Anpassung und Identität: Theologie und Kirchenpolitik der Bremer Deutschen Christen 1933-1945 3525557043, 9783525557044

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Anpassung und Identität: Theologie und Kirchenpolitik der Bremer Deutschen Christen 1933-1945
 3525557043, 9783525557044

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ARBEITEN ZUR K I R C H L I C H E N Z E I T G E S C H I C H T E R E I H E B: D A R S T E L L U N G E N · B A N D 5

ARBEITEN ZUR KIRCHLICHEN

ZEITGESCHICHTE

Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte von Georg Kretschmar und Klaus Scholder

R E I H E B: D A R S T E L L U N G E N

Band 5

Reijo E. Heinonen Anpassung und Identität Theologie und Kirchenpolitik der Bremer Deutschen Christen 1933-45

J^^P liL GÖTTINGEN · VANDENHOECK & RUPRECHT • 1978

Anpassung und Identität Theologie und Kirchenpolitik der Bremer Deutschen Christen 1933-1945 von

Reijo E. Heinonen

GÖTTINGEN · VANDENHOECK & RUPRECHT · 1978

Redaktionelle Betreuung dieses Bandes: Helmut Baier und Gertraud Grünzinger

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Heinonen, Reijo E. Anpassung und Identität: Theologie u. Kirchenpolitik d. Bremer Dt. Christen 1933-1945. Güttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1978. (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte: Reihe B, Darst.; Bd. J) ISBN 3-525-55704-3

© Vandenhoeck Sc Ruprecht, Göttingen 1978. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nidit gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomedianisdiem Wege zu vervielfältigen. - Satz und Druck: Guide-Druck, Tübingen. Bindearbeit: Hubert 8c Co., Göttingen

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort

9

Abkürzungen

11

Einleitung

14

Kapitel 1 Vom losen Zusammenschluß evangelischer Gemeinden zum deutsch-christlichen Kirchenregiment

19

1. Bremische Gemeindeautonomie und Machtanspruch des nationalsozialistischen Staates 2. Die Anfänge der Glaubensbewegung „Deutsche Christen" in Bremen 3. Übergang von legaler zu illegaler Macht: die Errichtung des landeskirchlichen deutsch-christlichen Kirchenregiments nach dem Führerprinzip

19 23

33

Kapitel 2 Die Bremer Deutschen Christen und die Reichsbewegung

. . .

48

1. Die Deutschen Christen bis zum Scheitern der Kirchenpolitik des Reichsbischofs 2. Die Führungskrise des Jahres 1935 und die Bemühungen Weidemanns um das Reichsleiteramt 3. Die Trennung der niedersächsischen Deutschen Christen von der Reichsbewegung 4. Ludwig Müller als Zentralfigur der Sammlungsbemühungen Weidemanns 5. Bremer Bemühungen um Selbständigkeit und die 2. Kirchentagung 6. Die Entstehung der Kommenden Kirche

48 53 65 66 69 74

Kapitel 3 Die deutsch-christlichen Kontakte mit anderen Landeskirchen

.

77

1. Das „Nein" des Hamburger Landesbischofs Tügel 2. Die hannoverschen Deutschen Christen: von der Bremer zur Thüringer Richtung

77 81

6

Inhaltsverzeichnis

3. Thüringer und Bremer Deutsche Christen im „Bund für Deutsches Christentum" 4. Flüchtige Kontakte mit Mecklenburg 5. Die kirchenpolitische Lage in Oldenburg 6. Die radikalen rheinischen Deutschen Christen in der Gruppe Weidemann 7. Die Restgruppe der Hossenfelder-Bewegung auf der Suche nach einem neuen Stützpunkt 8. Das Wochenblatt „Kommende Kirche" und seine Mitarbeiter . .

85 90 92 95 98 99

Kapitel 4 Das Reichskirchenministerium und die Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935 bis 1938 1. Der Reichskirchenausschuß, eine Hoffnung der Bremer kirchlichen Mitte 2. Die Anerkennung der deutsch-christlichen Kirchenregierung Bremens 3. Die Wende des Kirchenkampfes: das Scheitern der Neuordnung der Kirche 4. Das Programm der „ersten Ära Muhs" im Reichskirchenministerium 1937/38 und die Deutschen Christen 5. Die „Horst-Wessel-Gedächtniskirche": eine demonstrative Namensgebung

107 107 112 113 118 124

Kapitel 5 Die Idee der Kirchenreform

133

1. Weidemanns Programm 2. Von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee

133 140

Kapitel 6 Die deutsch-christliche Kirchenerneuerung in der Literatur . . . 1. Die deutsch-christliche Gegenwartsbibel als Anfang des „inneren Aufbaus" der Kirche 2. Die Bibelübertragung als Möglichkeit der theologisch-ideenpolitischen Beeinflussung 3. Lieder als Träger deutsch-christlicher Bestrebungen 4. Die Umgestaltung der gottesdienstlichen Formen: der deutschchristliche Kultus

154 154 166 181 199

Inhaltsverzeichnis

7

Kapitel 7 Institutionalisierung der Eindeutschungsbemühungen: Die Gründung der Bremer Bibelschule 1. 2. 3. 4.

Die Bibelschule als Zeichen des „kirchlichen Wollens" Die Auslegungsgrundsätze Die Beteiligung an den Bibelkursen Die vier Eindeutschungsmodelle (Schöttler, Engelke, Winkel, Hirsch) 5. Die deutsch-christliche Bibelausgabe „Christustestament" . . . . 6. Die Bremer deutsch-christliche Agende - eine Alternative zu den Thüringer Liturgieentwürfen?

209 209 211 215 216 228 230

Kapitel 8 Die Erziehung zum Ideal einer neuen Kirche

232

1. Der Religionsunterricht als Prüfstein für die deutsch-christlichen Ideen 2. Die Ausbildung eines „neuen Pfarrertyps" 3. Der Ruf zur Aktion

232 238 241

Kapitel 9 Die Front der Deutschen Christen: Weidemann und Muhs gegen Kerrl 1. Der Höhepunkt des kirchlichen Führerprinzips: Die Verordnung zur Bildung der kirchlichen Körperschaften in Bremen 2. Die Finanzabteilung des Reichskirchenministers in Bremen im Jahre 1941

243 243 247

Kapitel 10 Das Ende der Kommenden Kirche 1. Die Ablehnung des Führungsanspruches der Thüringer Deutschen Christen und die kirchenpolitischen Fronten im Zusammenhang mit der Godesberger Erklärung 2. Wachsender Widerstand gegen Weidemann 3. Die „Deutsche Volkskirche": Der Kirchengründungsversuch als Notlösung 4. Die Utopie und die politische Wirklichkeit 5. Die letzte Auseinandersetzung mit der Nationalkirchlichen Einung

254

254 258 261 269 272

Quellen- und Literaturverzeichnis

275

Index

287

VORWORT

Die vorliegende Arbeit begegnete wegen ihrer speziellen zeitgeschichtlichen Thematik besonders bei der Erschließung einer hinreichenden Quellenbasis Schwierigkeiten, die nur durch die Hilfe vieler Personen und Institutionen beseitigt werden konnten. Ihnen allen gilt mein aufrichtiger Dank. Durch sachkundige Bereitstellung von Material haben vor allem folgende Archive die Untersuchung gefördert: das Archiv der Ev. Kirche in Deutschland in Berlin, die Landeskirchlichen Archive in Bremen, Düsseldorf, Hamburg und Hannover, das Bundesarchiv Koblenz und das - jetzt in das Archiv der Ev. Kirche der Union übergegangene - Archiv für die Geschichte des Kirchenkampfes an der Kirchlichen Hochschule in Berlin-Zehlendorf. Wertvolle Hilfe bei der Auffindung und Sammlung des Materials leisteten Herr Dr. phil. Otto Müller-Volbehr und Frau Helga Lange vom Landeskirchenamt in Bremen. Für stilistische Überarbeitung und für manche sachliche Korrekturvorschläge dankt der Autor Herrn Dr. phil. Helmut Baier, Nürnberg, Herrn cand. phil. G. Krumeich, Düsseldorf, Herrn Dr. phil. Gunter Scholtz, Bochum, Herrn Dr. theol. Uwe Schott, Heidelberg, und Herrn Pfarrer Jens Timm, Stuttgart. Durch Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und des Lutherischen Weltbundes wurde mir ein längerer Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht. Dafür und für die finanzielle Unterstützung seitens des Universitätsbundes Tübingen sei an dieser Stelle gedankt. Besonderer Dank gilt meinem wissenschaftlichen Betreuer, Herrn Prof. Dr. Klaus Scholder, Tübingen, der die Arbeit freundlich und verständnisvoll gefördert hat. Diese als Inauguraldissertation von der Ev.-theol. Fakultät der Universität Tübingen im Jahre 1972 angenommene Arbeit wurde von der Ev. Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte mit finanzieller Unterstützung durch die Bremische Evangelische Kirche, den Senator für Wissenschaft und Kunst der Freien Hansestadt Bremen und die Bremer Stiftung zur Förderung der Wissenschaften und der Universität freundlicherweise unter ihre Veröffentlichungen aufgenommen. Die vorliegende gekürzte Fassung wurde von Herrn Dr. Helmut Baier, Nürnberg, für den Druck überarbeitet. Frau Gertraud Grünzinger, München, ist für die

10

Vorwort

Überarbeitung der Anmerkungen und für die Zusammenstellung der biographischen Angaben zu danken. Bei der Ermittlung der biographischen Daten hat die Bremische Evangelische Kirche in großzügiger und unbürokratischer Weise geholfen. Für die Zusammenstellung des Registers danke ich Frau Hannelore Braun in München. Die beiden großen Gesamtdarstellungen von Kurt Meier, Der evangelische Kirchenkampf, und von Klaus Scholder, Die Kirchen im Dritten Reich, sind nach Abschluß dieser Untersuchung erschienen und konnten nicht mehr eingearbeitet werden. Espoo/Finnland, August 1977

Reijo E. Heinonen

ABKÜRZUNGEN

AEKD AELKZ AGK AKiZ Anm. APU AT Aufl. BA Bd. BDM BEK betr. BK bzw. ca. CA DC DEK ders. d. h. Diss. Ebd. EK EKD Ev., ev. geb. Gen.-Sup. gest. Gestapo gez. GVM Hg. HJ IMG i. R.

Archiv der Evangelischen Kirche in Deutschland Allgemeine Ev.-lutherische Kirchenzeitung Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte Anmerkung Altpreußische Union Altes Testament Auflage Bundesarchiv Band Bund Deutscher Mädchen Bremische Evangelische Kirche betrifft Bekennende Kirche beziehungsweise circa Confessio Augustana Deutsche Christen Deutsche Evangelische Kirche derselbe das heißt Dissertation Ebenda Eisernes Kreuz Ev. Kirche in Deutschland evangelisch geboren Generalsuperintendent gestorben Geheime Staatspolizei gezeichnet Bremische Evangelische Kirche: Gesetze, Verordnungen und Mitteilungen Herausgeber Hitlerjugend Internationaler Militärgerichtshof Nürnberg im Ruhestand

12

i.V. Jg·

JK KA Kap. kath. KJ KKA komm. Lie. LKA luth. MdL Nr. NS, ns NSDAP NT OKR OLKR ord. ORR P., Pfr. Pastor prim. PO Pg·

Prof. RGBl RGG RKZ S. SA SD Sp. SS StA StadtA Stapo Stellv. Sup. theol. ThR u. a.

Abkürzungen in Vertretung Jahrgang Junge Kirche Kirchenausschuß Kapitel katholisch Kirchliches Jahrbuch Archiv für die Geschichte des Kirchenkampfes an der Kirchlichen Hochschule Berlin kommisarisch(er) Licentiat Landeskirchliches Archiv lutherisch Mitglied des Landtages Nummer Nationalsozialismus, nationalsozialistisch Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neues Testament Oberkirchenrat, Oberkonsistorialrat Oberlandeskirchenrat ordiniert Oberregierungsrat Pastor, Pfarrer Pastor primarius Politische Organisation Parteigenosse Professor Reichsgesetzblatt Die Religion in Geschichte und Gegenwart Reformierte Kirchenzeitung Seite Sturmabteilung Sicherheitsdienst Spalte Schutzstaffel Staatsarchiv Stadtarchiv Staatspolizei stellvertretend(er) Superintendent theologisch Theologische Rundschau und andere, unter anderem

Abkürzungen u. ä. usw. vgl. VKL zit. ZevKR ZSg 2. T.

und ähnliche und so weiter vergleiche Vorläufige Kirchenleitung zitiert Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zeitschriftensammlung zum Teil

13

EINLEITUNG

Die Erforschung des deutschen Kirchenkampfes ist in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, daß sie selbst Gegenstand der Forschung geworden ist1. Umso erstaunlicher mag es deswegen erscheinen, daß es nur wenige Darstellungen über die mit den Nationalsozialisten sympathisierenden Deutschen Christen gibt 2 . Die Deutschen Christen selber haben anscheinend kein Interesse daran gehabt, diese Ergebnisse darzustellen. Nur der ehemalige Reichsleiter der Deutschen Christen, Dr. jur. Christian Kinder, hat die kirchenpolitische Lage in Schleswig-Holstein in einer knappen, apologetischen Darstellung beschrieben, die zentralen Probleme der von ihm geleiteten Bewegung aber nicht behandelt 3 . Wenn also Memoiren u. ä. fehlen, so steht der an den Ereignissen nicht beteiligte Historiker vor der noch größeren Schwierigkeit, daß die archivierten Quellen über die Deutschen Christen sehr unvollständig sind. Während nach dem Krieg die Mitglieder der Bekennenden Kirche die Dokumente über ihre Auseinandersetzungen sammelten, geschah dies nicht auf der Seite der Deutschen Christen. Für die Beschreibung der Bremer Deutschen Christen besitzen die dortigen Archive nicht genügend Material. Diese Untersuchung stützt sich deswegen außer auf die Bestände des Archivs des Landeskirchenamtes und des Staatsarchivs Bremen hauptsächlich auf Akten der landeskirchlichen Archive in Hamburg, Hannover und Düsseldorf. Unser Bild von der Beziehung der Bremer Deutschen Christen zu den zentralen kirchlichen und staatlichen Behörden haben die Akten des Archivs der Evangelischen Kirche in Deutschland (jetzt Berlin), des Bundesarchivs (Koblenz) und des Kirchenkampfarchivs (Berlin-Zehlendorf) wesentlich erweitert. 1

J.

SCHMIDT,

Erforschung;

K.

SCHOLDER,

Situation,

S. 1 1 0 - 1 3 3 ;

K.

MEIER,

Kirchenkampf, S. 120 ff. und 237 ff. 2 Κ. H. GÖTTE, Propaganda. - Diese Darstellung behandelt die Glaubensbewegung D C hauptsächlich im Jahre 1933. Die spätere publizistische Tätigkeit der Bewegung ist nicht berücksichtigt worden. K. MEIER, Deutsche Christen; H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns. ® CHR. KINDER, Beiträge. Christian Kinder, geb. 2 9 . 5 . 1 8 9 7 in Plön, gest. 3 0 . 4 . 1 9 7 2 in Hamburg, 1925 Konsistorialrat in Kiel, 1933-35 Reichsleiter der „Deutschen Christen", 1937-43 Präsident des Landeskirchenamtes und 1943—45 Universitätskurator in Kiel, nach 1945 Kaufmann in Hamburg.

Einleitung

15

Aus der Sekundärliteratur sind besonders vier Darstellungen hervorzuheben: Karl STOEVESANDT, „Bekennende Gemeinde und deutschgläubige Bischofsdiktatur. Geschichte des Kirchenkampfes in Bremen 1933-1945" (1961); Kurt MEIER, „Die Deutschen Christen. Das Bild einer Bewegung im Kirchenkampf des Dritten Reiches" (1964); Wolfgang TILGNER, „Volksnomostheologie und Schöpfungsglaube. Ein Beitrag zur Geschichte des Kirchenkampfes" (1966); Helmut BAIER, „Die Deutschen Christen Bayerns im Rahmen des bayerischen Kirchenkampfes", Nürnberg 1968. Karl Stoevesandt beschreibt die bremischen Auseinandersetzungen vom Standpunkt der Bekennenden Kirche aus. Er vermittelt ein Bild von der Tätigkeit der oppositionellen Gemeinden, wobei er den Akzent auf die U. L. Frauen-Gemeinde legt, deren Laienführer, „Bauherr", er selbst war. Dieser erste Versuch einer Darstellung des bremischen Kirchenkampfes ist eine Abrechnung mit den alten kirchenpolitischen Gegnern des Verfassers. Das kommt bereits in der Wortwahl zum Ausdruck. Dies und die fast völlig fehlenden Quellenangaben machen eine ausgewogene Beurteilung der Ereignisse schwierig. Meine Dokumentation hat deswegen in bezug auf die allgemeine Entwicklung der Auseinandersetzungen in Bremen u. a. das Ziel, die Darstellung Stoevesandts zu belegen bzw. sie zu korrigieren. Kritisch zu überprüfen sind besonders die Rolle des bremischen Kirchenausschusses in der kirchenpolitischen Entwicklung im Jahre 1933, die Beziehungen der bremischen Kirchenregierung zum Reichskirchenministerium und die kirchenpolitische Frontstellung in den Kriegsjahren in Bremen. Obwohl die Auseinandersetzung mit dem DC-Bischof Bremens ein zentrales Thema bei Stoevesandt ist, werden die Tätigkeit und die kirchlichen Motive der damals herrschenden Deutschen Christen sehr wenig erläutert. Die Rolle der Bremer Deutschen Christen in der Reichsbewegung, die Bedeutung ihrer Publizistik und ihres Erziehungsprogramms sind von Stoevesandt ζ. B. entweder polemisch kurz beschrieben oder übergangen worden. Dies folgt ζ. T. aus der mangelnden Kenntnis der Gesamtkonzeption der Bremer Deutschen Christen und ihrer grundsätzlichen Ablehnung. Kurt Meier hat seine für die Forschung unentbehrliche Untersuchung „Die Deutschen Christen" auf die Organisationsgeschichte der Bewegung beschränken wollen. Er hat aber auch auf die Notwendigkeit einer noch zu leistenden Analyse des Gedankengutes der Deutschen Christen hingewiesen4. Diese Aufgabe ist umso dringender, weil die Eigenart aller deutsch-christlichen Gruppen mit organisationsgeschichtlicher oder kirchengeschichtlicher Methode nicht erfaßt 4

K . MEIER, Kirchenkampf, S. 126.

16

Einleitung

werden kann. Soweit nämlich die organisatorisch-kirchenpolitische Tätigkeit bei einer Gruppe im Hintergrund blieb, oder gar abgelehnt wurde - wie bei den Bremer Deutschen Christen nach 1936 mußte das Bild solcher Gruppen unvollständig bleiben. Ein anderer Grund, warum die Geschichte einiger DC-Gruppen vervollständigt werden muß, ist, daß Meier seine Untersuchung mit dem Kriegsanfang beendet. Im organisationsgeschichtlichen Sinne brachte die Entwicklung in den Kriegsjahren zwar - wie Meier meint - wenig Neues, aber im theologisch-ideologischen Bereich waren die Thüringer wie auch die Bremer Deutschen Christen ununterbrochen tätig 5 . Die Kriegssituation gab den Deutschen Christen eben neue Möglichkeiten, Einfluß auszuüben, obwohl die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen zum Stillstand gebracht worden waren. Wenn man versucht, diese Lücke in der Kirchenkampfforschung zu füllen und die theologische Konzeption der Deutschen Christen zu skizzieren, begegnet man besonders zwei Schwierigkeiten. Erstens gibt es wenig wissenschaftliche Literatur, aus der man die theologische Eigenart des deutsch-christlichen Denkens erschließen könnte. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Deutschen Christen eine Laienbewegung sein wollten und eher versuchten, wissenschaftliche Literatur zu popularisieren, als selber auf akademischer Ebene zu diskutieren. Zweitens waren die Deutschen Christen keine einheitliche Bewegung, weder von ihrer Entstehung noch von ihrer kirchenpolitisch-theologischen Konzeption her. Die Kenntnis über die Deutschen Christen kann deswegen zunächst nur durch Untersuchung der verschiedenen regionalen Gruppen erweitert werden. Helmut Baier hat darin einen Anfang gemacht und die Rolle der bayerischen Deutschen Christen in den kirchlichen Auseinandersetzungen innerhalb ihrer Landeskirche untersucht. Er hat aber die theologische Konzeption dieser Gruppe nicht näher analysiert. Ohne theologisch-analytische Erläuterung zerfällt aber die Kirchenpolitik der Deutschen Christen leicht in eine Serie von Einzelaktionen, deren Motive nur aus kirchenpolitisch-taktischem Kalkül abgeleitet werden können. Die Entstehung der deutsch-christlichen Ideen hat man häufig mit dem Hinweis auf deren völkisch-idealistische Wurzeln erklärt, wohingegen die mögliche Kontinuität der theologischen Auffassungen kaum berücksichtigt worden ist. In seiner Untersuchung „Volksnomostheologie und Schöpfungsglaube" erklärt Wolfgang Tilgner die völkisch-idealistischen Ursprünge der religiösen Hochwertung der Nation im Schrifttum einiger repräsentativer lutherischer Theologen und national-religiöser Schriftsteller. Die Lehre vom „Volks-nomos" wird als die grundle8

K. MEIER, Deutsche Christen, S. 300.

Einleitung

17

gende Kontroverse zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen - manifestiert in der Barmer Erklärung und in dem Ansbacher Ratschlag - beschrieben. Die Volksnomostheologie als ein Teil der „politischen Theologie" erhellt aber nur teilweise diejenige Konzeption, die aufgrund der von den Deutschen Christen betriebenen und uns interessierenden kirchlichen „Aufbau"-Arbeit existierte. Ein Grund dafür ist, daß für manche DC-Führer der Laienbewegung die Bibelinterpretation das Primäre in der theologischen Auffassung war und sich die Exegeten deswegen tiefgreifender als die anderen Theologen an der Meinungsbeeinflussung beteiligen konnten. In unserer Untersuchung soll deswegen ein besonderer Akzent auf den Umgang der Deutschen Christen mit der Bibel gelegt werden. In dem ideengeschichtlich-theologischen Teil der Arbeit gilt das Hauptinteresse nicht den wenigen expliziten Aussagen und theologischen Abhandlungen. Es ist nicht das Ziel, dogmatische Differenzen zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen systematisch darzustellen, sondern es wird versucht, aus dem Bibelgebrauch und der kirchlich-politischen Begrifflichkeit selber die Eigenart des Denkens einer DC-Gruppe herzuleiten. Die Ursachen der Veränderungen des Sprachgebrauchs und die dahinterstehenden Motive werden durch die kirchenpolitische Entwicklung sichtbar. Die Kirchenpolitik bildet damit eine Grundlage für die Analyse der Entwicklung des theologischen Denkens. Wenn es also nicht möglich ist, mit organisationsgeschichtlicher Methode die Tätigkeit aller DC-Gruppen ausreichend zu beschreiben, so scheint es auch unmöglich zu sein, die Theologie der Bremer Deutschen Christen unabhängig von der kirchengeschichtlichen Entwicklung darzustellen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis bedingt die Methode dieser Untersuchung, in der die kirchengeschichtliche Beschreibung in ideengeschichtlicher und analytischer Richtung erweitert worden ist. Wenn ich die Bremer Deutschen Christen zum Forschungsgegenstand genommen habe, so soll damit keine Allgemeingültigkeit der Probleme dieser Gruppe behauptet werden. Die kirchlichen Auseinandersetzungen in der Bremischen Evangelischen Kirche während der nationalsozialistischen Herrschaft bilden vielmehr in verschiedener Hinsicht einen Sonderfall. Die kleine Bremer Landeskirche mit ca. 314000 Mitgliedern (1933), mit eigenartiger, liberal verfaßter Gemeindestruktur, war eine Ausnahme unter den Landeskirchen. Auch die Auseinandersetzungen mit der deutsch-christlich orientierten Landeskirchenführung nahmen extreme Formen an, die nicht verallgemeinert werden können. Was diesen Sonderfall interessant für die Kirchengeschichte der nationalsozialistischen Zeit macht, ist, daß hier 2

Heinonen, Anpassung

18

Einleitung

innerhalb einer relativ kleinen Gruppe eine Lösung für die ganze Kirchenfrage theologisch und kirchenpolitisch geplant und vorbereitet wurde, wobei es möglich wird, die Entwicklung der theologischkirchlichen Konzeption zu verfolgen. Bei dem Versuch, die Utopie der „Kommenden Kirche" zu verwirklichen, suchte die Gruppe Landesbischof Weidemanns Unterstützung beim Reichskirchenministerium und bei der politischen Führung. Die höchsten nationalsozialistischen Behörden wurden so in die kirchlichen Auseinandersetzungen verwickelt, wodurch ein Stück nationalsozialistischer Kirchenpolitik transparent wird. Der regionalgeschichtliche Ausgangspunkt kann deshalb einige, die ganze evangelische Kirche betreffende, staatliche Entscheidungen erhellen. In dieser Untersuchung kommen Ereignisse zur Sprache, die in ihrer Radikalität vieles von dem, was allgemein über den Kirchenkampf bekannt ist, übertreffen. Es ist aber versucht worden, auch die radikalsten Formen und Äußerungen einer Überzeugung so zu beschreiben, daß deren historische Relevanz und Tragik nicht durch Personalisierungen verdeckt wird. Diese Arbeit befaßt sich ausführlich auch mit der Person des ehemaligen Landesbischofs Lie. Dr. Heinz Weidemann 6 . Vorstehende Bemerkungen wollen zugleich verhindern, daß dies als Stellungnahme ad personam betrachtet wird. Der Akzent der Untersuchung liegt auf der Sache, die Weidemann vertrat. Mit Friedrich Baumgärtel meine ich: „Eine gültige Geschichte des Kirchenkampfes wird erst dann möglich sein, wenn die Glaubensbewegung ,Deutsche Christen* in ihrem komplexen Wesen durchsichtig gemacht worden ist." 7 Dies gilt auch für die Nachfolgeorganisationen.

6 Heinz Weidemann, geb. 1. 3. 1895 in Hannover, gest. 8. 3. 1976 in München, ordiniert 1922, war seit 1926 Pastor an der St. Petri-Domkirche in Bremen. 7 Kirchenkampf-Legenden, S. 80.

Kapitel 1

VOM LOSEN ZUSAMMENSCHLUSS EVANGELISCHER GEMEINDEN ZUM DEUTSCH-CHRISTLICHEN KIRCHENREGIMENT

1. Bremische Gemeindeautonomie nalsozialistischen Staates

und Machtanspruch

des natio-

In der Reichstagswahl vom 5. März 1933 zeigte sich, daß entschieden weniger als die Hälfte der Bürger des Stadtstaates Bremen vom Nationalsozialismus überzeugt waren. Während die NSDAP 78 124 Stimmen errang, waren die Sozialdemokraten (72 707 Stimmen) zusammen mit den Kommunisten (31 553 Stimmen) erheblich stärker. Für die Regierung Hitler stimmten 47,1 % (NSDAP und SchwarzWeiß-Rot) und gegen sie 52,9 %. Im Hinblick auf das Wahlergebnis im ganzen Reich (43,9 % NSDAP) lag der nationalsozialistische Stimmenanteil in Bremen mit 32,5 % klar unter dem Durchschnitt 1 . Um so wichtiger mußte es deswegen für die Partei sein, alle Möglichkeiten der Meinungsbeeinflussung auszunutzen, nicht zuletzt auch die der Kirche. Am Tag nach der Wahl, dem 6. März 1933, forderten Gauleiter Carl Rover und Kreisleiter Konsul Ο. H . Bernhard an der Spitze einer Delegation der NSDAP - unterstützt von Demonstranten - die Auflösung der Bürgerschaft und den Rücktritt des gesamten Senates. Als die schwarz-weiß-rote Flagge nach einer Abstimmung im Senat auf dem Rathaus gehißt wurde, legten die sozialdemokratischen Senatoren ihre Ämter nieder. Am Abend trat der Senat in seiner Gesamtheit zurück, und unter dem Jubel der Menge wurde später die Auflösung der Bürgerschaft zum nächstmöglichen Termin bekanntgegeben2. Die demokratischen Kräfte hatten unter dem politischen 1 „In Bremen stand man immer noch der N S D A P verhältnismäßig reserviert gegenüber" (H. SCHWARZWÄLDER, Machtergreifung, S. 66). Vgl. auch F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 10. Als hauptsächliche Quelle ist die bremische Tagespresse benutzt worden. Bremen gehörte zum Reichswahlkreis Weser-Ems, w o die N S D A P 41,4 % aller Stimmen bekam (M. BROSZAT, Staat, S. 107). 2 F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 11. Carl Rover, geb. 12. 2. 1889 in Lemwerder/Oldenburg, gest. 15. 5. 1942, Kaufmann, 1928 Gauleiter des Gaues Weser-Ems, 1932 Ministerpräsident des Freistaats Oldenburg, 1933 Reichsstatthalter in Oldenburg und Bremen.

2*

20

Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

Druck kapituliert, entmutigt von der Propaganda der N S D A P und den Ergebnissen der Wahlen in anderen Reichsgebieten. Am gleichen Tag (6. März) ernannte Reichsinnenminister Dr. Wilhelm Frick den Nationalsozialisten Dr. Richard Markert zum Kommissarischen Polizeisenator (Reichskommissar), der gleichzeitig als Kommissar für die Bremische Evangelische Kirche eingesetzt wurde. Am 27. Juni 1933 berief dieser den Geschäftsführer der NSDAP-Fraktion, Senator Otto Heider, zum Kommissar der bremischen Kirche. Zwei Tage danach löste er den legislativen Kirchentag und den exekutiven Kirchenausschuß auf 3 . Die Verfassung der Bremer Kirche sah einen Laien an der Spitze der Kirche vor. Nicht selten wurde der Präsident aus den gesellschaftlich einflußreichen Kreisen gewählt, wie der letzte Präsident der Bremischen Evangelischen Kirche, Dr. jur. Rudolf Quidde, Präsident der Bremischen Bürgerschaft von 1911 bis 1918 4 . So konnte es dazu kommen, daß der nationalsozialistische Bürgermeister Otto Heider gleichzeitig Präsident der Bremischen Evangelischen Kirche war. Auch in der Gemeindeführung fungierten Laien als „verwaltende Bauherren". Aber nicht nur das Laienelement, sondern die ausgeprägte Autonomie der Gemeinden bestimmte den bremischen Kirchenkampf: die Forderung nach Selbständigkeit der organisatorisch und bekenntnismäßig heterogenen kirchlichen Gruppen bildete einen Gegensatz zum totalitären Machtanspruch des nationalsozialistischen Staates. Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war es die herrschende Meinung unter den Kirchenjuristen, daß die Bremische Evangelische Otto Heinrich Bernhard, geb. 22. 6. 1880 in Heiligenstadt, gest. 20. 9. 1952 in Bremen, Kaufmann, 1930 Mitglied der NSDAP, 16. 1.-30. 3. 1931 Präsident der Bürgerschaft, 18. 3. 1933-25. 6. 1945 Senator für Handel, Hafen und Verkehr, 7.5.1945-31.3.1947 interniert, 1951 Kandidat der rechtsradikalen Sozialistischen Reichspartei für die Bürgerschaft. 8 F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 29. Am selben Tag (30. 6. 1933) geschah der Wechsel in der Schriftleitung der Bremer Kirchenzeitung. Richard Markert, geb. 7. 11. 1891 in Elsterwerda, gest. 13. 4. 1957 in Köln, Kaufmann, seit 1. 9. 1931 Mitglied der NSDAP, 6. 3. 1933 Reichskommissar für die Polizeiangelegenheiten, 8. 3. 1933 Polizeipräsident, 18. 3. 1933-23. 10. 1934 Regierender Bürgermeister in Bremen. Otto Heider, geb. 26. 5. 1896 in Bremerhaven, gest. 13. 5. 1960 in Groß Berkel, Elektroingenieur, 14. 9. 1925 Mitglied der NSDAP, 1930 Mitglied der Bürgerschaft, 18. 3. 1933 Senator für Arbeit, Wohlfahrt etc., 29. 10. 1934-16. 4. 1937 Bürgermeister in Bremen, 27. 6. 1933 Kommissar für die ev. Landeskirche in Bremen, 30. 8.1933-31.10.1936 Präsident des Kirchenausschusses. 4 F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 8. Rudolf Quidde, geb. 30. 12. 1861 in Bremen, gest. 20. 11. 1942 in Bremen, Rechtsanwalt, 14. 5. 1920 Vizepräsident, 2. 2.-27. 6. 1933 Präsident des Kirchenausschusses.

Gemeindeautonomie und Machtanspruch des NS-Staates

21

Kirche keine landeskirchliche Einheit im Sinne der übrigen deutschen Landeskirchen bilde 5 . Vielmehr gebe es „eine Reihe von Kirchengemeinden nebeneinander, die unter sich gar nicht verbunden sind und von denen (mit Ausnahme der Landgemeinden) jede ihre eigene Verfassung für sich hat" 6 . Als die Trennung von Staat und Kirche nach dem Ersten Weltkrieg die Neuregelung der kirchlichen Verhältnisse erforderlich gemacht hatte, wurde eine Denkschrift zum Entwurf einer Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche erstellt, die im wesentlichen aus der Feder Dr. Theodor Spittas, Bürgermeister und letzter Vorsitzender der Senatskommission für kirchliche Angelegenheiten, stammte 7 . Die am 14. Juni 1920 verabschiedete Kirchenverfassung teilte dann auch die kirchenrechtlichen Stellungnahmen der Denkschrift 8 . Diejenigen, die eine qualitative Verschiedenheit der bremischen Kirche im Vergleich zu den anderen Landeskirchen betonen wollten, meinten aber nun, in der neuen Verfassung Bestätigung für ihre Auffassung finden zu können. In ihrem „inneren" und „äußeren" Leben wurden die Gemeinden nämlich nicht der Aufsicht der kirchlichen Zentralorgane unterstellt. „Die Selbständigkeit der Gemeinden ist in Bremen das Primäre", hob Wilhelm Gerhold im Jahre 1931 hervor, und weiter heißt es bei ihm: „Die vom Staate getrennte organisierte Körperschaft ,Bremische Evangelische Kirche' ist erst durch das Zusammenwirken der selbständigen Einzelgemeinden neu entstanden." 9 Diese Auffassung von der Zuständigkeitsverteilung zwischen Einzelgemeinden und Landeskirche führte zur starken Beto-

R. SMEND, Glaubensfreiheit, S. 11. * Zitiert ebd.; vgl. auch W. GERHOLD, Verfassung, S. 51. 7 „Denkschrift zum Entwurf einer Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche", unterzeichnet von Pastor Hartwich als Vorsitzendem, Pastor Frick als Schriftführer und aus dem Kreis der Mitglieder u. a. von Senator Dr. Spitta. „ N u r für den Kreis der Beteiligten gedruckt." Bremen 1920 (KIRCHENKANZLEI DER B E K , Akte D 142, Bd. 1). Theodor Spitta, geb. 5 . 1 . 1 8 7 3 in Bremen, gest. 24. 1. 1969 in Bremen, Rechtsanwalt, 1905 Mitglied der Bürgerschaft, 1911 Senator, 1920 Vorsitzender der Senatskommission für kirchliche Angelegenheiten, 1920-18. 3.1933 und August 1945 bis 1955 2. Bürgermeister, 1948-1955 Justizsenator. Otto Hartwich, geb. 22. 8. 1861 in Swinemünde, gest. 2 3 . 1 1 . 1 9 4 8 in Drevenack/ Wesel, 1887 ord., 1894 Pastor in Walle, 1909-1934 am St. Petri-Dom in Bremen, 1920-1932 Mitglied des Kirchenausschusses, 1926-1932 Schriftführer. Constantin Frick, geb. 5. 3.1877 in Magdeburg, gest. 19. 2. 1949 in Bremen, 1902 ord., 1904 Geistlicher bei der Inneren Mission in B a d Godesberg, 1905-1916 Inspektor bei der Inneren Mission in Bremen, 1916-1946 Vorsteher des Diakonissenhauses und Pastor an Unser-Lieben-Frauen-Gemeinde. 8 Die Denkschrift begründete die einzelnen Bestimmungen der Kirchenverfassung 8

v o n 1 9 2 0 ( v g l . H . G . BERGEMANN, A s p e k t e , S . 3 1 1 ) .

» Vgl. Anm. 6.

22

Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

nung der „Glaubens-, Gewissens und Lehrfreiheit der Gemeinden" (§ l) 10 · Dies veranlaßte die Kritiker, die ihrerseits die Ähnlichkeit der Bremischen Evangelischen Kirche mit anderen Landeskirchen betonen wollten, vom „Mythos" der bremischen Kirchenverfassung zu sprechen. Recht und Praxis bei Errichtung und Besetzung von Pfarrstellen sollten im 19. und 20. Jahrhundert - viel mehr als später behauptet wurde - gesamtkirchliche Zuständigkeiten enthalten haben. Deswegen sei § 3 statt § 1 der Kirchenverfassung von 1920 zu betonen, in dem die „kirchlichen Befugnisse, die bisher dem Senat zustanden", auf Kirchentag und Kirchenausschuß übergegangen sind. So interpretiert, schien die bremische Kirchenverfassung „ein nur quantitativ im Sinne übermäßig starker Gemeindeautonomie ausgezeichneter Sonderfall des allgemeinen deutschen Verfassungstyps" zu sein11. Die Kirchenverfassung von 1920 - wie die Kritik an ihr in den 50er Jahren - bleiben Zeichen ihrer Zeit. Es liegt nahe, in der Verfassung von 1920 den liberalistischen Trend der Weimarer Republik zu sehen und den Versuch, möglichst flexibel die Glaubensauffassungen der Gemeinden zu berücksichtigen, um den kirchenkritischen Geist jener Jahre zähmen zu können. Die Kritik an ihr in der Nachkriegszeit spiegelt die Vorbereitung der Eingliederung der bremischen Kirche in die EKD wider, die im Jahre 1953 vollzogen wurde. Die Aufgabe dieser Untersuchung ist nicht, vom kirchenrechtlichen Standpunkt zwischen diesen beiden Interpretationen zu entscheiden. Mag nun diese oder jene Interpretation sachgemäßer sein, der Kirchenkampf in Bremen ging von der Eigenart der bremischen Kirche aus, die in der durch die Kirchenverfassung garantierten Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit bestand. Die bremischen Gemeinden mußten in den Deutschen Christen, die den Totalitätsansprüchen des nationalsozialistischen Staates zustimmten, eine Gefahr für die Kirche sehen. Durch ihre guten Beziehungen zu dem nationalsozialistischen Bürgermeister und Präsidenten der bremischen Kirche, Otto Heider, konnten die Deutschen Christen die zukünftige Gestaltung der Kirche weitgehend beeinflussen. Der am 26. Mai 1896 geborene Elektroingenieur Otto Heider war 1925 in die NSDAP eingetreten und als SA-Mann an der Durchsetzung des Nationalsozialismus in Bremen (u. a. 1930 durch Gründung der Sektion Habenhausen) aktiv beteiligt. In den Jahren, in denen er von Arbeitslosen-Unterstützung lebte, brachte er es zum Geschäftsführer der nationalsozialistischen Fraktion der Bremischen Bürgerschaft. Im März 1933 wurde er 10

11

R . SMEND, G l a u b e n s f r e i h e i t , S. 12.

Ebd. - Später hat auch H . G. BERGEMANN die Rechtseinheit der bremischen Gemeinden betont (Aspekte, bes. S. 325).

Anfänge der Glaubensbewegung D C

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Mitglied des Senats und am 29. Oktober 1934 Bürgermeister in Bremen 12 . Diese direkten Verbindungen der N S D A P zur bremischen Kirchenleitung gaben Anlaß zu der Befürchtung, daß es nun zu einem Selbständigkeitsverlust bzw. zur Verstaatlichung der Kirche kommen werde. Die großen Fragen der Bremischen Evangelischen Kirche im Mai 1933 lauteten: Wird die Kirche die „ererbte Eigenart auch in Zukunft bewahren?" „Wird sie zu einer neuen Landeskirche vereinigt? Wird die geplante Kirchenform ein Bekenntnis formulieren helfen, das alle unterschreiben und das sie erst recht eigentlich zur Kirche im Vollsinne des Wortes macht?"13 Wie die Entwicklung in der Kirche verlaufen würde, hing nicht zuletzt davon ab, welche Machtstellung die Glaubensbewegung „Deutsche Christen" in Bremen erreichen könnte. 2. Die Anfänge der Glaubensbewegung men

„Deutsche Christen" in Bre-

Die am 6. Juni 1932 „im Auftrage der NSDAP" von dem Kirchenfachberater der nationalsozialistischen Reichsparteileitung in München, Pfarrer Joachim Hossenfelder, gegründete Glaubensbewegung „Deutsche Christen" diente zunächst parteipraktischen Zielen im Wahlkampf für die altpreußischen Kirchenwahlen 1932, wurde aber später zur Reichsorganisation ausgeweitet 14 . Das Ideengut, das schon größtenteils bei den nach dem Ersten 12

BREMISCHE BIOGRAPHIE, S . 2 1 7 f f .

vom 6.10.1933; Pastor Leonhardt schrieb häufig die Kirchenchronik unter dem Titel „Der Türmer". Er war zusammen mit Pastor Urban Schriftleiter der Bremer Kirchenzeitung. Robert Leonhardt, geb. 5. 1. 1883 in Starzeddel/Kreis Guben, gest. 21. 8.1943 in Wiesbaden, 1909 ord., 1910 Prediger in Plate/Altmark, 1914-1943 Pastor an der St. Ansgarikirchengemeinde. Erich Urban, geb. 2.5.1885 in Frankfurt/Oder, gest. 9.6.1965 in Bremen, 1911 ord., 1914 Pfr. in Spandau, 1919-1955 Pastor an der Friedenskirche, 1945 Schriftführer. 14 Schreiben Hossenfelders an Tügel vom 24. 4. 1935 (LKA H A M B U R G , Β XVI a.220.a.l); K. MEIER, Deutsche Christen, S. 12 ff. H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 14. Offensichtlich falsch interpretiert J. S. C O N W A Y (Kirchenpolitik, S. 62) die Beziehung der „Deutschen Christen" zur Partei: „Als Organisation ist den Deutschen Christen niemals ein Platz im NS-Regime eingeräumt worden; ihr Führer Hossenfelder erhielt kein Amt in der Partei noch wurde er jemals von Hitler persönlich empfangen." Vgl. Kinders Audienz bei Hitler Anfang 1935 (K. MEIER, Deutsche Christen, S. 100). Joachim Hossenfelder, geb. 29. 4. 1899 in Cottbus, gest. 28. 6. 1976 in Lübeck, 1931 Pfr. in Berlin, 1929 Mitglied der NSDAP, 1932 Mitbegründer und erster Reichsleiter der DC, 24. 6.-14. 7. 1933 kommissarischer Geistl. Vizepräsident des 13

BREMER KIRCHENZEITUNG

Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

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Weltkrieg entstandenen völkisch-christlichen Verbänden („Bund für Deutsche Kirche", 1921; „Deutsch-christliche Arbeitsgemeinschaft", 1925; „Christlich-Deutsche Bewegung", 1930) vorhanden war 15 , bestand nach den Hossenfelderschen Richtlinien vom Mai 1932 aus rassistisch betonter „heldischer" Auffassung vom Christentum 16 . Vor der Machtergreifung bestanden Mitgliedergruppen der Glaubensbewegung D C außer in Preußen nur in Thüringen, Baden und im Saarland. Im übrigen Reichsgebiet entstanden die Gauorganisationen erst in den ersten Monaten des Jahres 193317. Sie waren zunächst nach dem Modell der NSDAP gegliedert und führten dieselben „Dienstgrade" wie die Partei. Es gab Reichsleiter, Gauleiter, Kreisleiter, Ortsgruppenleiter, Propagandaleiter und Amtswalter 18 . Das zentrale, in Berlin erscheinende Wochenblatt „Evangelium im Dritten Reich" förderte die Entstehung der Gaugruppen und die Verbreitung des deutsch-christlichen Ideengutes. Es bot bereits einige Wochen nach seiner Gründung Wahlhilfe für die Glaubensbewegung D C in den altpreußischen Kirchenwahlen im November 1932 an. Hier erhielten die Deutschen Christen etwa ein Drittel aller Sitze in den Gemeindekörperschaften 19 . Nach der 1. Reichstagung der Glaubensbewegung DC, die in Berlin im Preußischen Landtag vom 3.-5. April 1933 stattfand, folgte die Gründung der Gauorganisation Bremen. Diese trat zum ersten Mal am 25. April 1933 im Bremer Casino vor die Öffentlichkeit und demonstrierte u. a. ihre Parteitreue durch gemeinsame Kundgebungen mit der NSDAP. Die Casino-Versammlung war so zahlreich besucht, daß eine Parallelversammlung in den Rembertihallen gehalten werden mußte. Thema der Versammlungen war: „Nationale Revolution Ev. Oberkirchenrats Berlin, 6. 9. 1933 Bischof von Brandenburg, 27. 9. 1933 Geistlicher Minister, Dez. 1933 aus allen kirchlichen Ämtern beurlaubt, 1939 Pfr. in Potsdam, 1954-1969 in Ratekau/Lübeck. 15 H. BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 5 - 9 . Der geplante Name „Evangelische Nationalsozialisten" wurde auf Veranlassung des NS-Reichsorganisationsleiters Gregor Straßer fallengelassen und dafür die von Hitler vorgeschlagene Bezeichnung „Deutsche Christen" angenommen, die man durch die Vermittlung Konopaths von den Thüringer D C übernahm. Den Zusatz „Glaubensbewegung" führte F. WIENEKE in einer Erläuterungsschrift (Glaubensbewegung, S. 12) ein, „um das religiöse Anliegen besonders herauszustellen" (vgl. 10 Jahre Deutsche Christen; BA KOBLENZ, R 43 II/165a); vgl. auch K. MEIER, Deutsche Christen, S. 13. *· K . D . SCHMIDT, B e k e n n t n i s s e 1 9 3 3 , S . 1 3 5 . 17

K. MEIER, Deutsche Christen, S. 16; K. SCHOLDER, Kapitulation, S. 189. K.-H. GÖTTE, Glaubensbewegung, S. 13. Aufgrund des „Gesetzes zum Schutze von Bezeichnungen der N S D A P " vom 7. 4. 1937 wurde den D C verboten, Bezeichnungen, „die die N S D A P , ihre Gliederungen und ihre angeschlossenen Verbände für ihre Amtsträger, ihren Aufbau, ihre Einrichtungen und Symbole führen", weiterhin zu verwenden (K.-H. GÖTTE, Propaganda, S. 169). " K. MEIER, Deutsche Christen, S. 16. 18

Anfänge der Glaubensbewegung D C

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und Kirche." Es sprachen Senator Otto Heider, Paul Wegener, Kreisleiter der NSDAP, Pastor prim. Paul Thyssen, der spätere Domprediger Pastor Hermann Rahm und Domprediger Pastor Lie. Dr. Heinz (Heinrich) Weidemann 20 . In Ubereinstimmung mit der Glaubensbewegung D C in den übrigen Reichsgebieten stellten die Deutschen Christen Bremens eine evangelische Reichskirche als ihr kirchenpolitisches Ziel heraus. Die Notwendigkeit einer „nationalen evangelischen Kirche" wurde aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges kulturpolitisch begründet. „Die politische Einheit - das hat unser Führer eindeutig genug betont - genügt nicht. Sie allein ist nicht die Voraussetzung zu einer wahren Volksgemeinschaft. Die Grundlage einer kulturellen Einheit ist die religiöse Einheit", schrieb die parteioffizielle Bremer Nationalsozialistische Zeitung im April 1933 21 . Weidemann, einst Freiwilliger des Ersten Weltkrieges und jetzt als Repräsentant der „Frontgeneration" Gauleiter der Glaubensbewegung D C Bremen geworden, betonte die politische Bedeutung der engen Verbindung zwischen Kirche und Staat. Eine Regierung, „die das ganze Volk als Ganzes im Auge hat", mußte „sicher sein, daß die Kirche ihr nicht in den Rücken fällt" 22 . Pastor

Refer berichtet über die Ereignisse in der B E K ( K I R C H E UND V O L K S Nr. 5 vom 15.10.1933); BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 5, 1933, S. 105 („Der Türmer"); vgl. F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 21. Vorher hatte Weidemann die Bekenntnistreue und Verbundenheit der D C mit der Reformation öffentlich betont (Weidemann/Thyssen/von Scharrel: Die nationale Revolution und die Kirche. Aufruf an die deutschen Christen; BREMER NATIONALISTISCHE Z E I T U N G Nr. 105 vom 23. Juli 1933). Paul Wegener, geb. 1.10.1908 in Varel, Kaufmann, Kreisleiter der N S D A P in Bremen, 1934 Reichsamtsleiter der N S D A P München, 1936 Stellv. Gauleiter WeserEms, 1942 Gauleiter Weser-Ems und Reichsstatthalter in Oldenburg und Bremen. Paul Thyssen, geb. 21.7.1865 in Elberfeld, gest. 31.5.1935 in Wasserhorst/Bremen, 1890 ord., 1904-1931 Pastor an St. Stephani, 1.5.1931 i. R., 1932-1935 Pastor in Wasserhorst. Hermann Rahm, geb. 23.12.1885 in Gresgen, gest. 13. 3.1950 in Bremen, 1915 Pastor in St. Blasien/Schwarzwald, 1923 in Tauberbischofsheim, 1925-1934 in Hastedt/Bremen, 1934-1950 am St. Petri-Dom, 1933 Mitglied des Kirchenausschusses, Juni 1934 Mitglied des Kirchentages der BEK. 21 Zu Wort kommen die prominenten D C Bremens. Zur Frage: „Wie kam ich zur Glaubensbewegung der deutschen Christen?" äußern sich die Pastoren Refer und Rahm sowie der Direktor der Bremischen Staatsbibliothek Dr. Knittermeyer K.

TUM IN NIEDERSACHSEN

(BREMER NATIONALSOZIALISTISCHE Z E I T U N G N r . 1 1 2 v o m 3 0 . 4 . - 1 . 5 . 1 9 3 3 ) .

Karl Refer, geb. 2.1.1883 in Orbke bei Detmold, gest. 15. 3.1954 in Dötlingen/ Oldenburg, 1907 ord., 1911 Pastor in Rablinghausen/Bremen, 1934-1947 an St. Martini. Hinrich Knittermeyer, geb. 20. 2. 1891 in Hamburg, gest. 25. 2. 1958 in Bremen, 1923-1945 Direktor der Stadtbibliothek (seit 1927 Staatsbibliothek) in Bremen. 22 Ähnlich äußert sich Weidemann in einer Erklärung „An den Kirchenausschuß

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Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

Die kirchliche Einheit sollte die politischen Erfolge des Staates sichern und ein moralisches Kräftereservoir bilden. Hier scheint Weidemann eine in den nationalprotestantischen deutsch-christlichen Kreisen übliche Auffassung vertreten zu haben, die der ideenpolitisch bedeutendste nationalkonservative protestantische Schriftsteller jener Jahre, Wilhelm Stapel 2 3 , so ausgedrückt hatte: „Erst die moralische Einheit des Volkes gibt dem Staate jene innere Festigkeit, die nicht mehr durch ,moralische Einflüsse' vom Feinde her zerspalten und ohnmächtig gemacht werden kann, die somit dolchstoßfest ist" 2 4 . N a c h Ansicht dieser Repräsentanten der Kriegsgeneration bestand keine Gefahr, christliche Substanz zu verlieren, wenn die Kirche sich für die beschriebene Aufgabe engagieren würde, weil der „heutige Staat" - im Gegensatz zum bisherigen, wie Weidemann meinte „ein christlicher Staat" sein wollte 2 5 . Für einen Teil der Pastorenschaft bildeten solche Aussagen aber den Grund für ihre ablehnende Haltung. Man fürchtete - und nicht zu Unrecht - , daß „das Evangelium in den Dienst einer politischen Gruppe gestellt" würde. Wenn auch viele Mitglieder des Kirchenausschusses zwar theologisch die Glaubensbewegung D C ablehnten, so waren sie doch bereit, das kirchenpolitische Ziel, die Errichtung einer „evangelischen Kirche deutscher N a t i o n " im Hitlerstaat, zu unterstützen. In dem Aufruf „Die Stunde der evangelischen Kirche" vom 27. April 1933 2 6 , unterzeichnet von 36 bremischen Pastoren, darunter sieben der späteren acht von der Bekennenden Kirche (BK), kommt die Hoffnung auf eine Neuordnung der evangelischen Kirche zum Ausdruck. Aus dem Artikel spricht Dankbarkeit, daß die Zeit der „Verdächtigung und Anfeindung" jetzt vorbei sei: „Wir der Bremischen Evangelischen Kirche", in der er zum Aufruf von 36 bremischen Pastoren vom 27. 4. 1933 Stellung nimmt: „Dieser Staat ist im scharfen Gegensatz zu der religiösen Neutralität der Weimarer Verfassung ein christlicher Staat. Er kann darum auch nicht zulassen, daß die Kirche, so sehr sie schon das Recht der Verkündigung des Evangeliums und die Verbundenheit mit der ecclesia invisibilis, der unsichtbaren Kirche, in aller Welt in Anspruch nehmen muß, ihm beispielsweise mit einer falschen Stellung zum Marxismus, mit einem entnervenden Pazifismus und mit entmannendem Internationalismus in den Rücken fällt" (BREMER NATIONALSOZIALISTISCHE ZEITUNG N r . 113 vom 2. 5.1933). - Im Hintergrund dieser Formulierung stand die Dolchstoßlegende, nach der der Erste Weltkrieg nicht militärisch, sondern moralisch, aufgrund des Zusammenbruchs der Heimatfront verloren wurde. W. STAPEL, Kirche Christi, S. 26 (Hervorhebung durch den Verfasser). Ebd. Stapel gehörte später zum weiteren Kreis der Mitarbeiter Weidemanns. Wilhelm Stapel, geb. 27. 10. 1882 in Calbe, gest. 1. 6. 1954 in Hamburg, Journalist und Schriftsteller, 1912-1916 Redakteur des „Kunstwart", 1919-1938 Herausgeber des „Deutschen Volkstum". 23 24

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BREMER NATIONALSOZIALISTISCHE Z E I T U N G N r . 1 1 2 v o m 3 0 . 4 . - 1 . 5 . 1 9 3 3 .

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BREMER NATIONALSOZIALISTISCHE Z E I T U N G N r . 1 1 0 v o m 2 8 . 4 . 1 9 3 3 .

Anfänge der Glaubensbewegung D C

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danken dies der Regierung der nationalen Erhebung. Ihre Tatkraft hat Vaterland und Kirche vor dem Bolschewismus gerettet." In der geforderten Reichskirchenreform sollte die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments als „unverrückbare Grundlage" beibehalten werden. Es wurden nicht nur Eingriffe in die Kirche abgelehnt, „alles Organisieren von außen nach innen" und die „Vermengung von Politik und Religion", sondern auch - wie nicht selten in jenen Jahren in der Kirche - die parlamentarisch-demokratischen Prinzipien. Als Reaktion auf die allgemeine geistige und materielle Unsicherheit der Weimarer Jahre, die der Demokratie und dem Liberalismus angelastet wurden, wollte man sich nun gegen „allen Parlamentarismus" in der Kirche „wehren". Aus der politischen Zustimmung zum nationalsozialistischen Staat, dessen Entwicklung für viele im dunklen lag, wurde paradoxerweise die Berechtigung abgeleitet, die Glaubensbewegung D C abzulehnen. Es wurden sogar die Worte Hitlers aus „Mein K a m p f " zitiert, die die Unmöglichkeit des deutsch-christlichen Ideengutes zeigen sollten: „Wer über den Umweg einer politischen Organisation zu einer religiösen Reformation zu kommen glaubt, zeigt nur, daß ihm jeder Schimmer vom Werden religiöser Vorstellungen oder gar Glaubenslehren und deren kirchlichen Wirkungen abgeht." 2 7 In der Arbeit des vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß im April 1933 mit der Neuordnung des evangelischen Kirchenwesens beauftragten sog. „Dreimännerkollegiums" sah man die legitime Weise, an der Kirchenerneuerung mitzuwirken, die Zusammenarbeit mit der Glaubensbewegung D C wurde abgelehnt. So hatten die Unterzeichner sogar die Beteiligung der DC-Pastoren am Aufruf verneint 28 . Es war noch nicht klar geworden, wer die Unterstützung des Staates hatte. Trotz des „stürmischen Anfangs" konnten die Deutschen Christen in Bremen nicht die Mehrheit der Pastoren auf sich vereinen. Der Vermengung von Politik und Religion verdächtigt, mußten sie nun ihre Expansion langsam vorantreiben. Weidemann verglich die Situation der Deutschen Christen mit der Kampfzeit der N S D A P . „Sie muß selbstverständlich erst Widerstand brechen, sie wird genau so wie zuerst die nationalsozialistische Bewegung schwer 2 7 A. HITLER, Mein Kampf, S. 124 f. In der Auflage von 1936 hieß die Stelle: „Wer über den Umweg einer politischen Organisation zu einer religiösen Reformation kommen z» können glaubt, zeigt nur, daß ihm auch jeder Schimmer vom Werden religiöser Vorstellungen oder gar Glaubenslehren und deren kirchliche Auswirkung abgeht" (die in dem Bremer Zitat fehlenden Worte vom Verfasser hervorgehoben). 28

BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 5 v o m 1 0 . 5 . 1 9 3 3 , S . 1 1 ; K I R C H E UND VOLKSTUM

IN NIEDERSACHSEN N r . 5 vom 15. 10. 1933 (Bericht über die Vorgänge in der Β Ε Κ von Κ. Refer).

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Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

zu kämpfen haben, aber sie ist ebenso sicher, daß sie der Kirche ein Kirchenvolk mit einer großen und gewiß großzügigen Sinneinheit gibt.«29 Es war eine Besonderheit der kirchlichen Frontstellungen in Bremen, daß nicht die theologisch Liberalen, sondern die ehemaligen Positiven (Orthodoxen), Weidemann als Gauobmann und Pastor Karl Refer als Kreisleiter, die Leitung der Glaubensbewegung D C bildeten. Heinrich Franz Friedrich August (Heinz) Weidemann wurde am 1. März 1895 in Hannover als Sohn eines Seminaroberlehrers geboren. Ostern 1914 ging er an die Universität Göttingen, um Theologie zu studieren, meldete sich aber schon im August als Kriegsfreiwilliger an die Front. Nach dem Krieg, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse, nahm der ehemalige Bataillons-Adjutant und Leutnant wieder das Studium in Göttingen auf. Nach dem ersten Examen, 1920, wurde er als Vikar zum Studieninspektor an die Universität Göttingen berufen. Seine entscheidenden theologischen Einflüsse erhielt er von dem Kirchenhistoriker Carl Mirbt und dem Neutestamentler der literarkritischen Schule Walter Bauer. In seinen kirchengeschichtlichen Studien über den Loccumer Abt Gerard Walter Molanus, die er als zweibändige Biographie 1925/29 für die Promotion zum Lie. theol. und Dr. phil. veröffentlichte, ist die Richtung seiner späteren Interessen zu erkennen 30 . Der mächtige Kirchenfürst und Professor für Theologie und Mathematik in Rinteln, Gerard Molanus, beteiligte sich an den Unionsverhandlungen zwischen den Katholiken und Protestanten seit 1682 als Hauptmitarbeiter von Leibniz. Diese kirchengeschichtlichen Perspektiven können inspirierend zu den späteren nationalkirchlichen Bestrebungen Weidemanns beigetragen haben. Wenn man die theologischen Lehrer anderer DC-Führer, etwa Siegfried Lefflers, betrachtet, der wie nicht wenige seiner Gesinnungsgenossen bei Adolf Schlatter, Rudolf Otto und Karl Heim studiert hatte 31 , wirkt es überraschend, daß Weidemann vom jungen Barth beeinflußt war 32 . " Vgl. Anm. 2 5 . Vgl. Urteil des Landgerichtes Hamburg, Strafkammer 2 vom 13. 10. 1944 unter dem Vorsitz des Oberlandesgerichtsrat Dr. Hollburg (LKA BREMEN, Personalakten Weidemann); H . Weidemann, Werdegang (AKTEN WILKEN); vgl. auch Schreiben Wilkens an den Verfasser vom 22. 2. 1970; Schreiben Ruppels an den Verfasser vom 12. 1. 1971. " H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 17. Siegfried Leffler, geb. 21. 11. 1900 in Azendorf, 1928 Pfr. in Niederwiera/Thüringen, 1. 6. 1933 zur Übernahme einer Regierungsratsstelle beim Ministerium für Volksbildung aus dem Dienst der Thüringer Kirche beurlaubt, 1939 Leiter

Anfänge der Glaubensbewegung D C

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Als Stiftsinspektor in Göttingen und Hilfsprediger an der St.-Jacobi-Kirche lernte Weidemann einige seiner späteren Mitarbeiter kennen 33 . Die wichtigsten waren der spätere Staatssekretär Dr. jur. Hermann Muhs und Professor D. Emanuel Hirsch, die beide in Göttingen wirkten 34 . In seinem Predigtstil soll sich Weidemann zum Repräsentanten der „Frontgeneration" gemacht haben, in einer Weise, daß man in Göttingen über ihn sagte, er übe seine priesterliche Tätigkeit mit dem „Kruzifix in der einen und der Handgranate in der anderen Hand aus"35. Mit unermüdlicher Energie und anerkannter rednerischer Begabung ausgerüstet, blieb seine Arbeit nicht ohne Erfolg. Es gelang Weidemann auch, in einem völlig unkirchlichen Dorf Süd-Hannovers die Kirche „voll zu predigen", und als er im Jahre 1929 nach Bremen als Domprediger berufen wurde, fand seine Tätigkeit regen Zuspruch36. Ein Kollege Weidemanns erinnert sich der Predigten vor 1933 als „frisch zupackend, biblisch orientiert, aber nicht dogmenbetont" 37 . Unter den fünf Liberalen im Dom war Weidemann der einzige Positive und galt als ein „der Barthschen Theologie freundlich gesonnener Prediger". Er nahm auch an den Sitzungen der theologischen „Montagsgesellschaft" teil, die als Sammelpunkt der Positiven galt und des Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben in Eisenach, 1947 in den Dienst der bayerischen Landeskirche übernommen, Pfr. in Hengersberg. H . WEIDEMANN, W e r d e g a n g (vgl. A n m . 30). ss

Schreiben von Pastor Rudolf Gensch vom 3. 3. 1970 an den Verfasser. In Weidemanns wissenschaftlicher Arbeit für die zweite theologische Prüfung in H a n nover „Der Sozialismus Jesu" herrschte noch Zurückhaltung gegen das damalige „Tatchristentum": „Jesus hat weit mehr getan als irgendeine soziale Organisation einzurichten. Die Stellung zu Gott ist für ihn das Entscheidende" (LKA BREMEN, Personalakten Weidemann). 34 „Vier Jahre Arbeitslager für hauptschuldigen Ex-Bischof, Weidemann angeblich SED-Bürgermeister in Thüringen" ( W E S E R - K U R I E R vom 2 6 . 1 1 . 1 9 4 9 ) . Der offizielle Verteidiger, Rechtsanwalt Oliver, nennt Muhs einen „Studienfreund" Weidemanns. Hermann Muhs, geb. 16. 5. 1894 in Barlissen, gest. 13. 4. 1962 in Göttingen, 1927 Rechtsanwalt in Göttingen, 1929 Mitglied der NSDAP, 1933 Regierungspräsident in Hildesheim, 19. 11. 1936 von Reichskirchenminister Kerrl zu seinem ständigen Vertreter bestimmt, 1937 von Hitler zum Staatssekretär im Reichskirchenministerium ernannt. Emanuel Hirsch, geb. 14. 6. 1888 in Bentwisch/Westpriegnitz, gest. 19. 7. 1972 in Göttingen, 1915 Privatdozent in Bonn, 1921 Prof. für Kirchengeschichte, 1935-1945 für Systematische Theologie in Göttingen. 85 Information von Abt Christhard Mahrenholz an den Verfasser vom 21. 1. 1971. S ' K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 15. 37 Schreiben von Oberstudienrat i. R. Paul Langen vom 24. 2. 1970 an den Verfasser.

Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

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dessen Leiter der theologisch und literarisch qualifizierte Pastor Karl Refer, sein späterer engster Mitarbeiter, war. Seit 1911 war Refer in Bremen-Rablinghausen tätig gewesen und als vortrefflicher Kanzelredner und theologischer Publizist bekannt geworden. Aus der reformierten Lippischen Landeskirche stammend, geboren am 2. Januar 1883 in Detmold, knüpfte er an die Tradition der reformierten Theologie und besonders an Barth an. Als Referent für Bibelübersetzungen taucht er in der Zeitschrift „Zwischen den Zeiten" auf und, wie nicht wenige Anhänger dieser theologischen Richtung, stand er vor 1933 der religiös-sozialen Bewegung positiv gegenüber38. Die Machtergreifung 1933 schuf aber neue theologische Akzente und bewirkte, daß Weidemann in die Glaubensbewegung D C und in die NSDAP eintrat, wohingegen Refer nur Mitglied der Glaubensbewegung wurde. Beide waren von der Kirchenfreundlichkeit der NSDAP überzeugt und kirchlich an dem Reichskirchengedanken der Deutschen Christen interessiert39. Den größten persönlichen Einfluß auf Weidemann und dessen Entschluß, die Führung der Bremer Deutschen Christen zu übernehmen, hatte der alte Pastor von Wasserhorst, Paul Thyssen. In einer Sitzung seiner Bremer Landesgemeinde soll Thyssen die Führung der Deutschen Christen an Weidemann übertragen und ihn mit dem Argument, daß „die Nationalsozialisten keine Partei mehr, sondern Bewegung, Volk", seien, zum Eintreten ermutigt haben 40 . „Ich habe nach 48 oder 60 Stunden mich entschlossen, diesen Schritt um der Kirche willen zu tun. Dann habe ich mich mit Berlin in Verbindung gesetzt", erklärte Weidemann später seine Entscheidung vor dem Kirchenausschuß41. Furcht vor der Einsetzung eines auswärtigen Deutschen Christen als Führer und Kommissar für die Bremische Evangelische Kirche sollen die entscheidenden Motive Weidemanns gewesen sein, als er sich als DC-Führer mit Bürgermeister Markert in Verbindung setzte 42 . Die theologische Auseinandersetzung mit den Bremer Kollegen wurde zur Zeit der Gründung der Glaubensbewegung D C in der „Montagsgesellschaft" geführt. Es ging dabei besonders um die Frage, ob man den Nationalsozialismus aus biblischen Gründen bejahen könne. Als Verfechter dieses Gedankens betätigten sich Weidemann 38

BREMISCHE

BIOGRAPHIE

1912-62,

S.

