157) Die Kopula bleibt Hegel zufolge nicht inhaltsleer. Mit dem Übergang zum Schluss übernimmt der mittlere Term, der selbst ein Einzelnes, Besonderes oder Allgemeines ist, die Funktion der Kopula, die Einheit der im Urteil einander gegenübertretenden Momente zu vermitteln. (Vgl. Sans 2004, S. 58) Kants Warnung „von der Möglichkeit der Begriffe (logische) nicht sofort auf die Möglichkeit der Dinge (reale) zu schließen“ (KrV, B 624*), wird hierbei unterlaufen, indem die Allmacht des Begriffs darauf beschränkt wird, ein allgemeines und objektives Maß für die Beurteilung des Gegenstandes abzugeben und nicht den Gegenstand aus dem Begriff zu deduzieren. Der reale Gegenstand kann dem Begriff angemessen sein oder auch nicht, d. h. die Ohnmacht der Natur, dem Begriff nicht zu genügen, wird nicht durch die Allmacht des Begriffs aufzuheben gesucht. Die „Herkunft“ des Gegenstandes bleibt an dieser Stelle gleichwohl fragwürdig, sofern die logische Sphäre nicht transzendiert werden soll. Die Beziehung des Gegenstandes auf den Begriff ermöglicht, so Hegel, allererst eine „wahrhafte Beurtheilung“ (GW 12, S. 84). Die Urteile des Daseins, der Reflexion und der Notwendigkeit verweisen, anders als die Urteile des Begriffs, auf keine besondere Urteilskraft. Allein im Urteil des Begriffs wird der Gegenstand des Urteils auf einem dem Urteil zugrunde gelegten Begriff bezogen, der als dieses Substrat des Urteils ein Sollen ausdrückt, „dem die Realität angemessen seyn kann oder auch nicht.“ (GW 12, S. 84) Das Urteil des Begriffs „enthält den Gegensatz des Begriffes und seiner Realität, und die Vergleichung beyder“. (GW 12, S. 59) Die Einheit von Subjekt und Prädikat im Urteil ist für Hegel keine äußerliche, durch das Denken hervorgebrachte Verbindung von zunächst Getrennten, sondern das ursprünglich Verbundene, so dass das Urteil als „ursprüngliche Theilung des ursprünglich Einen“ (GW 12, S. 55) erscheint. Die Copula soll anzeigen, „dass das Prädicat zum Seyn des Subjects gehört, und nicht bloß äusserlich damit verbunden wird“ (GW 12, S. 55), sie „drückt aus, dass das Subject das Prädicat ist.“ (GW 12, S. 57 f.) Das Haus ist nur dann ein gutes Haus,wenn das einzelne, so und so beschaffene Haus dem Begriff des Hauses entspricht. Am assertorischen, problematischen und apodiktischen Urteil trete der Begriff, das Subjektive im Verhältnis zu einer unmittelbaren Wirklichkeit hervor. Dieses Subjektive unterscheidet Hegel explizit von dem Subjektiven einer rein äußerlichen Reflexion. Das

1.3 Der Schluss

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hier zu verhandelnde Subjektive geht auf das immanente, konkrete Allgemeine des Gegenstands des Urteils. Es ist die objektive Allgemeinheit als Begriff gefasst, die eine wahrhafte Beurteilung der Gegenstände überhaupt erst ermöglicht. Insofern ist das Subjektive des Urteils des Begriffs in Wahrheit das Objektive.

1.3 Der Schluss Mit dem Übergang zum Schluss kommt die Entwicklung des Begriffs zu einem Abschluss, insofern der Schluss „der vollständig gesetzte Begriff“ (GW 12, S. 90) oder das Vernünftige ist.⁵⁰ Das Vernünftige ist aber keine Voraussetzung, sondern Resultat der Bewegung des Begriffs.⁵¹

1.3.1 Der Schluss des Daseins In seiner Darstellung des Schlusses des Daseins knüpft Hegel nicht direkt an die Bestimmungen des Begriffsurteils an, vielmehr beginnt er die Explikation des Schlusses mit der Unmittelbarkeit, die auch das Urteil des Daseyns prägt. Der Schluss erscheint demnach zunächst in seiner unmittelbarsten Form. Die konkrete Allgemeinheit des Begriffsurteils gilt es für den Schluss erst noch zu entwickeln. Hegel nimmt in seiner Schluss lehre allerdings nur „beyläufig“ Bezug auf dasjenige, „was in der gewöhnlichen Betrachtung und Behandlung der Schlüsse das Hauptinteresse ausmacht, nemlich wie in jeder Figur ein richtiger Schluß gemacht werden könne“. (GW 12, S. 106) Er beschränkt sich auf die Angabe des „Hauptmoments“ und übergeht die Schwierigkeiten, die sich ergeben, „wenn der Unterschied von positiven und negativen Urtheilen nebst der quantitativen Bestimmung, besonders der Particularität, mit dazu gezogen wird.“ (GW 12, S. 106) Überhaupt macht er keinen großen Hehl aus seiner Geringschätzung des Verstandesschlusses: man werde „sogleich von Langeweile befallen, wenn man einen solchen Schluß heranziehen hört“. (GW 12, S. 95) (Vgl. hierzu auch K. Düsing 1995, S. 267 FN 178) Die pedantische Ausführung der formalen Schlusslehre bis ins letzte mögliche Detail sei so weit vorangetrieben worden, dass „ihre sogenannten Spitzfindigkeiten zum allgemeinen Verdrusse und Eckel geworden sind.“ (GW 12, S. 106) Hegel möchte diese Tradition nicht fortsetzen und konzentriert sich des Zu Hegels Schlusslehre vgl. u. a.: Trendelenburg 1964; Marcuse, S. 147 ff.; Lakebrink 1968, 423 f.; McTaggert 1967, S. 206 – 227, van der Meulen 1958, S. 9 – 97; Wohlfahrt 1981, S. 184– 221.  Das ist im Kern auch Hegels Kritik am ‚ontologischen‘ Gottesbeweis. Vgl. Schmidt 2000, S. 76 u. 92.

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1. Die Subjektivität

halb zunächst auf die seines Erachtens nach wesentlichen Bestimmungen des Verstandesschlusses, um von dort aus zu einer „Darstellung derselben als Vernunftformen“ zu gelangen. (GW 12, S. 107) Das wesentliche Moment des Schlusses des Daseins ist die Unmittelbarkeit seiner Bestimmungen, die zugleich seinen Mangel begründet. Die unmittelbaren Begriffsbestimmungen, die den unmittelbaren Schluss ausmachen, sind „abstracte Bestimmtheiten der Form, welche noch nicht durch die Vermittlung zur Concretion gebildet, sondern nur die einzelnen Bestimmtheiten sind.“ (GW 12, S. 92) Die „Unvollkommenheit des formalen Schlusses“ (GW 12, S. 108) lasse sich, so Hegels Argumentation, auf seine dem Begriff des Schlusses unangemessene Form zurückführen. Der Schluss lasse sich eben nicht auf eine bloße Form reduzieren, vielmehr seien seine Begriffsbestimmungen als wesentliche Inhalte zu betrachten. Der Mangel des formalen Schlusses ist also weniger, dass er formal ist, sondern dass seine Form defizitär ist. Der formale Schluss bleibt in der Form des Verstandesschluss befangen, weil er auf die abstrakten, formalen Bestimmungen abzielt und die einzelnen Begriffsbestimmungen in ihrer Äußerlichkeit gegeneinander setzt, anstatt auf die Beziehung als das Wesentliche des Schlusses zu gehen und die Mitte als die vermittelnde Einheit der Extreme aufzufassen. Nicht die bloße Form des Schlusses, wohl aber „die Form der Vernünftigkeit“ (GW 12, S. 108) kritisiert Hegel am Verstandesschluss. Die Form könne für sich genommen vernünftig sein, insofern die Syllogistik die korrekten Regeln der Vernunft als ein bloßes Vermögen zu schließen darlegt. Aber die Vernunft, „welche schließt“ ist nicht die ganze Vernunft und offenbar nicht identisch mit jener Vernunft, „welche die Quelle von Gesetzen und sonstigen ewigen Wahrheiten und absoluten Gedanken ist“. (GW 12, S. 90) Dieser Trennung von Form und Inhalt der Vernunft gilt Hegels Kritik. Es erscheint ihm als „das härteste und grellste“, „wenn die Formbestimmungen des Schlusses, welche Begriffe sind, als ein begriffloser Stoff behandelt werden.“ (GW 12, S. 109) Anders als der traditionellen Syllogistik geht es Hegel nicht um eine erschöpfende Explikation aller möglichen Formen von Schlüssen, sondern um die Beantwortung der Frage, wie der Schluss als „das Vernünftige“ (GW 12, S. 90) begriffen werden kann. Sucht die formale Logik von allem Inhalt zu abstrahieren, rückt für Hegel der Inhalt, die Begriffsbestimmungen und ihre Beziehungen aufeinander, in das Zentrum des Interesses. Entscheidend für die Frage nach dem Inhalt des Schlusses und seiner Vernünftigkeit ist die Bestimmung der Mitte des Schlusses. In ihr dürfe sich nicht die abstrakte Leere der Copula wiederholen. Mit dem Übergang vom Urteil zum Schluss ist die „Erfüllung der Copula“ (GW 12, S. 89) gefordert. Es erstaunt nicht, dass Hegel diese Erfüllung erst mit dem Abschluss seiner Schlusslehre vollbracht sieht. Die dem Schluss der Notwendigkeit vorangehenden Verstandesschlüsse, der Schluss des Daseins sowie der Schluss der Reflexion, vermögen keine hinrei-

1.3 Der Schluss

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chende Bestimmung der Mitte zu entwickeln. Der Formalismus aller Schlüsse des Dasein, der zugleich ihr Mangel ist, ist die Setzung einer einzelnen Bestimmtheit als terminus medius. Die Problematik des Schlusses des Daseins ergibt sich aus dem Festhalten an abstrakten Bestimmungen, woraus sich auch seine alternative Bezeichnung als qualitativer Schluss ergibt. Die Termini des Schlusses sind einzelne Bestimmtheiten, die durch die Mitte zusammengeschlossen werden. Das Einzelne ist irgend ein unmittelbarer concreter Gegenstand, die Besonderheit eine einzelne von dessen Bestimmtheiten, Eigenschaften oder Verhältnissen, die Allgemeinheit wieder eine noch abstractere, einzelnere Bestimmtheit an dem Besondern. (GW 12, S. 95)

Aufgrund der unmittelbaren Bestimmtheit des Subjekts lässt sich seine Konkretion nicht auf die wesentlichen Begriffsbestimmungen zurückführen und ist insofern zufällig. So erscheint der qualitative Schluss der Form nach als notwendig, dem Inhalt nach jedoch als zufällig. Diese Zufälligkeit zeigt sich dann auch im Resultat des Schlusses. Der formalen Notwendigkeit steht die inhaltliche Zufälligkeit gleichgültig gegenüber, weil der formelle Schluss „auf dem Zufall oder der Willkühr beruht, welcher Medius Terminus gebraucht wird.“ (GW 12, S. 97) In ihrer Abstraktheit ist die Form des Schlusses des Daseins demnach begriffslos. Der Verstandesschluss bleibt bei aller formalen Korrektheit eine „begrifflose Beschäftigung mit einem Gegenstande […], dessen einziger Inhalt der Begriff selbst ist.“ (GW 12, S. 109) Die Extreme des Schlusses, Einzelnes und Allgemeines, bleiben als unmittelbare Bestimmtheiten einander äußerlich. Die Mitte des qualitativen Schlusses bringt die Extreme zwar in ein Verhältnis zueinander. Doch bleibt dieses rein äußerlich und auch die Mitte selbst bleibt ihnen gegenüber als „ein Besonderes für sich“ (GW 12, S. 91) gesetzt. Die Vermittlung, die den terminus medius ausmacht, ist somit „noch nicht gesetzt“ (GW 12, S. 92). Diese mangelhafte Bestimmung der Mitte des Verstandesschlusses gilt es für Hegel in der Entwicklung der vernünftigen Form des Schlusses aufzuheben. Nicht die formellen, abstrakten Bestimmungen, sondern die Vermittlung ist für Hegel dasjenige, was den Schluss ausmacht. In den vier Figuren des Schlusses des Daseins sucht Hegel diese Vermittlung durch den terminus medius zu explizieren. Diese vier Schlussfiguren sind: 1. E‐B‐A, 2. B‐E‐A, 3. E‐A‐B und 4. A‐A‐A.Während die ersten drei Figuren sich den aristotelischen Schlussfiguren zuordnen lassen, steht der vierte, der mathematische Schluss, quer zur traditionellen Syllogistik. E-B-A kennzeichnet Hegel als „das allgemeine Schema des bestimmten Schlusses“ (GW 12, S. 93). Einzelheit und Allgemeinheit stehen sich als Extreme des Schlusses gegenüber und „sind in einem verschiedenen Dritten eins.“ (GW 12, S. 93) Das Besondere ist das von der Einzelheit und der Allgemeinheit verschiedene Tertium, indem sich die Extreme

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1. Die Subjektivität

zusammenschließen sollen. Insofern sich das Einzelne unter das Besondere subsumieren lässt und das Besondere sich unter das Allgemeine subsumieren lässt, ist zu schließen, dass auch das Einzelne sich unter das Allgemeine subsumieren lässt. Oder umgekehrt, im Verhältnis der Inhärenz ausgedrückt: Insofern das Besondere dem Einzelnen inhäriert und das Allgemeine dem Besonderen inhäriert, ist zu schließen, dass das Allgemeine dem Einzelnen inhäriert. Das Besondere ist hierbei gegen das Allgemeine als Subjekt und gegen das Einzelne als Prädikat gefasst. Indem das Besondere also zugleich Subjekt und Prädikat ist, kann es als terminus medius, als Vermittelndes der Extreme fungieren. Damit ist auch der Übergang zur zweiten (B‐E‐A) und dritten (E‐A‐B) Figur des Daseinsschlusses vollzogen. Die zunächst, in der ersten Figur, als ein für sich seiendes Besonderes bestimmte Mitte wird in den folgenden beiden Schlussfiguren einmal als Einzelnes, resp. als Subjekt und einmal als Allgemeines, resp. als Prädikat bestimmt. Das ist insofern notwendig als die unmittelbar behaupteten Prämissen des Schlusses der Vermittlung bedürfen.⁵² In dieser dialektischen Bewegung des Schlusses des Daseins soll „die Vermittlung, die den Schluss allein ausmacht, an seinen Momenten gesetzt“ (GW 12, S. 92) werden. Das allgemeine Schema des bestimmten Schlusses – E‐B‐A – wird damit aufgehoben und geht in einen Schluss der Reflexion über. Zunächst bleibt das allgemeine Schema aber die Referenzform aller Verstandesschlüsse. Die in den verschiedenen Schlussfiguren sich ausdrückenden Verhältnisse von Einzelnem, Besonderem und Allgemeinen sind Hegel zufolge nur dann gültig, wenn sie sich auf die erste Figur zurückführen lassen. Die einzelnen Figuren des Schlusses sind demnach keine weiteren, gleichermaßen gültigen Arten von Schlüssen, sondern „Umformungen, in welche jene erste abstracte Form nothwendig übergeht, und sich dadurch weiter und zur Totalität bestimmt.“ (GW 12, S. 94) Mit der dritten Schlussfigur (E‐A‐B) ist demnach „die Bestimmung des Schlusses vollendet.“ (GW 12, S. 103), allerdings mit der Einschränkung, dass es sich hierbei um den formalen Schluss handelt. Das Spezifikum des formalen Schlusses zeigt sich in der dritten Figur, deren Mitte das ab Der Schluss des Daseins wird von Hegel in der Kurzform E-B-A dargestellt. Die behauptete Conclusio ist hierbei, dass ein Einzelnes ein Allgemeines sei, oder E-A.Vermittelt wird der Schluss durch das Besondere, das als terminus medius fungiert und als solches in beiden Prämissen, E-B (Das Einzelne ist ein Besonderes) und B-A (Das Besondere ist ein Allgemeines) vorhanden ist. Die Prämissen erscheinen in der ersten Schlussfigur als Unmittelbare und werden durch den zweiten und dritten Schluss vermittelt, so dass erst mit der gegenseitigen Vermittlung der ersten drei Schlussfiguren der Schluss sich zur Totalität seiner Bestimmungen vollendet. (Vgl. GW 12, S. 103) Formal lassen sich die drei Schlussformen wie folgt aufzeigen: . E – B– A . B–E–A . E – A – B

1.3 Der Schluss

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strakte Allgemeine ist, derart deutlich, dass Hegel ihn gar als „die Wahrheit des formalen Schlusses“ (GW 12, S. 103) bezeichnet. Das Besondere des formalen Schlusses ist, dass seine Vermittlung durch ein abstrakt Allgemeines erfolgt, so dass die Extreme des Schlusses in ihm nicht nach ihrer wesentlichen Bestimmtheit, sondern nach einer ihnen äußerlichen Allgemeinheit enthalten sind. Die Mitte ist demnach nicht das wesentlich Allgemeine der Extreme, sondern ein ihnen gegenüber äußerliches und gleichgültiges Allgemeines. Wird von den qualitativen, wesentlichen Bestimmungen der einzelnen Termini vollständig abstrahiert, besteht die Vermittlung des Schlusses in der äußerlichen Einheit der bloß äußerlichen quantitativen Gleichheit. Dieser von Hegel als vierte Schlussfigur aufgeführte mathematische Schluss behauptet: „Wenn zwey Dinge oder Bestimmungen einem Dritten gleich sind, so sind sie unter sich gleich.“ (GW 12, S. 104) Dieses Dritte ist aufgrund der durchgängigen Abstraktion von jeglicher qualitativer Bestimmtheit allein quantitativ als eine Größe zu fassen. Hegel hebt sich hierin nicht von der seiner Zeit gängigen Definition des mathematischen Schlusses ab. So ist im 1739 erschienenen Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste zu lesen, dass der mathematische Schluss darin bestehe, dass „man aus dem Verhältnis der Grössen andere unbekannte Grössen herleitet.“ (Zedler 1739, S. 2059) Die im mathematischen Schluss unterstellte Gleichheit gilt Hegel als eine „Beziehung, welche das Schliessen zu einer völlig gehaltleeren und tautologischen Formirung von Sätzen macht.“ (GW 12, S. 110) Diesem negativen Ergebnis des Schlusses des Daseins stellt Hegel das positive Resultat gegenüber, dass das Vermittelnde als ein Resultat der Reflexion erfasst. Damit sei ein weiterer Schritt auf dem Weg der wahren Bestimmung des Schlusses getan. Das Resultat des Schlusses, dass das Einzelne ein Allgemeines ist, erscheint in der traditionellen Syllogistik als der dritte von drei aufeinanderfolgenden Urteilen der Art: 1. Alle Menschen sind sterblich, 2. Cajus ist ein Mensch und 3. Also ist er sterblich. (Vgl. GW 12, S. 95) Die Beziehung der einzelnen Termini zeigt sich formell durch die leere Copula gesetzt und damit kontingent zum urteilenden Subjekt. Es ist, wie Hegel schreibt, „nichts als eine subjective Form“. (GW 12, S. 95) Im vernünftigen, sachgemäßen Schluss hingegen ist das Resultat durch die inhaltsvolle Mitte vermittelt, die die objektive Gültigkeit des Schlusses überhaupt erst zu begründen vermag. So ist für Hegel „ein Allgemeines, das durch die Besonderheit mit der Einzelheit zusammengeschlossen ist“ (GW 12, S. 95) nicht nur die wesentliche Bestimmung der Form des Schlusses, sondern zugleich die vernünftige Bestimmung aller Dinge. Ob und inwiefern die an dieser Stelle noch rein programmatische Forderung zu erfüllen ist, bleibt zu zeigen.

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1. Die Subjektivität

1.3.2 Der Schluss der Reflexion Die Schlüsse der Reflexion stellt Hegel schematisch in der Form 1. E-B-A (Schluss der Allheit),⁵³ 2. A-E-B (Schluss der Induktion)⁵⁴ und 3. E-A-B (Schluss der Analogie) dar. Der wesentliche Unterschied zu den Schlüssen des Daseins ist die Bestimmung des Terminus Medius. Im Schluss der Reflexion ist der Mittelterm nicht mehr die abstrakte Besonderheit des qualitativen Schlusses, sondern „gesetzt als die Totalität der Bestimmungen“ (GW 12, S. 110). Die in die Mitte des Schlusses gesetzte Einheit der Extreme ist selbst Resultat, sie ist „die Einheit der Reflexion, welche sie in sich befaßt“. (GW 12, S. 110) Das Bemühen der Reflexion das Mannigfaltige in sich zusammenzufassen bleibt jedoch defizitär. Die durch die Reflexion gesetzte Einheit erweitert zwar zunächst die Einzelheit qua Alle zur Allheit, die Allheit bleibt aber eine bloß äußerliche Einheit, sie ist „noch nicht die Allgemeinheit des Begriffs“. (GW 12, S. 111) Diese äußerliche, durch die Reflexion gesetzte Allgemeinheit ist Hegel ein bloßes „Blendwerk“ (GW 12, S. 112), da das Alle nichts weiter meint als alle Einzelne, nicht aber die notwendige Allgemeinheit Aller. Weil Alle alle Einzelne sind, ist der Obersatz „nicht für sich richtig […], sondern setzt selbst schon den Schlusssatz voraus, dessen Grund er seyn sollte.“ (GW 12, S. 112) Dass Cajus sterblich ist, soll im Obersatz, dass alle Menschen sterblich sind, begründet sein. Die im Obersatz ausgedrückte Allgemeinheit ist jedoch eine äußerliche, durch die Reflexion gesetzte Einheit aller einzelnen Menschen als Allheit. Dass alle Menschen sterblich sind, der dem Schluss der Allheit vorausgesetzte Obersatz ist demnach selbst das Resultat eines Schlusses. Die Mitte des Schlusses ist hierbei ein Einzelnes, das nur äußerlich die Allgemeinheit an ihr hat. Solange es nicht gelingt, das Einzelne zugleich als ein Allgemeines aufzufassen, die Allgemeinheit des Einzelnen als eine objektive zu bestimmen, bleibt der induktive Schluss notwendigerweise unvollständig. Hegels Kritik des induktiven Schlusses scheint auf dem ersten Blick nicht nur mit den Theorien induktiver Logik unvereinbar, sondern diesen sogar entgegengesetzt zu sein. Dass dem nicht so ist, soll der folgende Exkurs zu John Stuart Mills induktiver Logik, die zu den einflussreichsten Logiken des 19. Jahrhunderts zu zählen ist, aufzeigen.

 Das ist ebenso die Form der ersten Figur des Schlusses des Daseins.  Die zweite Figur des Schlusses des Daseins hat die umgekehrte Reihenfolge: B-E-A.

1.3 Der Schluss

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1.3.2.1 Exkurs: John Stuart Mills induktive Logik John Stuart Mill sucht in expliziter Kritik des „German or à priori view of human knowledge“ (CW I, S. 134) ein System induktiver Logik zu entwickeln, das alles Wissen aus der Erfahrung ableitet. Seine Kritik bezieht sich auch auf Hegel, auch wenn er zur Zeit der Niederschrift seines 1843 erstmals publizierten Systems der Logik über keine eingehenden Kenntnisse der hegelschen Philosophie zu verfügen scheint. In einem 1867 an Alexander Bain gerichteten Brief teilt er diesem seine durchweg negativen Erfahrungen mit der hegelschen Philosophie mit, die er durch die Lektüre von Stirlings The Secret of Hegel (Stirling 1865) erfahren habe.⁵⁵ Mills Kritik der „deutschen“ Philosophie richtet sich vornehmlich gegen die Annahme der Begründbarkeit synthetischer Urteile a priori. Ausgehend von der Wirklichkeit exakter Wissenschaften fragt John Stuart Mill nicht nach den Bedingungen ihrer Möglichkeit, sondern vielmehr nach den Bedingungen und Erfordernissen des Fortschritts des wissenschaftlichen Wissens. Mit seinem System der Logik bezweckt Mill keine Untersuchung der ursprünglichen Grundlage unseres Wissens, sondern vielmehr eine Erklärung, wie wir zu dem Teil unseres Wissens gelangen, der nicht ursprünglich ist.⁵⁶ Als ursprüngliches Wissen möchte Mill kein intuitives oder apriorisches Wissen verstanden wissen. Mit der Unterscheidung zwischen ursprünglichem und nicht ursprünglichem, derivativen Wissen geht es ihm um die Differenz zwischen schon Gewussten und bisher noch nicht Gewussten. (Vgl. Aristoteles, 1990, S. 1 (71a)) Mill fragt dementsprechend nicht nach den Bedingungen der Möglichkeit des Wissens im Sinne des schon Gewussten, sondern nach den Bedingungen der Möglichkeit neuer Erkenntnis. Der Gang einer jeden Wissenschaft sei der vom Bekannten zum Unbekannten, ein „progress from the known to the unknown“ (CW VII, S. 183), eine „progression from one truth to another“ (CW VII, S. 162), so dass jede Wissenschaft stetig im Prozess der Entwicklung begriffen sei. Nicht der rekursive Schluss auf die Bedingungen der Möglichkeit von Wissenschaft überhaupt sei durch die Logik

 „I have been toiling through Stirling’s Secret of Hegel. It is right to learn what Hegel is & one learns it too well from Stirling’s book. I say too well because I found by actual experience of Hegel that conversancy with him tends to deprave one’s intellect. The attempt to unwind an apparently infinite series of self contradictions not disguised but openly faced & coined into [ineligible word] science by being stamped with a set of big abstract names, really if persisted in impairs the acquired delicacy of perception of false reasoning & false thinking which has been gained by years of careful mental discipline with terms of real meaning. For some time after I had finished the book all such words as reflexion, development, evolution, &c., gave me a sort of sickening feeling which I have not yet entirely got rid of.“ Brief an Alexander Bain vom 04. November 1867. (CW XVI, S. 1324).  The „present purpose […] is to examine, not the original groundwork of our knowledge, but how we come by that portion of it which is not original“. (CW VII, S. 54).

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1. Die Subjektivität

zu begründen, sondern die Bedingungen der Möglichkeit dieses Fortschritts in den Wissenschaften sind der Gegenstand des Systems der Logik. Das Gebiet der Logik müsse dementsprechend beschränkt werden auf den Bereich unseres Wissens, der sich durch Schlüsse auf der Grundlage von schon Gewussten konstituiere. Ob das zuvor oder ursprünglich Gewusste allgemeine Propositionen, spezifische Beobachtungen oder Wahrnehmungen sind, sei für die Logik zweitrangig,⁵⁷ denn ihre Aufgabe sei weder die Beobachtung, noch die Erfindung oder die Entdeckung. Der Logik obliege es nicht, durch die Erfindung oder Entdeckung neuer einzelwissenschaftlicher Erkenntnisse den Fortschritt in den Wissenschaften zu begründen. Ihre Aufgabe sei vielmehr die Überprüfung, die Kritik der Stichhaltigkeit wissenschaftlicher Erfahrung, indem sie die ‘logischen’ Bedingungen dieses Fortschritts offenlegt. Die Logik ist für Mill die Wissenschaft der Wissenschaft, insofern sie als kritische Instanz die Voraussetzungen und Bedingungen des Fortschritts in den Wissenschaften beurteile.⁵⁸ Die Funktion einer „Fackelträgerin“ (Husserl 1992, S. 6), die den Naturwissenschaften vorausgeht um ihnen den rechten Weg zu weisen, wird ersetzt durch die Funktion einer prüfenden Nachhut. Die Logik selbst bedarf des Materials, das durch Erfahrung gewonnen wurde. Insofern setzt Mill die möglichen Inhalte der Logik als gegeben, als ursprüngliches Wissen voraus. Die Logik bestimmt Mill demgemäß als eine apodiktische Wissenschaft, (vgl. Aristoteles 1990) als die Wissenschaft des Beweises.⁵⁹ Ihr allein obliege es, alle Wissenschaften auf ihre Wissenschaftlichkeit zu überprüfen. Da alle Wissenschaften auf Tatsachen (data),⁶⁰ aus ihnen gezogenen Schlüsse, Beweisen und Bewiesenem beruhen, sei es die Aufgabe der Logik die wahren Verhältnisse zwischen ihnen offenzulegen und als Maßstab aller Wissenschaftlichkeit zu begründen.⁶¹ Unter der Voraussetzung, dass sich diese Relationen

 „The province of logic must be restricted to that portion of our knowledge, which consists of inferences from truths previously known; whether those antecedent data be general propositions, or particular observations and perceptions.“ (CW VII, S. 9).  „But logic sits in judgement on the sufficiency of that observation and experience to justify his rules, and on the sufficiency of that rules to justify his conduct. […] It is in this sense that logic is, […], ars artium; the science of science itself.“ (CW VII, S. 10).  „Logic is […] the science of Proof, or Evidence.“ (CW VII, S. 9).  Data wird im Folgenden mit Tatsachen wiedergegeben.  „All science consists of data and conclusions from those data, of proofs and what they prove: now logic points out what relations must subsist between data and whatever can be concluded from them, between proof and everything which it can prove. If there be such indispensable relations, and if these can be precisely determined, every particular branch of science, as well as every individual in the guidance of his conduct, is bound to conform to those relations, under the penalty of making false inferences – of drawing conclusions which are not grounded in the realities of things.“ (CW VII, S. 10 f).

1.3 Der Schluss

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eindeutig bestimmen lassen, folgt für Mill 1. die Allgemeingültigkeit und 2. die objektive Realität aller möglichen Aussagen über die zugrunde gelegten Tatsachen. Die Allgemeingültigkeit aller möglichen Aussagen lässt sich über die allgemeine Form aller Aussagen begründen, die das logisch richtige Verhältnis von Tatsachen, Schlüssen, Beweisen und Bewiesenen berücksichtigt.⁶² Die Begründung, die Mill für diese Allgemeingültigkeit gibt, ist apagogisch. Jeder Verstoß gegen die Form aller Wissenschaft, das spezifische Verhältnis von Tatsachen, Schluss, Beweis und Bewiesenem habe die Falschheit des Schlusses zur Konsequenz. Umgekehrt müsse jeder einzelne, der Wissenschaft betreiben wolle, eben dieses bestimmte Verhältnis immer schon voraussetzen. Auch die objektive Realität der Aussagen lässt sich nur unter der Annahme des eindeutig bestimmten Verhältnisses zwischen Tatsachen und Bewiesenem begründen. Darüber hinaus bedarf es aber auch einer bestimmten Form der Tatsachen, von denen die Schlüsse ihren Ausgang nehmen, damit eben diese Schlüsse tatsächlich in der Realität der Dinge begründet sind. Aber genau diese Form der Tatsachen lässt Mill in seinem System der Logik unbestimmt. Als ursprüngliches Wissen sind die Tatsachen jeder Wissenschaft als Material vorauszusetzen, selbst aber nur mittelbar in der Form der aus ihnen gezogenen Schlüsse zu überprüfen. Diesen problematischen Status der Tatsachen nimmt Mill bewusst in Kauf. Die Wissenschaft der Wissenschaft kann für Mill keine bloße „Logic of consistency“ sein, vielmehr müsse sie als „Logic of Truth“ zu begründen sein. (CW VII, S. 16) Der Anspruch, die Logik nicht bloß als formal konsistent oder widerspruchslos, sondern als wahr zu begründen, hat für Mill zur Konsequenz, dass Form und Inhalt der Logik wesentlich voneinander zu unterscheiden sind. Die vorauszusetzenden Tatsachen können dementsprechend nicht in der logischen Form aufgehen, müssen sich aber in diese überführen lassen. Wahrheit könne nicht nur jede Einzelwissenschaft, sondern auch die Logik selbst nur dann für sich beanspruchen, wenn sie sich auf die Dinge selbst und nicht auf die Form der Dinge oder auf die Repräsentanten der Dinge⁶³ beziehe. Es sei der kardinale Fehler der Logiken der vergangenen zwei Jahrhunderte die Ideen und nicht die Phänomene zum wesentlichen Inhalt der logischen Untersuchungen zu haben. Nicht die Relation von Ideen, sondern die

 Diese äußerliche Beziehung von gebildeten Begriffen macht den Kern der formalen Logik aus, der Hegels Kritik gilt. „Die formale Logik stellt Zustände fest; sie ist ein Ausdruck der Beziehung gebildeter Begriffe, nicht ein Ausdruck des Begreifens. Die Dialektik ist die Fähigkeit dieses Begreifens.“ (Krohn 1972, S. 10).  „Accordingly it has been seriously held […] that the process of arriving at new truths by reasoning consists in the mere substitution of one set of abitrary signs for another; […] and there cannot be a greater error than to imagine that thought can be carried on with nothing in our mind but names, or that we can make the names think for us.“ (CW VII, S. 176).

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1. Die Subjektivität

Relation von Phänomenen werde in Propositionen zum Ausdruck gebracht. Diese Verwechslung von Ideen und Erscheinungen sei auch verantwortlich dafür, dass die Wissenschaftstheorie nur unwesentliche Fortschritte gemacht habe. Alle logischen Untersuchungen vom 17. bis ins 19. Jahrhundert hinein unterstellten, dass die Untersuchung der Wahrheit in der Kontemplation unserer Ideen und Begriffe bestehe und nicht in der Untersuchung der Dinge selbst: „a doctrine tantamount to the assertion, that the only mode of acquiring knowledge of nature is to study it at second hand, as represented in our own minds.“ (CW VII, S. 89) Eine Logik der Wahrheit hingegen müsse sich auf die Dinge selbst beziehen. Dementsprechend muss auch der Gegenstand der Logik dieser als empirisch gegeben vorausgesetzt werden. Principles of Evidence and Theories of Method are not to be constructed à priori. The laws of our rational faculty, like those of every other natural agency, are only learnt by seeing the agent at work. The earlier achievements of science were made without the conscious observance of any Scientific Method; and we should never know by what process truth is to be ascertained, if we had not previously attained many truths. [Hervorhebung von mir; M.G.] […] This truth is exemplified by the history of the various branches of knowledge which have successively, in the ascending order of their complication, assumed the character of sciences; and will doubtless receive fresh confirmation from those, of which the final scientific constitution is yet to come. (CW VIII, S. 833)

Die Prinzipien des Beweises und die Theorien wissenschaftlicher Methoden seien ausschließlich als Resultat der Reflexion auf die wissenschaftliche Praxis zu bestimmen. Die wissenschaftliche Praxis wird somit zum Erklärungsgrund ihrer eigenen Möglichkeit. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Wirklichkeit einzelner wissenschaftlicher Aussagen und einzelner Wissenschaften der Begründung und auch der Begründbarkeit von Wissenschaften vorausgesetzt wird. In der strikten Befolgung seiner Intention, die objektive Realität zum Grund aller Wissenschaftlichkeit zu machen, erhebt Mill die Wirklichkeit einzelner Wissenschaften zum positiven Grund aller möglichen Wissenschaften. Der Fortschritt in den Wissenschaften, der Gang vom Bekannten zum Unbekannten, muss konsequenterweise wirklich sein, ohne dass die Bedingungen der Möglichkeit dieses wissenschaftlichen Fortschritts überhaupt begriffen wären. Die Reflexion auf die Bedingungen dieses Prozesses kann dann aber für diesen Prozess selbst nur arbiträr sein. Wissenschaft existiert demnach unabhängig von jeglicher Wissenschaft der Wissenschaft. Die Wissenschaft der Wissenschaft, die Reflexion auf die Bedingungen von Wissenschaft ist für Mill jedoch nicht in dem Sinn konstitutiv für die Wissenschaften, als dass ohne diese keine Wissenschaft als Wissenschaft möglich wäre. Für die Wissenschaft überhaupt sei die Logik nur als ein regulatives Prinzip von Bedeutung. Da alle Wissenschaften in einem steten Prozess des

1.3 Der Schluss

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Fortschritts begriffen seien, ist für Mill die wesentliche Funktion der Logik diejenige eines Prinzips nicht des zufälligen, sondern des beweisbaren wissenschaftlichen Fortschritts. In the progress of science from its easiest to its more difficult problems, each great step in advance has usually had either as its precursor, or as its accompaniment and necessary condition, a corresponding improvement in the notions and principles of logic received among the most advanced thinkers. And if several of the more difficult sciences are still in so defective a state […]; the reason perhaps is, that men’s logical notions have not yet acquired the degree of extension, or of accuracy, requisite for the estimation of the evidence proper to those particular departments of knowledge. (CW VII, S. 11 f.)

Die Reflexion auf die Voraussetzungen der einzelnen Wissenschaften ist für Mill der genuine Gegenstand der Logik. Das System der Logik ist demnach keine notwendige Bedingung der Möglichkeit wissenschaftlicher Aussagen, wohl aber eine Bedingung des Fortschritts in den Wissenschaften. Der Fortschritt in den Wissenschaften hat somit, von einem gewissen Stadium der Entwicklung an, auch den Fortschritt in der Logik zur Voraussetzung. So sei der maßgebliche Grund für die Mangelhaftigkeit der vorherrschenden Wissenschaftstheorien, dass die Wissenschaft der Wissenschaft den Einzelwissenschaften auf ihren progressiven Weg nicht folge, geschweige denn diesen den Weg weise. Meanwhile, inquiries into every kind of natural phenomena were incessantly establishing great and fruitful truths on most important subjects, by processes upon which these views of the nature of Judgement and Reasoning threw no light, and in which they afforded no assistance whatever. No wonder that those who knew by practical experience how truths are arrived at, should deem a science futile, which consisted chiefly of such speculations. What has been done for the advancement of Logic since these doctines came into vogue, has been done not by professional logicians, but by discoverers in the other sciences; in whose methods of investigation many principles of logic, not previously thought of, have successively come forth into light, but who have generally committed the error of supposing that nothing whatever was known of the art of philosophizing by the old logicians, because their modern interpreters have written to so little purpose respecting it.“ (CW VII, S. 89)

Der avancierte Stand der Wissenschaften lässt, so Mill, einer Revolution der wissenschaftlichen Denkart keinen Raum. Die einzig verbleibende notwendige Verbesserung „in the methods of philosophizing“ (CW VII, S. cxi) sei die exakte und systematische Bestimmung der Tätigkeiten, mit denen der menschliche Intellekt, zumindest in ihrer elementarer Form, unlängst vertraut sei. Die Naturwissenschaftler verwenden Methoden, auf deren Voraussetzungen und Bedingungen weder die Naturwissenschaftler noch die Philosophen hinreichend reflektiert haben. Diesem Desiderat entgegen zu wirken und damit den Fortschritt in den Wissenschaften systematisch zu begründen, sei die Aufgabe des Systems

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1. Die Subjektivität

der Logik. Aus dieser Anforderung an die Logik ergibt sich für ihn die Notwendigkeit einer kritischen Überprüfung der klassischen Syllogistik.

1.3.2.1.1 Die Lehre vom Schluss und die Crux des Syllogismus Die eigentliche Aufgabe der Wissenschaft der Logik ist für Mill die Begründung der Beweisbarkeit wahrer Aussagen.⁶⁴ Sieht man von der Möglichkeit selbstevidenter Urteile ab, so ist der Beweisgrund eines Urteiles in einem anderen Urteil zu suchen. Die Herleitung eines Urteils aus einem anderen ist nichts anderes als ein Schluss oder inference. ⁶⁵ Ob jedoch der klassische Syllogismus berechtigterweise unter die Formen des Schlussverfahrens fällt, stellt Mill in Frage.⁶⁶ Eine tatsächliche Schlussfolgerung sei gekennzeichnet durch einen Progress von etwas Bekanntem zu etwas bislang Unbekanntem,⁶⁷ durch einen Fortschritt von einer Wahrheit zu einer anderen.⁶⁸ Dieser Fortschritt in der Erkenntnis müsse Gegenstand eines beweisenden Verfahrens, einer Schlussfolgerung, sein. Ein Schluss müsse demnach eine neue Erkenntnis hervorbringen, die nicht in den Prämissen enthalten sei. Wäre der Inhalt des Schlusssatzes mit den Prämissen schon gegeben, dann wäre der Schluss nicht mehr als eine bloße Explikation des in den Prämissen enthaltenen Sachverhalts. Der Syllogismus scheint dieser Forderung an das Schlussverfahren nicht gerecht werden zu können, da die Validität eines Syllogismus nur unter der Voraussetzung gegeben ist, dass die conclusio nicht über die Prämissen hinausgeht. Lässt sich aus dem Obersatz nicht mehr beweisen als in ihm schon enthalten ist, so taugt der Syllogismus nicht zur Begründung neuer Erkenntnisse, die über den Inhalt des Obersatzes hinausweisen. Mills Kritik des Syllogismus (vgl. Ryan 1970, S. 21 ff.) geht über diese Beschränkung seiner Bedeutung nicht hinaus. Der Syllogismus tauge nicht zur Begründung

 Vgl. CW VII, S. 158: „the peculiar problem of the Science of Logic, namely, how the assertions, of which we have analysed the import, are proved or disproved“.  „We say of a fact or statement, that it is proved, when we believe its truth by reason of some other fact or statement from which it is said to follow. Most of the propositions, whether affirmative or negative, universal, particular, or singular, which we believe, are not believed on their own evidence, but on the ground of something previously assented to, from which they are said to be inferred.“ (CW VII, S. 158).Vgl. Immanuel Kants Logik (AA IX, S. 114): „Unter Schließen ist diejenige Function des Denkens zu verstehen, wodurch ein Urtheil aus einem anderen hergeleitet wird. Ein Schluss überhaupt ist also die Ableitung eines Urtheils aus dem anderen.“  „We have now to inquire, whether the syllogistic process, that of reasoning from generals to particulars, is, or is not, a process of inference; a progress from the known to the unknown: a means of coming to a knowledge of something which we did not know before.“ (CW VII, S. 182).  CW VII, S. 183: „a progress from the known to the unknown“.  CW VII, S. 162: „progression from one truth to another“.