400;

ZWISCHEN

DEN

ZEITEN

6,

1928,

S. 330 ff.; K. REFER, Heiland, S. 206. 39

40

BREMISCHE BIOGRAPHIE 1 9 1 2 - 6 2 , S . 4 0 0 . V g l . A n m . 3 0 .

Schreiben Weidemanns an Thyssen vom 29. 9 . 1 9 3 7 (LKA BREMEN, Β 301). Aus dem Protokoll des Kirchenausschusses der ΒΕΚ vom 19. 4. und 21. 4. 1933 (LKA BREMEN, Β 205.25). 42 Ebd. 41

Anfänge der Glaubensbewegung D C

31

und Pastor Paul Thyssen. Nach einer harten Kontroverse brach die „Montagsgesellschaft" auseinander 43 , einige der einflußreichen Mitglieder gingen später zur Bekennenden Kirche, aber auch Refer und Weidemann fanden weitere Anhänger 44 . Die Abkehr von der Barthschen Theologie geschah aber nicht über Nacht. Weidemann versuchte zunächst, das Denken des reformierten Theologen mit seiner eigenen, neuen, praktischen Uberzeugung in Übereinstimmung zu bringen. So verteidigte Weidemann das Recht der Christen zur „Revolution" in einer Zeitungsdebatte Ende April 1933 mit Luther und Barth: „Luther hat die Bibel deshalb von der katholischen Kette gelöst, daß wir sie ganz lesen. Apostelgeschichte 5, Vers 29 heißt es: Man muß mehr Gott gehorchen denn den Menschen. So ist grundsätzlich auch die Möglichkeit der Revolution gegeben. Von dem anerkanntesten theologischen Lehrer der Gegenwart, Karl Barth, wird darum die Möglichkeit ausdrücklich den Christen zuerkannt." 45 Wie weit Barth tatsächlich Anlaß zu solchen Äußerungen gegeben hat, kann hier nicht untersucht werden. Wichtig ist jedoch, daß ein deutsch-christlicher Führer ihn als „anerkanntesten theologischen Lehrer der Gegenwart" würdigte 46 . Es ist hier angebracht, die Ausgangsposition der bisher maßgeblichen Darstellung des Kirchenkampfes in Bremen zu überprüfen. Der einst zu den erbittertsten Gegnern Weidemanns zählende Professor Dr. med. Karl Stoevesandt behauptet, daß der Grund für die geringe Unterstützung der Glaubensbewegung DC in Bremen im geringen Einfluß des Nationalsozialismus in der Hansestadt zu Beginn des Dritten Reiches liege47. Es ist richtig, daß Bremen, wie die Märzwahlen erwiesen, dem Nationalsozialismus skeptisch gegenüberstand. Diese Tatsache läßt jedoch nicht übersehen, daß in der Kirche ein latenter Antibolschewismus vorhanden war, der dazu beitrug, daß sie sich der Hitler-Regierung zuneigte. Wie die Kundgebungen nicht nur der Glaubensbewegung DC, sondern auch der späteren Pastoren der Bekennenden Kirche zeigten, 43

Pastor Arlt, Bremen, in seinen Lebenserinnerungen (LKA BREMEN, Archiv Amts-Erinnerungen, Lebenserinnerungen 21, S. 13 f.). 44 Schreiben Langens an den Verfasser vom 23. 2. 1970. 45

BREMER NATIONALSOZIALISTISCHE Z E I T U N G v o m

3 0 . 4 . - 1 . 5. 1 9 3 3

(H.

Weide-

mann, Antwort auf den offenen Brief des Herrn Gerhold, Schüssellorb 34). 49 Ebd. 47 K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 15. Karl Stoevesandt, geb. 9. 8.1882, gest. 3. 7.1977 in Bremen, Arzt, 1933-1967 Verwaltender Bauherr von Unser-Lieben-Frauen-Gemeinde, 1934 Vorsitzender des Landesbruderrates, 1945-1961 Mitglied der Synode der EKD.

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Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

hoffte man, daß der nationalsozialistische Staat vom Kommunismus und von der in der Kirche mit Mißtrauen betrachteten Demokratie der Weimarer Republik befreien würde. Was für Bremen politisch allgemein zutraf, galt nicht ohne weiteres für die Kirche. Die geringe Unterstützung der Deutschen Christen in der Kirche war nicht Ausdruck der Ablehnung der nationalsozialistischen Regierung - wie Stoevesandt behauptet - sondern der Hoffnung der bremischen Kirchenleitung, die organisatorischen Angelegenheiten direkt mit dem Staat regeln zu können. Das zeigten die starke Repräsentation der Partei in dem vom Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche geleiteten Aktionsausschuß und die Versuche des Kirchenausschusses, mit den neuen politischen Führern in Verbindung zu bleiben. Als Weidemann ein kirchenpolitisches Betätigungsfeld als Vermittler zwischen Staat und Kirche für sich zu schaffen suchte und der bremischen Kirche politische Passivität vorwarf, antwortete der Kirchenausschuß, daß die Gespräche zwischen der „neuen Regierung" und ihm schon im Gange seien48. Die Interessen der Bremer Kirche trug deren Präsident Dr. Quidde selber vor. Er glaubte, durch die Bejahung und Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Staat als Obrigkeit, die ihr wahres Gesicht noch nicht gezeigt hatte, zu der „religiös-sittlichen Erneuerung des Volkes" beitragen zu können 49 . Auf die Frage „Warum nicht für die ,Deutschen Christen'?" gab das „Protestantenblatt", das auch in Bremen erschien, im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft eine klare Antwort: „Politik treiben wir in der Kirche nicht. . . . Man kann Nationalsozialist, Parteigenosse und guter Bürger des neuen Deutschland sein, ohne zur Glaubensbewegung ,Deutsche Christen' zu gehören." Es war diese Einstellung und nicht die prinzipielle Ablehnung des Nationalsozialismus, die zunächst in Bremen den Weg der Deutschen Christen erschwerte 50 .

4 8 „Unrichtige Anschuldigungen gegen den Kirchenausschuß der Bremischen Evangelischen Kirche" von Ende April 1933 (LKA BREMEN, Β 132/5). 49 Schreiben Quiddes an die Kirchenvorstände und Pastoren der B E K vom 6. 4. 1933 (LKA BREMEN, Β 201); Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Kirchenausschusses der B E K vom 21. 4. 1933: „Es soll zwischen dem Ausschuß [in dem die NSDAP repräsentiert war], der sich gebildet hat, und dem K A eine möglichst enge Fühlung hergestellt werden, um das gute Altbremische in unserer Kirche zu

b e w a h r e n " ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 ) .

5 0 PROTESTANTENBLATT N r . 30 vom 23. 7. 1933 (W. Schubring, Warum nicht für die .Deutschen Christen'?).

Übergang von legaler zu illegaler Macht

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3. Übergang von legaler zu illegaler Macht: die Errichtung des landeskirchlichen deutsch-christlichen Kirchenregiments nach dem Führerprinzip Bis zu den Kirchenwahlen vom 23. Juli 1933 konnte sich die bremische Pastorenschaft dem kirchenpolitischen Machtstreben der Deutschen Christen erfolgreich widersetzen. Kurz vor dem Abschluß seiner kommissarischen Tätigkeit (15. Juli 1933) hatte Heider den Einfluß der Deutschen Christen verstärkt, indem er die Pastoren Hermann Rahm und Weidemann in den Kirchenausschuß berief 51 . Dieses Gremium trat jedoch niemals zusammen, denn nach Inkrafttreten des Reichskirchengesetzes vom 14. Juli 1933 war der alte Ausschuß wieder zuständig. Er blieb auch in Funktion, bis der Kirchentag am 30. August 1933 ein neues Gremium wählte. Bis zur legalen Ubergabe der Machtbefugnisse in die Hände der Deutschen Christen blieben somit die alten Kirchenführer im Amt. Kein Deutscher Christ war Mitglied des Kirchenausschusses geworden, und die „Bremer Kirchenzeitung" wurde, wie Weidemann beklagte, im 51 BREMER K I R C H E N Z E I T U N G Nr. 8 und 9 vom 10. 9. 1933 (Kirche in der Gegenwart); F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 30. - Neuernannte Mitglieder des Kirchenausschusses waren Dr. Bellstedt, Groot, J. Ed. Hirschfeld, Dr. Petri, Pastor Rahm, Dr. Seidler, H . van Scharrel, Dr. Steengrafe, Vietor, Weidemann. Die Auflösung des Kirchentages und des Kirchenausschusses im Zusammenhang mit der Ernennung Otto Heiders zum Kirchenkommissar am 27. 6. 1933 (K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 16) sowie die Neubildung des Kirchenausschusses sind nach dem Ende des kommissarischen Auftrags Heiders rückgängig gemacht worden. Sitzungen des alten Kirchenausschusses fanden am 15. 7., 7. 8., 16. 8. und 28. 8. 1933 statt (vgl. LKA BREMEN, Β 201, S. 9 und Telegramm Pfalzgrafs aus Berlin vom 14. 7. 1933: „Alter Kirchenausschuß wieder im Amt. Einladung zu dringender Sitzung Sonnabend 12 Uhr."). Julius Eduard Hirschfeld, geb. 23. 7. 1896 in Bremen, gest. 24. 12. 1935 in Bremen, Kaufmann, 1926-1933 bayerischer Generalkonsul in Bremen, 1926-1928 verwaltender Bauherr des Doms, 1931 bis 1. 2. 1934 Schatzmeister der bremischen Kirche, Mitglied des Kirchenausschusses. Erich Bellstedt, Rechtsanwalt, 21. 8. 1933 Mitglied des Kirchentages, 24. 1. 1934 Stellv. Gemeindeführer von Unser-Lieben-Frauen-Gemeinde. Carl Groot, geb. 22. 1. 1882 in Bremen-Vegesack, gest. 7. 8. 1971 in Bremen, 1924 Rechnungsbeamter beim Kirchenausschuß der BEK, 1939 Amtmann, 1943 Amtsrat, 1947 i. R. Leopold Petri, geb. 10. 5. 1876 in Küstrin, gest. 25. 5. 1963 in Bremen, Polizeipräsident, 1928-1933 Mitglied und Vizepräsident des Kirchenausschusses. Adolf Seidler, Oberregierungsrat, 1934-1937 Mitglied des Kirchenausschusses, Juni 1934 Mitglied des Kirchentages. Hermann van Scharrel, Kaufmann, 1934 Mitglied des Kirchenausschusses und des Kirchentages. Otto Steengrafe, Landgerichtsdirektor, 1934-1937 Mitglied des Kirchenausschusses und des Kirchentages. Friedrich Vietor, Kaufmann, 1934-1935 Mitglied des Kirchenausschusses.

3

Heinonen, Anpassung

Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

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gegnerischen Geist herausgegeben52. Die Zeitung hatte sich unter der Schriftleitung der Pastoren Robert Leonhardt, der häufig die Spalte der Kirchenchronik, „Der Türmer", verfaßte, und Erich Urban später Anhänger der BK - bemüht, die verschiedenen kirchlichen Richtungen zu berücksichtigen. Es war ein großer Erfolg der deutschchristlichen Kirchenpolitik, daß der Kreisleiter der Glaubensbewegung DC, Pastor Karl Refer, zum Schriftführer gewählt wurde 53 . Das Ergebnis der Wahlen wird durch die neue Richtung der offiziellen Zeitung beeinflußt worden sein. In der ersten Ausgabe unter der Leitung Refers stellten sich die Deutschen Christen Bremens mit ihren besten Mitarbeitern vor. Es erschienen Aufsätze profilierter DC-Theologen, der Professoren Emanuel Hirsch und Hermann Wolfgang Beyer, die beide zu den Mitherausgebern der deutsch-christlichen Zeitschrift „Kirche und Volkstum in Niedersachsen" gehörten. Seine kirchenpolitischen Ansichten beschrieb Hirsch - ausgehend von den volksmissionarischen Aufgaben der Zeit - hier. Er nannte zwei Voraussetzungen für einen „freien Dienst am Evangelium": Die Aussage muß auf Christus bezogen sein, und die „menschliche Verbundenheit" des Predigers mit den Hörern muß vorhanden sein. Das letzte war eine „natürliche Voraussetzung der Verkündigung" und notwendig schon um der Verständlichkeit willen. Nach Hirsch war diese Verbundenheit da gegeben, wo „zwei Menschen Blut und Schicksal in einen gemeinsamen irdischen Ring zusammengeschlossen" haben, was eine biologisch bedingte Volksgemeinschaft bedeutete. Umgekehrt fragte Hirsch, ob es nicht richtig sei, die Menschen, die diese Voraussetzungen nicht mitbrächten, von der Gemeinde auszuschließen54. So führt die homiletische Fragestellung von den Voraussetzungen des Verstehens des Evangeliums zur Befürwortung von Judengemeinden. Diese den Arierparagraphen unterstützende These vertrat Hirsch auch zwei Monate später in der niedersächsischen Zeitschrift der Deutschen Christen 55 . 52

BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 7 v o m 1 0 . 7 . 1 9 3 3 ( H . W e i d e m a n n , W a s i n d e r

evangelischen Kirche Bremens seit Ostern geschah). 53 F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 29. - Mitarbeiter der Bremer Kirchenzeitung waren die Pastoren Bode, Boche, Frick, Hartwich, Refer, Rosenboom, Schäfer, Schmidt-Bremerhaven und der Schriftleiter A. Manns (vgl. BREMER KIRCHENZEITUNG Nr. 6 vom 15. 1. 1932 und Nr. 7 vom 10. 7. 1933). 54 Ebd. (E. Hirsch, Freier Dienst am Evangelium). Hermann Wolfgang Beyer (12. 9. 1898-10. 3. 1943), 1926 Prof. für Kirchengeschichte in Greifswald, 1936 für Neues Testament in Leipzig, 2. 12. 1933 vom Reichsbischof zum Geistlichen Minister berufen, Anfang 1934 zurückgetreten. 55 E. HIRSCH lehnt jedoch die von radikalen Antisemiten vorgetragene These, daß die Abendmahlsgemeinschaft mit Judenchristen nicht möglich sei, scharf ab (Arier und Nichtarier).

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Ubergang von legaler zu illegaler Macht

Wichtig für die kirchliche Meinungsbildung in Bremen war ferner der Aufsatz von Professor Hermann Wolfgang Beyer-Greifswald „Um die wirkliche Neugestaltung der Kirche", in dem er bezweifelte, daß unter dem ersten Reichsbischof Friedrich von Bodelschwingh eine Reform der evangelischen Kirche durchgeführt werden könne. Nur ein Deutscher Christ würde dazu im Dritten Reich fähig sein. Die Wahl Bodelschwinghs (26./27. Mai) interpretierte Beyer als „Zeichen eines doch nicht ganz überwundenen Mißtrauens gegen die Neugestaltung unseres Volkes". Dies ist als politischer Vorwurf gegen die evangelische Kirche zu werten 56 . Wie im übrigen Reichsgebiet, so wurde in Bremen die wichtigste kirchenpolitische Entscheidung im Zusammenhang mit den für den 23. Juli 1933 angekündigten Kirchenwahlen getroffen. Aufgrund des Reichsgesetzes vom 14. Juli 1933 wurde am 19. Juli ein Erlaß des Kirchenausschusses über Neuwahlen in der Bremischen Evangelischen Kirche bekanntgegeben 57 . Über deren Durchführung hatte Pastor Pfalzgraf vom Kirchenausschuß als Stellvertreter des Präsidenten Quidde mit Reichsinnenminister Frick verhandelt. Es ist wahrscheinlich, daß Frick für die Deutschen Christen eingetreten ist. Die offizielle Vorbereitung der Wahlen blieb jedoch in den Händen des alten Kirchenausschusses58. Zu einer allgemeinen Kirchenwahl aber kam es in Bremen nicht. Nach den Bestimmungen des Reichskirchengesetzes sollten diejenigen kirchlichen Organe gewählt werden, die nach dem geltenden Landeskirchenrecht durch unmittelbare Wahl der kirchlichen Gemeindeglieder gebildet wurden. In Bremen hätte dies bedeutet, daß in den einzelnen Kirchengemeinden nach verschiedenen Kirchenordnungen auf unterschiedliche Weise hätte gewählt werden müssen. Aus wahltechnischen Gründen einigten sich die Gemeinden am 22. Juli 1933 auf Einheitslisten, was eine Wahl der Synode bzw. des Kirchentages überflüssig machte 59 . Der elfköpfige Kirchenausschuß wurde von dem ohne Wahlen entstandenen Kir6

® BREMER K I R C H E N Z E I T U N G N r . 7 v o m

1 0 . 7. 1 9 3 3 ( H . B e y e r , U m

die

wirkliche

Neugestaltung der Kirche). 57 F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 30. 58 Schreiben von Reichsinnenminister Frick an die Ev. Kirchenkanzlei vom 13. 7. 1933: Einladung zur Besprechung über die landeskirchlichen Neuwahlen am 14. 7. 1933. Dazu handschriftliche Bemerkung vom 13. 7. 1933 mittags, daß Pfalzgraf den Präsidenten Quidde in der Besprechung vertreten wird (LKA BREMEN, Β 201). Erich Pfalzgraf, geb. 25. 11. 1879 in Hünfeld, gest. 29. 11. 1937 in Bremen, 1905 ord., 1905 Seemannspastor in Shields (England), 1907 Pastor der deutschen Gemeinde in Hull (England), 1913 Prediger in Berlin, 1915-1937 Pastor am Dom in Bremen, 1933 Mitglied des Kirchenausschusses. u F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 31. 3·

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Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

chentag bei seiner ersten Zusammenkunft am 30. August 1933 gewählt. Entsprechend den Ergebnissen im ganzen Reich bekamen die Deutschen Christen im Kirchentag eine klare Mehrheit 60 . Das Kräfteverhältnis im neuen Kirchenausschuß - neun Deutsche Christen, ein Positiver, ein Liberaler - deutete eine DC-Hegemonie für die Zukunft der Bremischen Evangelischen Kirche an. In derselben Sitzung wurden Otto Heider, der sein Amt als Kommissar am 15. Juli niedergelegt hatte, zum Kirchenpräsidenten der Bremer Kirche und Weidemann zum Schriftführer, also zum ersten Geistlichen in Bremen, gewählt 61 . Die Freiheit der Abgeordneten im Kirchentag war allerdings äußerst gering: Als Gauobmann der Deutschen Christen hatte Weidemann nämlich an die deutsch-christlichen Mitglieder des Kirchentages eine Art „Abstimmungsbefehl" verschickt, in dem die Mitglieder des Kirchenausschusses schon vorgeschrieben waren: „Jeder Deutsche Christ ist verpflichtet, in der dargelegten Weise abzustimmen. Gegenanträge, welcher Art sie auch seien, sind abzulehnen." 62 Im Grunde war die Entscheidung aber schon durch die Einheitsliste getroffen. Die Gründe für den Erfolg der Deutschen Christen, besonders nach der anfänglich geringen Unterstützung, sind sichtbar. Wenigstens drei verschiedene Faktoren haben zu der Entwicklung beigetragen: erstens die Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche, zweitens das Verhältnis der Pastorenschaft zu dem aus der Weimarer Republik überkommenen demokratischen Wahlmodus und drittens die propagierten Verdienste der Deutschen Christen in den Verhandlungen über das Reichskirchengesetz63. Die liberale Kirchen Verfassung der Bremer Kirche, nach der die Gemeinden ihre verschiedenen Kirchenordnungen besitzen konnten, hatte die Durchführung einer allgemeinen Volkswahl erheblich erschwert. Für die Situation charakteristisch war jedoch, daß auch wenig Interesse für das demokratische Vorgehen bestand, wie die Abwehr „allen Parlamentarismus" in der Kirche seitens der 36 Pastoren im April gezeigt hatte. Ein Grund, warum man Ebd. « Ebd., S. 33. Schreiben Weidemanns an die Deutschen Christen im Bremer Kirchentag vom 25. 8. 1933 (LKA BREMEN, Β 205.25); ein ähnlicher „Abstimmungsbefehl" für die Kirchentagssitzung vom 24. 1. 1934 (B 208 II unter dem 20. 1. 1934); „Es ging ganz nach Vorschrift: - Der Kirchentag wählte..." (K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 16). Stoevesandt vergißt aber, daß die eigentliche Entscheidung durch die Einheitsliste am 22. 7. 1934 getroffen wurde. 63 Schreiben Weidemanns an die Bremer Bauherren vom 25. 9. 1933 (LKA BREMEN, 205.25). „Wiederholt mündlich und schriftlich" sollen die D C Bremens in der Frage von Laienführung und freier Pfarrerwahl für die geplante Reichskirche vorstellig geworden sein. Nach Auskunft Weidemanns sind die Bremer Vorschläge bei den Vorarbeiten für die Richtlinien der Reichskirche auch berücksichtigt worden.

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jetzt die Deutschen Christen nicht zu fürchten schien, war, daß Heider und Weidemann das Laienelement in den Reformverhandlungen betont hatten. Es war zu erwarten, daß dieser charakteristische Zug der Kirchenverfassung der Bremer Kirche in Zukunft seine Geltung bewahren würde. Um an die Macht zu kommen, bedurften die Deutschen Christen Bremens eigentlich nicht der nächtlichen Rede Hitlers in Bayreuth am 23. Juli als Wahlhilfe, wie die Glaubensbewegung D C im übrigen Reich. Die Einheitslisten standen in Bremen bereits am 22. Juli fest. Der Kirchentag ermächtigte den Kirchenausschuß, die Eingliederung der bremischen Kirche in die Deutsche Evangelische Kirche vorzubereiten. Er sollte die von dem im April gewählten Aktionsausschuß begonnene Arbeit fortsetzen. Am Schluß des bedeutsamen Kirchentages vom 30. August 1933 wurde eine Erklärung der „deutschen evangelischen Christen, die der Glaubensbewegung D C nicht angehören", abgegeben. Die „Bremer Kirchenzeitung" kommentierte: „Wenn das wirklich Sinn und Wille aller bisherigen Gegner der ,Glaubensbewegung' und ihrer kirchlichen Haltung ist, dann wäre mit diesem außerordentlichen Kirchentag die Bahn frei zu einer einmütigen Neuregelung der kirchlichen Verhältnisse in Bremen für eine wahre Volkskirche." 64 Die Interpretation zeigt, daß es in Bremen noch zur Zusammenarbeit der verschiedenen kirchenpolitischen Gruppen hätte kommen können. Die Unterstützung des von den Deutschen Christen gesteuerten Kurses war offensichtlich kurz vor den „Kirchenwahlen" sehr viel stärker als nach den Sportpalastereignissen am 13. November 1933. Durch diesen „Skandal" war nämlich die bekenntniswidrige Haltung der Glaubensbewegung D C bewiesen, die das Hauptargument gegen die Deutschen Christen in Bremen gebildet hatte. In den „Kirchenwahlen" war die Übermacht der D C sehr deutlich. Sie erhielten bei der Wahl zum Kirchenausschuß am 30. August 1933 ca. 80 % der Stimmen 65 . Zum „Kern des Widerstandes" dieser Zeit zählte Weidemann die 64

BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 8 u n d 9 v o m 1 0 . 9 . 1 9 3 3 ( K i r c h e i n d e r G e g e n -

wart); Anlage zum Protokoll der Kirchenausschuß-Sitzung vom 16. 8. 1933 (LKA BREMEN, Β 1 3 2 / 5 ) . 65 Bei den Juli-Wahlen erhielten die Deutschen Christen im ganzen Reich ca. 70 % der Stimmen (E. BETHGE, Bonhoeffer, S. 348); falsch meldete J. Gauger über das Ergebnis der Bremer Kirchenwahlen, daß am 23. 7. 1933 die D C in Bremen nur 51 % erzielt hätten (GAUGER I, S. 95); vgl. F. PETERS: „An Hand der im Einvernehmen mit der Glaubensbewegung Deutsche Christen zustandegekommenen Einheitslisten läßt sich schon so viel übersehen, daß die (Deutschen Christen' im Kirchentag mit etwa 70 bis 80 v. H. vertreten sein werden" (Zwölf Jahre Bremen, S. 31). Die Zahl 82 % entspricht der Sitzeverteilung im Kirchenausschuß.

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Pastoren der drei großen Gemeinden (insgesamt 13 Pastoren, ca. ein Viertel aller Pastoren), „die sich nicht der Glaubensbewegung D C angeschlossen" hatten. Sie gehörten zu den Positiven 66 . Ein ganz anderes Bild boten aber nach den Sportpalastereignissen die opponierenden Laienführer der Gemeinden, die „Bauherren". Es gab demnach nur 14 DC-Pastoren in der Pastorenschaft 67 . Obwohl die Kriterien der Klassifikation nicht sichtbar sind und die geschätzten Kräfteverhältnisse kaum genau sein können, hatten die Sportpalastereignisse offensichtlich die Glaubensbewegung in ihre erste große Krise geführt, in der viele die Reihen der Deutschen Christen verließen. Weidemann versuchte seine Anhänger zu überzeugen, daß die von Dr. Reinhold Krause im Sportpalast vorgetragenen Gedanken nicht der Grundhaltung der D C entsprächen. In seinem Situationsbericht „Ein kurzes Wort zur kirchlichen Lage" äußerte sich Weidemann: „Der Gauobmann von Groß-Berlin, Herr Dr. Krause, hatte hier eine Rede gehalten, in der er gegenüber dem Alten und Neuen Testament eine Haltung angenommen hatte, die für jeden evangelischen Christen untragbar ist." Im Sinne des „rechten" Flügels der Glaubensbewegung, die sich „für Wahrung des Bekenntnisstandes der Reformation" in den „Müllerschen" Richtlinien bekannt hatte, lehnte Weidemann den völkischen Kurs ab68. Auf der Herbsttagung der Glaubensbewegung D C (22.-24. November 1933 in Weimar), wo viele Pfarrer in SA-Uniform paradierten, war er kirchenpolitisch tätig. Ausgehend von der Grundhaltung der niedersächsischen Deutschen Christen bemühte er sich nun, die Fronten zu klären. Anscheinend mit Erfolg, denn in einem Tagungsbericht, vermutlich vom stellvertretenden Landesleiter der bayerischen DC, Greifenstein, geschrieben, hieß es: „Die Situation wurde uns am Abend im Kreise von norddeutschen Theologen durch ein Memorandum des Landesbischofs [!] von Bremen klar, das uns vorgelesen wurde. Darin wurde die Reichsleitung der Deutschen Christen aufgefordert, gegen die Reaktionäre von Bischöfen von Bayern, Württemberg und Baden durch die von ihnen beschützten Landesleitungen energisch einzuschreiten." 69 Auch Simon Schöffel, dem Bischof der Nachbarkirche Hamburg, warfen die bremischen Deutschen Christen vor, daß er „die Reaktion · · H . WEIDEMANN, W o r t , S . 7. 87

K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 21 f.

68

H . WEIDEMANN, W o r t , S . 1 0 ; K . D . SCHMIDT, B e k e n n t n i s s e 1 9 3 3 , S . 1 4 3 .

Β · Η . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 76. Während der Tagung war Weidemann noch offiziell nur Schriftführer der BEK. Hans Greifenstein, geb. 2. 11. 1883 in Erlangen, gest. 12. 8. 1959 in Nürnberg, 1913 Pfr. in Weißstadt, 1916 in Marktredwitz, 1928 in Nürnberg, 1934-1945 O K R in München.

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in der Reichskirchenleitung darstelle" 70 . Die Haltung Schöffeis bestärkte jedoch die opponierenden Kreise Bremens in der Abwehr deutsch-christlicher Vorwürfe, daß jeder, der ihrer Gruppe nicht positiv gegenüberstehe, kirchlich oder politisch untragbar sei 71 . In dem Bericht von Greifenstein wurde die zukünftige Kirchenpolitik der Deutschen Christen erläutert. Hossenfelder plane, „die Landesleitung in den einzelnen Kirchen mit Bischöfen der D C zu besetzen, um so die Wucht der D C durch die Autorität des Bischofsamtes zu verstärken" 72 . Bald darauf wurden diese Pläne in Bremen verwirklicht. Es gab Bestrebungen, die Autorität Weidemanns zu vergrößern. Im Kirchenausschuß wurde im Jahre 1933, seiner eigenen Anregung folgend, beschlossen, dem Kirchentag eine Vorlage zu unterbreiten, daß dem jeweiligen Schriftführer des Kirchenausschusses der Titel eines Landesbischofs verliehen werden solle 73 . Die Begründung dafür entsprang der neuen Situation der Reichskirche. Dieser Titel sollte dem führenden Geistlichen „eine repräsentativere Stellung" verleihen, „wie sie der Bedeutung der bremischen Landeskirche innerhalb der Reichskirche entspricht" 74 . Reichskirchenpolitische Faktoren förderten die Verlagerung der Macht in die Hände Weidemanns. Er selbst erklärte dies dem Mitglied des Vorstandes des Kirchenausschusses, Generalkonsul Hirschfeld, damit, daß Bremen als Zeichen seiner Selbständigkeit unbedingt einen „Landesbischof" brauche. Es bestünde sonst — wie Weidemann in Berlin erfahren hatte - die Gefahr einer Vereinigung der Bremischen Evangelischen Kirche mit der oldenburgischen Kirche 75 . H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 76. Simon Schöffel, geb. 22. 10. 1880 in Nürnberg, gest. 28. 5. 1959 in Hamburg, 1909 P f r . in Schweinfurt, 1922 Hauptpastor in Hamburg, 1933 Synodalpräses, 1933 Landesbischof, 1934 Rücktritt, 1946-1954 wieder Landesbischof in H a m burg. 7 1 K . STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 19. In einem Schreiben der nicht zu den D C gehörenden Bauherren, unterzeichnet von dem verwaltenden Bauherren der Stephani-Gemeinde, Nicolaus Freese, vom 5. 12. 1933 hieß es: „Wir verweisen hierbei auf die kürzliche Veröffentlichung des Herrn Reichsbischofs, in der Herr Reichsbischof den Hamburger Landesbischof Dr. Schöffel gegen gleiche Vorwürfe der nordwestdeutschen Gruppe der Deutschen Christen mit Nachdruck in Schutz nimmt" (ebd. S. 19 f.). 7 2 H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 76. 7 S Schreiben Hirschfelds-Bremen an Koopmann-Hannover vom 19. 12. 1935 ( A E K D , A 4/149). 7 4 Schreiben Kulenkampf-Paulis an Müller vom 5. 1. 1935 ( A E K D , A 4/149). Als Anlage der Gesetzentwurf über die Verleihung der Amtsbezeichnung „Landesbischof". 7 5 Hirschfeld stimmte dem Vorschlag Weidemanns zu. Später begründete er sein Nachgeben damit, daß er die höheren Kirchensteuern fürchte, die eine Eingliede70

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In dem Gesetzentwurf wurde ausdrücklich betont, daß mit der Verleihung des Titels „Landesbischof" keine „verfassungsrechtliche" Änderung des bisherigen Schriftführeramtes beabsichtigt sei. „Der Bremische Landesbischof ist also noch nicht Landesbischof im Sinne der Reichskirchengesetzgebung."76 Trotz dieser Vorbehalte ahnten manche Synodalen, wohin der Weg führen werde. Neue Einflußmöglichkeiten bekam Weidemann dadurch, daß er am 4. Oktober 1933 als Vertreter der Bremer Kirche zum Staatsrat ernannt wurde 77 . Gegen die Zentralisierung der Macht wehrten sich die Bauherren der 17 Gemeinden in einer Entschließung vom 18. September 1933, in der die Selbstverwaltung der Gemeinden unter Führung von Laien und die Aufrechterhaltung der seit vorreformatorischer Zeit bestehenden freien Pfarrwahl gefordert wurden. Die mehr oder weniger mit der Bekennenden Kirche sympathisierenden Gemeinden Stephani, St. Pauli, Jacobi, Unser Liebe Frauen versuchten, das Innenministerium über die Lage der Kirche zu informieren, baten aber vergebens um eine Unterredung 78 . In Berlin war schon geplant, daß Weidemann gemäß dem Hossenfelderschen Plan Landesbischof werden sollte. Die Machtbestrebungen Weidemanns wurden aber nicht von allen seinen Freunden akzeptiert. Der spätere Pastor prim, der Gemeinde Unser Liebe Frauen, Gustav Wilken, seit 1927 in der Gemeinde tätig, wollte seinen Aufstieg verhindern. Seinem Freund, dem stellvertretenden Leiter der Glaubensbewegung DC, Pfarrer Fritz Loerzer, teilte er mit, daß sich Theologen aus Bremen in Berlin anbieten würden, die „weder die theologisch-repräsentativsten, noch die menschlich-charaktervollsten" wären 79 . Für Hossenfelder war Weidemann aber geeignet, in Bremen das DC-Kirchenregiment nach dem Führerprinzip zu errichten. In einem Gespräch mit seinem früheren Freund Wilken sagte Weidemann, daß er von Hossenfelder zum zukünftigen Landesbischof von Bremen designiert sei, und er bat rung mit sich bringen würde (AEKD, A 4/149). Oldenburg 10-15 % Kirchensteuern, Bremen 7 - 8 %. 7 · Schreiben Kulenkampf-Paulis, Anlage 1 (vgl. Anm. 74). 77

78

erhielt

derzeit

F . PETERS, Z w ö l f J a h r e B r e m e n , S . 3 6 ; L K A BREMEN, Β 2 0 5 . 2 5 .

K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 24. 79 Schreiben Wilkens an den Verfasser vom 22. 2. 1970. Wilken hatte Weidemann früher u. a. durch Lesen der Korrektur der Molanus-Biographie geholfen (vgl. Bd. II, Vorwort). Gustav Wilken, geb. 11. 9. 1889 in Altefähr/Rügen, 1922 ord., 1922 Pastor in Büssow/Neumark, 1927-1959 an Unser-Lieben-Frauen-Gemeinde. Fritz Loerzer, geb. 27. 7. 1893 in Berlin, gest. 21. 7. 1952 in Farchant, 1923 Pfr. in Falkenstein bei Friedeberg, 1928 in Berlin, 1933 O K R in Berlin, 1933-1936 Propst der Kurmark, 1936-1939 OKR in Magdeburg, April bis Ende 1939 O K R in Berlin, 1940-1945 Kriegsdienst, 1945-1948 Hilfsarbeiter in Farchant, 1949 erwerbslos.

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ihn mitzumachen, worauf W i l k e n v o n seinem Brief an Loerzer erzählte 8 0 . D i e beiden Gesetzentwürfe über die Verleihung der Amtsbezeichnung „Landesbischof" und über die Ermächtigung des Kirchenausschusses spitzten die Kontroverse auf dem Kirchentag v o m 24. Januar 1 9 3 4 zu. Heiders und Weidemanns Ziel w a r es, unbegrenzte Befugnisse für den Kirchenausschuß zur Neuregelung der kirchlichen Verhältnisse in Bremen zu erlangen. Zusammen mit der Autoritätszunahme Weidemanns als „Bischof" hätte dies die legale Grundlage einer kirchlichen E i n - M a n n - H e r r s c h a f t bedeutet. A u f d e m Kirchentag am 30. August 1933 w u r d e d e m Kirchenausschuß das Recht verliehen, „eine neue Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche sowie deren Eingliederung in die Deutsche Evangelische Kirche vorzubereiten". In d e m Gesetzentwurf über die Ernennung des Kirchenausschusses zur „Bremischen Kirchenregierung" waren die Rechte des Kirchenausschusses wesentlich erweitert 8 1 . D a m i t waren d e m Kirchenausschuß (neun D C , z w e i N i c h t D C ) die kirchenrechtlichen Voraussetzungen gegeben, eine H e r r schaft der Deutschen Christen einzurichten. D i e opponierenden G e meinden forderten dagegen die Bildung eines neutralen Ausschusses

80 Vgl. Anm. 79. Im Jahre 1934 wurde Wilken wegen einer gegen HJ und BDM gerichteten Predigt von der Gestapo verhaftet. Weidemann selbst versuchte jedoch nicht, seinem früheren Freund Schwierigkeiten zu bereiten, sondern diskutierte sogar mit ihm - wahrscheinlich um die Meinung der Opposition zu hören - über kirchenpolitische und theologische Entscheidungen. Nach der Haftentlassung Wilkens überlegte die weltliche Leitung seiner Gemeinde Unser Lieben Frauen, ob es nicht ratsam sei, einen „politisch einwandfreien" Pastor anstelle des emeritierten, politisch deutschnationalen prim. Groscurth zu berufen (nach Information des Betroffenen). Statt Wilken wurde nun der Direktor der Inneren Mission aus Berlin, D. Walter Jeep gewählt, der Mitglied der NSDAP war. Dies zeigt, daß auch Unser Lieben Frauen, die später die führende Rolle in den Auseinandersetzungen um Weidemann spielte, in dieser Phase den Nationalsozialismus öffentlich nicht ablehnen wollte. Dagegen war für sie wichtig, daß der Gemeindepastor die „DC-Irrlehre strikt" ablehnte (vgl. K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 21). Die Wahl Jeeps am 31. 3. 1934 war die letzte freie Pastorenwahl. Bis zum Zusammenbruch 1945 wurden dann alle vakanten Predigerstellen durch die Kirchenregierung besetzt (F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 50). Reinhard Groscurth, geb. 10. 10. 1866 in Iserlohn, gest. 1. 1. 1949 in Bremen, 1892 ord., 1893 Prediger an der deutschen Gemeinde in Brüssel, 1894 Pfr. in Lüdenscheid, 1902-1934 Pastor an Unser-Lieben-Frauen-Gemeinde und Garnisonsprediger, Mitglied des Kirchenausschusses. Walter Jeep, geb. 13. 4. 1878 in Harzburg, gest. 5. 2. 1964 in Bremen, 1909 ord., 1922 Vereinsgeistlicher der Inneren Mission in Braunschweig, 1933 Leitender Direktor des Zentralausschusses für die Innere Mission in Berlin, 1934-1945 Pastor an Unser-Lieben-Frauen-Gemeinde. 81 Vgl. Anm. 74.

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Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

und den Ausschluß Weidemanns als Voraussetzung der „Befriedung". Die Gesetzentwürfe wollten sie als „übereilt" ablehnen 82 . Der für Konfliktfälle in der Kirchenverfassung vorgesehene Vertrauensausschuß erklärte, daß die Verhandlungen über beide Vorlagen unzulässig seien. Obwohl im Landesbischofsgesetz keine verfassungsrechtlichen Änderungen an der Stellung des Schriftführers beabsichtigt waren, hätte das Gesetz eine den anderen Bischöfen vergleichbare — den bremischen Pastoren übergeordnete - Stellung geschaffen. Dem Schriftführer würden nämlich alle die Befugnisse zufallen, die von der Reichskirche in Zukunft den Landesbischöfen übertragen werden sollten. Somit stand die Besonderheit der bremischen Kirchenverfassung, das Laienelement, das Weidemann auf Reichsebene für andere Landeskirchen empfohlen hatte, gegen sein eigenes Machtstreben. Der Vertrauensausschuß stellte nämlich zusammenfassend fest: „Endlich ist zu beachten, daß der ,Landesbischof' nicht mit der Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche in Einklang zu bringen ist. Wo ein Landesbischof ist, ist er die Spitze der Kirchenregierung; in Bremen steht aber an der Spitze ein Laie als Präsident." Mehr als ein Viertel des Kirchentages stimmte diesem Votum zu, wodurch die beiden Gesetzentwürfe erst wieder nach einem Jahr auf die Tagesordnung hätten gelangen können 83 . Da der Aufbau des DC-Kirchenregiments hierdurch bedroht war, griff Präsident Heider ein und löste den Kirchentag mit einer dramatischen Rede auf, in der er u. a. sagte: „Wir Nationalsozialisten haben stets den Führergedanken herausgestellt . . . Wir können und wollen kein Gebiet des Lebens innerhalb unseres Volkes unbeachtet lassen und wir können unmöglich dulden, daß unser Volk, kaum geeinigt, durch theologische Streitereien wieder auseinandergerissen wird. Es ist gar keine Frage, daß die ganzen theologischen Streitereien getarnte Angriffe gegen den nationalsozialistischen Staat bedeuten. Sämtliche Gemeindeordnungen und sämtliche Organe der Kirche sind hiermit außer K r a f t gesetzt. In jeder Gemeinde ist der verwaltende Bauherr für die Gemeinde persönlich verantwortlich. Wir wollen das Führerprinzip auch in der Kirche. Die verwaltenden Bauherren sollen die Leiter der Gemeinden sein. Die verwaltenden Bauherren bestätige ich hiermit, außer denen von St. Martini und St. Stephani. Diese haben ihr Wort gegenüber den D C gebrochen. Leute, die nicht Treue und Glauben achten, sind gerade nicht würdig, in der Kirche führend mitzuwirken. Wer mit den Maßnahmen des Reichsbischofs nicht einverstanden ist, hat um der Ruhe und Ordnung in der Kirche und Staat willen die vorgesehene Strafe zu gewärtigen. Der 82 83

K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 24. Ebd. S. 25; vgl. auch Anm. 74 und 75.

Übergang von legaler zu illegaler Macht

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Kirchentag wird hiermit aufgelöst; dessen Funktion übernehme ich. Der Kirchenausschuß mag als beratender Ausschuß bestehen bleiben. Ich schließe hiermit den Kirchentag." 84 Die von Heider vorgelegte Legitimation für diese Maßnahmen war ein einfaches Schreiben des Reichsbischofs vom 21. Januar 1934 aus Braunschweig, in dem er den Präsidenten der bremischen Kirche ermächtigte, alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig seien, die im Sinne der DC-Herrschaft verstandene Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Auf dieses Schreiben, das nicht einmal im Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche veröffentlicht wurde, gründete Heider im Gesetzblatt der Bremischen Evangelischen Kirche Nr. 1/1934 die Übertragung des Führerprinzips auf die Landeskirche. Nach der Reichskirchenverfassung hatte der Reichsbischof zu derartigen Ermächtigungen kein Recht. Es fehlten die im Artikel 2 vorgesehenen, durch Gesetz zu erlassenden „einheitlichen Richtlinien", und der Eingriff in die Verfassung der Landeskirche durch die Reichskirche war dementsprechend rechtswidrig 85 . Müller versuchte in einer nachträglich am 8. Februar 1934 erlassenen Rechtsverordnung, die keinen verfassungsändernden Charakter besaß, Heiders Maßnahmen Rechtsgültigkeit zu verleihen 86 . Mit Hilfe der moralischen Wirkung des reichsbischöflichen Eingreifens und der scheinbaren Legalität seines Vorgehens baute Heider die Bremer Kirche nach dem Führerprinzip auf. Durch Verfügung vom 27. Januar 1934 berief er Weidemann zu seinem Stellvertreter und verlieh ihm den Titel des Landesbischofs. Am 31. Januar 1934 verpflichtete Heider die Pastoren durch Handschlag auf den Reichsbischof und die Führung der Bremischen Evangelischen Kirche 87 . In einem Protestschreiben im Namen der Gemeinden Stephani, Wilhadi, Immanuel, Unser Liebe Frauen, Martini, Pauli, Hohentor, Zion, Friedenskirche, Jacobi, Ansgari, Remberti beantragten die verwaltenden Bauherren von Stephani, Nicolaus Freese, und Unser Liebe Frauen, Dr. Kulenkampf-Pauli, die sofortige „Zurücknahme der in Bremen verkündeten Ermächtigungsverordnung des Reichsbischofs" mit der Begründung, daß im kirchlichen Leben kein die Gewaltmaßnahmen rechtfertigender Notstand herrsche. In einem Schreiben vom 9. 84

K. REFER, Kampf; K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 26. Vgl. Anm. 74. - „Die Deutsche Evangelische Kirche gliedert sich in Kirchen (Landeskirchen) . . . Die Deutsche Evangelische Kirche kann den Landeskirchen für ihre Verfassung, soweit diese nicht bekenntnismäßig gebunden ist, durch Gesetz einheitliche Richtlinien geben" (Verfassung der D E K vom 11. 7. 1933, Artikel 2, Absatz 1 und 4; KJ 1933-44, S. 27). 86

88

GESETZBLATT DER D E K

1934, N r . 4, S. 7 ; v g l . a u c h A n m . 7 4 ; K .

Bekennende Gemeinde, S. 27. 87

E b d . , S. 2 6 ; K . REFER, K a m p f , S. 51.

STOEVESANDT,

44

Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

März 1934 wies Müller diese Anträge mit dem Hinweis auf seine Verordnung vom 8. Februar 1934 zurück 88 . Fragt man sich, was dem Reichsbischof die äußere Veranlassung gegeben hatte, Heider am 21. Januar 1934 zur Durchführung des Führerprinzips zu ermächtigen, muß man den früheren Plan Heiders, das Verhältnis zwischen Deutscher und Bremischer Evangelischer Kirche zu regeln, aber auch die Absichten der opponierenden Gemeinden betrachten. Schon bald nach seiner Wahl zum Präsidenten am 30. August 1933 hatte Heider versucht, das Verhältnis der Bremer zur Deutschen Evangelischen Kirche im Sinne des Führerprinzips zu regeln. Die Eigenart des Bekenntnisstandes und die „politische Stellung des Bremer Staates" erforderten nach Heider, daß „nur die ,Reichsunmittelbarkeit', d. h. eine selbständige Leitung und Verwaltung, die nur dem Reichsbischof unterstand, in Betracht kommen" konnte 89 . Der Führer der Deutschen Evangelischen Kirche wäre damit der einzige Vorgesetzte des Präsidenten der Bremer Kirche geworden. Müller scheint auch nach diesem Schema gehandelt zu haben 90 . Im Kirchengesetz vom 13. Juni 1934, die Übertragung der Befugnisse der Organe der Bremer auf die Deutsche Evangelische Kirche betreffend, wurde die Kirchenhoheit - soweit sie nicht Bekenntnis und Kultus betraf — von Heider an die Reichskirche übergeben91. In einer von Heider einberufenen Versammlung der Gemeindeführer wurde das Eingliederungsgesetz bekanntgemacht. Dabei lehnte Dr. Kulenkampf-Pauli das Gesetz aus kirchenpolitischen und rechtlichen Gründen öffentlich ab. Es fand jedoch die Zustimmung des Kirchenausschusses und konnte nach der „Anhörung" den Gemeindeführern bekanntgegeben werden 92 . Das Reichsgesetz vom 15. Juni 1934 bestätigte diese Maßnahmen und wiederholte im § 1 die Sätze der bremischen Verordnung. Die §§2 und 3 enthielten die Neuregelung über die Leitung der Bremi88

K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 27. Schreiben Heiders an die D E K , nach dem 30. 8. 1933 (LKA BREMEN, Β 201). 90 Schreiben Müllers an Heider v o m 8. 2. 1934 (LKA BREMEN, Β 201): Müller verspricht H i l f e an Heider, um ihn „gegen alle Angriffe zu sichern". 91 § 1 lautete: „Die Befugnisse des Kirchenpräsidenten, des Kirchenausschusses und des Kirchentages werden auf die D E K mit der Ermächtigung übertragen, auch verfassungsändernde Kirchengesetze zu erlassen. Der Reichsbischof kann dem Kirchenpräsidenten und dem Landesbischof Weisungen erteilen" (BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 7 v o m 8. 7. 1934: Eingliederung der Bremischen Evangelischen Kirche in die Reichskirche); vgl. auch K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 28 f f . : F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 56. 89

92

BREMER K I R C H E N Z E I T U N G N r . 7 v o m 8 . 7 . 1 9 3 4 .

Reinhold Kulenkampf-Pauli, Rechtsanwalt, 1926-1935 Bauherr (1934 „Gemeindeführer") an Unser-Lieben-Frauen-Gemeinde.

Ubergang von legaler zu illegaler Macht

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sehen Evangelischen Kirche. Der Kirchentag als Landessynode sollte nun aus dem Kirchenpräsidenten, dem Landesbischof und aus zwölf gewählten und sechs ernannten Mitgliedern bestehen. Die bisherigen Mitglieder des Kirchenausschusses wurden von den Gemeindeführern als Vertreter zur Synode am 26. Juni 1934 gewählt 93 . Als neue Mitglieder traten die Pastoren Lange und Rahm von den Deutschen Christen und Gemeindeführer Hans Mose zur Gruppe. Vom Präsidenten wurden ernannt: Bürgermeister Westphal (Vegesack), Pastor Refer, Rechtsanwalt Dr. Tellmann, August Sarkander, der Fabrikant Wilhelm Rinau und Direktor Roffhack 94 . Am 15. Juni 1934 folgte die offizielle Eingliederung der Bremischen in die Deutsche Evangelische Kirche durch einen feierlichen Akt im Konventsaal der Börse in Anwesenheit des Reichsbischofs Ludwig Müller und des Ministerialdirektors Dr. Jäger. In seiner Rede begründete Jäger die Eingliederung mit dem Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Staates, der auf allen Lebensgebieten zur Geltung gebracht werden sollte. Allerdings sollten diese Ansprüche an die Kirche nicht im „geistlichen Sinne" verstanden werden, denn der „Glaubensstand" sollte „stets unverändert und unangetastet in voller Kraft erhalten bleiben". Sie galten nur „im irdischen Sinne..., um der Kirche die Gelegenheit zu geben, ihrer Aufgabe..., der Verkündigung, gerecht zu werden". Eine vereinfachende Interpretation 93

BREMER KIRCHENZEITUNG Nr. 7 vom 8. 7. 1934. - Es handelte sich um Dr. Steengrafe, C. E. Meyer, Pfalzgraf, Vietor, Finke, Seidler, van Scharrel, Thyssen, Dr. Junker. Carl Eduard Meyer, Kaufmann und Bankier, 1935-1941 Mitglied und Schatzmeister des Kirchenausschusses. Heinrich Finke, Rechtsanwalt, 1934-1937 Mitglied des Kirchenausschusses. Hermann Junker, Studienrat in Bremerhaven, 1934-1941 Mitglied des Kirchenausschusses, Juni 1934 als Vertreter Bremerhavens Mitglied des Kirchentages. 94

BREMER K I R C H E N Z E I T U N G N r . 7 v o m 8 . 7 . 1 9 3 4 .

Karl Willy Lange, geb. 31. 12. 1885 in Jüterbog, gest. 5. 8. 1943 in Bremen, 1913 Pastor in Bremen, 1933-1938 Mitglied der Rechtskammer der Kirchenleitung. Hans Mose, Prokurist, „Gemeindeführer" an St. Pauli-Zion-Gemeinde, 1934-1937 Mitglied des Kirchenausschusses, Juni 1934 Mitglied des Kirchentages. Lothar Westphal, Bürgermeister von Vegesack, Bremischer Staatsrat, 1934-1937 Mitglied des Kirchentages. Arend Tellmann, Rechtsanwalt, 1934-1937 Mitglied des Kirchenausschusses, Juni 1934 Mitglied des Kirchentages. August Sarkander, Oberlehrer, 1934 Mitglied des Kirchenausschusses, Juni 19341937 Mitglied des Kirchentages. Wilhelm Rinau, Fabrikant, 1934 Mitglied des Kirchenausschusses, Juni 1934-1935 Mitglied des Kirchentages. Kurt Roffhack, geb. 19. 9. 1872 in Saargemünd, gest. 13. 12. 1938 in Bremen, seit 1906 Regierungsrat bei der Polizeidirektion, 1909 Syndikus des Senats, 1918 Vorstand der Bremer Straßenbahn, 1927-1936 verwaltender Bauherr der Friedensgemeinde in Bremen.

Auf dem Weg zum DC-Kirchenregiment

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der Zwei-Reiche-Lehre half, diesen Gedanken scheinbare Legitimität zu verleihen und verschleierte die Unmöglichkeit der Trennung der weltlichen und geistlichen Bereiche unter einer totalitären Herrschaft. In seiner Rede versuchte Weidemann, die Besonderheit und Vorbildlichkeit der bremischen Kirche unter den Landeskirchen herauszustellen. Was früher als Mangel empfunden worden war, nämlich die Uneinigkeit im Bekenntnis und in der Verfassung zwischen lutherischen, reformierten und unierten Gemeinden, sollte nun Verdienst sein. Die Bremische Evangelische Kirche war ein Zusammenschluß verschiedener Gemeindeverfassungen und Bekenntnisse und deswegen „einfach evangelisch..., wie die große Reichskirche evangelisch sein soll" 95 . Weidemann versuchte den Eindruck zu erwekken, daß die Bremer Kirche unter diesem Gesichtspunkt die Reichskirche im Kleinformat darstelle. Als die Nachricht von den Morden an den in die Röhm-Affäre verwickelten SA-Führern am 30. Juni 1934 die Öffentlichkeit erschütterte, feierte Bremen die Einführung des deutsch-christlichen Landesbischofs. Es war nicht mehr die Rede vom Bischofs-Titel, sondern Weidemann wurde von Reichsbischof Müller in das Bischofsamt eingeführt, zur Treue in seinem Amt verpflichtet und mit einem Amtszeichen versehen, ohne daß die Verfügung über die Verleihung des „Titels" Landesbischof an den Schriftführer der Bremer Evangelischen Kirche abgeändert wurde 96 . In der im Dom stattfindenden Einführungsfeier predigte Weidemann über das Bibelwort: „Der Glaube ist nicht jedermanns Ding" (Gal 5,6). Am Abend fand eine Kundgebung auf der Domsheide statt 97 . Äußerlich schienen die Deutschen Christen ihr Ziel in Bremen erreicht zu haben. Soweit die Maßnahmen Heiders in Bremen nur auf dem Machtwort Müllers vom 21. Januar 1934 und auf dessen nachträglicher rechtswidrigen Bestätigung beruhten, mußten Heider und Weidemann sich in ihrer Position unsicher fühlen. Am 6. November 1934 forderten die Landesbischöfe Meiser, Wurm, Marahrens und Zänker, die Bruderräte und die diakonischen Verbände zusammen mit 130 Professoren theologischer Fakultäten den Rücktritt Müllers. Dem 95

BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 7 v o m 8. 7 . 1 9 3 4 .

August Jäger, geb. 21. 8. 1887 in Diez/Lahn, hingerichtet 17. 6. 1949 in Posen, 1921-1933 Landgerichtsrat in Wiesbaden, 1933 ins preußische Kultusministerium berufen, 24. 6.-15. 7. 1933 Staatskommissar für die preußischen Landeskirchen, 12. 4.-26. 10. 1934 „Rechtswalter" der DEK, dann Senatspräsident beim Kammergericht in Berlin, 1939 Stellvertreter des Reichsstatthalters in Posen. 86 Vgl. oben Anm. 74; K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 31; F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 58. 97

K I R C H E UND VOLKSTUM IN NIEDERSACHSEN N r . 1 3 v o m 1. 7. 1 9 3 4 ( E i n f ü h r u n g

des Landesbischofs).

Übergang von legaler zu illegaler Macht

47

Schloß sich die Unser Liebe Frauen-Gemeinde öffentlich an 98 . Als Weidemann die Gemeindeführer zum Gehorsam gegenüber Müller zwingen wollte, forderten diese zusätzlich auch die Rückkehr der Bremischen Evangelischen Kirche zum Zustand vor dem Kirchentag vom 24. Januar 1934. So wurde Müllers Verbleiben als Reichsbischof für die bremische DC-Kirchenregierung zur conditio sine qua non. Die gesamte spätere Kirchenpolitik Weidemanns ist aus dieser Abhängigkeit seiner eigenen Position von Müllers reichsbischöflicher Stellung zu verstehen. Eine bessere rechtliche Grundlage seiner Kirchenregierung suchte Heider durch einen Verfassungsentwurf zu schaffen, der durch eine von ihm eingesetzte Kommission ausgearbeitet wurde und den er kurz vor Weihnachten 1934 den Gemeinden übergab". Das darin enthaltene Führerprinzip wurde von einem von Bremer oppositionellen Juristen gebildeten, inoffiziellen Gremium entlarvt und abgelehnt 100 . Später setzte eine private Arbeitsgemeinschaft der bremischen Pastoren einen Ausschuß mit dem Auftrag ein, einen neuen Verfassungsentwurf vorzubereiten. In diesem Ausschuß wirkten die Vertreter der kirchlichen Mitte mit den Deutschen Christen harmonisch zusammen, während die Pastoren der Bekennenden Kirche eine Mitarbeit grundsätzlich ablehnten. Der daraus entstandene Entwurf D wurde jedoch in der Vollsitzung der Arbeitsgemeinschaft abgelehnt und ein wesentlich den Bestimmungen des Entwurfs C der Kirchenregierung folgender Entwurf Ε angenommen 101 . Diese Verhandlungen führten aber nicht zu konkreten Ergebnissen, und als Heider am 2. November 1936 sein Amt niederlegte, fehlte noch immer eine neue Verfassung 102 . So war Weidemann auf fortdauernde Abhängigkeit vom Reichsbischof angewiesen. 88

G A U G E R I I , S. 3 6 5 f f .

Hans Meiser, geb. 16. 2. 1881 in Nürnberg, gest. 8. 6. 1956 in München, 4. 5. 1 9 3 3 - 1 . 5. 1955 bayerischer Landesbischof. Theophil Wurm, geb. 7. 12. 1868 in Basel, gest. 28. 1. 1953 in Stuttgart, 1 9 2 9 - 1 9 5 3 württembergischer Landesbischof ( 1 9 2 9 - 1 9 3 3 mit dem Titel Kirchenpräsident). August Marahrens, geb. 11. 10. 1875 in Hannover, gest. 3. 5. 1950 in Loccum, 1 9 2 5 - 1 9 4 7 hannoverscher Landesbischof. Otto Zänker, geb. 29. 6. 1876 in Herzkamp/Westfalen, gest. 30. 1. 1960 in Bielefeld, 1921 Generalsuperintendent von Breslau und Oberschlesien, 1933 bis zur Absetzung 1941 Bischof von Schlesien. 9 0 Schreiben Otto F. Leists an den Reichskirchenausschuß vom 28. 12. 1935 ( A E K D , A 4/149). Die früheren Entwürfe Α und Β sind nicht veröffentlicht und unbekannt geblieben. 1 0 0 Ebd.; K . STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 39 f. 1 0 1 Vgl. Anm. 99. 1 0 2 F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 113.

Kapitel 2

D I E BREMER D E U T S C H E N C H R I S T E N U N D DIE REICHSBEWEGUNG

1. Die Deutschen Christen bis zum Scheitern der Kirchenpolitik Reichsbischofs

des

Die Deutschen Christen waren keine einheitliche Bewegung, weder in ihrer Entstehung als kirchenpolitische Partei in den verschiedenen Landeskirchen noch in bezug auf die späteren Konzeptionen der verschiedenen Gaugruppen. Die Uneinheitlichkeit der Bewegung kommt in ihren Anfängen zum Vorschein. Mehr als ihre Nachfolgeorganisationen entstand die erste deutsch-christliche Bewegung in Thüringen Ende der 20er Jahre von „unten" durch die völkisch-kirchliche Tätigkeit der nationalsozialistisch orientierten Pfarrer Siegfried Leffler und Julius Leutheuser. Im Wieratal, wo sie in Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Lehrerkreis Interesse an der Kirche zu erwecken suchten, waren antikirchliche und antichristliche Freidenker meistens kommunistisch oder sozialdemokratisch organisiert 1 . Der Gedanke, von einer Rechtspartei Hilfe zu erlangen, lag den alten Freikorpskämpfern Leffler und Leutheuser deswegen nahe. Die N S D A P schien ihnen und vielen ihrer Kameraden dazu am besten geeignet. Später kam es tatsächlich zur Zusammenarbeit mit dieser Partei. Ohne Gewicht auf dogmatische Fragen zu legen, gelang es ihnen allmählich, mit Hilfe ihres volkstümlichen und der Jugendbewegung entlehnten Stils starken Einfluß bei Bauern, Handwerkern und Arbeitern zu gewinnen2. Bei den Kirchengemeindevertreterwahlen in Altenburg im November 1931 traten die Thüringer „Deutschen Christen" offiziell mit eigener Liste hervor. Die parteipolitisch-taktischen Interessen der N S D A P an den Kirchenwahlen der Altpreußischen Union im November 1932 ließen da1 H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 17 ff. Julius Leutheuser, geb. 9. 12. 1900 in Bayreuth, gefallen in Stalingrad 22. 11. 1942, 1925 Hilfsgeistlicher in Augsburg, 1928 Pfr. in Flemmingen/Thüringen, 1. 4. 1933 O K R und hauptamtliches Mitglied des Landeskirchenrats in Eisenach. 2

H . B A I E R , D e u t s c h e C h r i s t e n B a y e r n s , S . 1 7 f f . ; KOMMENDE K I R C H E N r . 4 5 v o m

7. 11. 1937 (Pfarrer im Freikorps). Dem Freikorps E p p gehörten nicht weniger als 99 bayerische Pfarrer an.

Bis zum Scheitern der Kirchenpolitik des Reichsbischofs

49

gegen die Glaubensbewegung „Deutsche Christen" von „oben" entstehen. Die von Pfarrer Joachim Hossenfelder „im Auftrage" der NSDAP am 6. Juni 1932 gegründete und von dem Leiter der nationalsozialistischen Fraktion im Preußischen Landtag, Wilhelm Kube, unterstützte Organisation Glaubensbewegung „Deutsche Christen" wurde von der Reichsparteileitung anerkannt und gewann bald Mitglieder aus „oberen" sozialen Schichten, ζ. B. Universitätsprofessoren 3 . Im Gegensatz zu den schon vor 1933 nationalkirchlich orientierten Thüringer Deutschen Christen war das große Ziel dieser Organisation die Einrichtung der lutherisch geprägten Reichskirche, in der die Theologie „deutschem Luther-Geist und heldischer Frömmigkeit" entsprechen sollte. In den ersten Richtlinien Hossenfelders war die antisemitische Haltung viel stärker ausgeprägt als in späteren Richtlinien 4 . Nach dem Anschluß der Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen an die Glaubensbewegung Deutsche Christen gab es als wichtigsten Gegenpol zur Hossenfelderschen Auffassung noch die Konzeption des ostpreußischen Führers der Deutschen Christen und späteren Reichsbischofs Müller. Während Hossenfelder glaubte, die Kirche mit kirchenpolitischen Mitteln schlagartig in den Griff bekommen zu können, befürwortete Müller eine allmähliche Umwandlung und Gleichschaltung als Mittel zum Aufbau einer Reichskirche. Deutlich wurde der Unterschied in den von den Professoren Fezer, Hirsch und Goeters Anfang Mai 1933 entworfenen neuen „Müllerschen" Richtlinien, in denen die früheren antijudaistischen und völkisch-politischen Töne fehlten. Dagegen wurde der Aufbau der Reichskirche unter „völliger Wahrung des Bekenntnisstandes der Reformation" als Ziel gesetzt5. Als Müller später nach dem harten, mit Hilfe der Partei geführten Wahlkampf und den Kirchenwahlen (23. Juli 1933) sein Ziel erreichen konnte und am 27. September 1933 in Wittenberg zum Reichsbischof gewählt wurde, wollte er seinen Sieg als Wende und kirchenpolitischen Neuanfang verstanden wissen. „Das Alte geht zu Ende. Das Neue kommt herauf. Der kirchenpolitische Kampf ist vorbei. Der Kampf um die Seele des Volkes be3 Vgl. K. MEIER, Deutsche Christen, S. 2 ff.; H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 17 ff.; J. WRIGHT, Über den Parteien, S. 146 ff. 4 Abgedruckt bei K. D. SCHMIDT, Bekenntnisse 1933, S. 135. 5 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 58; K. SCHOLDER, Kapitulation, S. 195; K. D.

SCHMIDT, B e k e n n t n i s s e 1 9 3 3 , S . 1 4 3 f .

Ludwig Müller, geb. 21. 6. 1883 in Gütersloh, Selbstmord 31. 7. 1945 in Berlin, 1926-1933 Wehrkreispfarrer in Königsberg, 4. 8. 1933 preußischer Landesbischof, 27. 9. 1933 Reichsbischof, seit Ende 1935 ohne Befugnisse. Karl Fezer, geb. 18. 4. 1891 in Geislingen, gest. 13. 1. 1960 in Stuttgart, seit 1929 Prof. für Praktische Theologie in Tübingen. Wilhelm Goeters (1878-1953), seit 1913 Prof. für Kirchengeschichte in Bonn. 4

Heinonen, Anpassung

Bremer Deutsche Christen und Reichsbewegung

50

ginnt."® Zwar waren die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen nicht zu Ende, aber die neue Leitung der Reichskirche betonte jetzt den Gedanken der Volksmission. Als Mitglied des Geistlichen Ministeriums folgte Hossenfelder nun der von Müller verkündigten neuen Linie und erließ einen Aufruf zur Volksmission, der als Sofortprogramm galt. Den unzufriedenen völkischen Kreisen versicherte Hossenfelder: „Keinen Fußbreit werden wir von unserer alten Linie abweichen. . n u r die Methode hat sich geändert." 7 Dieser Versuch, das Vorhandensein heterogener, unversöhnlicher deutsch-christlicher Auffassungen zu verschleiern, gelang Hossenfelder bis zur Sportpalastkundgebung vom 13. November 1933, die eigentlich als Auftakt einer großen Werbekampagne geplant war, aber zum „Skandal" wurde und die Zersplitterung der Bewegung bedeutete. Der radikal völkisch orientierte Teil der Bewegung löste sich mit dem Berliner Gauobmann Krause völlig aus jeder kirchlichen Verbindung und bildete die Deutsche Glaubensbewegung. Unter dem Namen „Kirchenbewegung Deutsche Christen" machten sich jetzt auch die Thüringer D C selbständig. Besonders die Austritte der akademischen Anhänger aus der Glaubensbewegung waren alarmierend. Der Bewegung treu blieb u. a. Professor Emanuel Hirsch 8 . Die von Hossenfelder propagierte Volksmission hatte durch die Sportpalastereignisse ihre Überzeugungskraft verloren. Der Neuanfang kam aus Sachsen, dessen am 13. Dezember 1933 förmlich aus der Glaubensbewegung ausgeschiedene und zur „Volksmissionarischen Bewegung Sachsens (Deutsche Christen)" umbenannte DCGruppe mit der Landeskirchenleitung eine enge Arbeitsgemeinschaft bildete. Als Landesbischof und Leiter der DC-Bewegung gelang es Friedrich Coch am 10. Dezember 1933, die von Oberkirchenrat Dr. Walter Grundmann verfaßten „28 Thesen der sächsischen Volkskirche zum inneren Aufbau der Deutschen Evangelischen Kirche" in der Landessynode durchzusetzen. Damit hatte die Landeskirche nicht nur eine gemeinsame Leitung mit den Deutschen Christen, sondern auch gemeinsame Leitsätze für die kirchliche Arbeit 9 . • Zitiert nach K. MEIER, Deutsche Christen, S. 27; vgl. ebd., S. 302. 7

E b d . , S . 3 3 f . ; PROTESTANTENBLATT N r .

47 v o m

19. 11. 1 9 3 3 ( D a s

Sofortpro-

gramm der Volksmission von Hossenfelder). 8 9 Vgl. unten S. 37 f.; K. MEIER, Deutsche Christen, S. 45. Ebd., S. 49. Friedrich Coch, geb. 11. 12. 1887 in Eisenach, gest. August 1945 in Hersbruck/Bayern in einem Gefangenenlager, 1927 Landespfr. für Innere Mission in Sachsen, 11. 8. 1933 bis zur Entmachtung Ende 1935 Landesbischof von Sachsen. Walter Grundmann, geb. 21. 10. 1906 in Chemnitz, gest. 30. 8. 1976 in Eisenach, 1933 OKR in Dresden, 1936 Doezent in Jena mit Lehrauftrag für völkische Theologie, nach 1945 Leiter des Eisenacher Katechetenseminars.

Bis zum Scheitern der Kirchenpolitik des Reichsbischofs

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Für den Reichsbischof schien der mehr „bekenntnismäßige" Weg der sächsischen Deutschen Christen eine begrüßenswerte Alternative zur radikalen und vor allem nicht mit der herkömmlichen kirchlichen Arbeit zu vereinbarenden „völkisch-politischen" Linie Hossenfelders zu bieten, den er am 21. Dezember 1933 von allen seinen kirchlichen Ämtern beurlaubte10. Wie Müller sah auch der neue Reichsleiter, Dr. jur. Christian Kinder, in den „28 Thesen..." einen Neuanfang der DC-Bewegung. Die Thesen erschienen geeignet, die Deutschen Christen zu einen und „zu ihrem Ausgangspunkt" zurückzuführen 11 . Die als „kirchliche Richtlinien" verstandenen Grundsätze sollten jetzt die zur „Reichsbewegung Deutsche Christen" umbenannte Bewegung von den Vorwürfen der Sektiererei und Häresie befreien. Die erstrebte „Verkirchlichung" der deutsch-christlichen Bewegung legte den Akzent - nach dem Beispiel der sächsischen Deutschen Christen - auf die innerkirchliche Arbeit, in der jetzt die Durchführung, der „Aufbruch" der deutsch-christlichen Ideale erstrebt wurde 12 . Der Jurist Kinder wollte aber der DC-Bewegung keine Ziele geben, die zu einer Konkurrenzsituation mit der Kirche geführt hätten. Die Kirche sollte selbst ihre Substanz „wahren und wehren", wohingegen die DC-Bewegung „Pionierdienste" in der Vorbereitung des „Erlebnisses der Volkskirche" durch die Befreiung der Menschen vom Materialismus zu leisten hatte 13 . Wenn die DC-Bewegung dagegen sich mit dem Bekenntnis der Kirche theologisch auseinandersetzen würde, wäre die Folge „nur Dilettantismus und liberalistische Zersetzung" 14 . Man kann wohl sagen, daß Kinder die Fähigkeit seiner Mitarbeiter zu theologischer Reflexion realistisch beurteilte, wenn er hier, drei Monate nach den Sportpalastereignissen, seinen Zuhörern den Verzicht der Bewegung auf die dogmatischen Aufgaben versicherte. 1 0 K . MEIER, Deutsche Christen, S. 51 f. D a ß auch Hossenfelder nach den Sportpalastereignissen zur Überzeugung von der Notwendigkeit eines gemeindeorientierten Kurses durch Leffler gekommen sein mag, konnte seine Beseitigung nicht mehr verhindern (Information D r . E d u a r d Hollwein an den Autor v o m 2 1 . 9. 1970 in Düsseldorf). Der „kämpferische" machtpolitische Kurs der Glaubensbewegung D C unter Hossenfelder hatte zum Vertrauensverlust innerhalb der Partei geführt. Seit Juli 1933 wollte Hitler die „Revolution klug und vorsichtig" verwirklichen ( K . MEIER, Deutsche Christen, S. 47, 52). Es folgt die Distanzierung der N S D A P v o n der Glaubensbewegung (DOKUMENTE I, S. 1 4 3 ; Κ . H . GÖTTE, Propaganda, S. 1 6 0 ; J . SCHMIDT, Erforschung, S. 56).

K . D . SCHMIDT, Bekenntnisse 1933, S. 1 7 7 . Kinder in seiner Rede am 2 8 . 2. 1 9 3 4 im Berliner Sportpalast (DER REICHSBISCHOF, DIE DEUTSCHEN CHRISTEN, S. 2 0 f.). 1 3 Ebd., S. 24, 31. 1 4 Ebd., S. 3 4 ; CHR. KINDER, Volkskirche. 11

18

4*

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Mit dem Scheitern der Reichskirchenpläne Müllers Ende 1934 wuchs auch bei Kinder der Eindruck, daß er von der verpönten Kirchenpolitik Abschied nehmen und die ideenpolitische Konzeption der Bewegung überprüfen müsse. Im April 1935 kündigte er seine Treue zu den „28 Thesen" und erklärte, er habe die Bewegung „aus kirchenpolitischem Raum herausgenommen". Er begründete dies damit, daß „die Reichsbewegung ,Deutsche Christen' . . . ihre Aufgabe, Gerüst für die äußere Formung der Kirche im Dritten Reich zu sein, erfüllt" habe 15 . Die erstrebte Konzentration auf die innerkirchlichen Aufgaben bedeutete aber keineswegs, daß das kirchenpolitische Ziel für die Bewegung uninteressant geworden wäre 16 . Mit der neuen Methode tritt das neue Ziel in Erscheinung: die Nationalkirche. Wenn der kirchenpolitische Kurswechsel Kinders eine Auseinandersetzung innerhalb der Reichsbewegung D C erwarten ließ, so konnte die Betonung der traditionellen kirchlichen Arbeitsformen wieder einigend auf die Organisation wirken. Mit dem Hinweis auf Luther stellte Kinder nun als zentrale Aufgabe die Neugestaltung der Kirchensprache im Dienst der als Volkskirche verstandenen Nationalkirche in den Vordergrund. Damit sollte allmählich eine neue Ausdrucks weise als „Sprache des Bekenntnisses" gefunden werden 17 . Der „Reformator", aber nicht die DC-Bewegung selbst, sollte dann das neue Glaubensbekenntnis formulieren. Kinder meinte allerdings: „Wer der Begnadete sein wird, der dem Protestantismus dann das Geschenk eines geeigneten Glaubensbekenntnisses geben w i r d . . . , das weiß heute keiner." 18 An die Spracherneuerung knüpfen sich damit inhaltlich theologische Ziele. Durch die Hintertür der „neuen" Sprache gelangt die deutsch-christliche Theologie in die volksmissionarischen Aufgaben, ohne daß die damit implizierten theologischen Vorentscheidungen bewußt werden konnten. Der Appell Kinders blieb nicht ohne Echo. Zu Anfang des Jahres 1935 begann ein Arbeitskreis unter der Leitung Weidemanns, in 15

C H R . KINDER, V o l k , S. 9 .

,e

Ebd., S. 19; vgl. auch F. WIENEKE, Kampf- und Glaubensbewegung. Wahrscheinlich hat nicht nur die kirchenpolitische Lage, sondern auch die Kritik der alten DC-Führer wie Friedrich Wieneke zu dem Kurswechsel beigetragen. Wieneke warf den D C vor, daß sie trotz der formalen Befürwortung der „28 Thesen" sich von der theologischen und volksmissionarischen Arbeit gelöst hätten. Friedrich Wieneke, geb. 7. 10. 1892 in Berlin, gest. 5. 8. 1957 in Alt-Töplitz, 1920 Dompfarrer in Soldin, 1929 Eintritt in die N S D A P , 1933 O K R in Berlin, 1945 Pfr. in der Grafschaft Stolberg, 1949 in Alt-Töplitz. 17

C H R . KINDER, V o l k s k i r c h e , S. 2 4 .

18

E b d . ; C H R . KINDER, V o l k , S. 1 9 .

Führungskrise des Jahres 1 9 3 5

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Bremen das Johannesevangelium einzudeutschen19. Das zeigt, daß Kinder und Weidemann in ihrer Auffassung der künftig anzuwendenden Methoden übereinstimmten, was nicht ohne Bedeutung für die organisatorische Entwicklung der Reichsbewegung DC sein konnte. 2. Die Führungskrise des Jahres 1935 und die Bemühungen manns um das Reichsleiteramt

Weide-

Nicht nur diejenigen deutsch-christlichen Bischöfe, deren kirchliche Stellung, wie die Weidemanns, unmittelbar von der Person Müllers abhängig war, sahen mit Besorgnis den durch die Rücktrittsforderungen entstandenen Autoritätsverlust des Reichsbischofs im November 1934. Ihr Kirchenregiment stand auf dem Spiel. Der nationalsozialistische Staat wollte die Reichskirchenregierung nach ihrem mißglückten Versuch, die Landeskirchen einzugliedern, nicht mehr länger unterstützen. Er ließ den einstigen Vertrauensmann des „Führers" im Herbst 1934 fallen20. Angesichts dieser Entwicklung war die DC-Bewegung Ende 1934 zur Entscheidung herausgefordert: entweder mit Müller neu anzufangen oder einen anderen Weg zu suchen. Jetzt sah der ehemalige Reichsleiter der Glaubensbewegung DC, Hossenfelder, seine Stunde gekommen und forderte die Wiederaufnahme des alten Kurses unter seiner Führung. Maßgebend für Hossenfelder war, daß die Bewegung unter der Leitung von Dr. Kinder das anfängliche „gute Verhältnis zum Staate und [zur] Partei" nicht hatte bewahren können21. Um den „alten Kurs" wiederbeleben zu können, benutzte er nun Ostpreußen als organisatorisches Betätigungsfeld und den altpreußischen Kirchensenat, in dem er als Vorsitzender der Fraktion „Deutsche Christen" fungierte, als kirchenpolitisches Sprungbrett. Aufschlußreich für seine Pläne war seine Denkschrift vom 30. Januar 1935, „Bericht über die kirchliche Lage", in der er nicht nur einen Katalog kirchenpolitischer Beschwerden über die Bekennende Kirche aufstellte, sondern auch den Einfluß der Kirche in den Formationen der NSDAP forderte. In SS, SA und H J sollten Beratungsstellen, ähnlich wie in der Reichswehr, eingerichtet DEUTSCHES PFARRERBLATT N r . 7, 1 9 3 6 , S. 1 0 6 (Kirchentagung in Bremen). K . MEIER, Deutsche Christen, S. 75, 68 f. Die Niederlage Müllers wurde in der Audienz der Landesbischöfe Meiser, W u r m und Marahrens bei Hitler a m 30. 10. 1 9 3 4 deutlich. Hitler betonte, daß ihn persönlich nichts mit Ludwig Müller verbinde. 18

20

2 1 Schreiben Hossenfelders an Tügel v o m 2 4 . 4. 1936 ( L K A HAMBURG, Β X V I a. 2 2 0 . a . l . ) ; vgl. K . MEIER, Deutsche Christen, S. 93 ff.

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werden; in der Parteipresse und im Rundfunk sollten die Deutschen Christen künftig mehr zu Wort kommen. Diese Konzeption knüpfte an seine früheren „volksmissionarischen" und „volkskirchlichen" Bemühungen an 22 . Daß er sich genötigt sah, eine eigene DC-Gruppe „Kampf- und Glaubensbewegung »Deutsche Christen'" im Mai 1935 zu gründen, hing mit der Entwicklung der Streitigkeiten zwischen ihm und Kinder zusammen 23 . Den Hauptgrund für diese Auseinandersetzung bildete Hossenfelders Methode, putschartig die Führung der Deutschen Christen wiederzuerlangen, was er u. a. in einem Brief an Landesbischof Tügel vom 24. April 1935 wie folgt zu rechtfertigen suchte: „Im Dezember 1933 gab ich dem Pg. Dr. Kinder den Auftrag, die Bewegung weiterhin zu führen. Da Pg. Dr. Kinder in dieser Führung völlig versagt hat, habe ich den Auftrag zurückgenommen und die Leitung der Glaubensbewegung ,Deutsche Christen* selbst übernommen." 24 Der Kampf um das Reichsleiteramt wurde zunächst dadurch beendet, daß Kinder gegen Hossenfelder am 23. April 1935 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin erwirkte, in der es Hossenfelder verboten wurde, „sich als Vorstand des eingetragenen Vereins ,Deutsche Christen' zu bezeichnen und unter dem Vorgeben, Vorstand zu sein, Erklärungen im Namen des eingetragenen Vereins abzugeben" 25 . In einer Verfügung Kinders an die Gauobmänner wurden die Anhänger Hossenfelders mit Ausschluß bedroht 26 . Die Auseinandersetzungen mit Hossenfelder verschlechterten jedoch die Position Kinders in der Reichsbewegung DC, so daß es für ihn bald schwierig wurde, die Reichsleiterstelle zu behaupten. Noch wichtiger für die Entscheidung Kinders, aus der Führung der Reichsbewegung D C auszutreten, war seine Audienz bei Hitler Anfang 1935. Der „Führer und Reichskanzler" eröffnete ihm, daß er die Gründung eines Reichskirchenministeriums beabsichtige. Dies konnte die kirchenpolitische Niederlage der Deutschen Christen besiegeln27. Nachdem Kinder das Interesse an der Reichsleiterstelle verloren hatte, suchte er für sich einen Nachfolger. Zunächst wollte Kinder die Reichsleitung an Weidemann übertragen. Wie er später äußerte, dachte er, daß Weidemann zu den Bischöfen gehöre, die noch mit aktivem Interesse „bei der Sache" seien. Dazu kam, daß Weidemann als Bischof einer nur kleinen Landeskir22

E b d . , S. 9 5 .

24

25 LKA HAMBURG, Β XVI a.220.a.l. K. MEIER, Deutsche Christen, S. 99. Rundschreiben L 5 der DC-Landesleitung Pommern vom 25. 4. 1935 (LKA

26

HANNOVER, Η I I 4 1 3 ) . 27

K. MEIER, Deutsche Christen, S. 100.

29

E b d . , S. 9 6 f . ; GAUGER I I I , S. 4 6 3 f .

55

Führungskrise des Jahres 1935 28

che Zeit für die außeramtlichen Aufgaben haben konnte . Ob er während der Audienz mit Hitler über Weidemann gesprochen hat, bleibt unklar. Jedenfalls waren die Pläne, Weidemann in die Reichsleiterstelle zu berufen, auch den Funktionären in Berlin bekannt. In einer Senatorenbesprechung in Bremen am 26. Februar 1935 hieß es: „Man trage sich in Berlin mit der Absicht, Herrn Landesbischof Lie. Dr. Weidemann anstelle des Herrn Dr. Kinder mit der obersten Leitung der Organisation »Deutsche Christen' für das gesamte Reichsgebiet zu betrauen." 29 Was mit dem Ausdruck „Berlin" gemeint war, läßt sich nicht genau sagen. Wahrscheinlich sind damit die obersten politischen Behörden gemeint30. Jedenfalls waren schon im Februar 1935 nicht nur in der Reichsleitung der Deutschen Christen Pläne vorhanden, das Reichsleiteramt an Weidemann zu übertragen. Am 25. März 1935 war Kinder nach Bremen gereist, um mit Weidemann über den zukünftigen Kurs der Bewegung zu beraten 31 . Einen strittigen Punkt mußte die Beziehung zum Reichsbischof bilden, den Weidemann im Unterschied zu Kinder unterstützte. In der Besprechung soll Kinder seinen Rücktritt erklärt und einen Brief, in dem er Weidemann als Nachfolger bestätigen würde, in Aussicht gestellt haben. Diesen Brief erhielt Weidemann niemals. Anstelle dessen wurde eine „schriftliche Abrede für eine Ubergangszeit" zwischen Kinder und Weidemann am 29. März 1935, dem Vorabend der Gauobmännertagung in Berlin, getroffen. Zeugen dieser Abmachung waren Rehm von Kinders und Refer von Weidemanns Seite32. Auf der Gauobmännertagung selber, am 30. März 1935, wurde im Gegensatz dazu jedoch ein einstimmiger Beschluß gefaßt, wonach Kinder „nach wie vor an der Spitze der Bewegung" bleiben sollte33. Daraufhin versuchte Weidemann, das erstrebte Ziel mit Hilfe der Autorität des Reichsbischofs zu erreichen. Auf der nächsten Gauobmännertagung, am 12. April 1935, stellte Weidemann sich als vom Reichsbischof designierter „kommissarischer" Reichsleiter vor. Seinen Anspruch begründete er mit einer mündlichen Zusage des Reichsvikars Engelke von Anfang April. Engelke sollte gesagt haben, daß der Reichsbischof Weidemann bäte, 28

Ebd. Auszug aus der Niederschrift v o m 26. 2. 1935 (STA BREMEN, 3-K.l.a. 30 Schreiben Weidemanns an Engelke v o m 14. 4 . 1 9 3 5 ( A E K D , A 4/96). 31 Κ. MEIER, Deutsche Christen, S. 100. 32 Erklärung Weidemanns auf der Gauobmännertagung der Deutschen am 12. 4. 1935 ( A E K D , A 4/96). Wilhelm Rehm, geb. 8. 12. 1900 in Saulgau, gest. 1948, 1926 Pfr. in feld/Württemberg, 1934 Studienrat in Stuttgart, 1935-1938 Leiter der wegung D C . 33 Zitiert nach K. MEIER, Deutsche Christen, S. 100. 29

N r . 570).

Christen SimmersReichsbe-

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„kommissarisch die Reichsleitung der ,Deutschen Christen' zu übernehmen. Der Reichsbischof nähme für sich das Recht in Anspruch, diese Stelle zu besetzen, da die NSDAP daran desinteressiert sei"34. Daraufhin soll Weidemann sich bei der Adjutantur von Rudolf Heß, dem Stellvertreter des Führers, nach der Angelegenheit erkundigt, und als er keine Mitteilung erhielt, bei Hossenfelder und Loerzer nachgefragt haben. Interessant an der Antwort Hossenfelders ist die Meinung, daß „schon bei der Übernahme durch Dr. Kinder . . . die Partei sich für desinteressiert erklärt" habe35. Hossenfelder sollte demnach bis 1935 der einzige Reichsleiter gewesen sein, der einen direkten Auftrag der NSDAP besaß. Hauptsächlich gestützt auf seine strittige Berufung in die Reichsleiterstelle, versuchte Weidemann, die Leitung der Bewegung zu übernehmen und gab auf der Gauobmännertagung am 12. April 1935 eine Erklärung ab, in der er Kinder schwere Vorwürfe machte. Der Reichsleiter halte die Bewegung nicht mehr in seinen Händen, er habe den Reichsbischof Müller fallenlassen und seine Entscheidung, von der Reichsleiterstelle abzutreten, nicht verwirklicht. Weiter habe er einen das Wochenblatt „Evangelium im Dritten Reich" betreffenden Vertrag zwischen ihm und Hossenfelder von 1934 gebrochen. Alles dies zeige, daß Kinder gegen die zentralen nationalsozialistischen Normen eines Leiters verstoßen habe. Weidemann stellte fest: „Die Bewegung wird nicht mehr nach dem Führerprinzip geleitet." 36 Die nachlassende Unterstützung der Reichsbewegung D C interpretierte er als Folge dieses Versagens. Abgesehen von den Gruppen in Thüringen und Sachsen, die schon seit 1933 ihren eigenen Weg gingen und „kaum noch Beziehungen zur Reichsleitung" hatten, war tatsächlich auch eine Tendenz der anderen Gaue zur Distanzierung zu bemerken. Hannover stand nicht mehr hinter der Reichsleitung, und Westfalen hatte sich fast völlig von der Zentrale gelöst. Unklare Verhältnisse bestanden auch in Pommern. Kinder wurden dazu noch Unstimmigkeiten in seinen Aussagen und unzulässiges Finanzgebaren vorgeworfen 37 . Weidemann scheint aber seine Kräfte auf der Gauobmännertagung überschätzt zu haben, wenn er glaubte, dieselben Gauobmänner, die M

Schreiben Weidemanns an Engelke vom 14. 4. 1935 (AEKD, A 4/96). Friedrich Engelke, geb. 24. 2. 1878 in Schleswig, gest. 1956, 1925 Leiter des „Rauhen Hauses" in Hamburg, 23. 2. 1934 Geistlicher Minister der DEK, 12. 9. 1934 „Vikar des Reichsbischofs", nach 1945 Pfr. in Berlin. 35 Schreiben Weidemanns an Engelke vom 14. 4. 1935 (AEKD, A 4/96). s ® Vgl. Anm. 32. Weidemann ließ dabei wissen, daß er in den Gauen Unterstützung genieße. „Aufgrund mehrfacher Bitten, die aus den Gauen an mich herangetragen wurden, hatte ich mich entschlossen zu veranlassen, daß ein Wandel in der Reichsleitung geschaffen würde." n Ebd.

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zwei Wochen zuvor für Kinder gestimmt hatten, mit Vorwürfen für sich gewinnen zu können. Tatsächlich machte er durch sein Auftreten einen unsympathischen Eindruck auf verschiedene einflußreiche Teilnehmer. Schon am nächsten Tag schrieb der Landesleiter in Bayern, Pfarrer Baumgärtner, über seine Eindrücke an den Reichsvikar Engelke: „So sehr ich ursprünglich von dem Gedanken Weidemanns eingenommen war und auf die von Ihnen vorgeschlagene Lösung hinzielte, so hat sich doch im Laufe der Verhandlungen ergeben, daß Landesbischof Weidemann von fast allen Gauobleuten abgelehnt wurde." 38 Aus dem Brief geht hervor, daß Engelke tatsächlich zu Weidemann gehalten und ihn als möglichen Nachfolger Kinders betrachtet hatte. Noch weniger als Weidemann wollte Baumgärtner Hossenfelder auf der Reichsleiterstelle sehen. Er ging von dem Gedanken aus, daß die Deutschen Christen als politische Organisation erledigt seien und forderte einen religiösen Neubeginn der Bewegung. „Die Deutschen Christen von 1933 haben im Sinne der P O gearbeitet, die Deutschen Christen vom Jahre 1935 müssen für die Parteigenossen und mit ihnen, aber aus Christus heraus für Deutschland arbeiten und wirken." 39 Diese Verkirchlichung konnte für Baumgärtner nur unter Leitung Kinders erreicht werden: „Um der Gesamthaltung der Deutschen Christen willen ist es nach meinem Dafürhalten jetzt unbedingt notwendig, daß Kinder bleibt." Er fürchtete, daß „ein eventuell" durch den Reichsbischof „erzwungener Einsatz" die Bewegung zerbrechen werde 40 . Damit war wohl die Einsetzung Weidemanns gemeint. Für Baumgärtner war es ein Zeichen der Erneuerung, daß die Gauobmännertagung am 12. April mit dem gemeinsamen Vaterunser und dem Segen schloß. Die Parallelität mit der NSDAP sollte aber doch nicht ganz vergessen werden: „Bei den Deutschen Christen geht's wie bei der politischen Bewegung durch einen Zusammenbruch zur Vertiefung und damit zu neuem Leben." 41 Obwohl er versuchte, sich der neuen ideenpolitischen Linie anzuschließen, kam Weidemann als deren Exponent 38 Schreiben Engelkes an Baumgärtner vom 13. 4. 1935 (AEKD, A 4/96). Vgl. auch Schreiben Engelkes an Weidemann vom 18. 4. 1935: „Wenn ich unter dem persönlichen Eindruck, daß eine andere Lösung gar nicht mehr möglich sei, das Einverständnis des Reichsbischofs mit Ihrer kommissarischen Leitung positiver ausgedrückt haben sollte, als ich berechtigt war und als mir bewußt geworden ist, so muß ich diese Schuld auf mich nehmen, und ich werde davon für spätere Äußerungen lernen" (ebd.). Johannes Baumgärtner, geb. 9. 9. 1892 in Nürnberg, 1921 Katechet in Schweinfurt, 1921 Studienrat, 1924 Pfarrer, 1930 Vereinsgeistlicher der Stadtmission in Nürnberg. 88 Schreiben Baumgärtners an Engelke vom 13. 4. 1935 (AEKD, A 4/96). 41 » Ebd. Ebd.

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für Baumgärtner und Engelke nicht mehr in Frage 42 . Engelke dementierte am selben Tag (13. April 1935) Weidemanns Behauptung, er habe ihn im Namen des Reichsbischofs gebeten, die Reichsleiterstelle zu übernehmen. Engelke teilte mit, daß er ausdrücklich betont habe, er sei nicht bevollmächtigt, einen Auftrag des Reichsbischofs zu übermitteln. Er habe lediglich gesagt, daß „der Reichsbischof damit einverstanden sein würde, wenn Sie [Weidemann] kommissarisch die Reichsleitung übernehmen"43. Es gab aber Gruppen, für die Weidemann eine Schlüsselfigur blieb. Zunächst wollte Müller noch mit Kinder und Weidemann sprechen, aber auch die einst von Hossenfelder geleitete Fraktion der Deutschen Christen im Kirchensenat der Altpreußischen Union wartete zur Lösung der Führungskrise auf Hilfe aus Bremen. In einem Schreiben an Weidemann vom 13. April 1935, das zugleich an die Gauobleute geschickt wurde, baten die unterzeichneten Mitglieder des Vorstandes, Pg. Hauptlehrer Krüger, Pfarrer D. Albert Freitag, Pfarrer Fritz Loerzer und Pfarrer Dr. Wieneke Weidemann, „die geeigneten Maßnahmen zu treffen, daß der Fall Hossenfelder in einem Sinne bereinigt wird, der dem innersten Wesen unserer Bewegung Rechnung trägt" 44 . Die Anrufung Weidemanns begründeten die Unterzeichneten damit, daß sie ihn nach ihren „Ermittlungen" als den zukünftigen Führer der Reichsbewegung DC erwarteten. Es ist wahrscheinlich, daß der Vorstand seine Information vom Reichsbischof hatte 45 . Möglicherweise war das Schreiben des Vorstandes vom 13. April schon auf der Gauobmännertagung am 12. April oder früher beschlossen worden, denn Weidemann konnte es bereits seinem Schreiben an den Reichsbischof vom 13. April beifügen46. Auf dem Postwege hätte der Brief ihn nicht so schnell erreichen können. Dem Reichsbischof, dessen Vertrauen er als zukünftiger Leiter der Reichsbewegung D C zu besitzen schien, erklärte Weidemann aber, daß er nicht „nach irgendeiner Seite hin Bindungen eingehen wolle" 47 . 42 43

Ebd. Schreiben Engelkes an Weidemann v o m 13. 4. 1935 (ebd.).

4 4 L K A HANNOVER, Ε I I I / 3 3 1 . Anscheinend wünschte der Reichsbischof Weidemann als zukünftigen Reichsleiter, aber aus taktischen Gründen wollte er dieses nicht offen sagen (vgl. K . MEIER, Deutsche Christen, S. 100). Albert Freitag, geb. 13. 12. 1 8 8 0 in Brieg/Schlesien, gest. 2. 9. 1959 in Ludwigsburg, 1906 ord., 1 9 0 7 P f r . in Prausnitz, 1 9 1 3 in Berlin, 2 6 . 6. 1 9 3 3 - 3 1 . 12. 1 9 4 5 O K R in Berlin, 1 9 4 6 Ruhestand. 4 5 L K A HANNOVER, Ε I I I / 3 3 1 . 48 A E K D , A 4/96. 4 7 Ebd. Anscheinend hatte Weidemann mit Müller auch schon vor der Gauobmännertagung am 12. 4. 1935 über die kirchenpolitische Taktik diskutiert. D a r a u f weist folgender Satz hin: „Entsprechend Ihrem Wunsch habe ich die Dinge nicht auf die Spitze getrieben."

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Seinen „Plan" für das weitere Vorgehen wollte Weidemann nach Ostern mit dem Reichsbischof besprechen48. In seinem Antwortbrief hieß dieser die Zurückhaltung Weidemanns in dem Streit gut und bat ihn, „keine weiteren Schritte ohne Rücksprache" mit ihm zu unternehmen 49 . So schienen Müller und Weidemann in den Verhandlungen vom Sommer und Herbst 1935 einem gemeinsamen Plan zu folgen. Nachdem schon Hossenfelder versucht hatte, den Gauobmann in Pommern, Ziebail, seines Postens zu entheben, betätigte sich nun auch Weidemann in Pommern als der von Ludwig Müller berufene Reichsleiter. Als Kinder den Reichsbischof zur Rechenschaft zog, dementierte dieser die Gerüchte, Weidemann oder Hossenfelder seien von ihm mit der Reichsleitung beauftragt worden. Es wurde festgestellt, daß der „Herr Reichsbischof keine personelle Veränderung in der Leitung der D C wünsche" 50 . Anscheinend fühlte sich Müller in seiner Position zu unsicher, um öffentlich gegen den Willen der Gauobmänner und der Partei vorzugehen. Inzwischen war es nämlich Kinder gelungen, die Unterstützung der NSDAP zu erlangen und den stärksten Vorwurf Hossenfelders, Kinder habe die anfänglich engen Beziehungen mit der Partei nicht aufrechterhalten können, teilweise zu entkräften. Aus dem Braunen Haus in München hatte Martin Bormann Kinder telegrafisch mitgeteilt, daß in ihm „nach wie vor der Leiter der R D C gesehen werde" 51 . Die Behauptung, Hossenfelder habe eine parteiamtliche Förderung seines Vorhabens seitens des Reichsorganisationsleiters Dr. Robert Ley erfahren, wurde damit dementiert 52 . Müller war gezwungen, den status quo - d. h. das Bleiben Kinders - zu billigen. Für Weidemann schien der Reichsbischof der einzige zu sein, der ihn auf die Reichsleiterstelle hätte heben können. Für Müller wiederum war der bremische Bischof der einzige, der ihm bei seiner Rehabilitierung helfen konnte. Dieses gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis bestimmte die kirchenpolitischen Bemühungen Weidemanns im Jahre 1935. Als sich die Deutschen Christen Nordwestdeutschlands am 26. April 1935 auf eine Entschließung einigten53 und Müllers Position 48

AEKD, A 4/96. " Schreiben Müllers an Weidemann vom 18. 4. 1935 (ebd.). 50 Schreiben Weidemanns an die Gauobmänner vom 17. 4. 1935 (ebd.). Weidemann wies aber darauf hin, daß diese Haltung Müllers seine eigenen Ziele nicht verändern könnte, sondern lediglich „das Gebot der Stunde" sei. 51 Vgl. Rundschreiben L 5 der DC-Landesleitung Pommern vom 25. 4. 1935 4

( L K A HANNOVER, Η I I 4 1 3 ) . 52

Vgl. ebd. - Zur Frage der Förderung der Deutschen Christen durch die N S D A P vgl. DOKUMENTE I, S. 42; J. WRIGHT, Ober den Parteien, S. 146 ff. 63 AEKD, A 4/96.

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gegenüber Kinder stärken wollten 54 , schien die deutsch-christliche Sammlung einen Schritt weiter gekommen zu sein. Die von der Fraktion der Deutschen Christen im Kirchensenat der Altpreußischen Union zunächst an Weidemann übertragene Aufgabe, in den Streitigkeiten zwischen Hossenfelder und Kinder zu intervenieren, fiel nun dem Reichsbischof zu: „Die ,Deutschen Christen' Nordwestdeutschlands haben den Reichsbischof gebeten, in dem Streit Kinder-Hossenfelder das entscheidende Wort zu sprechen", hieß es55. Im Falle einer Spaltung der Bewegung waren die „Unterzeichneten gewillt, um der Einheit der Bewegung willen ihre Gaue zusammenzuschließen unter einem vom Reichsbischof zu bestellenden und ihm unmittelbar verantwortlichen Beauftragten" 56 . Im Hinblick auf die Zusammenarbeit Müller-Weidemann ist offensichtlich, wer der Beauftragte sein sollte. Diese Entschließung bedeutete den ersten bemerkenswerten Erfolg Weidemanns. Die Unterzeichneten waren Landesbischof Volkers und Gauobmann Pastor Hollje für Oldenburg, Landesbischof und Gauobmann Tügel für Hamburg, Landesbischof und Gauobmann Weidemann für Bremen, Landesbischof Schultz und Gauobmann Sager für Mecklenburg, Vizepräsident Hahn für die Gaue Ostfriesland, Osnabrück, Hannover-Ost und Hannover-Süd, Bischof Balzer für Lübeck. Der Gauobmann von Lübeck, Pastor Beckemeier, schloß sich erst am 28. Juni telegraphisch der Entschließung an 57 . Damit schien ein selb54

Ebd. Schon am 25. 4. 1935 hatten dieselben Unterzeichner die Streitigkeiten in der Reichsleitung verurteilt und die Befürchtung geäußert, daß diese „eine schwere Gefährdung der Reichskirche" bedeuteten. „Auf alle Fälle verliert die DEK jede Autorität im Verhältnis zu Staat und Partei (vgl. K. MEIER, Deutsche 55 58 Christen, S. 101). AEKD, A 4/96. Ebd. 57

Ebd.;

MITTEILUNGSBLATT

DEUTSCHE

C H R I S T E N NIEDERSACHSEN N r .

10

vom

1. 10. 1935; K. MEIER, Deutsche Christen, S. 101. Johannes Volkers, geb. 5. 10. 1878 in Oldenbrok, gest. 25. 6. 1944 in Oldenburg, 17. 4. 1904 ord., 1904-20 Pfr. in Minsen, 1920-30 in Jade, 1930-34 in Ganderkesee, 15. 6. 1934 zum Landespropst gewählt, 21. 8. 1934 als oldenburgischer Landesbischof eingeführt. Ernst August Hollje, geb. 15. 3. 1866 in Vechta, gest. 27. 12. 1951, 4. 3. 1894 ord., 12. 8. 1894 Wahl zum Pfr. in Bardenfleth, 5. 6. 1916 bis 1. 11. 1933 Pfr. in Ohmstede/Oldenburg, 17. 10. 1933 Vizepräsident des Landeskirchenausschussus, 17. 10. 1933 bis 23. 1. 1934 2. geistliches Mitglied des Oberkirchenrats, 12. 10. 1933 Vizepräsident der Landessynode, 4. 11. 1936 bis 24. 3. 1943 Vizepräsident/Präsident des Landeskirchenausschusses, 24. 3. 1943 Rücktritt von allen Ämtern. Franz Tügel, geb. 16. 7. 1888 in Hamburg, gest. 15. 12. 1946 in Hamburg, 1914 Pastor in Hamburg, 1931 Eintritt in die NSDAP, 1933 OKR, 5. 3. 1934-18. 7. 1945 Landesbischof in Hamburg. Walther Schultz, geb. 20. 8. 1900 in Hof Tressow bei Grevesmühlen, gest. 22. 6. 1957 in Schnackenburg/Elbe, 1928 Pfr. in Badendiek, 1933 „Landeskirchenführer", 1934-1945 Landesbischof von Mecklenburg, 1950 pfarramtliche Hilfeleistung in Fallingbostel, 1952 Pfr. in Schnackenburg.

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ständiger Block der niedersächsischen DC-Gaue entstanden zu sein, der seine kirchlichen und kirchenpolitischen Ziele mit Hilfe einer am 17. Mai 1935 unter Weidemanns Leitung gegründeten Arbeitsgemeinschaft festlegen wollte. Bremen sollte nicht nur der Ausgangspunkt der Einigung der DC-Bewegung sein, sondern hier sollten alle deutsch-christlichen Kräfte Nordwestdeutschlands gleichsam gesammelt werden 58 . Es ist wahrscheinlich, daß die früheren Gedanken über eine niedersächsische evangelische Kirche die Zusammenarbeit und die Zentralisierung der Kräfte förderten 59 . Schwieriger als die kirchenpolitische Einigung war die Ubereinstimmung über den theologischen Standort der Bewegung zu erreichen. Kinder suchte u. a. durch einen Artikel: „Was ist positives Christentum" zur Klärung beizutragen60. Tügel, der Landesbischof und Gauobmann von Hamburg, fühlte sich dem gegenüber seinem früheren Verständnis von „positivem Christentum" verpflichtet und warf Kinder vor, die neue Deutung stünde „in einem diametralen Gegensatz zu der Auffassung" die er „seit Jahren" vertreten habe61. Tügel ging von der Auffassung aus, daß der Nationalsozialismus keiGerhard Hahn, geb. 1. 8. 1901 in Großenrode, verstorben in russischer Kriegsgefangenschaft, 1928 Pfr. in Elmlohe, Mitbegründer und Landesleiter der D C in Hannover, 25. 6. 1933 Staatskommissar in der hannoverschen Landeskirche, August 1933 Vizepräsident des Landeskirchenamts in Hannover, Anschluß an die Thüringer DC, 1936 Verwalter einer Pfarrstelle bei Gotha. Erwin Balzer, geb. 15. 3. 1901 in Berlin, 1927 ord., Pastor auf Helgoland, 1933 in Altona, 1. 6. 1934-1945 Bischof in Lübeck. Ludwig Beckemeier, geb. 28. 12. 1886 in Hannover, ord. 1912, seit 1914 Pastor in Lübeck. 58 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 101. 68 Die erste schleswig-holsteinische Landessynode im Dritten Reich plante am 12. 9. 1933 auf Initiative der Deutschen Christen einen Zusammenschluß norddeutscher Landeskirchen. Schleswig-Holstein, Hamburg, Hannover, MecklenburgSchwerin und -Strelitz, Lübeck, Oldenburg, Bremen, Braunschweig, Eutin und Schaumburg-Lippe sollten in einen aus sieben Millionen Mitgliedern bestehenden Kirchenblock „organisch eingegliedert werden" ( K I R C H E UND VOLKSTUM IN N I E D E R SACHSEN Nr. 3 vom 15. 9. 1933). 60 CHR. KINDER, Volk, S. 103. Kinder deutet hier die Verkirchlichung der DCBewegung an; vgl. auch W. Rehm: „Die Befriedigung kann nur von innen heraus kommen" (Informationsdienst N r . 7 vom 2 . 5 . 1 9 3 5 ; AEKD, A 4 / 9 8 ) ; vgl. auch K. MEIER, Deutsche Christen, S. 105. 61 Schreiben Tügels an die DC-Pastoren in Hamburg vom 2. 9. 1935 (LKA H A M B U R G , Β XVI a.220.a.l.). Die positive Wertschätzung der DEK im Ausland beruhte auf dieser Interpretation des Begriffes. Im Juni 1937 schrieb der Bischof von Gloucester, Vorsitzender des „Council in foreign relations of the Church of England", A. C. Headlam: „National-Socialism was not anti-Christian . . . the Third Reich was based upon positive orthodox Christianity . . . the State did not persecute Confessional pastors, who confined themselves to preaching the Gospel truths: it was only when the pulpit was used for criticism of the Government that difficulties arose . . . " (zitiert nach Α. BOYENS, Kirchenkampf, S. 124).

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ne „neue Weltanschauung" neben dem Christentum darstellen solle und zitierte dazu eine programmatische Erklärung des nationalsozialistischen bayerischen Landtagsabgeordneten Dr. Rudolf Buttmann aus dem Jahr 1931. Anders als in der Interpretation Kinders sollte „positives Christentum" selbstverständlich Christentum bedeuten „wie es heute vorhanden ist" (Buttmann 1931). Daß die große Mehrheit der Deutschen Christen den Begriff nicht mehr so deutete, zeigen die weiteren Schritte Tügels62. Tatsächlich vertrat Kinder - auch in seinem Buch „Volk vor Gott" (1935) - eine neue Linie: „Unser Anliegen geht dahin, nationalsozialistische Weltanschauung und christlichen Glauben in Vertrauensbeziehung zu wissen." 63 Tügel meinte dagegen, daß man vom Nationalsozialismus als „Weltanschauung" gar nicht sprechen dürfe, da sonst eine unheilvolle Vermischung von Nationalsozialismus und Christentum entstehen könne. Der geänderte theologisch-kirchenpolitische Kurs Kinders kam in einer gemeinsamen Erklärung mit Leffler vom 13. Juli 1935 zum Ausdruck, in der es hieß: „Wir haben die große gemeinsame Aufgabe und das große gemeinsame Ziel: die herzensmäßige Einigung aller Deutschen in einer Christusgemeinde der Deutschen. Über alles Trennende hinweg haben wir uns zusammengefunden zu gemeinsamem Dienst." 64 Kinder schien damit Anhänger der thüringischen nationalkirchlichen Ziele geworden zu sein65. Neben seinen schon beschriebenen Forderungen, die Arbeitsmethoden der Deutschen Christen zu verkirchlichen, wird damit ein neuer kirchenpolitischer Akzent gesetzt. Tügel legte sein Amt als Gauobmann am selben Tag (13. Juli 1935) aus Protest nieder 66 . Als der hamburgische Landesbischof noch den Eindruck gewann, daß die Deutschen Christen unter Weidemann nicht nur den Kinderschen Neuansatz billigten, sondern sich sogar den Thüringer D C näherten, zog er die Konsequenz und trat am 30. August 1935 aus der Reichsbewegung aus. „In der Treue ,zur Kirche', zu Gottes Wort und dem daraus erwachsenen lutherischen Bekenntnis" meinte Tügel, der einst mit Hilfe der Deutschen Christen Landesbischof geworden war, nun „das Thüringer Schwärmertum" seiner früheren Mitarbeiter ablehnen zu müssen67. Auch die organisationsgeschichtliche Entwicklung der Bewegung macht den Schritt Tügels erklärlich. Schon in Zusammenhang mit der gemeinsamen Erklärung vom 13. Juli 1935 war eine Vereinbarung zwischen Kinder und Leffler zustande gekommen, daß Kinder die Leitung der Reichsbewegung • 2 L K A HAMBURG, Β X V I a . 2 2 0 . a . l . / 1 0 0 ; vgl. F. TÜGEL, W e r bist D u ? «3 CHR. KINDER, V o l k , S. 23.

"4 S. LEFFLER, Der Weg der Deutschen Christen. Kirchenpolitischer Verein oder geistige Bewegung? In: BRIEFE AN DEUTSCHE CHRISTEN, Sept. 1 9 3 5 . 67 «5 Vgl. Anm. 6 1 . «· Ebd. Ebd.

Führungskrise des Jahres 1935

63

innerhalb dreier Monate an Leffler übertragen sollte. Anfang September 1935 schien es eine Zeitlang, daß nach dem Scheitern Weidemanns und Hossenfelders Leffler die Leiterposition erlangen und die DC-Bewegung sammeln könnte 68 . Am 17. August 1935 hatten die Kinder nicht unterstützenden deutsch-christlichen Gaue Bayern, Sachsen, Bremen, Hamburg, Niedersachsen (gemeint waren wohl die hannoverschen Deutschen Christen) in Goslar getagt und die „einmütige Auffassung" vertreten, daß die Reichsleitung an Leffler übertragen werden müßte; ferner sollte die Reichsleitung von Berlin nach Eisenach verlegt werden 69 . Wenn Leffler die Anerkennung des Reichsbischofs hätte erlangen können, wären die nordwestdeutschen DC-Führer nach ihrer Entschließung verpflichtet gewesen, sich der Thüringer Führung zu unterstellen. Als die Vorbereitung zu diesem Führungswechsel im Gange waren, schien Tügels Vorwurf der Übertragung des „Thüringer Schwärmertums" auf die gesamte deutsch-christliche Arbeit berechtigt zu sein70. Es ist möglich, daß der Austritt dieses ehemaligen Gauobmanns einer wichtigen Hansestadt die Opposition gegen die Übertragung der Leitung an die Thüringer Deutschen Christen gefördert hat. Die Entscheidung in der Führungskrise der Reichsbewegung D C im Jahre 1935 wurde am 8. September 1935 getroffen. Ursprünglich hatten Kinder und Leffler diesen Tag als Zeitpunkt für die Ubergabe der Leitung der Reichsbewegung festgesetzt. Leffler war nach Berlin gebeten worden, um „nach Abschluß der Gauobleutetagung und nach Vollzug der für die Ubergabe notwendigen Formalitäten vor den Gauobleuten zu sprechen". Es wiederholte sich hier aber, was schon am 12. April 1935 mit Weidemann geschehen war: Die Gauobmänner lehnten den neuen Kurs Kinders ab und wählten den stellvertretenden Reichsleiter, Rehm, zum Leiter der Reichsbewegung DC. 68

S . LEFFLER, W e g

( v g l . A n m . 6 4 ) ; F . TÜGEL, W e r b i s t D u ? , S . 4 ; v g l .

LKA

HAMBURG, Β X V I a . 2 2 0 . a . l . 69 Abschrift aus den Mitteilungen der Reichsgemeindeleitung der Kirchenbewegung Deutsche Christen an die Herren Leiter der Gau- und Kreisgemeinden und der Gemeinden und an die Mitglieder der Deutschen Pfarrergemeinde, Weimar 19. 8. 1935 (LKA HANNOVER, Η 11/413). Auch der Reichskirchenminister scheint Tügels Befürchtungen nicht abgebaut zu haben. Kurz vor dem Austritt Tügels aus der Reichsbewegung D C waren die Bischöfe bei Kerrl gewesen (POSITIVES CHRISTENTUM N r . 8 v o m 25. 8. 1935). Hanns Kerrl, geb. 11. 12. 1887 in Fallersleben, gest. 14. 12. 1941 in Paris, Justizoberrentmeister in Peine, 1928 MdL, 25. 5. 1932 erster nationalsozialistischer Präsident des preußischen Landtags, 21. 4. 1933-16. 6. 1934 preußischer Justizminister, danach Reichsminister ohne Geschäftsbereich, ab 16. 7. 1935 Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten. 70 Mitteilungen der Reichsgemeindeleitung . . . 19. 8. 1935 (vgl. Anm. 69).

Bremer Deutsche Christen und Reichsbewegung

64

Theologische und allgemeinkirchliche Gründe haben zu diesem Entschluß beigetragen71. Man versuchte aber den Kurswechsel dadurch zu verschleiern, daß auf die Erklärung Kinders und Lefflers vom 14. Juli 1935 hingewiesen wurde, als ob diese nicht schon überholt gewesen wäre. Von den gemeinsamen Zielen und Aufgaben war nur neutrale Toleranz übriggeblieben72. Zwei Tage nach der Erklärung Kinders und Lefflers war Kerrl am 16. Juli 1935 zum Reichskirchenminister ernannt worden, und etwa drei Wochen nach der Wahl Rehms zum Reichleiter wurde der Reichskirchenausschuß am 3. Oktober 1935 gegründet. Was die „staatspolitische Situation" betrifft, die diese Entwicklung forderte, ist anzunehmen, daß Hitler die kirchliche Entwicklung im Hinblick auf den kommenden Parteitag im September 1935 beobachtete, auf dem die zentralen Rassengesetze verkündet werden sollten. Kerrl sollte dafür Sorge tragen, daß keine „Sonderinteressen" in der Kirche laut würden. Darunter kann man wohl die Ziele der Bekennenden Kirche und der Thüringer D C verstehen 73 . Daß der Beschluß der Gauobmännertagung vom 8. September 1935, der im Widerspruch zur Vereinbarung zwischen Kinder und Leffler stand, für die Führung der Reichsbewegung D C nicht überraschend kam, zeigen die Nachrichten der „Neue(n) Baseler Zeitung" vom 6. September 1935. Unter dem Titel „Führerwechsel bei den Deutschen Christen" wurde dort das Verdienst Kinders hervorgehoben, die Deutschen Christen „einen maßvollen Kurs gesteuert" und sein Zurücktreten „im Laufe dieses Monats" angekündigt zu haben. Zur Erbitterung Lefflers war aber auch der Nachfolger Kinders der Zeitung bekannt: Studienrat Rehm aus Württemberg. Schon zwei Tage vor der Gauobmännertagung war demnach entschieden, wer der Nachfolger in der Führung sein sollte, obwohl man dies Leffler nicht hatte mitteilen wollen 74 . Wieweit Kinder und Rehm ihre Meinung über die Unterstellung der Bewegung unter die Thüringer D C geändert und tatsächlich schon gegen Leffler agiert hatten, wieweit es sich dabei um eine allgemeine Meinung der Gauobmänner oder des Reichsministers Kerrl handelte, läßt sich nicht genau sagen. Leffler deutete an, daß es hier um einen „Konflikt zwischen Bewegung und Führung" gehe. Mit dem Beschluß habe die Bewegung das Führerprinzip abgelehnt und sich „zum parlamentarisch-demokratischen Prinzip bekannt" 75 . Kirchenpolitisch betrachtet, hatte die Kerngruppe der Deutschen Christen den Weg der „Verkirchlichung" gewählt, wie schon einmal 71

S. LEFFLER, W e g ( v g l . A n m . 6 4 ) .

75

72

H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 234 f.

74

S . LEFFLER, W e g ( v g l . A n m . 6 4 ) .

75

Ebd. Ebd.

Trennung der niedersächsischen D C von der Reichsbewegung

65

nach der Sportpalastkundgebung, als Kinder die Führung der Deutschen Christen erhielt. Damals hatte der Versuch, sich von den eindeutig bekenntniswidrigen Gruppen Krauses zu trennen, zur Zersplitterung geführt 76 . Dasselbe wiederholte sich nun, als Rehm die Bewegung weiter bekenntnistreu zu leiten versuchte.

3. Die Trennung der niedersächsischen Deutschen Christen von der Reichsbewegung Durch die Wahl Rehms zum Reichsleiter der Reichsbewegung D C (8. September 1935) war der Versuch Weidemanns, die Führung der Bewegung zu erlangen, endgültig gescheitert. Als Reaktion darauf trat er am 11. September mit dem Gau Bremen aus der Reichsbewegung aus. Der neue Kurs Rehms, die Ablehnung der organisatorischen Vereinigung mit der Kirchenbewegung D C und die Distanzierung von der nationalkirchlichen Richtung, ließen Weidemann keine Möglichkeiten, seine Idee der Sammlung um den Reichsbischof zu realisieren. Seinen Schritt begründete Weidemann als „Folge" der Entschließung der nordwestdeutschen DC-Führer, in der die Verbindung mit dem Reichsbischof als einziges Mittel zur Lösung der Krise der Deutschen Christen bezeichnet worden war. Er versuchte nun den Eindruck zu erwecken, daß Rehm und die ihn unterstützenden Gauobmänner eine Minderheit bildeten. Am 19. September 1935 rief Müller sämtliche DC-Führer, Bischöfe und Gauobmänner zusammen. „Was die ,Deutschen Christen' wollen, ist etwas anderes, als was Pg. Rehm und einige Gauobmänner heute tun", warf Weidemann der neuen Leitung vor 77 . Rehm seinerseits versuchte den Anschein zu erwecken, als ob Weidemann - wie früher Tügel - als Einzelperson aus der Reichsbewegung DC ausgetreten wäre. Rehm ordnete an, daß der schleswig-holsteinische Gauobmann, Oberrentmeister Hagge, alle Angelegenheiten des Gaues Bremen verwalten sollte, was aber wegen der heftigen Proteste der Bremer nicht durchzusetzen war 78 . Eine größere Neugruppierung stellten die im Mai 1935 gegründete Hossenfelder-Bewegung und die „Arbeitsgemeinschaft" der niedersächsischen DC-Gaue dar. „Die Niedersachsen" sollten bleiben, „was ' · K . MEIER, Deutsche Christen, S. 31. 77 MITTEILUNGSBLATT DEUTSCHE CHRISTEN NIEDERSACHSEN N r . 1 0 v o m 1 . 1 0 . 1 9 3 5 ,

S. 4 (Zur Lage der Reichsbewegung - in einer Gesundungskrise - Erklärung des bremischen Landesbischofs). 78 Schreiben Weidemanns an die ehemaligen Mitglieder der Reichsgruppe D C B r e m e n v o m 1 6 . 9 . 1 9 3 5 ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 ) ; MITTEILUNGSBLATT DEUTSCHE C H R I -

STEN NIEDERSACHSEN Nr. 12 vom 1. 11. 1935, S. 3; Schreiben Rehms an die Mitglied e r d e r R e i c h s g r u p p e D C v o m 1 4 . 9 . 1 9 3 5 ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 . 2 5 ) . 5

Heinonen, Anpassung

66

Bremer Deutsche Christen und Reichsbewegung

sie waren: ein selbständiger Block von Gauen, die dazu helfen, dem Gedanken der Reichskirche im Volk den Boden zu bereiten." 79 Noch zwei Tage vor der Entmachtung Müllers durch das Gesetz zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 24. September 1935 traten die Amtswalter der niedersächsischen Deutschen Christen auf ihrem Kongreß in Bremen für den Reichsbischof ein, „dessen Persönlichkeit die Reichskirche verkörpert" 8 0 . Daß die Situation nicht ermutigend war, darauf lassen die folgenden Ausführungen Weidemanns schließen. E r verglich - wie einst 1933 - die Situation der DC-Bewegung mit der N S D A P in der „Kampfzeit". „Wir Deutschen Christen können es auf kirchlichem Boden nicht leichter haben, als es die N S D A P auf dem Boden der Staatseroberung gehabt hat. Darum machen wir mit unserer Reichsbewegung gegenwärtig Zeiten durch, die denen der Partei in den Jahren 1923 und 1924 vergleichbar sind." 8 1 Weidemann mag mit diesem Vergleich gemeint haben, daß jetzt die radikalen Eingriffe in die Kirche nicht mehr weiterzuführen seien und man sich auf kirchliche Arbeit konzentrieren solle. Es war aber nicht leicht, die verschiedenen niedersächsischen DC-Gruppen einzig in dieser losen Arbeitsgemeinschaft zusammenzuhalten, da andere Gruppen wegen ihrer straffen Organisation besser Propaganda treiben konnten.

4. Ludwig Weidemanns

Müller

als Zentralfigur

der

Sammlungsbemühungen

Am 16. Juli 1935 wurde Hanns Kerrl von Hitler zum Reichskirchenminister berufen. Kerrl hatte sich bereits seit März 1935 als Minister ohne Geschäftsbereich mit der Kirchenfrage beschäftigt 82 . Der bremische Senat erfuhr, daß Kerrl die Absicht hatte, zunächst im Bereich einer Landeskirche „klare Verhältnisse" zu schaffen. Als Kirchenpräsident und Regierender Bürgermeister Bremens nahm Otto Heider im August 1935 Kontakt zu Kerrl auf und schlug die Bremer Evangelische Kirche als Musterkirche vor. Heider plante, von der Pfarrerschaft die Ableistung des reichsgesetzlich vorgeschriebenen Beamteneides auf Hitler zu verlangen. Dies sollte bereits der Vorbereitung der Musterkirche dienen. Oberregierungsrat Dr. Seidler be7

» Vgl. A n m . 7 7 .

MITTEILUNGSBLATT DEUTSCHE CHRISTEN NIEDERSACHSEN N r . 10 v o m (Amtswalter-Kongreß in Bremen). 81 Ebd. 8 2 L. WENSCHKEVITZ, Geschichte des Reichskirchenministeriums, S. 196. 80

1.10.1935

Müller als Zentralfigur der Sammlungsbemühungen Weidemanns

67

richtete später über die Besprechung zwischen Heider und Kerrl. Die Einzelheiten dieses Gesprächs wurden aber nicht in das Protokoll aufgenommen 83 . Kerrl weigerte sich, Bremen eine Sonderstellung zu geben, eine Entscheidung, die nicht verwunderlich ist, denn Kerrl konnte kein Interesse an einer Stärkung der Müller unterstützenden Gruppen haben. Die nach gut einem Monat begonnene Kirchenausschußpolitik sollte im Gegenteil den Reichsbischof entmachten. Noch einige Tage vor seiner Entmachtung versuchte Müller, mit Hilfe der DC-Bewegung seine Stellung zu wahren. Auf der von ihm einberufenen Gauobmännertagung vom 19. September 1935 bemühte er sich jedoch vergebens, eine Bevollmächtigung durch die Deutschen Christen zu erlangen. Wäre dies gelungen, hätten die Sammlungsbemühungen Weidemanns Erfolg haben können 84 . Auf den nächsten Tag war eine Reichskirchentagung für Niederdeutschland (20.-23. September 1935) „unter dem Protektorat des Reichsbischofs" in Bremen einberufen worden. Hätte Müller die Deutschen Christen unter seiner Führung einen können, hätte diese Tagung vielleicht den N a men „Reichskirchentagung" verdient. Die kurz zuvor aus der Reichsbewegung D C ausgetretene Bewegung Weidemanns sollte hier ihre Verbundenheit mit dem Reichsbischof demonstrieren, indem Weidemann und Müller über das Thema „Unser Kampf für die Reichskirche" sprachen 85 . Diese die Autorität des Reichsbischofs stärkende Tagung paßte nicht zu den Plänen Kerrls. Schon vor dem Ergebnis der Gauobmännertagung wurden sämtliche Vorträge der Tagung „im Einvernehmen mit dem Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten" durch den politischen Polizeikommandeur der Länder verboten. Die Aufhebung dieses Verbots erfolgte merkwürdigerweise noch am selben Tag 8 6 . Zu der unter dem „Protektorat des Reichsbischofs" stattfindenden „Reichskirchentagung für Niederdeutschland" waren offizielle Vertreter der Kirche wie Reichsvikar Engelke und der Generalsekretär 8 3 Besprechung über kirchliche Angelegenheiten bei Reichsminister Kerrl vom 13. 8.1935 (STA BREMEN, 3 - K L.a. N r . 567). 8 4 K . MEIER, Deutsche Christen, S. 102. 8 5 Im Programm der ersten Reichskirchentagung für Niederdeutschland war das „Wort des Reichsbischofs" abgedruckt: „Ich habe gern das Protektorat für die .reichskirchliche Tagung für Niederdeutschland' übernommen, weil es gerade jetzt, nach Jahren schwerster Kämpfe, darauf ankommt, den Gedanken der Reichskirche in seiner Größe und Spannweite darzustellen und mit echtem Christusgeist zu erfüllen" (STA BREMEN, 3 - K l.a. N r . 529). 8 6 Schreiben der Gestapo, gez. Hauptmann der Schutzpolizei Schulz, an Weidemann vom 18. 9. 1935 ( L K A BREMEN, Β 651); vgl. auch Bericht über den 1. Kurs

v o m 3 . - 9 . 1 0 . 1 9 3 7 (KOMMENDE KIRCHE N r . 4 2 v o m



17.10.1937).

68

Bremer Deutsche Christen und Reichsbewegung

des Evangelischen Bundes, Dr. Gerhard Ohlemüller, als Referenten eingeladen. Die Akademikerschaft wurde durch Professor D. Fascher, Jena, und Professor D. Hempel, Göttingen, repräsentiert. Von den Rehm nicht unterstützenden DC-Führern sollten Oberkirchenrat Boll, Hamburg, Vizepräsident und Landesleiter Hahn, Hannover, Pfarrer Leffler und Oberkirchenrat Leutheuser, Weimar, Vorträge halten. Besonders interessant ist das Auftauchen des Thüringer D C Führers Leffler (an die Stelle Leutheusers trat Landespropst Fiedler), weil es zeigt, daß Weidemann hier die Rivalität der Thüringer nicht fürchtete. Vielmehr läßt das im Mittelpunkt stehende Referat Leislers über „Die innere Haltung der D C " die Interpretation zu, daß Leffler hier als deutsch-christlicher Hauptideologe fungieren sollte, wohingegen Weidemann sich als kirchlicher Leiter der DC-Sammlung vorstellen wollte 87 . 87 Programm der Reichskirchentagung (STA BREMEN, 3-K. l.a. 529; mehrmals auch in der BREMER KIRCHENZEITUNG). Zum Programm gehörten: Begrüßung durch den Regierenden Bürgermeister Otto Heider; Vorträge von Ludwig Müller und Heinz Weidemann: Unser Kampf für die Reichskirche; F. Engelke: Die innere Haltung der Bekenntnisfront; O K R S. Leffler: Die Innere Haltung der Deutschen Christen; Regierender Bürgermeister O. Heider: Wie sehe ich als Nationalsozialist die kommende Reichskirche; Prof. D. Fascher-Jena: Ketzerrichterei oder Toleranz?; Pfr. K. Refer: Ist Christentum jüdisch?; Gottesdienst im Dom: Landesbischof Lie. Dr. Dietrich-Nassau-Hessen; O K R J. Leutheuser: Von der Wandelbarkeit der gottesdienstlichen Formen (über das Thema sprach an seiner Stelle G. Fiedler, Kiel); Vizepräsident Hahn: Juden und ihre Lügen; O K R Boll-Hamburg: Politischer Katholizismus und seine Bundesgenossen; Landesbischof H. Weidemann: Hat die deutsche Glaubensbewegung Heimatrecht in der kommenden Reichskirche?; Prof. Hempel-Göttingen: Luther und das Alte Testament. J K 3, 1935 (S. 933) zitierte nach der parteiamtlichen „Bremer Zeitung" vom 22. 9. 1935 den Vortrag Heiders, in dem er von der Notwendigkeit dem Volk „einen neuen Glauben zu geben", gesprochen hatte.

In der FRANKFURTER ZEITUNG N r . 4 9 2 v o m 26. 9. 1935 w u r d e der V o r t r a g v o n G e -

neralsekretär Ohlemüller kurz referiert. Dadurch entstand der Eindruck, der Evangelische Bund unterstütze Weidemann und die DC-Bewegung. Dem Referat zufolge hatte Ohlemüller dem Katholizismus politische UnZuverlässigkeit vorgeworfen und den Deutschen Christen die Aufgabe zugewiesen, einen „religiösen Protest" gegen ihn zu richten. Ohlemüller versuchte später, sich von der Reichskirchentagung der Deutschen Christen zu distanzieren und gab in der Presse die Erklärung ab, er hätte einen Vortrag zugesagt, ohne den Charakter der Tagung zu kennen. „Er hat sich, nachdem er nach seinem Vortrage die Sachlage überschauen konnte, gegenüber dem Leiter der Versammlung deutlich von der Tendenz der Tagung distanziert", hieß es in der vom Präsidenten des Evangelischen Bundes, Bornkamm, unterschriebenen Erklärung (JK 3, 1935, S. 986). Georg Fiedler, geb. 29. 10. 1891 in Hoya/Hannover, gest. 17. 11. 1938, 1921-1932 Pastor in Oslo, Hannover, Freiburg/Elbe, Beverstedt, 1932 Landespropst (Generalsuperintendent) in Celle, 1936 Prof. für Praktische Theologie in Kiel. Gerhard Ohlemüller, geb. 23. 2. 1877 in Schleiden/Eifel, gest. 22. 6. 1941 in Ber-

69

Bremer Bemühungen um Selbständigkeit

Wie der Name „Reichskirchentagung" schon andeutet, lag der Akzent der Versammlung auf der Verwirklichung der reichskirchlichen Pläne. „Wir sind die Reichskirchenbewegung. Unser Ziel heißt: dem Deutschen Volk eine einige evangelische Kirche. Dieses Ziel innerlich und äußerlich vorzubereiten, ist unsere Aufgabe", hieß es in einem Aufruf Weidemanns87*. Der konkrete Grund, die Reichskirche unter Müller zu einer Zeit zu propagieren, als dieser vor seiner vollständigen Entmachtung stand, war die Abhängigkeit des Bremer DC-Kirchenregiments von der Stellung Müllers als Reichsbischof. Durch das Paktieren mit Müller hoffte Weidemann seine eigene Stellung als DC-Führer und Landesbischof zu festigen. 5. Bremer Bemühungen um Selbständigkeit

und die 2.

Kirchentagung

Schon auf der ersten Reichskirchentagung wurde geplant, diese Veranstaltungen fortzusetzen. Die parteiamtliche „Bremer Zeitung" hatte Weidemann unterstützt und die Tagung als „durch und durch im besten Sinne positiv" bezeichnet, die „deshalb für Volk und Kirche zum Segen gereichen" müsse88. Als die zweite deutsch-christliche, überregionale Kirchentagung vom 4. bis 7. Februar 1936 in Bremen zusammenkam, war die kirchenpolitische Situation wesentlich verändert dadurch, daß in der deutsch-christlichen Bewegung ein immer stärkerer Einfluß der Thüringer D C deutlich wurde, der in den Zusammenschlüssen des Jahres 1936 seinen Ausdruck fand 89 . Die Entmachtung des Reichsbischofs durch das Gesetz zur Sicherung der evangelischen Kirche vom 24. September 1935 - also einen Tag nach der ersten Tagung in Bremen - bewirkte zunächst keine Wandlung in Weidemanns Haltung gegenüber Müller. Im November 1935 versicherte das Mitteilungsblatt der niedersächsischen DC, daß es noch eine „ganze Reihe von Gauen" gebe, „die selbständig lin, 1903 kath. Priester, 1912 Austritt aus der kath. und 1922 Ubertritt zur ev. Kirche, seit 1915 Mitarbeiter in der wissenschaftlichen Abteilung des Ev. Bundes, 1923 Generalsekretär. Erich Fascher, geb. 14. 12. 1897 in Göttingen, 1930 Prof. für Neues Testament und Religionsgeschichte in Jena, 1937 in Halle, 1950 in Greifswald, 1954 in Berlin. Johannes Hempel, geb. 30. 7. 1891 in Bärenstein/Sachsen, 1925 Prof. für Altes Testament in Greifswald, 1928 in Göttingen, 1937 in Berlin, 1947 Pfarrverweser in Salzgitter, 1955 Honorarprof. in Göttingen, 1958 emeritiert. Karl Friedrich Boll, geb. 30. 6. 1898, 1929 Pastor in Hamburg, 1934-1945 β7 OKR in Hamburg, dann Ruhestand. * H . WEIDEMANN, Haltung, S. 14. 88

1.

Nach

10.

31.10. 8

MITTEILUNGSBLATT

DEUTSCHE

CHRISTEN

NIEDERSACHSEN

1 9 3 5 ; DIE CHRISTUS BEKENNENDE REICHSKIRCHE, H e f t

3

10

vom

(Vorwort

Nr.

vom

1935).

» DEUTSCHES PFARRERBLATT N r . 7, 1 9 3 6 , S. 1 0 6 ; v g l . a u c h K . MEIER, D e u t s c h e

Christen, S. 145 ff.