1.3 Der Schluss

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neuer Erkenntnisse,⁶⁹ sei aber auch nicht im Sinne einer petitio principii vollkommen grundlos. Der gegen den Syllogismus erhobene Einwand einer petitio principii sei unbegründet, es sei denn „we consider the major to be itself the evidence by which the conclusion is proved.“ (CW VII, S. 200) Solange der Obersatz nicht als der Beweisgrund des Schlusses behauptet werde, käme dem Syllogismus eine begründete Funktion zu, insofern er eine „security for good reasoning, not a condition of all reasoning“ (CW VII, S. 205) ist. Mit seiner Kritik am Syllogismus möchte Mill zeigen, dass der Obersatz nicht als Beweisgrund fungieren könne, denn: „no reasoning from generals to particulars can, as such, prove anything: since from a general principle we cannot infer any particulars, but those which the principle itself assumes as known.“ (CW VII, S. 184) Vielmehr sei der Obersatz selbst das Resultat eines Schlussverfahrens. Dahinter verbirgt sich die berechtigte Kritik an der Annahme der Unmittelbarkeit der Geltung des Obersatzes. Das Urteil ‚Alle Menschen sind sterblich‘, könne nicht der Beweisgrund des Urteils ‚Wellington ist sterblich‘ sein, denn das allgemeine Urteil folgt selbst erst aus der Kenntnis der Existenz einzelner Sterblicher. Der einzig mögliche Beweisgrund, die wahre Prämisse eines Schlusses, sei deshalb die Erfahrung, die individuelle Beobachtung. (Vgl. CW VII, S. 213) Die individuellen Fälle seien „all the evidence we can possess, evidence which no logical form into which we choose to throw it can make it greater than it is“. (CW VII, S. 187) Mill unterscheidet streng zwischen der logischen Form und dem Inhalt einer Proposition. Da die bloße Form einer Proposition nicht die Wahrheit der Proposition beweisen könne, hänge die objektive Realität der Proposition vom Inhalt der Proposition und der Art und Weise, wie diese ursprünglich erkannt werde, ab. Unabhängig von der individuellen Erfahrung, dass einzelne Personen gestorben sind, wäre der Obersatz, dass alle Menschen sterblich sind, ohne jeglichen Bezug zu den Tatsachen, ohne objektive Realität. Mill kommt zu dem richtigen Schluss, dass alle Obersätze den Grund der Gewissheit ihrer Geltung nicht unmittelbar in sich selbst tragen, sondern vielmehr selbst Resultat eines Schlusses sind. Sie bedürfen selbst der Vermittlung. Insofern kein Obersatz die Gewissheit seiner Geltung aus sich selbst begründen kann, nicht selbstevident ist, hat jeder allgemeine Satz singuläre Sätze zur Voraussetzung. Für Mill folgt daraus, dass der Beweisgrund eines jeden Syllogismus deshalb nicht im Obersatz liege, sondern in den den Obersatz begründenden singulären Sätzen. Die wahren Prämissen sind für Mill die „individual observations“. (CW VII, S. 213) Ob die individuellen Be Mills Kritik des Syllogismus ist nicht originell. So schreibt z. B. Christian Wolff von der Unmöglichkeit durch den Syllogismus etwas zu erfinden, also eine unbekannte Wahrheit aus einer bekannten, als Prämisse fungierenden Wahrheit zu erschließen. Vgl. Wolff 1713, § 24, sowie: 1720, § 362.

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obachtungen die einzig möglichen Prämissen sein können, ist jedoch fragwürdig. Mill behauptet, dass eine individuelle Beobachtung, eine individuelle Erfahrung, der einzig mögliche und notwendige Beweisgrund für Aussagen sei. Damit unterstellt er, dass eine Erfahrung mehr beweisen könne als das mit und in der einen bestimmten Erfahrung Bewiesene. Die Beweiskraft wäre somit umfassender als der Beweisgrund. All inference is from particulars to particulars: General propositions are merely registers of such inferences already made, and short formulae for making more: The major premise of a syllogism, consequently, is a formula of this description: and the conclusion is not an inference drawn from the formula, but an inference drawn according to the formula: the real logical antecedent, or premise, being the particular facts from which the general proposition was collected by induction. (CW VII, S. 193)

Mills Kritik am Syllogismus richtet sich also vornehmlich gegen die Annahme, dass der Obersatz der unmittelbare und unvermittelte Beweisgrund des Schlusses sei. Der Obersatz sei nicht als ein Axiom aufzufassen, das andere Sätze begründe ohne selbst einer weiteren Begründung zu bedürfen oder zugänglich zu sein. Solange der Obersatz tatsächlich auf eine individuelle Beobachtung als die wahre Prämisse zurückgeführt werden kann, ist der Beweis des allgemeinen Satzes unproblematisch. Andernfalls würde der geforderte Beweis des Beweisgrundes entweder in einem unendlichen Regress enden oder der Beweis des Satzes müsste von der Geltung des Satzes unterschieden werden. Die Einsicht in den Beweis ist keine notwendige Bedingung für die richtige Anwendung des Bewiesenen. So schreibt dann auch Mill, „though the reasonings in mathematics depend entirely on the axioms, it is by no means necessary to our seeing the conclusiveness of the proof, that the axioms should be expressly adverted to.“ (CW VII, S. 291) Die Möglichkeit der Trennung von Beweis und Geltung des Axioms begreift Mill jedoch als Beweis dafür, dass ein Axiom oder Obersatz nicht der notwendige Beweisgrund für einen Schluss sei. Vielmehr seien die Axiome merely abridged statements, in a kind of short-hand, of the particular facts, which, as occasion arises, we either think we may proceed on as proved, or intend to assume. […] The proof does not rest on the general assumption, but on a similar assumption confined to the particular case: that case, however, being chosen as a specimen or paradigm of the whole class of cases included in the theorem, there can be no ground for making the assumption in that case which does not exist in every other; and to deny the assumption as a general truth, is to deny it in the particular instance. (CW VII, S. 192)

Seiner Forderung, dass der Beweisgrund selbst bewiesen werden müsse, will Mill darüber gerecht werden, dass er den unendlichen Regress mit der individuellen Erfahrung abbricht. Die individuelle Erfahrung ist ihm der Beweisgrund aller

1.3 Der Schluss

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Folgerungen, der keines weiteren Beweises bedürftig sei, weil er an sich selbst gewiss sei. Die Problematik dieser Fundierung der Induktion, die ihrerseits die notwendige und hinreichende Grundlage aller Wissenschaften sein soll, ist Mill nicht entgangen und sorgt für eine interessante Wende zum Ende seines Systems der Logik, die noch zu thematisieren sein wird.⁷⁰ Fragwürdig bleibt zunächst vor allem, ob eine Erfahrung, die in ihrer Genese natürlich zunächst individuell ist, überhaupt mehr beweisen kann als die Tatsache der individuell gemachten Erfahrung, wenn nicht zugleich eine allgemeine Form unterstellt wird, die die Einheit der Erfahrung überhaupt garantiert. Eben eine solche allgemeine Form unterstellt Mill, wenn er behauptet, dass ein spezifischer Fall ausreiche um eine unbestimmte Menge ähnlicher Fälle zu beweisen. Der von Mill propagierte Schluss von Besonderem auf Besonderes ist nur valide, wenn die Besonderen einer einheitlichen Form subsumierbar sind. Dass diese einheitliche Form als ein Allgemeines zu begreifen ist, weist Mill jedoch ab. (Vgl. Ulrici 1852, S. 169) Not only may we reason from particulars to particulars without passing through generals, but we perpetually do so. All our earliest inferences are of this nature. From the first dawn of intelligence we draw inferences, but years elapse before we learn the use of general language. The child, who, having burnt his fingers, avoids to thrust them again into the fire, has reasoned or inferred, though he has never thought of the general maxim, Fire burns. He knows from memory that he has been burnt, and on this evidence believes, when he sees a candle, that if he puts his fingers into the flames of it, he will be burnt again. He believes this in every case which happens to arise; but without looking, in each instance, beyond the present case. He is not generalizing; he is inferring a particular from particulars. (CW VII, S. 188)

Dass Feuer brennt und den in die Flamme gehaltenen Finger verbrennt, kann ein Kind durch individuelle Erfahrung lernen. Der Schluss von dieser individuellen Erfahrung auf die Verbrennungsgefahr durch jedes andere erfahrbare Feuer basiert aber nicht ausschließlich auf dieser individuellen Erfahrung. Der Beweisgrund ist zwar die individuelle Erfahrung, aber dass von der einen, singulären Erfahrung auf alle möglichen anderen Fälle geschlossen werden kann, setzt die Vergleichbarkeit der Fälle voraus. Es muss unterstellt werden können, dass das eine die Verbrennung verursachende Feuer nicht nur ein singuläres Phänomen ist, sondern einer bestimmten Art von Phänomenen zugeordnet werden kann. Diese Zuordnung ist nur unter der Voraussetzung einer einheitlichen, einer allgemeinen Form möglich. Die Vergleichbarkeit der individuellen Fälle hält auch Mill für notwendig, ohne jedoch den Grund dieser Vergleichbarkeit, sieht man von einem Gefühl der Gewissheit ab, zu offenbaren.

 Vgl. das noch folgende Kapitel (f) Mills Theorie der Arten.

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1. Die Subjektivität

From instances which we have observed, we feel warranted in concluding, that what we found true in those instances, holds in all similar ones, past, present, and future, however numerous they may be. (CW VII, S. 186)

Der Beweis eines singulären Falles soll hinreichend zur Begründung einer ganzen Klasse von Fällen sein. Ermöglicht werde die uneingeschränkte Reichweite des Beweises durch die Art des Beweisverfahrens. Dieses Beweisverfahren sei ein Prozess, „which […] might be exactly copied in an indefinite number of cases; in every instance which conforms to certain conditions.“ (CW VII, S. 191) Ein klassischer Syllogismus genügt den an das Beweisverfahren gestellten Anforderungen nicht, da ein apodiktischer Schluss von einem Allgemeinen auf ein Besonderes, so Mill, für sich keine Validität beanspruchen könne.⁷¹ Der einzig mögliche Beweisgrund objektiv gültiger Aussagen sei die (individuelle) Erfahrung, so dass ausschließlich der Schluss von Besonderem auf Besonderes als ein beweisender Schluss möglich sei. Wenn weder ein Obersatz noch ein Axiom ein unvermittelter Beweisgrund sein können, sondern gleichermaßen Resultat einer Induktion sind, dann müssen die Prinzipien und Grundsätze jeder Wissenschaft das Resultat einer Induktion, eine Verallgemeinerung der individuellen Erfahrung, eine experimentelle Wahrheit sein.

1.3.2.1.2 Die Induktion als Grundlage aller Wissenschaften Die Grundlage aller Wissenschaften ist demnach die Induktion.⁷² Auf diese These lässt sich die induktive Logik ihren Kern nach zurückführen. Die Induktion ist für Mill „the operation of discovering and proving general propositions.“ (CW VII, S. 284) Wahrheiten werden entdeckt, indem sie aus schon Bekanntem erschlossen werden. Bewiesen werden diese Wahrheiten, sofern das Schlussverfahren, mit Hilfe dessen aus Bekanntem etwas Unbekanntes erschlossen wird, einem spezifischen Prüfstein genügt. Diesen Prüfstein zu liefern, sei die besondere Aufgabe der induktiven Logik. Das entscheidende Kriterium, ob eine Induktion vorliegt, ist für Mill jedoch die neue Erkenntnis, die Synthesis, die jeder induktive Schluss enthalten müsse.⁷³

 Vgl. CW VII:, S. 184: „no reasoning from generals to particulars can, as such, prove anything: since from a general principle we cannot infer any particulars, but those which the principle itself assumes as known.“  Vgl. CW VII, S. 224: „the foundation of all sciences […] is induction“.  Vgl. CW VII, S. 304: „the transition from known cases to unknown, which constitutes Induction in the original and acknowledged sense of the term.“

1.3 Der Schluss

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Eine weitere notwendige Bestimmung der Induktion ist für Mill die Allgemeingültigkeit des Schlusssatzes.⁷⁴ Die durch Induktion gewonnene Aussage gilt demnach nicht nur für eine bestimmte Klasse, deren Individuen bekannt sind, sondern für alle möglichen Individuen, die dieser Klasse zugezählt werden können. Eine solche Allgemeingültigkeit ermöglicht es von einem bestimmten Fall auf andere, bislang unbekannte Fälle zu schließen. Every induction, therefore, which suffices to prove one fact, proves an indefinite multitude of facts: the experience which justifies a single prediction must be such as will suffice to bear out a general theorem. (CW VII, S. 196)

Die Erfahrung, die eine einzelne Tatsache begründet, muss gleichermaßen die Totalität jener spezifischen Art von Tatsache begründen können. Die von Mill geforderte strenge Allgemeinheit ist, wie er hervorhebt, durch eine aufzählende Induktion nicht zu leisten. Eine inductio per enumerationem simplicem ist in ihrer Geltung auf die Gegenstände restringiert, die in den beschränkten Erfahrungsbereich fallen. Dieser bestimmte, endliche Erfahrungsbereich ist gleichermaßen Beweisgrund und Geltungsbereich der Schlüsse. Die Indifferenz von Beweisgrund und Geltungsbereich führt dazu, dass die durch eine aufzählende Induktion gewonnenen Schlüsse von bloß komparativer Geltung sind, und, dass der Beweisgrund nicht über das mit ihm schon Bewiesene hinausweist. Auf ein Unbekanntes lässt sich nur schließen, wenn es nicht gleichermaßen mit dem Beweisgrund bekannt oder gegeben ist. Würde der induktive Schluss auf die Möglichkeit einer Induktion per enumerationem simplicem beschränkt werden, dann könnte die Induktion kein Schluss von Bekanntem auf Unbekanntes sein. Um seinem ersten Kriterium der Induktion, der Erweiterung der Erkenntnis, gerecht zu werden, muss Mill also aufzeigen, wie aus einer endlichen Erfahrung, die ihm der einzig mögliche Beweisgrund ist, auf der Erfahrung Transzendentes, auf Unbekanntes, geschlossen werden könne. Dass die notwendig endliche Erfahrung transzendiert werden könne, kann für Mill wiederum nur aus der Erfahrung begründet werden. If in concluding that all animals have a nervous system, we mean the same thing and no more as if we had said „all known animals“, the proposition is not general, and the process by which it is arrived at is not induction. But if our meaning is that the observations made of the various species of animals have discovered to us a law of animal nature, and that we are in condition to say that a nervous system will be found even in animals yet undiscovered, this indeed is an induction; but in this case the general proposition contains more than the sum of

 Strenge Allgemeinheit und die Hinzufügung eines neuen, bisher unerkannten Prädikats machen zwei der drei (das dritte ist die Notwendigkeit) Kriterien eines synthetischen Urteils a priori aus.

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the special propositions from which it is inferred. The distinction is still more forcibly brought out when we consider, that if this real generalization be legitimate at all, its legitimacy probably does not require that we should have examined without exception every known species. It is the number and nature of the instances, and not their being the whole of those which happen to be known, that makes them sufficient evidence to prove a general law: while the more limited assertion,which stops at all known animals, cannot be made unless we have rigorously verified it in every species. (CW VII, S. 289)

Es muss demnach möglich sein, von einer endlichen Erfahrung auf eine allgemeingültige Wahrheit zu schließen. Der Beweis einer allgemeinen, nicht bloß das schon Bekannte umfassenden Proposition muss aufzeigen können, wie ein bestimmtes Prädikat einer unbegrenzten Anzahl von Individuen entweder zu- oder abgesprochen wird. Diese unbegrenzte Anzahl von Individuen begreift Mill als die Totalität aller möglichen Individuen, „which possess the properties connoted by the subject of the proposition.“ (CW VII, S. 289) Die Begründung einer allgemeinen Proposition sei allein auf dem Wege einer Induktion möglich, so dass die Grundlage aller möglichen Wissenschaften nichts anderes als die Induktion sein könne. Als Induktion definiert Mill dasjenige Verfahren, by which we infer that what we know to be true in a particular case or cases, will be true in all cases which resemble the former in certain assignable respects. In other words, Induction is the process by which we conclude that what is true of certain individuals of a class is true of the whole class, or that what is true at certain times will be true in similar circumstances at all times.“ (CW VII, S. 288)

Dasjenige, welches von einigen Individuen ausgesagt wird, muss demnach von allen Individuen einer bestimmten Art gültig sein. Andernfalls wäre der Schluss, wie Mill hervorhebt, überhaupt nicht gültig. Der Beweisgrund einer Induktion liegt für Mill allerdings nicht in der Bestimmung einer spezifischen Art, sondern in den spezifischen Fällen selbst.⁷⁵ So sei z. B. der geometrische Beweis, dass die Winkelsumme aller Dreiecke 180° ist,weil die Winkelsumme des spezifischen Dreiecks ABC 180° ist, zwar eine Verallgemeinerung, aber keine Induktion.Wir folgern dies, „not because it is true of ABC, but for the same reason which proved it to be true of ABC.“ (CW VII, S. 290) Das Charakteristikum einer ‘wahren’ Induktion sei, dass der Beweisgrund ein spezifischer Fall, eine individuelle Erfahrung sei. Die geometrische Demonstration durch Konstruktion eines Dreiecks ist kein unmittelbarer, kein direkter Beweis der allgemeinen Proposition, dass die Winkelsumme aller Dreiecke 180° ist. Die gewonnene Erkenntnis sei zwar allgemein, aber „is not believed on the evidence of particular instances. We do not conclude that all

 Vgl. dagegen seine „theory of kinds“.

1.3 Der Schluss

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triangles have the property because some triangles have, but from the ulterior demonstrative evidence which was the ground of our conviction in the particular instances.“ (CW VII, S. 291) Nicht die Zugehörigkeit zur Klasse der Dreiecke könne als Beweisgrund einer Induktion fungieren, sondern allein die spezifische Erfahrung. Auch wenn man zugesteht, dass der Beweisgrund einer Induktion nichts als die Erfahrung besonderer Fälle sein könne, so bleibt davon jedoch die Frage unberührt, wie eine spezifische Erfahrung eine allgemeine Proposition begründen können soll. The conclusion in an induction embraces more than is contained in the premises. The principle or law collected from particular instances, the general proposition in which we embody the result of our experience, covers a much larger extent of ground than the individual experiments which form its basis. A principle ascertained by experience, is more than a mere summing up of what has been specifically observed in the individual cases which have been examined; it is a generalization grounded on those cases, and expressive of our belief, that what we there found true is true in an indefinite number of cases which we have not examined, and are never likely to examine. (CW VII, S. 163)

Der Glaube, die Überzeugung, dass dasjenige, was von einigen wahr ist, auch von allen anderen der Art gelten muss, bezeichnet Mill als den notwendig vorauszusetzenden Grund der Induktion. Dieser Grund der Induktion ist letztendlich nichts anderes als die Gleichförmigkeit des Naturverlaufs, die „Uniformity of Nature“. Mit der Forderung, dass jeder induktive Schluss ein Schluss von Bekanntem auf Unbekanntem sein müsse, fällt neben der aufzählenden Induktion auch die beschreibende Induktion unter die Klasse der von Mill so genannten „uneigentlichen Induktion“. Zur Erläuterung dieser beschreibenden Induktion bemüht Mill ein Beispiel: Ein Seefahrer umrundet ein Stück Land, das er nicht auf einmal überblicken kann. Sobald er das Eiland vollständig umsegelt hat, kommt er zu dem Schluss, dass es sich um eine Insel handeln müsse. Dieser Schluss ist für Mill keine Induktion, sondern eine bloße Zusammenfassung von Einzeltatsachen, die den einzelnen Tatsachen nichts Neues hinzufüge und daher über eine bloße Beschreibung einer Tatsache nicht hinausgehe. Now there was no particular time or place of observation, at which he could perceive that this island was entirely surrounded by water: he ascertained the fact by a succession of partial observations, and then selected a general expression which summed up in two or three words the whole of what he so observed. But is there anything of the nature of an induction in this process? Did he infer anything that had not been observed from something else which had? Certainly not. He had observed the whole of what the proposition asserts. That the land in question is an island, is not an inference from the partial facts which the navigator saw in the course of his circumnavigation; it is the facts themselves; it is a summary of those facts; the description of a complex fact, to which those simpler ones are as the parts of a whole. (CW VII, S. 292)

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1. Die Subjektivität

Mill übersieht hierbei geflissentlich, dass die Einzelbeobachtungen, die der Seefahrer auf seiner „Rundreise“ macht, nicht per se als einzelne Teile eines Ganzen erkannt werden können.Weder lässt sich aus den einzelnen Beobachtungen allein auf eine Rundreise, noch auf eine umrundete Insel schließen. Dass die sukzessiven Beobachtungen notwendig einzelne sind, bedeutet nicht, dass diese Einzelnen ein Teil eines Ganzen ausmachen müssen und sie als ein solcher Teil erkannt werden. Die systematische Zusammengehörigkeit der einzelnen Tatsachen folgt weder aus der subjektiven Zusammengehörigkeit des einzeln Beobachteten, noch aus der Sukzession der ‘Tatsachen’. Die Synthesis der einzelnen Beobachtungen zur Vorstellung einer Insel kann nicht das ausschließliche Resultat der Beobachtung der aufeinanderfolgenden ‘Tatsachen’ sein. Eben dies versucht Mill gegen Whewell zu beweisen. Das Finden eines solchen zusammenfassenden Gesamtausdrucks, wie z. B. der einer Insel, bezeichnet Whewell als eine colligation. Diese Zusammenknüpfung von Tatsachen ist für Whewell jedoch mehr als die bloße Summe der einzelnen Tatsachen, da der vereinigende Verstandesbegriff selbst nicht Teil der Einzeltatsachen sei. Dieses Hinzukommen eines Begriffs, der als vereinigendes Prinzip fungiert, leugnet Mill: No one ever disputed that in order to reason about anything we must have a conception of it; or that when we include a multitude of things under a general expression, there is implied in the expression a conception of something common to those things. But it by no means follows that the conception is necessarily preexistent, or constructed by the mind out of its materials. If the facts are rightly classed under the conception, it is because there is in the facts themselves something of which the conception itself is a copy; and which if we cannot directly perceive, it is because of the limited power of our organs, and not because the thing itself is not there. (CW VII, S. 296)

Eine strenge Auslegung dieser Bestimmung hat zur Folge, dass ein ‘objektiver’ Begriff nicht mehr und nicht weniger als die Gegenstände möglicher Erfahrung umfassen kann. Der Begriff einer Insel kann dann nicht mehr umfassen als die Summe der einzelnen Erfahrungen. Die Einheit der einzelnen Erfahrungen wird für Mill nicht durch den Begriff, sondern durch die bloße Sukzession der Erfahrung begründet. Soll die Sukzession der Erfahrung nicht arbiträr sein, muss sie durch ein geregeltes Verfahren zumindest überprüfbar sein. Ein solches Verfahren kann für Mill allein die induktive Methode bereitstellen. Die induktive Methode ist jedoch selbst nicht voraussetzungslos:

1.3 Der Schluss

83

it is impossible to frame any scientific method of induction, or test of the correctness of inductions, unless on the hypothesis that some inductions of unquestionable certainty have been already made. (CW VII, S. 318)⁷⁶

Die Induktion bedarf somit eines eigens zu begründenden Grundes, der im folgenden Kapitel thematisiert wird.

1.3.2.1.3 Naturgesetze und Gesetzmäßigkeit der Natur. Vom Grund der Induktion. Auch für Mills Theorie der Induktion gilt, dass 1. keine neue Erkenntnis, keine neue Wahrheit unabhängig von Erfahrung gewonnen werden könne, und dass 2. kein Beweis irgendeiner Erkenntnis unabhängig von Erfahrung möglich sei. D.h. auch die Induktion lässt sich nur mit und durch Erfahrung begründen. Die Induktion, die die Einheit der Erfahrung verbürgen soll, hat demnach ihren Grund selbst in der Erfahrung. Notwendig ist die Angabe eines Grundes der Induktion, weil andernfalls der Beweisgrund wissenschaftlicher Aussagen selbst grundlos, bzw. unbegründet wäre. Die Induktion mag zwar eine Bedingung des Fortschritts in den Wissenschaften sein, sie kann aber selbst nicht voraussetzungslos sein. We must first observe, that there is a principle implied in the very statement of what Induction is; an assumption with regard to the course of nature and the order of the universe; namely that there are such things in nature as parallel cases; that what happens once, will, under a sufficient degree of similarity of circumstances, happen again, and not only again, but as often as the same circumstances recur. (CW VII, S. 307)

Ohne diese Voraussetzung ließe sich nicht von einer endlichen Erfahrung auf allgemeingültige Wahrheiten schließen. Die Gesetzmäßigkeit der Natur ist der vorauszusetzende Grund jedes einzelnen Schlusses. Diese unterstellte Naturordnung ist für Mill das Prinzip, das Axiom der Naturerklärung. Ohne Annahme dieses Prinzips wäre jeder Versuch der Naturerklärung unbegründet. Fragwürdig ist jedoch, ob diese Annahme selbst überhaupt zu begründen ist. Für Mill ist sie keine transzendentale Bedingung, sondern ein empirisches Faktum. Whatever the most proper mode of expressing it, the proposition that the course of nature is uniform, is the fundamental principle, or general axiom, of induction. It would yet be a great error to offer this large generalization as any explanation of the inductive process. On the contrary, I hold it to be itself an instance of induction, and induction by no means of the most obvious kind. Far from being the first induction we make, it is one of the last. (CW VII, S. 307)

 Mit der dritten Auflage von 1851 ersetzt Mill die Formulierung „of unquestionable certainty“ durch die relativierende Formulierung „deserving of reliance“.

84

1. Die Subjektivität

Kein Obersatz, kein Axiom könne als ein unvermittelter Beweisgrund fungieren. Jedes Axiom müsse das Resultat einer Induktion sein. So ist es auch nur konsequent, dass das Axiom der Gleichförmigkeit des Naturverlaufs ebenso als das Resultat einer Induktion, als eine Verallgemeinerung der individuellen Erfahrung, als eine experimentelle Wahrheit bestimmt wird. Der Grund jeder möglichen Induktion ist demnach selbst Resultat von schon getätigten Induktionen. Dieses problematische Verhältnis von Induktion und Grund der Induktion versucht Mill durch einen Rückgriff auf das Verhältnis von Syllogismus und Induktion aufzuklären. Eine jede Induktion könne in die Form eines Syllogismus gebracht werden. If this be actually done, the principle which we are now considering, that of the uniformity of the course of nature, will appear as the ultimate major premise of all inductions, and will, therefore, stand to all inductions in the relation in which, as has been shown at so much length, the major proposition of a syllogism always stands to the conclusion; not contributing at all to prove it, but being a necessary condition of it being proved; since no conclusion is proved, for which there cannot be found a true major premise. (CW VII, S. 308)

Das Prinzip, das Axiom jeder möglichen Induktion sei nicht nur selbst das Resultat vieler Induktionen, sondern darüber hinaus auch kein Beweisgrund für diese einzelnen Induktionen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der allgemeine Grund der Induktion selbst kein Beweisgrund einzelner Induktionen ist. Mills Argument ist nicht nur aus seiner Syllogismuskritik, sondern auch aus seinen Überlegungen zur Geometrie bekannt: Jeder Obersatz, jedes Axiom und auch jedes allgemeine Gesetz ist notwendig durch Erfahrung vermittelt. Dass alle Naturvorgänge nach allgemeinen Gesetzen verlaufen, könnte niemals erkannt werden, „if we had not first arrived, in the case of a great multitude of phenomena, at some knowledge of the laws themselves; which could be done no otherwise than by induction.“ (CW VII, S. 307) Mill verwechselt auch hier den logischen Beweisgrund aller möglichen Schlüsse, die Gesetzmäßigkeit der Natur, mit der Genese der individuellen Einsicht in diese Voraussetzung, mit der erkenntnistheoretischen Reflexion auf diese Bedingung. Das logische Axiom der Naturerklärung, die Gleichförmigkeit des Naturverlaufs, wird ihm zu einer psychologischen Prämisse, die empirisch vom erkennenden Subjekt einzuholen ist. Und so müsse auch auf die Erfahrung zurückgegriffen werden, um von ihr zu lernen, unter welchen Umständen aus der Erfahrung gewonnene Argumente eine allgemeine Geltung beanspruchen dürfen.⁷⁷ Der Beweis für die Allgemeingültigkeit selbst beruhe auf unserer Erfahrung.

 Vgl. CW VII, S. 319: „Experience must be consulted in order to learn from it under what circumstances arguments from it will be valid.“

1.3 Der Schluss

85

Der wahre Beweis dafür, „that what is true of John, Peter, &c. is true of all mankind, can only be, that a different supposition would be inconsistent with the uniformity which we know to exist in the course of nature.“ (CW VII, S. 310) Soll das Wissen um die Existenz dieser Gleichförmigkeit im Naturverlauf nicht ‘intuitiv’ sein, kann es nur erworben sein und zwar lediglich aufgrund unseres spezifischen Wissens über John, Peter etc. Ein Naturgesetz ist in Mills Verständnis, wie er in einem Brief vom 06. Februar 1873 an Franz Brentano schreibt: simply an invariable order among phenomena: those phenomena can be seen and felt, either in external or internal consciousness: and if we see or feel the facts, we see or feel the order of facts. When we see two facts succeed one another, we see their succession, which is as much as to say, we see them successively; for succession in any other sense than that, is nothing but a word. (CW XVII, S. 1935)

Ein Naturgesetz ist demnach „nothing but the uniformities which exist among natural phenomena“ (CW VII, S. 318), mithin eine bestimmte Folge von Erscheinungen. Diese bestimmte Folge von Erscheinungen ist für Mill die Grundlage jeder möglichen wahren Aussage. Die Kausalität als eine bestimmte, eine ausgezeichnete Folge von Erscheinungen wird somit zur notwendigen Voraussetzung eines jeden Naturgesetzes und damit einer jeden Wissenschaft. Daraus folgt aber auch, dass die Korrelation simultaner, nebeneinander existierender Erscheinungen, die z. B. als Grundlage der Bestimmung der Arten fungieren soll, keiner exakten Wissenschaft zugänglich ist. Mill unterscheidet zwei Arten der Korrelation von Phänomenen: Gleichzeitigkeit und Folge. Beiden Korrelationen kann eine Gleichförmigkeit zugesprochen werden, doch nur die Folge lasse überhaupt eine gesetzmäßige Erklärung der Erscheinungen zu. Nicht alle Gleichförmigkeiten der Koexistenz von Phänomenen lassen sich aus den Gesetzen ihrer Hervorbringung erklären. (Vgl. CW VII, S. 578) Für Mill ist es unbezweifelbar, that there must be one class of coexistences which cannot depend on causation; the coexistences between the ultimate properties of things – those properties which are the causes of all phenomena, but are not themselves caused by any phenomena, and a cause for which could only be sought by ascending to the origin of all things (CW VII, S. 579)

Solche in der Natur vorkommenden Gleichförmigkeiten der Koexistenz seien z. B. die Arteigenschaften. Das, was von den Arten überhaupt bekannt sein könne, seien ihre Eigenschaften, so dass eine Art nichts anderes als eine bestimmte Gruppe von Eigenschaften sei. Diese Gruppe von Eigenschaften sei der Bestim-

86

1. Die Subjektivität

mungs- und Unterscheidungsgrund der Arten.⁷⁸ Was die Einheit, den Zusammenhang einer solchen Gruppe von Eigenschaften konstituiert, lässt sich, so Mill, nicht eindeutig bestimmen. The basis of such a system is wanting: there is no general axiom, standing in the same relations to the uniformities of coexistence as the laws of causation does to those of succession. […] But in an enquiry whether some kind (as crow) universally possesses a certain property (as blackness), there is no room for any assumption analogous to this. We have no previous certainty that the property must have something which constantly coexists with it; must have an invariable coexistent, in the same manner as an event must have an invariable antecedent. […] We cannot conclude that the blackness we see in crows must be an invariable property of crows, merely because there is nothing else present of which it can be an invariable property. (CW VII, S. 582)

Für Mill folgt daraus, dass die induktiven Methoden wohl auf Sukzessionen, nicht aber auf Koexistenzen angewandt werden können. In the absence, then, of any universal law of coexistence, similar to the universal law of causation which regulates sequence, we are thrown back upon the unscientific induction of the ancients, per enumerationem simplicem, ubi non reperitur instantia contradictoria. The reason we have for believing that all crows are black, is simply that we have seen and heard of many black crows, and never one of any other colour. (CW VII, S. 583)

Die endliche Erfahrung reicht hier also, anders als beim Gesetz der Kausalität, auch nur zur Begründung einer Aussage von beschränkter Geltung. So bleibe es allein dem Kausalgesetz vorbehalten, die endliche Erfahrung zu transzendieren.

1.3.2.1.4 Die Begründung der Kausalität Das Kausalgesetz ist für Mill die Basis aller logischen Untersuchungen, hierauf sei die Gültigkeit aller induktiven Schlüsse zurückzuführen. Doch worauf gründet sich diese Voraussetzung, dass alle Phänomene eine Ursache haben, deren Folge sie notwendigerweise sind? Die Metaphysiker „affirm that the universality of causation is a truth which we cannot help believing […] that even he who denies them in speculation, shows by his habitual practice that those arguments make no impression upon himself.“ (CW VII, S. 563) Mill erkennt in der Argumentation der Metaphysiker nicht den elenktischen Beweis, sondern den unfruchtbaren Versuch, habituelle Verhaltensweisen als einen Beweisgrund für eine wirkliche Tat-

 Vgl. CW VII, S. 579: „Since we know nothing of Kinds but their properties, the Kind, to us, is the set of properties by which it is identified, and which must of course be sufficient to distinguish it from every other Kind.“

1.3 Der Schluss

87

sache zu behaupten. Er verweist die Argumentation in den Bereich der Psychologie, die an dieser Stelle nicht ihren Ort habe. Das aristotelische Argument zum zu vermeidenden Widerspruch sieht Mill hier nicht. (Vgl. Aristoteles 1989, 1005b – 1007b) Das habituelle Verhalten des Einzelnen, der die Kausalität als allgemeines Naturgesetz voraussetzt, um sein praktisches Verhalten gegenüber der Natur daran orientieren zu können, ist für Mill ein bloßer Glaube. Mill argumentiert dagegen, dass kein Glaube, keine noch so universelle Neigung des menschlichen Geistes als eine Beweisgrundlage für eine Tatsache herhalten könne. „Belief is not proof, and does not dispense with the necessity of proof.“ (CW VII, S. 563) Das Kriterium der Wahrheit einer Aussage sei die Übereinstimmung mit einer Tatsache. Ein Glaube und sei es auch ein instinktiver liefere keine Begründung des Glaubensinhalts. Selbst wenn der Glaube eine unumgängliche Notwendigkeit wäre, so folgte aus dieser Notwendigkeit des Glaubens nicht die Wahrheit des Geglaubten. Der subjektive Akt des Glaubens könne keine objektive Realität begründen oder beweisen. Gegen die Notwendigkeit solcher Glaubensätze spreche auch, dass es keine Aussage gibt, „of which it can be asserted that every human mind must eternally and irrevocably believe it.“ (CW VII, S. 564) Glaubenssätze sind in Mills Verständnis kontingent, abhängig von der individuellen Erfahrung des einzelnen Subjekts und nicht unbedingt. Gegen die scheinbare Unvermeidlichkeit der Glaubenssätze, die man vielleicht eher individuelle Überzeugungssätze nennen sollte, wendet Mill zudem ein, dass ein jeder Denkgewohnheiten, „habits of thought“ (CW VII, S. 565) pflegen könne, die ihn unabhängig von solchen Glaubensätzen machen würden. Ein weiterer Einwand Mills stützt sich ebenfalls auf die Funktion der subjektiven Erfahrung: Weil der Glaube an die Gleichförmigkeit abhängig von der (subjektiven) Erfahrung der Gleichförmigkeit der Weltordnung sei, d. h. in einer chaotischen Welt niemand an die Gleichförmigkeit der Weltordnung glauben würde, könne der Glaube an die Gleichförmigkeit der Naturerscheinungen entweder überhaupt kein Instinkt sein oder nur ein solcher, der sich durch Erfahrung manipulieren lasse. Die Geltung der Kausalität lässt sich, so Mills These, allein aufgrund der Erfahrung, allein durch Induktion beweisen. So sei der Glaube an die Universalität des Kausalitätsgesetzes in der gesamten Natur „itself an instance of induction“. (CW VII, S. 567) Die Behauptung, dass die notwendige Voraussetzung der Induktion selbst das Resultat einer Induktion ist, scheint offenkundig eine petitio principii zu sein. Lässt sich aber der Grund der Erfahrung selbst nicht durch Erfahrung begründen, so ist Mills Programm einer empirischen Logik gescheitert. Diese Problematik stellt für Mill jedoch nur scheinbar ein Widerspruch dar. (Vgl. VW VII, S. 567)

88

1. Die Subjektivität

The assertion, that our inductive processes assume the law of causation, while the law of causation is itself a case of induction, is a paradox, only on the old theory of reasoning, which supposes the universal truth, or major premise, in a ratiocination, to be the real proof of particular truths which are ostensibly inferred from it. According to the doctrine maintained in the present treatise, the major premise is not the proof of the conclusion, but is itself proved, along with the conclusion from the same evidence. ‘All men are mortal’ is not the proof that Lord Palmerston is mortal; but our past experience of mortality authorizes us to infer both the general truth and the particular fact, and the one with exactly the same degree of assurance as the other. (CW VII, S. 572)

Die Sterblichkeit eines bestimmten Individuums wird demnach nicht aus der Sterblichkeit aller Menschen, nicht aus der wesentlichen Bestimmung der Menschen als solche gefolgert,⁷⁹ sondern aus der Erfahrung, welche die Sterblichkeit aller Menschen beweist. (Vgl. CW VII, S. 572) Der Beweisgrund ist für Mill die Erfahrung und nichts außer der Erfahrung. So ist es auch nur konsequent, wenn Mill den Beweisgrund jeder möglichen Induktion, das allgemeine Gesetz der Kausalität als durch eine inductio per enumerationem simplicem begründet sieht. Dieses Verfahren biete zwar nur „a precarious and unsafe ground of assurance […] however, it affords some assurance, sufficient, in many cases, for the ordinary guidance of conduct.“ (CW VII, S. 568) Für Mill gibt es im strengen Sinn keine absolute Gewissheit für eine Induktion, lediglich „a scale of trustworthiness“ (CW VII, S. 568) Diese Konsequenz wird auch durch ein weiteres Argument wider den Einwand, dass der Grund aller Induktion nicht selbst eine Induktion sein könne, getragen. Die Auflösung dieser „scheinbaren“ Paradoxie liege in einer von Alexander Bain vorgenommenen Unterscheidung in eine fundamentale und eine sekundäre Beweisart. Erstere postuliert die Übereinstimmung in der ganzen Natur, wodurch alle fundamentalen Gesetze, das Kausalgesetz eingeschlossen, ermittelt werden. Unter die sekundäre Beweisart fallen die speziellen Methoden der Elimination, wie Mill sie in seinem Kanon induktiver Methoden darlegt. Eben dieser Kanon, der die Kausalität selbst voraussetze, könne nicht dazu dienen, die Kausalität zu begründen. Mills Methode der Übereinstimmung als sekundäre Beweisart ermittelt Fälle von Kausalität unter der Voraussetzung des fundamentalen Beweises des allgemeinen Kausalitätsgesetzes. Hume argumentiert wider den Empirismus, dass das Berufen auf die Erfahrung die Erfahrung selbst zur problematischen Voraussetzung mache.

 So soll auch der Satz, dass die Winkelsumme aller Dreiecke 180° beträgt, nicht aus der Bestimmung des Dreiecks als solches folgen, sondern aus der spezifischen Erfahrung mit spezifischen Dreiecken. Andernfalls wäre der Satz keine induktive Wahrheit.

1.3 Der Schluss

89

We have said that all arguments concerning existence are founded on the relation of cause and effect; that our knowledge of that relation is derived entirely from experience; and that all our experimental conclusions proceed upon the supposition that the future will be conformable to the past. To endeavour, therefore, the proof of this last supposition by probable arguments, or arguments regarding existence, must be evidently going in a circle, and taking that for granted, which is the very point in question. (Hume 1977, S. 23)

Ob Mill sich selbst auf die Kritik Humes bezieht, ist umstritten. Unbestreitbar ist jedoch, dass Mill über Hume hinausgehen muss, um die Möglichkeit exakter Wissenschaften zu retten. Der Begriff der Ursache wird damit für Mill zu nicht mehr und nicht weniger als „the root of the whole theory of Induction.“ (CW VII, S. 326) Mill stimmt mit Hume darin überein, dass die Relation von Ursache und Wirkung eine bloß subjektive Assoziation (habit) ist, die sich auf vergangene Empfindungen, auf vergangene Erfahrung gründet. Dennoch muss die Relation als invariable und unconditional erkannt werden können, sollen exakte Wissenschaften möglich sein. „We may define, therefore, the cause of a phenomenon, to be the antecedent […] on which it is invariably and unconditional consequent.“ (CW VII, S. 340) Die Ursache ist für Mill etwas, was stetig der bewirkten Erscheinung vorhergeht, und zudem selbst unabhängig von anderen Bedingungen ist. Die Wirkung ist entsprechend die stetige Folge, die von nichts anderem bedingt sein könne als von ihrer Ursache. Die Ursache ist also die Totalität der Bedingungen der jeweiligen Erscheinung. Für die Unterscheidung zwischen der Ursache und den Bedingungen einer Erscheinung könne es keinen wissenschaftlichen Grund geben.⁸⁰ The only notion of cause, which the theory of induction requires, is such a notion as can be gained from experience. The Law of Causation, the recognition of which is the main pillar of inductive Science, is but the familiar truth, that invariability of succession is found by observation to obtain between every fact in nature and some other fact which has preceded it; independently of all considerations respecting the ultimate mode of production of phenomena, and of every other question regarding the nature of „Things in themselves“. (CW VII, S. 326 f.)

Unter einer Ursache ist in Mills Verständnis keine ontologische Entität zu begreifen, die eine Wirkung hervorbringt, sondern ein Konglomerat von Bedingungen, die selbst Erscheinungen sind: „I do not mean a cause which is not itself a phenomenon; I make no research into the ultimate or ontological cause of any-

 Vgl. CW VII, S. 329: „Nothing can better show the absence of any scientific ground for the distinction between the cause of a phenomenon and its conditions, than the capricious manner in which we select from among the conditions that which we choose to denominate the cause.“

90

1. Die Subjektivität

thing.“ (CW VII, S. 326) Die invariante Ordnung der Aufeinanderfolge (Vgl. CW VII, S. 327) von Ursache und Wirkung, Antezedent und Konsequenz werde durch Erfahrung erkannt. Die Erfahrung muss demnach auch für die Ausnahmslosigkeit der Aufeinanderfolge garantieren. „The Truth that every fact which has a beginning has a cause, is coextensive with human experience.“ (CW VII, S. 325) An der Allgemeingültigkeit dieser Wahrheit hängt die Möglichkeit, „of reducing the inductive process to rules.“ (CW VII, S. 327) Für Mill ist diese Allgemeingültigkeit mit unserer Erfahrung gegeben, daraus folgt aber auch notwendigerweise die Restriktion der Geltung des Kausalgesetzes auf den möglichen Erfahrungsbereich. Das Vertrauen auf das Kausalgesetz dürfe nicht weiter reichen als unsere beobachtbare Erfahrung. Die Kausalität dürfe nicht als ein uneingeschränkt geltendes Gesetz betrachtet werden, wenn sie nicht zu einer „supposition without evidence“ (CW VII, S. 575) werden soll. Mills Beweisführung beruht darauf, dass die Gleichförmigkeit des Naturlaufs als eines Ganzen sich aus den gleichförmigen Folgeverbindungen specieller Wirkungen und specieller natürlicher Agentien zusammensetzt, – dass die Zahl der letzteren in dem uns bekannten Theil des Weltalls nicht unberechenbar oder auch nur ungeheuer groß ist, – dass wenigstens weitaus die meisten derselben, wie wir anzunehmen guten Grund haben, der Beobachtung genügend zugänglich gemacht sind, um uns einige ihrer steten Gesetze entdecken zu lassen, und dass dieses Maß von Erfahrung es uns gestattet, den Glauben [Hervorhebung M.G.] an die durchgängige Gleichförmigkeit des Naturlaufs mit demselben Grade von Zuversicht zu hegen, mit welchem wir vordem an die Gleichförmigkeit der Folge unter den uns am besten bekannten Phänomenen geglaubt [Hervorhebung M.G.] haben. (Mill 1884, S. 312 FN)

Weil der Erfahrungsbereich endlich sei, müsse auch der mögliche Inhalt des Erfahrungsbereiches endlich sein. Die Begründung der kollektiven Einheit der Erfahrung und damit der Einheit wissenschaftlicher Erkenntnisse hat für Mill die induktive Methode zu leisten. Indem sie von Besonderem zu Besonderem gehe, konstituiere die Induktion die notwendige Einheit der kollektiven Erfahrung. Mills Begründung der kollektiven Einheit der Erfahrung durch einen Prozess der Erfahrung, der Induktion, scheitert jedoch an der Voraussetzung der Induktion. Die Voraussetzung jeder wahren Proposition ist die systematische Einheit der Natur, die sich selbst aber nicht durch Erfahrung begründen lässt.