70

Bremer Deutsche Christen und Reichsbewegung

unter dem Reichsbischof stehen" 90 . Im organisatorischen Sinne sollte bei diesen sich von der Reichsbewegung D C - wegen Rehms ablehnender Haltung gegen Müller - distanzierenden Gruppen zunächst nichts geändert werden. „Vorläufig bleiben wir weiterhin zusammengeschlossen in den einzelnen Landesgruppen und Gauen, zutiefst geeint durch die Person des Reichsbischofs." Die Verwirrung in der Reichsbewegung D C bot jedoch für die stark organisierten Thüringer Möglichkeiten zur Expansion. Auch in Niedersachsen mußte man sicherstellen, daß die „Niedersachsen unter der Führung von Landesbischof Dr. Weidemann" stehen und „selbständig und unabhängig" trotz ihrer Sympathie für die Thüringer D C „ihren Weg gehen" 91 . Wie die Bremer traten auch die Thüringer D C auf ihrer Reichstagung in Eisenach (26.-28. Oktober 1935) für den Reichsbischof ein. „In beachtlicher Zahl" nahmen die Bremer Deutschen Christen unter der Leitung Weidemanns an der Tagung teil und waren trotz mancher Meinungsverschiedenheiten bereit, das Wieratal als „Urzelle der Bewegung" anzuerkennen. Auch die wegen der kompromißlosen Kirchenpolitik des Landesleiters Hahn in der Landeskirche immer heimatloser gewordenen Deutschen Christen Hannovers waren anwesend92. Weidemann versuchte den Eindruck zu erwecken, daß seine Tagungen, im Gegensatz zu den eindeutig deutsch-christlichen Veranstaltungen der Thüringer, ein Echo auch in breiteren Kreisen erhielten. Im Einladungsbrief an Landesbischof Diehl-Speyer zur 2. Reichskirchentagung vom 4. bis 7. Februar 1936 formulierte Weidemann, daß es sich hier um eine Tagung handele, „auf der D C und Neutrale zusammenarbeiten" 93 . Ein Blick auf die Einladungsliste zeigt, daß Weidemann seine entlegene Landeskirche in den Blickpunkt rücken wollte. Unter den Eingeladenen befand sich Prominenz aus den unterschiedlichsten Lagern der Kirche, des Staates und der Partei: Reichskirchenminister Kerrl, der über Weidemanns Unternehmen nicht besonders erfreut war, und Ministerialrat Dr. Julius Stahn aus dem Kirchenministerium, Generalsuperintendent D. Wilhelm Zoellner, Parteiideologe Reichsleiter Alfred Rosenberg, Reichsführer SS Heinrich Himmler und Artur Dinter, Begründer der „Geistchristlichen Religionsgemeinschaft" (seit 1934: Deutsche Volkskirche). Alle EO MITTEILUNGSBLATT DEUTSCHE CHRISTEN NIEDERSACHSEN N r . 1 2 v o m 1 . 1 1 . 1 9 3 5 . 81

Ebd. Ebd. Hier sind anscheinend neue Bindungen entstanden, die zur Eingliederung der Hannoveraner in die Thüringer D C im Herbst 1936 führten. 92

93

S c h r e i b e n v o m 2 0 . 1 . 1 9 3 6 ( L K A BREMEN, Β 6 5 1 ) .

Ludwig Diehl, geb. 17. 1. 1894 in Weilerbach, 1924 Pfr. in Mackenbach, 1934-1945 Landesbischof der pfälzischen Landeskirche, dann wieder Pfr. in Makkenbach.

Bremer Bemühungen um Selbständigkeit

71

diese Männer wurden mit persönlichen Schreiben bedacht. Aus Hannover wurden Regierungspräsident Dr. Muhs (Hildesheim), der später in der bremischen Kirchenpolitik eine wichtige Rolle spielte, und der Liturgiker Oberkirchenrat Christhard Mahrenholz als Vertreter der Mitte gleichfalls brieflich um ihre Teilnahme gebeten. Weidemann suchte anscheinend nun nach der Entmachtung Müllers neue Befürworter unter führenden Repräsentanten im Staate Hitlers zu finden. Der Reichsbischof selbst, der noch der vorausgegangenen Tagung sein „Protektorat" geliehen hatte, gehörte jetzt nicht mehr zu den vorgesehenen Gästen 94 ! Um noch mehr Propaganda für die Tagung zu machen, warb Weidemann auch um wichtige Repräsentanten des protestantischen Auslandes, den Erzbischof von Canterbury, den Bischof von Chichester und die Erzbischöfe von Skandinavien. Dabei mußte es Weidemann aber klar sein, daß die englischen Kirchenmänner nicht Gegner der Bekennenden Kirche unterstützen würden. Die Aktion sollte wohl vor allem die Tagung einem größeren Kreis bekanntmachen und gleichzeitig die Selbständigkeit der Bremer D C demonstrieren. Darauf weist die propagandistische Ausnutzung der formal höflichen Absagebriefe hin. So berichtete die „Frankfurter Zeitung", daß „Botschaften auch aus dem Ausland..., unter anderem von den Erzbischöfen von Canterbury, Uppsala und Chichester eingegangen" waren 95 . Später protestierte Lord Bischof Bell von Chichester gegen diesen Mißbrauch seines Absagebriefes 96 . Zwischen dem schwedischen Primas und der Deutschen Evangelischen Kirche waren die Beziehungen schon abgebrochen. Die Meldung der „Jungen Kirche", daß Erzbischof Eidem „weder eine Botschaft noch irgendwelche Grüße" an die Tagung geschickt habe, war deswegen wahrscheinlich richtig 97 . Was den Erzbischof von Canterbury betraf, so hatte sein Sekretär formale Grüße nach Bremen übermittelt, anscheinend ohne den Charakter der Tagung genau zu kennen 98 . Die großen Gesten 8 4 Einladungsliste zur 2. Kirchentagung vom 20. 3. 1936; Schreiben Weidemanns an Rosenberg vom 2 0 . 1 . 1936 ( L K A BREMEN, Β 651). 95

FRANKFURTER Z E I T U N G N r . 7 6 / 7 7 v o m 1 1 . 2 . 1 9 3 6 . A l s f o r m a l e r A n l a ß , d i e R e -

präsentanten der Kirche Englands einzuladen, galt wahrscheinlich der Vortrag von Domprediger P f a l z g r a f : Deutsches und englisches Kirchentum, ein Vergleich. 9 6 Schreiben von Bischof Georg Bell an Weidemann vom 14. 2. 1936 ( L K A BREMEN, Β 651). 9 7 J K 4, 1936, S. 293; vgl. auch E. MURTORINNE, Erzbischof Eidem, S. 83. 9 8 Schreiben des Erzbischofs von Canterbury, i. A. Chaplain Alain C. Dou, an Weidemann vom 3. 2. 1936 ( L K A BREMEN, Β 651). D a ß der Erzbischof von Finnland, Kaila, seine „glaubensbrüderlichen Grüße" an die Tagung in seinem Absagebrief vom 29. 1. 1936 an Weidemann sandte, spricht mehr von der Schwierigkeit, von dem entlegenen Turku aus sich über den Kirchenkampf zu orientieren als von tatsächlicher Unterstützung (ebd.).

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Bremer Deutsche Christen und Reichsbewegung

des Bremer Bischofs verblüfften auch die DC-Kollegen. Das „Positive Christentum" schrieb: „Es war von vornherein unverständlich, wozu die Bremer ihren merkwürdigen Versuch unternommen und die verfrühten Nachrichten verbreitet haben." 99 Die Interpretation der Absagebriefe als „Botschaften" diente anscheinend dem Zweck, die Tagung als ein legitimes, allgemein-kirchliches Unternehmen hervorzuheben. Die Vermutung liegt nahe, daß Weidemann mit der ausländischen „Anerkennung" eine bedeutende Stellung für sich in der Deutschen Evangelischen Kirche vorzubereiten versuchte. Für dieses kirchenpolitische Ziel waren die Mittel nicht unklug gewählt, weil in der Hitlerschen Kirchenpolitik die Reaktionen des Auslandes, besonders Englands, eine wichtige Rolle spielten. Es ist angebracht, die Bedeutung der Einladung an Bischof Bell, der ein halbes Jahr zuvor das Neuheidentum in Deutschland in einem „Times"-Artikel scharf kritisiert hatte, auch aus außenpolitischen Perspektiven zu betrachten. Bell hatte in seinem Artikel die von England 1935/36 betriebene „Appeasement-Politik" von der kirchlichen Entwicklung in Deutschland abhängig machen wollen. Anscheinend legte der nationalsozialistische Staat Wert darauf, diesen englischen Bischof vom „guten Willen" der Hitlerregierung zu überzeugen. Der deutsche Botschafter in London, Joachim von Ribbentrop, der das im Juni 1935 entstandene Flottenabkommen als seinen Erfolg hatte verbuchen können, versuchte Bell in zwei Gesprächen zu einer wohlwollenden Interpretation der Lage der deutschen Kirchen zu bewegen. Ribbentrop wies unter anderem daraufhin, daß Hitler alle Pfarrer der Bekennenden Kirche — 21 an der Zahl - aus Konzentrationslagern und Gefängnissen freigelassen hatte. Der Staat zeigte dieses Entgegenkommen gegenüber der Bekennenden Kirche zu einem taktisch wichtigen Zeitpunkt, nämlich 17 Tage vor der Augsburger Bekenntnissynode (4.-6. Juni 1935). Daß die nationalsozialistische Führung daran interessiert war, eine positive Äußerung über eine Reichskirchentagung von diesem Kirchenführer zu hören, scheint offensichtlich 100 . Wie die erste, so schien auch die zweite Reichskirchentagung die Politik Kerrls zu stören. Wenn er im September 1935 den Inhalt, d. h. die Vorträge der Tagung, zu verbieten versucht hatte, so konnte diesmal der äußere Rahmen nicht seine Zustimmung finden. Der Name „Zweite Reichskirchentagung für Niederdeutschland" wurde von Kerrl untersagt, weil er „irreführend sei und leicht den Eindruck erwecken könnte, als ob es sich hier um eine offizielle Tagung" han99 100

Nr. 13 vom 5. 4.1936. Kirchenkampf, S. 132 f.; K. D. Kirche, S . 24 f.

POSITIVES C H R I S T E N T U M

A.

BOYENS,

SCHOLDER, E V .

BRACHER,

Diktatur, S. 323; K.

Bremer Bemühungen um Selbständigkeit

73

dele. So wurde die Bezeichnung in „Tagung der Bremischen Evangelischen Kirche" umgeändert, und Reichsjugendpfarrer Zahn, der als offizieller Vertreter der Deutschen Evangelischen Kirche referieren sollte, mußte seinen Beitrag absagen 101 . Im Programm waren Vorträge angekündigt, ζ. B. des Lie. Hermenau, „Frauendienst aus Glauben", des Oberstleutnant a. D. Andre (Münster), „Glaube und Soldatentum", und der - dann abgesagte Vortrag von Reichsjugendpfarrer Zahn, „Jugend ohne Christus", die Gebiete der kirchlichen Arbeit berührten, auf denen die Möglichkeiten des deutsch-christlichen Einflusses anscheinend als erheblich angesehen wurden. Interessanter für die Öffentlichkeit waren aber die Vorträge, die einen klaren ideologischen Akzent trugen wie „Ist Christentum jüdisch?" von Pastor Karl Refer und „Weltanschauung und christlicher Glaube" vom Direktor der Bremischen Staatsbibliothek, Dr. Knittermeyer. Auch die Weidemannschen Ausführungen über „Das Neue Testament deutsch den Deutschen des Dritten Reiches", in denen über Bremer Bibelübersetzungen berichtet wurde, stießen auf großes Interesse und verliehen den deutsch-christlichen Aktivitäten neue Aktualität 1 0 2 . Die Tendenz der Tagung umschrieb Karl Refer wie folgt: „Echtes und ursprüngliches Christentum ist der radikalste Gegner des Judentums, und protestantisches Christentum ist der Protest gegen den Versuch, das Christentum wieder jüdisch zu machen." 1 0 3 Daraus folgte das ideenpolitische Programm der „Entjudaisierung" oder „Eindeutschung", das auch in der Bibelübersetzung verwirklicht werden sollte. Durch diese Bemühungen glaubte Weidemann, auch das Interesse der Partei wecken zu können. Er schickte den Anfang der „Ubersetzung" des Johannes-Evangeliums an Heinrich Himmler und empfahl das Schriftstück mit den Worten: „Schon aus den ersten Sätzen werden Sie ersehen, daß wir als Christen aus deutschem Blut und deut1 0 1 BREMER ZEITUNG N r . 31 v o m 31. 1. 1936 (Nicht „Reichskirchentagung" in B r e m e n ) ; K . STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 4 3 ; Schreiben des Reichsministeriums für Volksaufklärung und P r o p a g a n d a an die Herausgeber der im Gau O s t - H a n n o v e r erschienenen Kirchen- und Gemeindeblätter v o m 1. 2. 1 9 3 6 ( L K A HANNOVER, Η 11/721). K a r l Friedrich Zahn, geb. 30. 12. 1 9 0 0 in Viersen, gest. 19. 4. 1943 in einem Feldlazarett in Rußland an den Folgen einer Verwundung, 1931 P f r . in Aachen, 1. 4. 1934 Reichsjugendpfr. und O K R , ab 1 9 4 0 Kriegsdienst. 1 0 2 Zum P r o g r a m m der 2. Kirchentagung v o m 4 . - 7 . 2. 1936, mehrmals vor der Tagung erschienen in der BREMER KIRCHENZEITUNG, vgl. auch HAMBURGER FREMDENBLATT v o m 30. und 31. 1. 1936 (in: J K 4, 1936, S. 1 6 8 ) . IOS DEUTSCHES PFARRERBLATT 1936, S. 106 (Kirchentagung in B r e m e n ) ; K . REFER, Ist Christentum jüdisch?, S. 10. Refer berief sich in seinem V o r t r a g auf J . GOEBBELS, Michael, S. 10 und 4.

74

Bremer Deutsche Christen und Reichsbewegung

scher Rasse den Antijuden Christus zeichnen."104 Der SS-Führer scheint seinerseits Interesse an dem Unternehmen gehabt zu haben; er bat Weidemann, ihm die „endgültige Übersetzung" zuzuschicken 105 . Die Beziehung zu Himmler gab Weidemann wahrscheinlich einen gewissen politischen Rückhalt, der ihm dazu verhelfen konnte, sich mehr und mehr vom Reichskirchenministerium unabhängig zu machen. Sollten noch andere solche Beziehungen zwischen DC-Führern und der Partei bestanden haben, wäre es verständlich, daß die landeskirchlichen Verhältnisse häufig mehr vom Reichsstatthalter als vom Reichskirchenministerium abhängig waren 106 .

6. Die Entstehung der Kommenden

Kirche

Seit Herbst 1936 bezeichnete Weidemann seine Gruppe mit dem Namen „Kommende Kirche" nach dem von ihm im September dieses Jahres gegründeten Wochenblatt gleichen Namens. Noch am 23. März 1936 hatte er die Bremer D C in den Verhandlungen mit Leffler und Hossenfelder um den „Führerring" „Die Christus bekennende Reichskirche" — wie auch seine Schriftenreihe hieß — genannt 107 . Hinter der neuen werbekräftigen Bezeichnung „Kommende Kirche" waren nicht ohne weiteres die in der Öffentlichkeit in Verruf gerate104

Schreiben Weidemanns vom 20.1. 1936 (LKA BREMEN, Β 651). Schreiben Himmlers an Weidemann vom 28. 1. 1936: „Sehr geehrter Parteigenosse Weidemann! Recht herzlichen Dank für Ihren Brief vom 20. 1. Ihrer Einladung kann ich leider nicht Folge leisten, da ich am 4. 2. eine Gruppenführerbesprechung habe und mit dem Führer am 6. 2. zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele nach Garmisch fahre. - Sehr würde mich die endgültige Übersetzung des Johannes-Evangeliums interessieren. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir dieses einmal zuschicken würden. - Ich wünsche Ihnen einen guten Verlauf der Reichskirchentagung. Heil Hitler, Ihr H . Himmler" (LKA BREMEN, Β 651). Als Reichsführer-SS verbot Himmler der Schutzstaffel „jeden Angriff gegen Christus als Person, da solche Angriffe oder die Beschimpfung von Christus als Juden" ihrer „unwürdig und geschichtlich bestimmt unwahr" seien (zitiert nach J. A C K E R MANN, Himmler, S. 77). Daß „Christus als Person" kein Jude war, hatten die Theorien von H . St. Chamberlain dem aus der katholischen Kirche ausgetretenen Reichsführer bewiesen. Chamberlains Ideen tauchten auch in der „Übersetzung" Weidemanns auf (vgl. unten S. 174); Himmlers „Schwarzer Orden" lehnte aber strikt ab, daß die SS-Truppen „Heiden" oder „Atheisten" seien. Himmler selbst betonte, daß er an „einen Herrgott . . . , der Erde, Vaterland und Volk geschaffen, und der den Führer geschickt habe", glaube (J. ACKERMANN, Himmler, S. 82). Diese Einstellung konnte die Hoffnung bei den Deutschen Christen erwecken, für ihr Ideengut Verständnis beim Reichsführer-SS zu finden. 10 · „Es scheint überhaupt so, als ob der Einfluß der Reichsstatthalter auf die landeskirchlichen Verhältnisse über den des Reichskirchenministeriums dominiert hätte" (K. MEIER, Deutsche Christen, S. 219). 107 Ebd., S. 145. 105

Entstehung der Kommenden Kirche

75

nen Deutschen Christen zu vermuten; sie konnte vielmehr alle die Gruppen interessieren, die eine Kirchenerneuerung erstrebten. Wie aber kam die deutsch-christliche Gauorganisation Bremen zur Änderung ihrer inneren Struktur und ihrer Zielsetzungen? Im Jahre 1936 sah sich Weidemann von zwei Seiten her gezwungen, seiner DC-Bewegung eine eigene Linie zu geben. Erstens konnte er nicht auf die Hilfe des entmachteten Reichsbischofs rechnen; zweitens aber bestand die Notwendigkeit, die Bremer gegenüber den Thüringer D C zu profilieren, um ihre Selbständigkeit gegenüber der Gruppe Lefflers zu bewahren. Weidemann suchte die Lösung zunächst im Verzicht auf organisatorischen Wettbewerb mit Leffler, der für die Bremer wenig erfolgversprechend war und wozu er viele seiner Anhänger nur schwerlich hätte bewegen können. Er wollte künftig keine Organisation, die möglicherweise in eine andere DC-Gruppe hätte integriert werden können. Außerdem sollte die Verkirchlichung seine Gruppe äußerlich erkennbar von den Thüringern trennen. Die deutsch-christlichen Aktivitäten sollten mit dem landeskirchlichen Leben zusammenwachsen und die relativ große Gruppe der liberal gesinnten Bremer „Neutralen" für eine Zusammenarbeit gewinnen. Man kann Weidemanns Entscheidung als taktische Notlösung betrachten. Es liegt aber auch nahe, hier eine größere ideenpolitische Konzeption zu sehen108. Weidemann beantwortete im Oktober 1937 die Fragen „Warum konstituiert sich die .Kommende Kirche* nicht als Bewegung? Warum schafft sie sich keine Organisation?" folgendermaßen: „Der natürliche Mensch ist so veranlagt, daß er einer Idee erst voll und ganz gehört, wenn er ein äußeres Zeichen dafür in den Händen hält. Diesem Verlangen haben der Führer und durch den Führer die NSDAP und der Staat geradezu meisterhaft entsprochen." 109 Was aber richtig im Staat war, sollte nicht für die Kirche gelten, die Erneuerung sollte hier mit geistigen Mitteln errungen werden. „Hat Gott die sichtbare politische Revolution Adolf Hitlers in seiner Gnade gelingen lassen, die unsichtbare religiöse Revolution wird nur gelingen, wenn wir das Heilige, das der Kirche durch Christus anvertraut ist, auf keine Weise verfälschen und umbiegen." 110 Für die der Streitigkeiten und Gründungen neuer Gruppen müden Pfarrer war dies etwas Neues, das religiöse Substanz versprach und 108 Ebd., S. 281. - Auch Dr. Georg Cölle kannte die Kommende Kirche Weidemanns nur ohne feste Organisation. Die Schätzung der Mitgliederzahl der D C wurde u. a. ebenfalls dadurch erschwert (vgl. Vermerk Cölles vom 23. 4. 1942 über ein Telephongespräch mit Weidemann am 4. 4. 1942; LKA B R E M E N , Β 205.8). loe H . W E I D E M A N N , S O sieht die Kommende Kirche aus, S. 32. 110 Ebd., S. 34; Hervorhebung vom Verfasser.

Bremer Deutsche Christen und Reichsbewegung

76

eine Grundlage abzugeben schien, um die verschiedensten religiösen Richtungen zu einigen. Weidemann stellte nämlich in Aussicht: „Wir organisieren nicht. Wir geben keine Mitgliedskarten aus, weder rote noch blaue, weder braune noch grüne oder gar violette." 111 An das in breiten Kreisen vorhandene Mißbehagen gegenüber der Kirchenpolitik anknüpfend, erklärte er: „Wir kommen allen diesen kirchenpolitischen Organisationen nicht als Fremde, auch nicht als Neutrale, wir kommen als Gegner." 112 Die als kirchliche Parallelerscheinung zur nationalsozialistischen Machtergreifung verstandene „unsichtbare religiöse Revolution" sollte nicht mehr durch äußerliche organisatorische Maßnahmen gefördert werden. Diese pietistische Auffassung, wonach die religiöse Erneuerung der Kirche nur „im Inneren eines jeden einzelnen beginnen" konnte, war ein neues Element in der DCGauorganisation Bremen113. Im Sommer 1935 hatten die niedersächsischen Deutschen Christen in Hannover, Mecklenburg, Oldenburg, Bremen, Hamburg und Lübeck unter der Leitung von Weidemann noch eine Organisation geplant, die aus „straffgegliederten Kerntruppen" bestehen sollte114. Die kirchenpolitische Situation war jetzt verändert. Wichtig für Weidemanns Kirchenpolitik blieb, daß die Form der geplanten Kirchenerneuerung offen bleiben sollte. Niemand durfte abgestoßen werden, der gegen die bestehende Kirche zu arbeiten bereit war. Weidemann wollte durch kirchliche Veranstaltungen, Kirchentagungen, Sprechabende der Kommenden Kirche und Aufbauwochen zunächst nur für seine „Ideen" werben. Mit Hilfe des pietistischen Vokabulars wurde versucht, die Kirchenerneuerung zum Gegenstand religiöser Hoffnung auf das „Kirchenwunder der Zukunft" zu erheben115. So wurde die scheinbare Notlösung des Verzichts auf Organisation zum Gewinn für den Landesbischof und Kirchenpolitiker Weidemann und öffnete den Deutschen Christen für die Zukunft ein größeres Aktionsfeld.

111

Ebd. Ebd., S. 32 f. - Besonders war hier das Kasseler Gremium gemeint, das auf der Basis der kirchlichen Verbände eine Sammlung der Mitte vollzogen hatte und eben die Kreise gewinnen wollte, die Weidemann gern in den Reihen der Kommenden Kirche gesehen hätte. 115 Ebd., S. 35. 114 Schreiben Meyers an deutsch-christliche Mitarbeiter vom 9. 6. 1935 (LKA 112

HAMBURG, Β X V I a . 2 2 0 . a . l . ) . 115

BREMER KIRCHENZEITUNG v o m F e b r u a r 1936 ( P r o g r a m m der 2. K i r c h e n t a g u n g ,

„Wort des Landesbischofs").

Kapitel 3

DIE D E U T S C H - C H R I S T L I C H E N K O N T A K T E MIT ANDEREN LANDESKIRCHEN

1. Das „Nein" des Hamburger Landesbischofs

Tügel

Bei der Betrachtung der Beziehungen der Bischöfe der Hansestädte Hamburg und Bremen ist eine Differenzierung zwischen den kirchlichen und theologischen Absichten der Betroffenen notwendig; denn Tügel und Weidemann hatten in bezug auf die DC-Bewegung und auf ihre Landeskirchen so viel gemeinsam, daß es gar nicht selbstverständlich ist, wenn ihre kirchliche und theologische Entwicklung letztlich in sehr verschiedenen Richtungen verlief. Beide hatten für den Zusammenschluß der Niedersächsischen Kirche - zwar manchmal mit kontroversen Argumenten - plädiert und waren mit Hilfe der Deutschen Christen Bischof geworden 1 . Als Gauobmänner ihrer DC-Gruppen hatten sie das Abkommen im April 1935 beschlossen und aktiv den Reichsbischof unterstützt. In der Auffassung vom Verhältnis zwischen Landeskirche und DC-Bewegung waren sie auch weitgehend einig. Die Deutschen Christen sollten sich in das kirchliche Leben integrieren und möglichst aktiv das Gemeindeleben beeinflussen. Der Reichsleitung erklärte Tügel Anfang 1935: „Wir in Hamburg haben längst begonnen, unsere Ortsgruppen zur positiven Aufbauarbeit in die Kirche und die Gemeinden einzugliedern." 2 Ähnliches hatte auch Weidemann mit der Kommenden Kirche vor, die er nicht als Organisation verstanden wissen wollte. Als Tügel sogar in geschlossenen Mitgliederversammlungen „Gäste willkommen" zu heißen begann, führte dies in Hamburg zu sich ständig vergrößernden Konflikten mit den DC-Unterführern 3 . Wenn man aber die ähnlichen Bemühungen Weidemanns, auf die Organisation der Deutschen Christen zu verzichten, beobachtet, scheint der Grund zum Bruch des hamburgischen Bischofs mit den 1

2 Vgl. oben S. 61 f. H. WILHELMI, Hamburger Kirche, S. 196. W I L H E L M I meint, daß eben diese Kontroversen über die Aufgaben der deutsch-christlichen Organisation zum Bruch zwischen Tügel und seiner Bewegung führten (ebd., S. 198). Es waren vor allem politische Motive gewesen, die Tügel veranlaßt hatten, in die Reihe der D C zu treten (F. TÜGEL, Mein Weg, S. 241; vgl. auch ebd. S. 231 und 242).

'

H.

78

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

Deutschen Christen anderswo zu liegen. Es war die nationalkirchliche Idee, die Tügel in den theologisch-ideenpolitischen Ausführungen Kinders bekämpfte und die seiner Ansicht nach die ganze DC-Bewegung bedrohte 4 . Weil Tügel sich als Verfechter des Luthertums in Norddeutschland verstand und die Vereinigung der Kirchen in Deutschland auf konfessioneller Basis plante, mußten die nationalkirchlichen Ideen sowohl theologisch als auch kirchenpolitisch seinen Bemühungen entgegenstehen5. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß Tügel seinen Austritt aus der Reichsbewegung D C theologisch begründete, wobei er Kinder eine falsche Interpretation des Begriffes „positives Christentum" vorwarf. Er selbst wollte die Definition der Kampfzeit beibehalten und in dem Begriff „positives Christentum" das Christentum sehen, „wie es heute vorhanden ist" 6 . Die kirchenpolitischen Verhandlungen des Jahres 1935 hatten Tügel als Gauobmann für Hamburg in eine Sackgasse geführt, aus der nur eine Richtung, die nach Thüringen, offen zu sein schien. Wegen des Abkommens der niedersächsischen DC-Führer vom 26. April 1935 war er verpflichtet, seinen Gau dem „Vertrauensmann" des Reichsbischofs zu unterstellen. Das Abkommen zwischen Leffler und Kinder vom 13. Juli 1935 brachte ihn in die Lage, sich möglicherweise mit seiner Gruppe Leffler unterordnen zu müssen. Um dies zu vermeiden, legte er sein Gauobmannamt noch am selben Tag nieder 7 . Da die Hamburger Deutschen Christen sich noch am 17. August 1935 in Goslar bereit erklärt hatten, die Reichsleitung an Leffler zu übertragen und dem Abkommen zwischen Kinder und Leffler zuzustimmen, blieb Tügel keine andere Wahl, als durch seinen Austritt aus der Reichsbewegung D C gegen die Verlagerung der Macht in die Hände der Nationalkirchler zu protestieren 8 . Die Sammlungsidee vom Frühling 1935 gab er nicht auf, versuchte 4

Vgl. oben S. 61. Schreiben Tügels an die Hauptpastoren, Pastoren und Hilfsprediger „Streng vertraulich!" vom Advent 1936, S. 6 (LKA HAMBURG, Β II a.35). ο Vgl. oben S. 62. 7 Schreiben Tügels an die DC-Pastoren vom 2. 9. 1935 (LKA HAMBURG, Β X V I a.220.a.l). 8 Ebd. - Vgl. auch K. MEIER, Deutsche Christen, S. 110 und oben S. 62. Nicht zutreffend ist die Beschreibung H. WILHELMIS über das Austreten Tügels aus der Reichsbewegung D C : „Nachdem in die Reichsleitung an Stelle von Kinder Leffler getreten war, vollzog Tügel seinen Austritt aus den D C überhaupt (30. August 1935), obwohl das Abkommen zwischen Kinder und Leffler vom 13. Juli 1935 nicht die Zustimmung der DC-Gauleiter gefunden hatte und annulliert worden war" (Hamburger Kirche, S. 202). Anstelle Kinders trat Leffler nie in die Reichsleitung der Reichsbewegung DC. Die Abmachung zwischen Kinder und Leffler wurde auch erst auf der Berliner Gauobmännertagung am 8. 9. 1935 annulliert (vgl. oben S. 64). 5

Das „Nein" Landesbischof Tügels

79

aber später, Rehm dafür zu gewinnen. „Was nicht Thüringer Richtung und äußerste Bekenntnisfront ist, das schließt sich zusammen zur großen, einigen, deutschen ev. Kirche, die endlich die Gruppen zu opfern bereit ist!", lautete sein Rat®. Seit dem Sommer 1935 betrachtete Tügel die Deutschen Christen Bremens unter Weidemann wie die Thüringer als seine Gegner 10 ; denn Weidemann versuchte durch seine „Propagandastellen" in Bremen (Pastor Wolfgang Wehowsky) und in Hamburg (Paul Paetow), die niedersächsischen Deutschen Christen zusammenzuhalten und für seine Auffassung von der Kirchenerneuerung zu werben 11 . Um all das zu verhindern, verbot Tügel Anfang Juli 1935 das Mitteilungsblatt der Deutschen Christen in Hamburg 12 , das unter thüringischen Einfluß geraten war. Die Einladung zur 1. Reichskirchentagung lehnte Tügel ab, aber das Interesse an den bremischen DC konnte er damit nicht eindämmen. An der 2. Kirchentagung im Februar 1936 nahm Hamburg unter der Leitung von Oberkirchenrat Dr. Boll, dem früheren engen Mitarbeiter und späteren Gegner Tügels, teil, der zum wichtigsten Fürsprecher der Kommenden Kirche in Hamburg geworden war 13 . Auch andere Tagungen der Bremer D C wurden „stark" von Hamburg aus besucht14. In dem um die Propagandastelle der Kommenden Kirche entstandenen „Bremer Kreis" sprach Weidemann mehrfach und ließ das im Herbst 1936 gegründete DC-Wochenblatt „Kommende Kirche" in Hamburg in 4 000 Werbeexemplaren verbreiten. Die Aktivität der Bremer D C veranlaßte die Hamburger DCFührer zu behaupten, Weidemann beabsichtige, eine neue Organisation in Hamburg zu gründen. In einer darüber geführten Besprechung dementierte Weidemann diese Gerüchte und meinte, „er wolle nur für seine Idee werben". Nähere Auskunft über diese Idee gab er allerdings nicht; entsprechend seinem Führungsstil soll er gesagt haben, „die Idee sei Christus" 15 . Das gemeinsame kirchenpolitische Interesse führte auch auf lokaler Ebene zu neuen Bündnissen. Am 14. Januar 1937 entstand in Ham9 Schreiben Tügels an Rehm vom 6. 4. 1937 (LKA HAMBURG, Β X V I a.220.a.l.). « Vgl. Anm. 5. 11

L K A BREMEN, Β 6 5 2 ; K . MEIER, D e u t s c h e Christen, S. 191.

Wolfgang Wehowsky, geb. 12. 6. 1912 in Triebel/Niederlausitz, 1937 ord., 19381946 Pastor in Oberneuland-Osterholz/Bremen, 1946 Wartestand, 1948 Hilfsprediger z. b. V., 1950 an St. Martini, 1949-1954 Beauftragter der BEK für Rundfunkarbeit. 12 H . WILHELMI, Hamburger Kirche, S. 200 f. 13

MITTEILUNGSBLATT FÜR DIE D E U T S C H E N C H R I S T E N IM G A U H A M B U R G N r . 2

vom

8. 2. 1937. Als Manuskript gedruckt. Abschrift über zwei Seiten, die die Beziehungen zwischen Hamburg und Bremen behandeln (LKA BREMEN, Β 205.25). 14 15 Ebd. Ebd.

80

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

bürg eine neue Organisation, „Kampfgruppe der Kommenden Kirche". Zu ihrer Führung gehörten außer dem Mitbegründer und Organisator der Glaubensbewegung D C in Hamburg, Pastor Stuewer, und dem früheren Geschäftsführer Niss auch Weidemanns Mitarbeiter Dr. Boll und Paul Paetow 16 . Es schien, als ob Weidemann sein Wort, daß er keine Organisation in Hamburg gründen wolle, nicht gehalten habe. Die Propagandastelle der Kommenden Kirche buchte Anfang 1937 den Erfolg, daß ihr erster Sprechabend von etwa 250 Teilnehmern besucht wurde. Beim zweiten stieg die Zahl bereits über 600 17 . Anscheinend haben das erhebliche Interesse und die kirchenpolitische Lage die Gründung der „Kampfgruppe der Kommenden Kirche" in Hamburg inspiriert. In dieser Gruppe scheint aber bald eine Führungskrise entstanden zu sein, da Weidemann Pastor Stuewer nicht als Leiter anerkennen wollte. Wie zuvor sollte Paul Paetow Leiter der der Kommenden Kirche angeschlossenen Gruppe sein 18 . Um die Meinungsverschiedenheiten mit Stuewer zu betonen, forderte Weidemann ihn auf, den Namen „Kampfgruppe der Kommenden Kirche" zu ändern. Als Stuewer mit seiner Anhängerschaft sich am 7. Juni 1937 der Nationalkirchlichen Bewegung Lefflers anschloß, kam es zu dem Mißverständnis, die Kommende Kirche Weidemanns sei den Thüringer D C angeschlossen 19 . Klärung erfolgte erst, als Stuewer die mehrmals geforderte Namensänderung am 11. Juni 1937 vollzog. Seitdem hießen die Anhänger der Thüringer D C in der Hansestadt „Deutsche Christen (Nationalkirchliche Bewegung) Gau Hamburg" 2 0 . Es war zu einer neuen Spaltung gekommen. Gleichzeitig warben in dem relativ kleinen Gaugebiet noch Weidemanns, Hossenfelders und Rehms Gruppen, was ein deutliches Bild von der Uneinigkeit der Bewegung gibt 21 .

" Ebd. Robert Stuewer (1892-1957), seit 1921 Pastor in Hamburg, Mitbegründer und Organisator der D C in Hamburg, 1937 Anschluß an die Nationalkirchliche Bewegung, 1951-1957 wieder Pastor in Hamburg. 17

KOMMENDE K I R C H E N r . 8 v o m 2 1 . 2 . 1 9 3 7 .

18

POSITIVES CHRISTENTUM N r . 2 7 v o m 4 . 7 . 1 9 3 7 ( B u n d f ü r d e u t s c h e s C h r i s t e n t u m

oder Nationalkirchliche Bewegung?). 19 K . MEIER, Deutsche Christen, S. 191. 20

L K A HAMBURG, Β X V I a . 2 2 0 f., 1.

21

K . MEIER, Deutsche Christen, S. 191.

Die Hannoverschen Deutschen Christen

2. Die hannoverschen ringer Richtung

81

Deutschen Christen: von der Bremer zur Thü-

Nachdem es dem Vizepräsidenten und Landesleiter der Deutschen Christen, Dr. Gerhard Hahn, nicht gelungen war, Landesbischof Marahrens abzusetzen und eine rechtliche Anerkennung für den vorgesehenen Kandidaten, Superintendenten Felix Rahn in Sieverhausen, zu erlangen, waren die Deutschen Christen in Hannover in eine unhaltbare Situation geraten22. Entweder mußten sie zurückkehren und eine Versöhnung mit der Landeskirchenleitung versuchen - was Pastor Bergholter, Harburg, empfahl23 - oder sie hatten Verstärkung für ihren Kampf gegen Marahrens zu suchen. Letzteren Weg wollte Hahn gehen. Zwei Urteile des Oberlandesgerichts in Celle vom März 1935 entschieden zunächst über die Auseinandersetzungen zwischen den Deutschen Christen Hannovers und Marahrens. Die juristische Bestätigung seiner Position als Landesbischof bekräftigte den Sieg, den Marahrens schon moralisch durch die Kundgebung einer Kirchenversammlung am 26. Februar errungen hatte24. Warum Hahn sich gerade an Weidemann und nicht ζ. B. an Tügel oder Schultz, die Bischöfe größerer Landeskirchen, wandte, ist zunächst so zu erklären, daß Weidemann immerhin einen erheblichen Einfluß durch seine Ämter als Staatsrat, Landesbischof und Gauobmann in Niedersachsen ausüben konnte. Als die anderen norddeutschen deutsch-christlichen Bischöfe sich mehr und mehr von der DCBewegung distanzierten, benutzte Weidemann seine Landeskirche, um die deutsch-christlichen Ideen durchzusetzen25. Er versuchte seinerseits, auch den in den kirchenpolitischen und rechtlichen Auseinandersetzungen unterlegenen Deutschen Christen Hannovers zu helfen und richtete ein Postscheckkonto „Notfonds für die von Marahrens abgesetzten DC-Pastoren" ein, das neben deutschchristlicher Solidarität Weidemanns selbständige Kirchenpolitik demonstrieren sollte26. Wegen des kirchenpolitisch demonstrativen Charakters wurde das Konto auch auf Wunsch des Postscheckamtes wieder aufgehoben27. Die Distanzierung Hahns von der Reichsleitung der Deutschen Christen und von der Landeskirchenregierung ab Januar 1935 liefen 2 3 Ebd., S. 83. E . KLÜGEL, Landeskirche, S. 150. K . MEIER, Deutsche Christen, S. 188 . 2 5 Ebd., S. 87, vgl. auch oben S. 75. 8« MITTEILUNGSBLATT DEUTSCHE CHRISTEN NIEDERSACHSEN N r . 10 v o m 1 . 1 0 . 1 9 3 5 (Gehaltszahlung für die von D . Marahrens abgesetzten D C - P a s t o r e n ) ; E . KLÜGEL, Landeskirche, S. 2 7 7 ; K . MEIER, Deutsche Christen, S. 188. 2 7 E . KLÜGEL, Landeskirche, S. 2 7 7 , A n m . 4. 22 24

6

Heinonen, Anpassung

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

82

parallel und entsprachen der wachsenden Bedeutung des mit Müller paktierenden Bremer Bischofs in der DC-Bewegung. Ein Zeichen der Intensivierung des Kontaktes zwischen Bremern und Hannoveranern war schon Weidemanns Auftauchen auf der Obmänner-Tagung der hannoverschen Deutschen Christen am 5-/6. Februar 1935. Bis zum 17. Mai 1935 war es Weidemann gelungen, die Deutschen Christen in Oldenburg, Mecklenburg, Hamburg und Hannover als Anhänger zu gewinnen und eine Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen D C unter seiner Leitung zu gründen. Ohne die gegenseitige Unterstützung Müller-Weidemann, auf die schon hingewiesen wurde, hätte der Bremer Landesbischof nicht die Führerrolle in Niedersachsen bekommen können. Eben „im Einvernehmen mit dem Reichsbischof" - wie es im Informationsdienst Hahns hieß - konnte Weidemann an die Spitze kommen 28 . Wie die Stellung Weidemanns als Landesbischof in Bremen von der Person Müllers abhängig war, so scheint er auch seine deutsch-christliche Führerrolle diesem Mann zu verdanken. Als aber Müller seine Macht verlor, schien auch der Bremer Bischof seinen hannoverschen Gesinnungsgenossen wenig Schutz bieten zu können. Bald zeigte sich, daß sich die hannoverschen Deutschen Christen auch bezüglich anderer Fragen der niedersächsischen „Arbeitsgemeinschaft" der Deutschen Christen mit falschen Erwartungen angeschlossen hatten. Es wurde nicht die von Pastor Meyer (Aurich) gewünschte „straffe Organisation" gebildet, die den „Neubau" der Organisation der Deutschen Christen hätte einleiten können 29 . Ideologisch befriedigte die von Weidemann mit der Schriftenreihe „Die Christus bekennende Reichskirche" vertretene Linie die radikalen Hannoveraner ebenfalls nicht. So fühlten sich die Deutschen Christen Hannovers gezwungen, ihre Suche nach einem starken Bruder fortzusetzen. Auf einer Arbeitstagung der hannoverschen Deutschen Christen am 11./12. Juni 1935, zu der auch die niedersächsische Arbeitsgemeinschaft ihre Vertreter delegierte, waren bereits die Sendboten der Thüringer D C aufgetaucht. Zunächst verschwieg man noch, daß außer den allgemein anerkannten deutsch-christlichen Theologen Hirsch, Hempel und Wobbermin auch Kirchenrat Leutheuser aus Thüringen anwesend war und seine Thesen vorlegte 30 . Die Annäherung an die Thüringer D C Zur Radikalisierung der hannoverschen D C 1935 ( L K A HANNOVER, Η 11/413). Schreiben Meyers an deutsch-christliche Mitarbeiter vom 9. 6. 1935 ( L K A HAMBURG, Β X V I a.220.a.l.); vgl. auch Bekenntnisgemeinschaft der evangelischlutherischen Landeskirche Hannover N r . 2 vom 11. 1. 1935. Als Manuskript gedrucktes Rundschreiben ( L K A HANNOVER, Ε 11/417). Ab Anfang 1935 arbeiteten die hannoverschen D C an einem „Neubau ihrer Organisation". Heinrich Meyer, geb. 15. 7. 1901 in Jheringsfehn, 1927 ord., 1929 Pfr. in Aurich, s o Vgl. Anm. 28. 1928 Gau- und Reichsredner der N S D A P , 1934 Landespropst. 28 29

Die Hannoverschen Deutschen Christen

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geschah vorsichtig. Noch während ein Teil der Anhängerschaft treu zur Reichsleitung stand und ein anderer Teil mit Weidemann sympathisierte, machten Meyer und Hahn das thüringische Ideengut in ihren Gruppen der Landesgemeinden Weser-Ems und Hannover bekannt 31 . Die deutsch-christlichen Führer Hahn und Meyer waren als alte Gauredner der N S D A P besonders abhängig von den Vorstellungen der Partei. Mit der Distanzierung der Deutschen Christen von der Landeskirchenleitung verschärfte sich ihre politische Haltung. Die Ziele des politischen Flügels der DC-Bewegung sind selten klarer ausgedrückt als in dem Bericht Meyers vom 9. Juni 1935: „Wer sich darüber im klaren ist, daß der Kernpunkt im Kirchenstreit die Stellung zur Totalität des Staates (Mißtrauen in der ,Bekenntnisfront', innere Bejahung bei den .Deutschen Christen') ist, der weiß auch um die Sendung der Deutschen Christen." 32 Die Aufgabe der Deutschen Christen lautete somit, die politische Ubereinstimmung der evangelischen Kirche mit den Zielen des nationalsozialistischen Staates herzustellen. Daß Meyer ausgerechnet in diesen Wochen auf den Tagungen das Thema „Die Deutschen Christen und die Judenfrage" behandelte 33 und Hahn auf der 1. Reichskirchentagung für Niederdeutschland im September 1935 „Von den Juden und ihren Lügen" sprach, mag ein Versuch gewesen sein, durch Gegenleistungen die Hilfe der Partei zu gewinnen und die kirchenpolitische Position der hannoverschen Deutschen Christen zu verbessern. Für die N S D A P konnten derartige Aktivitäten jedenfalls Propagandahilfe für die folgenschweren Nürnberger Rassengesetze bedeuten. Als die hannoverschen D C zur 1. Reichskirchentagung für Niederdeutschland (20.-23. September 1935) nach Bremen kamen, waren sie bereit, die DC-Führer Weidemann und Leffler kritisch zu beobachten und zu vergleichen. Trotz der heimlichen Rivalität blieb das Verhältnis zwischen Bremen und Thüringen gut, und zusammen mit den hannoverschen D C reiste eine beachtliche Gruppe Bremer D C unter Weidemanns Leitung zur Reichstagung der Thüringer D C vom 26. und 27. Oktober 1935 nach Eisenach 34 . Die Wiedergabe der dort von Leffler gehaltenen „programmatischen Rede" im Informationsblatt (2. und 9. November 1935) war aber danach bereits ein Zeichen für den Sieg der thüringischen Richtung und eine Vorentscheidung Georg Wobbermin, geb. 27. 10. 1869 in Stettin, gest. 15. 10. 1943 in Berlin, 1906 Prof. für Systematische Theologie in Marburg, 1907 in Breslau, 1915 in Heidelberg, 31 Vgl. Anm. 28 und 38. 1922 in Göttingen, 1935 in Berlin. 3S Ebd. »2 Vgl. Anm. 29. 34 MITTEILUNGSBLATT DEUTSCHE CHRISTEN NIEDERSACHSEN N r . 12 v o m 1 . 1 1 . 1 9 3 5 ;

E. KLÜGEL, Landeskirche, S. 348. 6·

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Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

für den durch Hahn im April 1936 vollzogenen Anschluß der hannoverschen Deutschen Christen an die Thüringer Kirchenbewegung DC 35 . Wäre es Weidemann gelungen, die Rehabilitierung Müllers zu erreichen, hätte Hahn vielleicht anders entschieden. Aber mit der Gründung des Reichskirchenausschusses vom 3. Oktober 1935 war die Ära Müller endgültig beendet und Hilfe von Bremen oder Berlin nicht mehr zu erwarten. So ist die Identifizierung Hahns mit der Kirchenbewegung DC nicht so sehr Folge einer theologischen Auffassung, sondern eine Konsequenz seiner kirchenpolitischen Taktik, nach der es nur möglich war, entweder Kräfteverstärkung zu bekommen oder die hannoversche Gruppe aufzulösen. Bei der Durchsetzung der nationalkirchlichen Ideen in Hannover hatten die Bremer D C eine Vermittlerrolle gespielt und den Weg nach Thüringen geebnet. Nachdem Hahn im April 1936 selbst auf eine bescheidene Pfarrstelle nach Friemar in Thüringen gegangen war, versuchte er mittels seiner Autorität die Deutschen Christen Hannovers zu bewegen, dieselbe kirchenpolitische Richtung einzuschlagen. Eine Zusammenstellung aus dem Herbst 1936 zeigt allerdings, daß er nur einen Teilerfolg erringen konnte. Von den 99 deutsch-christlichen Geistlichen der hannoverschen Landeskirche gehörten 24 zur Thüringer Richtung (Kirchenbewegung DC) und sieben zur Richtung Rehm (Reichsbewegung), wohingegen der große Rest sich gruppenmäßig nicht festgelegt hatte 36 . Diese heterogene Mehrheit ohne eindeutige Bindung könnte als kirchlicher Flügel der Deutschen Christen Hannovers bezeichnet werden. Zu dieser Gruppe stieß auch Pastor Bergholter (Harburg), der mit einem „deutsch-christlichen Kreis an der Niederelbe" im Januar 1937 den Austritt der „Landesgemeinde" Hannover vollzog 37 . Der Grund dafür war, daß Meyer ohne Anhörung der Mitglieder zum Nachfolger Hahns als Landesleiter nominiert wurde. Der von Bergholter geführte Harburger Kreis war wie Landespropst Georg 35

Vgl. Anm. 28; vgl. auch K. MEIER, Deutsche Christen, S. 189. Zur Radikalisierung (vgl. Anm. 28). E. KLÜGEL, Landeskirche, S. 348, spricht irreführend von einer „Mitgliederliste" vom 10. 5. 1935, in der 141 Namen aufgeführt sind, und von einer „Zusammenstellung" aus dem Herbst 1936, die 99 aufzählt. Es handelt sich hier um Zahlen der Theologen der DC-Bewegung Hannovers und nicht nur um Mitglieder allgemein (vgl. DC-Pastoren. Mitglieder der Landes36

l e i t u n g H a n n o v e r s ; L K A HANNOVER, Η 11/412). 37 E. KLÜGEL, Landeskirche, S. 349 f.; Schreiben Bergholters mit 14 anderen Mitgliedern des Harburger Kreises an den Leiter der Landesgemeinde DC-Hannover

v o m 1 1 . 1 . 1 9 3 7 ( L K A HANNOVER, Η

11/143).

Heinrich Bergholter, geb. 5. 3. 1883 in Gadenstedt/Peine, 1909 ord., 1918 Pastor in Nienburg, 1927 in Harburg, 1933 Stellv. Generalsuperintendent von Stade, 1934 Landespropst von Harburg.

Thüringer und Bremer D C im „Bund für Deutsches Christentum"

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Fiedler besorgt über die fortschreitende Distanzierung der deutschchristlichen Gemeindegruppen von der Landeskirche und betrachtete den Anschluß an die Thüringer als folgenschweren Fehler 38 . Die Zusammenarbeit des Harburger Kreises mit den Bremer D C bestand jedenfalls seit Frühjahr 1937 39 . Später stimmte der Harburger Kreis jedoch dem ideenpolitischen Ansatz der Godesberger Erklärung (4. April 1939) zu; durch die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft niedersächsischer Pfarrer" nahm er den Kontakt mit der nationalkirchlichen Einung auf, ohne sich jedoch unter Lefflers Führung zu stellen. Auf diese Weise wurden auch die Verbindungen mit Weidemann aufrechterhalten 40 .

3. Thüringer und Bremer Deutsche Christen im „Bund für Christentuma

Deutsches

Nach der großen Zersplitterung des Jahres 1935 schienen die Zusammenschlüsse des Jahres 1936 wieder eine gewisse kirchenpolitische Stabilität für die DC-Bewegung geschaffen und endgültig gezeigt zu haben, daß die Reichsbewegung D C auf ihrem Kurs des Kompromis58 Ebd. - Die Entwicklung in den zwei nationalkirchlichen Landesgemeinden Hannover und Weser-Ems, die sich in ihrer Gliederung an die politischen Gaubzw. Kreiseinteilung anpaßten, führte tatsächlich in wachsendem Maße zur Sonderexistenz der Ortsgemeinden außerhalb des Verbandes der Landeskirche. Die Zusammenarbeit mag auch verhindert haben, daß Hahn von Thüringen aus die Landesleitung zunächst noch behielt. Zu seinem Vertreter ernannte er Superintendent Rademacher in Hannover. Die Nominierung Meyers zum Landesleiter konnte nur die weitgehende Isolierung der hannoverschen D C fortsetzen. Friedrich Rademacher, geb. 31. 7. 1893 in Geestemünde, 1923 Seemannspastor in Hamburg. 39 KOMMENDE K I R C H E Nr. 13 vom 28. 3. 1937 (Programm der 3. Kirchentagung vom 3.-8. 4. 1937). - In den von 15 Pastoren unterzeichneten Leitsätzen des Kreises an der Niederelbe kam das mit den damaligen Weidemannschen Vorstellungen leicht vereinbare Ziel der „Umbildung und Neubelebung der bestehenden Kirche" zum Ausdruck. Es war kein revolutionäres Programm, sondern vielmehr der Versuch, „in stiller Arbeit" und der „DC-Bewegung treu" Gemeindearbeit, ungestört von kirchenpolitischen und organisatorischen Maßnahmen zu betreiben. Wie in der Kommenden Kirche wurden die Extremgruppen Bekennende Kirche und Kirchenbewegung D C verurteilt und in der Verkündigung Toleranz versprochen. Wie weit der Austritt von Weidemann beeinflußt war, läßt sich nicht sagen. 40 E. KLÜGEL, Landeskirche, S. 482. Die Arbeitsgemeinschaft Niedersächsischer Pfarrer im Gau Weser/Ems ist nicht mit der im Mai 1935 unter Weidemanns Leitung entstandenen Arbeitsgemeinschaft der verschiedenen niedersächsischen deutsch-christlichen Gaue zu verwechseln (vgl. oben S. 65 f.). Κ. MEIER, Deutsche Christen, S. 101; Erklärung betr. Bildung einer Arbeitsgemeinschaft niedersächsischer Pfarrer (LKA H A N N O V E R , Η 1 / 1 0 3 4 ) .

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Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

ses mit der Mitte und mit der Bekennenden Kirche zum Scheitern verurteilt war. Nach der Entmachtung Müllers brauchte Weidemann eine neue kirchenpolitische Stütze. Im Namen seiner Gruppe bildete er mit Leffler und Hossenfelder am 24. März 1936 eine „Dreierkameradschaft" 41 . Diese - auch „Führerring" genannte - Vereinigung wurde durch die sich von der Reichsbewegung D C lösenden Kräfte und Gruppen am 20. August 1936 zum „Führerkreis" erweitert. Neben dem die Thüringer D C unterstützenden Block von Gauen gehörten nun zum Führerkreis acht weitere DC-Gaugruppen: Bremen unter Weidemann, Lübeck unter Beckemeier, Anhalt unter Liebau, Rheinland unter Pack, Großberlin unter Tausch, Mecklenburg unter Hildebrandt, Württemberg unter Schneider und Franken unter Baumgärtner42. Ende 1935 war es noch unklar gewesen, ob sich Weidemann nicht doch der Organisierung des „selbständigen Blocks" von niedersächsichen DC-Gauen widmen würde, die der Arbeitsgemeinschaft angehörten. Anfänge für eine „selbständige unabhängige Organisation" waren vorhanden 43 . 41

K. MEIER, Deutsche Christen, S. 145. Ebd. Max Liebau, geb. 3. 7. 1900, 1927 ord., 1933-1945 Pfr. in Plötzkau, 1946-1958 in Straguth, 1958-1963 in Lindau/Anhalt. Johannes Pack, geb. 14. 12. 1894 in Meiersberg bei Ratingen, 1922 Pfr. in Oberhausen, 1946 in Ulmet, 1950 in der pfälzischen Landeskirche. Friedrich Tausch, geb. 18. 1. 1892 in Schönsee/Westpreußen, gest. 1. 3. 1958 in Holzminden, 1921 ord., 1923 Pfr. in Seefeld/Pommern, 1927 in Schlawe, 1929-1949 in Berlin, 1949 aufgrund eines Spruchkammerbescheids ohne kirchliches Amt in Berlin-Brandenburg, 1952 Wiederverleihung der Rechte des geistlichen Standes, 1953-1954 Flüchtlingsseelsorger. Georg Schneider, geb. 5. 1. 1902 in Dürrmenz bei Mühlacker, 1931 Pfr. in Stuttgart, 1936 beurlaubt aus dem Dienst der Landeskirche und Tätigkeit in der Landesführung der Volkskirchenbewegung DC, 1939 Kriegsfreiwilliger, 1947 Rückkehr aus britischer Gefangenschaft, Wartestand, seit 1952 Ruhestand. Ernst Hildebrandt, geb. 3. 8. 1908 in Haber/Böhmen, 1934-1935 Pastor in Graal-Müritz/Mecklenburg, 1935-1936 für Volksmission in Schwerin, 1936-1948 in Rühn in Mecklenburg, dann in Kärnten. 43 LKA BREMEN, Β 6 5 1 . 0 1 . Man wollte sich in der künftigen Arbeit auf drei Programmpunkte konzentrieren: 1. „Für ein deutsches Christentum", 2. „Für den christlichen Glauben", 3. „Für die christliche Reichskirche" (H. WEIDEMANN, Wofür kämpfen die „Deutschen Christen"? Flugblatt, wahrscheinlich vom Herbst 1 9 3 5 ) . Die leitende Stellung Bremens wurde u. a. dadurch deutlich, daß das Mitteilungsblatt der Deutschen Christen in Niedersachsen ab Anfang Oktober in Bremen herausgegeben wurde. Das Titelblatt wurde neu gestaltet - ohne Hakenkreuz. Das Symbol der niedersächsischen D C war die Flagge des Deutschen Ritterordens mit den Buchstaben „DC" (vgl. MITTEILUNGSBLATT D E U T S C H E CHRISTEN NIEDERSACHSEN Nr. 1 3 vom 1 5 . 1 1 . 1 9 3 5 ) . Das Blatt bezeichnete die D C Niedersachsens als „eine selbständige unabhängige Organisation". Daß diese Anfänge nicht befriedigend 42

Thüringer und Bremer D C im „Bund für Deutsches Christentum"

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Weidemanns Eintritt in das dritte und bedeutendste Bündnis der Deutschen Christen im Jahre 1936, den „Bund für Deutsches Christentum" (gegründet am 10. November 1936), mit Leffler und Hossenfelder geschah unter Vorbehalten, deren Grund die Rivalität zwischen Leffler und Weidemann war 44 . In der Gründungssitzung hatte Weidemann erklärt, daß, „solange die Frage der Bremischen Kirchenregierung nicht geklärt sei..., er dem Bunde nicht für die Bremische Evangelische Kirche, sondern vorläufig nur für die Volkskirche in Bremen beitreten" könne 45 . Gemeint war anscheinend die DC-Gruppe Kommende Kirche. Nach der Anerkennung des deutsch-christlichen Kirchenregiments durch Kerrl am 13. Februar 1937 erklärte Weidemann dann den Beitritt der Bremischen Evangelischen Kirche zu dem Bund. Er verhielt sich aber angesichts der wachsenden Einflußnahme Lefflers auf den Bund reserviert und wollte die bremische Kirche auch nicht finanziell abhängig machen; denn dies hätte er in Bremen nur schwer verantworten können. Trotz „wiederholter Erinnerungen" zahlte Weidemann niemals einen Mitgliedsbeitrag der Bremer Kirche an den Bund. Als der spätere „Kirchenpräsident" der Bremischen Kirche, Schultz, am 20. September 1944 den Eintritt Bremens in den Bund zum zweiten Mal erklärte, wurde nochmals gefordert, daß die Kirche endlich die „nötigen Folgerungen" aus ihrer „langjährigen Mitgliedschaft" ziehen sollte46. Weidemann hatte - getreu seiner üblichen Haltung, sich nicht durch Dokumente zu binden - alle offiziellen Formalitäten vermieden. Die Beitrittserklärung trug weder seine Unterschrift noch war sie mit dem Kirchensiegel versehen. Anscheinend sah Weidemann die Möglichkeit voraus, daß der Bund später durch einen Gesamtbeschluß in der Thüringer Kirchenbewegung D C aufgehen könnte und wollte sich deshalb nicht vollständig an Leffler binden. In der Tat machte Leffler ein Eingliederungsangebot an Hossenf eider. Es wurde am 23. Juni 1937 auf der Tagung des „großen Führerkreises" der „Kampf- und Glaubensbewegung Deutsche Christen" fortgesetzt werden konnten, zeigt u. a. der Obergang der Mitglieder in das Lager der Thüringer D C in den nächsten Monaten. Im Januar 1936 verbot die Reichspressekammer das Mitteilungsblatt (vgl. H. BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 490 ff.). 44 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 147 f. 45 Aktennotiz von Dr. Propp über die Besprechung in Eisenach am 1. 5. 1944 ( L K A BREMEN, Β 2 0 8 I I ) . 48

Abschrift des Schreibens von Schmidt zur Nedden-Schwerin an OLKR Brauer-

E i s e n a c h v o m 11. 10. 1 9 4 4 ( L K A BREMEN, Β 2 0 8 ) .

Oberkonsistorialrat Johs. Schultz, Magdeburg, wurde am 29. 4.1943 durch den Leiter der Finanzabteilung bei der BEK, Dr. Cölle, und den Stellv. Leiter der Deutschen Ev. Kirchenkanzlei, Dr. Fürle, zum „kommissarischen Landeskirchenführer u n d K i r c h e n p r ä s i d e n t " d e r B E K e r n a n n t ( L K A BREMEN, Β 1 2 5 / 6 ) .

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

88

(Hossenfelder-Bewegung) als Vertragsentwurf formuliert 47 . Der Vorschlag sah eine Verschmelzung aller im Bund vereinigten Gruppen mit der von Leffler am 6. Juni 1937 in Weimar gegründeten N a tionalkirchlichen Bewegung D C bis zum 1. Januar 1938 vor. Hossenfeiders persönlicher Eintritt in die Bewegung Lefflers am 22. Juli 1937 und die dadurch entstandene Spaltung seiner Gruppe verhinderte jedoch die Durchführung dieses Plans 48 . Die Thüringer D C scheinen den Versuch, den Bund enger an Lefflers Bewegung anzugliedern, nicht aufgegeben zu haben. In einer Versammlung der Führer der Mitgliedergruppen am 23. September 1938 in Berlin wurde ein Entwurf einer neuen Satzung des Bundes vorgelegt, der die Eintragung in das Vereinsregister vorsah. Weidemann gab seine Ablehnung dieses Entwurfs zu Protokoll mit der Begründung, daß die geplante Satzungsänderung die innere Struktur des Bundes verändern würde. Mit dem Hinweis auf die Paragraphen 7 und 8 des Entwurfs meinte er, daß die „vorliegende Satzung den Bund zu einer Abteilung der Nationalkirchlichen Einung" machen würde. Die besprochenen Paragraphen wurden geändert. Nachdem Weidemann aber vorzeitig die Sitzung verlassen hatte, kam es nicht zur Entscheidung über den Entwurf 4 9 . Trotz der kritischen Haltung Weidemanns wurde von vielen behauptet, die Kommende Kirche Bremens wäre durch die Mitgliedschaft im Bund den Thüringer D C untergeordnet. Man fragte ebenso wie die Hamburger Deutschen Christen - , wie es dazu komme, „daß die Thüringer Führer in dem Bund die Oberhand und die Leitung haben?" und man Schloß: „Es ist also dieselbe Sache in neuer Aufmachung." 5 0 Formal hatten Leffler und Leutheuser nicht die Führung. Die Bundesleitung bildeten der Präsident des Oberkirchenrats der Ev.-Luth. Kirche Mecklenburg, Dr. Schmidt zur Nedden (Schwerin), Kirchenrat Franz (Eisenach) und Pfarrer Tausch (Berlin), aber weil diese nach Thüringen tendierten, mußten die Entscheidungen zugunsten der Bewegung Lefflers ausfallen 51 . Tausch hatte ζ. B. früher aktiv für das Bündnis um die Thüringer D C gearbeitet K . MEIER, Deutsche Christen, S. 2 2 1 . Ebd. 4 9 Bericht v o n D r . P r o p p über die Mitgliederversammlung des Bundes für D e u t sches Christentum am 23. 9 . 1 9 3 8 ( L K A BREMEN, Β 2 0 8 I I ) . so MITTEILUNGSBLATT FÜR DIE DEUTSCHEN CHRISTEN IM GAU HAMBURG N r . 2 v o m 8. 2 . 1 9 3 7 . Als Manuskript gedruckt ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 . 2 5 ) . 47

48

5 1 K . MEIER, Deutsche Christen, S. 2 2 1 . H e r m a n n Schmidt zur Nedden, geb. 2 9 . 1. 1 8 9 3 in Schwerin, 1922 Drost in H a genow, 1928 Regierungsrat in Rostock, 1. 12. 1 9 3 3 O K R , 1. 4. 1 9 3 4 - 2 7 . 6. 1 9 4 5 Präsident des Oberkirchenrats in Schwerin.

Volkmar F r a n z , geb. 8. 3. 1893, 1 9 2 6 - 1 9 4 5 Jurist im Thüringer Landeskirchenrat.

Thüringer und Bremer D C im „Bund für Deutsches Christentum"

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und einen Zusammenschluß der Gaue der Reichsbewegung D C im „Führerring" gefordert 52 . Wenn also die Vorwürfe der Hamburger Deutschen Christen auch formal nicht stimmten, so waren die Thüringer im Bund doch tonangebend. Weidemann wurde mehrmals gezwungen, den Unterschied zwischen seiner und der Thüringer Bewegung zu erklären. Er gab zu, daß die Bremer „manche wertvolle Anregungen" von Thüringen bekommen hätten, betonte aber gleichzeitig, daß er nicht ihrem theologischen Kurs gefolgt sei: „Thüringer in dem Sinne, daß ich ein Anhänger der Dogmatik Leutheusers wäre, bin ich nicht." 53 Wenn der erste Unterschied der Hinweis auf die lutherische Tradition war, so strich Weidemann im Jahre 1935 außerdem auch den Wert der bestehenden Kirche als Grundlage der Reformen heraus. „Während die Thüringer Bewegung der Ansicht ist, daß der heutige Kirchenstreit für die bestehenden Kirchen wirklich finis ecclesiae bedeutet, lebe ich des festen Glaubens, daß in unserer Kirche das Samenkorn liegt, aus dem der große Baum der Christus bekennenden Reichskirche wachsen muß." 5 4 Es war das Irrlehregutachten des Reichskirchenausschusses über die Thüringer DC, das Weidemann vermutlich auch veranlaßt hat, sich in Lehrfragen von der Bewegung Lefflers zu distanzieren. Hierbei muß bemerkt werden, daß sich in Weidemanns kirchlichen und theologischen Auffassungen mit den Jahren eine gewaltige Radikalisierung vollzog 55 . Einige Jahre später waren Unterschiede in der Beurteilung der Möglichkeiten der bestehenden Kirchen viel geringer. Als man nämlich den Thüringern vorwarf, daß sie „aus der Kirche nur deshalb nicht ausgetreten seien, weil der Führer es noch nicht angeordnet habe" 56 , reiste Weidemann im Reich umher und hielt Vorträge über den Leitgedanken: „Wir sind in der Kirche, um diese entartete Kirche zu überwinden" 57 . Im Grunde genommen wäre das Endergebnis wahrscheinlich das gleiche - „finis ecclesiae" - gewesen; im 5 8 POSITIVES CHRISTENTUM N r . 39 vom 4. 10. 1936 (Eine entscheidende Gauobmännertagung). 53

MITTEILUNGSBLATT D E U T S C H E C H R I S T E N NIEDERSACHSEN N r . 1 3 v o m 1 5 . 1 1 . 1 9 3 5

( L K A HANNOVER, Η 11/436). Es war wohl u. a. die deutsch-christliche Gestaltung der Lieder und der Feierstunden gemeint. 5 4 Ebd. 5 5 Schreiben Weidemanns an Pastor Lange vom 15. 9. 1936 ( L K A BREMEN, Β 208). Weidemann erklärte, daß „die bremischen Deutschen Christen und damit die Bremer Kirchenregierung in der Mehrzahl ihrer Mitglieder sich niemals den Thüringern angeschlossen haben". Die Frage der Irrlehre schien Weidemann „wichtig genug, um jeden kirchlichen Amtsträger . . . zu einer selbständigen Stellungnahme zu veranlassen". s e Akten Pfr. Wilhelm Oberlies ( L K A DÜSSELDORF, 51/41, Bd. II). 5 7 KOMMENDE KIRCHE Nr. 49 vom 4. 12. 1938 (Landesbischof Weidemann in Westfalen).

90

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

Vorgehen lag der Unterschied. Während Leffler eine „Reichsgemeinde" außerhalb der bestehenden Landeskirchen mit Hilfe der deutschchristlichen Organisation aufbauen wollte, wünschte Weidemann keine sektiererische Sondergemeinde. Er suchte durch eine gewisse Annäherung an die Mitte die allgemeine Meinung innerhalb der Landeskirchen für die Reform der ganzen Kirche geneigt zu machen. Für die Bremer D C war der Bund eine kirchenpolitische Angelegenheit, die propagandistische Möglichkeiten besonders für die bevorstehenden Wahlen von 1937 bot. Mit der Schriftenreihe „Deutsche Christen im Kampf" (erstes Heft: „Jesus und die Juden"), die der Wahlpropaganda diente, sollte über die gemeinsamen Programmpunkte aufgeklärt werden 58 . Auch durch ein Abzeichen, das in den Wochen der Wahlentscheidung als Zeichen der Gemeinschaft getragen wurde, sollte der Bund nach außen in Erscheinung treten 59 . Seine Redetätigkeit innerhalb des Bundes gab Weidemann Möglichkeiten zur Propaganda für die Kommende Kirche 6 0 . Als größere Vereinigung konnte der Bund dem nationalsozialistischen Staat bessere Dienste leisten als die einzelne DC-Gruppe. Diese Tatsache gewann besondere Bedeutung, wenn es sich, wie etwa bei der Reaktion der Deutschen Evangelischen Kirche auf die Weltkirchenkonferenz in Oxford vom 12. bis 26. Juli 1937, um Fragen von außenpolitischem Gewicht handelte. Der Bund gab dazu, gestützt auf seine Mitgliedsgruppen, eine Erklärung heraus, in der er scharf gegen die Beurteilung der Lage der deutschen Kirchen durch die Konferenz protestierte 61 .

4. Flüchtige Kontakte mit

Mecklenburg

Viele mecklenburgische Pfarrer stimmten zwar dem nationalsozialistischen Staat politisch zu, wollten aber trotzdem nicht Mitglied bei den Deutschen Christen werden. Daraus entstand die eigenartige Situation, daß sich das deutsch-christliche Kirchenregiment Schultz in Schwerin im wesentlichen auf den Nationalsozialistischen Pastorenbund stützte, dem eine ganze Reihe nicht deutsch-christlicher Pfarrer 6 8 Ebd. Nr. 14 vom 14. 4. 1937. Ebd. N r . 15 vom 11. 4. 1937. Ebd. N r . 19 vom 9. 5. 1937 (Kleine Chronik). 6 1 Ebd. N r . 30 vom 25. 7. 1937 (Die Erklärung des Bundes für deutsches Christentum zur Oxforder Weltkirchenkonferenz). - Mit kritischen Artikeln begleitete auch die „kommende Kirche" die Konferenz; vgl. KOMMENDE KIRCHE N r . 27 vom 4 . 7 . 1 9 3 7 (W. Dietsch, Weltkirchenkonferenz - kirchliche Internationale?); N r . 28 vom 11. 7 . 1 9 3 7 (H. Dungs, U m die Einheit der Kirche; W. Dietsch, Weltkirchenkonferenz); N r . 32 vom 8 . 8 . 1 9 3 7 (H. Dungs, Auch die Weltkirchenkonferenzen können irren). 58

Kontakte mit Mecklenburg

91

angehörten. Zahlenmäßig übertraf der Bund die organisierten DCPfarrer 6 2 . Der Gauobmann der Deutschen Christen, Pastor Sager, der mit Landesbischof Schultz das Abkommen vom 26. April 1935 unterzeichnet hatte, war gleichzeitig auch Obmann des „Bundes nationalsozialistischer Pastoren in Mecklenburg" 63 . Die Zusammenarbeit des Bundes mit den niedersächsischen Deutschen Christen dauerte in dieser Form jedoch nicht lange an, denn am 23. Mai 1935 übernahm der Landespastor für Volksmission, Ernst Hildebrandt, die Leitung des Gaues und versuchte, die deutschchristliche Arbeit in Gang zu bringen64. Als „dringende Bitte" der Deutschen Christen Mecklenburgs forderte er vom Reichsbischof die Vorbereitung einer Arbeitsgemeinschaft der Vertreter „aller zur Zeit vorhandenen DC-Gruppen" 6 5 . Tatsächlich scheint Müller eine breitere Arbeitsgemeinschaft geplant zu haben. Engelke als Stellvertreter des Reichsbischofs teilte Hildebrandt am 30. September 1935 mit: „Es besteht die Absicht, sobald die Lage sich etwas mehr geklärt hat, zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenzurufen." 66 Bevor dieser Plan jedoch verwirklicht werden konnte, entstand der Reichskirchenausschuß und damit eine neue Situation. Die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen D C unter Weidemann förderte in Mecklenburg das Interesse an den Thüringer D C und an der Verselbständigung des Gaues. Wie die Hannoveraner und Bremer nahmen mecklenburgischen Deutsche Christen an der Herbsttagung der Kirchenbewegung D C in Eisenach (1935) teil; im August 1936 trat der Gau Mecklenburg dem „Führerkreis" bei, wo er eine direkte Vereinigung der versammelten Gruppen anregte 67 . Bedeutsam an der Eingliederung in die Nationalkirchliche Bewegung im Juni 1937 war, daß sich hier nicht eine Splittergruppe ausschloß, sondern der ganze DC-Gau Mecklenburg. Die Mecklenburger scheinen auch bald eine bedeutende Rolle in der Bewegung gespielt zu haben, weil Leffler Landesbischof Schultz bei Kriegsbe-

K . MEIER, Deutsche Christen, S. 85. M « Ebd. Ebd. 8 5 Schreiben Hildebrandts an Müller vom 20. 9. 1935 ( A E K D , A 4 / 9 6 ) . · · Ebd. •7 K . MEIER, Deutsche Christen, S. 194, 220, 145. Diese Entwicklung hat der Bund nationalsozialistischer Pastoren gefördert, der Referenten aus dem Kreis der Mitarbeiter der Kommenden Kirche und der Thüringer D C zu seinen Tagungen einlud. Die Undurchsichtigkeit der kirchenpolitischen Fronten mag die Feststellung ( J K 4, 1936, S. 822) zeigen, daß folgende Männer als „Führer der K D C " bezeichnet wurden: Professoren Redeker, Fiedler, Meinhold, O K R Boll, Dr. Stapel, Superintendent Lehbrink, O K R Leffler, Prof. Meyer-Erlach. Richtigstellung folgte in 62

POSITIVES CHRISTENTUM N r . 4 3 v o m

1.11.1936.

92

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

ginn die gesamte Führung der Nationalkirchlichen Einung übertrug 68 .

5. Die kirchenpolitische Lage in Oldenburg Wie in Bremen war das deutsch-christliche Kirchenregiment in Oldenburg unter der Leitung von Landesbischof Volkers von der Stellung des Reichsbischofs abhängig. Am 21. August 1934 hatte Müller Landespropst Volkers entgegen den Vorschlägen der Mehrheit der Pfarrerschaft zum oldenburgischen Landesbischof ernannt, nachdem die Eingliederung der Landeskirche in die Reichskirche, wenige Tage vor der Bremens, am 11. Juni 1934 vollzogen worden war 6 9 . Die Abhängigkeit Volkers vom Reichsbischof erwies sich als besonders groß, weil die Bekennende Kirche in Oldenburg weitaus mächtiger als in Bremen war. An der Jahreswende 1933/34 gehörten 9 0 % der Pastoren dort zum Pfarrernotbund 70 . Anders als Weidemann fühlte sich Volkers gezwungen, sich von den Deutschen Christen zu distanzieren, die in Oldenburg unter Pastor Hollje zu der Reichsbewegung D C Kinders gehörten. Im April 1934 trat er aus der Bewegung aus. Seitdem versuchte er, eine Mittlerrolle zwischen den kirchenpolitischen Parteien einzunehmen und erklärte, daß er keinen Wert darauf lege, ob ein Pfarrer bei den Deutschen Christen oder im Pfarrernotbund mitwirke. Von beiden Gruppen verlangte er aber Gehorsam gegenüber dem Reichsbischof71. Unter diesen Umständen war Volkers selbstverständlich an allen Sammlungsbemühungen, die ihm bei der Herstellung eines kirchenpolitischen Friedens helfen konnten, interessiert. Als Müller im Jahre 1935 vor seiner endgültigen Entmachtung stand, war Volkers bereit, die Sammlungsbemühungen Weidemanns zu unterstützen und mit seinem DC-Gauobmann Hollje das Abkommen vom 26. April 1935 für Oldenburg zu unterschreiben72. Weil Volkers selbst nicht mehr zu den Deutschen Christen gehörte, verlieh seine Anwesenheit und die seines mecklenburgischen Kollegen Schultz der niedersächsischen Sammlung den Eindruck einer breiteren kirchlichen Basis; dies umso mehr, als Volkers bemüht war, in der Öffentlichkeit den Anschein zu erwecken, daß Oldenburg eine „intakte" Kirche sei73. Vom Standpunkt der Bekennenden Kirche aus betrach» 8 KOMMENDE KIRCHE N r . 48 v o m 24. 1 2 . 1 9 3 9 (Kleine Chronik). 70 » K . MEIER, Deutsche Christen, S. 88 . Ebd. 7 1 Ebd. 7 2 Vgl. oben S. 6 0 . 7 3 Die kirchliche Lage in Oldenburg ( L K A HANNOVER, Depositum Abt Mahrenholz 119 e). Β

Kirchenpolitische Lage in Oldenburg

93

tet, arbeitete Volkers jedoch für die deutsch-christlichen Interessen. Dieses Dilemma, daß Volkers trotz seiner Versuche zur kirchenpolitischen Überparteilichkeit mit der Zeit tatsächlich immer mehr die Deutschen Christen unterstützte, erklärt sich aus seiner theologischen Auffassung. In den ersten Jahren des Kirchenkampfes scheint er Anhänger der theologisch-positiven, d. h. orthodoxen Richtung gewesen zu sein74. Sein Grundirrtum war aber seine Überzeugung, er könne gleichzeitig „orthodoxer Theologe" und „absolut loyaler Nationalsozialist" sein75. All die kirchlichen - hauptsächlich aus der DC-Bewegung entstandenen - Entwürfe, die an den Gehorsam gegenüber dem nationalsozialistischen Staat als Obrigkeit appellierten, mußten deswegen bei Volkers ein Echo finden. So unterzeichnete er u. a. im Jahre 1939 die Godesberger Erklärung. In bezug auf Oldenburg war Weidemanns Taktik - Verzicht auf Organisation, Hauptakzent auf ideenpolitischer Beeinflussung - erfolgversprechend. Der Charakter seiner Veranstaltungen (etwa Kirchentagungen und Kurse der Bibelschule) paßte zunächst zu Volkers Bemühungen, eine kirchenpolitische Brücke zu schlagen. An der ersten Reichskirchentagung in Bremen nahm Volkers gemeinsam mit den Landesbischöfen von Mecklenburg (Schultz), Nassau-Hessen (Dietrich) und Westfalen (Adler) teil76. Bei der kurz darauf vollzogenen Trennung der oldenburgischen Deutschen Christen von der Reichsbewegung D C (2. Oktober 1935) mögen das Beispiel Weidemanns und der ideenpolitische Einfluß ausschlaggebend gewesen sein77. Die vom Gauobmann im Jahre 1935 geleitete DC-Gruppe Oldenburgs war nicht groß. Von den 35 Pfarrern zählten höchstens zwölf zu den Deutschen Christen, wohingegen 70% zur Bekennenden Kirche gehörten 78 . Als Hollje sich mit der Zeit mehr und mehr für die Thüringer D C interessierte, soll Volkers dagegen zunächst mehr von der bekenntnismäßigeren Richtung Rehms eingenommen gewesen sein79. 74 Schreiben von Vikar Rudi Meyer an die Bruderschaft Düsseldorf vom 21. 4. 1934 (LKA DÜSSELDORF, Akten Bruderschaft Rheinische Hilfsprediger): „Oberkirchenrat Volkers ist mein Schwiegervater. Er ist ein theologisch positiver, in der Schrift gegründeter Christ . . . D a ß er die Dinge so anders sieht, ist für mich eine starke Beunruhigung, die mir eine selbstverständliche Einreihung in die Bruderschaft unmöglich macht." Ähnliche Äußerungen über die Theologie Volkers' zitiert auch K. MEIER, Deutsche Christen, S. 192. 75 7 Ebd., S. 193. » Vgl. oben S. 67 f. Bruno Adler, geb. 4. 1. 1896 in Itzehoe, gest. 18. 11. 1954, 1925 Pfr. in Weslarn, 24. 6. 1933 Staatskommissar für die westfälische Kirche, 5. 10. 1933 Bischof von Münster, 1936 vom Provinzialkirchenausschuß entmachtet, 1939/40 kommissarische Verwaltung der Dompfarrstelle in Brandenburg/Havel, 1946 Ruhestand. 77

MITTEILUNGSBLATT D E U T S C H E C H R I S T E N N I E D E R S A C H S E N N r . 1 0 v o m 1 . 1 0 . 1 9 3 5 ,

S. 4; vgl. K. MEIER, Deutsche Christen, S. 88, 192. 78 7 Ebd., S. 192 f. » Ebd.

94

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

Wie Weidemann in Bremen, lehnte Volkers die Intervention des Reichskirchenausschusses konsequent ab, um sein eigenes deutschchristliches Kirchenregiment zu schützen. Der Oberkirchenrat in Oldenburg beschränkte sich nicht darauf, Schreiben aus Kreisen der Bekennenden Kirche zurückzuweisen, er lehnte auch die des Reichskirchenausschusses ab. Ein „maßgebender" Vertreter des Synodalausschusses erklärte eindeutig, daß der „Reichskirchenausschuß den Oberkirchenrat nichts angehe"80. Der bedeutendste Vermittler des bremischen Einflusses war wohl Pfarrer Lie. Dr. Adolf Heger, der das Vertrauen der kirchenpolitisch nicht gebundenen Kreise in Oldenburg genoß. Heger hatte aktiv an der Zeitschrift der niedersächsischen Deutschen Christen „Kirche und Volkstum in Niedersachsen" mitgearbeitet und anscheinend dadurch Weidemanns Aufmerksamkeit erweckt 81 . Im September 1937 wurde er zum Schriftleiter des von Weidemann herausgegebenen Wochenblattes „Kommende Kirche" ernannt und übte in dieser Position bis April 1938 erheblichen Einfluß in Niedersachsen aus. In dieser Zeit beschäftigte er sich zunächst mit der Jugendarbeit und der Judenfrage, später in der Kriegszeit mit historischen Themen. Nach seinem Rücktritt im April 1938 erschienen erst im Jahre 1940 wieder häufiger Artikel unter seinem Namen 82 .

80

Die kirchliche Lage in Oldenburg (LKA H A N N O V E R , Depositum Abt Mahrenholz 119 e). Im Oktober 1936 protestierten 60 Pfarrer und Hilfsprediger von ca. 90 Pfarrern und Hilfspredigern schriftlich beim Reichskirchenausschuß gegen Volkers, der „durchaus nicht länger tragbar" sei. 81 K I R C H E U N D VOLKSTUM IN NIEDERSACHSEN Nr. 8 vom 15. 4. 1934 (Christlicher Glaube und Staat); vgl. auch Nr. 2 vom 15. 1. 1935 (Die völkische Aufgabe der Kirche). An den Gedanken Herders „von Volk und Volkstum als Werk des geschichtsmächtigen Offenbarungshandelns Gottes" anknüpfend, sah Heger die Möglichkeit der evangelischen Verkündigung, an der „Bildung des deutschen Nationalbewußtseins mitzuarbeiten" folgendermaßen: „In dem Maße, in dem sie den Blick der Gemeinde für die Eigenart des deutschen Volkstums öffnet und die Volkseigentümlichkeit als gottgeschaffene Größe hervorhebt, bringt sie den Lebensquell zur Wirksamkeit, der von innen her das Nationalbewußtsein speist und das deutsche Volk zur politisch-staatlichen Gestaltung seiner völkischen Eigenart drängt (A. H E G E R , Verkündigung, S. 12). Adolf Heger, geb. 8. 3. 1906, gefallen, ord. 8. 11. 1931, Pfr. in Neuende, 30. 6. 1935 in Oldenburg. 82 Heger schrieb u. a.: Jugend in der Kommenden Kirche (KOMMENDE K I R C H E Nr. 36 vom 5. 9. 1937); Jugend fragt (ebd., Nr. 39 vom 26. 9. 1937); Der Glaube des Dichters Walter Flex (Nr. 42 vom 17. 10. 1937); Hofprediger Stoecker und das Judentum (Nr. 17 vom 24. 4. 1938); Kampf gegen das Judentum auf der Kanzel (Nr. 33 vom 14. 8. 1939); Deutsches Erwachen in den Befreiungskriegen (Nr. 43 vom 23. 10. 1938).

Rheinische D C in der Gruppe Weidemann

95

6. Die radikalen rheinischen Deutschen Christen in der Gruppe Weidemann Zur endgültigen Trennung der rheinischen Deutschen Christen unter Gauobmann Pfarrer Johannes Pack von der Reichsbewegung DC war es relativ spät, am 25. Juli 1936, gekommen, als die mit den Thüringern sympathisierenden Deutschen Christen schon ein neues Bündnis planten. „Zu ganz bestimmt umrissenen Zwecken" sollte die Gruppe Pack zunächst ihre Selbständigkeit behalten 83 . Als sie sich am 20. August 1936 dem „Führerkreis" anschloß, bedeutete dies noch keinen Widerspruch zu ihrem Prinzip 84 ; die ideenpolitischen Einflüsse der Nationalkirchler wuchsen aber durch diese Kontakte erheblich. Meier behauptet, daß der Mülheimer Kreis (wozu u. a. die Pfarrer Heinz Dungs und Karl Tiesler gehörten) den Anschluß an die Kirchenbewegung D C durch wachsende Annäherung vorbereitet hatte 85 . Die publizistischen und ideenpolitischen Kontakte geben von der Interessenrichtung der Gruppe Pack aber ein anderes Bild. Pfarrer Heinz Dungs war von dem ehemaligen Gauobmann Pfarrer Wilm am 26. Juni 1934 zum Gau-Presseobmann für das Rheinland berufen und mit der Schaffung einer einheitlichen Pressestelle der Deutschen Christen im Rheinland beauftragt worden 86 . Lange konnte er aber die Schriftleitung nicht beibehalten, weil seine nationalkirchlichen Sympathien seiner publizistischen Tätigkeit im Rheinland im Sommer 1936 ein Ende setzten. Mit der Begründung, daß seine kirchenpolitische Linie nicht mehr der Linie des Herausgebers entspreche, der noch die Reichsbewegung D C unterstützte, wurde Dungs aus der Leitung der Pressestelle entlassen87. Da Pack nach der Trennung von der Reichsbewegung DC zwar organisatorisch selbständig bleiben wollte, aber bereit war, „in ehrlicher Kameradschaft . . . mit allen D C zusammenzuarbeiten" 88 , schien die Kooperation mit der liberalen und unorganisierten DC-Gruppe Bremens die meisten Vortei83

K. MEIER, Deutsche Christen, S. 161. Ebd., S. 145. " Ebd., S. 161. Heinz Dungs, geb. 21. 12. 1898 in Sterkrade, seit 1946 verschollen (von der sowjetischen Besatzung verhaftet), 1928 Pfr. in Krefeld, 1934 in Mülheim/Ruhr, 1938 in Weimar. Karl Tiesler, geb. 20. 4. 1904 in Mannheim, ord. 1929, 1934 Pfr. in Mülheim/Ruhr, 1947 „aus dem Pfarramt entfernt", dann Pfr. in Bielefeld, 1950 in Buer/Gelsenkirchen. M

8

« D E R WECKRUF N r . 2 6 v o m 1. 7 . 1 9 3 4 .

Walter Wilm, geb. 7. 1. 1893 in Berlin, 1923 ord., Pfr. in Beveringen, Provinzialjugendpfr. und Pfr. bei der Inneren Mission in Potsdam, 1932 Pfr. in Dolgelin, 1935-1937 Mitglied des RKA, nach 1945 Sup. in Greifswald. 87 Ebd., Nr. 31 vom 2. 8. 1936 (Mitteilung des Verlages). 88 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 159.

96

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

le zu bieten. Die schlechte materielle Lage der rheinischen Deutschen Christen verstärkte die Notwendigkeit auswärtiger Unterstützung. Im September 1936 trat Dungs als Schriftleiter der „Kommenden Kirche" in den Dienst der bremischen D C 8 9 . Die Erfahrungen des rheinischen Presseobmannes haben den Kurs des Blattes mitbestimmt 90 . Im Herbst 1936 deckte sich also das Ideengut der Bremer D C mit dem der rheinischen Deutschen Christen unter Pack, und die „Kommende Kirche" wurde als offizielles Organ der Gruppe gelesen 91 . Im Laufe der Zeit wurde es aber für Weidemann immer schwieriger, die Ubereinstimmung zwischen den radikalen rheinischen Deutschen Christen und den Bremer Gemeinden aufrechtzuerhalten. Ein Streit um die Besetzung der Pfarrstelle in der St. Michaelis-Gemeinde zeigt, daß die Gemeinden noch fähig waren, sich den Maßnahmen Weidemanns zu widersetzen. Die Auseinandersetzung um das Besetzungsrecht hatte sich schon über zwei Jahre hingezogen, als Weidemann am 1. Mai 1937 Pastor Wilhelm Oberlies aus dem Rheinland zum Hilfsprediger an die St. Michaelis-Gemeinde berief 92 . Oberlies hatte an der Universität Marburg bei Bultmann und drei Semester bei Karl Barth (1930-32) in Bonn studiert 93 . Er hatte aber bald nach seinem Studium dieselbe theologische Richtung wie Dungs eingeschlagen und war dadurch in Schwierigkeiten geraten. Der Landeskirchenausschuß im Rheinland hatte sich geweigert, ihn mit einer Pfarrstelle zu betrauen, weil Oberlies schon als Dungs' „Spezial-Mitarbeiter in der Judenfrage" überall im Rheinland bekannt war 9 4 . Nach der Vereinbarung mit Weidemann sollte Oberlies nun „aus Rücksicht auf gewisse kirchenpolitische Bestimmungen" zunächst als Hilfsprediger antreten, um später ordentlicher Pastor zu werden 95 . Mittlerweile hatte die Emanzipation der Thüringer D C am 6. Juni 1937 zur Gründung der Nationalkirchlichen Bewegung D C in Eisenach geführt, der sich auch die rheinische DC-Gruppe unter Pack am selben Tag angeschlossen hatte. Auch für die im übrigen toleranten Bremer war es nun unerträglich, einen Hilfsprediger unter sich zu 89

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 v o m 2 4 . 9 . 1 9 3 4 ( H . D u n g s , U n s e r W e g ) .

9 1 Ebd., N r . 5 vom 25. 10. 1936. Ebd. 9 2 Schreiben von Dr. jur. Α. B. Ferdinand Donandt an Hauptpastor Dr. Wilhelm Jannasch ( K K A , V K L N r . 250b/70). Wilhelm Oberlies, geb. 20. 1. 1909, 1936 Pastor in Düsseldorf, 1937 Hilfsprediger an St. Michaelis in Bremen, 1938 in die thüringische Landeskirche übergewechselt. 9 3 Schreiben Oberlies' an O K R Edgar Boui vom 21. 4. 1949 ( L K A DÜSSELDORF, Akten des E v . Konsistoriums der Rheinprovinz N r . 41). 9 4 Schreiben Dungs' an Landesbischof Martin Sasse vom 8. 11. 1937 ( L K A DÜSSELDORF, Akten Oberlies 51/41 Bd. II) 9 5 Schreiben Oberlies' an Sasse vom 4. 11. 1937 (ebd.). 90

Rheinische D C in der Gruppe Weidemann

97

haben, der Mitglied der Nationalkirchlichen Bewegung geworden war und offensichtlich für die Thüringer eintreten würde. Mit dem Hinweis auf die „Gewissensfreiheit" der Bremer Gemeinden kündigte Weidemann dem Hilfsprediger Oberlies zum 31. Dezember 193796. Dieser Entschluß bedeutete aber keineswegs, daß Weidemann nun bereit gewesen wäre, sich Entscheidungen der Gemeinden anzupassen. Nach langen Prozessen gelang es ihm, durch Entscheidung der Beschlußstelle in Rechtsangelegenheiten der Deutschen Evangelischen Kirche vom 22. Februar 1938 seine Befugnis zur Berufung des Hilfspredigers Oberlies und zur Abberufung bzw. Neuberufung eines Gemeindeführers an der St. Michaelis-Kirche anerkennen zu lassen97. Die „Gewissensfreiheit" lag nun in den Händen Weidemann?. Diese Einzelentscheidung „von grundsätzlicher Bedeutung" sah das prinzipielle Ernennungsrecht des Landesbischofs für die kirchlichen Amtsträger vor 98 , wie es in der „Verordnung zur Bildung kirchlicher Körperschaften in Bremen vom 16. 8. 39" festgelegt wurde, wodurch das Führerprinzip seinen Höhepunkt erreichte. Nach seiner Entlassung aus dem Dienst der Bremischen Evangelischen Kirche wandte sich Oberlies an den thüringischen Landesbischof Martin Sasse und bat mit der Befürwortung von Dungs um eine Pfarrstelle 99 . Als er Anfang des Jahres 1938 den Dienst in der Thüringer Landeskirche antrat, hatte Dungs selbst bereits einige Monate zuvor denselben Weg beschritten 100 . Für die rheinischen Deutschen Christen unter Pack war die Mitarbeit in der Kommenden Kirche 1936/37 nur eine Station auf dem Weg in das Lager der Kirchenbewegung DC. Sie hatte gleichzeitig die Unvereinbarkeit der deutsch-christlichen Anschauungen der bremischen und thüringischen Richtung offenbart. Weidemann gewann aus den Beziehungen zum Rheinland einige seiner wichtigsten späteren Mitarbeiter.

»· Ebd. 97 BREMER K I R C H E N Z E I T U N G N r . 7 und 8 , 1 9 3 8 (Eine Rechtsentscheidung von grundsätzlicher Bedeutung). 98 Ebd. 99 Schreiben Dungs' an Sasse vom 8. 11. 1937 (LKA DÜSSELDORF, Akten Oberlies 51/41 Bd. II). Martin Sasse, geb. 15. 8. 1890 in Groß-Drenzig/Guben, gest. 15. 8. 1942 in Eisenach, 1921 ord., 1923 Pfr. in Rotheburg/Lausitz, 1930 Oberpfr. in Lauscha/Thüringen, 1934 Landesbischof der thüringischen Landeskirche. 100 Den Kurswechsel Dungs' kündigte schon eine Besprechung über die „Völkische Theologie" (1937) des Thüringer Theologen Walter Grundmann an ( K O M M E N D E K I R C H E N r . 31 vom 1. 8. 1937). Vgl. auch unten S. 104.

7

Heinonen, Anpassung

98

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

7. Die Restgruppe der Hossenf eider-Bewegung auf der Suche nach einem neuen Stützpunkt Als die „Kampf- und Glaubensbewegung Deutsche Christen" durch den Eintritt Hossenfelders in die Nationalkirchliche Bewegung am 22. Juli 1937 gespalten wurde, fragte sich die Restgruppe „alter Kämpfer", ob Weidemann ihren deutsch-christlichen Vorstellungen entsprechen würde. Es waren vor allem Dr. Friedrich Wieneke, Dr. Martin Thom und Fritz von der Heydt, die meinten, daß Hossenfelder von dem alten Kurs der Bewegung abgewichen sei101. Wieneke betonte, daß die Restgruppe an dem lutherischen Ansatz der DC-Bewegung festhalten wolle, der in den Paragraphen 2, 4 der Richtlinien der Deutschen Christen von 1932 und in Paragraph 1 der Grundsätze der Glaubensbewegung D C für das Reichskirchengesetz anläßlich der Verhandlungen in Loccum zum Ausdruck gekommen sei102. Eine Zeitlang glaubte Wieneke, den Stützpunkt für die Reaktivierungsversuche des alten theologischen Kurses der Glaubensbewegung in der Kommenden Kirche Bremens gefunden zu haben. Auch Weidemann war an der Mitarbeit des alten Mitbegründers der Glaubensbewegung D C interessiert; die „Kommende Kirche" veröffentlichte einen programmatischen Aufsatz Wienekes „Was heißt eigentlich christlicher Glaube?", den die Schriftleitung bestellt hatte 103 . Nach einigen Jahren mußte Wieneke dann aber zugeben, daß Bremen „nie ein Hort spezifisch lutherischer Haltung" gewesen war 1 0 4 . In der kirchenpolitischen Grundauffassung lagen Weidemann und Wieneke allerdings doch auf derselben Linie: Die Ziele der Kommenden Kirche könnten nur durch Erziehung erreicht werden. Für Wieneke, der als frühere ideologische Zentralfigur Wert auf die Tradition der DC-Bewegung legte, war jedoch Weidemanns Erklärung, daß er „jedes Organisieren für fruchtlos halte", untragbar 105 . Wieneke wollte durch die DC-Bewegung, Weidemann dagegen durch die Landeskirche die deutsch-christliche Kirchenreform erreichen. Als viele der anderen Mitarbeiter Weidemanns nach „links" nach Thüringen - gingen, wandte sich Wieneke nach „rechts" und xoi F. Wieneke, 10 Jahre Deutsche Christen, Kap. 11: Deutsche Christen lutherischer Prägung (BA KOBLENZ, R 43 11/165 a). Martin Thom, geb. 27. 3. 1893 in Berlin, ord. 1921, Pfr. in Madrid und Berlin, 1933 O K R in Berlin, 1934 Pfr., später auch Sup. in Potsdam, 1. 10. 1945 in den Wertestand versetzt. Friedrich Hermann von der Heydt, geb. 29. 12. 1896 in Berlin, 1928 Pfr. in Wetzenow/Uckermark, 1937 in Potsdam, 1 9 4 8 - 1 9 6 5 in Berlin. 102

V g l . K . D . SCHMIDT, B e k e n n t n i s s e 1 9 3 3 , S . 1 4 4 d .

103

KOMMENDE K I R C H E N r . 3 4 v o m 2 1 . 8 . 1 9 3 8 .

104

Vgl. Anm. 101.

105

Ebd.

Die Restgruppe der Hossenfelder-Bewegung

99

fand den „treuen lutherischen Stamm" in den Deutschen Christen Westfalens, deren geistlicher Leiter Pfarrer W. Fiebig in Münster und deren kirchenpolitischer Vertreter Professor Wentz in Minden waren. 1941, als die Deutschen Christen Bremens schon gespalten waren, wurde Wentz zum Geschäftsführer eines überbündischen Ausschusses (Schlachtensee-Kreis) und bemühte sich, ähnlich wie früher Weidemann für das deutsch-christliche Ideengut in der Gesamtkirche zu werben 106 .

8. Das Wochenblatt „Kommende

Kirche" und seine

Mitarbeiter107

Schon im Zusammenhang mit der Einigung der niedersächsischen Deutschen Christen im Sommer 1935 war geplant, neben dem „Mitteilungsblatt" noch ein repräsentatives Organ zu schaffen. Der Landespropst und DC-Gauobmann Ostfrieslands, Meyer (Aurich), berichtete im Juni 1935, daß er Weidemann gebeten habe, ein Sonntagsblatt für die Deutschen Christen Niedersachsens zu gründen 108 . Dies wurde um so nötiger, als das „Mitteilungsblatt der D C Niedersachsen" zusammen mit einigen anderen kirchenpolitischen Blättern ausdrücklich von der Reichspressekammer verboten wurde 109 . Auch die Gemeindeblätter brauchten nach dem Runderlaß der Gestapo vom 31. Dezember 1935 (im Einvernehmen mit der Reichspressekammer) jetzt eine besondere Genehmigung, falls sie nicht schon vor dem 14. Dezember 1933 erschienen waren. Damit wurde jede „kirchenpolitische Einflußnahme" unterbunden110, d. h. der Staat erlaubte keine loe

Ebd.

K a r l Wentz, Dirigent der Kirchen- und Schulabteilung bei der Regierung in Minden, v o r 1933 Führer der Liberalen im Ravensberger Land, nach 1 9 3 3 Führer der westfälischen D C , ca. 1 9 3 7 - 1 9 3 9 vertretungsweise theologischer Dirigent im Konsistorium Münster. 107 108

Vgl. oben S. 3 6 f. Schreiben Meyers an Mitarbeiter v o m 9. 6. 1 9 3 5 ( L K A HAMBURG, Β X V I a.

220.a.l.)· 1 0 9 H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 4 9 0 ff. Gleichzeitig wurden u. a. folgende Blätter verboten, die sich „Austragung des evangelischen Kirchenkampfes zur A u f g a b e " gesetzt h a t t e n : Rundbriefe der Mitglieder des Reformierten Weltbundes, P f r . Wilhelm Kolfhaus, Vlotho/Westfalen; Brandenburgische Rundbriefe, W . Vorreiter, Berlin; Vertraulicher Rundbrief des Reformierten Bundes für Deutschland, Paul Humburg, W u p p e r t a l - B a r m e n ; Rundschreiben des Rates der Bekennenden Kirche Schlesiens; Bruderrat der Bekennenden Kirche, Breslau; Informationsdienst der Deutschen Christen, P f r . K a r l Dürr, Freiburg i. Breisgau; Rundbriefe der Deutschen Christen, P f r . Werner Petersmann, Breslau. 1 1 0 Schreiben Heiders an die Gemeindeführer v o m 19. 2. 1935 ( L K A BREMEN, Β 57/2).

Τ

100

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

auch nur indirekte kritische Stellungnahme von Seiten der Kirche. Auch die Bremer Gemeindeblätter wurden damit politisch kontrolliert. Weidemann versuchte in der Folge eine Vereinheitlichung des Gemeindepressewesens. Weil die Gemeinden jedoch keinen Grund sahen, ihre eigenen Blätter aufzugeben, gelang diese Vereinheitlichung nicht 111 . Auch die im deutsch-christlichen Geist herausgegebenen Presseerzeugnisse wie „Die Kirche, deutsches Sonntagsblatt für das christliche Niedersachsen" der evangelisch-lutherischen Kreuzkirchen-Gemeinde, und der Gröpelinger „Heliand" waren nicht bereit, ihr Erscheinen zugunsten eines größeren Blattes einzustellen112. Es steht nicht fest, wie weit Weidemann die Vereinheitlichung der Gemeindeblätter mit den Aufgaben des geplanten Sonntagsblattes verbinden wollte. Jedenfalls war das Blatt von vornherein überregional aufgebaut, und lokale Ereignisse und Nachrichten konnten nur in geringem Umfang berücksichtigt werden. Bestimmend für den Redaktionsstil dieses Sonntagsblattes war nicht nur die erwähnte pressepolitische Situation im Reich, sondern auch die ideen- und organisationsgeschichtliche Entwicklung der hinter ihm stehenden DC-Gruppe. Die radikalen Hannoveraner Meyer und Hahn wie die gesamten mecklenburgischen Deutschen Christen waren in das Lager der Thüringer übergelaufen; der mehr konservative deutsch-christliche Landesbischof Volkers blieb dem deutsch-christlichen Unternehmen gegenüber zurückhaltend, und Landesbischof Tügel war aus der Bewegung ausgetreten. Einen ideenpolitischen Kurswechsel und einen neuen kirchenpolitischen Anfang kündigte der Name der im Verlag Η . M. Hauschild, Bremen, gedruckten DC-Zeitung, „Kommende Kirche, Wochenblatt für eine christliche Kirche deutscher Nation" an, die seit dem 24. September 1936 erschien und an der rheinische Deutsche Christen, die sich den Bremern angeschlossen hatten, mitarbeiteten 113 . Das Blatt unterschied sich durch eine gewisse Kulturfreundlichkeit und hansestädtische Vornehmheit von der üblichen deutsch-christlichen Publizistik. Schon sein Kopf, in dem politische Symbole fehlten, 111 Folgende Gemeinden wollten u. a. ihre Blätter nicht aufgeben: Unser Lieben Frauen, „Kirchliches Nachrichtenblatt"; Domgemeinde, „Mitteilungen der Domgemeinde an ihre Mitglieder"; St. Ansgarii, „Der Kirchenbote für St. Ansgarii Bre-

m e n " ( L K A BREMEN, Β 5 7 / 2 ) . 118 „Heliand", hg. von R. Gensch, Monatsblatt in etwa 1000 Exemplaren (4 S.); vgl. Schreiben Genschs an Weidemann vom 20. 2. 1936; Schreiben der Luther-Gemeinde an Weidemann vom 28. 9. 1936 (ebd.). 113 Die Hauptschriftleiter waren: 1. Pfr. Heinz Dungs (Mülheim), Kommende Kirche Nr. 1 vom 24. 9. 1936 - Nr. 35 vom 25. 8. 1937; 2. Pfr. Adolf Heger (Oldenburg), Nr. 36 vom 5. 9. 1937 - Nr. 17 vom 24. 4. 1938; 3. Pfr. Walter Dietsch (Bremen), Nr. 18 vom 1. 5. 1938 - Nr. 48 vom 22. 12. 1940.

Das Wochenblatt „Kommende Kirche"

101

die eine Assoziation mit den Deutschen Christen erlaubt hätten, wies auf die gezielte liberale Haltung der Redaktion hin. Die Bildauswahl blieb meistens ästhetisch-geschmackvoll, aber - wenn man will tendenziös. Außer dem rheinischen DC-Gemeindeblatt „Der Weckruf" haben wahrscheinlich auch die niedersächsische DC-Zeitschrift und „Kirche und Volkstum in Niedersachsen" sowie das von Stapel herausgegebene hamburgische „Deutsches Volkstum" als Vorbilder gedient. Literarisch konnte die „Kommende Kirche" aber nicht das Niveau des Stapeischen Blattes erreichen. Neben den volkstümlichen, kunstgeschichtlichen und häufig auch die katholische Kirche kritisch behandelnden Beiträgen wuchs mit der Zeit die antijudaistische und in der Kriegszeit die kriegspropagandistische Tendenz 114 . Der Nachrichtenteil „Kleine Chronik der Zeit" war unbedeutend und wurde wenig durch informative Berichte über kirchliche Ereignisse ergänzt. So blieben die kirchenpolitischen Stellungnahmen im Hintergrund, und es ist nur aus der ideenpolitischen Akzentverschiebung auf den Fortgang des Kirchenkampfes zu schließen. Die Gestaltung des Blattes entsprach der romantischen Vorstellung des „Historikers" Weidemann von den D C als „deutsch-christlichem Ritterorden", in der sich christliche Mission mit militantem Aktivismus verband 115 . Wegen dieser Neigung zu historischen Parallelen waren die kultur- und kirchengeschichtlichen Beiträge häufig in einer solchen Form gestaltet, daß sie das jeweilige ideenpolitische Konzept der Kommenden Kirche untermauerten. Der Charakter der „Kommenden Kirche" als überregionales Wochenblatt, das „in allen deutschen Gauen" Leser gefunden hatte, wird deutlich, wenn man seine Mitarbeiter und seine Verbreitung betrachtet11®. Der aktivste Schreiber, Oberkirchenrat Dr. Boll, kam aus Hamburg und gehörte zunächst zu den Mitarbeitern, später zu den schärfsten Gegnern Tügels 117 . Er hatte ebenso wie der Dortmunder Professor der Pädagogik, Dr. Hermann Werdermann, während der 1 1 4 KOMMENDE KIRCHE N r . 5 vom 29. 1. 1939 (W. Dietsch, J u d a das verworrene Volk); N r . 11 vom 12. 3. 1939 (F. Beckmann, Die Juden und der Dreißigjährige Krieg); N r . 13 vom 26. 3. 1939 (C. Schneider, Frühchristentum als antisemitische Bewegung); Nr. 18 vom 30. 4. 1939 (W. Dietsch, Gott in England?); N r . 19 vom 7. 5. 1939 (F. Wieneke, Von Christus zu Stalin?); N r . 22 vom 28. 5. 1939 (H. Wolf, Der amerikanische Gott); N r . 23 vom 4. 6. 1939 (H. Wolf, Der Rachegott über London); N r . 34 vom 20. 8. 1939 (A. Heger, „Auserwähltes" England). 115

BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 10, 1935 (1. R e i c h s k i r c h e n t a g u n g f ü r N i e d e r -

deutschland). Weidemann setzt in seiner Rede das 2eichen des Deutschen Ritterordens - das schwarze Kreuz auf weißem Grunde - zum Symbol seiner „deutschchristlichen Ritterschaft". 118

KOMMENDE K I R C H E N r . 13 v o m 2 7 . 3 . 1 9 3 8 .

1,7

H . WILHELMI, Hamburger Kirche, S. 139, 277.

102

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

Erscheinungszeit 1936-40 47 Beiträge für das Blatt geliefert 118 . Boll, der die meisten (27, dagegen Weidemann 17) Grundsatzartikel geschrieben hatte, behandelte Themen wie die Beziehungen der Arbeiter zur Kirche, den Sinn der christlichen Feiern Weihnachten und Pfingsten, die Katholische Kirche, die Eindeutschung der Bibel und des Gesangbuches und schließlich auch solche, die die ideenpolitische Entwicklung der Kommenden Kirche vorwegnahmen 119 . Diese Anzahl wichtiger Artikel deutet auf einen erheblichen Einfluß Bolls auf den Kurs der Kommenden Kirche hin. Der bedeutendste Referent für die dem Blatt wichtige Frage des Religionsunterrichtes war Dr. Hermann Werdermann, Professor an der Pädagogischen Hochschule in Dortmund, der auch in anderen deutsch-christlichen Kreisen Anerkennung genoß und zu den Unterzeichnern der Godesberger Erklärung gehörte120. Für seinen religionspädagogischen Ansatz war die Betonung der beispielhaften christlichen Persönlichkeit in der Erziehung bezeichnend. Seine personalgeschichtliche Schau erlaubte dem Professor auch einen „geschichtlichen Vergleich" zwischen „Martin Luther und Adolf Hitler" 121 . Dieses Buch entstand aus den in Dortmund gehaltenen Vorlesungen und enthielt Ausführungen über „Luthers Haltung zur Judenfrage" die in der „Kommenden Kirche" zitiert wurden 122 . Der Mitarbeit Werdermanns kommt besonderes Gewicht zu, weil sich die gesamte Arbeit der „Kommenden Kirche" mit der Zeit immer mehr religionspädagogisch orientierte 123 . Er versucht als Religionspädagoge nicht nur „die deutsche Linie in der Kirchengeschichte" zu finden und eine deutsch-christliche Lutherinterpretation zu erarbeiten; darüber hinaus skizziert er auch die Didaktik dieses Stoffes 124 . Mit der 118

Berücksichtigt sind Jahrgänge 1, 1936—48, 1940. Folgende Nummern konnten nicht mitgerechnet werden: 43, 1937; 14, 1938; 40, 1939; 5, 1940; 7, 1940; 16, 1940; 22, 1940. Hermann Werdermann, geb. 12. 6. 1888 in Friedersdorf/Niederlausitz, gest. 9. 8. 1954 in Bad Soden, 1913 Studieninspektor am Predigerseminar in Soest, 1915 Garnisonspfr. in Gnesen, 1918 Diakonus in Gransee, 1922 Pfr. in Löwenberg, 1927 in Berlin, 1929 Prof. für Religionspädagogik an der Pädagogischen Akademie Hannover, 1933 in Dortmund. 119 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 7 vom 13. 2. 1938 ( K . F. Boll, Was ist Gottlosigkeit?); Nr. 1 vom 2. 1. 1938 (Was in der Kirche wurde und was in ihr wird); Nr. 25 vom 20. 6. 1937 (Das Ende des Konfessionalismus); Nr. 6 vom 1. 11. 1936 (Luther und unser Kampf für die religiöse Zukunft). 120 121 Vgl. unten S. 255 f. H. W E R D E R M A N N , Luther und Hitler. 122 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 1 5 vom 1 1 . 4 . 1 9 3 7 ; auch POSITIVES C H R I S T E N T U M Nr. 1 6 vom 1 8 . 4 . 1 9 3 7 . 123 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 1 4 vom 3 . 4 . 1 9 3 8 ( H . Werdermann, In Jahrhunderten denken). 124 Ebd. Nr. 15 vom 11. 4. 1937 (H. Werdermann, Religionsunterricht deutsch); Nr. 4 vom 23. 1. 1938.

Das Wochenblatt „Kommende Kirche"

103

Forderung, die Begriffsinhalte zu kontrollieren, gibt er zu erkennen, daß er um die Macht von Sprachgewohnheiten und die mögliche ideenpolitische Beeinflussung durch Sprachlenkung weiß 125 . Er unterstützt mit seinen Studien den Trend der „Kommenden Kirche", von Luther zu nationalkirchlichen Ideen zu gelangen (vgl. den Untertitel des Blattes) und plädiert für ein „Christentum oberhalb der Konfession" 126 . Als Dungs die Leitlinien des neugegründeten Blattes bestimmte, versprach er, nicht nur seine Erfahrungen bei der Herausgabe des rheinischen deutsch-christlichen Sonntagsblattes „Der Weckruf" fruchtbar zu machen, sondern auch seine alten Mitarbeiter für die neue Aufgabe zu engagieren. Pfarrer Wilhelm Oberlies (Düsseldorf), der ehemalige stellvertretende Bischof des Rheinlands, Propst D. Forsthoff (Düsseldorf), und sein „Schüler" Karl Tiesler traten der Redaktion bei127. Aufgrund persönlicher Kontakte wurde aber auch der namhafte Gymnasialprofessor und Träger der Goethe-Medaille für Geschichte, Heinrich Wolf aus Düsseldorf, der als „Vorkämpfer völkischer Geschichtsschau" unter den Deutschen Christen galt, als ständiger Mitarbeiter gewonnen 128 . Auch der bekannte deutsch-christliche Verfasser des Buches „Deutsche Christenfibel", Fritz Beckmann (Elberfeld), beteiligte sich an der Redaktion 129 . Generalsuperintendent Professor Hans Schöttler (Frankfurt a. M.) war neben Boll, Werdermann und Wolf der vierte der besonders aktiven auswärtigen Mitarbeiter der „Kommenden Kirche" 130 . lls

Nr. 15 vom 9. 4. 1939 (H. Werdermann, Saubere Begriffe); vgl. Nr. 17 vom 23. 4. 1939. 126 Nr. 44 vom 31. 10. 1937 (H. Werdermann, Luther sprengt Konfessionsgruppen). 127 Nr. 1 vom 24. 9. 1936 (H. Dungs, Unser Weg); vgl. Nr. 19 vom 9. 5. und Nr. 21 vom 23. 5. 1937 (K. Tiesler, Römische Priesterherrschaft und Deutsches Christentum); Nr. 9 vom 22. 11. 1936 (H. Forsthoff, Die Flucht der Bekenntnisse). Heinrich Forsthoff, geb. 1. 2. 1871 in Gruiten, gest. 17. 6. 1942, 1901 Pfr. in Laar, 1906 in Mülheim/Ruhr, 1934-1936 Propst in Düsseldorf. 128 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 23 vom 5. 6. 1938 („Professor Heinrich Wolf am 28. 5. achtzig Jahre alt"). Das Ideengut des preisgekrönten Historikers H. Wolf bestand aus antisemitischen und kriegspropagandistischen Gedanken. Heinrich Wolf, geb. 2 8 . 5 . 1 8 5 8 in Duisburg (vgl A . M Ö H L E R , Revolution, S. 344). 129 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 43 vom 23. 10. 1938 (F. Beckmann, Konfessionen nicht überkleistern - überwinden!). 130 Nr. 12 vom 21. 3. 1937; Nr. 48 vom 28. 11. 1937; Nr. 46 vom 13. 11. 1938; Nr. 17 vom 5. 5. 1940 usw. Johannes Schöttler, geb. 22. 1. 1861 in Gütersloh, gest. 17. 7. 1945 in Buchschlag/Offenbach, 1888 ord., 1912 Gen. Sup. von Ostpreußen, 1917-1931 der Provinz Sachsen, 1924 zum Prof. an der Theol. Fakultät Halle-Wittenberg ernannt, 1931 Ruhestand.

104

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

1937 trat Hauptschriftleiter Heinz Dungs in den Dienst der Thüringer Pressestelle und stellte nun dort seine im Rheinland und in Bremen gesammelten publizistischen Erfahrungen dem Organ der Thüringer D C „Deutsches Christentum" zur Verfügung. Zu Beginn des Krieges konnte sich Weidemann dann auf Männer in Schlüsselpositionen stützen, die, wie der Leiter der Fachabteilung Rundfunk bei der Nationalkirchlichen Einung, Pfarrer Josef G. Kölli, gut über seine Ziele unterrichtet waren und sie auch aktiv unterstützten 131 . Die Tatsache, daß der populäre Rundfunkprediger im Reichssender Hamburg, Prof. Georg Fiedler, bis zu seinem Tod im Jahr 1938 zu den engen Mitarbeitern um Weidemann gehörte, kam gleichfalls der überregionalen Verbreitung von dessen „Ideen" zugute. Interessant ist die Stellungnahme der „Kommenden Kirche" zu dem von Dungs geleiteten Blatt im Juli 1937: „Deutsches Christentum . . . nähert sich in seiner äußeren Gestaltung immer mehr der ,Kommenden Kirche'." 132 Bei Kriegsbeginn, als das Erscheinen des Gesangbuchs der Kommenden Kirche die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Bemühungen der Bremer D C gerichtet hatte, erreichte das Interesse für Bremen auch seinen Höhepunkt. Der Verlag nennt im Jahre 1940 „aus der Reihe der ständigen Mitarbeiter" die Namen folgender Akademiker: Dr. Boll, Lie. Dr. Heger, Professor E. Hirsch, Pfarrer J. G. Kölli, Professor Dr. Carl Schneider, Professor Dr. Schüttler, Professor Paul Sturm, Professor Adolf Wendel, Professor Hermann Werdermann, Dr. Fr. Wieneke, Professor Heinrich Wolf 133 . Daß die Grenzen zwischen den Autorengruppen der Thüringer D C und der Kommenden Kirche auch jetzt nicht scharf waren, zeigt die gleichzeitige Mitarbeit von Werdermann, Redeker, Schneider und Sturm an dem von Leffler geleiteten „Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben" 134 . Als Pastor Heinz Dungs wegen ideenpolitischer Differenzen im September 1937 die Schriftleitung dem oldenburgischen Pastor Lie. Dr. Adolf Heger überließ und als Hauptschriftleiter zum Organ der Thüringer D C „Deutsches Christentum" überwechselte, hatte sich die „Kommende Kirche" bereits während ihres ersten Erscheinungsjahres eine angesehene Position innerhalb der deutsch-christlichen Presse erobert. Nach einem Plan des Bundes für Deutsches Christentum, der die Verschmelzung aller beteiligten Gruppen in der Gesamtbewegung 131

KOMMENDE KIRCHE N r . 2 6 v o m 14. 7. 1 9 4 0 (J. G . K ö l l i , D i e S c h i c k s a l s f r ö m -

migkeit der Germanen); Nr. 23 vom 4. 6. 1939 (Wie ich zu Luther kam); usw. 132

133

KOMMENDE KIRCHE N r . 2 8 v o m 3. 7 . 1 9 3 7 (Kleine C h r o n i k ) .

„Eine christliche Kirche deutscher Nation. Aus der Arbeit des Verlages Kommende Kirche Bremen" (LKA HANNOVER, Ε III/335). 134 LKA BREMEN, Β 205.19.

Das Wochenblatt „Kommende Kirche"

105

„Deutsche Christen im Bund für Deutsches Christentum" bis zum 1. Januar 1938 vorsah, sollte sie neben den Zeitungen Hossenfelders „Des Deutschen Volkes Kirche" und Lefflers „Die Nationalkirche" zur offiziellen Tages- und Theologenzeitung des Bundes werden 135 . Ein erheblicher Rückgang der Abonnenten erfolgte nach dem Schriftleiterwechsel vermutlich im Rheinland, wo das Blatt seinerzeit auf Anordnung des Gauobmanns Pack als offizielle Zeitung der Deutschen Christen bezogen werden mußte. Immerhin meldete die „Kommende Kirche" vom März 1938, daß das Blatt „allwöchentlich in alle deutschen Gaue geht" 136 . Es hat anscheinend besonders die Gruppen und Einzelpersonen anziehen können, die sich weder der Reichsbewegung D C noch der radikalen Nationalkirchlichen Bewegung Lefflers anschließen wollten. So setzte sich auch die Restgruppe der „Kampf- und Glaubensbewegung DC" nach Hossenfelders Eintritt in die Bewegung Lefflers (22. Juli 1937) für die „Kommende Kirche" ein und versprach, innerhalb der Bewegung für sie zu werben 137 . Auch im Ausland scheint das Blatt Leser gefunden zu haben 138 . Die Schriftleitung behauptete sogar, daß sie „bei Auslandsdeutschen in fast allen größeren Staaten der Welt bekannt wäre" 139 . Anscheinend hatte die „Kommende Kirche" mindestens in Österreich einen erheblichen Propagandawert, weil sie dort wenige Monate vor dem „Anschluß" verboten wurde 140 . Im Jahre 1936 war die Auflagenhöhe der „Kommenden Kirche" mit 15 160 erheblich, wenn man bedenkt, daß die gesamte kirchliche Publizistik unter wachsenden Schwierigkeiten arbeitete. Die Auflagenhöhe der „Jungen Kirche" war zu diesem Zeitpunkt von 36 000 im Jahre 1934 auf 19 815 im Jahre 1939 zurückgegangen und betrug also nur knapp fünftausend Exemplare mehr als die der „Kommenden Kirche" 141 . Im Vergleich zur gesamten Publizistik der Thüringer D C war das Bremer Zeitungsunternehmen allerdings wesentlich kleiner 142 . Als nach Pastor Lie. Dr. Heger in den letzten drei Jahren Pastor 135

K. MEIER, Deutsche Christen, S. 221 f.

136

KOMMENDE KIRCHE N r . 13 v o m 2 7 . 3 . 1 9 3 8 .

137

Nr. 5 vom 30. 1. 1938. 188 Nr. 11 vom 13. 3. 1938 („Kommende Kirche" in Amerika!); Nr. 33 vom 13. 8. 1939. ,s » Nr. 40 vom 2. 6. 1938. 140 Nr. 52 vom 25. 12. 1937. 141 Vgl. H. O. SPERLING, Adreßbuch 1939, S. 321. - D a ß es in der Bundesrepublik offensichtlich kein vollständiges Exemplar der „Kommenden Kirche" gibt, zeigt, wie schwierig es ist, die Geschichte der Deutschen Christen zu untersuchen. 142 Bericht über die Arbeit der „Nationalkirchlichen Einung" im ersten Arbeitshalbjahr 1938 (LKA HANNOVER, Η 11/412). Im ersten Vierteljahr 1938 betrug die Auflage der „Nationalkirche" 34 845, im zweiten Vierteljahr 39 831 (Sonderausga-

106

Deutsch-christliche Kontakte mit anderen Landeskirchen

Dr. Walter Dietsch142* die Hauptschriftleitung der „Kommenden Kirche" übernahm, scheint das Blatt auf wachsendes Interesse gestoßen zu sein. Nicht nur die Aktivität der prominentesten akademischen Mitarbeiter, Hirsch, Redeker, Wieneke, Schüttler, Werdermann nahm zu, neue Unterschriften unter Artikeln ließen auch die Erweiterung des Kontaktkreises erkennen. Trotz einiger Beschlagnahmen und vorübergehender Verbote, etwa im Jahre 1939143, wurde die Zeitung im März 1940 an die Front geschickt144, was sich bald im veränderten Charakter der Aufsätze niederschlug. Politische, die Kriegsmoral „aufbauende" Artikel nahmen zu. Im Jahre 1941 wurde die gesamte kirchliche Presse bis auf wenige Ausnahmen eingestellt. Der ganze, Weidemann „treuhänderisch" gehörende Verlag Kommende Kirche Bremen kam durch diese presserechtlichen Anordnungen bis zum Herbst desselben Jahres nahezu zum Erliegen145. In dieser Situation erklärte Weidemann sich damit einverstanden, daß die Finanzwirtschaft des Verlages der Finanzabteilung der Bremischen Kirche unterstellt und die Hilfskräfte in den Dienst der Kirchenkanzlei übernommen wurden14®.

ben!). D i e hannoverschen nationalkirchlichen D C hatten v o n der „Nationalkirche" eine eigene Ausgabe: D i e Nationalkirche in Niedersachsen, Schriftleiter H . Dungs, Weimar (LKA HANNOVER, Η 11/437 b). Im Jahre 1938 erschienen im N a t i o n a l kirchlichen Verlag in Weimar folgende Zeitschriften: 1. „Die Nationalkirche" wöchentlich, mit verschiedenen Ausgaben; 2. „Deutsches Christentum" - wöchentlich; 3. „Die deutsche Frömmigkeit" - monatlich; 4. „Des Deutschen Volkes Kirche" - sonntäglich; 5. „Der deutsche Christ" - sonntäglich; 6. ab 1. 10. 1938 „Ein feste Burg", Kindergottesdienstblatt. 142 · Walter Dietsch, geb. 2 8 . 1 . 1 9 1 1 , 1936-1940 P. in Gröpelingen, Pastor prim, am St. Petri-Dom. 145

PROTESTANTENBLATT N r . 3 v o m 1 5 . 1 . 1 9 3 9 .

144

KOMMENDE KIRCHE N r . 11 v o m 2 4 . 3 . 1 9 4 0 .

145

1940-1975

Schreiben Cölles an den Leiter des Arbeitsamtes Bremen vom 18. 9. 1942 (LKA BREMEN, Β 205.21). N a c h dem Schriftleiterwechsel im Herbst 1937 soll der Verlag Eigentum Weidemanns geworden sein (POSITIVES CHRISTENTUM N r . 42 v o m 1 7 . 10. 1 9 3 7 ) . 148

L K A BREMEN, Β 205.21.

Kapitel 4

DAS REICHSKIRCHENMINISTERIUM U N D DIE KIRCHENPOLITIK WEIDEMANNS I N D E N J A H R E N 1935 BIS 1938

1. Der Reichskirchenausschuß, chen Mitte

eine Hoffnung

der Bremer

kirchli-

Die Bildung des Reichskirchenausschusses am 3. Oktober 1935 durch die erste Verordnung zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche (24. September 1935), einige Tage nach den deutschchristlichen Kirchentagungen in Bremen und Eisenach, verstärkte die Polarisierung in der deutsch-christlichen Bewegung1. Während Rehm mit seiner Reichsbewegung D C die theologische Anerkennung des Reichskirchenausschusses erlangte, wurden die „Irrlehren" der Thüringer D C verurteilt 2 . Nach Informationen Weidemanns wurde gleichzeitig auch ein Spruch über die Bekennende Kirche gefällt, der aber „aus sonderbaren Gründen in letzter Stunde nicht herauskam" 3 . In dieser kirchenpolitischen Konstellation, in der der Reichskirchenausschuß die Extremgruppen verurteilte und mit der Reichsbewegung D C paktierte, befanden sich die um Weidemann gescharten niedersächsischen Deutschen Christen zwischen den radikalen Thüringern und der restaurativen Reichsbewegung als eine noch diffuse reichskirchliche Bewegung mit latenten nationalkirchlichen Ideen. Schon im Oktober 1935 hatte sich eine freie Vereinigung von Männern unter Führung des 1933 ausgeschalteten Bürgermeisters, Dr. jur. Theodor Spitta, gebildet, die die Neuordnung der Bremischen Evangelischen Kirche vorzubereiten unternommen hatte und das Eingreifen des Reichskirchenausschusses in Bremen erwartete 4 . 1

KJ 1933—44, S. 101 ff.

» K . D . SCHMIDT, D o k u m e n t e II, S. 825 f f . ® KOMMENDE KIRCHE N r . 13 v o m 2 7 . 3. 1 9 3 8 ( H . W e i d e m a n n , C h r i s t e n t u m i n -

nerhalb und außerhalb der Kirchen. Ein Vortrag auf der 4. Kirchentagung in Bremen 19.-21. 3. 1938); vgl. H . WEIDEMANN, SO sieht die Kommende Kirche aus (Kommende Kirche, 1938, S. 63). Die Spannungen zwischen dem Reichskirchenausschuß und der 2. Vorläufigen Kirchenleitung unter Pfr. Fritz Müller lassen die Mitteilung Weidemanns als wahrscheinlich richtig erscheinen (vgl. K. MEIER, Deutsche Christen, S. 209). 4 K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 49.

108

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

Eine Gruppe von Positiven und Liberalen, von denen nur wenige zu der am 4. Juni 1934 gegründeten Bekennenden Gemeinde in Bremen gehörten5, hatte sich zur „Kirchlichen Arbeitsgemeinschaft Bremen" zusammengeschlossen6. Mittelsmann zwischen Bremen und dem Reichskirchenausschuß wurde Pastor D. Jeep von der Unser Lieben FrauenGemeinde. Eine undatierte Mitgliederliste von 1936/37 weist 42 Namen größtenteils bekannter Persönlichkeiten aus zehn Gemeinden auf 7 . Von den deutsch-christlichen Gemeindeführern stimmte nur Dr. Teilmann von der Stephani-Gemeinde den Zielen dieser Vereinigung zu. Wesentliche Verhandlungen zwischen dem Reichskirchenausschuß und diesem freien Zusammenschluß fanden jedoch nicht statt. Auch der Kirchenausschuß war machtlos, weil er - wie es ab 24. Januar 1934 hieß - nur „beratende" Funktion besaß8. Man wartete auf die Maßnahmen des Reichskirchenausschusses. Schon im Juni 1936 lagen dem Reichskirchenminister die Neuordnungsvorschläge des Reichskirchenausschusses für die Landeskirchen Oldenburg und Bremen vor 9 . Neben diesen beiden Landeskirchen wollte der Reichskirchenausschuß auch die Kirchenregierungen in Thüringen, Mecklenburg und Lübeck nicht anerkennen. Außer der Neuordnung der genannten Kirchen wurde ein Redeverbot für Ludwig Müller gefordert, der die Arbeit des Ausschusses durch sein Auftreten „unglaubwürdig" mache 10 . Falls Kerrl dem Reichskirchenausschuß entgegengekommen wäre und die deutsch-christlichen Kirchenleitungen abgesetzt hätte, wäre der kirchenpolitische Kampf in den Landeskirchen wahrscheinEbd., S. 57, 49. ' Ebd., S. 49; vgl. auch Schreiben Leists an Koopmann vom 8. 12. 1935 (AEKD, C 2/91). 7 K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 50. Zum am 7. 12. 1936 gewählten Vertrauensausschuß gehörten: 1. Walter Jeep, Pastor an Unser Lieben Frauen, 2. Dr. jur. Otto Leist, Rechtsanwalt in Bremen, 3. Pfr. Heinz Nolle von St. Remberti in Bremen, 4. Eduard Schilling, Kaufmann in Bremen, 5. Dr. jur. Theodor Spitta, Bürgermeister i. R. in Bremen (ebd.). 8 Schreiben Weidemanns an den Reichskirchenausschuß vom 24. 4. 1936 (AEKD, A 4/149). 9 Beschluß der Sitzung des Reichskirchenausschusses vom 11. 6. 1936 und 25. 6. 1936. Im zweiten Punkt des Beschlusses wurde gefordert, „daß in kürzester Frist die Neuordnung in den deutschen evangelischen Landeskirchen zu Ende geführt wird. Die Vorschläge für die Kirchengebiete in Oldenburg und in Bremen liegen dem Herrn Minister für kirchliche Angelegenheiten vor. Für die Landeskirchen in Württemberg, Hamburg und Lübeck werden wir unsere Vorschläge in diesen Tagen dem Ministerium einreichen. Hinsichtlich der Mecklenburgischen Landeskirche kommen wir auf den Vorschlag zurück, den wir nach der Besprechung in Schwerin Anfang Mai d. J. dem Herrn Reichsminister gemacht haben" (LKA HANNOVER, Depositum Abt Mahrenholz, Besprechung mit Ministern). 1 0 Ebd. 5

Der Reichskirchenausschuß

109

lieh erneut mit aller Macht ausgebrochen. Das wollte Kerrl nicht, und deshalb ließ er den Reichskirchenausschuß allmählich fallen. Zufrieden war er jedoch nicht mit den Verhältnissen in Hamburg und Bremen; dort beabsichtigte er eine Neuregelung11. Ende Dezember 1936 hatten sich die Beziehungen zwischen Bremischer Evangelischer Kirche und Reichskirchenausschuß so verschlechtert, daß die Bremer Kirche zu den Sitzungen des Reichskirchenausschusses nicht mehr eingeladen wurde. Diesen Vertrauensverlust nahm Weidemann zum Anlaß, die Anfragen des Reichskirchenausschusses über die Neubildung kirchlicher Körperschaften nicht mehr zu beantworten 12 . Inzwischen war sein alter Studienkamerad, der Regierungspräsident von Hildesheim, Dr. jur. Hermann Muhs, am 19. November 1936 zum Stellvertreter des Reichskirchenministers ernannt worden, und Weidemann konnte auf eine Verbesserung seiner Beziehungen zum Kirchenministerium hoffen 13 . Er fühlte sich jetzt stark genug, um die vom Reichskirchenausschuß anerkannte Arbeitsgemeinschaft zu attackieren und ihre Legalität zu bestreiten (26. Januar 1937) 1 4 . Den größten Zorn Weidemanns erntete der Vermittlungsmann, Pastor Jeep, den der deutsch-christliche Landesbischof des Treuebruchs bezichtigte. Vergebens warf Jeep seinerseits Weidemann vor, daß dieser gemeinsam mit den Thüringer Deutschen Christen den Widerstand gegen den Reichskirchenausschuß betrieben hätte 15 . Dessen Scheitern war allerdings zu diesem Zeitpunkt schon abzusehen. Weidemanns Auseinandersetzungen mit dem Parteigenossen Jeep veranschaulichen die interessante Tatsache im bremischen Kirchenkampf, daß die politische Unterstützung der NSDAP nicht immer die gleiche Einstellung zu bzw. Mitgliedschaft in kirchenpolitischen Gruppen voraussetzte 16 . Am Anfang der Reichskirchenausschußzeit ergab sich folgendes Bild der kirchenpolitischen Fronten: Charakteristisch für die Pastorenschaft war die recht große Gruppe der „Neutralen". Den theologischen Standort dieser Gruppe bestimmten 11 Rede (im Auszug) des Reichsministers Kerrl, gehalten am Sonnabend, dem 13. Februar 1937 vor den Vorsitzenden der Landes- und Provinzialkirchenausschüsse

( K . D . SCHMIDT, D o k u m e n t e I I , S. 1 3 5 3 ) . 12

K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 46, 49; vgl. dazu auch oben S. 94.