1.3.2.1.5 Die Methoden der (Natur‐)wissenschaften Die Frage, wie eine spezifische Erfahrung mehr beweisen könne als die tatsächlich gemachte Erfahrung, berührt den Kern der Induktionslehre Mills. Der Prozess einer wahren Schlussfolgerung wird von Mill bestimmt als „Generalization from

1.3 Der Schluss

91

Experience“. (CW VII, S. 306) Eine solche Verallgemeinerung nicht der (of) Erfahrung, sondern auf der Grundlage (from) der Erfahrung „consists in inferring from some individual instances in which a phenomenon is observed to occur, that it occurs in all instances“. (CW VII, S. 306) Dieser Schluß ist vermittelst einer inductio per enumerationem simplicem nicht möglich, da die Geltung einer aufzählenden Induktion lediglich komparativ ist, d. h. sie geht nicht über die aufgezählten Fälle hinaus. Gefordert ist aber, dass einige wenige Fälle als hinreichender Beweisgrund für die Bestimmung aller Fälle fungieren. Eine solche Verallgemeinerung auf der Grundlage der Erfahrung kann nur unter einer bestimmten Voraussetzung zu einer allgemeinen Aussage führen. Diese notwendige, aber noch nicht hinreichende,⁸¹ Voraussetzung ist die Gleichförmigkeit des Naturverlaufs. Die Gleichförmigkeit des Naturverlaufs, die Annahme, dass unter den gleichen Umständen die gleichen Naturprozesse stattfinden, bezeichnet Mill als den Grund, als das Axiom der Induktion. Unter der Voraussetzung der Gesetzmäßigkeit der Natur scheint es unproblematisch zu sein, die Beobachtung als die Prämisse aller möglichen Propositionen zu setzen. Da jede Generalization from Experience von der Beobachtung ihren Ausgang nimmt, beschreibt Mill konsequenterweise die Beobachtung als die grundlegende wissenschaftliche Methode. Dem Vorteil der Beobachtung, die direkte Beziehung auf die Gegenstände, steht die Restriktion der Beobachtung auf einen bestimmten Umfang entgegen. Beobachtung als „induction from direct experience“ (CW VII, S. 384) bleibt notwendig restringiert auf die begrenzte Anzahl von Fällen der spezifischen Erfahrung. Die Methode der Beobachtung kann daher nicht mehr beweisen als „invariable antecedence within the limits of experience, but not unconditional antecedence.“ (CW VII, S. 386) Die Beobachtung kann z. B. davon Zeugnis ablegen, dass Tag und Nacht erfahrungsgemäß stetig aufeinander folgen. Diese invariante Folge von Tag und Nacht lässt aber keinen Schluss zu, der über die beobachtete Invarianz der Folge hinausginge. In welchem Verhältnis Tag und Nacht über die erfahrene zeitliche Aufeinanderfolge hinaus stehen, lässt sich durch Beobachtung allein nicht erweisen. Die beobachtete Stetigkeit der Aufeinanderfolge lässt weder eine Transzendenz der Erfahrung noch eine Naturerklärung durch die Offenlegung von Kausalverhältnissen zu. Die Beobachtung ermöglicht eine Beschreibung des Phänomens, aber keine Erklärung, keine Rückführung auf eine Ursache. Eine solche Erklärung ist aber die von Mill an die Induktion gestellte Aufgabe. Die direkte Induktion per Beobachtung ist ebenso beschränkt wie die enumerative Induktion. Die einfache, unmittelbare Beobachtung kann die Geltung einer Aussage nur innerhalb der getätigten Erfahrung begründen. Diese „inherent imper-

 Vgl. die Einführung der „theories of kinds“.

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1. Die Subjektivität

fection of direct induction“ (CW VII, S. 386) führt Mill zur experimentellen Methode. Mit der Möglichkeit, die Umstände, die Bedingungen zu variieren, unter denen Naturerscheinungen beobachtet werden, wird eine Erweiterung des Erfahrungshorizontes möglich. Der Eingriff des Menschen in den Naturverlauf, die gezielte Variation der Umstände, ermöglicht es, Erscheinungen zu beobachten, die andernfalls verborgen blieben. So lassen sich im Experiment die Grenzen der Erfahrung über die von der Natur vorgegebenen Fälle erweitern. Das Experiment erlaubt nicht nur die Definition der Randbedingungen, sondern es hat die Bestimmung der Bedingungen, unter denen eine bestimmte Wirkung erfolgen soll, zur Voraussetzung. Weil diese Bedingungen der Wirkung 1. künstlich hergestellt und 2. exakt definiert werden können, ermöglicht die experimentelle Methode eine breitere Grundlage für eine direkte Induktion als die einfache Beobachtung. Die exakte Definition der Bedingungen erlaubt einen exakten Vergleich der erzeugten Erscheinungen. Durch einen Vergleich der Fälle, die entweder bezüglich der Bedingungen oder der erzeugten Erscheinungen variieren, lassen sich Gleichförmigkeit von Antezedens und Konsequenz, Ursache und Wirkung, isolieren. Mill unterscheidet vier Methoden experimenteller Untersuchung, die alle „methods of elimination“ (CW VII, S. 392) sind. Es sind dies: 1. die „Method of Agreement“ (CW VII, S. 390)⁸², 2. die „Method of Difference“ (CW VII, S. 391)⁸³, 3. die „Method of Residues“ (CW VII, S. 398)⁸⁴ und 4. die „Method of Concomitant Variations“ (CW VII, S. 398).⁸⁵ Ein Sonderfall ist die „Joint Method of Agreement and Difference“ (CW VII, S. 396)⁸⁶. Alle vier Methoden der Elimination setzen die

 Der Kanon der Methode der Übereinstimmung lautet: „If two or more instances of the phenomenon under investigation have only one circumstance in common, the circumstance in which alone all the instances agree, is the cause (or effect) of the given phenomenon.“ (CW VII, S. 390).  Der Kanon der Methode der Differenz lautet: „If an instance in which the phenomenon under investigation occurs, and an instance in which it does not occur, have every circumstance in common save one, that one occurring only in the former; the circumstance in which alone the two instances differ, is the effect, or the cause, or an indispensable part of the cause, of the phenomenon.“ (CW VII, S. 391).  Der Kanon der Methode der Residuen lautet: „Subduct from any phenomenon such part as is known by previous inductions to be the effect of certain antecedents, and the residue of the phenomenon is the effect of the remaining antecedents.“ (CW VII, S. 398).  Der Kanon der Method of Concomitant Variations lautet: „Whatever phenomenon varies in any manner whenever another phenomenon varies in some particular manner, is either a cause or an effect of that phenomenon, or is connected with it through some fact of causation.“ (CW VII, S. 401).  Der Kanon der indirekten Methode der Differenz (Joint Method of Agreement and Difference) lautet: „If two or more instances in which the phenomenon occurs have only one circumstance in common, while two or more instances in which it does not occur have nothing in common save the absence of that circumstance; the circumstance in which alone the two sets of instances differ, is

1.3 Der Schluss

93

Vergleichbarkeit der Fälle notwendig voraus. Die Methode der Übereinstimmung, sowie die Methode der Differenz sind die grundlegenden (basic) experimentellen Methoden.Während die Methode der Übereinstimmung nichts anderes beinhaltet als „comparing together different instances in which the phenomenon does occur“ (CW VII, S. 388), lautet die Aufgabe der Methode der Differenz: „comparing instances in which the phenomenon does occur, with instances in other respects similar in which it does not.“ (CW VII, S. 388) Die beiden Basisformen des ausschließenden Verfahrens isolieren entweder den einen einzelnen gemeinsamen Faktor, der anwesend oder den einen einzelnen gemeinsamen Faktor, der abwesend ist. Der Zweck dieser Methoden ist die Isolation der Bedingungen „from among the circumstances which precede or follow a phenomenon, those with which it is really connected by an invariable law“. (CW CII, S. 388) Auf diese Weise sollen alle Bedingungen, alle Antezedenten, eliminiert werden, die nicht die wahren Ursachen sind. Der Vergleich der Fälle allein führt jedoch nicht zum Beweis eines Kausalverhältnisses, einer „unconditional antecedence“. Solange nicht bewiesen ist, dass es sich nicht um eine bloße Korrelation, sondern um ein Kausalverhältnis handelt, lässt sich eine gesetzmäßige Gleichförmigkeit nicht behaupten. Dieser Beweis ist durch ein Experiment zu erbringen. Indem die Bedingungen, unter denen das Phänomen hervorgehen soll, künstlich geschaffen werden, lässt sich überprüfen, ob die Bedingungen mit der Folge in einem eindeutigen Kausalverhältnis stehen. Die Möglichkeit, die Bedingungen eines bestimmten Phänomens künstlich herzustellen, ist für Mill der Schlüssel für eine vollständige Induktion. Die Vollständigkeit der Induktion ist erreicht, wenn der angenommene Effekt aus den im Experiment künstlich hervorgebrachten Bedingungen als Wirkung folgt. (Vgl. CW VII, S. 386) Eine solche vollständige Induktion lässt sich jedoch nicht auf alle Naturerscheinungen anwenden. Organismen lassen sich demnach keiner vollständigen Induktion unterwerfen. In zoology, for example, there is an immense number of uniformities ascertained, some of coexistence, others of succession, to many of which, notwithstanding considerable variations of the attendant circumstances,we know not any exception: but the antecedents, for the most part, are such as we cannot artificially produce; or if we can, it is only by setting in motion the exact process by which nature produces them; and this is being to us a mysterious process, of which the main circumstances are not only unknown but unobservable, we do not succeed in obtaining the antecedents under known circumstances. (CW VII, S. 386 f.)

the effect, or the cause, or an indispensable part of the cause, of the phenomenon.“ (CW VII, S. 396).

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1. Die Subjektivität

Die experimentellen Methoden basieren auf einer Voraussetzung, die Mill an dieser Stelle nicht expliziert. Diese Voraussetzung ist, wie er später zugesteht, dass es nur eine mögliche „assemblage of conditions“ (CW VII, S. 434) gibt, von der die gegebene Wirkung resultieren könne. Die Unterstellung, dass die zu erkennende Ursache die notwendigen und hinreichenden Bedingungen der gegebenen Wirkung vollständig umfasst, schließt die Pluralität von Ursachen und die Vermischung von Wirkungen aus. Ohne diese Unterstellung könnte die Methode der Übereinstimmung keine einzige invariante Korrelation aufzeigen. Wir könnten „only discover by a succession of trials, that a certain cause is very often followed by a certain effect.“ (CW VII, S. 451) Die erkannten Naturgesetze wären bloß empirische Gesetze, durch Beobachtung oder Experiment erkannte Gleichförmigkeiten des Naturverlaufs, deren Geltungsbereich aber ungewiss ist. Alle experimentellen Methoden der Elimination beruhen auf der Vergleichbarkeit der einzelnen Fälle. Die Vergleichbarkeit der Fälle ist nur gegeben, sofern ihre Bedingungen vollständig angegeben werden können. Ohne die Unterstellung, dass die Ursachen die notwendigen und hinreichenden Bedingungen sind, dass es nur eine mögliche „assemblage of conditions“ (CW VII, S. 434) für die Erklärung der Wirkung gibt, ließe sich ein einzelnes Kausalverhältnis nicht in eine allgemeine, gesetzmäßige Relation überführen. Damit ist das Kernproblem der Induktion, wie ein einzelnes Kausalverhältnis ein allgemeines Naturgesetz begründen kann, wie eine Erfahrung mehr begründen kann als die aktuelle Erfahrung, indiziert. Why is a single instance, in some cases, sufficient for a complete induction, while in others, myriads of concurring instances, without a single exception known or presumed, go such a very little way towards establishing an universal proposition? Whoever can answer this question knows more of the philosophy of logic than the wisest of the ancients, and has solved the problem of induction. (CW VII, S. 314)

Die „Generalization from Experience“ (CW VII, S. 306), die Induktion, kann eine allgemeingültige Aussage nur unter der Voraussetzung des gleichförmigen Naturverlaufs begründen. Diese Gleichförmigkeit der Natur unterstellt Mill als eine durch Erfahrung erwiesene Bedingung. Doch die Erfahrung zeigt beinahe ebenso viele Anomalien wie Gleichförmigkeiten. Dass die direkten Methoden der Beobachtung und des Experiments nicht auf alle Erscheinungen anwendbar sind, ist Mill nicht entgangen. Die Voraussetzung, „that there was only one possible assemblage of conditions, from which the given effect could result“ (CW VII, S. 434), ist, wie Mill im Anschluss an seine Erläuterung der vier experimentellen Methoden schreibt, nicht haltbar. Während aufgrund der Pluralität der möglichen Ursachen einer Wirkung die Methode der Übereinstimmung zu keinen eindeutigen Ergeb-

1.3 Der Schluss

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nissen kommen kann,⁸⁷ erlaubt die Vermischung der Wirkungen weder vermittelst der Beobachtung noch vermittelst der experimentellen Methode der Differenz eine eindeutige Erkenntnis der Ursache.⁸⁸ Das Problem der „Intermixture of Effects“ und der „interference of causes“ ist mit den Methoden der direkten induktiven Untersuchung durch Beobachtung und Experiment nicht zu lösen. (CW VII, S. 439) Es bleibe allein die dritte Methode, „that which considers the causes separately, and infers the effect from the balance of different tendencies which produce it: in short, the deductive, or à priori method.“ (CW VII, S. 453) Die erwiesene Unanwendbarkeit der direkten Methoden der Beobachtung und des Experiments auf Phänomene komplexer Art führt Mill zur deduktiven Methode „as the main source of the knowledge we possess or can acquire respecting the conditions, and laws of recurrence, of the more complex phenomena“. (CW VII, S. 454) Diese unvermittelt erscheinende Wendung zur deduktiven Methode muss erstaunen, ist es doch das erklärte Anliegen Mills dem „a priori view of human knowledge, and of the knowing faculties“ eine Doktrin entgegenzusetzen, „which derives all knowledge from experience“. (CW I, S. 134) Die Komplexität der Naturerscheinungen lässt eine Naturerkenntnis durch direkte Induktion jedoch nicht zu. Daraus folgt für Mill aber keineswegs die Aufgabe seines Programms einer induktiven Logik. Vielmehr führt das Problem nicht eindeutig zu isolierender Relationen der Phänomene zu einer Modifikation seines Begriffs der Induktion.⁸⁹ Kommt der Induktion in Buch I und II noch eine zentrale Bedeutung für die Begründung einer empirischen Logik zu, so ändert sich der Status der Induktion im Verlaufe der Explikation der Logik der Wissenschaften im dritten Buch. Dies wird

 Vgl. CW VII, S. 525: „We found that the Method of Agreement has the defect of not proving causation, and can therefore only be employed for the ascertainment of empirical laws.“  Vgl. CW VII, S. 446 f.: „The conditions of a phenomenon which arises from a composition of causes, may be investigated either deductively or experimentally. The case, it is evident, is naturally susceptible of the deductive mode of investigation. The law of an effect of this description is a result of the laws of the separate causes on the combination of which it depends, and is therefore in itself capable of being deduced from these laws.This is called the method à priori.The other, or à posteriori method, professes to proceed according to the canons of experimental inquiry. Considering the whole assemblage of concurring causes which produced the phenomenon, as one single cause, it attempts to ascertain the cause in the ordinary manner, by a comparison of instances. This second method subdivides itself into two different varieties. If it merely collates instances of the effect, it is a method of pure observation. If it operates upon the causes, and tries different combinations of them, in hopes of ultimately hitting the precise combination which will produce the given total effect, it is a method of experiment.“  Vgl. Nagel 1950, S. Xl: „Mill’s canons of induction […] are not the foundation for a new kind of logic which can be significantly contrasted with the logic of demonstration – an ‘inductive logic’ in the sense in which Mill frequently envisaged such a subject has proved to be a barren and romantic dream.“

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1. Die Subjektivität

deutlich, sobald man die Entstehungsgeschichte des System of Logic berücksichtigt. Während die Bücher I (Of names and propositions) und II (Of reasoning) hauptsächlich in den Jahren 1830 bis 1832 entstanden, gab es erst 1838 einen vollständigen Entwurf des dritten Buches (Of induction). In seiner Autobiographie erläutert Mill den Fortgang seiner Arbeit an der Logik. At the point which I have now reached I made a halt, which lasted five years. I had come to the end of my tether; I could make nothing satisfactory of Induction, at this time. I continued to read any book which seemed to promise light on the subject, and appropriated, as well as I could, the results; but for a long time I found nothing which seemed to open to me any very important vein of meditation. (CW I, S. 191)

Erst 1837 wurde Mill fündig; bis zu diesem Zeitpunkt ruhte seine Arbeit an der Logik.Was ihm fehlte, war „a comprehensive and at the same time accurate view of the whole circle of physical science, which I feared it would take me a long course of study to acquire“. (CW I, S. 215) William Whewells History of the Inductive Sciences schloss die Lücke. In einem Punkt stimmt Mill mit Whewell uneingeschränkt überein: die Notwendigkeit der Anwendung der Deduktion bei komplexen Naturerscheinungen. Ohne die deduktive und die hypothetische Methode zur Hilfe zu nehmen, sei in verwickelten Fällen kaum über ein anfängliches Herumtappen hinauszukommen, „as I myself, in common with Dr. Whewell, have maintained against the purely empirical school.“ (CW VII, S. 431) Das bedeutet für Mill aber keineswegs, daß die Deduktion die Induktion verdränge oder ersetze. Jeder Schritt im Verlaufe der Deduktion sei auch eine Induktion. Der Gegensatz bestehe nicht zwischen deduktiver und induktiver Methode, sondern zwischen deduktiver und experimenteller Methode.⁹⁰ A revolution is peacably and progressively effecting itself in philosophy, the reverse of that to which Bacon has attached his name.That great man changed the method of the sciences from deductive to experimental, and it is now rapidly reverting from experimental to deductive. But the deductions which Bacon abolished were from premises hastily snatched up, or arbitrarily assumed. The principles were neither established by legitimate canons of experimental inquiry, nor the results tested by that indispensable element of a rational Deductive Method, verification by specific experience. Between the primitive method of Deduction and that which I have attempted to characterize, there is all the difference which exists between the Aristotelian physics and the Newtonian theory of the heavens. (CW VII, S. 482)

 „But it is necessary to remark, that although, by this progressive transformation, all sciences tend to become more and more Deductive, they are not, therefore, the less Inductive; every step in the Deduction is still an Induction. The opposition is not between the terms Deductive and Inductive, but between Deductive and Experimental.“ (CW VII, S. 219). Auch dieser Abschnitt wurde, wie der Großteil des dritten Buches über die Induktion 1837 verfasst. Vgl. CW I, S. 217.

1.3 Der Schluss

97

1.3.2.1.6 Mills Theorie der Arten Die stille Revolution der Philosophie zur Etablierung der deduktiven Methode⁹¹ scheint Mills Kritik der synthetischen Urteile a priori unversöhnlich gegenüberzustehen. Seine Kritik bezieht sich jedoch nicht auf jegliche Form von Deduktion, sondern auf diejenige der traditionellen Metaphysik. Mill begreift sich demnach als Kritiker eines überkommenen Deduktivismus und als Begründer einer adäquaten deduktiven Methode. Um jegliches metaphysisches Fundament auszuschließen, sucht Mill auch die deduktive Methode auf die Erfahrung zurückzuführen, d. h. durch Induktionen abzusichern. Dass die individuelle Erfahrung als ausschließlicher Beweisgrund aller Schlüsse dienen kann, ist aber nur unter der Annahme möglich, dass das Einzelne, das in der Erfahrung beobachtbar ist, zugleich als Allgemeines gelte. Die von Mill gesuchte induktive Gewissheit ist aus bloßen, beziehungslosen Besonderen nicht zu gewinnen. (Vgl. Randall 1965, S. 576) Aus diesem Grund nimmt vor allem die Kausalität eine herausragende Stellung innerhalb des Systems der Logik ein. Die Reduktion einer beobachteten Eigenschaft auf eine andere als Ursache zu beobachtende Eigenschaft sichert die geforderte Evidenz.⁹² Nun sind aber nicht alle beobachtbaren Phänomene auf eine ihr entsprechende Ursache zurückzuführen. (Vgl. CW VII, S. 386) In diesem Fall ist entweder auf eine induktive Gewissheit zu verzichten oder eine andere Relation der Besonderen zueinander zu unterstellen. Der Sukzession stellt Mill deshalb das Verhältnis der Koexistenz ursprünglicher Eigenschaften zur Seite. In dieser Relation der Koexistenz sind demnach Eigenschaften zusammengefasst, „which are the causes of all phenomena, but are not themselves caused by any phenomenon“. (CW VII, S. 579) Diese Gleichförmigkeit der Koexistenz ist Mill ein Indiz für das Vorliegen einer Art. Anders als es Mills urspünglicher induktiver Ansatz vermuten lässt, handelt es sich bei diesen Arten nicht um rein nominale Entitäten oder sprachliche Konventionen. Vielmehr kommt Mill zu dem Schluss, „there are in nature distinctions of Kind“. (CW VII, S. 718) Insofern die natürliche Klassifikation „is grounded on real Kinds, its groups are certainly not conventional“. (CW VII, S. 720) Mills Theorie der natürlichen Arten widerspricht seiner im zweiten Buch des Systems of Logic dargelegten Theorie. Hier schreibt er: a class, an universal, a genus or species, is not an entity per se, but neither more nor less than the individual substances themselves which are placed in the class and that there is nothing

 „the Deductive Method […] is destined henceforth irrevocably to predominate in the course of scientific investigation.“ (CW VII, S. 482).  „Uniformities of succession are all comprehended under the law of causation“. (CW VII, S. 578).

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1. Die Subjektivität

real in the matter except those objects, a common name given to them, and common attributes indicated by the name. (CW VII, S. 175)

Diese Annahme sieht Mill zunächst durch die Gleichförmigkeit, die Gesetzmäßigkeit der Natur begründet. Es zeigte sich jedoch, dass für die Relation der Koexistenz nicht im gleichen Maße von einem Axiom der Gleichförmigkeit der Natur ausgegangen werden kann. Und darüber hinaus ist durch eine klassische Induktion nicht zu rechtfertigen, wie das Einzelne als „specimen“ oder „paradigm“ fungieren können. Aber genau das ist gefordert, wenn mit der Induktion die begrenzte Erfahrung transzendiert werden können soll und von etwas Bekanntem auf ein zuvor unbekanntes, gleichwohl allgemeines Wissen geschlossen werden können soll. Most people hold their conclusions with a degree of assurance proportioned to the mere mass of the experience on which they appear to rest; not considering that by the addition of instances to instances, all of the same kind [Hervorhebung, M.G.], that is differing from one another only in points already recognised as immaterial, nothing whatever is added to the evidence of the conclusion. (CW VII, S. 437)

Diese Anforderung an das Schlussverfahren nötigt Mill zur Entwicklung seiner „theory of kinds“.⁹³ Gelingt es Mill, das Einzelne als „specimen“ einer objektiven Allgemeinheit zu begründen, so scheint die Behauptung der Induktion als ausschließliche Grundlage aller Wissenschaften nur konsequent. Problematisch muss jedoch an Mills Theorie der Arten erscheinen, dass alles Wissen über die Arten auf Beobachtung und Experiment zurückzuführen sei. (Vgl. CW VII, S. 719) Doch die Beantwortung der Frage, wie die Erfahrung beibringen soll, dass ein Einzelnes zugleich als ein Allgemeines zu denken sei, bleibt Mill schuldig.

1.3.2.2 Allheit, Induktion und Analogie Die wesentlichen Schwierigkeiten, denen sich Mill bezüglich der Begründung einer induktiven Logik ausgesetzt sind, thematisiert Hegel im Schluss der Reflexion. (Vgl. Schick 2005) Dazu gehören die Problematik einer vollständigen In-

 „The Theory of Kinds, which was a later addition, suggested by otherwise inextricable difficulties which met me in my first attempt to work out the subject of some of the concluding chapters of the Third Book.“ (CW I, S. 191) Vgl. dazu auch CW I, S. 229: „In working out the logical theory of those laws of nature which are not laws of Causation, nor corollaries from such laws, I was led to recognize Kinds as realities in nature, and not mere distinctions for convenience; a light which I had not obtained when the First Book was written, and which made it necessary for me to modify and enlarge several chapters of that Book.“

1.3 Der Schluss

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duktion, die Vermittlungsbedürftigkeit nicht nur der Conclusio, sondern auch der Prämissen und die Schwierigkeit, das Einzelne zugleich als ein Allgemeines zu bestimmen. Für Hegel bleibt der Schlusssatz der Induktion problematisch, da „die Einzelheit […] als identisch mit der Allgemeinheit gesetzt werden [soll; M.G.], aber indem die Einzelnen ebenso sehr als unmittelbare gesetzt sind, so bleibt jene Einheit nur ein perennierendes Sollen“. (GW 12, S. 114) Anstatt sich, wie behauptet, auf die Unmittelbarkeit der Erfahrung Einzelner zu stützen, stütze sich der induktive Schluss auf die allgemeine Unmittelbarkeit. (Vgl. Iber 2006, 131 ff. und Stederoth 2006, S. 150 – 163) Als Mitte des Schlusses könne die Einzelheit nur dann fungieren, wenn sie nicht nur als wesentlich Einzelnes, sondern zugleich als ein Allgemeines aufgefasst werde. Diese Allgemeinheit dürfe aber nicht die der äußerlichen Reflexion, weil andernfalls die Mitte in zwei Momente zerfallen würde. Vielmehr müsse sich die Mitte als gleichermaßen wesentlich einzeln und objektiv allgemein erweisen. Die von Hegel geforderte unmittelbare Identität der Einzelheit mit der objektiven Allgemeinheit klingt auch in Mills theory of kinds an, wird aber durch die zugleich geforderte Zurückführbarkeit auf Erfahrung konterkariert. Die unmittelbare Identität der Einzelheit mit der Allgemeinheit ist die wesentliche Voraussetzung des Schlusses der Analogie, den Hegel als dritte Form des Reflexionsschlusses erörtert. Erteilt Mill der Analogie eine deutliche Abfuhr, indem er ihr nur eine auxiliäre wissenschaftliche Funktion zur Formulierung von Hypothesen zuspricht, gilt Hegel der Analogieschluss zwar als defizitärer Reflexionsschluss, der aber aufgrund seiner Mangelhaftigkeit auf die Schlüsse der Notwendigkeit verweist. In ihnen ist die Mitte nicht mehr ein unmittelbar Einzelnes, sondern die objektive Allgemeinheit. Die wesentliche Differenz zwischen Mills und Hegels Auseinandersetzung mit der Induktion ist, dass Mill das Allgemeine als Tatsache behauptet und Hegel das Allgemeine als Grund zu begründen sucht. Für Hegel macht Letzteres die wesentliche an den Schluss der Notwendigkeit gestellte Aufgabe aus. (Vgl. Kruck 2006, 164– 180)

1.3.3 Der Schluss der Notwendigkeit Im Schluss der Notwendigkeit soll sich das Allgemeine als ein objektiv Allgemeines erweisen. Das objektiv Allgemeine soll das Vermittelnde als der objektive Grund des Schlusses sein. Es kann hier demnach nicht mehr um ein formelles oder abstraktes Allgemeines gehen, sondern um ein inhaltsvolles Allgemeines, d.i. „die allgemeine Natur der Sache, die Gattung“. (GW 12, S. 118) Das Allgemeine erscheint hier als die in die Sphäre des Begriffs erhobene Substanz. (Vgl. GW 12, S. 119)

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1. Die Subjektivität

Im Schluss der Notwendigkeit geht es also um die Frage des Verhältnisses der subjektiven Notwendigkeit der Verknüpfung unserer Begriffe zur objektiven Notwendigkeit der Bestimmung der Dinge an sich selbst. Hält Kant die Identifizierung von subjektiver und notwendiger Notwendigkeit der Verknüpfung für einen transzendentalen Schein (vgl. KrV, B 353), so sieht Hegel hierin den Übergang von der Subjektivität zur Objektivität begründet. Problematisch an der kantischen Philosophie ist für Hegel der Zusammenhang zwischen der Vernunft als das Vermögen zu schließen und der Vernunft als der Quelle von Gesetzen, ewigen Wahrheiten etc. (GW 12, S. 90) Die Vernunft als das Vermögen zu schließen ist eine rein formale Vernunft, wohingegen die gesetzgebende Vernunft aus sich einen Inhalt erzeugen soll. Mit der Beschränkung des Vernunftgeschäftes auf die transzendentale Analytik begrenze Kant die Vernunft auf die formale Vernunft. Für Hegel ist die transzendentale Analytik, die er der Sache nach im Kapitel über das Urteil abhandelt, eine Stufe auf der Entwicklung des Begriffs zur absoluten Idee. Die transzendentale Dialektik findet analog dazu ihren Ort im dritten Kapitel der subjektiven Logik, dem Schluss. Hier will Hegel mit dem Übergang des Schlusses in die Objektivität demonstrieren, wie die Denkbestimmungen in Seinsbestimmungen übergehen können. Damit wäre ein wesentlicher Aspekt der Aufgabe der subjektiven Logik erfüllt, nämlich zu zeigen, wie der Begriff die Realität in und aus sich bildet. (Vgl. GW 12, S. 24) Es ist kein Zufall, dass Hegel eben an dieser Stelle den ontologischen Gottesbeweis thematisiert. Gott, Freiheit und Unsterblichkeit sind bekanntlich die Themen der metaphysica specialis, die Kant in der transzendentalen Dialektik endgültig destruieren will. Unter „C. Der Schluss der Nothwendigkeit“ thematisiert Hegel den kategorischen, den hypothetischen und den disjunktiven Schluss. Alle drei Schlussformen finden sich auch in der transzendentalen Dialektik Kants wieder, denn „aller transzendentaler Schein der reinen Vernunft“ beruht „auf dialektischen Schlüssen […], deren Schema die Logik in den drei formalen Arten der Vernunftschlüsse überhaupt an die Hand gibt.“ (KrV, B 432) „Die erste Art dieser vernünftelnden Schlüsse“, der kategorische Schluss, geht demnach auf „die absolute (unbedingte) Einheit des denkenden Subjekts“ (KrV, B 391). Die zweite Art, der hypothetische Schluss, geht auf „die absolute Einheit der Reihe der Bedingungen der Erscheinung“ und die dritte Art, der disjunktive Schluss, thematisiert „die absolute Einheit der Bedingung aller Gegenstände des Denkens überhaupt“. (Krv, B 391) Den drei Schlussformen entsprechen demnach die Idee der Seele, die Idee der Welt und die Idee Gottes. Mit der Abhandlung der drei Formen des notwendigen Schlusses, dem kategorischen, hypothetischen und dem disjunktiven Schluss, thematisiert Hegel demnach die Inhalte der metaphysica specialis. Vor allem mit dem Übergang von der Subjektivität zur Objektivität, den Hegel explizit mit dem ontologischen Gottesbeweis in Verbindung bringt, liegt die Vermutung

1.3 Der Schluss

101

nahe, dass es Hegel um eine affirmative Darstellung der dogmatischen Metaphysik geht. Doch genau genommen geht es Hegel nicht um den Übergang von der Subjektivität zu einer ihr unabhängig gegenüber stehenden Objektivität, sondern um den Übergang vom subjektiven Begriff zum objektiven Begriff. Darin liegt die entscheidende Differenz. Hegel will nicht demonstrieren, wie ein Begriff einem unabhängig von der Erkenntnis existierenden Ding zugesprochen werden könne. Der Begriff soll eben keine bloße Eigenschaft oder Prädikat an einem metaphysisch vorausgesetzten Ding sein. Die Sphäre des Begriffs soll überhaupt nicht transzendiert werden, die Begriffe nicht hypostasiert werden. Das ist für Hegel auch gar nicht notwendig, denn der logische Begriff enthält alle Metaphysik, zu der er fähig ist. Damit ist zumindest angedeutet, dass Hegels Logik zwar einerseits zugleich Metaphysik ist, aber diese Metaphysik nicht mit der vormaligen, schon von Kant kritisierten Metaphysik zu verwechseln ist. Wenn Logik und Metaphysik dergestalt zusammenfallen, dass es jenseits logischer Begriffe keine metaphysischen Bestimmtheiten geben könne, alle mögliche Metaphysik in der Sphäre der Logik befangen bleiben müsse, wird der hegelsche Ausdruck der Realisierung des Begriffs zwar dem Vorwurf der Restitution der vormaligen Metaphysik entzogen, aber die Bedeutung der Realisierung des Begriffs ist damit mitnichten deutlicher geworden. Die Aufgabe für das Folgende ist damit bezeichnet. Anhand des Überganges vom Schluss der Notwendigkeit zur Objektivität soll eine Explikation des hegelschen Verständnisses der Realisierung des Begriffs erfolgen.

1.3.3.1 Die Realisierung des Begriffs im Übergang des Schlusses der Notwendigkeit zur Objektivität In der Begriffslehre für die Oberklasse von 1809/10 teilt Hegel die subjektive Logik in drei Teile: den ersten Teil macht die Lehre vom Begriff aus, der mittlere Teil trägt den Titel der Lehre von der Realisierung des Begriffs und der dritte Teil wird als die Lehre von der Idee bezeichnet. Während die Dreiteilung im Folgenden weitestgehend übernommen wird, ändert Hegel jedoch die Titel der einzelnen Abschnitte, vor allem den des mittleren Teiles. In der subjektiven Logik von 1816 tritt an die Stelle der „Lehre von der Realisierung des Begriffs“ der Abschnitt „Die Objektivität“. Die Enzyklopädie schließlich führt diesen Abschnitt unter dem Titel „Das Objekt“. Dass Hegel die drei Termini, Realisierung des Begriffs, Objektivität und Objekt synonym gebraucht, ist kaum anzunehmen. Schon rein äußerlich sind die Unterschiede unverkennbar. Der Begriff der Realisierung macht das Prozesshafte nur allzu deutlich, wohingegen beim Begriff des Objektes das Statische im Vordergrund steht, wie es auch die von Hegel kritisierte Rede vom gegebenen, vorhandenen Objekt nahelegt. Für Hegel ist das Objekt das Resultat der Realisierung des Begriffs. Will man nicht den Vorwurf der Restitution der vormaligen Meta-

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1. Die Subjektivität

physik wiederholen, gilt es, nicht nur das hegelsche Verständnis der Realisierung des Begriffs aufzuklären, sondern zudem seinen Gebrauch der Begriffe des Objekts und der Objektivität. Versteht man unter der Realisierung des Begriffs den Versuch, aus der reinen Logik „ein reales Objekt herauszuklauben“ (Kant 1799, S. 876), so ist dies, wie Kant betont, eine ganz vergebliche Arbeit. Sofern mit Objekt ein Gegenstand möglicher Erfahrung gemeint ist, ist der kantischen Warnung vor vergeblicher Müh nichts hinzuzufügen. Hegel fasst den Begriff des Objekts jedoch anders auf, und das nicht ohne auf die an Konsequenzen reiche Mehrdeutigkeit des Begriffs hinzuweisen. „Unter Objekt aber pflegt man“, wie Hegel schreibt, „nicht bloß ein abstraktes Seiendes oder existierendes Ding oder ein Wirkliches überhaupt zu verstehen, sondern ein konkretes, in sich vollständiges Selbständiges“. Diese Vollständigkeit, die für Hegel das Objekt ausmacht, „ist die Totalität des Begriffs“ und damit Resultat des Vernunftschlusses. (GW 20, S. 200) Selbständig ist das Objekt dann insofern, als es in der Totalität der Begriffsbestimmungen keiner Bestimmung außer ihm, also auch keiner Bestimmung des subjektiven Begriffs mehr bedarf und in der Abgeschlossenheit der Totalität auch nicht mehr zugänglich ist. Die im Schluss sich vollziehende Vermittlung ist aufgehoben.⁹⁴ Das Objekt macht sich in diesem Sinne unabhängig vom subjektiven Begriff. Die Unabhängigkeit vom Subjektiven ist das Kennzeichen der Objektivität, wie sie im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend verstanden wird. Sie wird zum Ideal wissenschaftlicher Objektivität. (Vgl. Daston/Galison 2007) Dass Hegel dieses Ideal wissenschaftlicher Objektivität dem subjektiven Begriff gegenüber bevorzugt, lässt sich bestenfalls an der von ihm unterstellten Notwendigkeit des Übergangs von der Subjektivität zur Objektivität festmachen. Gleichwohl sind beide, Subjektivität wie Objektivität, nur Momente auf dem Weg der Entwicklung der Idee, in der beide aufgehoben gedacht werden. Hegels Ideal wissenschaftlicher Objektivität wird sich demnach im dritten Abschnitt der subjektiven Logik, der Idee finden lassen, welches dann aber von der im zweiten Abschnitt abgehandelten Objektivität wohl zu unterscheiden ist. Hegel selbst unterscheidet in der Enzyklopädie drei Bedeutungen der Objektivität. Zum einen sei Objektivität ein äußerlich Vorhandenes im Unterschied zu einem nur Subjektiven wie z. B. einem Erträumten, zweitens gilt Objektivität, wie Kant darlege, als ein Allgemeines und Notwendiges im Unterschied zu dem der Empfindung zugehörigen Zufälligen⁹⁵ und drittens lasse sich Objektivität als ein  Mit der Aufhebung seiner Vermittlung hebt der Schluss sich selbst auf. Für K. Hartmann ist die Aufhebung des Schlusses im disjunktiven Schluss nicht sinnvoll.Vgl. Hartmann 1999, S. 359 Anm.  „Die Objektivität heißt hier das Element von Allgemeinheit und Notwendigkeit, d.i. von den Denkbestimmungen selbst. – dem sogenannten Apriorischen.“ (GW 20, S. 79).

1.3 Der Schluss

103

gedachtes Ansich dessen, was da ist, begreifen im Unterschied zu einem nur Gedachten. (Vgl. HW 8, S. 115, Zusatz 2) Für das Folgende sind vor allem die beiden letzteren Bedeutungen der Objektivität relevant. Die zweite Bedeutung der Objektivität, die Denkbestimmungen der Allgemeinheit und Notwendigkeit im Unterschied zur Zufälligkeit, wird in der transzendentalen Logik explizit thematisch. Dort zeigt sich auch, dass die Denkbestimmungen der Allgemeinheit und Notwendigkeit, die als eine subjektive Form der Objektivität betrachtet werden können, ihrerseits erst durch den Bezug auf einen möglichen Gegenstand den Titel der Objektivität verdienen. Die Objektivität wird damit, wie Hegel kritisiert, als Übereinstimmung des Begriffs mit dem Ding festgehalten. Dieser Kritik ungeachtet misst Hegel sowohl der Allgemeinheit als auch der Notwendigkeit eine große Bedeutung für die Schlusslehre zu. Die Übereinstimmung des formalen Begriffs mit den Dingen hat hingegen in der formalen Logik keinen Ort. Erst in der auf die Elementarlehre folgenden Methodenlehre thematisieren die gewöhnlichen Logiken, wie aus der Anwendung der in der Elementarlehre gewonnenen Formen des Denkens auf vorhandene Objekte wissenschaftliche Erkenntnis möglich sei. Eine solche Anwendung der Formen des Denkens auf vorausgesetzte Gegenstände liegt Hegel fern. Ihm geht es zunächst um die Aufklärung des Ursprungs dieser Objekte und der Objektivität überhaupt. (Vgl. HW 8, S. 343 f.) Die Verstandeslogik nimmt das Denken als eine rein formelle Tätigkeit und das Objektive als ein diesem gegenüber Stehendes, für sich Vorhandenes. Dagegen betont Hegel, dass sowohl die Subjektivität als auch die Objektivität Gedankenbestimmungen seien. Die Subjektivität – Begriff, Urteil und Schluss – sei nicht „als ein leeres Fachwerk zu betrachten, welches seine Erfüllung erst von außen, durch für sich vorhandene Objekte, zu erhalten hat, sondern die Subjektivität ist es selbst, welche, als dialektisch, ihre Schranke durchbricht und durch den Schluß sich zur Objektivität erschließt.“ (HW 8, S. 345) Es ist hiermit die dritte Bedeutung der Objektivität gemeint, in der die Gedanken nicht nur Gedachte, „sondern zugleich das Ansich der Dinge und des Gegenständlichen überhaupt sind“ (HW 8, S. 116). Diese Objektivität sucht Hegel zu begründen. In einer solchen Objektivität als ein gedachtes Ansich dessen, was da ist, als das „an und für sichseyende Seyn des Begriffs“ (GW 12, S. 131) sieht Hegel den Begriff realisiert. Diese Formulierung offenbart die gesamte Problematik einer Logik, die zugleich Metaphysik sein soll. Hier lauert der von Kant kritisierte transzendentale Schein, der seinen Grund darin habe, „daß die subjektive Notwendigkeit einer gewissen Verknüpfung unserer Begriffe […] für eine objektive Notwendigkeit, der Bestimmung der Dinge an sich selbst, gehalten wird.“ (KrV, B 353) Kurz: Die Denk- und Seinsbestimmungen des Objekts sollen in Eines zusammenfallen. Diese in der Rezeptionsgeschichte stets dem Metaphysikvorwurf ausgesetzte Einheit von Denk- und Seinsbestimmungen grenzt Hegel jedoch explizit von der, zu Recht zu kritisierenden, trivialen Identität des Objekts

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1. Die Subjektivität

und des Begriffs ab. Die von Hegel unterstellte Unzertrennlichkeit des Begriffs oder des Denkens vom Sein (Vgl. GW 20, S. 201) meint nicht die Möglichkeit oder gar Notwendigkeit das Sein oder gar bestimmte Dinge, die Wirklichkeit, aus dem Begriff heraus zu analysieren oder zu deduzieren.⁹⁶ Zu der eingangs erwähnten Alternative zwischen der Anwendung der Formen des Denkens auf einen vorausgesetzten Gegenstand und der Deduktion des Inhalts aus der bloßen Form sucht Hegel seinerseits eine Alternative zu begründen. Die Rede von der Identität der Denk- und Seinsbestimmungen verliert ihren metaphysischen Schrecken, wenn das Sein als weiter nichts, als die unmittelbare oder „einfache Beziehung auf sich selbst“ genommen wird und man bedenkt, wie Hegel hervorhebt, „dass diese arme Bestimmung ohnehin im Begriff oder auch im Denken enthalten ist.“ (GW 20, S. 201) Gleichwohl ist es aber eben nicht der Sinn des Übergangs in die Objektivität, Bestimmungen aufzuzeigen, die im Begriff enthalten sein sollen – wie es Anselms Argumentation verlangt –, sondern vielmehr an der Bestimmtheit des Begriffs „als Begriffsbestimmtheit allein zu sehen, ob und dass sie in eine Form übergeht, welche von der Bestimmtheit, wie sie dem Begriffe angehört und in ihm erscheint, verschieden ist.“ (HW 8, S. 346) Eben hierin wird die von Hegel in der gewöhnlichen Logik und auch bei Kant vermisste Bestimmung der Vernunft als Quell von Gesetzen etc. zu suchen sein. Denn die Verschiedenheit des Objektes vom Begriff kann doch nur eine durch die Vernunft gesetzte Verschiedenheit sein. Der Inhalt, den die Vernunft erzeugen soll, ist jedoch eine bloße Form, und zwar die Form, um es noch einmal zu betonen, „welche von der Bestimmtheit, wie sie dem Begriffe angehört und in ihm erscheint, verschieden ist.“ (HW 8, S. 346) Der durch die Vernunft erzeugte Inhalt ist demnach nicht mit dem Inhalt einer bestimmten Vorstellung, wie der Vorstellung von 100 Talern, zu verwechseln. Auch wenn die kantische Kritik des ontologischen Gottesbeweises hier nicht verfängt, bleiben die Formulierungen Hegels, die explizit auf einen Zusammenhang zwischen dem Übergang vom subjektiven Begriff zur Objektivität und dem ontologischen Gottesbeweis verweisen, erklärungsbedürftig. Dieses Desiderat soll im folgenden Abschnitt aufgehoben werden.