18

BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 5 , 1 9 3 7 .

K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 49 f. Ebd.; nach dem Zurücktreten des Reichskirchenausschusses wiederholt Weidemann die Vorwürfe. Er deutet hier an, daß Kerrl seine kirchliche Stellung in Bremen gebilligt hätte. „Woher weiß Herr Dr. Jeep, daß diese Maßnahme [Beauftragung Weidemanns durch Heider] vom Reichskirchenminister nicht bestätigt ist?" (Schreiben Weidemanns an die Pastoren der BEK vom 23. 2. 1937; LKA BREMEN, Β 205.25). 1β Vgl. oben S. 41, Anm. 80. 14

16

110

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

hauptsächlich Liberale des alten Kultur-Protestantismus. Sie war nicht zu einem Protest gegen die deutsch-christliche Kirchenregierung zu bewegen. Neben diesen Liberalen, die mehr zu den Deutschen Christen als zur Bekennenden Kirche tendierten, gab es noch eine kleine Gruppe „positiver" Pastoren, aus deren Gruppe auch Weidemann stammte; sie standen bekenntnismäßig zwar der Bekennenden Kirche nahe, lehnten aber den Beitritt zu dieser Gruppe ab. Zu dieser aus theologisch Liberalen und Positiven bestehenden kirchenpolitischen Gruppe der Neutralen, zu der von den 50 aktiven Pastoren 32 ( = etwa 64 °/o) gehörten, trat die im kirchlichen Leben herrschende, aber keineswegs überwiegende Gruppe der Deutschen Christen (40 %). Sie bestand aus allen theologischen Richtungen und war durch die deutsch-christliche Arbeit in ständigem Kontakt mit anderen Landeskirchen. Im Jahre der Einigung der niedersächsischen Deutschen Christen um den Reichsbischof waren die Deutschen Christen Bremens attraktiver als sonst. Für ihre relativ hohe Zahl gab es allerdings noch eine andere Erklärung. Die Kirchenregierung hatte einen großen Teil der durch Pensionierung freigewordenen Stellen mit deutsch-christlichen Pastoren besetzt. Wenn man andererseits berücksichtigt, daß nur acht aktive Pastoren, also 16 %, zur Bekennenden Kirche gehörten, ist der starke Einfluß der Deutschen Christen auf das kirchliche Leben jener Jahre eindeutig belegt 17 . An der Jahreswende 1936/37 schien Weidemann sich darüber klar zu sein, daß die nächste Zukunft eine Veränderung und Verbesserung der Lage der Deutschen Christen mit sich bringen würde. „Nach all den Gärungen und Klärungen des vergangenen Jahres sehen wir heute zuversichtlich in die Zukunft: Das neue Jahr wird das erste Jahr der Ernte sein", hieß es in einem im Januar 1937 veröffentlichten Aufsatz 18 . Weidemann erwartete nicht nur einen kirchenpolitischen Machtwechsel, sondern eine tiefgreifende kirchlich-religiöse Veränderung. Allerdings hatte die neue religiöse Substanz noch nicht ihre Form gefunden. „Die alte Kirche liegt im Sterben und - das ist das eigentlich Kritische - eine neue Kirche ist noch nicht da. Doch so kann ich jetzt hinzufügen: Sie ist im Kommen." 1 9 17 Memorandum der Bremer oppositionellen Pastoren Gustav Wilken, Aeilt Kramer, Erwin Arlt, Wiard Rosenboom, Erich Urban, Johannes Piersig, Gustav Greiffenhagen vom 17. 10. 1935 (LKA HANNOVER, Depositum Abt Mahrenholz). Johannes Piersig, geb. 22. 6. 1867 in Berlin, gest. 8. 4. 1942 in Bremen, 1898 ord. und Prediger in Aschersleben, 1905-1934 Pastor an St. Pauli/Bremen, 1927 Vorsitzender des Reichsverbandes für Kindergottesdienst. 18 KOMMENDE KIRCHE Nr. 1 vom 3. 1. 1937 (H. Weidemann, Kirche muß echte Kirche werden. Ein Wort zur Jahreswende). Nachgedruckt in: So sieht die kommende Kirche aus, S. 15. »» Ebd.

Der Reichskirchenausschuß

111

Weidemanns Abneigung gegenüber fester Organisation war zweckmäßig, auch im Hinblick auf die Pläne Kerrls. In seiner Rede vom 13. Februar 1937 soll der Kirchenminister gesagt haben, daß er „nicht einzelne Gruppen . . . auch nicht die D C als solche" anerkennen würde 20 . Weidemann hielt es taktisch nach wie vor am wichtigsten, die richtigen „Persönlichkeiten" zu überzeugen: „In die kommende Kirche marschieren nicht zuerst Organisationen, so notwendig sie auch sind, sondern einige beherzte Männer, die es mit dem Evangelium ernst nehmen, ganz ernst und ganz ursprünglich." 21 Von einer kirchenpolitischen und kirchlichen Veränderung, die die Deutschen Christen Bremens ihrem Ziel näher bringen würde, „völkische Reichskirche" zu sein, schien auch der eifrigste Mitarbeiter des Bremer Wochenblattes, Dr. Boll, überzeugt zu sein22. In seinem Aufsatz „Kirche ohne Volk?" wirft er der evangelischen Kirche im Dritten Reich vor, daß sie „nicht nur in der entscheidenden Stunde (von außen her), sondern auch im entscheidenden Punkte (von innen her) versagt im Glauben" 23 . Anstelle der erwarteten „aktivistischen Volksmission" war eine „Juristenherrschaft" entstanden. So war es nach Boll gerechtfertigt, daß der Staat wegen des „Außerachtlassens der völkischen Lebensinteressen seitens der Kirche" etwas unternehmen würde. Boll prophezeit: „Da wird er handeln, ja sogar auch ,kirchlich' handeln, und zwar unter dem Segen des großen Reformators." 24 Das Eingreifen des Staates ließ nicht lange auf sich warten. Fünf Tage nach dem Erscheinen dieses Aufsatzes trat der Reichskirchenausschuß zurück, und am 13. Februar 1937 hielt Kerrl seine berühmte programmatische Rede, in der er die deutsch-christlichen Kirchenregierungen in Thüringen, Lübeck, Hamburg, Mecklenburg und Bremen anerkannte 25 . Kerrl begründete diese Maßnahme: „Da die deutsche evangelische Kirche in Gefahr sei, müsse jetzt der Staat noch stärker eingreifen." 26 Dies entsprach den Gedanken Bolls. Es bleibt die Frage, inwieweit das „Eingreifen" des Kirchenministers von den betroffenen deutsch-christlichen Kreisen mitvorbereitet bzw. vorher mit ihnen erörtert worden war. Schon am Jahresende 1936 hatte Kerrl ein Verordnungswerk geplant, um die Staatsaufsicht über die Kirche nach Rücktritt des Reichskirchenausschusses auszuwei20

K . D . SCHMIDT, D o k u m e n t e I I , S . 1 3 5 4 .

21

H . WEIDEMANN, SO sieht die kommende Kirche aus, S. 15.

22

KOMMENDE KIRCHE N r . 6 v o m 7. 2 . 1 9 3 7 .

29

Ebd. - In der „Feierstunde zum Jahreswechsel 1936" wurde geklagt: „Noch immer getrennt und noch immer nicht am Ziel" (ebd., Nr. 1 vom 3 . 1 . 1 9 3 7 ) . 24 Ebd. 25 K. D . SCHMIDT, Dokumente II, S. 1351-55; zweite Version der Rede Kerrls „Zur Kirchenwahl! Was jeder wissen muß!" (ebd., S. 1347-51). 2 » Informationsbericht Nr. 65 vom 18. 2 . 1 9 3 7 (BA KOBLENZ, ZSg. 101/30).

112

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

27

ten . An diesen kirchenpolitischen Spekulationen mögen nicht nur die Thüringer Deutschen Christen beteiligt gewesen sein, worauf Meier hingewiesen hat 28 ; auch Weidemann dürfte wegen seines Bündnisses mit Leffler zumindest als Mitwisser auf dem laufenden gewesen sein. Seine wie Bolls Äußerungen lassen jedenfalls darauf schließen.

2. Die Anerkennung der deutsch-christlichen Kirchenregierung Bremens Die offizielle Bestätigung der genannten deutsch-christlichen Kirchenregierungen kam am 20. März 1937 in Form der 13. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche. Paragraph 2 lautete: „Die kirchenregimentlichen Befugnisse in den Landeskirchen werden durch die im Amt befindlichen Kirchenregierungen ausgeübt." 29 Die Frage in Bremen war, wer diese Kirchenregierung darstellte. Nachdem Heider sein Amt als Kirchenpräsident am 2. November 1936 niedergelegt hatte 30 , war es gemäß Paragraph 9 und 10 der Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche vom 14. Juni 1920 nicht möglich gewesen, die Befugnisse an den geistlichen Leiter - den Landesbischof - zu übergeben, weil der Präsident nur ein Laie (Paragraph 7 Absatz 3), aber nicht ein amtierender oder im Ruhestand lebender Geistlicher sein durfte 31 . Juristisch sachkundige Vertreter des „beratend" auf der Seite Weidemanns stehenden Kirchenausschusses, Schatzmeister Carl Eduard Meyer und Rechtsanwalt Dr. Heinrich Finke, dachten wie schon früher Landesgerichtsdirektor Dr. Steengrafe, aus der Führung des deutsch-christlichen Kirchenregiments auszutreten, falls nicht bald eine Klarstellung erfolge, wer „die im Amt befindliche Kirchenregierung" sei32. Am 5. April 1937 richtete das Reichskirchenministerium - bezeichnenderweise unterzeichnet von Muhs - einen Schnellbrief an Weidemann, in dem die von ihm geführte Kirchenregierung bestätigt wurde33. Der Kirchenausschuß aus Schatzmeister C. E. Meyer, Rechts27

K . SCHOLDER, K i r c h e n , S. 2 4 .

28

K. MEIER, Deutsche Christen, S. 213; KJ 1948, S. 163.

2

» KJ

1933-44,

S. 165 f f . ;

JK

5,

1937,

S.264;

K.

STOEVESANDT,

Bekennende

Gemeinde, S. 47 f. 30 F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 113. 31 Vgl. oben S. 20. 52 K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 47. 33

G V M N r . 3 v o m 15. 4. 1 9 3 7 ; ( A E K D , A 4 / 1 4 9 ; auch i n : BREMER KIRCHENZEI-

TUNG April 1937). Interessant ist, daß Kerrl mit persönlich unterschriebenem Brief an Landesbischof Volkers vom 16. 3. 1937 die Rechtsordnung in der Nachbarkir-

Scheitern der Neuordnung

113

anwalt Dr. Heinrich Finke, Pastor E. Pfalzgraf und Studienrat Junker sollte in Zukunft nur beratende Funktion ausüben; auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten war keine Änderung vorgesehen. Aus Protest verließ daraufhin Dr. Finke die Kirchenregierung 34 . Die Weidemann von Seiten des Reichskirchenausschusses drohende Gefahr war damit gebannt. Die 17. Durchführungsverordnung vom 10. Dezember 193 735 bestätigte nochmals seine unbeschränkte Macht, die er in einem Erlaß vom 27. Dezember 1937, der „Verordnung zur Wiederherstellung der Ordnung in der Bremischen Evangelischen Kirche", kundtat. „Nach Auflösung des Kirchentages und Verweisung des Kirchenausschusses auf beratende Tätigkeit sind die Aufgaben und Rechte des Kirchentages und Kirchenausschusses auf den Landeskirchenführer übergegangen. Die Gemeindeführer werden von dem Landeskirchenführer berufen und abberufen. Sie sind der Kirchenregierung verantwortlich." 36 Auf diese Weise war also die im Laufe von fünf Jahren errichtete deutsch-christliche Kirchenregierung Bremens gesichert, die im ganzen Reich - wie die Meinung des Reichskirchenministeriums lautete - „am stärksten nach dem Führerprinzip aufgebaut" war 37 .

3. Die Wende der Kirche

des Kirchenkampfes:

das Scheitern

der

Neuordnung

Es war zur Stabilisierung der Machtverhältnisse der deutsch-christlichen Landeskirchenregierungen gekommen. Die allgemeine kirchlich-religiöse Entwicklung in Richtung auf die erwartete „völkische Reichskirche" oder Nationalkirche verlief jedoch nicht zugunsten der Deutschen Christen. Man stand im Frühling 1937 vor den von Hitler am 15. Februar 1937 angekündigten Kirchenwahlen zur verfassunggebenden Generalsynode, die der Kirche die Möglichkeit versprachen, che Oldenburg geregelt hatte, wogegen die Bestätigung der DC-Regierung in Bremen durch den von Dr. Muhs i. V. unterzeichneten Schnellbrief vom 5. 4. 1937 vollzogen wurde. Wahrscheinlich ist, daß Kerrl, wie er noch in seiner Rede am 13. 2. 1937 erklärt hatte, die kirchlichen Angelegenheiten in Bremen und Hamburg anders zu regeln beabsichtigte (Informationsdienst Nr. 71 vom 4. 3. 1937; BA KOBLENZ, 2Sg. 101/30); daß Muhs und Kerrl schon im April 1937 abweichende Meinungen über die Reichskirchenpolitik vertraten, ist durchaus möglich (vgl. auch unten S. 124). 84

K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 48. KJ 1933-44, S. 224. M K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 49. 57 Vermerk des Reichskirchenministeriums, gez. Dr. Stahn vom 4. 10. 1941 (BA KOBLENZ, R 43/11 165). Vgl. auch unten S. 245. 35

8

Heinonen, Anpassung

114

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

„in voller Freiheit nach eigener Bestimmung des Kirchenvolkes sich selbst die neue Verfassung und damit eine neue Ordnung [zuj geben" 38 . Die Deutschen Christen konnten sich wenig von den Wahlen erhoffen. Die Zersplitterung in ihren eigenen Reihen trotz der Sammlung im „Bund für Deutsches Christentum" und die wachsenden Kräfte der Mitte ließen keine Hoffnung für eine Wiederkehr des Juli 1933. Am meisten entsprach der Wahlgedanke den Wünschen des zurückgetretenen Vorsitzenden des Reichskirchenausschusses D. Zoellner und der kirchlichen Mitte 39 . Statt eine Wende für die Deutschen Christen herbeizuführen, hatte Hitler zugunsten der Mitte eingegriffen. Wie konnte es dazu kommen? Durch die Konstituierung der zweiten Vorläufigen Kirchenleitung am 12. März 1936, die sich auf die Beschlüsse von Barmen und Dahlem berief, und des Rates der Evang.-Luth. Kirche Deutschlands (Lutherrat) am 18. März 1936 war die Bekennende Kirche gespalten. Als die Meinungsverschiedenheiten über die Denkschrift an Hitler im Sommer 1936 die Kluft noch vertieften, war Zoellner im Herbst auf wachsendes Verständnis seitens des lutherischen Flügels der Bekennenden Kirche gestoßen. „Gestützt auf diese Anerkennung und Annäherung an einen wichtigen Teil der Bekenntnisfront, beabsichtigte der Reichskirchenausschußpräsident Zoellner nunmehr vom Führer die Genehmigung zur Durchführung von Kirchenneuwahlen zu erhalten." 40 Die Lage der Mitte war im Hinblick auf die Wahlen nicht hoffnungslos. Zoellner erwartete, daß der Lutherrat („die lutherische Aktion") „bis zu den gemäßigten deutschen Christen unter Rehm unter Führung des Reichskirchenausschusses stark genug ist, sowohl die radikalen Bekenntnischristen, wie die radikalen deutschen Christen im wesentlichen auszuschalten" 41 . Als der Reichskirchenausschuß dann wegen des Widerstandes der deutsch-christlichen Landeskirchenregierungen und der Vertrauenskrise zwischen ihm und dem Reichskirchenministerium scheiterte und am 12. Februar 1937 zurücktrat, war nicht zu erwarten, daß Hitler dem Zoellner-Plan nun zustimmen und Kirchenwahlen ankündigen würde. In seiner Rede am 13. Februar 1937 vor den Vorsitzenden der Landes- und Provizialkirchenausschüsse hatte Kerrl erklärt: „Eine Wahl kommt auf keinen Fall. Es wird auch keinen Erfolg haben. Leitungen einzusetzen ist Unsinn für Gruppen, die nicht eines Willens sind. Erst muß einmal die Richtung in der Kirche klar werden, wenn die Möglichkeit gegeben ist, von Mensch auf Mensch zu wirken. Nach und nach wird sich das Volk 58

KJ 1933-44, S. 162. *· Informationsdienst Nr. 51 vom 3. 12. 1936 (BA « Ebd. 41 Ebd.

KOBLENZ,

ZSg. 101/29).

Scheitern der Neuordnung

115

entscheiden." 42 Die entscheidende Frage blieb nun: Welches war „die Richtung", die Kerrl in diesem Moment der Deutschen Evangelischen Kirche geben wollte und die Hitler dann ablehnte, um den Wünschen Zoellners entgegenzukommen? In der vor den Vorsitzenden der Landes- und Provinzialausschüsse gehaltenen Rede Kerrls einen Tag nach dem Rücktritt des Reichskirchenausschusses wurde das seit Monaten geplante Verordnungswerk durchsichtig. Die Gegensätze zur Bekennenden Kirche und zur Mitte wurden ebenfalls klar. Im ganzen bedeutete die neue Richtung vergrößerte Staatsaufsicht auf jeder Ebene der kirchlichen Leitung, von der Pfarrerausbildung bis hin zur obersten Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche 43 . Nach dem Rücktritt des Reichskirchenausschusses war keine neue Leitung vorgesehen. Die Kirchenkanzlei sollte wie zuvor in der Hand des Ministers bleiben. Abgesehen von der theologischen Ausrichtung Kerrls war die Bekennende Kirche wohl am meisten von der Absicht betroffen, die Deutsche Evangelische Kirche kirchenpolitisch in zwei „Säulen" zu teilen, wobei die eine „Säule" aus den Deutschen Christen und die andere aus Bekennender Kirche und der Mitte bestehen würde. Die Deutschen Christen und die Bekennende Kirche würden damit unter der persönlichen Aufsicht Kerrls stehen. Die Lösung war nichts anderes als eine staatliche Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche in Form eines Simultaneums 44 . Die Landes- und Provinzialausschüsse sollten zunächst bestehen bleiben und alle Landeskirchen dem Kirchenminister unterstellt werden 45 . Es war beabsichtigt, dem Pfarrer seine Rechte als Amtsträger einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft abzuerkennen; als theologische Ausbildungsstätten waren ausnahmslos staatliche Universitäten vorgesehen, an ihnen sollte auch die erste Prüfung abgelegt werden 46 . Wäre dieses geplante Verordnungswerk tatsächlich verwirklicht worden, dann hätte es tiefgreifende Änderungen und unvermeidliche Kontroversen in der Deutschen Evangelischen Kirche nach sich gezogen. Die eigentliche Entscheidung hatte Kerrl für den 15. Februar 1937 geplant. Er beabsichtigte, eine große Rede vor den Landeskirchenvertretern zu halten und seine kirchlichen Reformvorschläge im Sinne einer Staatskirche auf dem Boden der nationalkirchlichen Ideologie 42 K. D. SCHMIDT, Dokumente II, S. 1354. Offensichtlich falsch beschreibt J. S. CONWAY die Zusammenhänge zwischen den Plänen Kerrls und dem Wahlerlaß Hitlers (Kirchenpolitik, S. 153). Hitler unterstützte nicht Kerrl, sondern den früheren Plan von dessen Gegenspieler in dieser Zeit, Zoellner. 43

I n f o r m a t i o n s d i e n s t N r . 71 v o m 4. 3. 1937, S . 5 ( B A KOBLENZ, Z S g . 101/30).

Ebd.; K. MEIER, Deutsche Christen, S. 214 f. « Ebd. 46 K. D. SCHMIDT, Dokumente II, S. 1351; K. MEIER, Deutsche Christen, S. 215. 44



116

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38 47

zu erläutern . Am vorgesehenen Tag notierte Pressereferent Dertinger über den Verlauf der Dinge: „Er [Kerrl] wollte jetzt die Gründung einer allgemeinen, mehr religiös-sentimental festgelegten deutschen Nationalkirche proklamieren, die sich an alle gläubigen Menschen wenden sollte, die deutschen Blutes sind, gleich ob sie nun diesem oder jenem Bekenntnis anhängen. Dies sollte eigentlich heute mittag verkündet werden." 48 Hitler selber griff nun ein. Der Kirchenminister wurde im Flugzeug nach Berchtesgaden zitiert und fand den Führererlaß über die Einberufung einer verfassunggebenden Generalsynode vor 49 . Kerrl war tief betroffen und erklärte später resigniert, daß mit dem Scheitern der von ihm „geplanten Neuregelung", die „nicht die Billigung des Führers" fand, seine Befugnis als Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten, die Kirchenpolitik „in eigener Verantwortung nach bestem Wissen und Gewissen zu führen", erloschen sei50. Hitler hatte anscheinend die am Samstag, den 13. Februar 1937 angekündigte kirchenorganisatorische Neuregelung seines Kirchenministers schon am selben Tag verhindern wollen und entsprechende Sicherungsmaßnahmen getroffen. Am Abend des 13. Februar 1937 um 23 Uhr meldete die Gestapo Berlin: „Aus gegebener staatspolizeilicher Veranlassung sind am 14. 2. 37 sämtliche Gottesdienste in den evangelischen Kirchen zu überwachen. Das Hauptaugenmerk hat sich darauf zu erstrecken, ob kirchenorganisatorische Maßnahmen angekündigt werden. Das Ergebnis der Überwachung ist durch Fernschreiben an Gestapo Berlin zu berichten bis Montag vorm. 10 Uhr." 51 Am Montag kamen weder das versprochene Kirchengesetz, 47

Informationsdienst Nr. 64 vom 15. 2. 1937, S. 2 (BA KOBLENZ, ZSg. 101/30). Der hier benutzte Ausdruck für das Verordnungswerk Kerrls, „Nationalkirche", legte den Akzent auf den überkonfessionellen Charakter des Verordnungsentwurfs. Im organisatorischen Sinne war der Plan Kerrls anscheinend eine Fortsetzung seiner früheren Staatskirchenpläne, die er in einem geheimen Verordnungsentwurf vom 27. 1. 1937 entfaltet hatte. Dort wiederholte Kerrl in verschärfter Form alle Punkte der von Dr. Wilhelm Stuckart 1935 im Auftrage Hitlers erarbeiteten Denkschrift für die Verwirklichung der Umwandlung der Deutschen Ev. Kirche in eine S t a a t s k i r c h e ( v g l . K . SCHOLDER, E v . K i r c h e , S. 2 9 ; DOKUMENTE II, S. 2 4 3 f f . ) . 48

Informationsdienst Nr. 64 vom 15. 2. 1937, S. 2 (BA KOBLENZ, ZSg. 101/30).

4

® H . BRUNOTTE, Kurs, S. 5 9 .

M J. S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 376. CONWAY hat dieses Dokument in seiner Darstellung über die Ereignisse im Februar 1937 nicht berücksichtigt (vgl. ebd., S. 153). 51 H. BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 531 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). Nicht zutreffend beurteilt BAIER (ebd., S. 311) den Anlaß der polizeilichen Maßnahmen. Gegen Kerrls kirchenorganisatorische Maßnahmen wollte Hitler den Weg zur ruhigeren kirchlichen Entwicklung sichern. Die Verfügung eines Erlasses zu freien Kirchenwahlen hätte aber niemand polizeilich sichern müssen, wenn nicht eine radikale Alternative schon vorhanden gewesen wäre.

Scheitern der Neuordnung

117

noch eine große Rede, noch die Ankündigung einer „völkischen Reichskirche" oder „Nationalkirche". Es kam schlicht ein unerwarteter Erlaß über freie Volkswahlen für eine verfassunggebende Generalsynode. Was hatte Hitler veranlaßt, den traditionellen und nicht den revolutionären Weg zu gehen? Der thüringische Landesbischof Martin Sasse nannte als Grund für das Verhalten Hitlers die Reaktion der Auslandspresse und meinte, der Reichskanzler habe das Verordnungswerk „zunächst . . . gebilligt und unterzeichnet", dann aber wegen der Auslandspresse, die von neuer „Knebelung" in Deutschland schrieb, durch den Wahlerlaß „überboten" 52 . Wieweit Hitlers Entscheidung tatsächlich durch ausländische Zeitungskommentare über den Rücktritt des Reichskirchenausschusses beeinflußt wurde, bleibt offen. Für die Vorbereitung der Oxforder Weltkirchenkonferenz im Oktober 1937 war jedenfalls wichtig, was über die kirchliche Situation mitgeteilt wurde 53 . Bonhoeffer informierte Bischof Bell über das Schicksal der wegen der Publikation der Denkschrift der Vorläufigen Kirchenleitung an Hitler (1936) verhafteten Dr. Weissler, Ernst Tillich und Werner Koch 54 . Es war nicht unwesentlich, ob Bonhoeffer in einem solchen Gespräch von der Ankündigung einer „Nationalkirche" oder von einem Erlaß zu Kirchenwahlen berichten konnte. Obwohl Bell nach Bonhoeffers Auskünften gegenüber der „Times" den Erlaß als „delusion" (Täuschung) interpretierte, war tatsächlich doch auch in ökumenischen Kreisen Hoffnung auf bessere Zeiten für die Kirche in Deutschland entstanden 55 . Anscheinend hatte Hitler eben diese Beruhigung des kirchlichen Auslandes zum Ziel. In seinem Kommentar vom 15. Februar betonte auch Georg Dertinger die Rücksichtnahme auf das Ausland in der Entscheidung Hitlers. „Dieser Zwischenweg ist vor allem außenpolitisch wichtig, weil ja die 1933 gewählte Synode, aus der der ganze Krach entstanden ist, als nicht legal zustande gekommen, überall abgelehnt wurde." 56 Er meinte, Hitler wolle dem Kirchenvolk „noch eine Chance" zur legalen Ordnung der kirchlichen Verhältnisse geben. „Erst dann, wenn 6!

Nach K. MEIER, Deutsche Christen, S. 213. E. BETHGE, Bonhoeffer, S. 631 f., 634 f. Einen Tag nach dem Wahlerlaß nahmen die BK-Pfarrer Hans Böhm und Dietrich Bonhoeffer an Sitzungen einiger Oxford-Gremien vom 16. bis 24. 2. 1937 teil. Für die Bekennende Kirche blieb diese Sitzung in London das letzte Auftreten ihrer Vertreter auf einer regulären ökumenischen Sitzung. 54 E. BETHGE, Bonhoeffer, S. 607. Als Tillich und Koch nach einem Jahr wieder entlassen wurden, trennte man Weißler als „Volljuden" von den beiden anderen. 55 Ebd., S. 650. 55

"

I n f o r m a t i o n s b e r i c h t N r . 6 4 v o m 15. 2. 1 9 3 7 , S. 3 ( B A KOBLENZ, Z S g . 1 0 1 / 3 0 ) .

Verfasser dieser Berichte war Georg Dertinger, später zeitweise Außenminister der D D R ( v g l . DOKUMENTE I, S. 1 0 2 ) .

118

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

auch dies nicht funktionieren sollte, dürfte der Augenblick für den Gedanken der Nationalkirche gekommen sein."57 Dertinger versteht den Erlaß als Hitlers letztes Angebot an die evangelische Kirche. Wenn man nach den taktischen innenpolitischen Gründen von Hitlers Verhalten fragt, scheint die bekannte Tagebuch-Notiz Rosenbergs vom 14. Februar 1937 Auskunft zu geben, in der er sich über die Kirchenpolitik seines Gegners äußert: „Kerrl hatte wieder einmal das Gegenteil davon getan, was in unserer Linie liegen muß; nicht wir wollen die Verantwortung für die Kirche tragen, vielmehr muß diese allein ihre ,Kraft' erweisen. Wenn sie dann in ihre schon bestehenden Sekten auseinanderfällt, so ist das nicht unsere Schuld." 58 Daraus ergibt sich, daß die Grundeinstellung Kerrls, von Staats wegen die Reihen der Kirche zu schließen, nicht den Zielen der Partei entsprach, es wurde vielmehr ein Auseinanderfallen der Kirche erhofft. Kerrl versuchte nach bestem Vermögen zu reformieren, stieß aber „wieder einmal" auf Ablehnung seitens der Partei und der Kirche. Hitler wollte die Verantwortung für die kirchliche Entwicklung nicht dem nationalsozialistischen Staat zuweisen, was die Billigung der Kerrl-Pläne bedeutet hätte, sondern lediglich und ausschließlich diejenige kirchliche Gruppe unterstützen, die indirekt oder direkt zur politischen Stabilität seines Regimes beitragen konnte. Er wollte von der Uneinigkeit der Kirche profitieren und deren Partikularismus fördern 59 . So scheint Hitler Anfang 1937 nach dem Prinzip „divide et impera" gehandelt zu haben, als er gegen seinen Kirchenminister und im Sinne der Pläne Zoellners die Wahlen ausschrieb. Wichtig für die kirchliche Entwicklung im Reich und in der Hansestadt Bremen war, daß die Idee der überkonfessionellen „Nationalkirche" trotz des gescheiterten Versuchs ihrer praktischen Verwirklichung latent in kirchlichen Kreisen fortlebte - für den Fall, daß die Wahlen nicht die erwartete Neuordnung brächten. 4. Das Programm der „ersten Ära Muhs" im rium 1937/38 und die Deutschen Christen

Reichskirchenministe-

Als Kerrl, deprimiert über das Scheitern seiner Pläne, wochenlang das Kirchenministerium nicht betrat, führte der als Verfechter der Deutschen Christen bekannte Staatssekretär Muhs die Geschäfte. Ein Jahr lang hatte er freie Hand für seinen eigenen Kurs; die „erste Ära Muhs" endete im August 1938, als Kerrl die Führung seines Hauses wieder übernahm 60 . " Vgl. Anm. 56, S. 2 f. 58 Nach E. KLÜGEL, Landeskirche, S. 237; K. MEIER, Deutsche Christen, S. 351. 59

R . BOLLMUS, R o s e n b e r g , S . 1 1 7 .

60

Betr. Einspruch gegen die Berufung Muhs' ins Reichskirchenministerium (LKA

Programm der „ersten Ära Muhs"

119

Dr. jur. Hermann Muhs war seit 1927 als unbedeutender Rechtsanwalt in Göttingen tätig und verdankte seinen Aufstieg seiner Aktivität für die NSDAP (Parteigenosse seit 1929). 1930 wurde er Abgeordneter im preußischen Landtag und 1932 Gauleiter des Gaues Südhannover-Braunschweig. Wegen seiner führenden Rolle bei der Durchsetzung des Nationalsozialismus in Niedersachsen wurde er 1933 zum Regierungspräsidenten in Hildesheim ernannt 61 . In seiner Kirchenpolitik stellte er sich energisch gegen Landesbischof Marahrens. Anläßlich der Feier des Luthertages (19. November 1933) vertrat er in einer Rede ein deutsch-christliches Programm, das heftigen Protest unter den stadthannoverschen Pastoren (47 Unterschriften) auslöste. Er verglich auf dieser Feier den Zustand der evangelischen Kirche in Deutschland mit demjenigen der katholischen Kirche zur Zeit Martin Luthers und forderte getreu der deutsch-christlichen Parole „Reform der Kirche an Haupt und Gliedern". Als Zeugen für seine Ideen vom Christentum zog er die Reformationszeit heran. „Die artgemäße Religion der Deutschen" sollte eben „das Christentum in der Gestalt, wie Martin Luther es uns gegeben hat", sein62. Als der Reichskirchenausschuß zur Unterbindung der Kirchenpolitik Ludwig Müllers u. a. das Gutachten über dessen Buch „Deutsche Gottesworte" vorlegte und zur Befriedung der kirchlichen Verhältnisse ein Rede- und Predigtverbot für den Reichsbischof plante, trat Muhs für dessen Politik ein63. Damit wurde er zum Vertreter des Anliegens der niedersächsischen Deutschen Christen, die sich in dem Abkommen vom 26. April 1935 um den Reichsbischof gesammelt hatten. Muhs, der alte Studienfreund aus der Göttinger Zeit, und Weidemann waren gemeinsame Gegner Landesbischof Marahrens' und des Reichskirchenausschusses64. HANNOVER, Η

1 / 9 3 1 ) ; v g l . a u c h H . BRUNOTTE, K u r s , S . 9 3 ; J. S . CONWAY,

Kir-

chenpolitik, S. 152. 61 Ebd. - Vizepräsident Dr. Erich Ruppel vermittelte den Eindruck, daß Muhs als Rechtsanwalt nicht besonders erfolgreich gewesen ist (Schreiben Ruppels an den Verfasser vom 21. 1. 1971). 62 Rundschreiben 11 der Landeskirchlichen Sammlung, hergestellt am 26. 11. 1933 nach Stenogramm: Rede auf dem Marktplatz zu Hannover; Abschrift der Eingabe von 47 stadthannoverschen Pastoren gegen die Rede vom 21. 11. 1933 ( L K A HANNOVER, Η 63

1/401).

Beschlüsse des Reichskirchenausschusses vom 11. 6. und 25. 6. 1936 (LKA HANNOVER, Depositum Abt Mahrenholz, 114 a): Der Reichskirchenausschuß forderte, daß „unverzüglich ein Rede- und Predigtverbot für Herrn L. Müller erlassen wird". M N a c h K. STOEVESANDT (Bekennende Gemeinde, S. 88) bestand zwischen Muhs und Weidemann Freundschaft. Vgl. auch WESER-KURIER vom 26. 11. 1949: „Vier Jahre Arbeitslager für Hauptschuldigen ,Ex-Bischof". Der Verteidiger Weide-

120

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

Die Neuordnungs-Vorschläge für die Kirchengebiete Oldenburg und Bremen, um deren Durchführung der Reichskirchenausschuß „in kürzester Frist" dringend bat, lagen dem Kirchenminister bereits im Juni 1936 vor. Eine Verwirklichung dieser Pläne hätte zum Sturz Weidemanns führen können. Für den Fall, daß Kerrl nicht bereit war, die Erfüllung der Forderungen zuzusichern, hatte der Reichskirchenausschuß beschlossen, über die Angelegenheit unmittelbar mit den obersten Reichs- und Parteistellen zu verhandeln 65 . Gegenüber Kerrl, der sich wegen der Meinungsverschiedenheiten mit den „Rigoristen" Bormann und Rosenberg seiner Stellung in der Partei ohnehin nicht sicher sein konnte, war der vorgeschlagene Weg taktisch unklug 66 . Er mußte Kerrl dazu treiben, für seine Kirchenpolitik eine möglichst große Anerkennung der Partei zu finden. Die Berufung von Muhs zum kommissarischen Stellvertreter Kerrls am 19. November 1936 und zum Staatssekretär am 19. April 1937 67 löste heftige Proteste der hannoverschen Landeskirche und des Reichskirchenausschusses aus. Grotesk war, daß Muhs kurze Zeit zuvor aus der Kirche ausgetreten, drei Tage vor seiner Berufung aber wieder eingetreten war 6 8 . Die deutsch-christliche Presse tat das Mögliche, um dies zu beschönigen. Auch Weidemann trat in Bremen für Muhs ein und versuchte, die Schuld an dem Austritt Marahrens zu geben. Der Bischof hätte ihn durch seine Kirchenpolitik zu diesem Schritt gezwungen, den er an einem anderen Ort wieder habe rückgängig machen wollen 69 . Es war klar, daß die Berufung Muhs in das Kirchenministerium für Weidemann und die niedersächsischen Deutschen Christen einen Gewinn bedeutete. manns, Rechtsanwalt Oliver, meinte, daß „die Ausnutzung parteipolitischer Beziehungen zu seinem Studienfreund, Staatssekretär Muhs, nicht als politisches Verschulden" angesehen werden sollte. 8 5 Vgl. Anm. 63. " In der Bezeichnung der religionspolitischen Parteien innerhalb der N S D A P als „Idealisten" wie Kerrl und „Rigoristen" wie Bormann und Rosenberg folgt der Autor L. WENSCHKEWITZ (Reichskirchenministerium, S. 286). •7 E.

KLÜGEL,

Landeskirche,

S. 2 3 2 f.,

Anm.

308;

H.

HERMELINK,

Kirche

im

K a m p f , S. 388; J K 5, 1937, S. 368. 68 Seinen Austritt aus der ev.-luth. Kirche erklärte Dr. Muhs am 10. 11. 1936 zu Protokoll des Amtsgerichts in Hildesheim. Sechs Tage später teilte er dem Amtsgericht mit, daß er seine Erklärung wieder zurücknehme ( L K A HANNOVER, Η 1/931). M Schreiben Mahrenholz* an seinen Onkel Pastor D. Reinhard Großcurth in Bremen vom 29. 9. 1937 ( L K A HANNOVER, Depositum Abt Mahrenholz, 147). Während des gemeinsamen K a m p f e s gegen Marahrens hatte Weidemann einen „ N o t fonds für die von Marahrens abgesetzten DC-Pastoren" 1935 gegründet, der allerdings nach der Aufhebung der Suspendierung dieser Pastoren wieder aufgelöst wurd e (MITTEILUNGSBLATT DEUTSCHE CHRISTEN NIEDERSACHSEN N r . 10 v o m 1 . 1 0 . 1 9 3 5 :

Gehaltszahlungen für die von D. Marahrens abgesetzten DC-Pastoren; vgl. auch K . MEIER, Deutsche Christen, S. 188).

Programm der „ersten Ära Muhs"

121

Durch die 13. Durchführungsverordnung zum Kirchensicherungsgesetz vom 20. März 1937 (RGBl. I S. 333) wurde der Präsident der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei, Dr. Werner, beauftragt, bis zur Generalsynode „die Bearbeitung der laufenden Verwaltungsangelegenheiten der Deutschen Evangelischen Kirche" zu übernehmen 70 . Weil es nie zu einer Wahl der Generalsynode kam, blieb die Macht in den Händen der obersten Verwaltungsperson: der Jurist Dr. Werner versah das Amt des Leiters der Deutschen Evangelischen Kirche bis zum Ende des Dritten Reiches. Werner, der sich seiner Position nicht sicher fühlte, ließ sich von Staatssekretär Muhs beeinflussen. Sogar in innerkirchlichen Entscheidungen war er bereit, dem Rat seines Kollegen zu folgen 71 . In den ersten Monaten der Juristenherrschaft, im Jahre 1937, bereitete man sich auf die am 15. Februar 1937 angekündigten Kirchenwahlen vor. Als nicht mehr viel Hoffnung auf deren Durchführung bestand, wurden die Pläne der Neuordnung der evangelischen Kirche aktueller. In dieser Zeit der Hoffnung und Enttäuschung plante Muhs eine eigene Lösung der Kirchenfrage. Die im Kirchenkampf-Archiv in Berlin als Abschrift ohne genaues Datum vorhandene Denkschrift von Muhs „Zur Befriedung der Evangelischen Kirche" wurde von den oppositionellen Kreisen der Bekennenden Kirche als „Programm des neuen Kurses in der Kirche" charakterisiert. Sie ist vermutlich in der zweiten Hälfte der „ersten Ära Muhs", Anfang des Jahres 1938, aber jedenfalls vor dem Oktoberprogramm des Kirchenministers Kerrl (1938) entstanden 72 . Die Denkschrift behandelt drei Problemkreise: „die äußere Ordnung" der Kirche, „Fakultätspolitik" und „geistliche Leitung". Muhs geht von den staatlichen Interessen aus und erklärt, daß die Trennung von Staat und Kirche aus politischen Gründen nicht erwünscht sein könne. Als Freikirche hätte die Kirche nämlich mehr Möglichkeit, politischen Einfluß ohne Kontrolle des Staates auszuüben. Es 70

KJ 1933-44, S. 165 ff.

71

H . BRUNOTTE, K u r s , S . 9 5 , 9 8 , 1 0 7 .

71 „Das Programm des neuen Kurses in der Kirche" besteht aus dieser Denkschrift (4 S.) und einer Einleitung, geschrieben von einem Mitglied der Bekennenden Kirche. Zur Bestimmung der Entstehungszeit muß man das „Oktoberprogramm" und die Denkschrift von Muhs vergleichen. Die Verschiedenheit dieser beiden Programme in bezug auf den Wahlgedanken als Mittel der kirchlichen Neuordnung läßt vermuten, daß Muhs' Programm dem Wahlerlaß zeitlich näher ist. Den Programmen gemeinsam ist die Forderung nach Konzentration der kirchlichen Verwaltung, die laut Muhs wegen der „entstandenen Rechtsverwirrung" notwendig geworden sei. Die innerkirchliche Macht sollte nur noch von der Zentralbehörde ausgeübt werden (KKA, 45, Abschrift).

122

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

liege im Interesse des Staates, die Verbindung zu bewahren: „Die scheinbar nächste Lösung der völligen Trennung von Kirche und Staat . . . ist im nationalsozialistischen Staat nicht tragbar, denn sie würde die Entstehung einer im wesentlichen der Staatskontrolle entzogenen, also höchst bedenklichen (politisch) [sie] Freikirche im Sinne der Bekenntniskirche bedeuten." 73 „Im Interesse der Volkseinheit ist der Staat berechtigt und verpflichtet, innerhalb der Kirche entstehende Mißhelligkeiten zu beachten und nach Möglichkeit zu bereinigen."74 Die zur Verwirklichung dieser Kontrolle vorgesehenen Mittel zeigen, daß der Verfasser mehr von nationalsozialistischen als von christlichen Prinzipien ausging. Der Staat sollte nämlich die Kirchenbefriedung durch Gesetzgebung und Verwaltung und, „von innen gesehen", durch totale „weltanschauliche Erziehung des Volkes" erstreben75. Eine selbständige Verwaltung der Kirche wurde verweigert, weil die Kirche „nach Geschichte und eigener Lehre . . . kein Recht auf souveräne Verwaltung" hätte. Die Durchführung der staatlichen Maßnahmen sollte durch die Besetzung der kirchlichen Behörden mit „zuverlässigen Männern" gesichert werden 76 . Zunächst sollte auf diesem Weg der Verstaatlichung und Zerstörung der Selbständigkeit der Kirche eine Konzentrierung der Verwaltung verwirklicht werden. Sie sollte einer von „einem einheitlichen Willen" geleiteten Zentralbehörde, dem Evangelischen Oberkirchenrat, und nach dessen Weisungen den Provinzialkonsistorien übertragen werden 77 . Ihre Aufgaben waren: a) die Wiederherstellung der finanziellen Ordnung, b) das Verfügungsrecht über das kirchliche Eigentum, besonders der kirchlichen Gebäude, c) etwaige Legalisierung und Einordnung der zahlreichen, unbefugt geprüften, ordinierten und eingewiesenen Kandidaten - gemeint waren die Seminare der Bekennenden Kirche - , d) Sicherstellung einer geordneten Verwaltung in den Einzelgemeinden und Kirchenkreisen durch verfügungsfähige Organe, e) Ordnung des Ausbildungs- und Prüfungswesens, f) Regelung der Besetzung freier Pfarrer- und Superintendentursteilen 78 . Im Kirchenministerium war bekannt, daß Muhs die in der Denkschrift gestellten Forderungen zu realisieren suchte und für seine deutsch-christlichen Anhänger häufig in landeskirchlichen Auseinandersetzungen intervenierte 79 . Mit Hilfe der vorgesehenen Maßnahmen 75

74 Ebd., S. 1. Ebd. Hervorhebung durch den Verfasser. 78 Ebd. Ebd. 77 78 Ebd., S. 3. Ebd. 7 · H. BRUNOTTE, Kurs, S. 97. Dr. Ruppel erklärte, daß er sich mit Muhs über solche Fragen auseinandergesetzt habe, um die Selbständigkeit der Landeskirchenleitungen zu schützen (Information an den Verfasser vom 11.1.1971). 75

Programm der „ersten Ära Muhs"

123

und besonders durch Kontrolle der Zulassung der Kandidaten und „Regelung der Besetzung der freien Pfarrer- und Superintendentursteilen" sollte eine Vereinheitlichung im Sinne einer deutsch-christlichen Staatskirche durchgesetzt werden. Das hätte die Ausschaltung der Bekennenden Kirche aus dem offiziellen kirchlichen Leben bedeutet: „Es kann kein Zweifel sein, daß auf diesem kirchlich und staatlich einwandfreien Wege der Einfluß der Bekenntnissynode auf das Kirchenvolk gebrochen wird und der freien, rein geistigen Auseinandersetzung, die unter dem Eindruck des vordringenden Nationalsozialismus stehen wird, Raum geschaffen wird. Was sich einer solchen Ordnung widersetzen sollte, wird zahlenmäßig nicht erheblich sein und ist in eine Freikirche abzudrängen." 80 Durch die Konzentration der kirchlichen Verwaltung in den Händen der Zentralbehörde glaubte Muhs, den Widerstand der Bekennenden Kirche brechen zu können. „Wenn es also gelingt, die kirchenregimentlichen Befugnisse der B K ad absurdum zu führen, so ist damit der wesentliche Glaubenssatz der B K , aus der letzten Endes alle die verheerenden Kämpfe zwischen Staat und Kirche entsprungen sind, beseitigt." 81 Von diesem Versuch her ist die Heftigkeit der Polemik gegen den „römischen Kirchengedanken" der evangelischen Kirche und besonders der Bekennenden Kirche zu verstehen 82 . Neben der Verstaatlichung der Kirchenverwaltung sollte auch die Pfarrerausbildung den Zielen des nationalsozialistischen Staates dienstbar gemacht werden. Das Reichskirchenministerium und das Reichserziehungsministerium wollten gemeinsam „einen neuen staats-und volksverbundenen Pfarrerstand" heranziehen, der die Erneuerung von der Mitte der Kirche heraus verwirklichen würde 83 . So standen die theologischen Fakultäten im „geistigen Mittelpunkt" der Staatskirchenpläne Muhs'. An diese Ausbildungsarbeit sollte die geistige Leitung anknüpfen und sie in der „praktischen Arbeit der Kirche fortführen" 8 4 . Uber den Inhalt der mit den Verwaltungsmaßnahmen Hand in Hand gehenden Schulung wird zum Schluß eine klare Andeutung gegeben. „Etwaiges gewalttätiges und planmäßiges Eingreifen von untergeordneten Stellen schädigen die ruhige Entwicklung, die durch die Erziehungsmaßnahmen der Partei in H J , SA, Arbeitsdienst usw. sicher herDenkschrift Muhs, S. 2. Ebd., S. 4. 8 8 Von diesem kirchenpolitischen Ausgangspunkt ist auch Weidemanns Vorwurf gegen Landesbischof Meisers „geheime Katholisierung" zu verstehen. Im Katholizismus gehört die Kirche zum Dogma (H. WEIDEMANN, SO sieht die kommende Kirche aus, S. 36). In A. ROSENBERGS „Protestantische Rompilger" wird diese Kritik der Deutschen Christen gegenüber der Bekennenden Kirche zu einem massiven Angriff gegen die evangelische Kirche erweitert. 8 3 Denkschrift Muhs, S. 2. 8 4 Ebd. 80

81

124

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

beigeführt wird und mit denen die angedeuteten Maßnahmen konform gehen." 85 Diese Entwicklung sollte aber nur ein Vorspiel für die Verwirklichung der von Muhs konzipierten Staatskirche sein, für die erst nach der erwarteten „grundsätzlichen Klarstellung des Verhältnisses von Partei und Christentum . . . konkrete Pläne" festgelegt werden konnten 86 . D a ß Kerrl sich nicht mit den Zielsetzungen seines Mitarbeiters und Stellvertreters identifizieren wollte, gleichzeitig aber auch nicht mit den Vorschlägen der Kirchenführer vom Herbst 1938 zufrieden war, zeigen die Verhandlungen um das Oktoberprogramm 87 . Für die Mitarbeiter im Kirchenministerium war es kein Geheimnis, daß Kerrl und Muhs sich nicht auf eine kirchenpolitische Linie einigen konnten; das Ministerium vertrat Zumindestens zwei verschiedene Richtungen und wies darin einen Zug auf, der für die gesamte nationalsozialistische Führungsspitze als nahezu typisch bezeichnet werden kann 88 .

5. Die „Horst-Wessel-Gedächtniskirche": mensgebung

eine demonstrative

Na-

Am 9. Oktober 1937 fand die Grundsteinlegung für zwei schlichte Holzkirchen in Bremen-Osterholz und Sebaldsbrück statt 89 . Den eingemauerten Dokumenten zufolge sollten sie die ungewöhnlichen Namen „Bismarck-Gedächtniskirche" und „Horst-Wessel-Gedächt85

Ebd., S. 4. o« Ebd. KJ 1933-44, S. 279-283. Am 7. 11. 1938 hatten die Landeskirchenführer, u. a. Marahrens, Meiser und Wurm, als Ergebnis der Kirchenführerkonferenz einen Brief an Kerrl geschickt, worin die von ihm im Oktober-Programm vorgeschlagene Verstaatlichung und Zentralisierung der Kirchenleitung abgelehnt wurde. Darauf antwortete Kerrl am 21. 11. 1938 mit der Forderung des Gehorsams durch eine „Tat des wagenden Vertrauens", wie es sein Anhänger, Landesbischof Tügel, formuliert hatte. Er versuchte, den NS-Führungsstil für die Kirche zu übernehmen, indem er weiter erklärte: „Diese Tat kann allerdings nur der Entschluß zu einer Regelung im Sinne meines Vorschlages sein, wogegen von einem Zusammenschluß unter meiner Führung nicht die Rede sein kann (vgl. ebd., S. 275). 88 Die im Kurs des Kirchenministeriums in Erscheinung getretene Zweigleisigkeit korrespondiert mit der Struktur der NS-Führungsspitze. Schon im Jahre 1941 entwarf E. FRAENKEL eine Theorie vom NS-Herrschaftssystem als „Doppel-Staat" (The Dual State; vgl. R. BOLLMUS, Rosenberg, S. 242). H . BRUNOTTE meint: „So konnten von der Kirchenkanzlei aus viele Fragen, Beschwerden und Pläne an den Ministerialdirigenten Stahn oder den Ministerialrat Dr. Ruppel herangebracht werden, die ihrerseits wieder dem Staatssekretär verdächtig waren und dem Minister näherstanden" (Kurs, S. 98). 8 » Schreiben Weidemanns an Hess vom 29. 10. 1937 (STA BREMEN, 3-R.l.a. N r . 4 8 8 8 2 N r . 6. 87

„Horst-Wessel-Gedächtniskirche"

125

niskirche" bekommen. Sachliche Gründe, diese zwei kirchlichen Gebäude, die im Obergeschoß Pfarrwohnungen und unten den Gottesdienstraum, auch anderen Gemeindezwecken verfügbar, besaßen, mit dem Namen „Gedächtniskirche" zu bezeichnen, gab es nicht 90 . Die Namensgebung wie auch die Wahl des „Tages von Potsdam" (21. März) als Einweihungstag dienten Weidemanns kirchenpolitischen Zielen und veranschaulichten die von ihm erstrebte Synthese von Nationalsozialismus und Christentum. Als kirchenpolitische Demonstration hat es auch die Partei verstanden. Als der Leiter der Inneren Verwaltung, Regierungsdirektor Dr. Beuthien (Bremen), in einem privaten Gespräch Weidemann zur Abänderung des Namens zu bewegen suchte, erklärte der Landesbischof und bat, dies der Partei weiterzugeben, daß die evangelische Kirche „ebenso wie die nationalsozialistische Partei Anspruch darauf habe, Horst Wessel als den ihrigen zu bezeichnen", weil er aus einem evangelischen Pfarrhaus stamme. Weidemann warnte „dringend die Partei davor, in diesem Falle einzuschreiten. Er [Weidemann] müsse es entschieden ablehnen, den Namen abzuändern" 91 . Gegen die „irreführende Bezeichnung" wandten sich jedoch die Partei, die SA, SS, der Gauleiter und der Reichsstatthalter 92 . Den formalen Grund für ein Eingreifen bot Paragraph 1 des „Gesetzes zum Schutz der nationalen Symbole vom 19. 5. 1933". Der regierende Bürgermeister, Johann Heinrich Böhmcker, Nachfolger Heiders und gleichzeitig Führer der SA-Gruppe Nordsee, ließ eine Verordnung über die Verwendung von Namen nationaler Bedeutung im bremischen Gesetzblatt veröffentlichen, wonach das Unternehmen Weidemanns als gesetzwidrig verurteilt werden konnte 93 . Im Einvernehmen mit Carl Rover, dem Gauleiter von Weser-Ems für die Länder Oldenburg und Bremen wurde Weidemann am 14. März 1938 aus dem bremischen Staatsrat 94 und aus der Partei ausgeschlossen und zu einer Geldstrafe verurteilt 95 . Rover und Böhmcker hatten aber nicht mit Weidemanns politi90

V e r m e r k d e r R e i c h s k a n z l e i v o m 2 6 . 3 . 1 9 3 8 ( B A KOBLENZ, R 4 3 1 1 / 1 6 5 ) .

81

Bericht von Regierungsdirektor Dr. Kurt Beuthien vom 6. 11. 1937 (STA BREMEN, 3-R.l.a.Nr. 488, Nr. 6). 82 Entwurf von Regierungsrat Biehusen zum Verbot des Kirchennamens HorstWessel-Gedächtniskirche, ohne Datum, offensichtlich nach dem 14. 11. 1937 (STA BREMEN, 3 - R . l . a . N r . 4 8 8 , N r . 6). 83

GESETZBLATT DER F R E I E N H A N S E S T A D T BREMEN N r .

39 v o m

3. 12. 1937.

Auf

einer Kundgebung der N S D A P vom 18. 11. 1937 sprach Böhmcker gegen die Pläne Weidemanns (F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 135). Johann Heinrich Böhmcker, geb. 22. 7. 1896 in Braak bei Eutin, gest. 17. 6. 1944, 22. 6. 1937-17. 6. 1944 Erster Bürgermeister in Bremen. 84 F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 114. 85 Vermerk der Reichskanzlei vom 26. 3. 1938 (BA KOBLENZ, R 43 11/165); Schreiben Weidemanns an Lammers vom 25. 3. 1938 (ebd.).

126

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

sehen Beziehungen gerechnet. Der Landesbischof hatte rechtzeitig dafür Sorge getragen, daß seine Kirchenbaupläne den obersten staatlichen Persönlichkeiten bekannt waren. Für den Aufbau der HorstWessel-Gedächtniskirche hatte er Spendenmittel von Hitler, Göring und dem Polizeipräsidenten in Hannover, Viktor Lutze, erbeten; dies wohl nicht ohne den Nebengedanken, für seine kirchlichen Bemühungen werben zu können". Zur Einweihung war Hitler persönlich eingeladen worden97. Es konnte für Weidemann nur gut sein, wenn seine Angelegenheiten auf höchster Ebene behandelt würden. Er erbat eine Entscheidung des „Führers". Daß die Situation sich nicht günstig für die Lokalgrößen Rover und Böhmcker entwickelte, entnahmen sie bereits dem Brief Bormanns vom 3. Dezember 1937, in dem ihnen verboten wurde, die Angelegenheit in ihrer Eigenschaft als Parteifunktionäre zu behandeln98. „Außerordentlich enttäuscht" stellte Böhmcker fest, daß er die Angelegenheit nach dem Prinzip der wiederholt „ausgesprochenen klaren Trennung zwischen Partei und Kirche" behandelt und sie „absolut als eine Sache der Partei und nicht des Staates angesehen hatte" 99 . „Jegliches Eingreifen in kirchliche Angelegenheiten bis zum 30. 4. [1938]" sollte jedoch nun unterbleiben100. Anscheinend trug die außenpolitische Entwicklung kurz vor dem Anschluß Österreichs hier zur Vergrößerung des staatlichen Interesses an den Bremer kirchlichen Angelegenheiten bei. Die Kommende Kirche trat auch in Österreich auf und scheint die Propaganda für den nationalsozialistischen Staat in der Kirche gefördert zu haben101. Bekanntlich war die evangelische Kirche Österreichs viel enger an die Partei gebunden, als sich das für die deutschen Landeskirchen sagen ließ. Die prinzipielle Bedeutung der Auseinandersetzungen nahm zu, als Weidemann Gebrauch von den Grobheiten machte, die Rover in einem Gespräch über die kirchliche Angelegenheit geäußert hatte 102 . 9 6 Bericht von Dr. Beuthien vom 6. 11. 1937 (STA BREMEN, 3-R.l.a.Nr. 488, Nr. 6). 9 7 Schreiben Bormanns an Heydrich vom 13. 1. 1938 (ebd.). Unter dem 7. 12. 1937 teilte Staatsminister Meißner dem Pastor der Horst-Wessel-Gedächtniskirche, Johannes Fehsenfeid, mit, daß Hitler der Einladung nicht Folge zu leisten beabsichtige. 9 8 Schreiben Böhmckers an die Adjutantur des Stabschefs der SA vom 7. 12. 1937 (ebd.). 9 9 Ebd.; vgl. auch Schreiben Bormanns an Rover vom 14. 6. 1938 (ebd.). 1 0 0 Anruf der Gauleitung (ebd.). 101 Vgl. oben S. 105. 1 0 2 BA KOBLENZ, R 43 11/165. Rover soll über die Namensgebung in dem ihm eigenen Umgangston gesagt haben: „Nennt sie doch Davids- oder Josephskirche";

„Horst-Wessel-Gedächtniskirche"

127

Wichtig war, daß man Rovers Verhalten als repräsentativ für die Einstellung der Partei der Kirche gegenüber interpretieren konnte. Aus diesem Grund verurteilte Kerrl die Äußerungen Rovers als „politisch gefährlich« 103 . Weidemann betonte seinerseits, daß die gegen ihn getroffenen Maßnahmen aus Antipathie der Partei gegen die Christen (!) getroffen worden seien und nicht dem Willen Hitlers entsprächen. Auf solche Art und Weise konnte eine prinzipielle Stellungnahme der Partei gegenüber der Kirche heraufbeschworen werden 104 . So weit hätte Weidemann ohne eine gewisse Unterstützung des Reichskirchenministeriums nicht kommen können. Als Böhmcker und Rover die Gesetzwidrigkeit der Namensgebung betonten, wies Weidemann darauf hin, daß für ihn „nur das Kirchenministerium in Berlin zuständig sei"105. Erst am 9. Oktober 1937, dem Tag der Grundsteinlegung, hatte Weidemann telefonisch die Zustimmung des Reichskirchenministeriums für sein Unternehmen eingeholt, wobei sein Studienfreund Dr. Muhs erklärt hatte, daß „keinerlei Bedenken von seiten des Kirchenministeriums gegen die Namengebung" bestünden 106 . Dieses bestätigte später Muhs auch gegenüber Böhmcker 107 . Wegen der schnellen telefonischen Entscheidung war die Partei anscheinend vorher nicht über die Pläne Weidemanns unterrichtet und konnte deswegen erst Wochen später versuchen, das Geschehene rückgängig zu machen. Auch Kerrl, der in diesem Jahr wenig im Kirchenministerium zu sehen war, trat in die Debatte erst zwei Monate später mit der Forderung ein, „man müsse die Zustimmung der Partei einholen" 108 . Über den Kernpunkt der Auseinandersetzung waren Kerrl und die Bremer Parteispitze uneinig. Böhmcker formulierte: „Weidemann ist Mitglied der NSDAP und strebt eine Kirche auf nationalsozialisti„das Christentum ist aus der Scheiße geboren"; „mein Gott ist Adolf Hitler"; „ihr seid noch schlimmer als die Römischen" (K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 4 5 ) . 103

Schreiben Kerrls an Lammers vom 27. 4. 1938 (BA KOBLENZ, R 43 11/165). Schreiben Weidemanns an Lammers vom 25. 3. 1938 (ebd.). 105 Schreiben Böhmckers an die Adjudantur des Stabschefs der SA vom 7. 12. 1937 (STA BREMEN, 3-R.l.a.Nr. 488, Nr. 6). 10 » Schreiben Weidemanns an Hess vom 29. 12. 1937 (ebd.). 107 Vgl. Anm. 105 und Schreiben Kerrls an Lammers vom 27. 4. 1938 (BA KOBLENZ, R 43 11/165). 108 Schreiben Weidemanns an Heß vom 29. 12. 1937 (STA BREMEN, 3-R.l.a.Nr. 488). Erst am 4. 12. 1937, als die Namensgebung von Böhmcker und Rover durch die Verordnung über die Verwendung Namen nationaler Bedeutung vom 3. 12. 1937 verurteilt worden war, forderte Kerrl Weidemann auf, die Zustimmung der Partei einzuholen; nicht ganz zutreffend K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 4 5 f. 104

128

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

scher Grundlage an. Er behauptet, daß Nationalsozialistische Weltanschauung und Christentum einander bedingen und daher aufeinander auf Gedeih und Verderb angewiesen sind." 109 Diese „Verquikkung der Kirche und Partei, die hier angestrebt wird . . i s t eine untragbare Anmaßung der Kirche" 110 . Daß Muhs mehr als Kerrl die Bemühungen Weidemanns unterstützte, ändert nichts an der Tatsache, daß sowohl der Reichskirchenminister als auch der deutschchristliche Landesbischof diese „Verquickung" oder „Synthese" anstrebten. Im Prinzip mußte Kerrl die Versuche Weidemanns unterstützen, obwohl er dessen Vorgehen später ablehnte. In einem Brief an Lammers, den Chef der Reichskanzlei, vom 27. April 1938 verurteilte Kerrl nicht nur das Verhalten Rovers als politisch gefährlich, sondern wies darauf hin, daß er die Maßnahmen der Partei und der Stadt Bremen (Ausschluß aus der Partei und aus dem Staatsrat sowie Geldstrafe) „keinesfalls für gerechtfertigt" hielt 111 . Die Führerentscheidung entsprach Kerrls Beurteilung der Sachlage. Am 3. Juni 1938 teilte Lammers Weidemann mit, daß die gegen ihn getroffenen Maßnahmen rückgängig gemacht würden 112 . Die Äußerungen Rovers veranlaßten im übrigen Hitler, das Verhalten des Gauleiters zu rügen. In einem Schreiben vom gleichen Tag an Heß übermittelte Lammers den Willen Hitlers festzustellen, ob Gauleiter Rover tatsächlich „die politisch unerwünschten Äußerungen" getan habe, und, falls die Angaben Weidemanns zutreffend seien, „dem Gauleiter das Erforderliche" zu eröffnen 113 . Die Namensgebung selbst veranlaßte Hitler zu einem für das ganze Reich geltenden prinzipiellen Verbot, das auch Weidemann betraf. Der Führererlaß „Uber die Benennung von Kirchen nach Vorkämpfern der nationalsozialistischen Bewegung" sollte nach Hitlers Wunsch unverzüglich in der Presse veröffentlicht werden. Lammers, der ihm die Angelegenheit vorgetragen hatte, schickte den Erlaß erst an Goebbels und Kerrl, um ihre Meinung über den Inhalt zu hören114. Goebbels hatte keine Einwände. Kerrl dagegen äußerte seine Sorge über die kirchenpolitische Wirkung. Er befürchtete, „daß die Veröffentlichung des Erlasses von den interessierten Kreisen miß108

Schreiben Böhmckers an H e ß vom 29. 11. 1937 (STA BREMEN, 3-R.l.a.Nr. 488, Nr. 6). 110

Ebd.

111

B A KOBLENZ, R 4 3 1 1 / 1 6 5 .

112

Ebd. - Offensichtlich bat Rover Bormann am 4. 6. 1938, „durch Vortrag beim Führer die Angelegenheit richtig zu stellen", weil er „die Angelegenheit von der Partei aus bearbeitet" hatte (STA BREMEN, 3-R.l.a.Nr. 488, Nr. 6). Dieses Mal mußte Bormann aber erkennen, daß Hitler gegen ihn und für seinen Kirchenminister entschieden hatte (vgl. ebd.). 113

114

B A KOBLENZ, R 4 3 1 1 / 1 6 5 .

Schreiben Lammers' an Goebbels vom 11. 7. 1938 (ebd.).