 Vgl. GW 20, S. 91: „wie in dem Empirischen sich das Allgemeine nicht vorfinde, so sei ebenso umgekehrt im Allgemeinen das Bestimmte nicht enthalten, und das Bestimmte ist hier das Sein. Oder das Sein könne nicht aus dem Begriffe abgeleitet und herausanalysiert werden.“

1.3 Der Schluss

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1.3.3.2 Hegels Bestimmung des ontologischen Gottesbeweises als Realisierung des Begriffs Hegel schreibt zu Beginn des Abschnitts zur Objektivität, dass es sich bei der Realisierung des Begriffs, der Bestimmung des Begriffs zur Objektivität, der Bestimmung nach um dasselbe handele, „was sonst in der Metaphysik als der Schluß vom Begriffe, nemlich vom Begriffe Gottes auf sein Daseyn, oder als der ontologische Beweis vom Daseyn Gottes vorkam.“ (GW 12, S. 127) Das Resultat des disjunktiven Schlusses ist „ein Seyn, das ebensosehr […] der Begriff ist.“ (GW 12, S. 126) Damit ist nicht gemeint, dass der ontologische Gottesbeweis der metaphysica specialis an dieser Stelle geführt würde. (Vgl. dagegen Schick 1994) Hegel geht es an dieser Stelle um die systematische Bedeutung des ontologischen Gottesbeweises und nicht um den Nachweis, dass dem ens realissimum auch das Sein als eine Realität zukomme.⁹⁷ Auch eine Explikation des Begriff Gottes als ens necessarium wird von Hegel an dieser Stelle nicht gewollt. Hegels Erneuerung des ontologischen Arguments ist deshalb nicht als Restitution der durch Kant destruierten traditionellen Metaphysik zu verstehen.⁹⁸ Die ganze Darstellung der Gottesbeweise hat ihren Ort nicht in der Logik, sondern in der Religionsphilosophie. In der Wissenschaft der Logik kann es nur darum gehen, die Strukturgleichheit in der Bestimmung des ontologischen Gottesbeweises und der Bestimmung der Realisierung des Begriffs aufzuzeigen. Hegels expliziter Hinweis auf die Bedeutung des ontologischen Gottesbeweises für die Darstellung des Übergangs von der Subjektivität zur Objektivität wird von ihm nicht im Detail ausgearbeitet. Stattdessen verweist er „auf eine andere Gelegenheit, den vielfachen Mißverstand, der durch den logischen Formalismus in den ontologischen, so wie in die übrigen sogenannten Beweise vom Daseyn Gottes gebracht worden ist, wie auch die kantische Kritik derselben näher zu beleuchten, und durch Herstellen ihrer wahren Bedeutung die dabey zu Grunde liegenden Gedanken in ihren Werth und Würde zurückzuführen.“ (GW 12, S. 129) Als diese andere Gelegenheit kann die anvisierte Publikation (Vgl. GW 21, S. 403 und GW 18, S. 395 – 399) Über das Dasein Gottes (GW 18, S. 398) angesehen werden, bei der es nicht eindeutig zu belegen ist, ob es sich hierbei um das Vorlesungsmanuskript aus dem Sommer-

 Zu Hegels Interpretation der Gottesbeweise außerhalb der Wissenschaft der Logik vgl. Dierken 1990, S. 275 – 318. Vgl. Albrecht 1958.  Vgl. Jaeschke 2003, S. 246: „Es geht nicht, wie in der rationalistischen Metaphysik, um den Aufweis, dass im Gedanken Gottes als des „allerrealsten Wesens“ das „Sein“ als eine der „Realitäten“ enthalten sei, und auch nicht um die Explikation des Begriffs Gottes als des „notwendigen Wesens“. Deshalb ist Hegels Versuch einer Erneuerung des systematischen Sinnes des „ontologischen Gottesbeweises“ nicht immer schon durch Kants Argumente gegen diese beiden Beweisformen widerlegt.“

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1. Die Subjektivität

semester 1829 Über die Beweise vom Daseyn Gottes handelt oder um ein anderes Manuskript. Das sechzehn Vorlesungen umfassende Manuskript Über die Beweise vom Daseyn Gottes bricht mit der Erörterung des kosmologischen Gottesbeweises ab. Zum ontologischen Gottesbeweis existiert ein nach der Vorlesung zur Religionsphilosophie von 1831 sekundär überlieferter Text mit dem Titel: Der ontologische Beweis. (Hegel 1832. Vgl. Hegel V 5.3, 271– 278) Die durch das Beispiel der hundert Taler einprägsame Kritik Kants am ontologischen Argument, das dem Sein ungerechtfertigter Weise eine Realität zuspreche, greift Hegel hier kurz auf, um aber deutlich zu machen, dass die Bedeutung des ontologischen Arguments nicht in der vermeintlichen Inhaltsbestimmung des Seins liege. Es kann zugegeben werden, daß das Sein keine Inhaltsbestimmung ist; aber es soll ja nichts zum Begriff hinzukommen (ohnehin ist es schon sehr schief, jede schlechte Existenz einen Begriff zu nennen), sondern ihm vielmehr der Mangel genommen werden, daß er nur ein Subjektives, nicht die Idee ist. (V 5, S. 273)

Hegels Erneuerung des ontologischen Arguments geht eben auf diese Problematik des Mangels des Subjektiven. Der Begriff, der nur ein Subjektives und getrennt vom Sein ist, ist ein Nichtiges. In der Form des Beweises, wie ihn Anselm gibt, besteht die Unendlichkeit eben darin, nicht ein Einseitiges zu sein, ein bloß Subjektives, dem nicht das Sein zukäme. Der Verstand hält Sein und Begriff streng auseinander, jedes als identisch mit sich: Aber schon nach der gewöhnlichen Vorstellung ist der Begriff ohne Sein ein Einseitiges und Unwahres, und ebenso das Sein, in dem kein Begriff ist – das begriffslose Sein. Dieser Gegensatz, der in die Endlichkeit fällt, kann bei dem Unendlichen, Gott, gar nicht statthaben. (V 5, S. 273)

Soll die Vernunft, die schließt, zugleich Quelle von Wahrheiten sein, muss es Hegel um die Aufhebung des Gegensatzes von Begriff und Sein, die Realisierung des Begriffs gehen. Die von Hegel geforderte Untrennbarkeit von Begriff und Sein zeigt sich erst in der Idee. Der in die Objektivität übergegangene subjektive Begriff hat diese anvisierte Einheit von Begriff und Sein noch nicht realisiert. Mechanismus, Chemismus und Teleologie weisen eine ebenso einseitige Bestimmung auf wie der subjektive Begriff. Es bleibt die Aufgabe des Begriffs, wie Hegel betont, das Sein identisch mit sich zu setzen. Die Einheit von Begriff und Realität, der metaphysische Begriff wird erst in der absoluten Idee vollendet. Der ontologische Beweis gilt Hegel als eine bloß verstandesmäßige Explikation der absoluten Idee. (Jaeschke 1986, S. 311) Denn die Objektivität, in die der Begriff sich dem ontologischen Argument gemäß realisiert, bleibt der verstandesgemäßen Einseitigkeit von Subjektivität und Objektivität verhaftet. Auf diese Weise bleibt der Prozess der Realisierung des Begriffs auch im Abschnitt zur Objektivität erhalten. Die Identität

1.3 Der Schluss

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des Begriffs mit dem Sein ist nicht wie im ontologischen Gottesbeweis als Voraussetzung, sondern als Resultat zu betrachten. Der Begriff hat aber nicht nur an sich das Sein in sich – nicht nur wir sehen dies ein, sondern er ist auch für sich das Sein; er hebt selbst seine Subjektivität auf und objektiviert sich. Der Mensch realisiert seine Zwecke; d. h. was nur erst Ideelles war, dem wird seine Einseitigkeit genommen, und es wird damit zum Seienden gemacht: der Begriff ist ewig diese Tätigkeit, das Sein identisch mit sich zu setzen. Im Anschauen, Fühlen usf. haben wir äußerliche Objekte vor uns; wir nehmen sie aber in uns auf, und so sind die Objekte ideell in uns. Der Begriff ist so diese Tätigkeit, seinen Unterschied aufzuheben. Wenn die Natur des Begriffs eingesehen wird, so ist die Identität mit dem Sein nicht mehr Voraussetzung, sondern Resultat. Der Gang ist dieser, daß der Begriff sich objektiviert, sich zur Realität macht, und so ist er die Wahrheit, Einheit des Subjekts und Objekts. (V 5, S. 274 f.)

Die im ontologischen Gottesbeweis thematisierte Einheit von Subjektivität und Objektivität bildet den systematischen Gehalt der von Hegel angeregten Erneuerung des ontologischen Arguments. Das Dasein aus dem Begriff heraus zu deduzieren oder heraus zu konstruieren liegt Hegel fern. Der oft gegen Hegel erhobene Vorwurf, dass aus dem Begriff das Dasein des Begriffenem herausgeklaubt würde, ist aufs Engste verknüpft mit der Vorstellung, dass es sich beim Sein nur um ein Sein „im Contexte der äußern Erfahrung oder in der Form der sinnlichen Wahrnehmung“ (GW 12, S. 129) handeln könne. Unter dieser Voraussetzung ist „die Schwierigkeit, im Begriffe überhaupt und eben so im Begriffe Gottes das Seyn zu finden“ (GW 12, S. 129), ohne Frage unüberwindlich. Um den systematischen Gehalt des ontologischen Arguments fruchtbar zu machen, ist gefordert, wie Hegel hervorhebt, beim Begriff des Seins sich über die Sinne zu erheben, sowie beim Begriff des Begriffs die Sphäre der bloßen Abstraktion zu verlassen. Nach der Existenz dessen, was durch den Begriff gedacht wird, lässt sich nur unter der Voraussetzung fragen, dass die Begriffe von dem zu Begreifenden unterschieden werden und die Begriffe gleichsam auf etwas ihnen Entgegenstehendes angewandt werden. Da für Hegel diese Voraussetzung eines Gegebenen begrifflich nicht zu begründen ist, verändert sich auch der Blickwinkel auf das dem Begriff zukommende Sein. Ohne die vorausgesetzte Differenz von Begriff und Begriffenem als einem Gegebenen kann das Sein auch nicht als ein dem Begriff Äußerliches aufgefasst werden. Die Rede, dass dem Begriff ein Sein zukomme, kann dann auch nicht dem Vorwurf, dass aus dem Begriff das Sein der Dinge herausgeklaubt werde, anheimfallen. D.h. Hegel benutzt das ontologische Argument, um die Vermeidung der Voraussetzung eines vom Begriff Unterschiedenen ermöglichen und begrifflich begründen zu können. Die im ontologischen Beweis zum Ausdruck kommende Aufgabe, aus dem Begriff Gottes sein Dasein zu beweisen, heißt, wie Hegel in der Enzyklopädie von 1817 schreibt, „in seinem eigentlichen

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1. Die Subjektivität

Sinne nichts anderes als den Übergang des Begriffs aus sich selbst in die Objektivität darzustellen.“ (GW 13, § 139 A) Die Möglichkeit dieses im ontologischen Beweis vollzogenen Übergangs sieht Hegel durch den Begriff des Begriffs garantiert. In seinem Verständnis des Begriffs des Begriffs als causa sui, dem erhabensten Gedanken Descartes’ (GW 12, S. 127), wird nicht mehr der Begriff eines notwendigen Wesens durch den Übergang vom Begriff zum Sein gerechtfertigt. Vielmehr ermöglicht der Begriff des notwendigen Wesens den Übergang von der Subjektivität zur Objektivität. (Vgl. Henrich 1960, 216) Als Begriff des notwendigen Wesens, von dem der Übergang ausgeht, erscheint in der Wissenschaft der Logik nicht Gott, sondern die aus dem disjunktiven Schluss hervorgegangene Totalität der Begriffsbestimmungen, die „unmittelbar mit seinem Seyn identisch ist.“ (GW 12, S. 131) Überaus problematisch muss beim Übergang von der Subjektivität zur Objektivität erscheinen, dass die arme Bestimmung des Seins als die einfache Beziehung auf sich selbst einerseits „ohnehin im Begriff oder im Denken enthalten“ (GW 20, S. 201) sein soll, andererseits der Begriff mit dem Übergang zum Objekt in eine Form übergehen soll, „welche von der Bestimmtheit, wie sie dem Begriffe angehört und in ihm erscheint, verschieden ist.“ (HW 8, S. 346) D.h. mit der Realisierung des Begriffs wird die Sphäre des Begriffs verlassen und auch wieder nicht verlassen. Die Illusion dieses Widerspruchs, dass mit der Realisierung des Begriffs die Sphäre des Begriffs verlassen und ebenso nicht verlassen wird, gilt Hegel in der Idee aufgelöst, die Subjektivität und Objektivität als ihre Momente in sich aufnimmt. Solange der Standpunkt der Idee nicht erreicht ist, erscheint das Objekt und auch die Objektivität als das Andere des subjektiven Begriffs,⁹⁹ gleichwohl schon an dieser Stelle evident sein dürfte, dass sowohl das Objekt als auch die Objektivität ohne den Begriff nicht zu denken sind. Anders formuliert: die Unmittelbarkeit der Objektivität ist ohne Vermittlung nicht möglich. Daraus folgt aber auch umgekehrt die Notwendigkeit der Aufhebung der Vermittlung für die Darstellung der Unmittelbarkeit der Objektivität. Will Hegel demnach die Herkunft und den Ursprung der Objektivität aus der und durch die Vernunft erklären, so muss er zeigen, wie der Begriff als das Vermittelnde seine Vermittlung und damit sich selbst aufhebt. Leisten soll das der disjunktive Schluss. Diese Aufgabe ist analog zu der von Kant formulierten Frage, wie „die bloße Form des disjunktiven Vernunftschlusses den höchsten Vernunftbegriff von

 „Jener reine Begriff durchläuft die endlichen Formen des Urtheils und des Schlusses darum, weil er noch nicht als an und für sich eins mit der Objectivität gesetzt, sondern erst im Werden zu ihr, begriffen ist. So ist auch diese Objectivität noch nicht die göttliche Existenz, noch nicht die in der Idee scheinende Realität. Doch ist die Objectivität gerade um so viel reicher und höher als das Seyn oder Daseyn des ontologischen Beweises, als jene metaphysische Leere des Inbegriffs aller Realität.“ (GW 12, S. 129).

1.3 Der Schluss

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einem Wesen aller Wesen notwendigerweise nach sich ziehen müsse“ (KrV, B 392). Denn dass der Begriff die durch ihn vollzogene Vermittlung aufhebt, setzt voraus, dass der Begriff zu einem ihm eigenen oder wesentlichen Ende kommt, dass die Begriffsbestimmungen in einer Totalität zu einem Abschluss kommen. Als diese Totalität der Begriffsbestimmungen, als dasjenige, was die bloße Form des disjunktiven Schlusses notwendigerweise nach sich ziehen müsse, bestimmt Hegel nicht Gott, sondern das objektiv Allgemeine. Das objektiv Allgemeine macht im disjunktiven Schluss die Mitte aus. Während in den von Hegel in der Darstellung vorangehenden kategorischen und hypothetischen Schlüssen die substantielle Identität des Inhalts und die Einheit der Form thematisch werden, läuft der disjunktive Schluss auf die Identität von Form und Inhalt, damit aber auch auf die Aufhebung der Vermittlung durch den Schluss, hinaus. Für die Form des Schlusses ist der Unterschied zwischen Allgemeinem, Besonderem und Einzelnem konstitutiv. Ist der Inhalt des Schlusses so bestimmt, dass die Extreme sich der Sache nach nicht von der Mitte unterscheiden, so hebt sich die Form des Schlusses auf. Die objektive Allgemeinheit, die die Mitte des Schlusses ausmachen soll, lässt sich von den Extremen des Schlusses nicht unterscheiden, insofern auch das Besondere und das Einzelne ihrerseits als Totalitäten bestimmt sind und ebenso als Mitte des disjunktiven Schlusses und damit als objektiv Allgemeines fungieren. Verhalten das Vermittelnde, die Mitte, und die zu Vermittelnden, die Extreme des Schlusses, sich gegeneinander indifferent, so hebt sich die Vermittlung und damit der Formalismus des Schlusses auf. In der Aufhebung der Differenz zwischen Form und Inhalt des Schlusses gehen die Vernunft, die schließt, und die Vernunft, die Quelle von Gesetzen etc. ist, zusammen. Dieses von Hegel geforderte Zusammenspiel der formalen Vernunft und der Vernunft, „die es mit einem Inhalte zu thun hat“ (GW 12, S. 90), ist nicht ohne Brisanz. Wenn kein Inhalt vernünftig sein kann, ohne es „durch die Bestimmtheit“ zu sein, „wodurch das Denken Vernunft ist“ (GW 20, S. 192), dann bleibt für die Natur in der Mannigfaltigkeit ihrer Gattungen und Arten nur Bewunderung übrig. Für die bunte Natur bleibe deshalb nur Bewunderung übrig, weil die Gattungen und Arten sich nicht gemäß einem vollständigen disjunktiven Schluss zueinander verhalten und somit sie sich nicht dem Begriff beugen, mithin vernunftlos sind. Der Bewunderung tut dies keinen Abbruch, „denn die Bewunderung ist ohne Begriff, und ihr Gegenstand das Vernunftlose.“ (GW 12, S. 39) Was bliebe dann aber einer Naturphilosophie zu tun, wenn die Natur vollkommen begriff- und vernunftlos wäre? Sie müsste einer Naturästhetik weichen, deren Aufgabe in der bloßen Bewunderung der Natur läge. Bekanntlich hat Hegel die enzyklopädische Naturphilosophie nicht durch eine Naturästhetik ersetzt. In der Naturphilosophie spricht Hegel zwar davon, dass die Natur ihrem Begriff nicht entspreche, (vgl. GW 20, S. 237) aber dennoch geht es ihm um „die Betrachtungsweise des Begriffs, der […] der Natur als solcher immanent“

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1. Die Subjektivität

(GW 20, S. 235) sei. Der Inhalt, mit dem die Vernunft sich hier einlässt, geht mit den Bestimmungen der formalen Vernunft und explizit mit der Form des disjunktiven Schlusses nicht zusammen. Das dahinter stehende Problem ist leicht zu benennen: Der disjunktive Schluss ist metaphysisch. Das Verhältnis der Mitte des disjunktiven Schlusses und seiner Extreme stellt sich als ein Verhältnis von Begriffsbestimmungen dar, das sich empirisch nicht überprüfen lässt. Die behauptete vollständige Disjunktion der Gattung in ihre Arten ist empirisch nicht verifizierbar, aber auch nicht falsifizierbar. Sie ist nicht zu verifizieren, weil die Erfahrung niemals eine abgeschlossene Totalität von z. B. Papageienarten aufzeigen kann. Die behauptete vollständige Disjunktion ist empirisch aber auch nicht falsifizierbar, weil die empirische Überprüfung stets von der Überprüfung gegebener Gegenstände ausgehen muss. D.h. es handelt sich hierbei um die Frage der Anwendung von Begriffsverhältnissen auf gegebene, vorausgesetzte Gegenstände. Eine solche Anwendung läuft aber dem Vernunftschluss zuwider, sie bleibt im Verstandesschluss befangen. Wenn sich demnach die behauptete Totalität des disjunktiven Schlusses weder empirisch verifizieren noch falsifizieren lässt, wird zu Fragen bleiben, ob der Vernunft in ihrem Gebrauch entweder keine Grenzen zu setzen sind oder sie es ausschließlich mit ihr selbst zu tun haben könne. Einem Kantianer, dem die Logik stets kanonisch ist, wird die Antwort nicht schwerfallen. Für Hegel, der die Vernunft, die schließt, von der Vernunft, die Quelle von Gesetzen etc. ist, nicht trennen will, dem der Schluss nicht nur das Vernünftige, sondern „Alles Vernünftige“ (GW 20, S. 191) ist, scheint eine Kritik der reinen Vernunft eher ein Verrat an die Vernunft zu sein als eine sinnvolle Beschränkung. (Vgl. Nuzzo 1996, S. 481) Der Schluss der Notwendigkeit bietet den Abschluss der hegelschen Schlusslehre, nicht aber der subjektiven Logik. Die Notwendigkeit über den Schluss der Notwendigkeit hinauszugehen, ist seiner verstandesgemäßen Form geschuldet. Erst mit der absoluten Idee sieht Hegel den Schluss als das Vernünftige vollendet.¹⁰⁰

 Vgl. Utz 2006, 186: „Mit dem Schluss der Notwendigkeit endet die hegelsche Schlusslehre, und damit wird schon ihr Mangel deutlich: Sie löst das Versprechen, das Organon des spekulativen Denkens zu liefern, nur bezüglich der formalen Spekulation ein, nicht bezüglich des wahrhaft spekulativen reinen Denkens, das keine dem Denken äußerliche Voraussetzungen macht. Auch in der letzten Schlussform, dem disjunktiven Schluss, ist die Vernunft noch auf äußerliche Eingaben angewiesen.“

2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine 2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs¹⁰¹ Die Bestimmungen der Subjektivität – Begriff, Urteil und Schluss – betrachtet Hegel nicht als ein leeres Fachwerk, welches seine Erfüllung erst von außen, durch für sich vorhandene Objekte, zu erhalten hat, sondern die Subjektivität ist es selbst, welche, als dialektisch, ihre Schranke durchbricht und durch den Schluß sich zur Objektivität erschließt. (HW 8, S. 345)

Mit der Aufhebung aller Abstraktion und Vermittlung (vgl. GW 12, S. 130) im disjunktiven Schluss entsteht eine Unmittelbarkeit, die bar jeder Subjektivität nur noch als Objektivität begriffen werden kann. Damit hat der Begriff aber nicht „seine Sphäre verlassen“, die hier verhandelte Objektivität bleibt auch in ihrer Unmittelbarkeit durch die Subjektivität des Begriffs vermittelt. (Hackenesch 2000, S. 126) Dass diese Unmittelbarkeit nicht ohne Vermittlung zu denken ist, ist das Movens des Objektivitätskapitels.¹⁰² Wie die Subjektivität, so enthält auch die Objektivität eine Äquivokation im Begriff. Subjektiv kann zum einen der Begriff sein, zum anderen aber kann subjektiv auch die dem Begriff gegenüberstehende Zufälligkeit und Äußerlichkeit bedeuten.¹⁰³ Objektiv lässt sich analog dazu als das dem selbständigen Begriff gegenüber Stehende und als das an und für sich Seiende verstehen. Das dem Begriff gegenüber stehende Objektive erscheint im subjektiven Idealismus als die mannigfaltige Welt, die das mit sich identische Ich in der Negation dieses nichtig erscheinenden Anderen sich anzueignen versucht. Indem das Ich sich mit dem Nicht-Ich zur Einheit bringt, zeigt es zum einen die

 (Vgl. Düsing 1995, S. 252)  Vgl. Hoffmann 2004, 374 f.: „‚Objekte‘ liegen nicht einfach vor Augen, sie sind als Resultat des disjunktiven Schlusses Vermittlungen der Wissenschaft. Nur das populäre Mißverständndis verwechselt das Resultat der Wissenschaft (zum Beispiel das Atom, das Genom) mit dem unmittelbar Daseienden oder der sich zeigenden Wirklichkeit, und alle falsche Wissenschaftsgläubigkeit besteht gerade in der Ausblendung des des Resultatcharakters des wissenschaftlich Gewußten, seiner unzulässigen Hypostasierung und dann meist auch Mystifizierung.“  Vgl. GW 12, S. 131 und 87: „Es kann noch die Bemerkung gemacht werden, dass jede der beyden Seiten des Subjects, sein Begriff und seine Beschaffenheit, dessen Subjectivität genannt. Der Begriff ist das in sich gegangene allgemeine Wesen einer Sache, ihre negative Einheit mit sich selbst; diese macht ihre Subjectivität aus. Aber eine Sache ist auch wesentlich zufällig, und hat eine äusserliche Beschaffenheit; diese heißt eben so sehr deren blosse Subjectivität, jener Objectivität gegenüber.“

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Äußerlichkeit und Zufälligkeit des Objektiven auf, zum anderen gibt es sich dadurch die einzige ihm mögliche Wirklichkeit seiner Wahrheit als einem mit sich Identischem. In der zweiten Bedeutung ist das Objektive als ein an und für sich Seiendes, das in keinem Gegensatz zu einem Subjektiven steht und ohne Beschränkung ist, es ist „frey und über aller Zufälligkeit“ (GW 12, S. 131). In dieser Bedeutung des an und für sich seienden Seins des Begriffs fasst Hegel die Objektivität zu Beginn des zweiten Abschnitts der subjektiven Logik auf. Die Objektivität ist somit aus dem Begriff hervorgegangen und zudem vollständig vom Begriff durchdrungen.Weil die Objektivität aber als ein Unmittelbares, als Resultat der Aufhebung der Vermittlung durch den Begriff bestimmt ist, zeigt sie sich dennoch als „frey von Zuthat subjectiver Reflexion“ (GW 12, S. 131). Im an und für sich seienden Sein des Begriffs ist „die in seiner Selbstbestimmung gesetzte Vermittlung, zur unmittelbaren Beziehung auf sich selbst, aufgehoben“ (GW 12, S. 131). Das Objektive ist demnach das vermittlungslos, unmittelbar mit sich Gleiche. Mit dieser Bestimmung wäre die Wissenschaft der Logik an ihr Ende angelangt, würde Hegel der Objektivität nicht weiterhin das Moment des Begriffs gegenüberstellen,¹⁰⁴ in welchem der Begriff „das freye Fürsichseyn seiner Subjectivität herzustellen hat“. (GW 12, S. 131) Aus der doppelten Bestimmung der Objektivität, einerseits aus dem subjektiven Begriff in das an und für sich Sein des Begriffs übergegangen zu sein, andererseits das dem selbständigen Begriff gegenüber Stehende zu sein, ergibt sich für Hegel das für den Fortgang der subjektiven Logik notwendige Verhältnis. Dieses Verhältnis ist das des Begriffs als Zweck zur Objektivität.¹⁰⁵ In diesem Verhältnis zeigt sich die Objektivität in ihrer Unmittelbarkeit als das gegen den Begriff Negative, das durch die Tätigkeit des Begriffs als Zweck zu bestimmen sei. In der teleologischen Bestimmung liegt die Bedeutung der Objektivität als das dem selbständigen Begriff gegenüber Stehende begründet. So endet der mit dem an und für sich Sein des Begriffs beginnende Abschnitt zur Objektivität mit dem freien Fürsichsein der Subjektivität des Begriffs. Die aufgehobene Subjektivität scheint sich dergestalt wiederhergestellt zu haben. Diese Entwicklung vollzieht sich anhand der sich in den drei Kapiteln des Mechanismus, Chemismus und Teleologie aufzeigenden Momente des Begriffs im Objektiven (Mechanismus), des Urteils (Chemismus) und des Schlusses (Teleologie) im Objektiven. Das Objekt zeigt sich in diesem Prozess, wie Hegel im § 194

 Vgl. Hoffmann 2004, S. 374: „die Objektivität behandelt erstens in der Tat das erste Andere der Subjektivität, gehört aber eben deshalb auch in die subjektive Logik, weil sie nur durch den bestimmten Gegensatz gegen die Subjektivität, als ‚Funktion‘ des Begriffes definiert ist und ohne ihn schlechterdings nicht wäre. Objekt ist nicht ohne Subjekt“.  Das gesamte Kapitel zur Objektivität ist vom Zweck ausgehend konzipiert.Vgl. Jaeschke 2003, S. 247.

2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs

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der Enzyklopädie schreibt, als ein absoluter Widerspruch, dessen Seiten zum einen die vollkommene Selbstständigkeit des Mannigfaltigen und zum anderen die vollkommene Unselbständigkeit seien.

2.1.1 Mechanismus Die Betrachtung des Mechanismus in der Wissenschaft der Logik hat Hegel so manche Kritik eingetragen. Doch entspricht es nicht der Intention Hegels mit dem ersten Kapitel zur Objectivität naturphilosophische Begriffe und Theoreme in die Logik einzuführen.¹⁰⁶ Vielmehr geht es Hegel um die formale Bestimmung des Mechanismus, um den „Charakter des Mechanismus“ (GW 12, S. 133), der sich nicht auf physikalische Objekte beschränken lasse.¹⁰⁷ Diese allgemeine Charakterisierung des Mechanischen ist nicht ungewöhnlich. Jacobi spricht in seinem Sendschreiben an Fichte von einem „mechanischen Zusammenhang“, der sich uns darstellt, wenn wir uns einen Gegenstand „aus seinen nächsten Ursachen im vollständigen Zusammenhange herleiten können“, d. h. ihn begreifen. (Jacobi 1993, S. 25) So begreifen wir z.B einen Cirkel, wenn wir uns den Mechanismus seiner Entstehung, oder seine Physik deutlich vorzustellen wißen; die syllogistischen Formeln, wenn wir die Gesetze, welchen der menschliche Verstand im Urtheilen und Schließen unterworfen ist, seine Physik, seinen Mechanismus, wirklich erkannt haben; oder den Satz des zureichenden Grundes, wenn uns das Werden, die Construction eines Begriffes überhaupt, seine Physik, sein Mechanismus einleuchtet. (Jacobi 1993, S. 25)

Unter einem „Mechanismus der Natur“ lässt sich, so Kant in der Kritik der praktischen Vernunft, „alle Nothwendigkeit der Begebenheiten in der Zeit nach dem Naturgesetze der Causalität“ (AA V, S. 97) begreifen. Man verstehe darunter aber nicht, „daß Dinge, die ihm unterworfen sind, wirkliche materielle Maschinen sein  Vgl. z. B. Burbidge 2002, S. 229: „Im Abschnitt über die ‚Objektivität‘ und in den folgenden Kapiteln analysiert er streng begrifflich die Kategorien, durch die das Denken seine Objekte ordnet, indem es sie in mechanischen, chemischen und organischen Strukturen arrangiert. Diese funktionalen Ordnungsprinzipien werden […] nicht ausschließlich auf natürliche Phänomene angewendet, sondern häufig auch auf psychologische, soziale oder sogar logische Gebilde, um zu erklären, auf welche Weise solche Entitäten an und für sich existieren. Im Gegenzug dazu setzt die Naturphilosophie mit dem Zugeständnis ein, es gebe eine vom Denken unterschiedene Realität, die durch äußere statt durch begriffliche Beziehungen bestimmt ist.“  Vgl. Jaeschke 2012b, S. 617: „ Es geht hier also nicht um ‚Objektivität‘ im Sinne der begrifflichen Konstitution des einzelnen Objekts, sondern um die logische Form der ‚Totalität‘ der Objekte – und somit um eine Sequenz von ‚Weltbegriffen‘.“

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

müßten.“ (AA V, S. 97) Das für Hegel Charakteristische des Mechanismus sind „vollständige und selbständige Objecte, die sich daher auch in ihrer Beziehung nur als selbständige zueinander verhalten, und sich in jeder Verbindung äusserlich bleiben.“ (GW 12, S. 133) Dieses Verhältnis restringiert Hegel nicht auf materielle Objekte, so dass er neben dem materiellen auch einen geistigen Mechanismus konstatiert. Als eine Form des geistigen Mechanismus nennt Hegel, neben dem Gedächtnis als Mechanismus der Intelligenz, die Gewohnheit als Mechanismus der Seele. (Vgl. GW 20, S. 414– 419) David Hume fasst die Gewohnheit gleichermaßen als Prinzip menschlicher Natur (vgl. Hume 1993, S. 55) und als Prinzip aller Erfahrungsschlüsse. In dieser zweifachen Natur der Gewohnheit liege die Übereinstimmung, „eine Art prästabilierter Harmonie zwischen dem Laufe der Natur und der Abfolge unserer Vorstellungen“ (Hume 1993, S. 68) begründet. Die Möglichkeit der Übereinstimmung der Vorstellungen mit den Gegenständen der Vorstellungen ist demnach auf das subjektive Prinzip der Gewohnheit zurückzuführen. Als ein Prinzip der menschlichen Natur sei das subjektive Prinzip der Gewohnheit als ein Allgemeines zu begreifen, „welches auf die ganze Menschheit den gleichen Einfluß übt.“ (Hume 1993, S. 24 f.) Die Einheit der Vorstellungen wird somit nicht durch ein ontologisches Fundament verbürgt. Die Verknüpfung eines Gegenstandes mit einem anderen bedeutet für Hume nichts anderes als, „daß sie in unserem Denken eine Verknüpfung eingegangen sind“. (Hume 1993, S. 93) Dennoch erfolge die Verknüpfung verschiedener Gedanken oder Vorstellungen nicht rein zufällig, sondern einer Regel entsprechend. Die wesentlichen Prinzipien der regelhaften Verknüpfung von Vorstellungen sind für Hume die Beziehungen der Ähnlichkeit, der Berührung und der Verursachung. Der Kausalität spricht Hume eine besondere Bedeutung zu, denn allein „mit Hilfe dieser Beziehung können wir über die Evidenz unseres Gedächtnisses und unserer Sinne hinausgehen.“ (Hume 1993, S. 36) Die Kausalität ermögliche es, über die aktuelle Erfahrung hinauszugehen, und doch erscheine als die Grundlage hierfür wiederum nichts anderes als die Erfahrung. „Aber warum“ – so schreibt Hume in seinem Enquiry concerning Human Understanding – „diese Erfahrung auf die Zukunft ausgedehnt werden sollte und auf andere Gegenstände, die, soviel wir wissen können, nur in der Erscheinung gleichartig sein mögen: dies ist die Hauptfrage, die ich betonen möchte.“ (Hume 1993, S. 44) Weder die Allgemeinheit noch die Notwendigkeit der Verknüpfung sei aus der Erfahrung zu gewinnen. Keine Erfahrung, sei sie auch noch so umfangreich, könne dem erkennenden Subjekt eine Vorstellung oder die Kenntnis der geheimen Kraft liefern, „durch die der eine Gegenstand den anderen hervorbringt“. (Hume 1993, S. 54) Die Vorstellung einer notwendigen Verknüpfung von Ereignissen könne nicht aus einem einzelnen Fall gewonnen werden und müsse demnach ihren Ursprung in einer Häufung eingetretener gleichartiger Fälle haben. Da es aber zwischen dem ein-

2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs

115

zelnen Fall und den mehrfach aufgetretenen Fällen keine Differenz, außer ihrer bloßen Anzahl, geben könne, könne die Vorstellung der Notwendigkeit der Verknüpfung nicht aus der Natur des Ereignisses folgen. Der Unterschied sei darin zu suchen, „daß nach einer Wiederholung gleichartiger Fälle der Geist aus Gewohnheit veranlasst wird, beim Auftreten des einen Ereignisses dessen übliche Begleitung zu erwarten und zu glauben, dass sie ins Dasein treten werde. Diese Verknüpfung also, die wir im Geist empfinden, dieser gewohnheitsmäßige Übergang der Einbildung von einem Gegenstand zu seinem üblichen Begleiter ist das Gefühl oder der Eindruck, nach dem wir die Vorstellung von Kraft oder notwendiger Verknüpfung bilden.“ (Hume 1993, S. 91)

Die notwendigen Verknüpfungen sind demnach nur zu begreifen als ein gewohnheitsmäßiger Zusammenhang zwischen bestimmten Gegenständen. Hume sucht mit dem Prinzip der Gewohnheit die Möglichkeit der Vorstellung eines notwendigen Zusammenhangs, nicht aber die Möglichkeit des notwendigen Zusammenhangs selbst zu erklären. Demgemäß sind ihm alle Ableitungen aus Erfahrung Wirkungen der Gewohnheit. (Hume 1993, S. 55 f.) Die Gewohnheit, das Prinzip der menschlichen Natur, das zugleich allen Erfahrungsschlüssen zu Grunde liegen soll, bestimmt Hume als einen seelischen Vorgang, der in dieser Lage so unvermeidlich ist, wie der Affekt der Liebe, wenn wir Wohltaten empfangen, oder des Hasses, wenn man uns Leid antut. All diese Vorgänge sind eine Gattung natürlicher Instinkte, welche keine Vernunfttätigkeit, d. h. kein gedankliches und verstandesmäßiges Verfahren hervorzubringen noch zu verhüten fähig ist. (Hume 1993, S. 59)

Ist es ausschließlich die Gewohnheit, die uns zu dem Glauben verführt, „daß Gegenstände, die in unserer Erfahrung häufig im Zusammenhang standen, in anderen Fällen ebenso im Zusammenhange stehen werden“ (Hume 1993, S. 59), so ist der Triumph des Skeptikers vollendet. Das Verhältnis der Objekte eines notwendigen Zusammenhangs wäre dann reduziert auf einen gewohnheitsmäßigen Zusammenhang, auf ein zufälliges, ein den Gegenständen äußerliches Verhältnis. Dass die Allgemeinheit und Notwendigkeit als eine bloße Gewohnheit, „eine subjective Zufälligkeit“ (GW 20, S. 77) erscheint und damit „die Objectivität, das Anundfürsichsein der Gedankenbestimmungen aufgehoben“ (HW 19, S. 500 Zusatz) werde, macht Hegels Kritik am Skeptizismus Humes aus. Bedenkt man diese Kritik Hegels an der von Hume konstatierten Funktion der Gewohnheit für die Objektivität der Vorstellungen, so muss ins Auge fallen, dass Hegel selbst die Gewohnheit im Abschnitt zur Objektivität behandelt. Gleichwohl Hegel die Gewohnheit als eine Form der Objektivität betrachtet, ist ihm der Mechanismus, den der Skeptizismus Humes nahelegt, nicht gleichzusetzen mit der Objektivität, die

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

das Anundfürsichsein der Gedankenbestimmungen ausmacht. Das mechanische Verhältnis der Objekte zueinander, dem Hegel die Gewohnheit zuordnet, ist ihm bloß die erste Form der Objektivität und noch nicht das Anundfürsichsein der Gedankenbestimmungen. Hegels Kritik an Hume lässt sich folglich auch so fassen, dass dieser bei einer bloß mechanischen Objektivität stehen bleibe. Die von Hume behauptete prästabilierte Harmonie zwischen dem Naturverlauf und der Folge unserer Vorstellungen auf der Grundlage der Gewohnheit lasse die Objektivität zu einer rein zufälligen, äußerlichen Verbindung werden.Weil Hume daran festhalte, dass die Wahrnehmung allein die Grundlage dessen sei, was für Wahrheit gelte, „so erscheint die Allgemeinheit und Notwendigkeit als etwas unberechtigtes, als eine subjektive Zufälligkeit, eine bloße Gewohnheit, deren Inhalt so oder anders beschaffen seyn kann.“ (GW 20, S. 77) Eben diese Äußerlichkeit und Zufälligkeit der Verbindung begreift Hegel als das Charakteristische des Mechanismus. Eng verbunden mit diesem Charakteristikum des Mechanismus sind zwei Bestimmungen, auf die ich im Folgenden eingehen möchte: 1. Der Mechanismus als vorgestellte Kausalität und 2. Der tote Mechanismus als formale Gleichförmigkeit.

2.1.1.1 Der Mechanismus als vorgestellte Kausalität Das mechanische Objekt ergibt sich für Hegel aus dem Schluss, „dessen Vermittlung ausgeglichen und daher unmittelbare Identität geworden ist.“ (GW 12, S. 133) In dieser Unmittelbarkeit oder Unvermitteltheit sei das mechanische Objekt unbestimmt, insofern es keinen Gegensatz an sich habe. Alle Bestimmtheit ist dem mechanischen Objekt äußerlich, in ihm selbst ist kein Prinzip der Selbstbestimmung vorhanden. Das mechanische Objekt vereinige in sich den Widerspruch, zugleich selbstständig und unselbstständig zu sein. Als ein Einzelnes ist das Objekt gegen die anderen selbstständig, aber in seiner allgemeinen Bestimmtheit, die ihm wesentlich äußerlich ist, ist es unselbstständig. Alle mechanischen Objekte sind unselbstständig gegen ihre äußerliche Bestimmtheit, gegen die Allgemeinheit, der alle Objekte gleichermaßen unterworfen werden. Das mechanische Objekt hat seine Bestimmtheit „ausser ihm, in anderen Objecten, diese ebenso wieder ausser ihnen, und so fort ins unendliche.“ (GW 12, S. 135) Es ist demnach nur als Produkt des mechanischen Prozesses zu begreifen. Jedes der Objekte im mechanischen Prozess ist gleichermaßen Ursache und Wirkung. Keinem der wirkenden Objekte kann eine Ursprünglichkeit gegenüber den anderen zugesprochen werden, denn „das wirkende Object hat diese seine Bestimmung, nur vermittelst eines anderen Objects.“ (GW 12, S. 137) Die Ursächlichkeit des Objekts ist im Mechanismus eine „Nicht-Ursprünglichkeit“, sie ist gesetzt durch ein Anderes und insofern eine dem Objekt gleichgültige, zufällige Bestimmung. In dieser

2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs

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Hinsicht ließe sich, so Hegel in seiner Ausführung zum mechanischen Prozess, die Kausalität als ein Vorgestelltes bezeichnen. Aber eben diese vorgestellte Causalität ist der Mechanismus, indem er diß ist, daß die Causalität, als identische Bestimmtheit verschiedener Substanzen, somit als ein Untergehen ihrer Selbstständigkeit in dieser Identität, ein blosses Gesetztseyn ist; die Objecte sind gleichgültig gegen diese Einheit, und erhalten sich gegen sie. (GW 12, S. 137)

Die Kausalität, das Einwirken der Objekte aufeinander, ist demnach den mechanischen Objekten selbst äußerlich, ein zufälliger Zusammenhang. Oder: Der Mechanismus ist nicht mehr und auch nicht weniger als eine vorgestellte Kausalität. Dass Hegel in der Wissenschaft der Logik von der Kausalität als einem Vorgestelltem spricht, scheint auf die vorausgesetzte Existenz eines vorstellenden Subjektes hinzuweisen und somit aus dem Zusammenhang der Logik hinauszuweisen. Die Rede von einer vorgestellten Kausalität lässt sich aber, dessen ungeachtet, als implizite Kritik an der Manier begreifen, alle möglichen Erscheinungen – sowohl materielle als auch geistige – auf einen toten Mechanismus zurückführen zu wollen.

2.1.1.2 Der tote Mechanismus als formale Gleichförmigkeit Den mechanischen Prozess von Objekten, die zwar als Einzelne selbstständig erscheinen, in ihrer Bestimmtheit aber unselbstständig sind, bezeichnet Hegel auch als toten Mechanismus. Anders als der freie Mechanismus fehle diesem das Moment der Selbstbestimmung. Das Produkt des toten Mechanismus ist „eine Bestimmtheit am Object als äusserlich gesetzt“ (GW 12, S. 139 f.) und nicht wie im freien Mechanismus eine „an und für sich seyende Bestimmtheit“ (GW 12, S. 144), die aus einem sich selbst bestimmenden Prinzip (vgl. GW 12, S. 139 f.) hervorgegangen ist. Im toten Mechanismus bleibt daher der „Gegensatz der selbstständigen Einzelheit und der unselbstständigen Allgemeinheit“ (GW 12, S. 140) erhalten. In ihm zeigt sich die Allgemeinheit „zuerst im Verhältnisse der Mittheilung, als eine nur durchs Setzen vorhandene“ (GW 12, S. 143). In diesem Verhältnis der Mitteilung äußert sich das Einwirken der Objekte aufeinander im mechanischen Prozess. Das Mitteilbare bleibt dabei in der Form der Allgemeinheit das den einzelnen Objekten jeweils äußerliche Bestimmte. Die mitgeteilte Bestimmtheit kontinuiert sich von einem Objekt zum nächsten, ohne dabei eine Veränderung zu erfahren. Solche Mitteilbare sind im Körperlichen z. B. Bewegung, Wärme, Elektrizität und im Geistigen z. B. Gesetze, Sitten, vernünftige Vorstellungen, „welche die Individuen auf eine bewußtlose Weise durchdringen, und sich in ihnen geltend machen.“ (GW 12, S. 138) Während die Allgemeinheit in der Form

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

der Mitteilung nur durch das Setzen am Objekte oder der Person vorhanden ist, so macht die objektive Allgemeinheit „das durchdringende, immanente Wesen der Objekte“ (GW 12, S. 143) aus. Weil dem toten Mechanismus das selbstbestimmende Prinzip fehlt, zeige das mechanische Verhältnis „entweder Zufälligkeit und unbestimmte Ungleichheit, oder formale Gleichförmigkeit. Diese Gleichförmigkeit ist wohl eine Regel, aber nicht Gesetz.“ (GW 12, S. 146) Unter eine solche formale Gleichförmigkeit fällt auch die gewohnheitsmäßige Ideenassoziation. Hume hat die Gewohnheit eingeführt, um die Gleichförmigkeit des Naturverlaufs wenn schon nicht begründen, so doch wenigstens erklären zu können. Die Gleichförmigkeit des Naturverlaufs ist die Voraussetzung für den Übergang von einer aktuellen Erfahrung zu einer zukünftigen. Da die Gleichförmigkeit des Naturverlaufs nicht das Resultat der Erfahrung, sondern die Voraussetzung aller Erfahrungsschlüsse sei, könne die Erwartung zukünftiger Ereignisse nicht durch die Erfahrung vermittelt sein. Als „Grundlage aller Schlüsse aus der Erfahrung“ (Hume 1993, S. 43) käme deshalb weder die Erfahrung selbst noch die Vernunfttätigkeit in Frage, sondern allein die Gewohnheit. Die Konsequenz hiervon ist jedoch, mit Hegel, eine bloß regelhafte Naturordnung, sofern die Ideenassoziation bestenfalls Regeln, aber keine Gesetze liefert. (Hume 1993, S. 43) Die Assoziation bleibt eine den Objekten unwesentliche Bestimmtheit, so dass diese im bloßen Ansichsein der objektiven Totalität verbleiben. (Vgl. Hume 1993, S. 43) Anders als die äußerliche Verknüpfung zu einer für die Objekte zufälligen Ordnung, sei das Gesetz „die immanente und objective Bestimmung“ (GW 12, S. 145), „die eigene Bestimmung der reinen Individualität oder des für sich seyenden Begriffes“ (GW 12, S. 146) Der im Gesetz zum Ausdruck kommende Zusammenhang sei nicht erzwungen, sondern eine „freye Nothwendigkeit“, das „objective An und für-sich-seyn“. (GW 12, S. 146) Ohne die frei gesetzte, selbstbestimmende Notwendigkeit bleibe das mechanische Verhältnis ein totes Aggregat einzelner Objekte. Humes Versuch, über die Gewohnheit die Übereinstimmung zwischen der Abfolge unserer Vorstellungen und dem Naturverlauf zu begründen, scheitert, weil seine Kausalität eine bloß vorgestellte Kausalität ist. Der Übergang von dieser vorgestellten Kausalität zur objektiven Allgemeinheit des Naturgeschehens bleibt ihm verwehrt, weil die Gewohnheit ein Prinzip der menschlichen Natur und nicht ein Prinzip der Erfahrungsschlüsse oder der objektiven Naturerkenntnis ist. Zur Betrachtung der gegenständlichen Welt müsse der Mechanismus als eine Form der Objektivität seine Berechtigung erhalten. Als allgemeine logische Kategorie habe der Mechanismus seinen Ort in der Logik. Doch weder in Beziehung auf die Natur, noch weniger aber in Beziehung auf die geistige Welt könne beim Mechanismus stehengeblieben werden. So wird die Betrachtung der Seele „als ein bloßer Komplex selbständig nebeneinander be-

2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs

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stehender Kräfte und Vermögen“ (HW 8, S. 353) dem Gegenstand nicht gerecht. Daraus folgt aber mitnichten, dass die Gewohnheit, das Gedächtnis nicht zur Bildung der Seele und der Intelligenz beitragen können.

2.1.2 Chemismus Die Gegenstände der Chemie sind alle Dinge der Sinnenwelt; ihre Grundlage ist Erfahrung, zu der gelangt sie durch Beobachtungen und Versuche; aus diesen bildet sie durch Induktion und nach Analogien allgemeinere Schlüsse, und daraus leitet sie eine Theorie her, welche die Fakta zu einem wissenschaftlichen Ganzen verbindet. (Trommsdorff 1800, § 2, S. 1)

Wie für den Mechanismus gilt auch für den Chemismus, dass es Hegel hierbei nicht um das Verhältnis der Objekte in der Form der elementarischen Natur geht. Das im naturwissenschaftlichen Chemismus zum Ausdruck kommende Verhältnis der Differenz der Objektivität, nicht aber das beobachtbare Verhältnis chemischer Stoffe, macht Hegel zum Gegenstand des „logischen“ Chemismus. In seiner naturphilosophischen Auseinandersetzung mit dem chemischen Prozess bezieht sich Hegel explizit, und nicht in der ihm oft nachgesagten Unkenntnis naturwissenschaftlicher Theorien, auf die Entwicklung innerhalb der zeitgenössischen Chemie. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Berthollet, Berzelius, Biot, Dalton, Darcet, Davy, Erman, Fourcroy, Galvani, Gren, Guyton de Morveau, Hermbstädt, Lavoisier, Oersted, Pohl, Richter, Ritter, Schuster, Schweigger, Steffens, Winterl, Wollaston und der eingangs zitierte Trommsdorff. Trommsdorff (1770 – 1837), der 1794 mit dem Journal der Pharmacie für Aerzte, Pharmaceuten und Chemiker die weltweit erste pharmazeutische Zeitung begründete, gilt als einer der Wegbereiter der naturwissenschaftlichen Chemie. Das achtbändige Systematische Handbuch der Chemie (1800 – 1804) macht den Anspruch einer auf Beobachtungen, Versuchen, sowie auf Induktions- und Analogieschlüssen fußenden empirischen Naturwissenschaft deutlich. Trommsdorff, der sich in seinem Standardwerk zur Chemie gleichwohl auf Schellings Ideen zu einer Philosophie der Natur (1797) und Kants Metaphysische Anfangründe der Naturwissenschaft (1786) bezieht, (Trommsdorff 1800, § 22 u. § 28) gibt aber auch einer explizit nicht-empirischen Philosophie der Chemie Raum. So verweist er z. B. zur Erklärung der verschiedenen Aggregatzustände der Körper, „die offenbar von dem verschiedenen Verhältnisse der Grundkräfte der Materie, der anziehenden und abstoßenden Kräfte“ (Trommsdorff 1800, § 28, S. 27) abhängen, auf die Metaphysik der Naturlehre oder eine künftige, noch zu entstehende Philosophie der Chemie. (Vgl. Trommsdorff 1800, § 28, S. 27) Die Chemie selber habe es nur mit reinen Erfahrungen zu tun. Auch die Erklärung der Erscheinung der chemischen Verwandt-

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

schaft – ein Begriff, den Hegel mehrfach thematisiert – sei einer künftigen Philosophie der Chemie vorbehalten, denn die Verwendung des Begriffs der Verwandtschaft in der Chemie sei eine bloße Kennzeichnung des Phänomens, aber noch keine Erklärung. Im Kontext der Beschäftigung Hegels mit dem Chemismus in der Wissenschaft der Logik ist Trommsdorffs Bestimmung der Chemie von Interesse. (Zu Hegels Bezug auf Trommsdorff vgl. u. a. Neuser 1987, S. 479 – 499) Die Chemie (chemia) beschäftigt sich mit der Untersuchung der qualitativen und quantitativen Verhältnisse in welchen die verschiedenen Bestandtheile der Körper mit einander stehen. (Trommsdorff 1800, § 1, S. 1)

Die Verhältnisse, in welchem die verschiedenen Elemente der Körper zueinander stehen, und nicht spezifische oder unbestimmte chemische Substanzen stehen demnach im Mittelpunkt des chemischen Interesses, das Hegel aufgreift. Hegel geht es in der „logischen“ Darstellung des Chemismus um das sich dort ausdrückende Verhältnis der Objektivität. Das Spezifikum der Objektivität im Chemismus ist das Verhältnis der Differenz, in der die chemischen Objekte zueinander stehen. So macht der Chemismus „im Ganzen der Objektivität das Moment des Urteils; der objectiv gewordnen Differenz und des Prozesses aus.“ (GW 12, S. 148) Unter diese Form des Verhältnisses der Differenz der Objektivität zählt Hegel u. a. das Geschlechtsverhältnis, die Liebe und die Freundschaft. Die Differenz der Objekte steht demnach im Zentrum dieser Bestimmung der Objektivität. Im Folgenden soll eben diese Differenz der Objektivität, wie sie sich in der Sphäre der Logik zur Darstellung bringen lässt, thematisch werden und nicht Hegels Philosophie der Chemie, nicht seine Rezeption der zeitgenössischen Chemie. Für eine angemessene Darstellung Hegels Verhältnisses zur Chemie sei auf die umfangreiche Literatur verwiesen.¹⁰⁸ Die chemischen Objekte sind dergestalt bestimmt, dass ihr Verhältnis zueinander ihre allgemeine, ihre wesentliche Bestimmtheit ausmacht. Im Unterschied zum mechanischen Objekt, das Hegel als eine gegen die Bestimmtheit gleichgültige Totalität begreift, sei das chemische Objekt als eine Totalität aufzufassen, der „die Bestimmtheit, somit die Beziehung auf anderes, und die Art und Weise dieser Beziehung, seiner Natur“ (GW 12, S. 148) angehört. Die Beziehung auf Anderes ist Prinzip, allgemeine Bestimmtheit des chemischen Objekts. In der Natur der allgemeinen Bestimmtheit liegt begründet, dass es die Bestimmtheit des einzelnen Objekts und gleichermaßen die Bestimmtheit des anderen ist. Beide sind somit in ihrer allgemeinen Bestimmtheit aufeinander bezogen. Aufgrund dieser immanenten Beziehung auf Anderes unterscheidet sich am chemischen  Eine Auswahl der Titel sei hier genannt: Engelhardt 1976; Ruschig 1997.

2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs

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Objekt sein Begriff, „als die innere Totalität beyder Bestimmtheiten“ und „die Bestimmtheit, welche die Natur des einzelnen Objects in seiner Aeusserlichkeit und Existenz ausmacht.“ (GW 12, S. 148) Das chemische Objekt ist vermittelst seiner immanenten Beziehung auf das, nicht bloß von ihm Verschiedene, sondern ihm Entgegengesetzte, „an sich der ganze Begriff“, dem sein „einseitiges Bestehen“ entgegengesetzt ist. Diesen Widerspruch aufzuheben macht den Trieb des chemischen Objekts aus, „sich zu dem realen Ganzen im Daseyn zu machen, welches es seinem Begriffe nach ist“. (GW 12, S. 148) Der chemische Prozess ist geboren. Der chemische Prozess beginnt mit einer Voraussetzung. Es ist dies die Differenz der Objekte, wie sie sich aus der allgemeinen Bestimmtheit der chemischen Objekte ergeben hat. Vorausgesetzt wird die Spezifizität der chemischen Substanzen. Die sich im Chemismus ausdrückende Differenz der Objektivität ist aufgrund dieser Voraussetzung nicht absolut selbstbestimmend. Die Voraussetzung wird nicht durch den Prozess selbst gesetzt, so dass der einmal erloschene Prozess nicht von selbst wieder anfangen kann. Der chemische Prozess bedarf eines äußerlichen „Motivs“.Weder die Aufhebung der Differenz in die Neutralität, noch das erneute Anfangen des chemischen Prozesses aus der Neutralität kann voraussetzungslos erfolgen. Die Neutralität ist die negative Einheit der gegeneinander gespannten chemischen Objekte, Säure und Base. Ihre Differenz ist vorausgesetzt. Der in der Neutralisation erloschene „Prozeß facht sich nicht von selbst wieder an“ (GW 12, S. 150) und auch der selbstbestimmend anfangende chemische Prozess (GW 12, S. 149) ist kein absolutes Anfangen. Nur aufgrund der vorausgesetzten Differenz kann das chemische Objekt den Prozess, dessen Verlauf vollkommen bestimmt ist, selbstbestimmend anfangen. Der chemische Prozess, wie Hegel ihn begreift, umfasst die Synthese entgegengesetzter und die Analyse neutraler Stoffe. Die im Prozess ablaufenden Veränderungen erleiden die chemischen Stoffe nicht durch einen ihnen äußerlichen, auf sie einwirkenden Mechanismus, sondern durch das den Stoffen eigene Bestreben sich zu vereinen bzw. sich zu trennen. Im chemischen Prozess zeigt sich ein dynamisches Verhältnis von Begriff und Realität, insofern jeder einzelne chemische Stoff „eine spezifische Verbindung von körperlich-individueller Erscheinung und Begriff“ (Engelhardt 1976, S.91) ist. Im neutralen Stoff wird der Widerspruch zwischen Begriff und Realität aufgehoben. Insofern ist der Chemismus das „Zusammenschließen des Begriffs mit [der] Existenz“ (V 10, S. 203). Der chemische Prozess ist die Darstellung des Begriffs, wie er an sich ist. Was hier geschieht, ist, dass sich das Object nicht nach einer unmittelbaren, einseitigen Bestimmtheit auf ein anderes bezieht, sondern nach der innern Totalität eines ursprünglichen Verhältnisses die Voraussetzung, deren es zu einer realen Beziehung bedarf, setzt, und

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

dadurch sich eine Mitte gibt, durch welche es seinen Begriff mit seiner Realität zusammenschließt; es ist die an und für sich bestimmte Einzelheit, der concrete Begriff als Princip der Disjunction in Extreme, deren Wiedervereinigung die Thätigkeit desselben negativen Prinzips ist, das dadurch zu seiner ersten Bestimmung, aber objectivirt zurückkehrt.“ (GW 12, S. 152)

Die Totalität des Chemismus ist ein disjunktiver Schluss (GW 12, S. 151). In dieser Totalität wird das objektive Ganze dargestellt als die selbständige Einheit, als die reale Einheit (in der Mitte) und als chemische Realität in ihre abstrakten Momente aufgelöst. Die durch den chemischen Prozess sich wiederhergestellte Einheit soll in eine höhere Sphäre übergehen. Dieser Übergang lässt sich jedoch nur durch den Mangel des chemischen Prozesses, das er nicht vollkommen selbstbestimmend ist, rechtfertigen. Die Voraussetzung der Differenz, die den chemischen Prozess zur Neutralisierung der Entgegengesetzten entfacht, muss sich als eine selbst gesetzte Voraussetzung erweisen, um das Prädikat der durchgängigen Selbstbestimmung zu verdienen. Dieses selbst Setzen der eigenen Voraussetzung ist der Zweck oder der objektive freie Begriff. Der Chemismus geht damit in die Teleologie über. Anders formuliert: Der chemische Prozess bleibt mangelhaft, weil die in ihm vorgestellte Identität von Entgegengesetzten nur als lebendiger, organischer Prozess möglich ist. (Vgl. GW 20, § 336)¹⁰⁹

2.1.3 Teleologie Der teleologische Proceß ist Uebersetzung des distinct als Begriffs existirenden Begriffs in die Objectivität; es zeigt sich, daß dieses Uebersetzen in ein vorausgesetztes Anderes das Zusammengehen des Begriffs durch sich selbst, mit sich selbst ist. (GW 12, S. 167)

Die Bedeutung der Teleologie für die Begriffslogik im Allgemeinen und für die Objektivität im Besonderen wird gleich zu Beginn des dritten Kapitels der Objektivität – obzwar zunächst unter umgekehrtem Vorzeichen – deutlich, wenn  Vgl. Engelhardt 1976, S. 101: „Die Einheit der chemischen Prozesse oder die Einheit von Differenz und Identität ist eine gedankliche Vorstellung, die sich in der chemischen Realität bildet, der in der Chemie aber keine Realität entspricht. Die Wirklichkeit dieses in der Chemie entwickelten, aber nicht empirisch gegebenen Begriffs, ist das Organische. Das Lebendige ist dadurch ausgezeichnet, Differenzierung von Identischem und Identifizierung von Differentem in einer Einheit zu sein. Organische Wesen verhalten sich zur Welt nicht nur in verschiedenerlei Formen von trennenden und verbindenden Akten. Die Prozesse des Trennens und Verbindens ohne äußerlichen Anstoß einswerden zu lassen, die individuelle Einheit in den Formen der Umweltbeziehung und eigenen Gestaltung selbsttätig erhalten zu können, ist das Charakteristikum des Lebens“.

2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs

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Hegel konstatiert, dass für den Zweck „die eigene, freye Existenz des Begriffs gefodert“ (GW 12, S. 154) wird. An der Voraussetzung der Existenz des Begriffs für den Zweck zeigt sich nicht nur eine wesentliche Bestimmung der Zweckbeziehung, sondern gleichsam als Modell lässt sich an ihr die Möglichkeit der Realisierung des Begriffs eruieren. Hegels Interesse an der Teleologie stützt sich dem entsprechend vornehmlich auf das ihr inhärierende Kennzeichen der Selbstbestimmung.¹¹⁰ Weil der Zweck die eigene, freie Existenz des Begriffs fordert, lässt sich am Zweck die Möglichkeit der Realisierung dieser Forderung nach der freien Existenz, der Selbstbestimmung des Begriffs explizieren. Die schon im Übergang zur Objektivität anvisierte Realisierung des Begriffs erfüllt sich erst mit der Existenz des Begriffs, die ihrerseits Voraussetzung des Zwecks ist. „Wo Zweckmäßigkeit wahrgenommen wird, wird ein Verstand als Urheber derselben angenommen“ (GW 12, S. 154). Die sich aus der Annahme eines Verstandes als persönlicher Urheber der Zweckmäßigkeit ergebende Problematik wird von Hegel zwar explizit thematisiert, steht aber nicht im Zentrum seiner Auseinandersetzung mit der Teleologie. Um wessen Zweck es sich hierbei handeln möge, sei es der eines Menschen oder Gottes, ist für die logische Betrachtung der Teleologie irrelevant. Hegels Interesse an der Teleologie gründet sich vor allem auf die ihr zugrundeliegende Annahme, respektive Voraussetzung eines Verstandes überhaupt. Diese generelle Voraussetzung von Subjektivität begreift Hegel als Voraussetzung der Existenz des Begriffs, denn die Subjektivität existiert nur in der Form des Begriffes. Ob diese Voraussetzung der Existenz des Begriffs für die Teleologie gerechtfertigt ist, ist somit die für die Begriffslogik entscheidende Problematik der Teleologie. Mit der Annahme eines Verstandes als Urheber der Zweckmäßigkeit wird somit zugleich eine augenscheinliche Manifestation der Selbstbestimmung des Begriffs, die die Bedeutung der Teleologie für die subjektive Logik begründet, offenkundig. Es geht hierbei um den Zweck, „der sich durch sich selbst in der objectiven Welt Objectivität geben und sich ausführen will.“ (GW 12, S. 231) Die gesamte Konzeption des Objektivitätsabschnittes beruht auf dieser Bestimmung des Zwecks, der Teleologie. Dass der Zweck „sich durch sich selbst in der objectiven Welt Objectivität geben“ (GW 12, S. 231) kann, setzt die Möglichkeit der Selbstbestimmung des Begriffs voraus. Dem Mechanismus, der traditionell der Teleologie entgegengestellt wird, mangelt es an eben dieser Selbstbestimmung. Der Mechanismus, wie auch der Chemismus, unterstehen der Äußerlichkeit des Begriffs, die sogar als ihr wesentliches Kennzeichen aufgefasst werden kann. Dagegen ist der Begriff in seiner Existenz aufgrund seiner Selbstbestimmung zugleich das

 Vgl. hierzu die ausführliche Kommentierung des Teleologie-Kapitels im Hinblick auf eine Theorie der Freiheit durch Thomas Pierini (Pierini 2006).

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Freie, wie Hegel betont, und somit dem Determinismus des Mechanismus entgegengesetzt. Diesen Gegensatz zwischen Mechanismus – zu dem Hegel auch den Chemismus rechnet¹¹¹ – und Teleologie hat Kant unter dem allgemeineren Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit in der Dritten Antinomie in der Kritik der reinen Vernunft dargestellt. In der kantischen Kritik der teleologischen Urteilskraft in der Kritik der Urteilskraft findet Hegel der Sache nach dieselbe Antinomie vor. Gemeint ist der Gegensatz, „daß Alle Erzeugung materieller Dinge nach bloß mechanischen Gesetzen geschieht und dass Einige Erzeugung derselben nach solchen Gesetzen nicht möglich ist.“ (GW 12, S. 158) Zu letzteren gehören die organischen „Dinge“, die sich einer Reduktion auf mechanische Gesetze entziehen. Auch wenn Hegel mit Kant in der Bedeutung der Problematik dieser Antinomien übereinstimmt, so kritisiert Hegel Kants Auflösung der Antinomie deutlich. Der Auflösung der Antinomie geht die Bestimmung des Verhältnisses der Entgegengesetzten vorher. Hegels Kritik wendet sich hierbei vor allem gegen die scheinbare Gleichgültigkeit von Mechanismus und Teleologie, als ob „es nur darauf ankomme, wo der eine oder der andere [Begriff, M.G.] angewandt werden könne.“ (GW 12, S. 154) Indem Kant keinem der beiden Entgegengesetzten einen Vorrang einräume, komme er gar nicht zu der wesentlichen Frage, „ob nicht ein Drittes ihre Wahrheit, oder ob einer die Wahrheit des andern ist.“ (GW 12, S. 154 f.) Weil Hegel die Teleologie als die Wahrheit des Mechanismus anerkennt, ist für ihn weder die Gleichgültigkeit von Mechanismus und Teleologie, noch die sich daran anschließende Auflösung der Antinomie über die Auffassung des mechanischen und teleologischen Prinzips als einer subjektiven Maxime des Erkennens akzeptabel. Da Kant die Prinzipien nicht als objektive, sondern als bloß subjektive Maximen des Erkennens auffasse, bleibe auch das Erkennen ein subjektives, d. h. zufälliges. Die Anwendung des mechanischen oder teleologischen Prinzips bleibe ebenso zufällig und hänge von der „gelegentlichen Veranlassung“ (GW 12, S. 158) ab. Auch wenn die kritischen Bemerkungen gegenüber der kantischen Bestimmung der Teleologie überwiegen, so betont Hegel dagegen die besondere Stellung, die Kant dem teleologischen Prinzip als einem „verbindenden Mittelgliede zwischen dem Allgemeinen der Vernunft und dem Einzelnen der Anschauung“ (GW 12, S. 159) gibt. Als der reflektierenden Urteilskraft zugehörig vermittelt das teleologische Prinzip zwischen dem gegebenen Einzelnen und dem zu denkenden Allgemeinen. Das Einzelne wird dadurch nicht unter ein abstraktes Allgemeines subsumiert,

 Zur Begründung schreibt Hegel: „indem im ersten [dem Mechanismus; M.G.] der Begriff nicht am Objecte existirt, weil es als mechanisches die Selbstbestimmung nicht enthält, im andern [dem Chemismus; M.G.] aber der Begriff entweder eine gespannte, einseitige Existenz hat, oder insofern er als die Einheit hervortritt, welche das neutrale Object in die Extreme spannt, sich selbst, insofern er diese Trennung aufhebt, äusserlich ist.“ (GW 12, S. 155).

2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs

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sondern in Beziehung gesetzt zu einem konkret Allgemeinen. Die Verbindung zwischen dem Allgemeinen der Vernunft und dem Einzelnen der Anschauung sei aber als ein Urteil, also die (äußerliche) Beziehung eines Prädikats auf ein Subjekt, nicht hinreichend zu bestimmen. Die Zweckbeziehung ist für Hegel mehr als ein Urteil, in dem es scheine, „als ob ein Verstand sie [die Zweckbeziehung; M.G.] zum Behuf unsers Erkenntnißvermögens gegeben hätte“ (GW 12, S. 159). Hegel begreift die Zweckbeziehung anders als Kant als ein Schluss, in dem der Begriff „sich durch die Objektivität mit sich selbst zusammenschließt“ (GW 12, S. 159) und dergestalt eine Vermittlung zwischen Allgemeinem und Einzelnem ermöglicht. Dieser Zusammenschluss des freien Begriffs durch die Objektivität mit sich selbst wird von Hegel in den drei Unterkapiteln „A. Der subjektive Zweck“, „B. Das Mittel“ und „C. Der ausgeführte Zweck“ zur Darstellung gebracht. Der subjektive Zweck ist gleichsam die erste Stufe der Vermittlung des subjektiven Begriffs mit der Objektivität. Der Zweck verbleibt noch vollständig in der Sphäre der Subjektivität und seine Tätigkeit ist gegen eine ihm äußerliche Objektivität gerichtet. Die Objektivität ist somit ein dem subjektiven Zweck unmittelbar Gegenüberstehendes, eine Voraussetzung. Die gesamte Bewegung des Zwecks ist darauf ausgerichtet, „seine Voraussetzung aufzuheben, das ist, die Unmittelbarkeit des Objects, und es zu setzen als durch den Begriff bestimmt“ (GW 12, S. 161). Aufgrund dieser Bestimmung der Bewegung des Zwecks, die im subjektiven Zweck sich zunächst als ein Streben und Trieb äußert, kann Hegel davon sprechen, dass der Zweck „der an der Objectivität zu sich selbst gekommene Begriff“ (GW 12, S. 161) ist. Doch zunächst verhält der Zweck als subjektiver sich negativ gegen die Objektivität und damit aber auch negativ gegen sich selbst, denn das Aufheben der Unmittelbarkeit des Objekts ist zugleich „ein Aufheben der Subjectivität des Zwecks“ (GW 12, S. 161). Mit dem Erfolg dieser doppelten Aufhebung, der Bestimmung der Objektivität durch den Begriff, ist die Realisation des Zwecks erfolgt. Der im subjektiven Zweck sich ausdrückende Trieb seiner Realisierung bedarf zur Aus- und Durchführung jedoch eines Mittels. Oder, wie Hegel formuliert: „Der Zweck schließt sich durch ein Mittel mit der Objectivität und in diese mit sich selbst zusammen.“ (GW 12, S. 162) Die Vermittlung des subjektiven Zwecks mit der Objektivität erfolgt demnach nicht unmittelbar, sondern mittelbar durch ein zumindest formal Drittes. Der Sache nach ist dieses vermittelnde Dritte ein Objekt, das durch den Zweck bestimmt sich auf die Objektivität bezieht. Daraus ergeben sich zwei zu betrachtende Beziehungen, 1. die Beziehung des subjektiven Zwecks auf das zum Mittel bestimmte Objekt, und 2. die Beziehung des als Mittel bestimmten Objekts auf die Objektivität. Insofern Hegel die Zweckbeziehung unter der Form des Schlusses betrachtet, in der der Begriff „sich durch die Objektivität mit sich selbst zusammenschließt“ (GW 12, S. 159), fasst er diese beiden Beziehungen als die beiden Prämissen des Schlusses auf. So ist ihm die „Beziehung der

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Thätigkeit des Zwecks durch das Mittel auf das äusserliche Object“, „eine unmittelbare Beziehung der Mitte auf das andre Extrem“, (GW 12, S. 165) die zweite Prämisse des Schlusses. Die erste Prämisse ist „die unmittelbare Beziehung des subjectiven Zwecks auf das Object, welches dadurch zum Mittel wird“ (GW 12, S. 168). Der Schlusssatz ist „das Product des zweckmäßigen Thuns“ (GW 12, S. 168). Ob dieses Produkt des zweckmäßigen Tuns selbst wiederum nur ein zweckmäßiges Mittel oder die Objektivität des Zwecks selbst ausmacht, ist die zentrale Thematik des unter „C. Der ausgeführte Zweck“ Dargestellten. Von zentraler Bedeutung ist hierbei, wie im Folgenden noch darzulegen ist, die Unterscheidung von äußerer und innerer Zweckmäßigkeit, denn allein letztere vermag die Objektivität des Zwecks in sich zu vermitteln. In der „Beziehung des Mittels auf das noch unbestimmte Object“ (GW 12, S. 168), d.i. die zweite Prämisse des teleologischen Schlusses, soll der Zweck zur Ausführung und dergestalt durch sich zu der Objektivität gelangen, in der der Begriff sich mit sich zusammenschließt. Diese Objektivität ist keine Objektivität einer äußerlich zusammengefassten Mannigfaltigkeit, d. h., der „in seinem Mittel thätige Zweck muß daher nicht als ein äusserliches das unmittelbare Object bestimmen“. (GW 12, S. 165) Vielmehr muss das Objekt, so es denn eine Objektivität des Zwecks gibt, „durch sich selbst zur Einheit des Begriffs zusammengehen“. (GW 12, S. 165) Das Objekt muss sich demnach selbst so bestimmen, wie es durch den Begriff bestimmt wird und nicht als ob es durch den Begriff bestimmt würde. Es ist eben keine subjektive Maxime des Erkennens, die die Objektivität als eine „Als-Ob-Bestimmung“ des Begriffs und durch den Begriff bestimmte. Um die Aufhebung eben dieser äußerlichen Bestimmung der Objektivität ist es Hegel zu tun. An diesem Punkt trifft sich die hegelsche Kritik mit der Kritik naturwissenschaftlicher Forscher, „welche die Eigenschaften der Natur nicht als fremdartige, sondern als immanente Bestimmtheiten erkennen“ wollen „und nur solches Erkennen als ein Begreiffen gelten“ lassen. (GW 12, S. 155) Es mag sonderbar erscheinen, führt Hegel fort, „daß das Erkennen der Objecte aus ihrem Begriffe“ – nichts anderes vollzieht das teleologische Erkennen, sofern der Zweck der Begriff in seiner Existenz ist – „als ein unberechtigter Ueberschritt in ein heterogenes Element erscheint“. (GW 12, S. 155) Das Erkennen der Objekte nach einem teleologischen Prinzip ist auch für Hegel ein unbegründeter Überschritt in ein äußerliches Element, aber nur unter der Voraussetzung, dass der Zweck nicht als der Begriff in seiner Existenz erscheint. Wenn der Zweck nicht als der Begriff in seiner Existenz erscheint, kommt es dazu, dass die Eigenschaften der Natur als fremdartige und nicht, wie von Hegel wie auch „von der wahren Naturforschung“ (GW 12, S. 155) gefordert, als immanente Bestimmtheiten aufgefasst werden. Anders als die sich gegen ein teleologisches Erkennen verwahrenden Naturforscher erkennt Hegel den Mechanismus als eine äußerliche Bestimmtheit, somit

2.1 Die Objektivität des subjektiven Begriffs

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könne der Mechanismus nicht „für eine immanentere Ansicht“ (GW 12, S. 155) gelten als die Teleologie. Aber auch die Teleologie kann nur unter der Voraussetzung als die Wahrheit des Mechanismus, als die immanentere Ansicht gelten, dass der durch das Mittel tätige Zweck „nicht als ein äusserliches das unmittelbare Object“ (GW 12, S. 165) bestimmt. In der äußerlichen Zweckbeziehung ist der Schlusssatz, „das Product des zweckmäßigen Thuns“ (GW 12, S. 168), selbst wiederum ein zweckmäßiges Mittel, ohne zur Objektivität des Zwecks gelangen zu können. Als Resultat der Betrachtung des ausgeführten Zwecks hält Hegel fest, „daß die äussere Zweckmäßigkeit, welche nur erst die Form der Teleologie hat, eigentlich nur zu Mitteln, nicht zu einem objectiven Zweck kommt“. (GW 12, S. 169) Auffallend ist, dass Hegel in seiner Darlegung der Teleologie in der subjektiven Logik der inneren Zweckmäßigkeit, die zu einem objektiven Zweck kommen können soll, nur wenig Raum gibt. So betont er zwar den großen Verdienst, der Kant zukomme, aufgrund „der Unterscheidung, die er zwischen relativer oder äusserer und zwischen innerer Zweckmässigkeit aufgestellt hat“, eine explizite Ausführung der Realisierung des objektiven Zwecks durch die innere Zweckmäßigkeit sucht man hier jedoch vergeblich. Im Vordergrund steht die Betrachtung des Zwecks in seiner Beziehung auf äußerlich, d. h. mechanisch oder chemisch bestimmte Objekte (Vgl. Fulda 2003, S. 140). Begründen lässt sich das mit der Bestimmtheit, die der Begriff in der Sphäre der Objektivität erhält.Während mit der Realisierung des Begriffs, der Begriff sich als freier Begriff manifestiert, verbleibt der Begriff wie er sich in der Objektivität darstellt im Bereich formaler Bestimmtheiten. Erst der „objektive freie Begriff ist der Zweck“ (GW 12, S. 235), in dem das Objekt durch sich selbst zur Einheit des Begriffs zusammengeht. In der Sphäre der Objektivität kommt der Bestimmtheit des Begriffs hingegen „die Form gleichgültiger Äusserlichkeit“ (GW 12, S. 171) zu. Die Explikation der inneren Zweckmäßigkeit hat somit ihren Ort in der unmittelbaren Idee, dem Leben. Das Resultat des ausgeführten Zwecks ist gleichwohl, wie Hegel hervorhebt, „nicht nur eine äussere Zweckbeziehung, sondern die Wahrheit derselben, innere Zweckbeziehung und ein objectiver Zweck.“ (GW 12, S. 169) In der Darlegung dieses „wahren“ Resultates des ausgeführten Zwecks zeigt sich dann auch die Funktion der inneren Zweckmäßigkeit für die Realisierung der Objektivität des Zwecks, die über die Bestimmung des Objekts als ein zweckmäßiges Mittel hinausgeht. Gefordert hat Hegel hierfür, dass der in seinem Mittel tätige Zweck „nicht als ein äusserliches das unmittelbare Object“ bestimme, sondern das Objekt durch sich selbst zur Einheit des Begriffs zusammengehe, „oder jene äusserliche Thätigkeit des Zwecks durch sein Mittel muß sich als Vermittlung bestimmen und selbst aufheben.“ (GW 12, S. 165) Die äußerliche Zweckmäßigkeit geht zwar mit der Forderung der Existenz des Begriffs zusammen, insofern der äußerliche Zweck als

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

existierender Begriff der Tätigkeit des Zwecks vorausgesetzt ist. Aber die Zweckbeziehung erweist sich hier nicht als Selbstbestimmung, das Objekt geht in der äußerlichen Zweckbeziehung nicht durch sich selbst zur Einheit des Begriffs zusammen. Für Letzteres ist eine Vermittlung gefordert, die „jene äusserliche Thätigkeit des Zwecks durch sein Mittel […] sich als Vermittlung bestimmen und aufheben“ (GW 12, S. 165) lässt. Diese sich mit der Realisierung des Zwecks aufhebende Vermittlung lässt den Zweck als „totale Reflexion der Objektivität in sich“ (GW 12, S. 161) erscheinen. Damit wird auch deutlich, dass sich die Tätigkeit des Zwecks als eine Vermittlung, die sich selbst wieder aufhebt, nur als ein reflexiver Prozess begreifen lässt. Die Vermittlung existiert nur in der Tätigkeit des Zwecks und erweist sich auch in dieser Sphäre als eine reine Setzung. So ist auch die gegen den Begriff selbständige Äußerlichkeit des Objekts, die der Zweck sich voraussetzt, „ist in dieser Voraussetzung als ein unwesentlicher Schein gesetzt, und auch an und für sich schon aufgehoben; die Thätigkeit des Zwecks ist daher eigentlich nur Darstellung dieses Scheins, und Aufheben desselben.“ (GW 12, S. 169) Möglich ist dieses nicht in einer äußerlichen, sondern allein in einer inneren Zweckmäßigkeit, die zugleich ein objektiver Zweck ist. Die beiden von Hegel geforderten Voraussetzungen einer Immanenz der Zweckbeziehung lässt sich, um es noch einmal zu wiederholen, nur erfüllen, wenn das Objekt durch sich selbst zur Einheit des Begriffs zusammengeht und die äußerliche Thätigkeit des Zwecks durch sein Mittel sich nicht nur als Vermittlung bestimmen lässt, wie es für jede äußerliche Zweckbeziehung konstitutiv ist, (GW 12, S. 146) sondern auch aufheben lässt. Eben dieser reflexive Prozess der Vermittlung und ihrer Aufhebung ermöglicht es dem Objekt durch sich selbst zur Einheit des Begriffs zusammenzugehen. Mit der Realisierung des objektiven Zwecks durch die innere Zweckmäßigkeit, der Realisierung des Selbstzwecks eines Organismus’, eröffnet sich für Hegel eine Bestimmung der Idee, die die Philosophie „positiv über die Reflexionsbestimmungen und die relative Metaphysik“ (GW 12, S. 157) zu erheben vermag. In der Idee des Lebens zeigt sich die gesuchte Vermittlung von Allgemeinem und Einzelnem. Der Form nach handelt es sich bei dieser inneren Teleologie von Organismen um einen Schluss, der durch ein Mittleres, hier das Objekt als Mittel, eine Beziehung zwischen dem Zweck und seiner Realisierung im einzelnen Objekt ermöglicht und dergestalt zwischen beiden Extremen vermittelt. Mit der Realisierung des Zwecks kommt es zur Übereinstimmung des Begriffs mit seinem Objekt, diese Kongruenz bezeichnet Hegel als Idee.

2.2. Das Leben lebt nicht

129

2.2. Das Leben lebt nicht¹¹² Muss es nach der gewöhnlichen Vorstellung der Logik scheinen, dass mit einem so konkreten Gegenstand wie dem Leben das Gebiet der Logik überschritten werde (vgl. GW 12, S. 179), so zeigt doch Hegels Argumentation für eine innere Zweckmäßigkeit einen nicht von der Hand zu weisenden logisch-systematischen Zusammenhang zwischen einer inneren Zweckmäßigkeit, die zugleich objektiver Zweck ist, und der Bestimmtheit organischen Lebens auf. Zum Verständnis der hegelschen Bestimmung der Idee des Lebens ist zunächst zu berücksichtigen, dass er unter einer Idee weder eine Vorstellung¹¹³ begreift, noch die Idee als ein regulatives Prinzip auffasst. Hegel bestimmt die Idee als den adäquaten Begriff, als das objektiv Wahre. (Vgl. GW 12, S. 173) Das Leben als Idee wäre somit ein objektiv Wahres, die Einheit des Begriffs und der Objektivität. Diese Einheit von Begriff und Objektivität mache das Leben aus. Im Leben muss der Begriff mit seiner Objektivität zusammengehen, ansonsten trennen sich Körper und Geist und das Lebendige zerfällt in seine toten Bestandteile. Oder, wie Hegel schreibt: „das Lebendige ist todt, wenn Seele und Leibe sich in ihm trennen“ (GW 12, S. 175). Im Leben kongruiere oder entspreche der Organismus nicht bloß dem Begriff, sondern das Leben sei nichts anderes als die „Congruenz des Begriffs und der Realität“ (GW 12, S. 174) selbst. Sobald die Einheit des Begriffs und der Realität bei zweckmäßig organisierten Ganzen, wie z. B. ein Staat oder ein Lebewesen, aufgelöst wird, hören sie auf zu existieren. (Vgl. GW 12, S. 175) Die Kongruenz von Begriff und Realität ist somit eine notwendige Bedingung der Existenz solcher Organismen. Gleichwohl die von Hegel hier eingeführte Kongruenz von  Motto des ersten Teils der Minima Moralia von Adorno. Dieses Kapitel wurde in einer leicht geänderten Fassung unter dem Titel „Zur logischen Funktion des Lebens“ (Gerhard 2006) publiziert.  Wird der Begriff der Idee, gemäß der englischen idea, als eine Vorstellung verstanden, so kommt einer solchen Idee notwendig die Beziehung auf ein Etwas zu, dessen Vorstellung es ausdrückt. Dieses Etwas, das vorgestellt wird, kann nun entweder der Idee der Existenz nach vorangehen oder durch die Vorstellung hervorgebracht werden. Zu ersterem gehört z. B. die Vorstellung eines bestimmten, anschaulichen Gebäudes, zu letzterem gehört z. B. die Vorstellung eines erst zu errichtenden Gebäudes. Die von Hegel kritisierte Idee als Vorstellung ist die Vorstellung eines konkreten Gegenstandes, wie die von diesem Rechtshandel oder von diesem Gebäude. (GW 12, S. 173) Es ist keine abstrakte Vorstellung,von einem Rechtshandel überhaupt, keine abstrakte Vorstellung, die dem Bau eines Gebäudes schöpferisch vorausgedacht würde, sondern die Vorstellung eines konkreten, mit dem deiktischen dies zu bezeichnenden Gegenstandes. Die Idee des Lebens würde, nach diesem Verständnis des Begriffs der Idee, die Vorstellung eines konkreten Lebens umfassen. Darunter würde z. B. die Vorstellung eines bestimmten Fisches, die Vorstellung dieses Walfisches fallen. Eine solche Idee hätte, wie Hegel betont, in der Tat keinen Ort in der Logik.