„Horst-Wessel-Gedächtniskirche"

129

braucht werden wird, um die Behauptung der gegnerischen Einstellung des Führers gegenüber den Kirchen überhaupt zu rechtfertigen und damit den Erlaß als eine Entscheidung der Kirchenfrage ausnützen" 115 . Kerrl bat Lammers deswegen zu prüfen, ob es nicht besser sei, die Entscheidung Hitlers nur allen Kirchenbehörden und den in Betracht kommenden religiösen Gemeinschaften bekanntzugeben und damit den Eindruck einer prinzipiellen Entscheidung in der Kirchenfrage zu vermeiden 116 . Kerrl fürchtete anscheinend, daß auch die Realisierung seiner eigenen Vorstellungen von der möglichen Synthese von Christentum und Nationalsozialismus durch den Erlaß des Führers gefährdet würde. Der Erlaß konnte nämlich als Ablehnung der Annäherungsversuche der deutsch-christlich orientierten Kreise an die Partei interpretiert werden. Hitler bezeichnete es nämlich als „völlig abwegig", wenn „für die eine oder die andere miteinander ringenden Anschauungen und Bestrebungen Verstorbene in Anspruch genommen würden, die bei Lebzeiten zu solchen Meinungskämpfen überhaupt nicht erkennbar Stellung genommen haben oder gar gänzlich unbeteiligt an ihnen gewesen sind" 117 . Ohne näher die bremischen Vorgänge zu berühren, fuhr Hitler fort: „Ich wünsche deshalb vor allem und grundsätzlich nicht, daß kirchliche Gebäude nach Kämpfern und Helden der nationalsozialistischen Bewegung benannt werden, die nicht mehr unter den Lebenden weilen." In Zukunft sollte der Stellvertreter des Führers die Entscheidung fällen, wer „als verdienter Vorkämpfer der nationalsozialistischen Bewegung anzusehen ist". Bei der Benennung der Kirchen „nach anderen hervorragenden Deutschen der Geschichte" sollte im Zweifelsfall der Reichskirchenminister entscheiden118. 115

Schreiben Kerrls an Lammers vom 15. 7. 1938 (ebd.). Ebd. 117 Das Rundschreiben Bormanns Nr. 114/38 (BA KOBLENZ, R 43 11/165) beinhaltet die Anordnung Hitlers (nicht zur Veröffentlichung) vom 6. 8. 1938. Offensichtlich hat Hitler mit den „miteinander ringenden Anschauungen und Bestrebungen" die Deutschen Christen und die Bekennende Kirche gemeint. Er will durch die Verbindung der Partei mit den Deutschen Christen eine Entscheidung nicht in aller Öffentlichkeit treffen. Positiver ausgedrückt: Hitler will ein unparteiischer Volksführer sein. Negativ ausgedrückt: Hitler will den Partikularismus nach der Rosenbergschen Konzeption fördern (vgl. auch oben S. 118). 118 Die Aktualität der „Führeranordnung" verstärkte die auch anderswo gemachten Versuche, die nationalsozialistische Vergangenheit mit der kirchlichen Praxis zu verbinden. Mit den Berichten über derartige Angelegenheiten wollte die „Kommende Kirche" zeigen, daß sie in ihrem Vorhaben nicht allein stand. Unter der Überschrift „Kirchliche Ehrung Horst Wessels" berichtete die „Kommende Kirche" am 20. 5. 1938 über eine Feierstunde am 13. 3. 1938 in der St. NicolaiKirche in Berlin, in der eine Gedanktafel zu Ehren Horst Wessels im Beisein seiner 116

9

Heinonen, Anpassung

130

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

Auch dieses Mal hatte der vor einigen Monaten durch den Wahlerlaß entmutigte Kirchenminister mit seiner Bewertung der Lage Hitlers Entscheidung wesentlich beeinflussen, ja sogar den Plan des Führers verändern können 119 . Man fragt sich, warum Hitler nun plötzlich bereit schien, Kerrls Meinung zu berücksichtigen. Eine gewisse Ähnlichkeit im Verhalten Hitlers gegenüber Zoellner im Februar 1937 und gegenüber Kerrl Anfang 1938 ist nicht zu übersehen. Im ersten Fall ließ er den Vorsitzenden des Reichskirchenausschusses fallen, kam aber nachher durch die Ankündigung der Kirchenwahlen dessen Wünschen entgegen. Im zweiten Fall, als Kerrl sich schon entmachtet fühlte, berücksichtigte Hitler seine Ratschläge und wollte nicht den Anschein erwecken, als ob die Kirchenfrage für ihn erledigt sei. Die Führerentscheidung bestärkte Weidemann weiter in seiner Selbstsicherheit. Die inzwischen fertig gewordenen drei Kirchen in Osterholz, Sebaldsbrück und Gröpelingen sollten nun eine „Sachbenennung" erhalten, weil „der Führer eine Personenbenennung nicht wünscht". Die Gedenktafeln, die Weidemann im Innern der Kirche anbringen wollte, zeigen, daß der Name „Dankeskirche" die Kirchen nicht weniger mit der nationalsozialistischen Vergangenheit verknüpfen sollte120. Die Inschrift lautete: „Dankeskirche. Aus Dankbarkeit gegen Gott für die wunderbare Errettung unseres Volkes vom Abgrund des jüdisch-materialistischen Bolschewismus durch die Tat des Führers erbaut im Jahre 1938 nach Christus, im 6. Jahre der nationalsozialistischen Erhebung." 121 Weidemann war aber offenbar nicht sicher, ob nicht auch diese Pläne später Schwierigkeiten verursachen könnten, und bat Lammers Mutter enthüllt wurde. Am 17. 4. 1938 wußte das Blatt, daß in Österreich eine „Adolf-Hitler-Glocke" zu Ehren der Wiedervereinigung fertiggestellt worden war. Am 23. 10. 1938 teilte die „Kommende Kirche" mit, daß der Kreisverband im N S Kriegerbund eine „Hindenburgglocke" für die Potsdamer Garnisonskirche gestiftet habe. 119 Schreiben Lammers' an Kerrl vom 24. 7. 1938 (BA KOBLENZ, R 43 11/165): Lammers stimmte dem Vorschlag Kerrls wie folgt zu: „Ihre Auffassung, es sei besser, die Anordnung des Führers über die Benennung kirchlicher Gebäude nach Vorkämpfern der nationalsozialistischen Bewegung usw. durch Sie allen Kirchenbehörden und sonst in Betracht kommenden religiösen Gemeinschaften bekanntzugeben, aber von ihrer Veröffentlichung in der Presse abzusehen, glaube ich mich anschließen zu müssen." Die Reichskanzlei verzichtete tatsächlich auf die Veröffentlichtung des Erlasses und ließ den Text nach Korrekturen Kerrls verändern. Der Inhalt wurde am 6. 8. 1938 durch das Rundschreiben Bormanns Nr. 114/38 den zentralen staatlichen Organen und später durch Kerrl den kirchlichen Behörden bekanntgegeben (ebd.). 120 121

Schreiben Weidemanns an Lammers (ebd.). Ebd.; vgl. auch K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 46.

„Horst-Wessel-Gedächtniskirche"

131

nachzufragen - anscheinend auch nicht ohne die Absicht, das Interesse Hitlers auf sich zu lenken - , ob Hitler Einwände gegen den Namen „Dankeskirche" habe 122 . Als Ministerialdirektor Stahn vom Reichskirchenministerium Bedenken wegen der möglichen politischen Schwierigkeiten äußerte, die aus dem Anbringen der Gedenktafeln in den Kirchen entstehen könnten, bat Lammers Weidemann, diese Bedenken in Betracht zu ziehen 123 . Die Gegner Weidemanns waren nach dem unmittelbaren Eingreifen des Führers unsicher geworden. Weder Böhmcker noch Rover hatten diesmal Einwände gegen die Namensgebung 124 . Die Gedenktafeln wurden trotz der Bedenken des Kirchenministeriums in den Kirchen angebracht und diese am 27. November 1938 eingeweiht 1 2 5 . Mit religiöser Besessenheit hatte Weidemann seinen Willen durchgesetzt und einen Teil seiner religiös-politischen Zielsetzung realisiert. In seinem Telegramm an Hitler vom 28. November 1938, in dem ein vielsagender Druckfehler auftaucht, hieß es: „Die drei Dankeskirchen in Bremen, die Ihren [sie] Namen tragen aus Dankbarkeit gegen Gott für die wunderbare Errettung unseres Volkes vom Abgrund des jüdisch-materialistischen Bolschewismus durch Ihre Tat, mein Führer, sind eingeweiht. Ich danke Ihnen, daß das, was uns als bewußt christlichen Nationalsozialisten ein Bekenntnis ist, in den Bauten dieser neuen Kirchen seinen Ausdruck hat finden können. Heil dem Führer! Landesbischof Weidemann." 1 2 6 Daß die Partei in den Augen Weidemanns versagt hatte, konnte ihn nicht davon abhalten, dem „Führer" seine Verehrung zu zeigen. In dem neuen Namen ist nicht nur die Verbundenheit der Kirche mit der Partei und dem N a tionalsozialismus wie im Namen Horst Wessel betont, sondern durch die Gedenktafel wird Hitler als Vermittler des göttlichen Willens für das deutsche Volk angesprochen. Das „Bekenntnis" eines deutschchristlichen Nationalsozialisten besteht darin, in der Machtergreifung eine religiös interpretierte „Errettung . . . vom Abgrund" zu sehen. Nicht nur Weidemann zog die Folgerungen aus der Auseinandersetzung. Auch die Partei scheint sich nach den Erfahrungen mit dem Bremer Landesbischof über die Parteimitgliedschaft der Geistlichen Gedanken gemacht zu haben. Schließlich konnte der Ausschluß Weidemanns aus der Partei kaum ohne Zustimmung Bormanns erfolgt sein 127 . 122

Vgl. Anm. 120.

123

V e r m e r k der Reichskanzlei v o m

17. 11. 1 9 3 8

( B A KOBLENZ, R

43

11/165);

Schreiben Lammers' an Weidemann vom 17. 11. 1938 (ebd.). 1 2 4 Schreiben Weidemanns an Lammers vom 22. 11. 1938 (ebd.). 1 2 5 Schreiben Weidemanns an Lammers vom 28. 11. 1938 (ebd.); F. PETERS, 1 2 6 BA KOBLENZ, R 43 11/165. Zwölf Jahre Bremen, S. 164. 1 2 7 Offensichtlich Schreiben Rovers an Bormann vom 4. 6. 1938 (STA BREMEN, 9'

132

Kirchenpolitik Weidemanns in den Jahren 1935-38

Am 27. Juli 1938 kam eine Anordnung Bormanns über den „Ausschluß der Pfarrer von Parteiämtern" heraus. Darin wurde auf die fehlende „Entscheidungsfreiheit" des Pfarrers als Hoheitsträger hingewiesen; die Partei könnte deswegen in den „Kirchenstreit" verwickelt werden, was vermieden werden sollte128. Bormann folgte seinem „Neutralitäts-Prinzip": Die Kirche sollte nicht in die Parteiangelegenheiten hineingezogen werden. Trotz dieser Rückwirkungen auf die Beziehungen der Partei zur deutsch-christlichen Pfarrerschaft in der Partei bedeutete diese Auseinandersetzung für Weidemann persönlich einen Gewinn. Für seine kirchenpolitischen Bemühungen hatte er durch das Eingreifen Hitlers mehr Bewegungsfreiheit unter den Parteifunktionären in Bremen bekommen und wichtige Beziehungen anknüpfen können. Am 28. November 1938 telegraphierte er an Lammers, um „herzlich zu danken für das Verständnis, mit dem Sie das Anliegen bewußt christlicher Nationalsozialisten vertreten haben" 129 .

3-K.l.a.Nr. 488, Nr. 6); über den Ausschluß Weidemanns aus der Partei wurde geäußert: „Alle beteiligten Stellen waren hier froh - nicht nur wegen der HorstWessel-Kirchenangelegenheit, sondern überhaupt - den Landesbischof Dr. Weidemann besonders als Parteigenossen loszuwerden." 128 IMG, Bd. X X V , Dokument 113-PS. Die Anordnung ist vom selben Tag datiert, an dem Bormann Lammers seine Zustimmung zum Wortlaut der „Führeranordnung" gab. " » B A KOBLENZ, R 4 3 1 1 / 1 6 5 .

Kapitel 5

DIE IDEE DER KIRCHENREFORM

1. Weidemanns

Programm

Für Weidemanns Erfolg im kirchenpolitischen Kampf des Jahres 1933 war es nicht unwichtig, daß er seine Forderungen als einstiger Freiwilliger und Offizier des Ersten Weltkrieges stellte. Gerade als Repräsentant der „Frontgeneration" stieß er zur Führung der Deutschen Christen und wurde später leitender Geistlicher der Bremischen Evangelischen Kirche 1 . Es ist deshalb angebracht zu fragen, was die Kriegserfahrung und die Kriegsreligiosität zu seinen Vorstellungen von der Kirchenerneuerung emotionell-psychologisch und inhaltlichtheologisch beigesteuert haben. Wie viele andere Theologen sah Weidemann in den religiösen Begleiterscheinungen der Kriegszeit Merkmale einer erstrebenswerten Volkskirche. Da waren einige schwerwiegende Mängel der evangelischen Kirche plötzlich verschwunden, die die Glaubensgemeinschaft zersplitternden Lehrverschiedenheiten wurden in der Notlage nebensächlich, und man konzentrierte sich auf die zentralen christlichen Glaubenswahrheiten. Statt der Lehre trat wieder die praxis pietatis in den Vordergrund, und anstelle des Intellektualismus wurde nun das kraftgebende Erlebnis betont, durch welches die biblischen Aussagen neue Aktualität gewonnen hatten 2 . In der kirchlichen Praxis hob man einerseits die Werte der alten Formen hervor, andererseits fand man neue Glaubensinhalte im Feld. Viele meinten: „Der Krieg weckt Glauben." 3 Nicht nur der völkische Denker Wilhelm Stapel erhielt seine entscheidenden Anschauungen durch den „Geist von 1914", - auch die Professoren Paul Althaus und Werner Eiert hät1

Vgl. oben S. 25. N a c h der Analyse der Predigten von Artur Brausewetter, Adam Ritzhaupt, Hans Preuß, Paul Kaiweit, Otto Baumgarten, Friedrich Lahusen kommt W. PRESSEL zu dem Ergebnis, daß nicht wenige den Weltkrieg „als . . . Schöpfer der deutschen Volkskirche" sahen (Kriegspredigt, S. 160 ff.). Nur zwei Kriege sollten in ihrer Bedeutung, die Kriegs-,,Tugenden", „Heldenmut", „Entschlossenheit" und „Opfersinn" zu schaffen, dem Ersten Weltkrieg vergleichbar sein: der Dreißigjährige Krieg und die Befreiungskriege (vgl. K. HOLL, Bedeutung, S. 4 f.). 1

® POSITIVES CHRISTENTUM N r . 5 v o m 4 . 8. 1 9 3 5 ( G . H a u k , F r ö m m i g k e i t

heroische Haltung).

und

134

Die Idee der Kirchenreform

ten gern diesen Frontgeist als Dauerzustand in der Kirche gesehen4. Auch die religiösen Vorstellungen einiger Mitarbeiter Weidemanns wurden durch die Kriegserfahrungen geprägt: Professor D. H . Schüttler, später Senior der Bremer Bibelschule, war während der Kriegszeit durch seine Bibelauswahl „Schwert des Geistes" bekannt geworden, und Professor Fiedler, Studienfreund Weidemanns aus der Göttinger Zeit, hatte wie er als Offizier im Krieg gedient 5 . Reichsvikar D. Fritz Engelke, der in der Bibelschule seine Bibeleindeutschungen vortrug, sagte, daß „das gewaltige Geschehen des Krieges vielen . . . für vieles in der Bibel erst die Augen geöffnet" habe 6 . So meinten die völkisch-christlichen Kreise, daß es ihre Aufgabe sei, die im Krieg entstandene Vorstellung vom Christentum zu verwirklichen. Auch der Weltkriegsoffizier Weidemann spornte seine Gesinnungsgenossen mit dem Argument an: „Politisch ist das Testament der Frontsoldaten vollstreckt, religiös sind wir noch meilenweit davon entfernt." 7 Entscheidend war die Verflechtung der christlichen Substanz mit den kriegerischen Ereignissen, indem in den Siegen und Niederlagen ein Stück Offenbarungswirklichkeit gesehen wurde. In der Regel war ein Sieg eine Gottestat und eine Niederlage ein Resultat der Gottlosigkeit. Die Neigung zu sagen, wo und was ein „gottgewolltes" Ereignis ist, charakterisiert christlich-patriotische Einstellungen 8 . An den äußerlichen Merkmalen einer kirchenfreundlichen Propaganda, des zunehmenden Kirchgangs und der kirchlichen Lebensäußerung wollte man auch in den Ereignissen des Jahres 1933 wieder ein „Wunder durch Gottes T a t " sehen. Viele glaubten in den ersten Monaten sogar an eine Wiederkehr des August 1914. Es gab „nur eine Parallele zu unserer jetzigen Erfahrung", das „Fronterlebnis des Krieges" 9 . Im 4 W. TILGNER, Volksnomostheologie, S. 93 f f . ; H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 33. Paul Althaus, geb. 4. 2. 1888 in Obershagen, gest. 18. 5. 1966 in Erlangen, 1920 Prof. für Systematische Theologie in Rostock, seit 1925 in Erlangen. Werner Eiert, geb. 19. 8. 1885 in Heldrungen, gest. 21. 11. 1954 in Erlangen, 1912 Pastor in Seefeld/Pommern, 1919 Direktor des altlutherischen theol. Seminars in Breslau, 1923 Prof. für Kirchengeschichte, 1932 auch für Systematische Theologie in Erlangen. 5 Im Nachruf für Fiedler spricht Weidemann von dem gemeinsamen „Testament

d e r F r o n t s o l d a t e n " (KOMMENDE K I R C H E N r . 5 0 v o m

11.12.1938).

• F. ENGELKE, Gottes Offenbarung, S. 9. 7 H . WEIDEMANNS, SO sieht die kommende Kirche aus, S. 79. 8 W. PRESSEL, Kriegspredigt, S. 110, 347. Die theologische Differenz zwischen den nationalprotestantischen Kreisen und Karl BARTH wird hier dadurch offensichtlich, daß Barth die Kriegsmetapher, ζ. B. „Alarmruf", „Feuerzeichen", „feindliche Festung" benutzte, gleichzeitig aber die Kriegsreligiosität, in der der Soldatentod leicht mit heilsgeschichtlichem Glanz umgeben wurde, verurteilte (Römerbrief, S. 117). Vgl. auch H . ZAHRNT, Sache mit Gott, S. 27. Β

Ε . LANGNER, E n t s c h e i d u n g , S . 12.

Weidemanns Programm

135

Nachruf für seinen Studienkameraden, den Weltkriegsoffizier Professor Georg Fiedler, sprach Weidemann von dessen Überzeugung, die, zumindest als Frage, Millionen von Bürgern auf dem deutschchristlichen Irrweg beschäftigt hatte: „Hinter dem Nationalsozialismus steckte als letzter Motor das Christentum." 10 Wie die NSDAP im politischen Bereich, so will Weidemann im kirchlichen Raum das „Testament der Frontsoldaten" verwirklichen und auf dieses Bekenntnis eine Volkskirche aufbauen 11 . Einerseits ist es möglich, daß der Hinweis auf den Krieg hier taktisch gebraucht worden ist, um eigene Ziele zu legitimieren, und der Erste Weltkrieg damit eine ähnliche Funktion wie in der Propaganda der NSDAP bekommt, andererseits haben die Kriegserfahrungen es Weidemann offensichtlich erleichtert, in dem „politischen Umbruch" den „religiösen Impuls" zu sehen12. Vier Merkmale charakterisieren die von Weidemann geplante Kirchenerneuerung. Erstens sollte es außer dem Bekenntnis zu Jesus Christus kein anderes mehr geben. Dieser Bekenntnisminimalismus darf aber nicht einfach als eine Reduzierung der alten Bekenntnisse zu einem Restbestand verstanden werden; vielmehr hatte die Eindeutschung schon zu einer qualitativen Veränderung des Bekenntnisses geführt: es gab ein „Christusbekenntnis", das schon „ein deutsches Christentum" implizierte 13 . „Das Christentum ist zu tief und das Deutschtum zu tiefbedürftig, als daß sie aufeinander verzichten können. Die deutsche Gottfrage ist nicht von Christus zu trennen. Darum ist echter deutscher Glaube Christusglaube", stellte Weidemann - auf Goebbels ,Michael' hinweisend - in den Richtlinien der niedersächsischen Deutschen Christen fest 14 . Zweitens wurde das „Deutschtum" als gestaltende Kraft des 10

KOMMENDE K I R C H E N r . 5 0 v o m

11.12.1938.

11

Ebd. 12 Vgl. M. BROSZAT, Staat, S. 380. Besonders anfällig für die Propaganda Hitlers waren die nationalistischen Kreise der Frontsoldaten. Diesem Kreise gehörte auch J. HOSSENFELDER an, der später erklärte: „Im Weltkriege und in den Kämpfen der Nachkriegszeit, in der feldgrauen Uniform und in dem braunen Rocke Adolf H i t lers, erlebten wir die Wirklichkeit des Volkes. Das war kein Rausch, keine Begeisterung, die schnell verfliegt, kein Sonntagsglaube oder Paradepatriotismus, sondern das war tiefstes Erleben des jungen Geschlechts. Gott sprach: ,Es werde Volk und es ward Volk'" (Volk und Kirche, S. 3 f.). Für viele bedeutete das „Dritte Reich" Wiederherstellung der Monarchie, sie waren geneigt, in Hitler den „heimlichen König der Deutschen" zu sehen (O. BRÖKELSCHEN, Wir antworten, S. 16). 13 H . WEIDEMANN, SO sieht die kommende Kirche aus, S. 50 f.; K. MEIER, Deutsche Christen, S. 104. 14 LKA BREMEN, Β 651.1 (Flugblatt „Wofür kämpfen die ,Deutschen Christen'?"); MITTEILUNGSBLATT D E U T S C H E C H R I S T E N NIEDERSACHSEN N r .

Kirche); vgl. J. GOEBBELS, Michael, S. 145.

12,

1935

(Streitbare

136

Die Idee der Kirchenreform

Christentums gepriesen, wodurch sich die zugrunde liegende Volksnomostheologie artikulierte: „Nichts kann uns von diesem Blut trennen, nichts von diesem Volk. Seine Gesetze, die heute neu in uns wach wurden, sind Gottes Gesetze, seine Ordnungen sind Gottes Ordnungen." 15 Das Deutschtum wurde nicht mehr historisch-kulturell aufgefaßt, sondern war durch diese Aktualisierung identisch mit dem bestehenden politischen System. Daraus folgte wieder, daß die deutsch-christliche Synthese von Deutschtum und Christentum praktisch die Synthese von Nationalsozialismus und Christentum bedeutete. Drittens sollte die Kommende Kirche auch „antirömisch" sein. Das bedeutete nicht nur Ablehnung der römisch-katholischen Hierarchie und der „Bindung an eine internationale menschliche Macht", sondern auch, daß „keinem Menschen, keinem Gremium, keiner Gemeinschaft päpstliche Unfehlbarkeit zuerkannt" werden sollte1®. Hiermit floh man jede Lehrautorität und gab die Kirche für die völkischen Denker frei. Im Grunde war es für Weidemann „dasselbe", ob es der Papst war oder „irgend ein Professorenkollegium oder gar eine Gemeinde, die sich ein Glaubensurteil anmaßt" 17 . Am verhängnisvollsten war die vierte Forderung: „Die kommende Kirche muß antijüdisch sein."18 Hier wurden die theologischen und rassistischen Gesichtspunkte vermischt. Antisemitische Haltung wurde als Teil des „Deutschtums" aufgefaßt, woraus nach der Volksnomostheologie folgte, daß auch die verhängnisvollen Nürnberger Rassengesetze von 1935 (wie die Volksgesetze überhaupt) „durchaus als Glaubensgesetze" verstanden werden konnten 19 . „Was der Führer uns sagte, ist uns Verkündigung, Aufruhr und Prophetie. Mit ihm kämpfen wir um unseres Volkes willen gegen den jüdisch-materialistischen Geist in uns und außer uns. Das heißt aber, wir bekämpfen den Juden nicht nur dem Blut und der Rasse nach, wir stehen auch dem Materialismus des Juden in Todfeindschaft gegenüber."20 Mit dem als geistige Auseinandersetzung verstandenen Kampf gegen die Juden verbindet sich in diesen Worten „nicht nur" - der rassistische Antisemitismus. Das Schema dieser Verbindung des geistigen und des physischen „Kampfes" ist wohl in den kriegsreligiösen Vorstellungen zu sehen. An der Front hatte man nicht selten den Anschein erwecken wollen, als sei „mit Gott" das Heer „Vollender" des geistigen „Kampfes" gegen den gottlosen Bolschewismus21. Eine Pa15 18 18 20

"

H . WEIDEMANN, SO sieht die kommende Kirche aus, S. 51. Ebd., S. 51 f. " Ebd. Ebd., S. 52. » K . MEIER, Deutsche Christen, S. 105. H. WEIDEMANN, SO sieht die kommende Kirche aus, S. 52. W . PRESSEL, K r i e g s p r e d i g t , S . 2 7 3 .

Weidemanns Programm

137

role, die nur an die antisemitische Propaganda angeknüpft hätte, hätte viel leichter ihren unmenschlichen und antichristlichen Charakter offenbart. So verschleierte der religiöse Schein des Kampfes „gegen den jüdisch-materialistischen Geist" die grausame Wirklichkeit der beginnenden Vernichtung der jüdischen Mitbürger 22 . Aus dem Antijudaismus als „geistige Auseinandersetzung" ergab sich die Forderung der Eindeutschung, die auf allen Gebieten des kirchlichen Lebens vollzogen werden sollte. Die Bibel, das Gesangbuch und die Liturgie mußten von den Einflüssen des „Judaismus" befreit und damit zu Medien der Meinungsbeeinflussung gemacht werden. In der entjudaisierten Form sollten diese traditionellen Ecksteine des kirchlichen Lebens die „Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern . . . nur von innen her" durchführen helfen 23 . Es war dies eine Konzeption, die versuchte, die große deutsche Reformation nachzuahmen. Zunächst wollte Weidemann keine eigenen Lehrformulierungen und verurteilte Rehm, der diese entwarf. Zwei Wochen nach Kerrls gescheiterter Ankündigung der „Nationalkirche" stellte Weidemann fest, daß die Zeit „noch nicht reif" sei, „zu einer neuen Formulierung unseres Glaubenserlebnisses im einzelnen zu kommen" 2 4 . Die erstrebte Volkskirche sollte „in actu" - wie einst im Krieg - entstehen und hatte den der Bekennenden Kirche entgegengesetzten Ausgangspunkt: „Die Bekenntniskirche will aufgrund der Lehreinheit eine Kirchenorganisation aufbauen. . . . Die Volkskirche dagegen stellt bewußt das Leben vor die Lehre", und vor dem „formulierten Bekenntnis" stand „immer das formlose, persönliche Bekenntnis des Einzelnen." 25 Die offenen Formen seiner Kirchenerneuerungspläne erklärend, meinte Weidemann, daß man in der Volkskirche" alles formal Trennende zu überbrücken und das seelisch Einigende zu betonen" habe 26 . In der Betonung des Lebens vor der Lehre und des „Erlebnisses" als gemeinschaftsbildendem Faktor kommt Weidemann manchmal der pietistischen Erweckungspredigt nahe: „Ich rufe die Christen, wie 2 1 Hitler wußte besser als jeder andere die K r a f t der religiösen Aussagen propagandistisch zu nutzen. So kontte CHR. KINDER im Jahre 1935 feststellen: „Unsere deutschen Volksgenossen erleben es fast jedesmal, daß der Führer und Reichskanzler an entscheidungsvollen Tagen seine Reden mit dem Aufblick zu Gott schließt. Es liegt darin der Aufblick eines ganzen Volkes, dessen politisches volkliches Schicksal in Gottes H a n d befohlen wird" (Volk, S. 100). Solche Argumentation mußte einen nicht kleinen Teil der religiös fühlenden Bevölkerung vor der Hitlerschen Machtpolitik kapitulieren lassen. ! 8 H . WEIDEMANN, So sieht die kommende Kirche aus, S. 3; vgl. auch ebd., S. 35: „Denn die religiöse Erneuerung muß im Innern eines jeden einzelnen beginnen", meint Weidemann. 1 4 Ebd., S. 53. 2 5 Ebd., S. 18. » Ebd.

138

Die Idee der Kirchenreform

sie sind. Ich rufe die Pfarrer, die nicht nur schlecht und recht ihres Amtes walten, sondern des Geistes Jesu Christi voll sind. Ich rufe jeden einzelnen, der mutig und tapfer genug ist, nicht nur christliche Lehrsätze, sondern in schlichter selbstverständlicher Praxis das christliche Leben zu suchen und zu bejahen. Denn die religiöse Erneuerung muß im Innern eines jeden einzelnen beginnen." 27 Im Gegensatz zur Hossenfelderschen Volksmission, in der mehr auf Massenwirkung abgezielt wurde, gewannen bei Weidemann die „Einzelnen" grundlegende Bedeutung. Aus dem ganzen Reich wollte er seine Gemeinde für die Verwirklichung der „Reformation" sammeln. „Wir Christen werden zusammenkommen. Wir müssen und werden uns zusammenfinden"..., heißt es da, und im Stil der Brüdergemeinde von Zinzendorf mahnt Weidemann weiter: „Es soll niemand meinen, es würde gefragt: wo kommst du her?... Komm mit dem, was du hast! Komm nur, ganz wo du stehst! Aber daß es nur ganz klar wird, komm wie du bist!" 28 Dem Inhalt nach bremisch-liberal eingestellt, von der Verwirklichung der Zukunftskirche pietistisch überzeugt und für die Ziele des Nationalsozialismus aufgeschlossen, sollten die führenden Kräfte sich für die Kommende Kirche einsetzen. In der Betonung des Familienlebens als grundlegender Einheit im Aufbau der Volkskirche stimmten die Pläne Weidemanns mit den ähnlichen Zielen des völkischen Schriftstellers Wilhelm Stapel überein. Ein programmatischer Aufsatz von Stapel: „Wie ich mir die deutsche evangelische Kirche wünsche", wurde in der „Kommenden Kirche" mit der Bemerkung zitiert: „Was wir wollen, ist neue Gemeinschaft im gleichen Geist. Wilhelm Stapel weise einen Weg." 29 Wenn auch nicht in jedem Punkte Einmütigkeit herrschte, so doch in dem zentralen Gedanken: „Ohne Familienfrömmigkeit gibt es keine Volksfrömmigkeit." Auch die Idee der „Familienkirche", wie sie von der „Kommenden Kirche" angeregt wurde, scheint gemeinsam zu sein. „Familienkirche nennen wir den Brauch, daß täglich im Kreis der Familie aus dem Neuen Testament vorgelesen und ebenso aus dem Gesangbuch, wenn nicht gesungen, so doch vorgelesen wird. Eine solche tägliche christliche Integration der Familie wird auch der Festigkeit und Sauberkeit des Familienlebens zugute kommen." 30 Für diesen Zweck sollte nach der Meinung Stapels ein „Hausge" Ebd., S. 35 . 28

28

Ebd.

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 3 v o m 2 7 . 3 . 1 9 3 8 ( B l i c k i n d i e P r e s s e ) . W i e K . MEIER

vermutet hat, übte Stapels nationalistisch-antisemitische Schriftstellerei Einfluß auf die Kommende Kirche aus (Deutsche Christen, S. 330). 30

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 3 v o m 2 7 . 3 . 1 9 3 8 .

Weidemanns Programm

139

sangbuch" geschaffen und bei der Gestaltung der Gottesdienste in besonderer Weise die Familie berücksichtigt werden. Ersteres geschah anscheinend durch die Schaffung des „Gesangbuches der Kommenden Kirche" und letzteres u. a. durch die in bestimmten Intervallen gehaltenen Gottesdienste für Familienväter. Von der Intensivierung des andächtigen Zusammenseins in den Familien erwartete Stapel wachsendes Interesse für die kirchliche Praxis 31 . Im großen und ganzen entsprach dies dem, was auch Weidemann mit der Erneuerung „von innen her" erreichen wollte. Das eigentliche Bekenntnis der nationalsozialistischen Volkskirche sollte aber erst der „Reformator" formulieren, dessen Auftreten nicht nur Weidemann erwartete. „Schenkt uns Gott den Mann, der dieses Christentum verkörpert, dann schlägt die Geburtsstunde für die Kirche der Zukunft, und wir mit allen unseren Kämpfern werden ihm zur Verfügung stehen." 32 Nach der „politischen Revolution" sollte nun eine „unsichtbare Revolution" einsetzen 33 . Als die Auseinandersetzung um die Horst-Wessel-Kirche noch nicht entschieden war, wies Weidemann darauf hin, daß ihm ein besonderes Bündnis zwischen der Kommenden Kirche und der Partei vorschwebe. „Die Frage läßt uns keine Ruh: ob sich das junge politische Deutschland, das ist die Partei, und das junge religiöse Deutschland, das sind wir, die Hand reichen wollen." 34 Wenn man sich heute fragt, wie es überhaupt für einen an der Universität geschulten Theologen möglich war, dieser Utopie zu folgen, so liegt die einfachste Erklärung, die aber die theologischen und psychologischen Hintergründe übersieht, in Weidemanns Verständnis des Nationalsozialismus. Einige Monate nach seinem Ausschluß aus der Partei stellte er fest: „Niemand auf der Welt wird mich überzeugen können, daß der Nationalsozialismus nicht im Grundsätzlichen christlich sein wollte, auch wenn heute im Tatsächlichen er hier und dort ein anderes Gesicht aufweist." 3 5 In seiner eigenen Uberzeugung Ebd. Mit diesen Worten schließt die erste Auflage des Büchleins H. WEIDEMANNS, SO sieht die kommende Kirche aus (S. 66); auch CHR. KINDER hatte im Jahre 1935 geschrieben: „Die Erringung der deutschen Glaubenseinheit liegt in Gottes Hand. Wenn er unserer Kirche den Reformator schickt, wie Er unserem Volke den Führer sandte, dann wird dieser Reformator aus der Unmittelbarkeit seines Gotterlebens heraus alle trennenden Bekenntniswände überwinden und alle deutschen Volksgenossen im Glauben einen" (Volk, S. 19 f.). 51 32

83

KOMMENDE KIRCHE N r . 40 v o m 3. 10. 1937 ( H . Weidemann, K o m m e n d e K i r -

che, eine Organisation?). 34 H. WEIDEMANN, SO sieht die kommende Kirche aus, 1. Auflage, S. 66. 3 5 Ebd., S. 61. WEIDEMANN meinte: „Es ist immer wieder zum Ausdruck gekommen, daß es kein Paktieren und keine Versöhnung zwischen Glauben und Unglauben gibt, und daß der Führer kompromißlos auf der Seite des Glaubens steht, aber

140

Die Idee der Kirchenreform

also war Weidemann zur Synthese gekommen. Wie er im Telegramm an Hitler festgestellt hatte, bewies sich ihm die nationalsozialistische Vergangenheit als „Tat Gottes" und war als eine Art Offenbarungswirklichkeit zu seinem „Bekenntnis" geworden 36 . Aus der endgültigen Verschmelzung des nationalsozialistischen Gedankengutes mit seiner Volkskirchenidee durch eine Annäherung an die Partei erhoffte sich Weidemann „eine große, nicht auszumessende Kirchenwende" - die nationalsozialistische Volkskirche 37 .

2. Von der Reichskirchen- zur

Nationalkirchenidee

Charakteristisch für die Kirchenpolitik Weidemanns war die Betonung der Autorität des Reichsbischofs und der Reichskirche in einer Zeit, als viele andere Müller schon als verlorenen Mann betrachteten. Der Begriff „Reichskirche" war bei Weidemann durchaus flexibel, so daß damit nicht nur eine im Reichskirchengesetz verankerte Kirche gemeint war. Der Begriff wurde vielmehr auch als taktisches Schlagwort benutzt und trug in den Sammlungsbemühungen im Herbst 1935 schon einen latent nationalkirchlichen Zug. In einem Aufruf „Die innere Haltung der .Deutschen Christen'", den Weidemann anstelle eines gleichnamigen Vortrags von Siegfried Leffler auf der ersten Reichskirchentagung in seiner Schriftenreihe veröffentlichte, stellte er die Bremer Deutschen Christen als Reichskirchenbewegung vor 38 . Damit brachte er zum Ausdruck, daß er nicht mit den Ausführungen Lefflers einverstanden war. Während Leffler sich die Uberwindung alles dessen, „was heute das deutsche Volk in Konfessionen trennt" - also die Nationalkirche - zum Ziel setzte, ging Weidemann vorsichtiger zu Werke 39 . Er plädierte für ein ZweiEtappenprogramm: 1. „Unser Ziel heißt: dem deutschen Volk eine einige evangelische Kirche. Dieses Ziel innerlich und äußerlich vorzubereiten, ist unsere Aufgabe"; und 2. „Der selbstverständliche Abschluß dieser Entwicklung muß eine Reichskirche sein, die alle Chrinoch hat die Untersuchung keinen Anhaltspunkt ergeben, ob das, was sich am N a tionalsozialismus vollzieht, sich mit dem Christentum deckt oder in Einklang zu bringen ist" (S. 59). Die deutsch-christlichen Kreise scheinen der festen Meinung gewesen zu sein, daß Hitler als christlicher Staatsmann zu betrachten sei. Dagegen war man in der Frage, ob der Nationalsozialismus das Christentum „deckt", nicht einig. 36 Vgl. oben S. 131. 37 So sieht die kommende Kirche aus, S. 66. 38 In: Die Christus bekennende Reichskirche, H e f t 1, 1935. 39 BREMER NACHRICHTEN N r . 262 vom 22. 9. 1935 (1. Reichskirchentagung für Niedersachsen).

Von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee

141

sten Deutschlands umschließt, wie es das uranfängliche Anliegen Dr. Martin Luthers gewesen ist." 40 Es ist aber bezeichnend für Weidemanns Programm, daß neben Luther auch Männer wie Adolf Stoecker und Joseph Goebbels seine Bestrebungen als legitim erweisen sollten. Der Gründer der Christlichsozialen Arbeiterpartei, Stoecker, hatte einmal gesagt: „Ursache und Ziel meines Strebens ist, die heilige Ehe zwischen Deutschtum und Reformation nicht auseinandergehen zu lassen, sondern geschlossen zu halten. — Eine evangelische Nationalkirche aufgrund der Augsburgischen Konfession - meinetwegen der variata - das wäre mein Ideal." 41 Als der „Reichswart", das Organ der Deutschen Glaubensbewegung, Weidemann vorgeworfen hatte, er erstrebe eine „Staatsreligion", meinte er, daß die erstrebte Reichskirche, deren Anfang das Reichsbischofsamt sei, nichts mit Staatsreligion und Staatskirche zu tun habe. Es werde vielmehr die Linie fortgeführt, „die Luther seiner Kirche gewiesen hat, und die sich im Dritten Reich vollenden" wird. Die vom „Reichswart" gestellte Frage, ob die „kommende Reichskirche evangelisch-katholisch oder katholischevangelisch sein wird", wurde aber als „gegenstandslos oder zum mindesten unzeitgemäß" abgelehnt42. Mit der Zeit bekam der Begriff „Reichskirche" so verschiedene Akzente, daß er viele Formen einer Einigung der evangelischen Landeskirchen bis zur überkonfessionellen Nationalkirche umfaßte. Wie diese Akzentverschiebung von der allgemeinen politischen und kirchenpolitischen Entwicklung abhing, soll im nächsten Abschnitt erklärt werden. Eine Volkskirche im Dritten Reich schien für die Bremer Deutschen Christen nur möglich auf dem Weg der Zusammenarbeit mit Staat und Partei, die durch ihre politischen Organisationen die Durchschnittsbürger erreichen konnten. Was die Unterstützung der Partei bedeutete, hatten die von nationalsozialistischen Formationen gefüllten Kirchen im Jahre 1933 gezeigt. Das politische Hauptproblem war also für Dr. Boll und Weidemann insbesondere, einen Weg zu finden, wie die Kommende Kirche ein vertrauensvolles Verhältnis zur NSDAP und Führung des Staates erreichen könnte43. Gegen ein quietistisch orientiertes Christentum wollte Boll nun das nach außen gerichtete Engagement als Merkmal des echten Christentums stellen. Nach Kerrls Definition sollte die „praktische Tat" als Kriterium dafür angesehen werden, ob jemand „wahrhaft positiv 40

H. WEIDEMANN, Haltung, S. 14. Hervorhebung vom Verfasser.

41

V g l . MITTEILUNGSBLATT DEUTSCHE CHRISTEN NIEDERSACHSEN N r . 1 2 v o m 1 . 1 1 .

1935 (H. Weidemann, Streitbare Kirche). 4 2 Ebd.

*> Ebd.

142

Die Idee der Kirchenreform 44

christlich sei" . Die Gesinnung der Person und die Motive, aus denen sie handelt, blieben Nebensache; die christliche Theologie wurde damit ausgeschaltet. In Bolls auf Harnack-Zitate gestützter Konzeption war den Kirchen die Aufgabe zugedacht, gemeinsam mit dem nationalsozialistischen Staat eine „einheitliche Volkskultur" aufzubauen. Die Kirchen sollten sich, aus Dankbarkeit gegenüber dem Staat, der die Religion „fördert" und die Gottlosigkeit „vernichtet", dazu bereit zeigen 45 . Eine solche Zusammenarbeit hätte jedoch notwendigerweise allmählich den nationalsozialistischen Erziehungsidealen in den Kirchen zum Durchbruch verholfen, und die Kirchen wären gezwungen gewesen, ihre eigenen Prinzipien zu modifizieren. Wie schon erwähnt, erwarteten Weidemann und Boll Anfang 1937 ein entscheidendes Eingreifen des Staates in die Kirchenpolitik. Als aber keine „völkische Reichskirche" entstand, sondern nur Kirchenwahlen versprochen wurden, kehrten sie zu weniger radikalen Zielen zurück46. Den bedeutendsten Beitrag zum Thema „Kirchenwahlen" lieferte der Göttinger Systematiker Emanuel Hirsch. In seiner Stellungnahme gab er, der sich in den letzten Jahren kaum kirchenpolitisch geäußert hatte, Auskunft über die seit der Gründung der Reichskirche eingetretene Entwicklung: „Von den Hoffnungen oder wie man es nun nennen will, die ich 1933 für die Kirche hatte, ist wenig mehr übrig", konstatierte der einstige Ratgeber Ludwig Müllers47. 44

Kerrl in seiner Rede am 27. 10. 1935 in Limburg/Lahn (zitiert nach K. F. Boll, Gedanken zur Religionspolitik, in: KOMMENDE K I R C H E Nr. 4 vom 18. 10. 1936). 45 Ebd. Nach Boll hatte auch Adolf v. Harnack vor einer „inaktiven Glaubensrichtung" gewarnt, die die „geschenkte Gabe einseitig auf die Kompensierung unserer Untüchtigkeit" bezöge oder den Glauben eher dort einzuführen gedenke, „wo es etwas wegzuschaffen galt, als wo etwas zu erreichen gefordert wird". „Positives Christentum" in der Parteipropaganda bedeutete für Boll „wirkliches Christentum", und in dem „Toleranzgedanken" des Staates sah er „in der nationalsozialistischen Ausprägung ein reformatorisch-preußisches Element" (Glaubens- und Gewissensfreiheit, in: KOMMENDE K I R C H E Nr. 5 vom 25. 10. 1936; vgl. auch K . SCHOLDER, Kirchen, S. 25). In der Parole von der „Entkonfessionolisierung des gesamten öffentlichen Lebens" (Reichsinnenminister Frick in Münster am 7. 7. 1935; vgl. D O K U MENTE II, S. 332), die als Vorwand für die von Rosenberg im Jahre 1935 begonnene Bekämpfung der Kirchen gebraucht wurde, sah Boll nur eine gerechtfertigte Forderung, die konfessionell geprägte Presse zu beseitigen. Es war also kein Wunder, daß er „das vollste Vertrauen der Gauleitung" in Hamburg besaß und offiziell als Mitarbeiter der Partei anerkannt war (vgl. oben S. I l l ; H . WILHELMI, Hamburger Kirche, S. 234). Nach Bolls und Weidemanns kirchenpolitischer Konzeption kann es keine endgültige kirchliche Entscheidung geben, ohne eine Mitarbeit mit der den Staat führenden Partei. 48

Vgl. oben S. 111 f.

47

KOMMENDE K I R C H E

N r . 17 vom 25. 4. 1937 (E. Hirsch, Meine Stellung zur

Von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee

143

Jetzt stellte er folgende Forderungen an die Deutsche Evangelische Kirche: Erstens sollte die Kirche grundsätzlich in eine Ordnung und Form kommen, „in der sie aufhört, ein Skandalon für die deutsche Öffentlichkeit zu sein", d. h. sie sollte ihre Struktur den Ansprüchen des nationalsozialistischen Staates anpassen48. Zweitens war zu vermeiden, daß „diese Ordnung und Form nicht etwa eine das Leben und die Zukunft der Kirche im voraus bestimmende Entscheidung trifft" 49 . Entsprechend dem Anliegen der Kommenden Kirche sollte die künftige formale Gestaltung der evangelischen Kirche offen bleiben. Die erste Forderung war im Grunde nichts anderes als das, was die Mitarbeiter der Kommenden Kirche zu verlangen pflegten, nämlich die Reform der Kirche im Einvernehmen mit Staat und Partei. Drei aus diesen Postulaten abgeleitete und nach Hirsch für die Wahl bedeutsame Gesichtspunkte sollen hier im Hinblick auf frühere Forderungen der Kommenden Kirche und im Vergleich zur tatsächlichen Entwicklung in der Deutschen Evangelischen Kirche herausgestellt werden. Kirchenwahl. Nachgedruckt in: BREMER K I R C H E N Z E I T U N G Nr. 5 , 1 9 3 7 ) . Was Hirsch von den Beziehungen zwischen Staat und Kirche erwartet hatte, erklärt eine Denkschrift vom August/September 1933 an den ehemaligen Wehrkreispfarrer Müller, in der Hirsch „feierliche grundsätzliche Erklärungen seitens der Kirche wie seitens des Staates" vorgeschlagen hatte, die grundlegend für ein „vertrauensvolles Zusammenarbeiten" zwischen Staat und Kirche sein sollten. Hitler und Müller sollten diese von Hirsch ausgearbeiteten Sätze, die anscheinend dem Reichskonkordat entsprechen sollten, in der Öffentlichkeit vortragen. In seiner Erklärung sollte Müller das Recht des Staates, auf die Kirche Einfluß zu nehmen, zusichern. Die DEK hatte sich „mit allen ihren Gesetzen und Ordnungen . . . in die neue Wirklichkeit von Volk und Staat" einzufügen. Hitler seinerseits sollte die DEK „mit allen ihren erworbenen Rechten und allen mit ihr verbundenen Einrichtungen in feierlichen Schutz" nehmen und versichern, daß der Staat „auf dem Gebiet des religiösen Lebens nicht unmittelbar eingreifen" dürfte. Es ist offensichtlich, daß diese Erklärung der Kirchenpolitik Müllers eine erhebliche staatliche Stütze verliehen hätten. Die geplante enge Zusammenarbeit sollte u. a. dadurch verwirklicht werden, daß die DEK sich bereit erklären würde, ihre höheren Kirchenbeamten in Fühlungnahme mit dem Reichskanzler oder den Reichsstatthaltern zu ernennen und die Pfarrer durch „Treuegelübde" „Volk und Staat" gegenüber zu verpflichten. Was die letzte Forderung betraf, so wurde sie durch den Treueid auf Hitler im Jahre 1938 erfüllt. Auch in anderen Punkten scheinen Hirschs Pläne die zukünftige Richtung der kirchenpolitischen Entwicklung vorweggenommen zu haben („Feierliche Erklärung der Deutschen Evangelischen Kirche durch den Mund ihres Reichsbischofs" und „Feierliche Erklärung des Reichskanzlers an die Deutsche Evangelische Kirche"; AEKD, C 4/28). 48 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 17 vom 25. 4. 1937 (E. Hirsch, Meine Stellung zur Kirchenwahl). In demselben Blatt wurde die Stellungnahme der Reichspropagandaleitung zu den Kirchenwahlen veröffentlicht, in der die Neutralität der Partei betont wurde: „Keine religiöse Organisation hat das Recht, sich auf die Partei zu berufen, oder gar auf den Führer." " Ebd.

144

Die Idee der Kirchenreform

Zunächst betonte er die Notwendigkeit der besonders von Weidemann und den Bremer D C geforderten „Toleranz" als Voraussetzung innerkirchlichen Friedens; als zweites die Zentralisierung der Kirchenleitung. Mit der durch die Wahlen zu schaffenden neuen Verfassung sollte der „Weg zu größerer Einheit der kirchlichen Ordnung" geöffnet werden. In der neuen Verfassung sollte „die Möglichkeit zu einem Ubergang landeskirchlicher Befugnisse an die zentrale kirchliche Stelle . . . verankert werden" 50 . Die Forderung entsprach dem Trend in der Politik des Reichskirchenministeriums, besonders den staatskirchlichen Plänen von Dr. Muhs, die er mit Hilfe der Deutschen Christen und der Finanzabteilungen durchzusetzen hoffte 51 . „Der letzte und wahrscheinlich nicht unwichtigste Punkt" war für Hirsch, daß die Wahlkandidaten bereit sein müßten, „die Kirche in ein positives Verhältnis zu unserem Staate zu bringen." 52 Ihm reichten als Merkmal für richtige Gesinnung „nicht allgemeine Erklärungen und Betonungen", sondern er forderte Anerkennung zweier für die Beziehung zwischen Staat und Kirche maßgebender Punkte: die Existenz von Gemeinschaftsschulen und die Bedingung, „daß neueinzustellende geistliche und weltliche Kirchenbeamte die Qualifikation zum Reichsbürgerrecht nach den öffentlichen, rechtlich dafür festgesetzten Maßstäben besitzen" 53 , d. h. der Geltung des Arierparagraphen in der Kirche. Mit der Forderung nach Toleranz im Bekenntnis und nach Solidarität mit dem Staat unterstützte Hirsch die Richtung der „Kommenden Kirche" 54 . Eine kirchenpolitische Bindung an die Bremer wollte er jedoch nicht zugeben. Daß Hirsch sich nun aber in der „Kommenden Kirche" äußerte und seit dieser Zeit mehr und mehr mit den Bremer D C zusammenarbeitete, zeigt, daß er anscheinend in dieser Gruppe einige wichtige Voraussetzungen zur Verwirklichung seines eigenen Programms erfüllt sah. Da die Kirchenwahlen nie ausgeschrieben wurden, verstärkte sich in der „Kommenden Kirche" die Auffassung, eine Erneuerung sei nur mit kircheneigenen, religiösen Mitteln durchzuführen. „Durch Taktik, Diplomatie, ökumenische Kongresse, Kirchentage, Resolutionen, 50

Vgl. Anm. 47. Vgl. oben S. 122; H . BRUNOTTE, Kurs, S. 101. Die im Amt befindlichen Kirchenleitungen wurden vom Staat in der 17. Durchführungsverordnung anerkannt. Dies kam praktisch nur den Deutschen Christen zugute, weil die übrigen Landeskirchen unbestritten legal waren. 52 KOMMENDE KIRCHE N r . 17 vom 25. 4. 1937 (E. Hirsch, Meine Stellung zur Kirchenwahl). 6 » Ebd. M Ebd. N r . 9 vom 28. 2. 1937 (H. Weidemann, Volkskirche oder Sekte); N r . 17 vom 25. 4. 1937 (H. Weidemann, Wahrheit in der Kirche). 51

Von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee

145

Dogmatik, Kompromisse, Formeln werden wir nichts erreichen" 55 , lautete der Rat des an der „Kommenden Kirche" mitarbeitenden Reichsvikars Engelke. Auch Boll, der Anfang des Jahres durch das Eingreifen des Staates der „völkischen Reichskirche" näher zu kommen geglaubt hatte, bevorzugte jetzt eine ruhige Entwicklung innerhalb der Deutschen Evangelischen Kirche: „Solche Arbeit und Leistung wird sich ihrer Natur gemäß weithin nicht sichtbar und in der Stille vollziehen und wird . . . das Hauptwerk der Männer vom Fach bleiben müssen." 56 Mit der innerhalb einer Woche erfolgten Gründung der Bremer Bibelschule, in der die Fachkräfte die Reformbestrebungen der Kommenden Kirche weiterführen sollten, fand dieses kirchenpolitische Denken seinen institutionellen Ausdruck. Gleichzeitig aber wuchs das politische Engagement. Charakteristisch für die Kirchenpolitik Weidemanns war also ein gewisser Doppelkurs: „Von unten her" innerhalb des Kirchenvolkes sollte man mit herkömmlichen, aber durch „Eindeutschung" umgeformten kirchlichen Mitteln arbeiten; von „oben her" wollte man durch gute Beziehungen zu den Parteileuten die Kirchenerneuerung politisch vorbereiten. Das erste, offen nationalkirchliche Modell entstand in der „Kommenden Kirche" als Reaktion auf die Enzyklika „Mit brennender Sorge" von Pius X I , die am Palmsonntag 1937 von den katholischen Kanzeln verlesen wurde und starke Kritik am nationalsozialistischen Staat übte 57 . Die staatliche antikirchliche Propaganda unterstützend, warnte die „antikatholische Kommende Kirche" vor der politischen Gefahr der Abhängigkeit vom Papst. Ein erster Schritt, die deutschen Katholiken aus der Bindung an Rom zu lösen, bestand darin, die Ungültigkeit des Reichskonkordats zu beweisen. Wie auch der Generalsekretär des Evangelischen Bundes, Dr. Ohlemüller, fragte die „Kommende Kirche", ob das Reichskonkordat nicht „schon in sich erloschen ist, ob nicht aller Anlaß vorliegt, durch eine Kündigung in aller Form seine Erledigung zu bestätigen" 58 ! Aus dem Gegensatz zur internationalen Romkirche heraus war für einen Teil der Bremer Gruppe „die Einigung in einer das ganze Volk umspannenden Glaubensgemeinschaft" - innerhalb des nationalsozialistischen Deutschlands - , d. h. die Nationalkirche, nun zum festen Ziel geworden 59 . FürspreEbd. N r . 22 vom 30. 5. 1937 (F. Engelke, Muß die Spaltung bleiben?). Ebd. N r . 39 vom 26. 9. 1937 (K. F. Boll, Der Zukunftsweg der D E K und die katholische Kirche). 55

56

57

J . S . CONWAY, K i r c h e n p o l i t i k , S . 1 8 4 .

KOMMENDE KIRCHE N r . 20 vom 16. 5. 1937 (H. Dungs, Der römische Katholizismus und die deutsche Gegenwart); vgl. G. OHLEMÜLLER, Reichskonkordat, 58

S. 103. 10

Heinonen, Anpassung

58

KOMMENDE K I R C H E N r . 2 0 v o m 1 6 . 5 . 1 9 3 7 .

146

Die Idee der Kirchenreform

eher dieser Nationalkirchler war Schriftleiter Heinz Dungs. Das Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche sah er nach Veröffentlichung der Enzyklika als „das eigentliche Problem" im kirchlichen Leben an60. Nach Dungs brauchte man zunächst keine theologisch-dogmatische Übereinstimmung anzustreben. Die Protestanten sollten sich nicht in die dogmatischen Fragen der Katholiken einmischen, sondern in ihren eigenen Reihen an der Uberwindung des „innerprotestantischen Konfessionalismus" arbeiten61. Wie schon Leffler in Bremen auf der 1. Reichskirchentagung 1935 dargestellt hatte 62 , hatten die dogmatischen Fragen in diesem Modell beiseite zu stehen; statt dessen sollte die überkonfessionelle Einigung im Zusammenleben „in Kameradschaft", in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft, vollzogen werden. Das Ziel wurde in einem romantischen Bild veranschaulicht: „So werden denn beide nationalkirchlichen Bewegungen hüben und drüben, wie zwei Schiffe sein, die beide ein noch fernes, aber gemeinsames Ziel haben."63 Die Überschreitung der konfessionellen Grenzen wurde sogar als gefährliche Annäherung der „Schiffe" angesehen. Eine so offene Stellungnahme für die von Leffler verfochtene N a tionalkirche wollte Weidemann in seinen Reihen nicht dulden. Der in der Redaktion entstandene Aufsatz „Wer marschiert nach Rom?", in dem „beide nationalkirchlichen Bewegungen hüben und drüben" als Vorbereiter der kirchlichen überkonfessionellen Einigung dargestellt 60 Ebd. An die Stelle der christlichen Solidarität setzte Dungs nun einen blinden Gehorsam gegenüber der nationalsozialistischen Obrigkeit, was u. a. in der Befürwortung der Goebbelsschen Argumente gegen die Vorwürfe über Priesterprozesse zum Ausdruck kam. Dungs fügte ihnen jene Worte hinzu, die für uns blasphemisch klingen mögen, die aber gleichzeitig die ganze Tragik der deutsch-christlichen Überzeugung offenbaren: „Auch das Gesetz Hitlers und des Nationalsozialismus ist für den deutschen Christenmenschen Gottesgesetz." Die Basis des „deutschen Christentums" oder der Nationalkirche lautete: Es gibt „keinen Gegensatz zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen dem Raum des Volkes und dem sogenannten Raum der Kirche". Die Gesetze des Volkes wurden als Volksnomos, d. h. als religiöse Angelegenheiten behandelt, die berechtigt sein sollten, das ethische Wertsystem der Gesellschaft zu vereinheitlichen. Hier kam die verheerende Wirkung der Volksnomostheologie zum Ausdruck, die im jüdischen Gesetz (Mt 5, 17) nur ein Volksgesetz sah und dementsprechend leicht die nationalen Gesetze an seine Stelle setzen konnte. Wenn alle in gleicher Weise wie Dungs in den Gesetzen des Dritten Reiches ein „Gottesgesetz" im Sinne des Volksnomos gesehen hätten, wäre eine dogmatische Konsensusbildung der Nationalkirche nicht nötig gewesen. Nach dieser Auffassung kam alles auf die Intensität an, mit der der einzelne „die deutsche Gegenwart als von Gott gewollt" zu bejahen bereit war. 81 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 31 vom 1. 8. 1937 (Wer marschiert nach Rom). 62 BREMER N A C H R I C H T E N Nr. 2 6 2 vom 2 2 . 9 . 1 9 3 5 ( 1 . Reichskirchentagung für Niedersachsen). • 3 Vgl. Anm. 61.

Von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee

147

wurden, mag für Weidemann der letzte Anlaß gewesen sein, sich von Dungs zu distanzieren. Bald machte sich aber der nationalkirchliche Trend auch unter den anderen engen Mitarbeitern Weidemanns wieder bemerkbar 64 . 1938 förderten zwei politische Entscheidungen des nationalsozialistischen Staates das wachsende Interesse der Kommenden Kirche an der überkonfessionellen Nationalkirche. Zunächst schuf die Einrichtung des neuen Schultyps „Deutsche Schule" im Januar dieses Jahres bessere Möglichkeiten für eine einheitliche religiöse Erziehung, unabhängig von der konfessionellen Herkunft der Kinder 65 . Sie paßte gut in die Pläne der „Kommenden Kirche", die den kirchlich-religiösen Erziehungsprozeß als den am meisten erfolgversprechenden Weg für die eigenen Ziele ansah 66 . Danach verschoben sich durch den Anschluß des überwiegend katholischen Österreich an Deutschland am 13. März 1938 die Zahlenverhältnisse zwischen den beiden Konfessionen. Es mußte für die relativ kleiner gewordene evangelische Kirche jetzt den Anschein haben, als könne eine befriedigende kirchliche Regelung im Reich nur durch Intensivierung der gemeinsamen Bestrebungen erlangt werden. Die Propaganda der NSDAP machte sich die stark politisierte Evangelische Kirche Österreichs als ein Musterbeispiel richtiger kirchlicher Einstellung zum Staat zunutze. Nach einem in der „Kommenden Kirche" zitierten Artikel des „Schwarzen Korps" war diese Minoritätenkirche „dem Ideal des positiven Christentums sehr nahe gekommen" 67 . Es war kein Wunder, daß die NSDAP die evangelische Kirche lobte, denn von den 126 österreichischen evangelischen Pfarrern gehörten nach Angaben der „Kommenden Kirche" 73 der Partei an. In dieser Situation, als „erfreuliche Anzeichen" die Annahme bekräf64

KOMMENDE KIRCHE Nr. 49 vom 5. 12. 1937 (K. F. Boll, Bischöfe! nach Berlin, nicht nach Rom blicken). Boll, der nach dem Wahlerlaß in vorsichtiger Tonart von der Kirchenerneuerung gesprochen hatte, begann im Dezember 1937 zu fragen, „ob die Reichskirche im neuen Reich nicht doch über die beiden bisherigen Bekenntnisse hinausgehen oder zu einer neuen Unionsbildung schreiten" müsse. Die Entscheidung sollte allerdings erst später getroffen werden. Wichtig ist, daß die erstrebte Union doch auch die Bekenntnisse betraf, was man in den früheren nationalkirchlichen Plänen nicht offen hatte sagen wollen. «5 Vgl. unten S. 233. ΒΒ KOMMENDE KIRCHE Nr. 44 vom 31. 10. 1937 (H. Weidemann, Luther sprengt Konfessionsgruppen): „Luthers N a m e bedeutet erfreulicherweise heute weithin Sammlung bei solchen, die sich sonst religiös nicht verstehen. Auf Luther berufen sich die noch im Kampf liegenden Gruppen innerhalb der evangelischen Kirche; Luther erkennen weithin an auch die deutschen gläubigen Kreise; und auch bei dem katholischen Volksteil wächst die Einsicht in seine Bedeutung, und schon aus diesem Grunde begrüßen wir die eine deutsche Volksschule, damit allen deutschen Kindern im Geschichtsunterricht das richtige Lutherbild vermittelt wird." • 7 Ebd., Nr. 24 vom 12. 6. 1938 (Wallfahrt - dringend nötig!) 10·

148

Die Idee der Kirchenreform

tigten, daß auch die katholische Kirche „auf diesem Wege folgen" werde, wuchsen die Möglichkeiten, mit den Katholiken ins Gespräch über die Nationalkirche zu kommen 68 . Tatsächlich ließ die Sympathieerklärung des Kardinals Innitzer eine kompromißbereite Haltung der katholischen Kirche Österreichs erwarten 69 . In der katholischen und besonders in der altkatholischen Kirche gab es tatsächlich Gruppen, die den evangelischen nationalkirchlichen Kreisen Hoffnung auf ein Entgegenkommen machten. Im Jahre 1936 hatte die Katholisch-Nationalkirchliche Bewegung eine das ganze Reich umfassende Organisation aufgebaut, die etwa 17 Bezirksgruppen und 100 „Stützpunkte" umfaßte 70 . Die Parochie Gleiwitz in Oberschlesien spielte eine wichtige Rolle in dieser Bewegung. Sie war vom Staat als altkatholische, von Rom unabhängige Kirche anerkannt worden und übte erheblichen publizistischen Einfluß aus. „Der romfreie Katholik" meldete für das letzte Vierteljahr 1936 eine Auflagenhöhe von 11 782 Exemplaren 71 . Als Herausgeber der „Sendschreiben katholischer Deutscher an ihre Volks- und Glaubensgenossen"72 und später als Autor in der „Schriftenreihe der katholisch-nationalkirchlichen Bewegung e. V." 73 wirkte der Gleiwitzer Schriftsteller Kuno Brombacher - eine der Zentralfiguren der nationalkirchlichen Sammlung. Drei Monate nach der Enzyklika „Mit brennender Sorge" fand am 18. und 19. Mai 1937 in Mannheim die erste Reichstagung der „Katholisch-Nationalkirchlichen Bewegung" statt, die sich eine Befreiung aus der Bindung an Rom und die Sammlung zu einer deutschen Katholischen Nationalkirche zum Ziel gesetzt hatte. Der altkatholische Bischof Erwin Kreuzer, der drei Monate später, auf der zweiten Weltkirchenkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Edinburgh vom 3. bis 18. August 1937, mit dem Vertreter der Bischöflichen Methodistenkirche Dr. J. W. Sommer Deutschland repräsentieren sollte, hielt unter Assistenz von 20 Priestern den Festgottesdienst in der Schloßkirche zu Mannheim 74 . Besonders wertvoll fand das „Mitteilungsblatt der Deutschen Christen Mecklenburgs" die Vorträge des • 8 Ebd., Nr. 48 vom 27. 11. 1938 (Kleine Chronik). Ebd., Nr. 24 vom 12. 6. 1938. 70 Ebd., Nr. 5 vom 31. 1. 1937 (Aus der katholisch-nationalkirchlichen Bewe71 gung). Ebd. 72 Aschendorff-Verlag Münster/Westfalen, 1936. 7S F. K. Feldmann, Papst und Kirche, 1935; R. Keussen, Volkstum und Rasse, Religion und Kirche, 1936; P. H . Vogel, Die katholische Kirche im Lichte des romfreien Katholizismus, 1936; H. Hinz, Liturgie und Volkstum, 1936; P. F. Pfister, 23 Thesen zum Zölibat der römisch-katholischen Kirche, 1936; K. Brombacher, Wahrheit oder Fälschung? War Petrus Papst?, 1937. 69

74

MITTEILUNGSBLATT DER D E U T S C H E N

CHRISTEN MECKLENBURG N r .

5-6,

1937

(LKA HAMBURG, Β X V I a.220.f.). In einer gemeinsamen Erklärung protestierten

Von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee

149

Reichszentralleiters Pfarrer Hütwoll, Essen, des Schriftleiters Kuno Brombacher (seit 1931 Mitglied der NFDAP) und des Pfarrers Kaufmann, Gleiwitz. Im katholischen Raum sollte die „Katholische Nationalkirchliche Bewegung" als „Los-von-Rom-Bewegung in Deutschland" Propaganda dafür treiben, „daß man das päpstliche Rom und den ultramontanen undeutschen Romkatholizismus als Fremdmacht erkennt" 75 . Wie schon die zentrale Rolle Bischof Kreuzers zeigte, hatten die Altkatholischen in diesen nationalkirchlichen Bestrebungen als „romfreie" Kirche, die nicht die „politischen" Nachteile der römischkatholischen Kirche besaß, eine besondere Rolle erhalten. Wie Hans Walter in der „Kommenden Kirche" äußerte, hatte die kleine, aus 30 000 Mitgliedern bestehende, altkatholische Kirche die Aufgabe, als verbindende „Brücke zwischen den Konfessionen" bei der „Schaffung der kommenden Nationalkirche" in Deutschland zu dienen76. Daß diese Pläne in einem weiteren Schritt zu häretischen Auffassungen führen mußten, hing mit der katholischen Ekklesiologie zusammen. Im Sommer 1938 meldete ein Katholik aus Köln in der „Kommenden Kirche", daß aus der altkatholischen Kirche eine Gruppe hervorgegangen war, die nach einer „allgemeinen deutschen Kirchen Versammlung" rief 77 . Der „Katholisch-Nationalkirchliche Volksverein" nehme Mitglieder auch aus „anderen Bekenntnissen" auf. Wie die Schriftenreihe der Katholisch-nationalkirchlichen Bewegung, die 1938 zur „Schriftenreihe des katholisch-nationalkirchlichen Volksvereins" umbenannt wurde 78 , zeigt, scheint der Gegenstand der Kritik nicht nur die übernationale Bindung, sondern auch das Dogma der katholischen Kirche gewesen zu sein. Sommer und Kreuzer gegen die Interpretation der deutschen Kirchenlage durch die Weltkirchenkonferenz. Es hieß: „Wir glauben nicht, daß die aus dem tatsächlich totalitären Staat erwachsenen Lebensformen, die unserem Volk und Vaterland neuen Mut und neue Einheit und Kraft gebracht haben, mit dem Evangelium notwendigerweise unvereinbar sind . . . Wir glauben, daß man mit dem Gebrauch des Wortes ,Verfolgung' sehr vorsichtig umgehen sollte. Bei den Auseinandersetzungen der römisch-katholischen Kirche mit dem Staat und der ,Bekennenden Kirche' mit anderen Gruppen der Deutschen Evangelischen Kirche und dem Staat handelt es sich um Konflikte, von denen unsere Kirchen nicht berührt werden, und auf die wir daher nicht eingehen wollen." Die am 6. 8. 1937 unterzeichnete Erklärung bemühte sich, die kirchlichen Auseinandersetzungen als Randerscheinungen der D E K zu bezeichnen (vgl. oben S. 117 und unten S. 231; L. HODGSON, Glaubensgespräch, S. 59). 75 Ebd. N

KOMMENDE KIRCHE N r . 3 6 v o m 4 . 9. 1 9 3 8 ( Ü b e r w i n d u n g der K o n f e s s i o n e n ) .

77

Ebd., Nr. 31 vom 31. 7. 1938 (Das Christentum in seiner Schicksalsstunde, gezeichnet: -er, Köln); W. Dietsch rief im selben Blatt die Leser zu einer „katholischprotestantischen Aussprache" auf. Vgl. auch Nr. 21 vom 22. 5. 1938 (Krisenzeichen im römischen Katholizismus). 79

D E U T S C H E S BÜCHERVERZEICHNIS 1 9 3 6 - 4 0 , S . 8 9 3 .