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Begriff und Objektivität auf eine eindeutige Relation beider verweist, spezifiziert Hegel diese Relation von Begriff und Objektivität in einer Bandbreite, die von „gar nicht angemessen“ bis zu „vollkommen congruire“ reicht. (GW 12, S. 174) Die Idee soll die Einheit von Begriff und Objektivität ausmachen. Doch die Bestimmung dieser Einheit ist problematisch. Wird die Einheit von Begriff und Objektivität statisch aufgefasst, so folgt aus der Kongruenz von Begriff und Objektivität, die notwendige Vernünftigkeit der Wirklichkeit. So müsste jeder wirkliche Staat vernünftig sein, denn würden in ihm Begriff und Realität auseinander fallen, verlöre er seine Existenz. Entweder sind demnach alle existierenden Staaten vernünftig, oder die Kongruenz von Begriff und Objektivität kann nicht notwendig vollständig oder vollkommen sein. Wird die Einheit von Begriff und Objektivität dementsprechend nicht statisch, sondern dynamisch aufgefasst, verliert die Idee ihre Eindeutigkeit in der Bestimmung der Kongruenz von Begriff und Objektivität. Weder kongruieren die wirklichen Dinge mit der Idee, noch vermag es die Idee, sich ihre Realität vollkommen zu bestimmen. Damit aus dieser dynamischen Bestimmung der Einheit von Begriff und Objektivität keine gleichgültige, kontingente Bestimmung wird, setzt Hegel die Einheit von Begriff und Objektivität als der Natur, z. B. der Natur eines Staates, wesentlich zukommend. Aufgrund dieser immanenten Einheit von Begriff und Objektivität kann Hegel dann auch aus der Existenz eines Staates schließen, dass er zumindest noch Idee sein müsse: Der schlechteste Staat, dessen Realität dem Begriffe am wenigsten entspricht, insofern er noch existirt, ist er noch Idee, die Individuen gehorchen noch einem machthabenden Begriffe. (GW 12, S. 176)

In dieser Konsequenz wird Hegels Kritik an der Idee als ein regulatives Prinzip zumindest problematisch. Der machthabende Begriff erscheint in seinem Wirken nicht wesentlich von einem „Urbild“ kantischer Provenienz unterschieden, „dem der Zustand der Wirklichkeit immer näher zu bringen, das Bestreben seyn müsse.“ (GW 12, S. 174) Die Idee als die Einheit von Begriff und Objektivität ist selbst einem Prozess des Werdens unterworfen. Erst in der absoluten Idee sei die durchgängige Kongruenz von Begriff und Objektivität „als der vernünftige Begriff, der in seiner Realität nur mit sich zusammengeht“ (GW 12, S. 236) erreicht. Zunächst sei die Idee jedoch als unmittelbar aufzufassen. Diese Unmittelbarkeit zeige sich im Leben und der im Leben zum Ausdruck kommenden Einheit von Begriff und Objektivität. Im Leben sind Begriff und Objektivität unmittelbar, ohne eine äußerliche Vermittlung, vereinigt. Aus diesem Grund kann Hegel das Leben als die unmittelbare Idee anführen. Nun ließe sich dagegen einwenden, dass kein Leben unmittelbar,

2.2. Das Leben lebt nicht

131

ohne Vermittlung durch ein ihm Äußerliches möglich sei. Der Löwe verzehrt schließlich nicht sich selbst. Das Leben hat, wie Hegel auch schreibt, die objektive Welt zur Voraussetzung. (Vgl. GW 12, S. 178) Diese Voraussetzung der objektiven Welt überführt Hegel jedoch in ein Setzen. Das Leben kann die vorausgesetzte Objektivität zwar nicht selbst hervorbringen, muss sich aber ihrer bemächtigen, um sie seinem Zweck, der Lebenserhaltung, zugänglich zu machen. Dem Leben als unmittelbarer Idee ist seine Objektivität nur angemessen, insofern der Begriff des Lebens „die negative Einheit dieser Äußerlichkeit ist, das heißt, sie sich angemessen setzt.“ (GW 12, S. 182) Dieses Setzen der Objektivität als eines dem Leben angemessenen ist die Aneignung der objektiven Welt im Assimilationsprozess. Die zunächst vorausgesetzte Welt wird so zur dem Begriff des Lebens angemessenen Objektivität. Die Kongruenz von Begriff und Objektivität ist damit gesetzt. Die Idee als das Leben ist, wie Hegel schreibt, der Begriff, der unterschieden von seiner Objectivität einfach in sich, seine Objectivität durchdringt, und als Selbstzweck an ihr sein Mittel hat und sie als sein Mittel setzt, aber in diesem Mittel immanent und darin der realisierte mit sich identische Zweck ist. (GW 12, S. 177)

Die Objektivität, auf die die Idee sich bezieht, ist nicht die der Gleichgültigkeit wie im äußerlichen Zweck. Die Objektivität, auf die die Idee des Lebens sich bezieht, ist durch den ihr immanenten inneren Zweck bestimmt.¹¹⁴ Die Realität, die der Begriff sich so gibt, wäre somit „aus ihm selbst abgeleitet“ (GW 12, S. 21) und nicht „als ein äusserliches aufgenommen“ (GW 12, S. 20 f.). Eine Einschränkung Hegels zur Bestimmung der Realität der Idee des Lebens bedarf hierbei jedoch der Hervorhebung. Die Realität in der Idee des Lebens erhalte „nicht die Gestalt äußerlicher Wirklichkeit, sondern“ sie bleibe „in der Form des Begriffs eingeschlossen.“ (GW 12, S. 180) Die Idee des Lebens, die unmittelbare Einheit von Begriff und Objektivität, verbleibt demnach in der Sphäre des Begriffs. Das logische Leben ist nichts anderes als eine reine Idee und allein in der Form einer reinen Idee könne das Leben einen Ort in der Logik beanspruchen.¹¹⁵ Hegel besteht auf der Trennung der reinen Idee des Lebens von dem Leben der Natur und dem Leben des Geistes. Mit dieser Trennung ist gefordert, das Leben als eine Idee zu denken, die ihren Ort weder in der Naturphilosophie noch in der Philosophie des Geistes hat. Die

 Vgl. GW 12, S. 173: „In diesem Sinne ist die Idee das Vernünftige; – sie ist das Unbedingte darum, weil nur dasjenige Bedingungen hat, was sich wesentlich auf eine Objectivität bezieht, aber eine nicht durch es selbst bestimmte, sondern eine solche, die noch in der Form der Gleichgültigkeit und Auesserlichkeit dagegen ist, wie noch der äusserliche Zweck hatte.“  Vgl. GW 12, S. 180: „das logische Leben als reine Idee“.

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Idee des Lebens müsse daher, ihrer eigenen Objektivität ungeachtet, wie Hegel schreibt, „schlechthin einfach, und immateriell“ (GW 12, S. 176) sein. Für Hegel ist es evident, dass das in der Wissenschaft der Logik abzuhandelnde Leben nur als reine Idee aufgefasst werden könne. Das logische Leben sei immateriell und wesentlich vom natürlichen Leben zu unterscheiden. Diese Distinktion von logischem und natürlichem Leben mag zwar der Kritik an der Abhandlung des Lebens innerhalb der Logik ihre Schärfe nehmen, fragwürdig bleibt dann aber noch die Notwendigkeit, die logische Funktion eines solchen unnatürlichen Lebens. Auch wenn sich eine logische Funktion des Lebens begründen ließe, bliebe darüber hinaus noch dahingestellt, inwiefern sich überhaupt von einem logischen Leben sinngemäß als von einem Leben reden lässt und ob nicht die Rede vom unnatürlichen Leben viel mehr als eine Metapher zu verstehen ist. Hegel gibt verschiedene Gründe an, warum das Leben in der Logik abgehandelt werden müsse. Einer dieser Gründe ist, dass das Leben die Voraussetzung des Erkennens sei. Selbst wenn man der Idee des Lebens ihren Ort in der Logik bestreiten wolle, so sei die Notwendigkeit, das Erkennen in der Logik abzuhandeln hingegen unstrittig. Da in die Logik nur „die Voraussetzungen des reinen Begriffs“ (GW 12, S. 179) gehören, „insofern sie die Form von reinen Gedanken“ haben, könnten auch vom Erkennen, dem sich selbst Erfassen des Begriffs, nur die Gestalten seiner Voraussetzungen, die selbst Idee sind, abgehandelt werden. Weder psychologische noch anthropologische Voraussetzungen des Erkennens gehörten in die Logik, sondern ausschließlich reine Gedankenformen. Diese Voraussetzung des Erkennens in der Gestalt des reinen Begriffs sei die unmittelbare Idee, „denn indem das Erkennen der Begriff ist, insofern er für sich selbst aber als Subjectives in Beziehung auf Objectives ist, so bezieht er sich auf die Idee, als vorausgesetzte oder unmittelbare. Die unmittelbare Idee aber ist das Leben.“ (GW 12, S. 179) Die „Nothwendigkeit, die Idee des Lebens in der Logik zu betrachten“ würde sich demnach, wie Hegel schreibt „auf die, auch sonst anerkannte Nothwendigkeit, den concreten Begriff des Erkennens hier abzuhandeln, gründen.“ (GW 12, S. 179) Wenn das logische Leben ausschließlich als Voraussetzung des Erkennens fungiert, nur als diese Voraussetzung notwendig ist, dann findet das logische Leben seine Begründung in dem durch es selbst als Voraussetzung Bedingtem. Das zu Begründende, das Erkennen, würde zum Grund seiner eigenen Voraussetzung. Die Notwendigkeit, den Begriff des Erkennens in der Logik abzuhandeln, resultiert für Hegel aber nicht aus der Notwendigkeit einer Voraussetzung der Idee des Erkennens, sondern aus der Notwendigkeit des Begriffes. Mit anderen Worten ist es der Begriff selbst, der die Abhandlung der Idee des Lebens in der Logik fordert. Diese Forderung ist nicht zufällig, sondern resultiert aus Hegels Bestimmung der Logik, die er von einer gewöhnlichen Auffassung der Logik streng unterscheidet.

2.2. Das Leben lebt nicht

133

In der gewöhnlichen Auffassung werde „der Begriff und das Logische für etwas nur formelles erklärt, das, weil es von dem Inhalte abstrahire, die Wahrheit nicht enthalte.“ (GW 12, S. 19) Für Hegel hingegen ist das an und für sich Wahre der wesentliche Gegenstand der Logik. Nicht die logische Form, die ihre Realität erst durch den Bezug, ihre Anwendung auf einen als gegeben vorgestellten Inhalt erhält, sondern allein die Form, die sich selbst ihren Inhalt gibt, könne den wahren Inhalt der Logik ausmachen. Eben weil die Logik, entgegen der gewöhnlichen Auffassung der Logik, keine „leere, todte Gedankenformen“ (GW 12, S. 179) enthalte, könne in ihr von einem „solchem Inhalte, wie die Idee, oder das Leben ist, die Rede seyn.“ (GW 12, S. 180) Aus dieser Bestimmung der Logik ergibt sich für Hegel ein weiterer Grund, das Leben in der Logik abzuhandeln: die Idee, das an und für sich Wahre, ist wesentlich Gegenstand der Logik; da sie zuerst in ihrer Unmittelbarkeit zu betrachten ist, so ist sie in dieser Bestimmtheit, in welcher sie Leben ist, aufzufassen, und zu erkennen, damit ihre Betrachtung nicht etwas leeres und bestimmungsloses sey. (GW 12, S. 180)

Wenn die Idee der wesentliche Gegenstand der Logik ist, der zunächst in seiner Unmittelbarkeit abzuhandeln ist, so folgt für Hegel aus dieser Unmittelbarkeit der Idee die Notwendigkeit des logischen Lebens. Damit die Idee in ihrer Unmittelbarkeit nicht etwas Leeres oder Bestimmungsloses sei, sei sie in der Bestimmtheit des Lebens aufzufassen. Doch von welcher Gestalt kann eine solche Bestimmtheit des Lebens sein? Eine natürliche Bestimmtheit des Lebens muss, nach Hegels Differenzierung von logischem und natürlichem Leben, ausscheiden. Eine rein logische Bestimmtheit des Lebens scheint hingegen wenig Sinn zu ergeben. Gefordert ist die Bestimmtheit des Lebens, weil andernfalls die unmittelbare Idee etwas Leeres und Bestimmungsloses sei. Die Logik könne es aber nicht mit leeren, toten Gedankenformen zu tun haben. Sie muss sich demnach auf einen Inhalt beziehen, der weder leere, tote Gedankenform ist, noch aus der Sphäre der Realphilosophie, der Naturphilosophie entnommen ist. Die Realität, die der Begriff sich gibt, dürfe nicht als ein äußerliches aufgenommen, sondern müsse sich aus ihm selbst ableiten. (Vgl. GW 12, S. 20 f.) Mit der Idee des Lebens sucht Hegel dieser Schwierigkeit zu begegnen. Im Hinblick auf diese Funktion des logischen Lebens lässt sich Hegels unmittelbare Idee in einer Hinsicht als ein Analogon zum transzendentalen Gegenstand Kants auffassen. In der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe von 1781 bestimmt Kant den transzendentalen Gegenstand als „das, was allen unsern empirischen Begriffen überhaupt Beziehung auf einen Gegenstand, d.i. objective Realität verschaffen kann.“ (KrV, A 109) Dieser Begriff könne keine bestimmte Anschauung enthalten und müsse deshalb „bei allen

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

unsern Erkenntnissen immer einerlei = X“ (KrV, A 109) sein.¹¹⁶ Für Hegel ist das Leben dasjenige, wodurch die unmittelbare Idee sich auf einen Inhalt bezieht, der nicht leere, tote Gedankenform ist. Das Leben wäre somit dasjenige, was dem Begriff seine Realität verschafft. Weil die Realität, die der Begriff sich gibt, in der Sphäre des Begriffs verbleiben muss, so kann auch das Leben des Begriffs niemals ein bestimmtes, „natürliches Leben“ (GW 12, S. 180) sein. Das Leben des Begriffs kann deshalb auch nicht mehr als ein logisches X sein.

2.3 Die Idee des Erkennens Die hegelsche Idee des Erkennens unter dem Titel der Objektivität abzuhandeln widerspricht der hegelschen Einteilung der subjektiven Logik, in der die Idee als dritter Abschnitt eine neue Sphäre gegenüber der zuvor abgehandelten Objektivität ausmacht.¹¹⁷ Aber indem die Idee die Kongruenz von subjektivem Begriff und Objektivität zur Darstellung bringen soll, ist die Objektivität in der Idee aufgehoben, d. h. nicht nur negiert, sondern zugleich inbegriffen. „Allein sie ist hier in anderer Bestimmung.“ (GW 12, S. 182)¹¹⁸ Es geht hierbei um diejenige Form der Objektivität, zu der der Begriff in der vollkommenen Entwicklung seiner selbst fähig ist. Diesem Nachzugehen und die Frage zu beantworten, wie der Begriff „in seinem Andern seine eigene Objectivität zum Gegenstand (GW 12, S. 236) haben könne, ist die gestellte Aufgabe des Objektivitätskapitels der vorliegenden Arbeit. Aus diesem Grund wird die Idee des Erkennens entgegen der hegelschen Einteilung in der subjektiven Logik unter dem Obertitel der Objektivität abgehandelt.

 Vgl. KrV, A 109: „Der reine Begriff von diesem transscendentalen Gegenstande (der wirklich bei allen unsern Erkenntnissen immer einerlei = X ist) ist das, was allen unsern empirischen Begriffen überhaupt Beziehung auf einen Gegenstand, d.i. objective Realität verschaffen kann. Dieser Begriff kann nun gar keine bestimmte Anschauung enthalten und wird also nichts anders als diejenige Einheit betreffen, die in einem Mannigfaltigen der Erkenntniß angetroffen werden muß, so fern es in Beziehung auf einen Gegenstand steht. Diese Beziehung aber ist nichts anders, als die nothwendige Einheit des Bewußtseins, mithin auch der Synthesis des Mannigfaltigen durch gemeinschaftliche Function des Gemüths, es in einer Vorstellung zu verbinden.“ Vgl.auch KrV, A 250 f.  Das gilt selbstverständlich auch für die Idee des Lebens.  „Dort war sie die Einheit des Begriffs und der Realität, insofern der Begriff in sie übergegangen und nur in sie verloren ist; er stand ihr nicht gegenüber, oder weil er ihr nur das Innere ist, ist er nur eine äusserliche Reflexion. Jene Objectivität ist daher das Unmittelbare selbst auf unmittelbare Weise. Hier hingegen ist sie nur das aus dem Begriffe hervorgegangene, so dass ihr Wesen das Gesetztseyn, daß sie als Negatives ist.“ (GW 12, S. 182 f.).

2.3 Die Idee des Erkennens

135

Damit ist kein Subsumtionsverhältnis intendiert, sondern vielmehr der Versuch, die hegelsche Entwicklung der Objektivität des Begriffs nachzuzeichnen. Die Idee des Erkennens bestimmt Hegel zunächst als die Idee, die „sich zu sich als Idee verhält“. (GW 12, S. 191)¹¹⁹ Dass die Idee sich zu sich als Idee verhält, hat eine Form der Reflexivität zur Voraussetzung, die Hegel mit der Bestimmung der Gattung, als sich selbst reproduzierendes Ganzes Reflexion in sich zu sein, gegeben sieht. Diese Beziehung der Gattung auf sich macht den Übergang von der zunächst unmittelbaren Idee des Lebens zur Idee des Erkennens aus. Hierdurch erhält die Gattung ihre Wirklichkeit. (Vgl. GW 12, S. 191) Als Gattung oder abstrakte Allgemeinheit ist die Idee reine Identität, erst im Urteil unterscheidet sie sich, so „daß das Unterschiedene nicht eine Objectivität, sondern gleichfalls zur Subjectivität oder zur Form der einfachen Gleichheit mit sich befreyt, hiemit der Gegenstand des Begriffs der Begriff selbst ist.“ (GW 12, S. 192) Das heißt, die Reflexion in sich, ist nur als ein Urteil zu denken. Hegel spricht hier von einer Verdopplung der Idee, indem sie sich im Urteil in sich unterscheidet in den subjektiven Begriff, „dessen Realität er selbst“ (GW 12, S. 192) ist, und in den objektiven Begriff, „der als Leben ist“ (GW 12, S. 192). Unter der Idee des Erkennens handelt Hegel dementsprechend die sich selbst zum Gegenstand habende Idee ab. Hierunter fallen Bestimmungen wie Denken, Geist und Selbstbewusstsein, so dass sich anstatt von der Idee des Erkennens ebenso von der Idee des Geistes sprechen ließe.¹²⁰ Wie schon bei der logischen Auffassung der Idee des Lebens kommt es auch bei der Betrachtung der logischen Idee des Geistes zu einer notwendigen Abgrenzung der logischen von der realphilosophischen Betrachtung. (Vgl. GW 12, S. 197) Allein in den konkreten Wissenschaften wird der Geist als Seele und Bewusstsein thematisch. Zwar wird das Ich auch in der Sphäre der Logik zum Gegenstand, allerdings ausschließlich in der Bestimmung des freien Begriffs, „der in seinem Urtheile sich selbst der Gegenstand ist, der Begriff als seine Idee.“ (GW 12, S. 198) Das Selbstbewusstsein, die Beziehung des denkenden Ichs auf sich selbst, ist das Modell für den sich selbst bestimmenden Begriff. Dass der Begriff sich selbst seine Realität gibt, entspricht formal der von Kant negativ beschiedenen Forderung, dass das denkende Subjekt sich selbst zum Objekt seines Denkens werde. Der von Kant

 In dieser Beziehung der Idee auf sich zeige sich die Idee als „das Allgemeine, das die Allgemeinheit zu seiner Bestimmtheit und Daseyn hat“ (GW 12, S. 191). Im Leben als der unmittelbaren Idee fehlt noch „die am Begriffe selbst gesetzte Bestimmtheit desselben“ (GW 12, S. 192), die das Urteil als „das Setzen der bestimmten Begriffe durch den Begriff selbst“ (GW 12, S. 53) ausmacht. Erst in der Idee des Erkennens bestimmt sich die Idee zum „an sich selbst realisierten Begriff“. (GW 12, S. 192).  Vgl. den Jenaer Systementwurf von 1804/05, der „Geist“ im Metaphysikteil führt. Vgl. hierzu Düsing 1995, S. 290.

136

2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

kritisierte Paralogismus besteht vornehmlich darin, dass die von Kant rein funktional gedachte transzendentale Einheit des Selbstbewusstseins hypostasiert werde und dergestalt als Gegenstand möglicher Erkenntnis aufgefasst werde. Es ist die Anwendung der Kategorie der Substanz, „dadurch ein Ding an sich selbst vorgestellt wird“ (KrV, B 402), auf das bloße Ich denke, die Kant hierbei explizit kritisiert. „Zum Grunde derselben können wir aber nichts anderes legen, als die einfache und für sich selbst an Inhalt gänzlich leere Vorstellung: Ich“. (KrV, B 404) Diese Vorstellung ist durch und durch eine abstrakte, in der notwendigerweise, so sie als Fundament einer rationalen Seelenlehre fungieren soll, von jeglichem empirischen Inhalt abgesehen werden muss. Hegel geht es seinerseits in seiner Kritik um eben diese vorausgesetzte abstrakte Einfachheit. Als qualitative Bestimmtheit sei sie in der Sphäre des Seins, aber nicht in der Sphäre des Begriffs zu betrachten. Denn wenn der Begriff als Beharrliches, als „das an und für sich seyende und Ewige“ (GW 12, S. 195) aufgefasst werde, so werde er das nur unter der Voraussetzung, dass er nicht die abstracte sondern concrete Einfachheit, nicht sich auf sich abstract beziehendes Bestimmtseyn, sondern die Einheit seiner selbst und seines andern ist, in das er also nicht so übergehen kann, als ob er sich darin veränderte, eben darum, weil das Andre, das Bestimmtseyn, er selbst ist, und er in diesem Uebergehen daher nur zu sich selbst kommt. (GW 12, S. 195 f.)

Die von Hegel eingeforderte konkrete Einheit oder Einfachheit ist zu denken als die Einheit von Einzelnem und Allgemeinem. Das denkende Subjekt als das Allgemeine soll hierbei nicht unter Abstraktion aller empirischen Inhalte, sondern als ein notwendig mit dem Einzelnen Vermitteltes gedacht werden. Diese Vermittlung erfolgt im Prozess des Erkennens. In der Idee des Erkennens sei zu zeigen, wie der Begriff sich selbst seine Realität geben könne, und zwar unter Verzicht auf die metaphysische Voraussetzung eines sinnlich Gegebenen. Der durch diese metaphysische Voraussetzung entstehenden Einschränkung der Objektivität auf die „sinnliche Realität“ (GW 12, S. 195) sucht Hegel ein Konzept von Objektivität entgegen zu stellen, das nicht auf eine „äußerliche, in Raum und Zeit bestimmte Anschauung“ (GW 12, S. 194) angewiesen ist. Während Kant sich in seiner Kritik der rationalen Seelenlehre auf die Überlegung stütze, dass „der Begriff eines Dings, das nur als Subject existiren könne, noch gar keine objective Realität bey sich führe“ (GW 12, S. 194), behauptet Hegel die objektive Realität des Begriffs in seiner Gewissheit seiner selbst. Demnach gibt das sich selbst denkende Subjekt sich seine Realität und wird somit zur Wahrheit seiner selbst. Die Idee des Erkennens erscheint somit zunächst als Idee des Wahren.

2.3 Die Idee des Erkennens

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2.3.1 Die Idee des Wahren Die Idee des Wahren sucht das Wahre als die Identität des Begriffs mit der Realität, so dass in dieser Beziehung zum einen die Idee noch subjektiv ist und zum anderen der Gegenstand ein gegebener ist. Die Gegebenheit des Gegenstandes in der Idee des Wahren unterscheidet Hegel streng von der Gegebenheit eines einwirkenden Objektes, eines Gegenstandes „wie er als solcher für sich selbst beschaffen sey“ (GW 12, S.199), oder einer Vorstellung im Subjekt, auf die der als Gegenstand sich bestimmende Begriff nicht reduziert werden könne. Der Gegenstand ist in der Idee des Wahren dem Begriff nicht als ein Selbständiges, ein Anderes gegeben. In der subjektiven Idee des Erkennens tritt der Begriff zu sich in Widerspruch, insofern er sich selbst zum Gegenstand macht und sich selbst die Realität ist, aber zugleich der Gegenstand kein Anderes oder ihm gegenüber Selbständiges wäre. Der Begriff scheint dadurch getrieben, „die eigene Subjectivität aufzuheben […] und sie mit dem Inhalte der von seiner Subjectivität vorausgesetzten Welt zu erfüllen“. (GW 12, S. 200) Der Begriff in der Form der subjektiven Idee hält noch an der „Voraussetzung einer an sich seyenden Welt“ fest, gleichwohl er „die absolute Gewißheit seiner selbst“ ist. (GW 12, S.200) Der Versuch der Auflösung dieses Widerspruchs zeigt sich in dem „Trieb“ „in dem Objecte die Identität mit sich selbst anzuschauen.“ (GW 12, S. 200) Die Suche nach der Identität zwischen dem Objekt und dem seiner selbst gewissen Denken im Begriff ist „der Trieb der Wahrheit“ (GW 12, S. 200), der sich im Wissen realisiert. Der Form nach ist das Wissen das Verhältnis des Begriffsurteils, in dem „das Prädicat nicht nur die Objectivität des Begriffs, sondern die beziehende Vergleichung des Begriffs der Sache und der Wirklichkeit derselben“ (GW 12, S. 200) ist. Im subjektiven Erkennen der Wahrheit setzt der Begriff sich sein Objekt des Erkennens, dessen Existenzgrund jedoch als ein dem Begriff Selbständiges behauptet wird. Dieses endliche Erkennen findet demnach ihren Inhalt als gegeben vor, so dass im Erkennen „nur die Form der Aeusserlichkeit aufgehoben“ (GW 12, S. 200) wird. Hegel kritisiert diesen unzertrennlich mit der kantischen Philosophie verbundenen Standpunkt des endlichen Erkennens, indem „dem Objecte eine unbekannte Dingheit-an-sich hinter dem Erkennen zugeschrieben, und dieselbe und damit auch die Wahrheit als ein absolutes Jenseits für das Erkennen betrachtet“ (GW 12, S. 201) werde. Das Erkennen trete dergestalt in Widerspruch mit sich selbst, weil es zu erkennen beansprucht und in der Reflexion auf die Bedingungen der Möglichkeit der Erkenntnis den Begriff einer unbekannten Ursache der Erscheinungen bemüht, der die Grenze des Erkennens markiert und mit ihr ein unerreichbares und unerkennbares Jenseits der Erkenntnis behauptet. Die im endlichen Erkennen vorausgesetzte Objektivität schließt zwar die Bestimmbarkeit des Objekts durch das subjektive Erkennen nicht aus, hat aber nicht die Gestalt des spekulativen

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Erkennens, in dem sie „schlechthin nur der Begriff an ihr selbst ist“. (GW 12, S. 201) Das Objekt ist demnach als an sich seiend vorausgesetzt und der Trieb des subjektiven, endlichen Erkennens sucht sich mit ihm als identisch zu setzen, indem es das objektive Erkennen als ein „Auffassen eines Gegebenen“ (GW 12, S. 202) behauptet. Die Tätigkeit des Begriffs erfährt hierdurch die Beschränkung, „negativ gegen sich selbst zu seyn, sich gegen das Vorhandene zurückzuhalten und passiv zu machen, damit dasselbe nicht bestimmt vom Subjecte, sondern sich, wie es in sich selbst ist, zeigen könne.“ (GW 12, S. 202) Dieser von Hegel als defizitär kritisierte Anspruch an die Objektivität lässt sich auch anders formulieren: „Objektiv sein heißt, auf ein Wissen aus zu sein, das keine Spuren des Wissenden trägt“. (Daston/Galison 2007, S. 17) Daston und Galison bezeichnen diese Gestalt der Objektivität eine mechanische Objektivität, da die Darstellung des Gegebenen allein durch Mechanismen, die jeglichen Einfluss des subjektiven Erkennens weitestgehend ausschließen sollen, vermittelt werden soll.¹²¹ Die Natur soll quasi für sich selbst sprechen, doch die mechanische Objektivität „blieb immer ein unerreichbares Ideal.“ (Daston/Galison 2007, S. 195) Es sei, wie Rudolf Virchow 1877 anlässlich seiner Rede zur Freiheit der Wissenschaft sagt, unmöglich „mich ganz zu entsubjectiviren“. (Virchow 1877, S. 26) Dieses mechanische Erkennen thematisiert Hegel im ersten Unterkapitel der Idee des Wahren als das analytische Erkennen. Der rein äußerliche Mechanismus des analytischen Erkennens macht hierbei seine grundsätzliche Kritik aus.

2.3.1.1 Das analytische Erkennen Im § 227 der Enzyklopädie führt Hegel den Begriff der analytischen Methode ein. Warum er das analytische Erkennen, wie der entsprechende Abschnitt in der Wissenschaft der Logik heißt, an dieser Stelle durch die analytische Methode ersetzt, ist nicht augenscheinlich. (Vgl. Düsing 1995, S. 296 FN 27) Aus seiner in der Wissenschaft der Logik durchgeführten Kritik des analytischen Erkennens wird aber deutlich, dass die Beschränktheit des analytischen Erkennens seines Erachtens nach eben darin zu finden ist, dass diese Form des Erkennens letztendlich auf eine Methode zurückzuführen ist, die in ihrer Mechanizität keiner Vernunft bedarf und von einer bloßen Maschine automatisch ausgeführt werden könne. Es ist demnach ein dem Inhalt völlig äußerliches Erkennen.

 Vgl. Daston/Galison 2007, S. 127: „aus Mißtrauen gegen menschliche Vermittlung zwischen Natur und ihrer Wiedergabe setzten Forscher nun auf mechanisch hergestellte Bilder. Wo die Selbstdisziplin versagte, sollten Maschinen – oder Menschen, die willenlos wie Maschinen funktionierten – die Aufgabe übernehmen.

2.3 Die Idee des Erkennens

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Mehr noch als die Rede vom analytischen Erkennen provoziert die Rede von der analytischen Methode heutzutage Assoziationen mit dem methodischen Anspruch der so genannten analytischen Philosophie. Im Folgenden soll nicht der Versuch unternommen werden, zu leisten, was an dieser Stelle nicht zu leisten ist, nämlich eine angemessene Rekonstruktion und Explikation der Geschichte der analytischen Philosophie und ihrer Kritik idealistischer Philosophien zur Darstellung zu bringen. Ein kurzer Seitenblick auf Russell sei jedoch gestattet, zumal dadurch eine durchaus erhellende Kontrastierung möglich wird. Russell zufolge ist es die analytische Philosophie, die der Wahrheit am Nächsten kommt. Vor diesem Hintergrund mag es plausibel erscheinen, dass Hegels Explikation der Idee der Wahrheit auf die analytische Methode führt. Anders als Russel bleibt Hegel jedoch nicht bei der analytischen Methode stehen, sondern sucht sie, gemeinsam mit der synthetischen Methode in der spekulativen Methode aufzuheben, da Hegel, anders als Russell, die Wahrheit, an die das analytische Erkennen heranreicht, als endlich und der spekulativen Wahrheit entbehrend ansieht. Was als ein ermüdendes gegeneinander ausspielen von Positionen erscheinen mag, verweist jedoch auf ein systematisches Problem, das Russels Abwendung von der britischen Tradition des Idealismus, allem voran von der Philosophie Bradleys,¹²² und die Entstehung der Tradition der analytischen Philosophie mitbegründet hat. Die Begründung, die Russell für seine Überzeugung, dass die analytische Philosophie der Wahrheit am Nächsten komme, angibt, bezieht sich auf das Verhältnis von Komplexem und Einfachem: „the existence of the complex depends on the existence of the simple, and not vice versa“ und „the constituent of a complex, taken as a constituent, is absolutely identical with itself as it is when we do not consider its relation.“ (Russel 1992, S. 133) Diese überaus konzise Aussage eines unmissverständlichen Freundes der Analyse (Vgl. Russell 1945, S. 744)¹²³ gibt in nuce die wesentlichen Punkte des von Hegel dargestellten analytischen Erkennens wieder: Die analytische Methode zielt auf ein Unmittelbares, das in seiner Beziehungslosigkeit auf ein Anderes in der Form „einfacher Identität“ (GW 12, S.203) oder abstrakter Allgemeinheit gegeben ist, so dass das Prinzip des analytischen Erkennens die Identität ist, „der Uebergang in Anderes, die Verknüpfung Verschiedener ist aus ihm selbst, aus seiner Thätigkeit ausgeschlossen.“ (GW 12,

 Daß Russells Kritik der hegelschen Philosophie allein schon aufgrund seiner Verwischung der Differenzen zwischen Bradley, auf den er sich allein direkt bezieht, und Hegel überaus problematisch ist, zeigt Rolf-Peter Horstmann. (Horstmann 1984, S. 20 f.).  „Ever since I abandoned the philosophy of Kant and Hegel, I have sought solutions of philosophical problems by means of analysis; and I remain firmly persuaded, in spite of some modern tendencies to the contrary, that only by analysing is progress possible“. (Russell 1993, S. 11).

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

S.203) Das gewöhnliche analytische Erkennen geht von einem konkreten Gegenstand aus, so dass die durch die Analyse hervorgebrachten Bestimmungen ihren Inhalt und d. h. auch ihre Unterschiede zum bisher Bekannten betreffend allein der mit dem Gegenstand zufällig gegebenen Mannigfaltigkeit geschuldet sind. In der Arithmetik und der Algebra hingegen, den analytischen Wissenschaften schlechthin, findet sich diese Mannigfaltigkeit des Inhalts nicht, denn hier ist der Inhalt vollkommen abstrakt und jegliche immanenten Unterschiede sind zugunsten verhältnisloser Diskreta oder Atome ausgelöscht. Die Resultate der mathematischen Analysis verbleiben somit in der Sphäre der abstrakten Allgemeinheit, der einfachen Identität. Damit bleibt dem Erkennen nur übrig zu erkennen, was ihm zu erkennen gegeben ist. Wenn das analytische Erkennen sich jedoch nicht auf die abstrakte Identität tautologischer Aussagen der Form 12 = 12 reduzieren lassen soll, sondern gleichwohl ein Fortschritt in der Erkenntnis erkennbar sein soll, so müssen sich im Resultat des analytischen Erkennens Unterschiede zum Inhalt des vorausgesetzten Gegenstandes erkennen lassen können. Beide, Hegel wie auch Russell, halten den Fortschritt für ein wesentliches Moment der Erkenntnis. In der Einschätzung der angemessen Methode des Fortschrittes in der Erkenntnis differieren sie jedoch. Während Russell daran festhält, „that only by analysing is progress possible“ (Russell 1993, S. 11), sucht Hegel die analytische Methode in der synthetischen aufzuheben.¹²⁴ Die Analyse der als unmittelbar gegeben angenommenen Zahl 12 in seine Bestandteile, z. B. 7 + 5 oder 8 + 4, entspricht dieser Anforderung an das analytische Erkennen nach einem Erkenntnisfortschritt. Welcher Art dieser Fortschritt in der Erkenntnis jenseits der bloßen Tautologie mit sich bringt, ist allerdings umstritten.Während Russell und Hegel sich darin einig sind, dass es sich bei dem mathematischen Urteil 7 + 5 = 12 um ein analytisches Erkennen handelt, behauptet Kant hingegen, dass alle mathematischen Urteile, also auch arithmetische, synthetisch sind. Man sollte anfänglich zwar denken: daß der Satz 7 + 5 = 12 ein bloß analytischer Satz sei, der aus dem Begriffe einer Summe von Sieben und Fünf nach dem Satze des Widerspruches erfolge. Allein, wenn man es näher betrachtet, so findet man, daß der Begriff der Summe von 7 und 5 nichts weiter enthalte, als die Vereinigung beider Zahlen in eine einzige, wodurch ganz und gar nicht gedacht wird,welches diese einzige Zahl sei, die beide zusammenfaßt. Der Begriff von Zwölf ist keineswegs dadurch schon gedacht, daß ich mir bloß jene Vereinigung von Sieben und Fünf denke, und, ich mag meinen Begriff von einer solchen möglichen Summe noch solange zergliedern, so werde ich doch darin die Zwölf nicht antreffen. (KrV, B 15)

 Das Fortgehen des analytischen Erkennens „geschieht allein an den Bestimmungen des Stoffes“ GW 12, S. 204.

2.3 Die Idee des Erkennens

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Und weiter: Daß 7 zu 5 hinzugetan werden sollten, habe ich zwar in dem Begriffe einer Summe = 7 + 5 gedacht, aber nicht, daß diese Summe der Zahl 12 gleich sei. Der arithmetische Satz ist also jederzeit synthetisch. (KrV, B 16)

Hegel würde Kant hierin nur unter der Voraussetzung zustimmen, dass es sich bei der Zahl 12 um etwas qualitativ Anderes als die Zahlen 5 und 7 handelte. Eben das bestreitet Hegel jedoch explizit. Hegel gesteht dem arithmetischen Satz zwar einen Fortgang zu, allerdings mit der Einschränkung, dass es sich hierbei keinesfalls um einen qualitativen Fortgang handele, also kein Übergang zu einem anderen erfolge, woraus sich allein die Bestimmung des synthetischen Erkennens ergeben könne. Der Fortgang sei hier ein bloß formeller und dem Gegenstand äußerlich. Die Operation der Addition von 5 und 7 sei, darin pflichtet Hegel Kant bei, eine Vereinigung der Zahlen 5 und 7 zu einer Summe. Es kommt hierin die Forderung zum Ausdruck, „daß 5 und 7 in einem Ausdruck zusammengefaßt“ (GW 12, S. 206) werden. Diese Zusammenfassung ist aber eine allen Zahlen ganz äußerliche Tätigkeit, die das diskrete Eins zu ihrer Voraussetzung hat. Die Zahl 12 unterscheidet sich qualitativ nicht von den Zahlen 5 und 7. Sie sind alle Resultate eines rein formellen Prozesses. Die Vereinigung von 5 und 7 ist demnach nicht synthetisch, sondern „ein blosses Fortsetzen d. h. Wiederholen derselben Operation, durch welche 5 und 7 entstanden sind.“ (GW 12, S. 206) Diese Rechenoperation, die die diskrete Größe des Eins zugrunde legt, ist „ein ganz äusserliches, gedankenloses Thun“ (GW 12, S. 206), das auch von einer Rechenmaschine ausgeführt werden kann. Auch wenn also die Zahl 12 nicht in der Forderung der Vereinigung von 5 und 7 als solche enthalten ist, ist die Operation nichts anderes als das Herstellen einer rein äußerlichen, externen Relation einer diskreten Größe, von „verhältnißlose[n] Atome[n]“ (GW 12, S. 205) Der formellen Bestimmung nach geht es Russell in seinem logischen Atomismus¹²⁵ um eben solche externen Relationen der an sich verhältnislosen, und damit irreduziblen logischen Atome. Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Für Kant handelt es sich beim arithmetischen Urteil um ein synthetisches Urteil, für Hegel und Russell um ein analytisches. Um die Sache zu verkomplizieren sehen Kant und Russell in diesem mathematischen Urteil einen Erkenntnisfortschritt, während Hegel diesen zumindest in Frage stellt. Auch für Hegel bleibt es hierbei nicht bei einer bloßen Tautologie, aber es ist der Übergang zu einem Anderen, den Hegel hier vermisst. Der Fortschritt sei ein bloßes „Fortgehen an formeller Identität“. (GW 12, S. 185)

 Russell spricht von einem logischen Atomismus, weil die Atome, zu denen er als letzte irreduzible Bausteine der Analyse gelangt, rein logische Entitäten sind.

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Diese Unterschiede sind keine immanenten Unterschiede des konkreten Gegenstandes, sondern rein äußerliche Unterschiede der Beziehung der mit ihm gedachten Diskreta. Es entspricht dem Charakteristikum der mathematischen analytischen Wissenschaften, dass es sich hierbei um die Bestimmung rein äußerlicher oder externer Relationen von diskreten Größen handelt. Anders formuliert: Mathematik lässt sich nur auf diskrete Größen und ihre ihnen äußerliche Relationen anwenden. Russells These, dass alles Komplexe aus Einfachen bestehe, die ausschließlich durch externe Relationen miteinander in Verbindung stehen, ist demnach eine notwendige Voraussetzung seines Versuchs der Mathemasierbarkeit der Welt. Das Spezifische des analytischen Erkennens sieht Hegel in der Abwesenheit der Vermittlung gegeben, so dass das analytische Erkennen als „die unmittelbare, das Andersseyn noch nicht enthaltende Mittheilung des Begriffes“ (GW 12, S. 202) zu begreifen sei. Genau hierin verortet er die Problematik des analytischen Erkennens. Die Unmittelbarkeit des gegebenen Objekts lässt sich nämlich nicht ohne Vermittlung denken, „denn sie ist die negative Beziehung des Begriffs auf das Object“. (GW 12, S. 203) Das analytische Erkennen geht wie die erste Prämisse des Schlusses von einem Vorausgesetzten aus. Dieses Vorausgesetzte erscheint zunächst als ein konkreter, unmittelbarer Gegenstand, der als solcher jedoch nur dann Gegenstand einer adäquaten, sachgemäßen Analyse werden kann, wenn hierbei nicht auf die bloßen Vorstellungen, sondern auf den zugrunde gelegten Begriff gesehen wird. Das analytische Erkennen ist demnach die Zerlegung des Begriffs in seine Bestimmungen, „die Verwandlung des gegebenen Stoffes in logische Bestimmungen“ (GW 12, S. 203). Inwiefern diese Entwicklung von Begriffsbestimmungen als „eine Entwicklung von Unterschieden“ (GW 12, S. 204) aufgefasst werden kann, die einen wesentlichen Erkenntnisfortschritt, die Entwicklung eines zuvor Unbekannten aus dem Bekannten mit sich bringt, ist mehr als fraglich. Hegel kritisiert das rein immanente Fortgehen in der bloßen Begriffsanalyse, dessen Mangel auf die Aufhebung im synthetischen Erkennen verweist.

2.3.1.2 Das synthetische Erkennen Das synthetische Erkennen soll über das für das analytische Erkennen charakteristische bloße „Auffassen dessen, was ist“ (GW 12, S. 209) hinausgehen und begreifen, was ist, d. h. „die Mannichfaltigkeit von Bestimmungen in ihre Einheit“ (GW 12, S. 209) fassen. Die „objektive Welt“ (GW 12, S. 209) wird durch das synthetische Erkennen in Begriffe verwandelt, allerdings nur der Form nach. Der Inhalt des synthetischen Erkennens, das einzelne/besondere Objekt bleibt, wie auch die einzelnen/besonderen Naturgesetze, ein vorausgesetztes und muss für

2.3 Die Idee des Erkennens

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das Erkennen erst gefunden werden.Weil das Objekt des synthetischen Erkennens „noch nicht selbst bestimmend“ (GW 12, S. 210) ist, bleibt auch die Objektivität dieses Erkennens eine subjektive, dem Objekt an und für sich äußerliche. Die durch das synthetische Erkennen erlangte Notwendigkeit ist eine des Erkennens, nicht aber eine des Begriffs, die auf die „Nothwendigkeit der Sache an und für sich selbst“ geht. (GW 12, S. 209) Die Verwandlung der objektiven Welt in Begriffe erfolgt zunächst auf dem Wege der Definition, so dass die gegebene Objektivität in die Form des Begriffes und seine Momente der Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit überführt wird. Das Einzelne als das zu definierende Objekt wird hierbei in ein Verhältnis zur Allgemeinheit als Gattung und der Besonderheit als spezifischer Differenz gebracht. Das Charakteristikum der Realdefinition ist, dass das Einzelne „als das an und für sich Bestimmtseyn ausser der eigenthümlichen Begriffsbestimmung des synthetischen Erkennens liegt“. (GW 12, S. 211) Aus dieser Trennung folgt die Problematik, dass kein Prinzip vorhanden ist, das es erlaubte zu erkennen, „welche Seiten des Gegenstandes als zu seiner Begriffsbestimmung und welche nur zu der äusserlichen Realität gehörig angesehen werden sollen.“ (GW 12, S. 211) Die schon von Kant an die Realdefinition gestellte Forderung, dass sie „nicht bloß einen Begriff, sondern zugleich die objektive Realität desselben deutlich macht“ (KrV, B 242 *), bleibt demnach ein für das synthetische Erkennen nicht zu erfüllendes Sollen. Bei Produkten der „selbstbewußten Zweckmäßigkeit“ (GW 12, S. 211) und bei geometrischen Gegenständen ist diese Einschränkung von keiner großen Bedeutung, da sie im Wesentlichen sind, „was sie seyn sollen“ (GW 12, S. 211), d. h. sie werden ihrer Definition gemäß hervorgebracht, ihr Existenzgrund ist dem Erkennen gegenüber nicht zufällig. Sie haben zwar „eine von ihrem Begriffe verschiedene Realität“, die aber die Definition nicht tangiert. (GW 12, S. 211) Anders sieht es bei konkreten Naturgegenständen und Objekten des Geistes aus. Das Verfahren der Definition fordert, dass die mannigfaltigen Eigenschaften des der Vorstellung gegebenen Gegenstandes in ein notwendiges Verhältnis zur Gattungs- und zur Artbestimmtheit gebracht werden und dergestalt die wesentlichen, die Gattung bzw. Art bestimmenden Eigenschaften von den kontingenten Eigenschaften unterschieden werden. Die Bestimmung des Zusammenhanges, in dem die Eigenschaften stehen, bedarf eines Kriteriums, das beim konkreten Objekt allein im Dasein zu finden ist. So finden die wesentlichen Eigenschaften des Objektes ihren Ausdruck in der Allgemeinheit, die im Dasein nur die empirische Allgemeinheit sein kann. Die allgemeine Eigenschaft kann demnach nur eine stetige, im zeitlichen Bestehen des Ganzen nicht vergängliche Eigenschaft des einzelnen Objektes sein oder sich als eine gemeinschaftliche Eigenschaft der in der Gattung per definitionem vereinigten Exemplare zeigen. Die Definition konkreter Naturgegenstände bleibt damit der Sphäre des äußerlichen Daseins und der

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Vorstellung verhaftet, ohne auf die „eigentlichen“ Begriffsbestimmungen zu gehen, „die wesentlich die Principien der Gegenstände wären“. (GW 12, S. 212 f.) Die Bestimmung der allgemeinen Eigenschaften konkreter Naturgegenstände ist folglich ein Bestimmen von Merkmalen, wodurch einzelne Eigenschaften hervorgehoben werden, die quasi als „Merkzeichen“ zur Erkenntnis des einzelnen Objektes als Exemplar der Art oder Gattung fungieren. Indem die Definition nun in einer unmittelbaren Eigenschaft die Bestimmtheit des Begriffs angeben soll, so gibt es keine Eigenschaft, gegen welche nicht eine Instanz beygebracht werden könne, in der der ganze Habitus zwar das zu definirende Concrete erkennen läßt, die Eigenschaft aber, welche für dessen Charakter genommen wird, sich unreif oder verkümmert zeigt. (GW 12, S. 214)

Was ist das für ein Gebilde, dass zwar in seiner Gesamtheit seiner Erscheinung der Definition eines bestimmten Objektes der Natur oder des Geistes entspricht, dass aber in der als wesentliche Differenz behaupteten Eigenschaft dieser Definition nicht entspricht? Ist ein Azephaler, der in seiner gesamten Existenz als Mensch erscheint, kein Mensch, da er aufgrund seiner „Kopflosigkeit“ die spezifische Differenz der Vernunftbegabung notwendigerweise missen lässt? Das wäre konsequent, hätte aber weitreichende Folgen. Es wäre dann naheliegend, den moralischen Status am aktualen Vorhandensein spezifischer Eigenschaften festzumachen. Will man dieser Konsequenz entgehen und soll auch das Schlechte in die Definition aufgenommen seyn, so entgehen dem empirischen Herumsuchen alle Eigenschaften, welche es als wesentlich ansehen wollte, durch die Instanzen von Mißgeburten, denen dieselbe fehlen, z. B. die Wesentlichkeit des Gehirns für den physischen Menschen, durch die Instanz der Acephalen, die Wesentlichkeit des Schutzes von Leben und Eigenthum für den Staat, durch die Instanz despotischer Staaten und tyrannischer Bedingungen. (GW 12, S. 214)

Die Definition muss demnach, um sich als Definition erhalten zu können, alle Instanzen einer Aberration von der Definition als nicht zur Gemeinschaft der in der Definition vereinten Exemplare gehörend behaupten. Strenggenommen kann es dann keine mangelhaften Exemplare geben, sondern nur definitionsgemäße Exemplare und den Rest der durch die Definition ausgeschlossenen Objekte. Diese strikte Durchführung der Definition als das Aufsteigen vom einzelnen Inhalt der Definition „durch die Besonderheit zum Extrem der Allgemeinheit“ (GW 12, S. 215) gegen den Rest der durch die Definition ausgeschlossenen Objekte hat das objektiv Allgemeine zur Voraussetzung, das sich durch Disjunktion in wohl unterschiedene Besondere einteilen lässt. Diese Einteilung als das zweite Moment des synthetischen Erkennens nimmt ihren Ausgang im sich besondernden Allgemeinen, im

2.3 Die Idee des Erkennens

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Allgemeinen, das sich in Besonderes teilt. Dieser der Definition entgegengesetzte Weg vom Allgemeinen zum Besonderen betrachtet Hegel als „durch die Form des Begriffs bestimmt“. (GW 12, S. 215) In der Definition findet sich zwar auch eine „Formbestimmung des Begriffs“, diese ist aber die Bestimmung des Begriffs an einem gegebenen Inhalt und nicht vergleichbar mit dem „dem Begriff angehörige [n] Fortgang vom Allgemeinen zum Besondern“. (GW 12, S. 215) Die Definition kann „ihre Bestimmungen für die Gegenstände nur aus der Unmittelbarkeit des Daseyns aufnehmen und sich nur an dem vorgefundenen rechtfertigen“. (GW 12, S. 214) Ob der wirkliche Gegenstand jedoch mit der in der Definition subjektiv gesetzten Begriffsbestimmung übereinstimmt, lässt sich, so Hegels explizite Kritik am Vorgehen der Definition, nicht sagen, „weil der einzelne Gegenstand auch schlecht seyn kann.“ (GW 12, S. 214) Dass der einzelne Gegenstand auch schlecht sein kann, lässt sich aber nur einwenden, wenn „gegen die Instanz der Begriff behauptet [wird], und sie an demselben gemessen für ein schlechtes Exemplar ausgegeben wird.“ (GW 12, S. 214) Die Schwierigkeit des synthetischen Erkennens, dass das Objekt nicht als Begriff erkannt wird, ist mit der Definition noch nicht behoben. Aber auch die Einteilung, die Disjunktion des Allgemeinen in das Besondere bleibt den Objekten äußerlich. Der Fortgang vom Allgemeinen zum Besonderen ist zwar eine Formbestimmung aus dem Begriff, aber die „Inhalts-Bestimmtheit“ erfolgt „aus dem Gegebenen“. (GW 12, S. 217) Der Einteilungsgrund, nach dem die vorgefundenen Besonderen geordnet werden, ist im synthetischen Erkennen ein bloß angenommener. Ein den Objekten immanentes Prinzip, ein „eigener Grund“ (GW 12, S. 217) ist nicht vorhanden, so dass die „allgemeine Bestimmtheit der empirischen Arten […] nur diese seyn [kann], daß sie voneinander verschieden überhaupt sind, ohne entgegengesetzt zu seyn.“ (GW 12, S. 219) Weil das „Synthetische in der Definition und Einteilung […] eine äußerlich aufgenommene Verknüpfung“ (GW 12, S. 220) ist, erscheint der Gegenstand dem subjektiven Begriff gegenüber unangemessen. So erreicht die Idee auch im synthetischen Erkennen die Wahrheit noch nicht, weil der subjektive Begriff in seiner Äußerlichkeit dem Gegenstand unangemessen ist.

2.3.2 Die Idee des Guten Die der theoretischen Idee des Erkennens komplementäre praktische Idee des Guten weist ein anderes Verhältnis des Begriffs zur objektiven Welt auf. Während in der theoretischen Idee, der subjektive Begriff als das Allgemeine der objektiven Welt gegenübersteht, „aus der er sich den bestimmten Inhalt und die Erfüllung nimmt“ (GW 12, S. 231), steht in der praktischen Idee der Begriff als Wirkliches der Wirklichkeit gegenüber. Die Gewissheit, „die das Subject in seinem An-und-für-

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

sich-Bestimmtseyn hat, ist aber eine Gewißheit seiner Wirklichkeit, und der Unwirklichkeit der Welt“. GW 12, S. 231) Die Objektivität wird demnach nicht in den gegebenen Gegenständen gesucht, vielmehr hat das Subjekt selbst sich die Objektivität „vindicirt“ (GW 12, S. 231). Das Subjekt behauptet sich als konstitutiv für die Bestimmung der Objektivität, sieht sich aber einer abweichenden Wirklichkeit gegenüber. So hat der Begriff seine Objektivität an sich selbst und sieht sich zugleich einer von seiner Bestimmtheit abweichenden äußerlichen Objektivität gegenüber. Das Gute ist die „in dem Begriffe enthaltene, ihm gleiche, und die Foderung der einzelnen äusserlichen Wirklichkeit in sich schliessende Bestimmtheit“ (GW 12, S. 231) und so wird die Idee als „noch unausgeführte Idee“ (GW 12, S. 232) zum Trieb „die eigene Bestimmung zu setzen, und sich vermittelst des Aufhebens der Bestimmungen der äusserlichen Welt die Realität in Form äusserlicher Wirklichkeit zu geben.“ (GW 12, S. 231) Das Gute ist ein Sollen „die zwei Welten im Gegensatze“ (GW 12, S. 233) aufzuheben. Diese Problematik wird, wie Hegel anmerkt, in der Phänomenologie des Geistes ausführlich thematisiert. In der Phänomenologie des Geistes spricht Hegel von einem Widerspruch, einer Antinomie der moralischen Weltanschauung. Seine These zur moralischen Weltanschauung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Antinomie der moralischen Weltanschauung besteht in der unüberbrückbaren Differenz zwischen dem Sollen und dem Sein der moralischen Praxis. Der monistische Anspruch der einander ausschließenden Weltanschauungen ist nicht unbedingt, sondern hängt von zwei Voraussetzungen ab. Diese beiden Voraussetzungen sind, 1. dass es ein Bewusstsein gibt und 2. dass es eine vom Bewusstsein unabhängige Natur, als das ihr Andere, gibt. Die moralische Weltanschauung entwickelt sich aus der gleichgültigen Beziehung zwischen der selbstständigen Natur und dem moralischen Bewusstsein. Die dergestalt entstandene moralische Weltanschauung ist für Hegel nichts anderes als „der Standpunkt des Verhältnisses und des Sollens oder der Forderung“ (GW 14.1, § 108). Die moralische Weltanschauung versucht die als gleichgültig existierend Vorausgesetzten, das Bewusstsein und die Natur, miteinander zu vermitteln. Das Ziel dieser Vermittlung wäre mit der Aufhebung der Differenz zwischen Bewusstsein und Natur erreicht. Moralgesetz und Naturgesetz wären dann nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Mit dem Erfolg der Vermittlung zwischen moralischen Bewusstsein und Natur wäre die Forderung nach einer moralischen Welt verwirklicht. Jede Handlung wäre dann von Natur aus moralisch. Die Moralphilosophie wäre damit ihres Gegenstandes verlustig geworden. In diesem Sinne betreibt die Moralphilosophie mit ihrer Forderung einer moralischen Welt ihre eigene Abschaffung. Hegels Kritik an der moralischen Weltanschauung ist eine explizite Kritik an der Moralphilosophie Kants und Fichtes.Weit gefehlt, dass sich das Sein, die nichtmoralische Welt, durch das Sollen, das moralische Gesetz, bestimmen lasse, sei

2.3 Die Idee des Erkennens

147

das Charakteristische dieser Beziehung ihre unaufhebbare Gleichgültigkeit gegeneinander. Dass die Weltanschauung zur Welterklärung werden könne, die gesuchte „Harmonie der Moralität und aller Wirklichkeit“ (GW 9, S. 331) sich realisieren lasse, sei darum eine bloße Illusion. Das Bewusstsein der moralischen Weltanschauung stellt sich seinen Inhalt als Gegenstand vor, nemlich als Endzweck der Welt, als Harmonie der Moralität und aller Wirklichkeit. Indem es aber diese Einheit als Gegenstand vorstellt, und noch nicht der Begriff ist, der die Macht über den Gegenstand als solchen hat, so ist sie ihm ein Negatives des Selbstbewußtseyns, oder sie fällt ausser ihm, als ein Jenseits seiner Wirklichkeit, aber zugleich als ein solches, das auch als seyend, aber nur gedacht wird. (GW 9, S. 331)

In der moralischen Weltanschauung erzeugt das Bewusstsein mit Bewusstsein sich seinen Gegenstand selbst (GW 9, S. 332) und weiß sich als dieses Tätige mit seinem Gegenstand identisch. Zugleich setzt es diesen Gegenstand aber als ein Jenseits seiner. „Das geforderte Seyn […] liegt“ damit „im Begriffe der Moralität selbst“ (GW 9, S. 326) und ist ein rein subjektiver Begriff. Der Konflikt der einander entgegengesetzten Weltanschauungen ist letztendlich nur ein Symptom des dem Konzept der moralischen Weltanschauung immanenten Widerspruchs zwischen Sein und Sollen. Erführe das moralische Selbstbewusstsein diese Antinomie zwischen Sein und Sollen überhaupt nicht, so wäre ihm seine Wirklichkeit vernünftig und die Vernünftigkeit der Wirklichkeit würde zugleich jeden möglichen Widerspruch zwischen den Weltanschauungen negieren. Wenn aber das Wirkliche vernünftig sein muss, dann kann die Moralität nur unter der Bedingung vorhanden sein, dass sie in Harmonie mit der Wirklichkeit ist. D.h. eine Moralität ist unter unvernünftigen, heteronomen Verhältnissen nicht als wirklich zu behaupten. Indem sich aber das Resultat ergeben hat, daß die Idee die Einheit des Begriffs und der Objectivität, das Wahre, ist, so ist sie nicht als ein Ziel zu betrachten, dem sich anzunähern sey, das aber selbst immer eine Art von Jenseits bleibe, sondern daß alles Wirkliche nur insofern i s t , als es die Idee in sich hat, und sie ausdrückt. (GW 12, S. 174)

Eine Welt, die allen sittlichen Gesetzen gemäß wäre, bezeichnet Kant als eine moralische Welt. Eine solche moralische Welt könne aber nur als eine intelligible gedacht werden, da in ihr „von allen Bedingungen (Zwecken) und selbst von allen Hindernissen der Moralität in derselben (Schwäche oder Unlauterbarkeit der menschlichen Natur) abstrahiert“ (KrV, B 836) werde. Die moralische Welt ist somit eine wenn auch bloße, so doch praktische Idee, „die wirklich ihren Einfluß auf die Sinnenwelt haben kann und soll, um sie dieser Idee so viel als möglich gemäß zu

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

machen“ (KrV, B 836). Dieser kantischen Bestimmung der Idee als ein regulatives Prinzip, das im praktischen Gebrauch als eine Forderung, ein Sollen zum Ausdruck kommt, gilt Hegels explizite Kritik. Anders als Kant bestimmt Hegel die Idee nicht als ein regulatives Prinzip, nicht als ein Jenseits, dessen Erreichung, wie die des „Reichs Gottes auf Erden“ (AA VI, S. 93) angestrebt werden soll, aber niemals realisiert werden könne. Die Idee bestimmt Hegel hingegen als den adäquaten Begriff, als das objektiv Wahre. (Vgl. GW 12, S. 173) Im moralischen Bewusstsein müsste demnach das Bewusstsein mit seiner Welt übereinstimmen, die Harmonie von Moralität und Natur in der Wirklichkeit realisiert sein. Die Moralität als Idee wäre somit ein objektiv Wahres, die Einheit des Begriffs und der Objektivität. Wie schon im Leben als der unmittelbaren Idee zeigt sich auch bei der Moralität die charakteristische Bestimmung eines Organischen, indem der Begriff mit seiner Objektivität zusammenzugehen habe, damit das Lebendige nicht in seine toten Bestandteile zerfällt. Die Kongruenz von Begriff und Realität ist demnach eine notwendige Bedingung der Existenz von Organismen wie u. a. Staaten oder Moralität. Die Idee soll die Einheit von Begriff und Objektivität ausmachen. Es zeigt sich nun aber, dass Begriff und Objektivität „vollkommen congruire[n]“ oder aber „gar nicht angemessen“ sein können. (GW 12, S. 174) Mit einem statischen Begriff der Kongruenz von Begriff und Objektivität ist die Konsequenz verbunden, dass aus der Kongruenz von Begriff und Objektivität, die notwendige Vernünftigkeit der Wirklichkeit folgt. Jede wirkliche Moralität müsste demnach vernünftig sein. Mit der statischen Kongruenz wird jede Differenzierung unmöglich. Eine dynamische Auffassung der Kongruenz von Begriff und Realität hingegen ermöglicht eine Differenzierung um den Preis der Wirkmächtigkeit der Idee. Damit aus dieser dynamischen Bestimmung der Einheit von Begriff und Objektivität keine gleichgültige, kontingente Bestimmung wird, setzt Hegel die Einheit von Begriff und Objektivität als der Natur, z. B. der Natur eines Staates, wesentlich zukommend. Aufgrund dieser immanenten Einheit von Begriff und Objektivität kann Hegel dann auch aus der Existenz eines mangelhaften Exemplars noch schließen, dass er ein Exemplar der angenommenen objektiven Allgemeinheit ist. Die Vernunft als Quelle von Gesetzen rückt damit zwar deutlich in die Nähe eines regulativen Prinzips, gewinnt damit aber ein kritisches Potential. Der „machthabende Begriff“ erscheint zumindest in seinem Wirken nicht wesentlich von einem „Urbild“ kantischer Provenienz unterschieden, „dem der Zustand der Wirklichkeit immer näher zu bringen, das Bestreben seyn müsse.“ (GW 12, S. 174) Das Bestreben des machthabenden Begriffes ist es, die in der Wirklichkeit realisierte Idee nicht nur am Leben zu erhalten, sondern zu einer vollkommenen Kongruenz mit der Wirklichkeit zu bringen, so dass die Wirklichkeit eine objektive Welt ist, „deren innerer Grund und wirkliches Bestehen der Begriff ist.“ (GW 12, S. 235) Die Wirklichkeit wird somit an den ihr immanenten Maßstäben gemessen. Diese

2.4 Die Seele und Substanz aller Objektivität

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Bestimmung lässt sich, wie Rahel Jaeggi zeigt (Jaeggi 2009, S. 284) und worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann, als ein Kriterium der Ideologiekritik verstehen. Der Idee kommt demnach ein normatives Moment zu. Diese normative Funktion kann der Idee, wie Hegel sie begreift, nur unter der Bedingung widerspruchsfrei erfüllen, dass sie nicht als ein der Vernunft Jenseitiges behauptet wird, sondern immer schon in der Wirklichkeit wirksam ist. Damit wird auch vermieden, dass der Wirklichkeit mit einem fertigen Ideal entgegengetreten wird. Der praktischen Idee selbst mangelt „das Moment des eigentlichen Bewußtseyns selbst, dass nemlich das Moment der Wirklichkeit im Begriffe, für sich die Bestimmung des äusserlichen Seyns erreicht hätte.“ (GW 12, S. 233) Die äußerliche Wirklichkeit muss „die Form des Wahrhaft-Seyenden“ (GW 12, S. 233) erhalten. Es ist demnach gefordert, die Idee des Guten durch die Idee des Wahren zu ergänzen. Erst in der Übereinstimmung beider wird die Identität der vorgefundenen Wirklichkeit mit dem ausgeführten absoluten Zweck bestimmt, „aber nicht wie im suchenden Erkennen, bloß als objective Welt ohne die Subjectivität des Begriffes, sondern als objektive Welt, deren innerer Grund und wirkliches Bestehen der Begriff ist. Diß ist die absolute Idee.“ (GW 12, S. 235)

2.4 Die Seele und Substanz aller Objektivität Diejenige Objektivität, zu der der Begriff im besten Fall fähig sei, entwickelt Hegel im letzten Kapitel der subjektiven Logik. Es ist der Versuch, die Objektivität vollständig auf den Kopf zu stellen. Die Bemühungen einer mechanischen Objektivität, die von allem Subjektiven abzusehen sucht, um allein das Objekt als ein per se Objektives in den Blick zu bekommen, betrachtet Hegel zu Recht als misslungen. Hegels Konzept der Objektivität ist diesem radikal entgegengesetzt. Die im vernünftigen Begriff sich entfaltende Subjektivität ist ihm die Seele und Substanz aller Objektivität. An die vorangegangene Betrachtung des analytischen und synthetischen Erkennens anschließend sucht Hegel beide als Momente der absoluten Methode aufzuweisen. Das gelingt jedoch nicht ohne die Bedeutung von Analyse und Synthese anzupassen. Die absolute Methode nimmt ihren Anfang, wie weiter unten noch näher ausgeführt wird, in einem Unmittelbaren, das sich als eine konkrete Totalität zeigt. Eine abstrakte Totalität wäre immer schon als Resultat der Abstraktion zu begreifen und als solches ein Vermitteltes. Damit der Anfang aber auch als „Anfang des Fortgehens und der Entwicklung“ (GW 12, S. 241) genommen werden kann, muss der als unmittelbar behauptete Anfang zugleich in sich unterschieden sein. In der Unmittelbarkeit des Anfangs können diese Unterschiede der konkreten Totalität zunächst nur als Verschiedene gedacht werden. „Das

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Unmittelbare ist aber als sich auf sich beziehende Allgemeinheit, als Subject, auch die Einheit dieser Verschiedenen.“ (GW 12, S. 241) In dieser Bestimmung des Begriffs als Subjekt gründet sich seine Funktion als Seele und Substanz der Objektivität. Während die Tätigkeit des Begriffs, „der in sich vollkommen bestimmt ist, das anfangende, sich selbst bewegende Princip“ (GW 12, S. 183) ist, die Seele der Objektivität ausmacht, ist die Substanz der Objektivität darauf zurück zu führen, „dass die absolute Methode die Bestimmung des Allgemeinen in ihm selbst findet und erkennt.“ (GW 12, S. 241) Die absolute Methode ist keine äußerliche Reflexion. Als das dem Gegenstand des Erkennens immanente Prinzip nimmt die absolute Methode „das Bestimmte aus ihrem Gegenstande selbst“. (GW 12, S. 241) In diesem Sinne sind, wie Hegel mit Verweis auf Plato betont, „die Dinge an und für sich selbst zu betrachten“ (GW 12, S. 241 f.) und „was in ihnen immanent ist, zum Bewußtseyn zu bringen“. (GW 12, S. 242) Die Methode des absoluten Erkennens ist demnach analytisch. Im Gegensatz zum endlichen Erkennen ist der Inhalt des Gegenstandes dieser analytischen Methode nicht als gegeben vorausgesetzt. Die analytische Methode findet „die weitere Bestimmung ihres anfänglichen Allgemeinen ganz allein in ihm“, sie „ist die absolute Objectivität des Begriffs, deren Gewißheit sie ist.“ (GW 12, S. 242) Substanz und Seele der Objektivität sind für Hegel nicht voneinander zu trennen. Aber die absolute Methode ist ebenso sehr synthetisch, wenn auch nicht im Sinne des zuvor von Hegel kritisierten synthetischen Erkennens. Unter synthetisch begreift Hegel hier die Beziehung des Verschiedenen, die der Gegenstand des Erkennens an sich ist. Der Gegenstand zeigt sich „durch die Bestimmtheit, die er in seiner Unmittelbarkeit und Allgemeinheit selbst hat, als ein Anderes“. (GW 12, S. 242) Weil diese Beziehung des Verschiedenen aber „im Begriffe“ (GW 12, S. 242) ist, d. h. gleichermaßen analytisch ist, ist sie von der Synthese des endlichen Erkennens wohl zu unterscheiden. Dieses so sehr synthetische als analytische Moment des Urtheils, wodurch das anfängliche Allgemeine aus ihm selbst, als das Andere seiner sich bestimmt, ist das Dialektische zu nennen. (GW 12, S. 242)

Die Dialektik ist keine auf ein Talent beruhende Kunst, sondern gehört „der Objectivität des Begriffes“ (GW 12, S. 242) an. Es sei Kants Verdienst die Dialektik wieder der Vernunft zugesprochen zu haben, aber die daraus zu ziehende Konsequenz müsse der Kantischen entgegengesetzt sein. Kant hat die Dialektik ein „vermeintes Organon“ (KrV, B 85) geheißen, das keiner wirklichen Hervorbringung fähig, sondern als bloßes „Blendwerk von objektiven Behauptungen“ (KrV, B 85) missbraucht werde. Kants Kritik der reinen Vernunft kommt mit der Aufweisung der Grenzen der Vernunft zu einer negativen Bestimmung der Dialektik. Dagegen

2.4 Die Seele und Substanz aller Objektivität

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ist Hegel bemüht aufzuzeigen, dass die Dialektik nicht nur ein negatives, sondern durchaus auch ein positives Resultat hat. Dass das anfänglich Allgemeine sich als das Andere seiner selbst bestimmt, dieser offenkundige Widerspruch der Bestimmungen wird dem „Grundvorurtheil“ (GW 12, S. 243) folgend dahingehend als negatives Resultat betrachtet, dass entweder der sich in seinen entgegengesetzten Bestimmungen widersprechende Gegenstand sich selbst aufhebe und deshalb nichtig sei oder aber das Erkennen selber mangelhaft sei. Dieser negativen Einschätzung der Dialektik entgegentretend, möchte Hegel aufzeigen, dass weder der Gegenstand noch das Erkennen mangelhaft sind, sondern vielmehr sich in dieser Beziehung des anfänglich Allgemeinen auf sein Anderes die Objektivität in ihrer Seele und Substanz manifestiert. Entscheidend sind für Hegel an der Erscheinung der Dialektik nicht die vermeintliche Mangelhaftigkeit des Gegenstandes oder des Erkennens, sondern die sich darin zeigenden Bestimmungen. Diese sind nicht etwas äußerlich Vorgefundenes oder willkürlich Zusammengerafftes, sondern die Denkbestimmungen, d. h. Kategorien, die für Hegel „der wahrhafte Gegenstand und Inhalt der Vernunft“ (GW 12, S. 244) sind. „Der Gegenstand, wie er ohne das Denken und den Begriff ist, ist eine Vorstellung oder auch ein Nahmen; die Denkund Begriffsbestimmungen sind es, in denen er ist, was er ist.“ (GW 12, S. 244) Dasjenige, was gewöhnlich als Gegenstand genommen wird, „gilt nur durch sie und in ihnen“. GW 12, S. 244) Auch wenn man diese konstitutive Rolle der Kategorien annimmt, bleibt die Bestimmtheit der Denkbestimmungen in einem widersprüchlichen Urteil zumindest fragwürdig. Urteile der Art ,Das Endliche ist unendlich‘ oder ,Das Einzelne ist ein Allgemeines‘ sind Kant bekanntlich ein Ausdruck der „unvermeidlichen Widersprüche der Vernunft mit sich selbst“ (KrV, B 24) und als solche zu kritisieren. Hegel hingegen sucht dieses Charakteristikum der Vernunft durch die absolute Methode ins Positive zu wenden. Die Methode wird hier zum Prinzip, denn die „Bestimmungen des Begriffes selbst und deren Beziehungen“ (GW 12, S. 239) sind dasjenige, was die Methode ausmacht. Die absolute Methode ist demnach nichts anderes als ein Organon der reinen Vernunft, dessen Kritik das Thema der theoretischen Philosophie Kants ist. Ein Organon der reinen Vernunft würde ein Inbegriff derjenigen Prinzipien sein, nach denen alle reinen Erkenntnisse a priori können erworben und wirklich zustande gebracht werden. Die ausführliche Anwendung eines solchen Organon würde ein System der reinen Vernunft schaffen. Da dieses aber sehr viel verlangt ist, und es noch dahin steht, ob auch hier überhaupt eine Erweiterung unserer Erkenntnis, und in welchen Fällen sie möglich sei; so können wir eine Wissenschaft der bloßen Beurteilung der reinen Vernunft, ihrer Quellen und Grenzen, als die Propädeutik zum System der reinen Vernunft ansehen. Eine solche würde nicht eine Doktrin, sondern nur Kritik der reinen Vernunft heißen müssen, und ihr Nutzen würde in Ansehung der Spekulation wirklich nur negativ sein. (KrV, B 25)

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

Gelingt es Hegel mit der absoluten Methode ein Organon der reinen Vernunft zu begründen, so wäre damit auch die Grundlage für ein System der reinen Vernunft gegeben.¹²⁶ Die Methoden des Erkennens, seien sie analytischer, synthetischer oder absoluter Natur, sind ein Werkzeug der Erkenntnis. Als eine „bloße Art und Weise des Erkennens“ (GW 12, S. 237) erscheinen sie dem Gegenstand endlichen Erkennens gegenüber zufällig und äußerlich. Die absolute Methode unterscheidet sich in diesem Punkt wesentlich von der analytischen und synthetischen Methode des endlichen Erkennens. In ihr sind Form und Inhalt identisch, der Inhalt demnach aus den Begriffsbestimmungen hervorgegangen und nicht als gegeben angenommen. Die absolute Methode bestimmt Hegel dementsprechend nicht als ein bloß äußerliches Werkzeug, das zur Anwendung auf einen vorausgesetzten Gegenstand gebracht wird, sondern als Organon.¹²⁷ Sie ist „der sich selbst wissende, sich als das Absolute, sowohl Subjective als Objective, zum Gegenstand habende Begriff, somit als das reine Entsprechen des Begriffs und seiner Realität, als seine Existenz die er selbst ist, hervorgegangen.“ (GW 12, S. 238) Die absolute Methode ist somit keine „blosse Art und Weise des Erkennens“, sie ist „die Seele aller Objectivität“ (GW 12, S. 237), die Bewegung des Begriffs selbst und der Begriff zeigt sich in ihr als Alles. Das gewöhnliche Verständnis der Dialektik fasst diese als einen mehr oder weniger zufälligen Widerspruch auf, der sich am Gegenstand dergestalt zeigt, dass ihm eine Bestimmung zugesprochen wird und zugleich die entgegengesetzte Bestimmung als dem Gegenstand notwendig zukommend betrachtet wird. Dass die Welt endlich und unendlich sei, ist ein Beispiel für die von Kant ausführlich behandelten Antinomien. Kant kommt hierbei zu einem negativen Resultat, das die einander entgegengesetzten Bestimmungen als unvermittelbar erscheinen lässt und ihn nötigt, die Vernunft auf ein bloß regulatives Prinzip zu restringieren. Hegel hingegen behauptet die Vermittlung als schon im Unmittelbaren angelegt. Die erste Bestimmung der Dialektik ist ihm die konkrete Totalität als ein Unmittelbares. Die Totalität, von der die Bewegung des Begriffs ihren Anfang macht, muss unmittelbar sein. Es handelt sich hier jedoch um kein Unmittelbares der Anschauung oder der Vorstellung, sondern um ein Unmittelbares des Denkens, das sich zudem als das Andere seiner selbst zeigen soll.Wie aber „ein allgemeines

 Vgl. Arndt 2012, S. 27: „Es besteht meines Erachtens kein Zweifel, dass für Hegel letztlich die absolute Idee das System der reinen Vernunft realisiert.“  Vgl. dagegen Drobisch 1863, S. 9: „Die Logik ist Organon des Denkens, sondern nur ein Regulativ für dasselbe, wohl aber ein Werkzeug des mittelbaren Erkennens. Was die Mathematik speciell für die Naturerekenntniss, das ist die Logik, ohne die selbst die Mathematik nicht möglich wäre, für jede Art der Erkennentis.“

2.4 Die Seele und Substanz aller Objektivität

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Erstes an und für sich betrachtet, sich als das Andere seiner selbst zeigt“ (GW 12, S. 244), ist nicht unmittelbar einsichtig. Die zweite Bestimmung der Dialektik ist das Andere des Unmittelbaren, das Negative oder Vermittelte, das zugleich ein Vermittelndes ist und das mehr sein soll als das leere Negative bzw. Nichts. Hieraus ergibt sich schließlich die dritte Bestimmung des Negativen des Negativen, der „Wendungspunkt der Bewegung des Begriffes“. (GW 12, S. 246) In ihr hat sich das positive Resultat der Dialektik zu zeigen. Die Negativität als negative Beziehung auf sich ist nicht nur der „Wendungspunkt der Bewegung des Begriffs“, sondern zugleich der „innerste Quell aller Thätigkeit“, die „dialektische Seele“ und „auf dieser Subjectivität allein ruht das Aufheben des Gegensatzes zwischen Begriff und Realität, und die Einheit, welche die Wahrheit ist.“ (GW 12, S. 246) In diesem zweiten Negativen der absoluten Methode vollendet sich der Schluss. In der Vollendung des Schlusses ist „der Unterschied des Vermittelnden und Vermittelten weggefallen. Das, was vermittelt ist, ist selbst wesentliches Moment seines Vermittelnden, und jedes Moment ist als die Totalität der Vermittelten.“ (GW 12, S. 125) Die Methode ist als die Mitte des Schlusses das Vermittelnde der Extreme, das sich in der Vollendung des Schlusses identisch setzt mit den zu vermittelnden Extremen des Schlusses, so dass „Subjekt, Methode und Object […] als der eine identische Begriff gesetzt sind“. (GW 12, S. 238) Diese Identität von Subjekt, Methode und Objekt im Begriff ist nicht mit der durch das formelle Denken geforderten Identität als notwendiges Gesetz des Erkennens zu verwechseln. Hält das formelle Denken an dem Grundsatz fest, „dass der Widerspruch nicht denkbar sey“ (GW 12, S. 246), so hält Hegel dem entgegen, dass das Denken des Widerspruchs „das wesentliche Moment des Begriffs“ (GW 12, S. 246) sei. Weil das formelle Denken „sich die Identität zum Gesetze“ (GW 12, S. 246) mache und „den widersprechenden Inhalt, den es vor sich hat, in die Sphäre der Vorstellung, in Raum und Zeit herab fallen“ (GW 12, S. 246) lasse, muss ihm der Widerspruch als vernichtend erscheinen. Dagegen ist es für Hegel „das Wichtigste im vernünftigen Erkennen“, das „Positive in seinem Negativen, den Inhalt der Voraussetzung im Resultate festzuhalten“. (GW 12, S. 245) Das Dialektische geht aber nicht erst in der zweiten Negation hervor. Alle drei Elemente des Schlusses weisen ein dialektisches Moment auf. Das Erste oder Unmittelbare ist der Begriff an sich, sein „dialektisches Moment“ (GW 12, S. 245) besteht darin, „dass der Unterschied, den es an sich enthält, in ihm gesetzt wird“. (GW 12, S. 245) Das Zweite oder Bestimmte ist der Unterschied oder das Verhältnis. Sein dialektisches Moment besteht darin, „die Einheit zu setzen, die in ihm enthalten ist“. (GW 12, S. 246) Das Negative der zweiten Bestimmung ist „das Andre eines Andern“, d. h. es ist der Widerspruch, der sein eigenes Anderes in sich einschließt, und somit „die gesetzte Dialektik ihrer selbst“. (GW 12, S. 245) So sind die Beziehung des Unmittelbaren auf sich selbst und die Beziehung des Anderen

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2. Die Objektivität oder das objektiv Allgemeine

auf sich selbst, der Unterschied in der Einheit und die Einheit im Unterschiedenen gleichermaßen nicht ohne den Widerspruch zu denken. Die Vermittlung dieser sich Widersprechenden fällt in die zweite Negation, die als Aufhebung der ersten Negation zugleich zur Wiederherstellung der ersten Bestimmung, der Unmittelbarkeit wird. In diesem Wendepunkt der Methode kehrt der Verlauf des Erkennens zugleich in sich selbst zurück. Diese Negativität, ist als der sich aufhebende Widerspruch, die Herstellung der ersten Unmittelbarkeit, der einfachen Allgemeinheit; denn unmittelbar ist das Andre des Anderen, das Negative des Negativen, das Positive, Identische, Allgemeine. (GW 12, S. 247)

Dieses Dritte ist das Unmittelbare, aber „durch Aufheben des Unterschiedes, das Positive durch Aufheben des Negativen, der Begriff, der sich durch das Andersseyn realisiert, und durch Aufheben dieser Realität mit sich zusammengegangen, und seine absolute Realität, seine einfache Beziehung auf sich hergestellt hat. Diß Resultat ist daher die Wahrheit.“ (GW 12, S. 248) Die dialektische Methode, die den Gegenstand begreifende „Methode der Wahrheit“ (GW 12, S. 248) ist einerseits analytisch, insofern sie im Begriff bleibt, andererseits ist sie synthetisch, insofern der Begriff als ein anderes bestimmt wird. Dass der Gegenstand dialektisch wird, ist jedoch der Bestimmung durch den Begriff geschuldet, so dass die Sphäre des Begriffs nicht transzendiert wird. Das Negative ist das Subjektive, die Subjektivität, die in der Beziehung auf sich die Objektivität als das Andere ihrer selbst weiß. Allein in dieser negativen Tätigkeit kommt es zur Aufhebung des Gegensatzes von Begriff und Realität. Die Methode ist deßwegen als die ohne Einschränkung allgemeine, innerliche und äusserliche Weise, und als die schlechthin unendliche Kraft anzuerkennen, welcher kein Object, insofern es sich als ein Aeusserliches, der Vernunft fernes und von ihr unabhängiges präsentirt, Widerstand leisten, gegen sie von einer besondern Natur seyn, und von ihr nicht durchdrungen werden könnte. (GW 12, S. 238)

Die absolute Methode als „Seele und Substanz“ des Erkennens lässt somit den Schluss zu, dass etwas nur insofern begriffen ist „als es der Methode vollkommen unterworfen ist“. (GW 12, S. 238) In diesem Zusammenhang ist es fragwürdig, inwiefern bzw. inwieweit die reine Wahrheit „als letztes Resultat auch der Anfang einer andern Sphäre und Wissenschaft“ (GW 12, S. 253) sein kann und ob bzw. wie die Allmacht des Begriffs die Sphäre des Begriffs zu transzendieren vermag. Die Objektivität wird nunmehr, wie Düsing schreibt, „von der Subjektivität als Begriff erkannt, der sich in vermittelter Weise frei auf sich selbst bezieht.“ (Düsing 1995, S. 305) Die Objektivität ist somit weder ein Gegebenes, noch ein Bestehendes, sondern allein im Prozess der absoluten, sich auf sich beziehenden Idee zu be-

2.4 Die Seele und Substanz aller Objektivität

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greifen. Die Realität geht aus dem Begriff hervor, sofern der Begriff sich im absoluten Erkennen als mit seinem Anderen identisch weiß. (Vgl. GW 12, S. 220) Die dergestalt gewonnene Objektivität verbleibt als letztes Resultat in der Sphäre des Logischen. Als möglicher Anfang einer anderen Sphäre und Wissenschaft wird die Frage der Verhältnisbestimmung von Logik und Realphilosophie virulent. Die bloße Anwendung der absoluten Idee auf die Sphäre der Realphilosophie widerspricht dem hegelschen Verständnis, demnach die dialektische Methode nicht als instrumentell zu begreifen ist. Die dialektische Methode ist nicht mehr und auch nicht weniger als „das Bewusstsein über die Form der inneren Selbstbewegung ihres Inhalts.“ (GW 21, S. 37) Als ein heuristisches Prinzip (vgl. Jaeschke 1979, S. 26) angewendet fällt die dialektische Methode zurück in die Form des „suchenden Erkennen“. (GW 12, S. 235) Sucht man das Verhältnis von absoluter Methode und Wirklichkeit selbst dialektisch zu bestimmen, wie Heinz Kimmerle vorschlägt, (vgl. Kimmerle 1979, S. 208 f.) scheint eine Vermittlung denkbar. Die Angemessenheit der Methode an die Wirklichkeit wird nicht vorausgesetzt, sondern zu einer unendlichen Aufgabe. Das dialektische Denken ist das erste und das zweite Negative der dialektischen Wirklichkeit. Es bleibt auf jeder Stufe auf das erste Positive der Wirklichkeit bezogen und ist auf das zweite Positive eines neuen unmittelbaren Wirklichkeitszusammenhanges gerichtet. (Kimmerle 1979, S. 208)

Als Negation der Wirklichkeit könne die dialektische Methode „gegenüber der Wirklichkeit, die ihnen nicht entspricht, durchaus einen normativen Anspruch begründen“. (Kimmerle 1979, S. 208) Inwiefern die absolute Idee als ein normatives Korrektiv fungieren kann und begründet werden kann, dass ihr ein „kritisches Potential“ (Arndt 2012, S. 31) innewohnt, soll im abschließenden Kapitel thematisiert werden.

3. Ausblick: Kritische Naturphilosophie Wenn der Ertrag der vorangehenden Untersuchungen zusammengefasst wird, so sind wir vor einem doppelten Wege gewarnt. Die formale Logik verfehlt das Ziel, indem sie den fertigen Begriff auf sich beschränkt und nur sich selbst gleichsetzt, damit aber jede Entwickelung und Begründung abschneidet. Die dialektische Methode geht vermessen den entgegengesetzten Gang, indem sie nichts empfangen, sondern alle Wahrheit aus sich sebst schöpfen will und das Denken gleichsam sich selbst bebrüten lässt. (LU I, S. 130)

Folgt man Trendelenburg so lässt die logische Frage weder eine formallogische noch eine dialektische Antwort zu, da jene leer, diese aber anschauungslos bleibe. Trendelenburgs Antwort, dass allein die Bewegung als gemeinschaftliches Prinzip der Vermittlung zwischen Denken und Sein denkbar sei, soll an dieser Stelle nicht weiter thematisch werden. Stattdessen soll der vermessene Gang der absoluten Methode, die, glaubt man Trendelenburg, „alle Wahrheit aus sich selbst schöpfen will“ (LU I, S. 130), im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Naturphilosophie erörtert werden. Der Übergang der absoluten Idee in die andere Sphäre der Naturphilosophie, den Hegel explizit nicht als Überfluss oder Übergang verstanden wissen will, (vgl. GW 12, S. 253) wird hier ebenso zu thematisieren sein, wie Hegels Begriff der Naturphilosophie. Damit soll die logische Frage mit einer hegelschen Antwort abgeschlossen werden, die einen Ausblick auf ein Konzept kritischer Naturphilosophie erlauben soll. Dass es sich hierbei nicht um die schlichte Reformulierung der Aufforderung, zu Kants kritischem Weg zurückzukehren, handelt, muss an dieser Stelle noch programmatisch bleiben.

3.1 Der „Übergang“ zur Naturphilosophie Wie verhält sich das Denken zum Sein, wie die ‚Logik’ zur Natur? Ist der Übergang von jener zu dieser begründet? Wo ist die Notwendigkeit, wo das Prinzip dieses Übergangs? (Feuerbach 1990, S. 155 f.)

Die reine Wahrheit ist Hegel das letzte Resultat der Wissenschaft der Logik und wird ihm zugleich „der Anfang einer andern Sphäre und Wissenschaft.“ (GW 12, S. 253). Hegel führt diesen Übergang am Ende der subjektiven Logik nicht elaboriert aus. Entsprechend vielfältig sind die Interpretationen der entsprechenden Passage. (Vgl. De Vos 1983) In seinen knappen Anmerkungen macht er jedoch deutlich, dass es beim Übertritt in die andere Sphäre und Wissenschaft sich nicht um ein „Gewordenseyn und Uebergang“ (GW 12, S. 253) handelt, wie es an anderen Stellen der Wissenschaft der Logik vorkommt. Die absolute Idee endet mit der Realisierung der absoluten „Befreyung“, in welcher die „Realität des Begriffes

3.1 Der „Übergang“ zur Naturphilosophie

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selbst zum Begriffe erhoben ist“. Damit kann es keine andere Bestimmung geben als eine solche des Begriffs, „in dieser Freyheit findet daher kein Uebergang Statt“. (GW 12, S. 253) „Das Uebergehen ist also hier vielmehr so zu fassen, dass die Idee sich selbst frey entläßt, ihrer absolut sicher und in sich ruhend.“ (GW 12, S. 253) Dem systematischen Anspruch entsprechend muss das Ende der Wissenschaft der Logik zugleich als Vollendung ihrer Bestimmung angesehen werden und insofern kann der absoluten Idee am Ende der Wissenschaft der Logik keinerlei Mangel mehr zugesprochen werden, der einen Übergang erforderte. Der Übertritt in eine andere Sphäre und Wissenschaft ist insofern nicht notwendig, sondern absolut frei. (Vgl. dagegen Horstmann 1986, S. 303 und Bormann 2000, S. 31) Diese Freiheit der absoluten Idee ist nicht gleichzusetzen mit der Freiheit eines tätigen Willens. Neben der Autonomie eines Willens scheidet auch die Willkürfreiheit aus, die es der absoluten Idee erlaubte sich für oder gegen einen Übergang in die Realphilosophie zu entscheiden. Der Grund für das freie Entlassen der absoluten Idee in die Natur ist ihr absolut und kann demnach nicht durch ein ihr Äußerliches motiviert sein. Andererseits ist die absolute Idee das Ende der Wissenschaft der Logik und insofern ihre Vollendung. In dieser Vollendung müsste sie eigentlich zur Ruhe kommen.Was könnte das Absolute zu dem freien Entschluss bewegen, „sich als äusserliche Idee zu bestimmen“ (GW 12, S. 253), zum Endlichen überzutreten, wenn es keinem Mangel seiner Bestimmtheit und keiner äußerlichen Notwendigkeit geschuldet sein kann? Das Uebergehen ist also hier vielmehr so zu fassen, dass die Idee sich selbst frey entläßt, ihrer absolut sicher und und in sich ruhend. Um dieser Freyheit willen ist die Form ihrer Bestimmtheit eben so schlechthin frey, – die absolut für sich selbst ohne Subjectivität seyende Aeusserlichkeit des Raums und der Zeit. – Insofern diese nur nach der abstracten Unmittelbarkeit des Seyns ist und vom Bewußtseyn gefaßt wird, ist sie als blosse Objectivität und äusserliches Leben; aber in der Idee bleibt sie an und für sich die Totalität des Begriffs, und die Wissenschaft im Verhältnisse des göttlichen Erkennens zur Natur. (GW 12, S. 253)

Die Freiheit wird hier zum Scharnier der Wissenschaft der Logik und der Realphilosophie. Die der absoluten Idee konzedierte Freiheit ist keine bloß formale, äußerliche Bestimmtheit, sondern betrifft gleichermaßen „die Form ihrer Bestimmtheit“ (GW 12, S. 353), die den Inhalt der absoluten Idee ausmacht. Demnach könne die Bestimmtheit der Idee außer der Totalität des Begriffs auch die Form einer „absolut für sich selbst ohne Subjectivität seyende Aeusserlichkeit des Raums und der Zeit“ (GW 12, S. 353) annehmen. Die Frage, warum von der einen Form der Bestimmtheit zur anderen „übergegangen“ (GW 12, S. 353) werden soll,

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3. Ausblick: Kritische Naturphilosophie

bleibt damit jedoch unbeantwortet.¹²⁹ Dass es sich hierbei nicht um eine bloß willkürliche Bestimmung, die eher einer systematischen Verlegenheit als einem systematischen Begründungsverhältnis geschuldet ist, handelt, lässt sich zumindest plausibel darlegen, sofern die Bestimmung der Natur als das Andere der Idee hinzugenommen wird. Der Übergang zeigt sich dann als ein dialektischer Prozess,¹³⁰ in dem die Natur als das Andere der absoluten Idee sich als ihre erste Negation und der Geist als die Wiederherstellung der ersten Unmittelbarkeit erweist.¹³¹ In den Paragraphen 381– 384 der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse schreibt Hegel von einem anderen Übergang, den er nicht als ein freies Entlassen, sondern als ein Offenbaren charakterisiert. Es ist der Übergang von der Naturphilosophie zur Philosophie des Geistes. Das Offenbaren, welches als die abstracte Idee unmittelbarer Uebergang, Werden der Natur ist, ist als Offenbaren des Geistes, der frei ist, Setzen der Natur als seiner Welt; ein Setzen, das als Reflexion zugleich Voraussetzen der Welt als selbständiger Natur ist. Das Offenbaren im Begriffe ist Erschaffen derselben als seines Seyns, in welchem er Affirmation und Wahrheit seiner Freiheit sich gibt. (GW 20, S. 382)

Hegel gibt in diesem Absatz drei verschiedene Bedeutungen von Offenbaren an: 1. das Offenbaren als die abstrakte Idee, 2. das Offenbaren des Geistes und 3. das Offenbaren im Begriff. Diese drei Bedeutungen des Offenbarens gilt es zunächst zu erläutern.

 Die Konsequenz streicht Anton Friedrich Koch als unumgänglich hervor: „In diesem Akt der Freiheit aber gibt die Idee – gegen Hegel sei es gesagt – dann unwiderbringlich sich selber preis. Was sich in der freien Äußerlichkeit von Raum und Zeit als Subjektivität widerherstellt – je kontingente, individuelle, personale Subjektivität –, ist nicht mehr vollständig mit der absoluten Idee zusammenzuschließen. Es bleibt am Ende eine Kluft: Die Idee kann als solche nicht personal, nicht zum Subjekt, und die endliche Person nicht ideal, nicht zur Idee, werden.“ Koch 2006, S. 215.  „Alles ist in der ursprünglichen Idee, im Keim enthalten, und es ist ein Widerspruch der Idee und sie ist an ihr selbst die Dialektik, welche den Gegensatz, der in ihr liegt, hervorruft und an das Licht bringt.“ (V 16, S. 9).  Wandschneider/Hösle 1983, S. 176: „Eine aus der Verfaßtheit der logischen Idee hergeleitete Deutung läßt sich offenbar gewinnen, wenn der dialektische Charakter des Logischen berücksichtigt wird. Daß damit kein äußerlicher Gesichtspunkt an die Idee herangetragen wird, ergibt sich daraus, dass diese selbst sich in ihrer Vollendung als absolute Idee wesentlich als dialektisch bestimmt findet. Indem das Dialektische damit als konstitutiv hervortritt, wird die Form der dialektischen Trias zugleich für sie selbst verbindlich, d. h. Idee kann sie nur in dialektischer Entgegensetzung gegen „ihr Anderes“ und in zurückkehrender Aufhebung desselben sein.“

3.1 Der „Übergang“ zur Naturphilosophie

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3.1.1 Das Offenbaren als die abstrakte Idee Das Offenbaren als die abstrakte Idee ist „unmittelbarer Übergang, Werden der Natur“ (GW 20, S. 382), so Hegels denkbar knappe Bestimmung der ersten Bedeutung des Offenbarens. Diese erste Weise des Offenbarens wird 1. der Tätigkeit der abstrakten Idee zugesprochen, sei 2. ein unmittelbarer Übergang und 3. das Werden der Natur. Die Bedeutung des unmittelbaren Übergangs, sowie des Werdens der Natur erschließt sich aus Hegels Bestimmung der abstrakten Idee. Die abstrakte Idee ist die logische Idee, die sich noch nicht in ihrem Anderem konkretisiert hat. Der letzte Gegenstand, gleichsam das Resultat der Wissenschaft der Logik ist die absolute Idee. In dieser absoluten Idee erscheine „alle Bestimmung als ausgelöscht oder durch die Abstraction weggelassen“. (GW 12, S. 252) Diese Abstraktheit der Idee folgt aus der Bestimmung der Idee. Die Idee setzt sich „als absolute Einheit des reinen Begriffs und seiner Realität“ (GW 12, S. 353) und ermöglicht dergestalt den strengen Begriff von Wissenschaft, der Resultat und Zweck der hegelschen Logik sein soll. Kennzeichen dieses strengen Begriffs von Wissenschaft ist, dass die logische Form sich selbst zu ihrem Inhalt wird und dadurch die absolute Einheit von Begriff und Realität möglich wird. Absolut ist diese Einheit von Begriff und Realität, weil sie unbedingt ist, weil sie nicht durch die Voraussetzung einer ihr äußerlichen Realität bedingt ist. Denkbar ist diese absolute Einheit von Begriff und Realität jedoch allein in der logischen Idee, die notwendig eine abstrakte Idee ist, weil sie über die bloß logische Sphäre nicht hinauskommt. Hegels Argumentation kommt am Ende der Wissenschaft der Logik mit der absoluten Idee zu einem Ende. Begriff und Realität sind in einer absoluten Einheit zu denken, die aber als solche notwendig abstrakt verbleiben muss. Dieses Ende wird für Hegel zu einem neuen Anfang, zu einem Übergang in eine andere „Sphäre und Wissenschaft“. (GW 12, S. 253) Diese andere Sphäre ist die der Realphilosophie, die andere Wissenschaft ist die Naturphilosophie. Damit wird die Bestimmung der ersten Bedeutung des Offenbarens als ein Übergang, als das Werden der Natur deutlich. Die abstrakte Idee betreibt einen Übergang zur Naturphilosophie, in der der Stufengang der Natur expliziert wird. Dieses Betreiben eines Überganges ist ein Offenbaren der abstrakten Idee, gleichwohl Hegel es in der entsprechenden Passage der Wissenschaft der Logik nicht als ein Offenbaren benennt. Dort bezeichnet er das Offenbaren der abstrakten Idee als den „Entschluß“ der Idee, „sich als äusserliche Idee zu bestimmen“ (GW 12, S. 253) und damit aus ihrer Abstraktheit „in die Unmittelbarkeit äußerlichen und vereinzelten Daseins“ (HW 10, S. 30, § 384 Zusatz) umzuschlagen. Der Übergang zur Naturphilosophie wird durch den „Entschluß“ der Idee, durch ihre Tätigkeit, durch ihr Offenbaren, und nicht durch ein Äußerliches generiert. Insofern ist das Offenbaren

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3. Ausblick: Kritische Naturphilosophie

als die abstrakte Idee „unmittelbarer Übergang, Werden der Natur“ (GW 20, S. 382).¹³²

3.1.2 Das Offenbaren des Geistes Das „Werden der Natur“ ist der von Hegel in seiner Naturphilosophie dargestellte Gang der „Idee als Natur“ (GW 20, S. 241) von der in der Mechanik darzustellenden Materie, über die Manifestation als physikalischer Körper bis hin zum Organismus. Hegels Entwicklung der Natur endet mit dem Tod des Individuums. Der Tod des Natürlichen ist dem Individuum immanent und wird nicht bloß zufällig durch äußerliche Gewalt herbeigeführt. Es sei die Unangemessenheit des Individuums zur Allgemeinheit, die den dem Individuum angeborenen „Keim des Todes“ (GW 20, S. 375) ausmache. Das Leben tötet sich demnach aufgrund seines ihm immanenten Mangels selbst. Mit dem Tod des lebendigen Individuums ist jedoch nicht alles seinem Ende zugegangen. Aus dem Tod des Natürlichen entwickelt Hegel den Übergang zum Geist, den Übergang von der Naturphilosophie zur Philosophie des Geistes. Dieser Übergang ist nicht zufällig, sondern im Stufengang der Natur angelegt und wird von Hegel seiner Darstellung der Naturphilosophie programmatisch vorangestellt. Im Paragraphen 251 der Enzyklopädie bestimmt Hegel den Geist als „die Wahrheit und de[n] Endzweck der Natur und die wahre Wirklichkeit der Idee“. (GW 20, S. 241) Das Werden der Natur zu diesem Endzwecke beschreibt Hegel im selben Paragraphen folgendermaßen die Bewegung [der Natur; M.G.] durch ihren Stufengang ist näher diß, dass die Idee sich als das setze, was sie an sich ist; oder was dasselbe ist, dass sie aus ihrer Unmittelbarkeit und Äußerlichkeit, welche der Tod ist, in sich gehe um zunächst als Lebendiges zu seyn, aber ferner auch diese Bestimmtheit in welcher sie nur Leben ist, aufhebe, und sich zur Existenz des Geistes hervorbringe. (GW 20, S. 241)

Der Stufengang der Natur wäre demnach nichts anderes als das Setzen der Idee. Die Idee als Natur, die zunächst als das Andere der Idee bloße Äußerlichkeit, mithin tote Materie und Körper sei, setze sich als Lebendiges, als Organismus. Diese Bestimmtheit als Lebendiges würde aber aufgehoben und die Idee bringe sich zur Existenz des Geistes hervor. Dieses Setzen der Idee ist nichts anderes als das Offenbaren in der zweiten Bedeutung, nicht mehr das Offenbaren als abstrakte  Vgl. HW 9, § 384, Zusatz: „Die erste Weise, wie der an sich seiende Geist oder die logische Idee sich offenbart, besteht in dem Umschlagen der Idee in die Unmittelbarkeit äußerlichen und vereinzelten Daseins. Dies Umschlagen ist das Werden der Natur. Auch die Natur ist ein Gesetztes; aber ihr Gesetztsein hat die Form der Unmittelbarkeit, des Seins außer der Idee.“

3.1 Der „Übergang“ zur Naturphilosophie

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Idee, sondern das Offenbaren des Geistes. Das Offenbaren des Geistes bestimmt Hegel als „ein Setzen der Natur als seiner Welt“. (GW 20, S. 382) Die Natur als das Andere der Idee wird durch diese Setzung des Geistes ihrer Form der Andersheit entkleidet. Das dem Geist gegenüberstehende Andere wird zu einem durch den Geist Gesetzten, geht aber nicht in dieser Setzung auf. Der Geist ist an dieser Stelle nicht der schöpferische, sondern der reflektierende, der endliche Geist, dem die Natur, das andere als ein vom Geist Unabhängiges, unmittelbar Vorhandenes vorhergeht. Das Setzen der Natur durch den Geist ist für Hegel deshalb „als Reflexion zugleich Voraussetzen der Welt als selbstständiger Natur“. (GW 20, S. 382) Der Gegenstand der Naturphilosophie wäre demnach reine Setzung und Voraussetzung durch den reflektierenden Geist. Das Offenbaren des Geistes wäre Reflexion auf das der Reflexion Vorausgesetzte.

3.1.3 Das Offenbaren im Begriff Anders als das Offenbaren des Geistes habe das Offenbaren im Begriff kein von ihm Unabhängiges zur Voraussetzung. Das Offenbaren im Begriff sei „Erschaffen [der Welt; M.G.] als seines Seyn“. (GW 20, S. 382) In diesem Erschaffen gebe der Geist sich „die Affirmation und Wahrheit seiner Freiheit“. (GW 20, S. 382) Verständlich werden diese beiden Bestimmungen des Offenbarens im Begriff mit Hilfe der Paragraphen 381– 383, den ersten unter dem Titel Begriff des Geistes gestellten Textabschnitten. Deutlich wird hier, dass das Offenbaren im Begriff nicht, wie man vermuten könnte, der subjektiven Logik, der Lehre vom Begriff, subsumiert wird, sondern als Erkenntnis des Geistes in die Sphäre der Philosophie des Geistes gehört. Die Erkenntnis des Geistes lässt sich nur im genitivus subiectivus und obiectivus fassen. Der Geist ist gleichermaßen Subjekt und Objekt seiner Erkenntnis. Eben hier liegt die Differenz zur Natur. Die Natur bleibt stets, auch als Begriffene, ein vom Geist Unterschiedenes und insofern ein dem Begriff als Anderes Gegenüberstehendes, als Unmittelbares. Erst im Geist zeigt sich die Identität von Gegenstand und Begriff vollständig. Im Geist lassen sich Begreifendes und Begriffenes nicht voneinander trennen, der Geist ist deshalb, wie Hegel schreibt, der Begriff „welcher die ihm entsprechende Realität, den Begriff zu seinem Daseyn hat“. (GW 20, S. 375) Anders als die absolute Einheit von Begriff und Realität in der logischen Idee, die in der Sphäre der Logik eingeschlossen bleibt, gelingt es dem Geist sich in seiner Einheit als Begreifendes und Begriffenes zu manifestieren. Der Geist ist, sofern er sich auf sich bezieht, bei sich und damit frei. Kennzeichen dieser formellen Freiheit sei die „absolute Negativität des Begriffs als Identität mit sich“, die es ihm ermöglicht „von allem Äußerlichen und seiner eigenen Äußerlichkeit […] zu abstrahiren“. (GW 20, S. 382) In dieser Abstraktion ist der Geist nicht

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3. Ausblick: Kritische Naturphilosophie

mehr endlicher Geist, sondern unendlicher Geist, der frei ist, die Welt als sein Seyn zu erschaffen. Diese Erschaffung der Welt ist jedoch nicht als eine Schöpfung im Sinne einer creatio ex nihilo zu verstehen. Das Offenbaren im Begriff, das Hegel dem Geist zuspricht, ist nicht ein Offenbaren von Etwas, „sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist dieses Offenbaren selbst.“ (GW 20, S. 382) Der Geist hat sich, wie Hegel schreibt, „als die zu ihrem Fürsichseyn gelangte Idee ergeben, deren Object eben sowohl als das Subject der Begriff ist.“ (GW 20, S. 381) Diese Identität von Begreifendem und Begriffenem ist keine positive Bestimmung, sondern absolute Negativität. Die Identität ist absolute Negativität, „weil in der Natur der Begriff seine vollkommene, äußerliche Objectivität hat, diese seine Entäußerung aber aufgehoben, und er in dieser sich identisch mit sich geworden ist. Er ist diese Identität somit zugleich nur, als Zurückkommen aus der Natur.“ (GW 20, S. 381 f.) Der Geist als die Einheit von Subjekt und Objekt im Begriff hat „somit die Natur zur Voraussetzung, deren Wahrheit, und damit deren a b s o l u t E r s t e s er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden“. (GW 20, S. 381) Dieses Verschwinden der Natur scheint nahezulegen, dass mit dem Offenbaren im Begriff ein adäquates Naturverständnis sich nicht in Einklang bringen lasse. Dagegen lässt sich hervorheben, dass der Geist die Wahrheit der Natur nur unter der Voraussetzung der Natur sein kann, dessen äußerliche Objektivität er durchlaufen und aufgehoben hat. Dieser Prozess ist die Entwicklung des Begriffs, der sich im Geist selbst zum Gegenstand wird. Für das Offenbaren im Geiste lässt sich festhalten, dass sein Verhältnis zum Naturverständnis von grundlegender Bedeutung ist: ohne einen Begriff von der Natur, ist ein Begriff des Geistes nicht zu denken. Der Geist ist zwar das „absolut Erste“ (GW 20, S. 381) des Logischen und der Natur, aber nur als „Zurückkommen aus der Natur“ (GW 20, S. 382). So lässt sich das Offenbaren im Begriff nicht ohne das Offenbaren des Geistes denken. Der Geist, der die Welt begreifend durchdringt, offenbart die Natur und in ihr sich selbst. An den hegelschen Text wird man die Frage richten müssen, was die Offenbarung zum Naturverständnis tatsächlich beiträgt, wenn der Geist in der begreifenden Durchdringung der Welt die Natur und sich selbst offenbart. Hegels Beitrag wird gering zu schätzen sein, wenn man erwartet, die Natur als Gegenstand der Naturwissenschaften offenbart zu bekommen, und gleichsam eine Enzyklopädie naturwissenschaftlicher Erkenntnisse geoffenbart zu bekommen. Hegels Beitrag gewinnt jedoch an Bedeutung, wenn man die Natur hier als Gegenstand philosophischer Begriffsbestimmung begreift. Hegel will keine Philosophie oder Theorie der Naturwissenschaften betreiben, sondern eine Naturphilosophie. Dass das,was er über den Begriff der Natur entwickelt, sich nicht mit den Resultaten der Naturwissenschaften deckt, darf dann seiner Naturphilosophie, die eben keine Naturwissenschaft sein will, nicht zum Vorwurf gereichen. Dennoch, sofern Hegel

3.2 Der Begriff der Natur und seine kritische Implikation

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beansprucht, den gleichen Gegenstand wie die Naturwissenschaften, nämlich die Natur, zu betrachten, so muss diese Betrachtung sachgemäß, d. h. der Natur angemessen sein. Nur so ist die „Versöhnung des Geistes mit der Natur“ (V 16, S. 189) denkbar. Die Kenntnis der Natur ist Hegel deshalb die Versöhnung des Geistes mit der Natur, weil mit ihr die Äußerlichkeit der Natur als Äußerlichkeit des Begriffs erkannt wird. (Vgl. Jaeschke 2003, S. 346) Über alle Interpretationsbemühungen des problematischen Übergangs von der absoluten Idee zur Naturphilosophie sollte jedoch nicht die entscheidende Frage vergessen werden, ob der Begriff sich überhaupt in der Wirklichkeit der Natur „finden“ lässt. Es ist das Geschäft der Naturphilosophie zu erkennen,wie die Totalität des Begriffs in der Natur existiert. (Vgl. V 17, S. 22)

3.2 Der Begriff der Natur und seine kritische Implikation Die Natur liegt dem Menschen als ein altes Rätsel vor, und dem denkenden Menschen scheint das Natürliche das Härteste, Sprödeste, das Äußerliche, ein Anderes als der denkende Mensch [zu sein]. Die Natur verstehen heißt nichts anderes als sie sich zu eigen zu machen, sie sich zu assimilieren. Das dem Geiste ganz Andere sich zu eigen zu machen erscheint als die schwierigste, ja unauflöslichste Aufgabe. Hier kam eine unübersteigliche Kluft zu liegen. Aber eben dies Fremde reizt den Geist im Gefühl seiner Erhabenheit, dies Äußerliche zu übermeistern, sich mit diesem fremd Erscheinenden zu versuchen, so dass er sich geistig liebend zu ihm verhalten könne. Das Bewußtsein des Geistes von seiner Allgemeinheit hat ihn nun zur Natur geführt, auch in ihr sich zu finden. Dies hat den Geist veranlaßt, die Natur zu fassen, zu begreifen. (V 17, S. 3)

In der 1825/26 von Heinrich Wilhelm Dove nachgeschriebenen Vorlesung zur Naturphilosophie wird die „Kluft“ zwischen der Idee und der Natur als ihrem Anderen pointierter thematisiert als es in der Enzyklopädie der Fall ist. Das problematische Verhältnis zwischen der „Allmacht des Begriffs“ (GW 12, S. 88) und der „Ohnmacht der Natur“ (GW 20, S. 240) ist aber hier wie dort die leitende Fragestellung. Auch wenn es Hegel gelingt die immanente Übereinstimmung von Form und Inhalt in der Sphäre der Logik aufzuzeigen, so bleibt doch die Natur als das Andere der Idee bestehen. Es ist die „Schwäche des Begriffs in der Natur“ (GW 20, S. 369) nicht an den durch den Begriff bestimmten Formen festhalten zu können. Die Strenge des Begriffs lässt sich in der Natur weder festhalten noch darstellen. Weder sind die Allgemeinheiten, die Klassen, Arten etc. in der (organischen) Natur als absolut und damit unveränderlich zu begreifen, noch lässt sich auch nur eine einzige Art in der vollkommenen Strenge des Begriffs in der Natur finden. Die „Unvollkommenheit und Vermischung der Bedingungen“ hat zur Folge, dass die durch den Begriff als fest bestimmten Formen „vor Vermengung,

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3. Ausblick: Kritische Naturphilosophie

Verkümmerung und Übergängen“ nicht gefeit sind. (GW 20, S. 369) „Diese Schwäche des Begriffs in der Natur überhaupt unterwirft“, wie Hegel im § 368 der Enzyklopädie schreibt, „die Bildung der Individuen äußerlichen Zufälligkeiten, das entwickelte Thier (und der Mensch am meisten) ist Monstrositäten ausgesetzt“. (GW 20, S. 369) Weil die Natur „das Aussersichseyn des Begriffes ist“, sei es ihr „freygegeben, in dieser Verschiedenheit sich zu ergehen“. (GW 12, S. 39) Anders formuliert: Kein Schluss der Notwendigkeit kann die Zufälligkeiten der Natur ausmerzen.¹³³ Die „Totalität des Begriffs“ (GW 12, S. 253) und die Totalität der Natur in ihrer Mannigfaltigkeit sind zwar aufeinander zu beziehen, aber nicht auseinander zu deduzieren. Die Hervorhebung dieses Hiatus ist die hegelsche Kritik der reinen Vernunft. „Lassen wir uns dazu verleiten, diese Kluft zu überspringen, so ist die Kluft damit doch nicht erfüllt.“ (V 17, S. 5) Ein Sprung ist demnach nicht gefragt, sondern eine Form der Vermittlung, die den Widerspruch zwar nicht aufzulösen vermag, wohl aber aufzuheben versucht. Dieser Vermittlungsprozess ist in den Weisen sich zur Natur zu verhalten angelegt, mit denen Hegel auch die Naturphilosophie der Enzyklopädie beginnt. Beginnt Hegel in der Enzyklopädie mit dem praktischen Verhalten zur Natur, so wird in der Vorlesungsmitschrift von Dove mit der allgemeineren Einteilung in die natürliche, die wissenschaftliche und die philosophische Verhaltensweise des Begriffs zur Natur begonnen. Das wissenschaftliche Verhalten hat „seine Darstellung in der Physik“ und die philosophische Verhaltensweise ist die „des Geistes zu der Natur“. (V 17, S. 5) Das natürliche Verhalten zur Natur unterscheidet Hegel in praktisches und theoretisches Verhalten zur Natur, das analog zum praktischen und theoretischen Erkennen zu betrachten ist. In diesem zweiseitigen Verhalten zur Natur zeigt sich „der bewußtlose Zwiespalt, in dem wir uns unmittelbar zur Natur befinden.“ (V 16, S. 4) Einerseits bewundern wir die Natur, insofern die „theoretische Seite“ die Natur als „das Seiende, Substantielle“ anerkennt. (V 16, S. 4) „Andererseits weiß der Mensch sich in sich unendlich, unbezwinglich in seinem Willen. Diesen setzt er der ganzen Natur entgegen, vernichtet sie als eine Ohnmacht“. (V 16, S. 4) Das Verhalten zur Natur zeigt sich im steten Changieren zwischen Bewunderung und Verachtung der Natur. Diese Entgegensetzung aufzuheben ist das von der Naturphilosophie zu lösende Problem. Dem gewöhnlichen Bewusstsein gelingt natürlicherweise nicht, was dem philosophischen Bewusstsein angesichts des menschlichen Verhaltens zur Natur als Aufgabe gestellt wird. Die Vereinigung der Gegensätze besteht näher also darin, dass ich die Natur nicht nur betrachte als ein Substantielles gegen mich, sondern ebenso als die meine und umgekehrt, dass die Natur nicht nur das Selbstlose, sondern auch das für sich Seiende ist. (V 16, S. 5)

 Zur Notwendigkeit des Zufalls vgl. Henrich 2010, S. 165.

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Die Entgegensetzung der Allmacht des Begriffs und der Ohnmacht der Natur scheint damit überwunden. „So sind die natürlichen Dinge das Besondere, dem das Allgemeine nur eingepflanzt [ist] und ohne welches sie auch sonst bestehen können.“ (V 16, S. 7) Hegel hat sich mit seiner Naturphilosophie nicht die Aufgabe gestellt, „aus dem reinen Denken die Natur erschließen zu können“, „das Sein der Natur zu begründen und sodann ihre Entwicklung auf rein begrifflicher Ebene nachzuvollziehen.“ (Bormann 2000, S. 30) Vielmehr geht es ihm um „das vernünftige Denken der Natur als Natur“. (V 16, S. 8) Folgt man Kants Maßgabe, dass alles praktisch ist, „was durch Freiheit möglich ist“ (KrV, B 828), so erstaunt es nicht, dass Hegel das praktische Verhalten zur Natur gleich zu Beginn der Naturphilosophie thematisiert. Doch anders als die absolute Idee zeigt die Natur „in ihrem Daseyn keine Freiheit, sondern Notwendigkeit und Zufälligkeit.“ (GW 20, S. 237) Das Dasein der Natur ist dementsprechend nicht durch die Freiheit der absoluten Idee möglich, wohl aber lässt sich die Natur als Natur durch die Freiheit des Begriffs denken. Die Allgemeinheit, die der Begriff in der Natur sucht, um die Bestimmung und den Zweck der Naturphilosophie zu erfüllen, (vgl. HW 9, S. 23 Zusatz) ist kein Klassen- oder Gattungsbegriff. (Vgl. McLaughlin 2005, S. 21, sowie Stekeler-Weithofer 2006, S. 46) Das Auffinden eines Gattungsbegriffs in der Natur impliziert, dass die einzelnen, vorfindbaren Naturgegenstände umstandslos unter diese subsumiert werden könnten. Die Ohnmacht der Natur weist diesem Anspruch auf Allmacht des Begriffs jedoch seine Grenzen. Das begreifende Erkennen sucht hingegen in der Natur eine Allgemeinheit als das Andere ihrer selbst, der die Wirklichkeit mehr oder weniger entsprechen kann. Um natürliche „Gebilde als mangelhaft, schlecht, misförmig betrachten zu können, dafür wird ein fester Typus vorausgesetzt, der aber nicht aus der Erfahrung geschöpft werden könne, denn diese eben gibt auch jene sogenannte Misgeburten, Misförmigkeiten, Mitteldinge u.s.f. an die Hand: er setzte vielmehr die Selbstständigkeit und Würde der Begriffsbestimmung voraus.“ (GW 20, S. 241) Dieser Voraussetzung eines festen Typus ist allein das normative, das kritische Potential der Naturphilosophie geschuldet. (Vgl. auch Stekeler-Weithofer 2006, S. 46) Die Selbständigkeit und Würde der Begriffsbestimmung ist hierfür konstitutiv, sie ist aber nicht konstitutiv für die natürlichen Dinge überhaupt, die auch ohne das Allgemeine bestehen können. In diesem Sinne sieht Hegel alle „Revolutionen, in den Wissenschaften nicht weniger als in der Weltgeschichte“, darin begründet, „dass der Geist jetzt zum Verstehen und Vernehmen seiner, um sich zu besitzen, seine Kategorien geändert hat, sich wahrhafter, tiefer, sich inniger und einiger mit sich erfassend.“ (HW 9, S. 20 f. Zusatz) Die Aufgabe der Naturphilosophie bleibt dem Geist ein steter Beweggrund. Die Natur wird den Menschen ein immerwährendes Rätsel, ein Problem bleiben, von dem der Geist sich zugleich angezogen und abgestoßen

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3. Ausblick: Kritische Naturphilosophie

fühlt: „angezogen, [denn] der Geist ahnt sich darin; abgestoßen von einem Fremden, in welchem er sich nicht findet.“ (HW 9, S. 12 Zusatz) Zu einem unüberwindbaren Problem wird dieses aber allein unter der Forderung, dass die Naturphilosophie uns alles erklären solle. (Vgl. V 17, S. 32) Might it not be a mermaid? It was possibly a mermaid. It was probably a mermaid. It was very probably a mermaid. Nay, what else could it be but a mermaid? It certainly was a mermaid. […] Mr Asterias returning, told them, with accents of great disappointment, that he had had a glimpse of a mermaid, but she had eluded him in the darkness, and was gone, he presumed, to sup with some enamoured triton, in a submarine grotto. ‘But, seriously, Mr Asterias,’ said the Honourable Mr Listless, ’do you positively believe there are such things as mermaids?’ (Peacock 1986, S. 73)

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Personenregister Albrecht, Wolfgang 105, 168 Appel, Toby A. 53, 168 Aristoteles VIII, 3, 13, 38, 39, 69, 70, 87, 168, 173 Arndt, Andreas 152, 155, 168, 169, 170, 171, 173 Bardili, Christoph Gottlieb 5 – 9, 168, 171 – 172 Bormann, Marco 157, 165, 168 Braeunig-Octavio, Hermann 56, 168 Braun, Alexander 54, 168 Burbidge, John 113, 168 Cassirer, Ernst Cuvier, George

20, 168 53, 55 – 57

Daston, Lorraine 102, 138, 168 De Vos, Ludovicos 156, 168, 170 Dierken, Jörg 105, 168 Dove, Heinrich Wilhelm 20, 163 – 164 Drobisch, Moritz Wilhelm 152, 168 Düffel, Gudrun von 58, 168 Düsing, Klaus 34, 60, 63, 111, 135, 138, 154, 168 Engelhardt, Dietrich von

120 – 122, 168

Feuerbach, Ludwig 156, 168 – 169 Fichte, Johann Gottlieb 5, 113, 146 Fischer, Karl Philipp 169 Frank, Hartwig 4, 169 Frege, Gottlob 13, 50, 169 Fulda, Hans Friedrich 30, 127, 169

Henrich, Dieter 108, 164, 169 Helmholtz, Hermann von 20 Hoffmann, Thomas Sören 111 – 112, 170 Hölderlin, Friedrich 33, 51, 170 Hösle, Vittorio 158, 174 Horstmann, Rolf-Peter 139, 157, 170 Horwicz, Adolf VIII, 20, 170 Hume, David 88 – 89, 114 – 116, 118, 170 Husserl, Edmund 20 – 21, 70, 170 Iber, Christian

99, 168

Jacobi, Friedrich Heinrich 113, 170 Jaeggi, Rahel 149, 170 Jäsche, Gottlob Benjamin 10 Jaeschke, Walter 5, 18 – 19, 105 – 106, 112 – 113, 155, 163, 168 – 170 Jahn, Ilse 54 – 56, 170 Jung, Sandro VII, 170 Kant, Immanuel VIII, 3 – 4, 6, 8, 10, –18, 31 – 32, 36 – 37, 47, 49, 59 – 62, 74, 100 – 106, 108, 113, 119, 124 – 125, 127, 133, 135 – 136, 139 – 141, 143, 146 – 148, 150 – 152, 156, 165, 167, 170 Karsch, Fritz 5, 171 Kimmerle, Heinz 155, 171 Koch, Anton Friedrich 158, 171 Kreuzer, Johann 171 Krohn, Wolfgang 71, 171 Krohs, Ulrich 171 Kroner, Richard 59, 171 Kruck, Günter 99, 168, 171 Kuhn, Dorothea 53, 171 Kützing, Traugott 50, 53, 171

Gabriel, Gottfried 13, 169 Galison, Peter 102, 138, 168 Gerhard, Myriam 25, 129, 169 – 170 Goethe, Johann Wolfgang von 53, 168 – 169, 173

Lakebrink, Bernhard 63, 171 Linné, Carl von 53 – 56, 171 Longuenesse, Béatrice 60, 171 Löwith, Karl 3, 171

Hackenesch, Christa 7, 111, 169 Hartmann, Klaus 102, 169 Haeckel, Ernst 53, 169

Marcuse, Herbert 63, 171 Marmasse, Gilles 171 McLaughlin, Peter 165, 171

176

Personenregister

McTaggert, John und Ellis 63, 171 Meulen, Jan van der 63, 171 Michelet, Karl Ludwig 32, 171 Mill, John Stuart 68 – 99, 169, 171 Moijsisch, Burkhard 171 Moore, Georg Edward 171 Morscher, Edgar 6, 172 Mure, G.R.G. 172 Nagel, Ernest 95, 172 Neuser, Wolfgang 120, 172 Nöggerath, Jacob 57, 172 Nuzzo, Angelica 110, 172 Oberauer, Alexander

171

Peacock, Thomas Love VII,166, 172 Peckhaus, Volker 4, 172 Petry, M.J. 172 Pierini, Tommaso 123, 172 Ploucquet, Gottfried 49, 172 Popper, Karl 47, 172 Posch, Thomas 171 Rabus, Georg Leonhard 4, 21, 172 Randall, John Hermann 97, 172 Redding, Paul 11, 172 Reinhold, Karl Leonhard 5 – 8, 12, 20, 172 Ruschig, Ulrich 120, 172 Russel, Bertrand 139 – 142, 172 Ryan, Alan 74, 172 Sans, Georg 62, 172 Schäfer, Rainer 20, 50, 173

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 16, 32, 105, 119 Schick, Friederike 98, 105, 173 Schmidt, Josef 63, 173 Schultz Schultzenstein, Carl Heinrich 32, 173 Smith, James VII, 173 Spix, Johann Baptist von 55, 173 Stederoth, Dirk 99, 173 Stekeler-Weithofer, Pirmin 11, 27 – 28, 47, 165, 173 Stirling, James Hutchison 69, 173 Temmler, C.H.A. 32, 173 Töpfer, Georg 171 Trendelenburg, Adolf 3 – 4, 13, 63, 156, 167, 173 Trommsdorff, Johann Bartholomäus 119 – 120, 173 Ulrici, Hermann 77, 173 Uschmann, Georg 53, 173 Utz, Konrad 171 Villko, Risto 4, 174 Virchow, Rudolf 138, 174 Wandschneider, Dieter 158, 174 Wohlfahrt, Günter 63, 174 Wolff, Christian 75, 174 Zahn, Manfred 174 Zedler, Johann Heinrich 67, 174 Zunck, Hermann Leopold 55, 174

Sachregister Absolute, das 9, 32, 47, 152, 157, 159 Art VIII, 6, 26 – 27, 29 – 32, 37 – 38, 47 – 58, 66 – 67, 75, 77 – 81, 85 – 86, 95, 97 – 98, 100, 109 – 110, 114, 120, 140, 143 – 145, 147, 151 – 152, 163 Aufgabe 30, 35, 44, 48, 58, 70, 73 – 74, 78, 91, 93, 95, 99 – 101, 106 – 109, 134, 138, 155, 163 – 165 Dialektik 34, 11, 15, 17 – 18, 20, 71, 100, 150 – 153, 158 Existenz VII, 12, 16, 31, 33 – 35, 46, 51, 53 – 54, 59 – 60, 75, 106 – 108, 117, 121, 123 – 124, 126 – 127, 129 – 130, 137, 143 – 144, 148, 152, 160 Formal 9, 16, 34, 38, 64, 71, 125, 135 Frage, die logische VIII, 34, 21, 156 Freiheit 100, 123 – 124, 138, 157 – 158, 161, 165 Forderung 3, 10 – 11, 13 – 14, 16 – 17, 30 – 32, 46, 49, 55, 61, 67, 74, 76, 78, 81, 98, 123, 127, 132, 135, 141, 143, 146, 148, 166 Funktion 5, 11, 16, 26, 31, 36, 38, 60, 62, 70, 73, 75, 87, 99, 112, 115, 127, 129, 132 – 133, 149 – 150 Gattung VII, 27, 29 – 32, 40, 48 – 54, 56 – 58, 99, 109 – 110, 115, 135, 143 – 144, 165 Gottesbeweis 59, 63, 100, 104 – 107 Hypothese

VII, 3, 99

Ideal 51, 102, 138, 158 Idealismus 15, 111, 139 Kampf 4 Kanon 10 – 11, 18, 88, 92 Korrektiv 155 Kritik 3 – 6, 9 – 11, 13, 16, 18, 25 – 26, 28, 31, 33, 39, 45, 55 – 56, 59 – 60, 63 – 64, 68 – 71, 74 – 76, 84, 89, 97, 103 – 106,

110, 113, 115 – 117, 124, 126, 130, 132, 136, 138 – 139, 145 – 146, 148, 150 – 151, 164 Materie VIII, 6, 89, 113 – 114, 119, 160 Mechanismus 106, 112 – 119, 121, 123 – 124, 126 – 127, 138 Metaphysik 3, 13 – 19, 59, 97, 101, 103, 105, 119, 128, 135 Methode VII, 3 – 4, 9, 11, 20 – 21, 54 – 57, 72 – 73, 82, 86, 88, 90, 97, 138 – 140, 149 – 156 Metaphysica generalis 15 Metaphysica specialis 15, 100, 105 Natur 6, 8 – 10, 17, 25 – 27, 30 – 33, 38, 46 – 49, 51 – 52, 54 – 58, 61 – 62, 83 – 85, 87 – 88, 90 – 92, 94, 98 – 99, 107, 109, 113 – 115, 118 – 121, 126, 130 – 131, 138, 144, 146 – 148, 152, 154, 156 – 165 Naturphilosophie 5, 19 – 20, 30, 32, 53, 109, 113, 131, 133, 156, 158 – 166 Objektivität 11, 15, 59, 100 – 108, 111 – 116, 118 – 123, 125 – 132, 134 – 138, 143, 146, 148 – 151, 154 – 155, 162 Organon 10 – 11, 18, 37, 110, 150 – 152 Pflanze 51, 57 Prinzip 11, 36, 51 – 52, 72, 82 – 84, 114 – 118, 120, 124, 126, 129 – 130, 139, 143, 145, 148, 150 – 152, 155 – 156 Realismus 6, 89 Realität 9, 11, 28 – 29, 37, 39, 52, 59, 62, 71 – 72, 75, 87, 100, 105 – 108, 113, 121 – 122, 129 – 131, 133 – 137, 143, 146, 148, 152 – 156, 159, 161 Reflexivität 7, 13 – 14, 135 Skeptizismus 115 Sollen 48, 61 – 62, 99, 143, 146 – 148

178

Sachregister

Sphäre 25, 32, 44 – 45, 50, 52, 62, 99, 101, 107 – 108, 111, 120, 122, 125, 127 – 128, 131, 133 – 136, 140, 143, 153 – 157, 159 Streit 45, 12, 20, 53 – 54 Syllogismus 74 – 76, 78, 84 System VIII, 35, 89, 50 – 51, 53 – 58, 69, 71, 73, 96, 151 – 152 Teleologie 106, 112, 122 – 124, 127 – 128 Tier 57 – 58 Übergang VII, 8, 11, 17, 33, 42, 59 – 60, 62 – 64, 66, 100 – 101, 104, 108, 115, 118, 122 – 123, 135, 141, 156 – 160 Unbedingt 17, 87, 146, 159

Vernunft VII, 10 – 11, 13 – 14, 16 – 18, 20, 31 – 33, 47, 64, 100, 104, 106, 108 – 110, 113, 124 – 125, 138, 148 – 152, 154, 164 Wahrheit 63, 67, 71 – 72, 74 – 75, 78, 80, 83 – 84, 87 – 88, 90, 107, 112, 116, 124, 127, 133, 136 – 137, 139, 153 – 154, 156, 158, 160 – 162 Welt 4, 9, 25, 87, 100, 111, 118, 122 – 123, 131, 137, 142 – 143, 145 – 149, 152, 158, 161 – 162 Wirklichkeit VII–VIII, 14, 18, 28, 35, 50, 60 – 62, 72, 104, 111 – 112, 122, 130, 137, 145 – 149, 155, 160, 163, 165 Wissenschaftslehre 6, 9 Zufall 11, 65, 100 Zweifel 4, 152