150

Die Idee der Kirchenreform

Aber auch innerhalb der römisch-katholischen Kirche strebten Kräfte in der Bewegung „Bund deutscher Glaubenseinigung" nach „einer religiösen Einigung aller deutschen Menschen im Bekenntnis zu einem positiven Christentum, d. h. zu einem Christentum, das positiv zu den rassisch-völkischen Erkenntnissen des Nationalsozialismus und positiv zu den metaphysischen Lehren des Christentums eingestellt ist" 79 . So viel Realitätssinn hatten diese Gruppen allerdings noch bewahrt, daß sie nicht offen von einer konfessionellen Union sprachen, sondern sich wie ihre evangelischen Kollegen damit begnügten, für ein „organisatorisches Zusammenwachsen aller religiösen Gruppen in Deutschland" zu werben, was durch „Gewährung der Gewissensfreiheit" geschehen sollte80. Diese Zurückhaltung konnte nicht verhindern, daß die katholische Kirche ihre Nationalkirchler strenger behandelte als die evangelische Kirche: Die Mitglieder der Bewegung wurden aus der Kirche ausgeschlossen81. Beiden Seiten war gemeinsam, daß die angestrebte Nationalkirche nicht eine „Wiedervereinigung der Christenheit der verschiedenen Konfessionen" mit sich bringen sollte, die ein Wunsch der abgelehnten ökumenischen Bewegung blieb. Als Ziel schwebte den Nationalkirchlern beider Konfessionen vor, ungeachtet aller Kritik in dogmatischen Fragen über eine gemeinsame Organisation zu einer lebhaft funktionierenden Zusammenarbeit zwischen beiden Kirchen zu kommen. Vor allem war die Nationalkirche jedoch ein „völkisches Anliegen", das sich mit der auf allen kulturellen Gebieten erstrebten Vereinheitlichung und Sammlung deckte. Wie Weidemann festgestellt hatte, war „der Todfeind des Christlichen Deutschland" die „Zerrissenheit" 82 . Ihrer Uberwindung galten die romantischen Zielvorstellungen der nationalkirchlichen Gruppen beider Konfessionen. In diesem gemeinsamen Streben trafen besonders drei Punkte zusammen: Einmal trug die politische Wertschätzung Luthers im nationalsozialistischen Staat als Volksführer und Genie zu einer veränderten Beurteilung der Reformation in der katholischen Kirche bei83. Es ist kein Zufall, daß gerade in dieser Zeit die erste ausgewogene, bis heute geschätzte katholische Reformationsgeschichte von Joseph Lortz geschrieben wurde 84 . Weil die Deutschen Christen aus ihrer Sicht die Reformation erneut als „ungelöste Frage" betrachteten und 78

KOMMENDE KIRCHE Nr. 31 vom 31. 7. 1938 (Das Christentum in seiner Schicksalsstunde). 80 81 Ebd. KJ 1933-44, S. 286. 82 H. WEIDEMANN, SO sieht die kommende Kirche aus, 1. Auflage, S. 6 ff. und KOMMENDE KIRCHE Nr. 6 vom 1. 11. 1936; auch Nr. 32 vom 7. 8.1938 (Zuschrift eines deutschen Katholiken zur Frage nach der Oberwindung der Konfessionen). 85 Vgl. oben Anm. 66. 84 J. LORTZ, Die Reformation in Deutschland. Freiburg 1940.

Von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee

151

die Katholiken zu sehen begannen, daß Luther von seinem Ausgangspunkt her gar nicht der Häretiker war, als der er lange Zeit dargestellt wurde, gerieten die starren Frontstellungen in zentralen, trennenden Fragen in Bewegung85. Zweitens wurden die Ereignisse des Jahres 1933 zu einer politischexistentiellen Erfahrung von einer Intensität, die das ganze Wertsystem zu wandeln imstande war. Das religiöse Element blieb dabei so verschwommen, daß die Ereignisse ein Gemeinschaftserlebnis über die konfessionellen Grenzen hinaus zu beschwören vermochten. Das Gefühl christlicher Gemeinsamkeit schien drittens für viele das gleiche zu sein wie während des Ersten Weltkriegs. Die konfessionellen Streitigkeiten waren damals vergessen und der dogmatische Inhalt hatte sich auf ein „Bekenntnisminimum" reduziert. Wie man in der „Kommenden Kirche" meinte, bildete das „Vaterunser" in der Praxis den Kern des gemeinsamen Glaubensinhalts. In einem Aufruf vom Juli 1938 zu einer katholisch-protestantischen Aussprache über das Christentum jenseits der Konfessionen nahm der neugewählte Schriftleiter der „Kommenden Kirche", Dietsch, das Fronterlebnis zum gemeinsamen Ausgangspunkt und fragte: „Wo waren dann all die Unterschiede im Weltkrieg, wenn das letzte Vaterunser über einem gefallenen Kameraden gesprochen wurde? Da war nicht Reformierter oder Lutheraner, noch nicht einmal Protestant oder Katholik, alle Schranken der Konfessionen waren gefallen, aber . . . Christus war umso sichtbarer." 86 Die in der Not gefundene Gemeinschaft, wiedererlebt in den politisch-existentiellen Erfahrungen des Jahres 1933, sollte zum Ausgangspunkt für den Abbau der trennenden Schranken werden. Nach dem Ausnahmezustand des Krieges sollte die Gemeinsamkeitserfahrung jetzt zum Dauerzustand werden. Angesichts der von der katholischen Seite erwarteten Erneuerung durch die Papstwahl war Ende 1938 die römisch-katholische Kirche zum zentralen Thema der „Kommenden Kirche" geworden. In katholischen Kreisen hatte die Frage Raum gewonnen, ob nun „ein Papst käme, der die bisherige Taktik der Kirche verändern würde" 87 . Neben der „Entpolitisierung" wurden auch Maßnahmen für 85

Vgl. E. WOLF, Luthers Erbe?

8E

KOMMENDE KIRCHE N r . 31 v o m 31. 7. 1938 (Frontquer durch die K o n f e s s i o -

nen). Bezeichnend für die Bestrebungen war die Schrift des Seniors der Bremer Bibelschule, H . SCHÜTTLER, „Das Christentum des Vaterunsers", in der das Vaterunser zur Grundlage der christlichen Auffassung gemacht wurde, und in der auf die Möglichkeit, den christlichen Glauben auf dieses Bekenntnisminimum zu reduzieren, hingewiesen wurde. 87

KOMMENDE KIRCHE N r . 34 v o m 21. 8. 1938 ( H . H e r r i g e l , W a r u m politisiert

der Papst?); Herrigel weist auf einen Aufsatz von E. MICHAEL hin: „Lebensverantwortung aus katholischem Glauben."

152

Die Idee der Kirchenreform

die „Verlagerung des Schwerpunktes des kirchlichen Lebens von der Hierarchie auf die Laien" gefordert, die zu einer Strukturveränderung beitragen sollten88. Trotz seiner Vertrautheit mit den deutschen Verhältnissen und des freundlichen Grußbriefes an Hitler unmittelbar nach seiner Wahl zum Papst im März 1939 kritisierte die „Kommende Kirche" Pius XII, den ehemaligen Kardinalssekretär Paccelli, und griff seine politische Haltung an 89 . Damit wurde angedeutet, daß aus Rom keine Reform zu erwarten sei, und für die deutschen Katholiken nur eine Lösung übrig bleibe: die Nationalkirche. Kurt Meier hat darauf hingewiesen, daß der Werbeerfolg im katholischen Lager „verschwindend klein" war und belegt dies mit der Zahl der in die Nationalkirchliche Einung Lefflers eingetretenen Priester 90 . Tatsächlich arbeiteten vier katholische und fünf altkatholische Pfarrer mit den Thüringer D C zusammen91. Sie gehörten zur Fachabteilung „Römisch-Katholische Kirche" in der Nationalkirchlichen Einung, die unter der Leitung von Pfarrer Fritz Kapferer, Freiburg, im Sommer 1938 gegründet worden war. Pfarrer Kapferer hatte im Februar 1938 den Dienst der katholischen Kirche verlassen und gehörte wie die anderen nicht mehr zu den praktizierenden Katholiken 92 . Obwohl man den Trend in der deutsch-christlichen Presse berücksichtigen muß, die katholischen nationalkirchlichen Bestrebungen möglichst hochzuspielen, scheinen diese Ideen im großen und ganzen in der katholischen Kirche doch einen größeren Widerhall gefunden zu haben, als dies die Mitgliederzahl der Nationalkirchlichen Einung vermuten läßt; das zeigte bereits die erste Reichskirchentagung der Katholisch-Nationalkirchlichen Bewegung in Mannheim im Mai 1937. Die Aufsätze aus katholischer Feder in der „Kommenden Kirche" beweisen außerdem, daß nicht nur die Thüringer Deutschen Christen für nationalkirchliche Bestrebungen aufgeschlossen waren 93 . Die Akzentverschiebung von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee läßt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Von der mit 88

Ebd.

89

J. S. CONWAY, K i r c h e n p o l i t i k ,

S. 2 4 4 ; KOMMENDE KIRCHE N r .

5 vom

29.

1.

1939; Nr. 11 vom 12. 3. 1939 (W. Dietsch, Alle Wege führen nach Rom). 90 Κ. MEIER, Deutsche Christen, S. 240. 91

E b d . ; KOMMENDE KIRCHE N r . 3 2 v o m 7. 8. 1938 ( K l e i n e C h r o n i k ) . D a s B l a t t

spricht von „einzelnen katholischen Pfarrern", die in Freiburg zu den Deutschen Christen Thüringens übergetreten seien. 92 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 355, Anm. 920. 93 Von einem Sprechabend der Kommenden Kirche in Lippstadt wurde berichtet, daß die Hälfte der Zuhörer Katholiken waren (KOMMENDE KIRCHE Nr. 43 vom 5. 12. 1937).

Von der Reichskirchen- zur Nationalkirchenidee

153

Müller im Jahre 1935 angestrebten Reichskirche distanzierte sich Weidemann nur allmählich. Er versuchte gleichzeitig, eine selbständige Linie für seine Gruppe zu entwickeln. Daraus entstand die lose ideenpolitische Gruppe Kommende Kirche, die nach dem Ubertritt gewichtiger Gruppen aus Hannover und Mecklenburg zu den Thüringer Deutschen Christen durch die kirchenpolitische Zusammenarbeit mit Hossenfelder und Leffler allmählich einen nationalkirchlichen Charakter bekam. An die Stelle der Idee von der „Christus bekennenden Reichskirche" trat die Formel „Eine christliche Kirche deutscher Nation". Mit der erwarteten kirchenpolitischen „Wende" zu Beginn des Jahres 1937 kam als Zielsetzung die Gebundenheit an Staat und Partei zum Ausdruck, als Boll eine „völkische Reichskirche" forderte. Nach dem überraschenden Wahlerlaß vom Februar 1937 teilten sich die Meinungen in der Kommenden Kirche. Die radikalen rheinischen Deutschen Christen schlugen entschieden die Richtung Thüringens ein, Weidemann und Boll wollten konservativ kirchliche Wähler gewinnen und formulierten ihre Ziele deshalb nicht offen nationalkirchlich. Von Ende 1937 bis zur Papstwahl 1939 wurde die Nationalkirche als zentrales Thema in der Kommenden Kirche erörtert. Zwar vermied Weidemann, ausdrücklich von einer Nationalkirche zu sprechen, aber das Ziel, das er im Einvernehmen mit der Partei durch Schulung in maßvollen Formen erreichen wollte, war eine überkonfessionelle deutsche Volkskirche - die Nationalkirche.

Kapitel 6

DIE DEUTSCH-CHRISTLICHE K I R C H E N E R N E U E R U N G I N DER LITERATUR

1. Die deutsch-christliche Auf baus" der Kirche

Gegenwartsbibel

als Anfang des „inneren

In einer Rezension in der „Theologie der Gegenwart" über das Buch „Völkische Theologie" des Thüringer „Normaltheologen" Professor Dr. Walter Grundmann wird dessen Abhängigkeit von der Theologie seines Lehrers Adolf Schlatter angesprochen. „Eine konsequente Kritik an W. Grundmann" sollte „notwendig bestimmte Fragen an die Schöpfungslehre Schlatters stellen" 1 . Weil Grundmann nun aber an führender Stelle auf die „Entjudungs-" und „Eindeutschungs"-Bemühungen der Thüringer Deutschen Christen einen beachtenswerten Einfluß ausübte, läßt sich fragen, ob und inwieweit es Zusammenhänge zwischen diesen Eindeutschungsbemühungen und der theologischen Auffassung Schlatters gab. In einem Aufsatz über die Bedeutung von Schlatters Theologie für sich selbst und seine Gesinnungsgenossen scheint Grundmann die von der „Theologie der Gegenwart" vermutete Abhängigkeit zu bestätigen. Ein „wesentlicher Faktor" bei Schlatter, der ihn von vielen seiner Kollegen „der Krisenzeit" unterschied, war nach Grundmann seine Beziehung zum deutschen Volkstum 2 . Schlatter hatte bereits in seinem im Jahre 1924 erschienenen autobiographischen Werk „Erlebtes" die außergewöhnlich große Rolle des „Volkes" in seinen Lebensentscheidungen betont 3 . Als „prophetischen Satz" charakterisierte Grundmann seine Worte: „Ihr werdet Schiffbruch erleiden mit eurer Theologie der Krisis, wenn die Aufgabe vor euch steht, ein Volk zu bauen." 4 Die Berechtigung einer theologischen Konzeption ist an ihrer volkserzieherischen Brauchbarkeit zu messen. Schlatters Kritik, 1

THEOLOGIE DER GEGENWART, 1 9 3 8 , S . 1 6 7 .

2

KOMMENDE K I R C H E N r . 3 3 v o m 1 5 . 8 . 1 9 3 7 .

' Darin schrieb er (S. 8): „Es gibt keinen Entschluß in meinem Leben, ob es der Eintritt in das Pfarramt oder der Verzicht auf dasselbe und der Eintritt in die wissenschaftliche Arbeit war . . . , bei dem nicht mein gliedlicher Zusammenhang mit unserem Volk, der mich ihm verpflichtete, bestimmend mitgewirkt hatte" (Zitiert nach: LEHRER DER K I R C H E , S . 3 2 ) . 4 Vgl. Anm. 2.

Die deutsch-christliche Gegenwartsbibel

155

die Grundmann begrüßte, richtete sich gegen die pietistische Auffassung, daß die Sündenerkenntnis eine unausweichliche Voraussetzung für den christlichen Glauben sei. Bei Schlatter fand Grundmann ein „fröhliches und gewisses Christentum", das besser für volkserzieherische Aufgaben geeignet war. Diese Theologie betonte, daß „an der Gabe Gottes die Sünde entsteht und demnach den „gebenden Gott . . . in Natur und Geschichte" offenbaren könne. Ohne genauer zu erklären, wie die religiöse Entwicklung von dieser revelatio generalis zur revelatio specialis führte, zitiert Grundmann seinen Lehrer: „Von Natur und Geschichte und Volk führt ein unmittelbarer Weg zu Jesus ohne den Umweg über die Verzweiflung, die auch ein Zugang zu Jesus sein kann, aber nicht sein muß, wie es nach der Theologie der Krisis schien."5 Die Modifizierung der theologischen Konzeption war notwendig wegen der „Volkserziehung", denn Schlatter meinte, „wenn das Volkstum krank sei, könne „das Leben der Kirche nicht gesund sein und bleiben". Die Beteiligung der Theologen an der Gestaltung des Volkserlebens und „Volkstums" mit allen möglichen Mitteln wurde damit kirchlich begründet. So kommt Grundmann zu dem interessanten Schluß, daß es eben Adolf Schlatter gewesen sei, der „uns von der Theologie her den Weg zum Nationalsozialismus . . . bahnte"®. Uber keinen anderen zeitgenössischen Theologen, nicht einmal über Hirsch, hatte die „Kommende Kirche" so ausführlich berichtet wie über Schlatter; man darf deshalb sicher sein, daß Grundmanns Beurteilung von der Bedeutung Schlatters für die theologischen und weltanschaulichen Entscheidungen auch auf Seiten der Kommenden Kirche lebhaft begrüßt wurde. Den Biblizisten Schlatter als Autorität zu wählen, paßte zu der von der „positiven Theologie" herführenden Linie der Kommenden Kirche, „mit der Bibel" zu reformieren. Für die Eindeutschungsbemühungen waren Schlatters Arbeitsgebiete eine wichtige Grundlage: die Sprache des Neuen Testamentes und die „bahnbrechende" Erforschung des Spätjudentums 7 . Aus diesen Studien wuchs jene hermeneutische Fragestellung, die die Analyse der gegenwärtigen geschichtlichen Lage als notwendige Voraussetzung für das Verständnis der biblischen Botschaft ansah. „Wir üben am teuern Schatz der Kirche, an der Schrift, die Treue nicht da5

Ebd. « Ebd. Ebd. Vgl. auch H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 29. In der bayerischen Landeskirche wie anscheinend auch in Bremen war der Einfluß von Schlatters Biblizismus groß, dazu trug die biblizistische Tradition in Bremen bei. Der 1768 in Bremen geborene Biblizist Gottfried Menken, der aus dem niederrheinischen Pietismus kam, war unter dem „Positiven" immer noch geehrt (BREMER NACHRICHTEN vom 31. 5. 1931; K. Refer, zum 100. Todestag Gottfried Menkens); vgl. auch 7

KOMMENDE K I R C H E N r .

14 v o m

manns Rede am Begrüßungsabend)

14. 4.

1940

(6. K u r s u s

der Bibelschule.

Weide-

156

Kirchenerneuerung in der Literatur

durch, daß wir sie uns wiederholen, sondern wir müssen den Blick auch auf unseren eigenen Zustand richten, in den uns unsere Geschichte versetzt hat. Denn aus der uns gegebenen Lage entsteht unsere Pflicht", zitierte Grundmann seinen Lehrer 8 . Schlatter scheint Grundmann die Unterscheidung von Form und Inhalt des Evangeliums als Unterschied zwischen „ewigem Schatz" und „irdenen Gefäßen" gelehrt und damit theologiekritische Reflexionen legitimiert zu haben. Grundmann wiederholt Schlatter: „Vergänglich ist alles, was die Kirche sagt, deshalb, weil in der Weise, wie sich jedes Geschlecht das göttliche Wort aneignet, seine geschichtlich bestimmte Art zur Geltung kommt." 9 Auf diesen hermeneutischen Ansatz konnten sich diejenigen Deutschen Christen berufen, die eine neue Schriftauslegung und Interpretation des Dogmas erstrebten. Die geschichtliche Situation prägt das, „was die Kirche sagt", meinte Schlatter. „Die Besonderheiten übertragen sich aber nicht auf die folgenden Geschlechter. Auch ein neues Bekenntnis wird diese Vergänglichkeit an sich tragen, genauso wie die reformatorischen." Die Botschaft der Kirche sollte biblisch verankert sein, aber man mußte auch fragen, welche Seiten des Evangeliums für die Gegenwart besonders betont werden sollten. Mit dem Wort „Spitalethik" kritisierte Schlatter die starre Dogmengebundenheit der Kirchen. Grundmann begrüßte diese Freiheit in den Bekenntnisfragen und meinte, daß bei Schlatter eine „lebendige Einheit von Theologie und Frömmigkeit, von Lehre und Leben" vorhanden sei, was aus ihm „den deutschen Theologen" mache10. Für die Eindeutschungsbemühungen wichtig waren aber auch Schlatters Bewertung der intellektuellen Reflexion, seine Beurteilung des Judentums und die religiöse Begründung des Volkstums. Sie geben Aufschluß darüber, warum er für manche Theologen „den Weg" zum Nationalsozialismus bahnen konnte. Schlatter stellt an die Beziehung des Menschen zum Christentum und zum Staat die gleiche Forderung: Sie sollen beide auf einer antiintellektuellen Basis beruhen, weil die intellektuelle, „mittels des Denkapparates" entstandene „Bejahung" nicht die „totale" Hingabe erzeugen könne. „Wir kennen die Natur und glauben nicht an sie, stehen in der völkischen Gemeinschaft und leben nicht für sie, und haben einen Führer und vertrauen und gehorchen ihm nicht. Das setzt sich im kirchlichen Unterricht fort: er zeigt uns den Christus, und wir glauben 8

Vgl. Anm. 2. » Ebd. 10 Ebd.

Die deutsch-christliche Gegenwartsbibel

157

nicht an ihn; wir werden in die Kirche aufgenommen, aber wir leben nicht für sie." 11 Von dieser religiös-psychologischen Ebene aus gesehen, wird das „Erlebnis" - wie bei Weidemann - zum wichtigsten gemeinschaftsbildenden Faktor. In ihm ist die kontrollierende Vernunft überwunden und die unmittelbare Beziehung zwischen dem Erlebenden und seinem Objekt hergestellt. Schlatter sieht, daß in der Propaganda des Staates eine kritiklose Hingabe der Bürger erstrebt wird, die er als Grundlage für die religiöse Überzeugung begrüßt. Wie Stapel von seinem völkisch-nationalkonservativen Standpunkt her den intellektuell arbeitenden „Gebildeten" vorgeworfen hatte, sie wüßten nicht mehr, was „Offenbarung" sei, so findet auch Schlatter seine Gegner unter den Intellektuellen 12 . „Der erwachte Deutsche verabscheut ,die Intellektuellen', also ist er unser Kampfgenosse." 1 3 Der Mensch, der in seiner Ganzheit hinter seiner Uberzeugung steht, wird als ein erstrebenswertes Ziel hingestellt, was Schlatter gleichzeitig verhängnisvoll mit den Totalitätsansprüchen des Staates verknüpft. „Das ist die heilsame K r a f t im Rufe: ,Totaler Staat!', daß er gegen alle eigensüchtigen Vorbehalte kämpft, mit denen wir uns der Gemeinschaft entziehen.. ," 1 4 Die bedingungslose Hingabe ohne Reflexion wird zur gemeinsamen Verhaltensgrundlage für den christlichen Glauben wie für die Unterwerfung unter die Obrigkeit im N a tionalsozialismus. Es scheint Jesu Forderung zu sein, „daß der Mensch ganz werde", und „er ist erst ganz, wenn ihn Gottes Wille regiert. Wir müssen total in der Kirche leben, um total im Staat zu leben, und total im Staat leben, um total in der Kirche zu leben" 15 . Der blinde Gehorsam gegenüber dem Staat und die aus dem Erlebnis entstandene christliche Uberzeugung scheinen sich in den Auffassungen Schlatters gegenseitig zu fördern. Er betont aber auch, daß der Staat nicht nur „Beistand" beim Aufbau der „freien Gemeinschaft", d. h. der Kirche, sondern auch „Widerstand" leisten kann, weil sie „über der völkischen Gemeinschaft 11

A . SCHLATTER, A r t , S . 8 .

18

W.

STAPEL,

Staatsmann,

S. 18.

Vgl.

R.

HEINONEN,

Säkularisierungsbegriff,

S. 93. Es ist möglich, daß bei Schlatter eine komplexe Beziehung zum Intellektualismus vorhanden war, weil seine wissenschaftliche Fähigkeit anfangs in Frage gestellt wurde. Von Schlatter soll ein Kollege gesagt haben: „Schlatter - ein religiöses Genie, eine wissenschaftliche N u l l . " Der Betroffene hat zu dieser Äußerung Stellung genommen „Hier im Saal sitzt kein religiöses Genie, steht auch keiner, verstanden! Religiöses Genie: gibt es nicht - wissenschaftliche N u l l : nun das wird sich zeigen" (LEHRER DER KIRCHE, S. 21). 13

A . SCHLATTER, A r t , S . 1 6 .

14

Ebd. Ebd.

»

Kirchenerneuerung in der Literatur

158

noch eine eigene Gemeinde" sei, „die ihr eigenes Amt hat". „Will er unser Feind sein, so soll er wissen: wir werden ihm nicht feind." 1 6 Man kann Schlatter nicht als Förderer der Bibeleindeutschung bezeichnen, obwohl sein bekannter Umdeutungsstil und seine freien Ubersetzungen den Umgang mit dem biblischen Text aufgelockert haben. Anders als die Deutschen Christen sah er im Dekalog den „Träger unseres Volkstums" 1 7 . Das im alten Bund gegebene Gesetz bildet nicht nur die Grundlage des jüdischen, sondern auch des deutschen Volkstums, wobei es Schlatter unnötig erschien, eine Trennung zwischen den jüdischen Elementen und dem Christentum zu fördern. Als geschichtliche Erscheinung gehören Christentum und Judentum unzertrennlich zusammen. Der Name „,Christus' haftet nicht nur lose an Jesus, sondern spricht das aus, was er war und was alle seine Worte formte" 1 8 . Wegen der inneren, und zwar manchmal dialektischen Beziehung, sind Judentum und Christentum unzertrennlich. „An der Aufgabe, das Evangelium vom Jüdischen zu reinigen, beteiligt sich" nach Schlatter „keiner, der sehen kann." 1 9 Aber obwohl Schlatter die theologisch-literarische Eindeutschung der Bibel nicht direkt unterstützt, so will er doch, ähnlich wie die Deutschen Christen, das Judentum als geistiges Phänomen bekämpfen, wie seine Schrift „Wird der Jude über uns siegen?" zeigt. Wenn an der Herkunft des Christentums aus dem Judentum kein Zweifel besteht, so ist die geistige Dialektik der beiden Religionen darin zu sehen, daß das „Judentum nie . . . einen gewaltigeren Widersacher" als Jesus gehabt hat 20 . Aus dieser Frontstellung werden die religions- und ideengeschichtlichen Einflüsse des Judentums als Verfallserscheinungen oder als irreführende Triebe interpretiert, die unter die neutestamentliche Bezeichnung „Fleisch" fallen und verurteilt werden müssen. Die Überwindung des „Fleisches" kann nur durch den „Geist" geschehen21. Diese jetzt höchst diffusen Begriffe scheinen verhängnisvollerweise die Vereinbarkeit der vom Nationalsozialismus erstrebten Ideenpolitik mit dem Christentum zu beweisen. Schlatter meinte: „Nach dem Fleisch wandeln, das ergibt all das, was die neue deutsche Art haßt." 2 2 Der biblische Ausdruck deutet hier ein ethisch-metaphysisches Phänomen an, das nach Schlatters Meinung sowohl die Kirche als auch der Nationalsozialismus bekämpften. Das Verhängnisvollste für die Zukunft lag aber in der Verknüpfung dieser ethischen Interpretationen mit den antisemitischen Tendenzen: „Was der junge Deutsche Jüdisch' heißt, ist alles Wandel " Ebd., S. 19.

17

Ebd., S. 21-29.

18

A . SCHLATTER, J u d e , S. 10.

19

Ebd.

20

E b d . , S. 6.

21

A . SCHLATTER, A r t , S . 1 2 .

22

Ebd.

Die deutsch-christliche Gegenwartsbibel

159

23

nach dem Fleisch." Der Ausdruck „jüdisch" ist hier kein rassischer Begriff, sondern eine ethisch-metaphysische Kategorie, die universale Geltung für Religion, Politik, Leben und Wissenschaft hat. Mit dieser Bezeichnung will Schlatter nicht die rassistische Lehre von einem Herrenvolk verherrlichen; er betont, daß das Volkstum nicht auf die Rasse gegründet werden kann, sondern nur auf die Geschichte der christlichen Kirche. „Wir Deutschen sind nicht ein Produkt der Rasse, sondern der Geschichte, über der der Name Gottes stand." 24 Die am Anfang angedeutete Abhängigkeit des kirchlichen Lebens vom Zustand des Volkstums führt aber dazu, daß sein Verderben als religiöses Phänomen aufgefaßt wird 25 . Es sind die mit dem Judentum und seiner geschichtlichen Wirkung verknüpften ethisch-metaphysischen Einflüsse, die das Verderbnis verursacht haben sollen. Durch die ethisch-metaphysische Beurteilung bekommt nun der nationalsozialistische Staat seinen religiösen Wert als Bekämpfer dieser unheilvollen Entwicklung. „Unser Staat nimmt deshalb den Kampf gegen die Werke des Fleisches tapferer auf als der orthodoxe oder aufgeklärte Fürstenstaat von ehedem." In der Bewahrung religiöser Werte, die die Grundlage des Volkstums bildeten, wird er „Kampfgenosse" der Kirche 26 . Von diesem Ausgangspunkt her wurden die rassistischen, antisemitischen und theologisch-antijudaistischen Argumente leicht vermengt. Wenn gefragt wird, auf welche Weise Adolf Schlatter zu den deutsch-christlichen Eindeutschungsbemühungen beitrug, scheinen folgende vier sozial-ethischen und hermeneutischen Aspekte wichtig zu sein. Erstens betonte Schlatter die Abhängigkeit des kirchlichen Lebens und der Theologie vom Volkstum, woraus die Notwendigkeit einer „Volkstheologie" abgeleitet werden konnte; zweitens lehrte er die Zeitgebundenheit der Bekenntnisse. Drittens knüpfte Schlatter durch seine Betonung des „Erlebnisses" an den anti-intellektualistischen Trend des nationalsozialistischen Staates an. Das wichtigste für die Eindeutschung und „Entjudaisierung" des kirchlichen Lebens war viertens, daß Schlatter die Einflüsse des Judentums als ethisch-metaphysisches Verderbnis behandelte. Die aus dem theologischen Antijudaismus entstandenen Forderungen schlossen sich in dem unscharfen Sprachgebrauch Schlatters an die aus dem rassistischen Antisemitismus entstandene Gesellschaftspolitik des nationalsozialistischen Staates an und gewannen bei den Deutschen Christen eine unheilvolle Aktualität. Die zunehmende geschichtliche Behandlung von Fragen der Germanenmission veranlaßte auch die Theologen, ihrerseits die Evange25 25

Ebd. Ebd.

24 28

Ebd., S. 24. Ebd., S. 15, 8.

160

Kirchenerneuerung in der Literatur

lienharmonie „Heliand" mit der kirchlichen Lehre zu konfrontieren. Zwischen der kirchenpolitischen Mitte und den Deutschen Christen gab es eine Reihe divergierender Auffassungen darüber, wie man den „Heliand" als kirchliche Aufgabe der Gegenwart zu betrachten habe 27 . In dieser Auseinandersetzung ging es um die Frage, ob man in der dort wiedergegebenen Auffassung vom Christentum ein christlich beeinflußtes Heidentum oder germanisch beeinflußtes Christentum zu sehen habe. Zuweilen wurde extrem formuliert „jede Germanisierung des Christentums im Heliand" 2 8 bestritten, gestützt auf das theologiegeschichtliche Argument, daß „vieles, was gewöhnlich im Heliand als bezeichnend germanisch angesehen wird, . . . bei genauerem Vergleich mit dem theologischen Schrifttum der Zeit als in der Theologie der Karolingerzeit begründet" sich zeigte 29 . Zu dieser Interpretation des Heliand neigten die Deutschen Christen. Interessant ist, daß die entgegengesetzte Auffassung, der Heliand sei nicht mit dem Christentum zu vereinbaren, nicht nur viele bekennende Christen, sondern auch der Parteiideologe Alfred Rosenberg - freilich aus anderen Motiven - vertraten 30 . Für die Bekennende Kirche war diese Meinung wichtig, um die völkischen Interpretationen des Christentums abzuwehren, für Rosenberg, um die Unvereinbarkeit des Christentums mit seiner eigenen „germanischen" Ideologie zu zeigen. Für die Eindeutschung der Bibel und des kirchlichen Sprachgutes im allgemeinen sind die begriffsgeschichtlichen Betrachtungen über die Umdeutung der zentralen christlichen Terminologie im Heliand bemerkenswert. So weit nämlich die Ausdrücke im Heliand theologisch legitimiert waren, bestand die Möglichkeit, sie in einer ins Hochdeutsche übertragenen Form in den kirchlichen Sprachgebrauch zu übernehmen. In einem in den „Pastoralblättern" veröffentlichten Aufsatz „Das kirchliche Sprachgut zur Zeit des Heliand" behandelte Oberkonsistorialrat Wicke (Wolfenbüttel) einige zentrale Begriffe der Evangelienharmonie in bezug auf deren gegenwärtigen kirchlichen Gebrauch 31 . Er machte die in der völkischen und deutsch-christli27

D E U T S C H E S PFARRERBLATT N r . 2 5 v o m 1 9 . 6 . 1 9 3 4 ( P . F i e b i g , D e r H e l i a n d ) . E i n

Zeichen dafür, daß der Heliand keineswegs nur in DC-Kreisen als wichtig empfunden wurde, ist die von dem Evangelischen Bund herausgegebene Schriftenreihe DER HELIAND. (Der „Heliand" ist ein von Ludwig dem Frommen um 830 in Auftrag gegebenes Werk eines unbekannten Dichters, in dem das Leben Jesu volkstümlich und den Idealen eines militanten Germanentums entsprechend erzählt wird.) 2 8 H . SPEHR, Frühgermanentum, S. 228. 2 9 H . GÖHLER, Christusbild, S. 1-52. S()

A . ROSENBERG, M y t h u s , S . 1 8 7 f .

Begründet ist dieser Gedanke durch die Untersuchung von GERHARD LEBRECHT WIENS, Die frühchristliche Gottesbezeichnung im Germanischen (Neue 81

F o r s c h u n g 2 5 , 1 9 3 5 ) ; H . WICKE, S p r a c h g u t , S . 5 8 2 - 5 9 7 .

Die deutsch-christliche Gegenwartsbibel

161

chen Publizistik häufig diskutierten und deswegen für die kirchliche Entwicklung bedeutungsvollen Begriffe „Demut und Ehre", „Reue und Buße", „Sünde", „Glauben", „Christus", „Gott" zum Gegenstand seiner Überlegungen. Dabei behauptete er, daß der Dichter „die schlichte Gestalt Jesu im Lichte der dogmatischen Sätze von Chalzedon anschaut". Die Erniedrigung Jesu „besteht lediglich darin, daß Christus sich des Gebrauches dieser Gottesfülle enthält". Es ist das Ziel des Autors, hinter dieser dogmatischen Form, die er „Verhüllung" nennt, die zentralchristlichen Werte zu sehen. Die typische Gottesbezeichnung im Heliand ist „drothin" bzw. „the drothin", was ursprünglich „Gefolgschaftsführer" bedeutete. Mit diesem Namen wird Gott im Heliand 62mal genannt, womit der Dichter das kriegerische Wesen der Gottheit betont. Nach Wicke ist diese Bezeichnung ein Kennzeichen des „Erlebens Gottes als eines Herrn, dem man sich freiwillig unterordnet". Die religiöse Bedeutung sei durch Verbindungen mit Substantiven im Genitiv wie „der Herr über aller, Land und Leute", mit Possessivpronomen sowie durch Beiwörter wie „heilig", „mächtig", „stark", „strahlend" gesichert 32 . Wicke betonte die Ähnlichkeit des Gottesglaubens in Luthers Lieddichtung und im Heliand. Es seien die heldischen Züge des Gottesglaubens im Heliand, die als reformatorisch gelten könnten. Der „liebe Gott" gehört demnach der Aufklärungszeit an, und es sei nur zu begrüßen, daß dieses Attribut im Heliand fehle 33 . Der Sinn des christlichen Kardinalbegriffes „Sünde" im Heliand wurde von ihm als „vorbildlich" angesehen. Durch den Sprachgebrauch der Aufklärung habe eine „Entwertung des Wortes" stattgefunden, in der es zur „menschlichen Sündhaftigkeit" umgedeutet wurde. Im Heliand werde „Sünde" stets mit konkreten Vorstellungen von „ungerechten", „Verderb bringenden" Taten verbunden. Sie werde mit moralischen Bezeichnungen wie „Frevelwerk", „bittere, böse, wilde, leidige, grimmige, verbrecherische, finstere Tat" umschrieben. Der Begriff ist als „Tatsünde" in Wort und Werken unter dem Aspekt der Schuld verstanden, was für das deutsch-christliche Verständnis eines „Tatchristentums" wohl annehmbar war. Dieses Verständnis reduziert die ethische Verantwortung auf feststellbare Taten und fördert damit eine legalistische Auffassung der Gottesbeziehung34. Zur Entstehungszeit des Heliand trug sie wohl zur gesellschaftlichen Integration und Kultivierung der Sitten bei, mußte aber als Sündenbegriff in der Theologie des 20. Jahrhunderts ein verhängnisvoller Anachronismus sein, der nicht ohne regressive Einwirkung auf die kirchliche Ethik bleiben konnte. 32

Ebd., S. 596 ff.

11 Heinonen, Anpassung

aa

Ebd., S. 585.

34

Ebd., S. 590.

162

Kirchenerneuerung in der Literatur

Außer dem Vorwurf der „Säkularisation" oder „Entwertung" der Begriffe werden theologiegeschichtliche Argumente gebraucht, um den Bedeutungswandel der theologischen Termini zu erklären. Nach Wicke trugen die Dogmatiker der altprotestantischen Orthodoxie mit ihrer ordo-salutis-Lehre Schuld daran, daß die Begriffe „Reue und Buße" mit der Sündenerkenntnis verbunden wurden. Das Luthertum wird als „in seinem Wesen getröstetes Sündenbewußtsein" verstanden. Die zeitgenössische Kritik an den Begriffen war nach Wicke berechtigt und geeignet, den reformatorischen Sinn des Begriffes zu erklären 35 . Im Heliand kennzeichnete den Demut-Begriff die Verbindung „thiolico thionon" (in Demut dienen). Zunächst ist diese „Demut" „unbedingte, aber freiwillige Unterordnung . . . und . . . Anbetung Gottes", aber davon ausgehend, kommt man zuletzt auch zu einem politischen Begriff: „Bereitschaft zur Unterordnung unter den weltlichen Herrn, der als Werkzeug Gottes Schutz gewährt und für Aufrechterhaltung der Ordnung im Lande sorgt." 3 6 „Demut" ist hier aus dem Gefolgschaftsgedanken abgeleitet als Verzicht auf persönliches Wohlergehen zugunsten der „Treue im Gehorsam" und hat einen aktiv herausfordernden Charakter. Aus dem Heliandschen Sprachgebrauch heraus schien es möglich, die von völkischen Kreisen kritisierte Passivität der christlichen Deutung des Begriffes zu ändern 37 . Weil Wicke überzeugt war, daß es sich im Heliand um „urchristliches" Gedankengut handele, zog er daraus eine für die Eindeutschung wichtige Konsequenz: Im Heliand findet sich für ihn der vorbildliche Gebrauch der kirchlichen Termini. Er stellte den Bedeutungswandel der Begriffe bis zur Gegenwart fest und verurteilte die Entwicklung als „Säkularisation" 38 . Es bleibe eine philologische Aufgabe, die Entwicklung aufzuzeichnen und den Sinn des Wortes in die gegenwärtige Situation zu übertragen. Obwohl die ersten Eindeutschungen der Deutschen Christen - „Deutsche Gottesworte" des Reichsbischofs und „Das Evangelium Johannes Deutsch" von Weidemann - erst 1936 erschienen, war der Gedanke einer an das nationale und völkische Ideengut angepaßten, eingedeutschten Bibel viel älter. Vor den Deutschen Christen hatte schon der im Juni 1921 gegründete „Bund für Deutsche Kirche" in seinen Schriften und Versammlungen die Eindeutschung 3 > Ebd., S. 593. Ebd., S. 592. " Ebd. Ebd., S. 595. Auch der Leipziger Neutestamentier Paul Fiebig meinte: „Ein weichlicher Christus ist sicher nicht der Jesus der Evangelien. So trifft der Heliand besser das Biblische, als das vielfach die Kirche getroffen hat" (DEUTSCHES PFARRERBLATT N r . 25 vom 19. 6 . 1 9 3 4 ) . 85

38

Die deutsch-christliche Gegenwartsbibel

163

des kirchlichen Sprachgutes gefordert und eine Synthese von „völkischer Haltung und Christenglauben" erstrebt 39 . Diese Tendenzen und Bemühungen lassen sich auch bei anderen Gruppen der „nationalen Opposition" in der Kirche erkennen, wozu auch der „Deutschchristliche Arbeitskreis" und die im Jahre 1930 gegründete „Christlich-Deutsche Bewegung" zählten. Zu den Parolen der letzteren gehörte die „Entjudaisierung des deutschen Menschen" 40 . Im folgenden Überblick über die Entwicklung der Eindeutschungsbemühungen der Deutschen Christen sollen hier nur die innerhalb der Kirche verfolgten Aktivitäten berücksichtigt werden. Es muß aber bemerkt werden, daß von völkischer Seite Versuche wie die „Germanenbibel" von Wilhelm Schwaner (1904) vorlagen, die die notwendige Anpassung des christlichen Glaubens an das nationale Ideengut unterstrichen 41 . Auch der „Katechismus für den teutschen Kriegsund Wehrmann" (1814) von Ernst Moritz Arndt kam mit seiner soldatischen Gesinnung den deutsch-christlichen Trends der Eindeutschung nahe 42 . Der wichtigste Vorläufer der Nationalisierungsbemühungen der Kirchensprache der Deutschen Christen war vielleicht der durch seine völkisch-antisemitische Publizistik bekannte Herausgeber des „Deutschen Volkstums", Dr. Wilhelm Stapel. Mit dem Hinweis auf die „Säkularisation", welche die tragenden Begriffe der Theologie entstellt habe, forderte er u. a. die Wiederbesinnung auf die Bergpredigt. Die spätere Eindeutschung, die der Reichsbischof Müller in seinen „Deutschen Gottesworten" vornahm, hat mit Stapels Korrekturen manches gemeinsam43. Einen Aufschwung gab den kirchlichen Eindeutschungs- und Nationalisierungsplänen der 20er Jahre die nationalsozialistische Machtergreifung. Im Mai 1933 forderte der Buchhändler Paul Berner (Berlin) in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung", die Lutherbibel „dem zeitgemäßen deutschen Sprachempfinden" anzupassen. Als Teilaufgabe gehörte dies nach Pfarrer Stark (Magdeburg) zur „Sprachreinigung und Sprachverdeutschung" des Gottesdienstes, in dem man vor allem die Trennung vom jüdischen Wortschatz im kirchlichen Gebrauch erstrebte. Das als volksmissionarische Notwendigkeit verstanM

40 H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 5. Ebd., S. 9. Die „Germanenbibel" war eine Zusammenstellung von Gedanken deutscher Philosophen und Dichter. Am Schluß des Bandes der 6. Auflage hieß es: „Dieses Buch der deutschen Bücher" soll würdig „neben der lieben alten Christenbibel" ste41

h e n ( v g l . EVANGELISCHE W E L T N r . 4 v o m 1 6 . 2 . 1 9 3 3 ) . 42

Auch die Aufklärungsmoral in den Büchern „Hilligenlei", 1905, und „Der Glaube der Nordmark", Stuttgart 1936, von Gustav Frenssen mögen zum Bedürfnis der Eindeutschung beigetragen haben, wie O. Dibelius in der Rezension von Müllers „Deutsche Gottesworte" meinte (JK 4, 1936, S. 313). 43 R. HEINONEN, Säkularisierungsbegriff, S. 101 ff. 11·

164

Kirchenerneuerung in der Literatur

dene Unternehmen wurde mit der häufig zitierten Lutherschen Parole „Auf's Maul schauen" begründet 44 . Der Reichsreferent der Glaubensbewegung D C für „Theologie und Hochschule", Dompfarrer zu Soldin, Dr. Friedrich Wieneke, und der Leiter des Rauhen Hauses, D. Fritz Engelke - ab 1934 Reichsvikar - hoben neben anderen kirchlichen Aufgaben auch die EindeutschungsArbeit hervor 45 . Die Begründung von Engelke zeigt, daß die entscheidenden Impulse für das Unternehmen älteren Datums waren und daß die Machtergreifung in dieser Hinsicht nur eine Aufwertung und Aktualisierung der schon existierenden Nationalisierungs-Tendenzen bedeutete 48 . Seine Arbeiten waren jedoch zu subjektiv, um in Theologen-Kreisen Anerkennung zu finden. Die Römer- und Galaterbrief-Umdeutungen wurden zwar in mehreren Auflagen gedruckt, zeichneten aber für den volksmissionarischen Umgang mit der Bibel nur einen Weg vor und wurden in der Diskussion um die Übertragung der Bibel nur am Rande berücksichtigt 47 . Nur die Anknüpfung an die wissenschaftliche Bibelforschung konnte den laienhaften Forderungen einen Zugang in die größere kirchliche Öffentlichkeit eröffnen. Im allgemeinen diente die „Lutherrenaissance" der 20er Jahre den Kirchenerneuerungsplänen der nationalprotestantischen Kreise; bezüglich der Bibelübertragungen herrschten aber prinzipielle Meinungsverschiedenheiten. In der wissenschaftlichen Diskussion ging es hauptsächlich um die Frage, ob und inwieweit Revisionen des Luthertextes möglich seien. Den Ausgangspunkt lieferte die Bibelausgabe von 1913, in der der Versuch gemacht worden war, die Ausgabe von 1892 ins Schuldeutsch zu übertragen. Besonders seitens der Lutherforschung (Holl und Hirsch) wurde der Versuch als „Bibelbeschädigung" bezeichnet48. In verschiedenen Kreisen wurde jedoch die Forderung nach einer Neugestaltung der Lutherbibel laut. Professor Hermann Wolfgang Beyer, späterer Mitarbeiter der niedersächsischen Deutschen Christen beschäftigte sich in seinem Aufsatz „Luthers Bibelübersetzung" von 1929 mit der Frage. Er war der Ansicht, daß zeitgenössische Schriftsprache und leichte Lesbarkeit 44

D E U T S C H E ALLGEMEINE Z E I T U N G N r . 3 6 2 / 6 3 v o m 2 4 . 8 . 1 9 3 3 ( W . S t a r k ,

Neu-

ordnung und Vertiefung. Ein Wort zur kirchlichen Gegenwartslehre); vgl. auch K.-H. GÖTTE, P r o p a g a n d a , S. 2 2 5 . 45

F. WIENEKE, Deutsche Theologie, S. 49, 53; F. ENGELKE, Christentum deutsch, S. 17 ff. 48 Es waren vor allem das „Kriegserlebnis", aber auch das Erscheinen von Barths Römerbrief sowie das reformatorische Erbe, das zu einer neuen „deutschen Haltung" im Umgang mit der Bibel verpflichtete; vgl. F. ENGELKE, Christentum 47 deutsch, S. 15 ff. F. ENGELKE, Brief des Paulus; F. ENGELKE, Frei vom Gesetz. 48 H. W. BEYER, Luthers Bibelübersetzung, S. 358.

Die deutsch-christliche Gegenwartsbibel

165

nicht den wichtigsten Maßstab der Textgestaltung bilden sollten. Neue Grundsätze stellten für ihn die Repräsentanten der Lutherrenaissance Holl und Hirsch auf 49 . Das Verdienst Hirschs sei es gewesen, daß er auf der Grundlage von Holls Untersuchungen auf die Eigentümlichkeiten der Lutherbibelsprache hingewiesen habe. Hirsch habe herausgestellt, was Luthers Übersetzung „von allen anderen unterscheidet". Denn nach ihm sollte man das „Erneuerungswerk der Lutherbibel" so in die Wege leiten, daß man, „die Art des alten Werkes" erfassend, „aus ihr die Gesetze für alle Änderungen und Besserungen" zu entnehmen habe. Für die Wortwahl empfahl Hirsch, daß man sich „beschränkt . . . auf in Luthers deutscher Bibel Belegbares"50. Bei dieser Ehrfurcht vor der Lutherbibel konnten Forderungen des zeitgemäßen Sprachempfindens und „zeitgemäße" Ausdrücke nicht berücksichtigt werden. Gegen diese ausgesprochen restaurative Haltung verteidigte Karl Refer als Vertreter der dialektischen Theologie die praktischen Postulate der Schule, daß man die Bibel in die Schriftsprache hätte übertragen sollen und meinte: „Es könnte doch sein, daß in jener Forderung der Schule nicht nur das Bedürfnis des Unterrichts zum Ausdruck käme, sondern ein Hinweis auf die konkrete Lage der Gegenwart enthalten wäre." 51 Die Berücksichtigung des zeitgenössischen Verständnisses wäre deswegen „viel dringender und weitgreifender als die Frage der Änderung des Luthertextes nach dem Urtext". Eine in freier Ubersetzung entstandene Gegenwartsbibel wäre auch eine „sachlich unbedeutendere und ebenso darum auch unbedenklichere" Aufgabe 52 . Als sich die Deutschen Christen nach der Machtergreifung für die Bibelarbeit zu engagieren begannen, waren sie herausgefordert, sich zwischen dem freien und dem akademisch-restaurativen Ubersetzungsstil zu entscheiden. Unter den niedersächsischen Deutschen Christen schien sich die von Hirsch repräsentierte konservative Linie der Lutherrenaissance zuerst durchzusetzen 53 . In der in Verbindung mit Hirsch herausgegebenen theologischen deutsch-christlichen Zeit49

E b d . , S. 318.

50

Ebd.

12

51

K . REFER, Bibelübersetzung, S. 335.

Ebd. - Die Unterschätzung der theologischen Auswirkung einer freien Übersetzung mag daraus entstanden sein, daß Refer selbst diese Art der Übertragung schon in seinem Buch „Der Heiland" angewandt hatte. Das Textmaterial der synoptischen Evangelien war zusammengefaßt zu einer Art Evangelienharmonie, womit man die sich widersprechenden oder voneinander abweichenden Erzählungen vereinheitlichen konnte. Obwohl Refer sich eine „engere Verbindung des biblischen Textes mit der Gegenwart" zum Ziel gesetzt hatte, waren im Text im allgemeinen keine tendenziösen Umänderungen wie in den späteren deutsch-christlichen Umdeutungen der 30er Jahre zu finden. 53

M . NÖLDEKE, Lutherbibel, S. 133.

166

Kirchenerneuerung in der Literatur

schrift „Kirche und Volkstum in Niedersachsen" lehnte der Schulungsreferent im Gau Süd-Hannover-Braunschweig, Pastor Martin Nöldeke, die freien Übersetzungen von Menge, Matthias Simon, Karl Refer und Pfäfflin mit der Begründung ab, daß „ohne Luther und seine reiche Glaubenserfahrung . . . innere Erneuerung der deutschen Christenheit" nicht möglich sei54. Die Lutherbibel solle unangetastet bleiben und die freien Übersetzungen seien nur als „Einführung" zu nutzen 55 . Damit sollten anscheinend die in den Richtlinien der Deutschen Christen und in dem Ansbacher Ratschlag festgelegte Verpflichtung auf das lutherische Erbe eingelöst werden. 2. Die Bibelübertragung als Möglichkeit der schen Beeinflussung

tbeologisch-ideenpoliti-

Die Behandlung der von Reichsbischof Müller eingedeutschten Bergpredigt „Deutsche Gottesworte" in diesem Zusammenhang hat mehrere Gründe. Das Buch ist aus der gleichen ideenpolitischen Absicht wie Weidemanns Schrift „Das Evangelium Johannes Deutsch" entstanden: Einfluß in der Kirche durch Reformarbeit in einem traditionellen Aufgabenbereich (der Bibelübertragung) zu gewinnen. Nach der Zusammenarbeit auf dem kirchenpolitischen Gebiet im Jahre 1935 konzentrierten sich beide auf kirchliche Aufbauarbeit im Sinne der Deutschen Christen. Im Gefolge seiner Entmachtung durch das Gesetz zur Sicherung der DEK vom 24. September 1935 versuchte Müller, auf dem Gebiet der Bibelübertragung seine geistliche Führerrolle in der Deutschen Evangelischen Kirche zu beweisen, was die Unterzeichnung im Vorwort „Euer Reichsbischof" andeutet. Der Reichskirchenausschuß als offizieller Repräsentant der Deutschen Evangelischen Kirche fühlte sich angegriffen. Im Gesetzblatt der DEK, Nr. 10, 1936, wurde diese Unterschrift kritisiert und das Buch als „reine Privatarbeit des Verfassers" bezeichnet56. Die Reaktion auf die Müllerschen Versuche konnte aber auch nicht ohne Einfluß auf die Aufnahme der zwei Monate später erscheinenden Eindeutschung des Johannesevangeliums der Bremer Deutschen Christen sein. Außerdem wurden die Eindeutschungen Müllers und Weidemanns von ausländischen Beobachtern als Beispiele für Eindeutschungstendenzen in der Deutschen Evangelischen Kirche angesehen, wie die Schrift von H . C. Robbins aus dem Union Theological Seminary, New York, zeigt, eine Tatsache, die den obersten deutschen Kirchenbehörden nicht gleichgültig sein konnte 57 . M

Ebd. « AELKZ 69, 1936, 57

L. MÜLLER/H.

55

Ebd. 307; K. D. SCHMIDT, Dokumente II, S . 589. W E I D E M A N N , The Germanisation of the New Testament. S.

Bibelübertragung

167

Das Erscheinen von Müllers „Deutschen Gottesworten" paßte weder zu den kirchenpolitischen Plänen des Kirchenministers Kerrl, der die theologisch-kirchlichen Kontroversen zwischen Deutschen Christen und Bekennender Kirche (durch den Reichskirchenausschuß) auszugleichen suchte, noch in die Ziele seines nächsten deutsch-christlichen Partners, der Reichsbewegung unter Rehm. Zu dieser Zeit bemühte sich die Reichsbewegung um eine Korrektur ihres theologischen Image. Dem Reichskirchenausschuß war die Müllersche Bergpredigt ein Memento für die Unvereinbarkeit der theologischen Positionen. Verhängnisvoll für die Reichsbewegung wurde das Buch, weil es deren gleichzeitige theologische Erklärung unglaubwürdig zu machen versuchte. Müllers Eindeutschung erweckte das Mißtrauen der Mitte und lieh der Bekennenden Kirche Argumente gegen die Intentionen der Deutschen Christen. Die „Reformierte Kirchenzeitung" konnte feststellen, daß die Deutschen Christen den Reichsbischof niemals abgelehnt hatten und eine Ubereinstimmung deswegen grundsätzlich vorhanden sein müsse, ein Grund, die theologische Erklärung der Reichsbewegung nicht ernst zu nehmen. Der Versuch Rehms wurde als „Vernebelung" der eigentlichen Ziele diffamiert 58 . In dieser Situation mußte es zweckmäßig für Kerrl, die Mitte und die Reichsbewegung sein, sich mit allen möglichen Mitteln vom Reichsbischof zu distanzieren. Im Jahre 1935 war es Kerrl zwar nicht gelungen, Müller zum Rücktritt zu bewegen, praktisch war der Reichsbischof jedoch durch den Reichskirchenausschuß entmachtet. Er hatte seine Amtsräume aufgeben müssen und durfte keinerlei Amtshandlungen mehr vornehmen 59 . Andererseits konnte Kerrl ihn ohne Änderung der Kirchenverfassung nicht offiziell absetzen, weil das Reichsbischofsamt in der Reichskirchenverfassung vom 14. Juli 1933 verankert war. Obwohl Hitler seinen „Vertrauensmann" nicht mehr förderte und ihn nicht empfangen wollte, hielt man staatlicherseits ein Eingreifen in die Verfassung der Kirche für ausgeschlossen. So blieb eine für das Dritte Reich typische Situation bestehen, daß das Gesetz zwar nicht aufgehoben, aber praktisch überholt war. In dieser Lage war die Zerstörung auch der kirchlich-theologischen Autorität des Reichsbischofs

58 RKZ Nr. 29 vom 19. 7. 1936, S. 236 (W. Kolfhaus, Zur theologischen Auseinandersetzung zwischen der Kirche und den Deutschen Christen). Geheim hatte Kinder aber tatsächlich schon im Dezember 1934 verboten, sich Anweisungen Müllers zu fügen. Es lag aber keine einheitliche Ablehnung des Reichsbischofs vor (vgl. AEKD, A 4/96). Die Anordnung Kinders wurde in der Erklärung Weidemanns auf der Gauobmännertagung vom 12. 4. 1935 zitiert. 5

» I n f o r m a t i o n s - B e r i c h t N r . 5 5 v o m 7 . 1 1 . 1 9 3 5 ( B A KOBLENZ, Z S g . 1 0 1 / 2 8 ) .

168

Kirchenerneuerung in der Literatur

wichtig für den Reichskirchenausschuß, der damit freie Bahn für seinen eigenen kirchlichen Kurs gewinnen konnte. Der Müllersche Satz „Die Zeit des kirchlichen Dogmatismus geht zu Ende" mußte für die Männer des Reichskirchenausschusses höchst unangenehm sein, weil sie eben das Gegenteilige, eine Zusammenarbeit von Bekennender Kirche und Deutschen Christen auf der Bekenntnisgrundlage, erstrebten 60 . Der Reichskirchenausschuß stellte in insgesamt acht Punkten „Verfälschungen" Müllers fest; dazu gehörten die Beseitigung des „Unbedingtheitsanspruchs der Verkündigung Jesu" und der Verlust des eschatologischen Zuges, der am deutlichsten im Vaterunser-Gebet herauskommen sollte 61 . Von theologischer Seite verteidigte Pastor Karl Tiesler (Mülheim/Ruhr), in dieser Zeit Mitarbeiter der „Kommenden Kirche", die Müllersche „Verdeutschung" mit dem Hinweis auf Luthers „Übertragungsstil". Mit der freien Ubersetzung von Ps 90,10, durch die eine deutliche Sinnveränderung erfolgt sei, habe Luther nichts anderes getan als der Reichsbischof in seinem Entwurf. Bei Karl Bornhäuser fand Tiesler weitere Unterstützung für die „Verdeutschung" Müllers 62 . Die theologische Verurteilung Müllers schien nach Tiesler umso weniger berechtigt, als die Exegetik nicht zu einer einheitlichen Meinung über den Sinn der Bergpredigt gelangt sei. Nach Tiesler war der Reichskirchenausschuß in seinem Gutachten zu schwerwiegenden theologischen Entscheidungen gelangt, obwohl er nur „eine bestimmte theologische Deutung" verträte 63 . Wolfgang Tilgner hat die Entstehung der Volksnomostheologie in ihren ideengeschichtlichen Zusammenhängen untersucht und festgestellt, daß gewisse Abhängigkeiten in der Interpretation der Bergpredigt zwischen Wilhelm Stapel und Karl Bornhäuser vorliegen. Wie allgemein bei den Männern der nationalen Opposition der Kirche der Weimarer Republik, spielten die Erfahrungen des Krieges auch für sie eine wichtige Rolle. Für Stapel bedeutete der Krieg eine neue Beziehung zum Fichteschen Idealismus, den er nun mit seiner Christentums-Auffassung verbinden wollte. Das Ergebnis war eine „Theologie des Nationalismus", die er zuerst in seiner „Volksbürgerlichen Erziehung" und später im „Christlichen Staatsmann" vorstellte 64 . Gerade diese Volksnomostheologie blieb nicht ohne Einflüsse auf den Verlauf des deutschen Kirchenkampfes. Die Ähnlichkeit der Bergpredigt-Interpretation bei Stapel und L. MÜLLER, Gottesworte, S. 36. 6 2 Ebd., S. 737. K . D. SCHMIDT, Dokumente II, S. 589 ff. M Tiesler berief sich auf H . Windisch: „Der Sinn der Bergpredigt" (1929) und „Urchristentum" (ThR 5, 1933, S. 186 ff.; 239 ff.; 289 ff.; 319 ff.). " 4 W. STAPEL, Erziehung; W. STAPEL, Staatsmann. EO β1

169

Bibelübertragung

Bornhäuser wird erstens wegen der Gemeinsamkeiten mit den „Deutschen Gottesworten" Müllers und zweitens wegen der Apologie des damaligen Mitarbeiters der „Kommenden Kirche", Pfarrer Tiesler, interessant. Der rheinische Pfarrer hatte nämlich die theologische Differenz zwischen Müller und dem Reichskirchenausschuß als ungelöstes wissenschaftliches Problem hervorgehoben und behauptet, mit Hilfe der zeitgenössischen theologischen Literatur Müller unterstützen zu können. Es scheint mir wichtig, diese Behauptung kurz zu überprüfen. Von der Methode und der theologischen Qualität her waren die zunächst in Frage kommenden Werke - Karl Bornhäuser: „Die Bergpredigt, Versuch einer zeitgenössischen Auslegung" (1923); Wilhelm Stapel: „Der Christliche Staatsmann" (1932) und Ludwig Müller: „Deutsche Gottesworte" (1936) - unterschiedlich. Bornhäuser kam von der Religionswissenschaft und Exegetik her. Stapel war auf dem theologischen Gebiet Laie und hauptsächlich als völkisch-antisemitischer Publizist und Herausgeber des „Deutschen Volkstums" bekannt geworden. Was die „Verdeutschung" der Bergpredigt betraf, so war sie ohne wissenschaftliche Ambitionen in kurzer Zeit für volksmissionarische Zwecke niedergeschrieben worden. Der schwerste und auch beleidigendste Vorwurf des Reichskirchenausschusses gegen den früheren Reichsbischof und Schirmherrn der Deutschen Christen lautete, daß „im ganzen die angebliche ,Verdeutschung' der Bergpredigt in Wirklichkeit eine Judaisierung derselben" sei65. Interessant ist daran zuerst die Formulierung, denn sie zeigt, daß der Reichskirchenausschuß auf den Wertvorstellungen des nationalsozialistischen Staates aufbaute und für die Schlagkraft seines Gutachtens vom herrschenden Antisemitismus profitieren wollte. Dies geschah noch eindeutiger durch den später in Müllers Buch gebrauchten Ausdruck „Verjudung"6®. Inhaltlich rühren die Ausdrükke „Judaisierung" und „Verjudung" an den theologischen Kern der Auseinandersetzungen im Kirchenkampf: die Volksnomostheologie. Bei Müller wird den Forderungen Jesu dadurch der universale Anspruch genommen, daß die Bergpredigt als Teil eines jüdischen Volksgesetzes interpretiert wird, das einer „Verdeutschung", d. h. Umdeutung in die Wertvorstellungen der nationalsozialistischen Gesellschaft bedürfe. Die „entscheidende Tat Christi", an die Stelle des jüdischen Volksgesetzes die Unbedingtheit seiner Forderungen zu setzen, wurde - so der Reichskirchenausschuß - in der „Verdeutschung" von Müller „wieder rückgängig" gemacht. Dies sei dadurch geschehen, daß Müller die Forderung der Bergpredigt als „nur für die Volksgenossen ver• 5 K. D.

SCHMIDT,

Dokumente II, S. 593.

Ebd., S. 594.

170

Kirchenerneuerung in der Literatur

bindlich" erkläre. Statt des Gebotes Jesu: „Ihr sollt nicht widerstreben dem Übel" heißt es bei Müller (S. 16): „Es ist besser, mit den Volksgenossen so zu leben, daß ihr miteinander gut auskommt." 67 Wie die Bergpredigt einst dem jüdischen Volksnomos entsprochen hatte, so sollte sie auch jetzt in verdeutschter Form dem deutschen Volksnomos, d. h. den Wertidealen, Sitten und Gesetzen der Deutschen, entsprechen. Um sich dieser Relativierung der Bergpredigt zu widersetzen, gebrauchte der Reichskirchenausschuß den vielleicht stärksten negativen Begriff der nationalsozialistischen Gesellschaft, das Wort „Verjudung" 68 . Die durch Bornhäuser repräsentierte „zeitgenössische" Betrachtungsweise, auf die Pfarrer Tiesler in seiner Apologie der Müllerschen Bergpredigt hingewiesen hatte, verlangte, daß die Forderungen Jesu möglichst konkret aus dem damaligen Kulturmilieu verstanden werden sollten. Sie enthielten eine „Jüngerlehre", die aus praktischen, erfüllbaren Anweisungen an die Apostel bestand. Auch Hermann Strathmann bewertete dies positiv als neuen Ansatz Bornhäusers. Die Bergpredigt beinhalte „keine Ethik, sondern ganz konkrete Einzelanweisungen für das rechte Verhalten der Jünger in wichtigen Lebensbeziehungen"69. Die Apostel wurden hier an das Gesetz ihres Volkes gebunden. Von Bornhäusers Untersuchungen her kam Stapel zu der für die Volksnomostheologie entscheidenden Ansicht, daß das Gesetz, über das Jesus (Mt 5,17) spricht, keine allgemeingültige Forderung Gottes darstelle, sondern lediglich ein nationaljüdisches Volksgesetz. Die absoluten ethischen Maßstäbe und Bestimmungen des Dekalogs werden zum nationalbegrenzten religiösen Gesetz relativiert. Jedes Volk hat seinen Volksnomos und dementsprechende religiöse Vorstellungen. Neben dem Nomos Israels gibt es andere Nomoi der Völker, die „im Gewissen" als „heilige Tradition eines jeden Volkes" bewahrt werden und „in Brauchtum, Recht, Sittlichkeit sich darstellen". Das Gesetz gehört nicht zum dritten, sondern zum ersten Artikel, zur Schöpfungsordnung Gottes. „Das, was des Gesetzes, das, was wir zu tun haben, ist nicht im Evangelium gegeben, sondern es ist in der Schöpfung." 70 Das Gewissen ist biologisch bestimmt und nach Völkern verschieden: Jeder ist nur der jeweiligen Volksgemeinschaft verantwortlich für seine Taten 71 . Diese in der Barmer Erklärung (These 1) abgelehnte Volksnomos6 8 Vgl. W. DIECKMANN, Sprache, S. 105. Ebd., S. 593. THEOLOGIE DER GEGENWART, 1924, S. 182 ff. ™ W . STAPEL, Kapitel, S. 14. 7 1 W. STAPEL, Kirche Christi, S. 63. „Alle Ordnung kommt vom Staat, und alle Sittlichkeit ist durch die Physis, die natürliche Art bedingt" (S. 74). 67

68

171

Bibelübertragung

lehre wurde, wie die einzelnen Übertragungen erkennen lassen, durch Müllers „Verdeutschung" wieder aktualisiert. Die goldene Regel Mt 7,12: „Alles was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das sollt ihr ihnen auch tun", die Luther als Zusammenfassung des „natürlichen Gesetzes" bezeichnete, stellt Müller als zentrale Botschaft der Bergpredigt vor, in dem er diese Forderung als „das große Geheimnis wahrer Volksgemeinschaft und wirklicher Kameradschaft" bezeichnet. In dem einleitenden Satz wird die Regel mit dem Volksnomos verbunden: „Es ist eine göttliche Wahrheit, die euch selbst tief im Blute liegt, und die euch eure Väter übergeben haben." Der biologisch ermittelte Nomos des Volkes soll mit dem Willen Gottes übereinstimmen und „eine einfache Wahrheit, die doch Gottes ganze Größe umfaßt", bilden72. Zusammenfassend ist festzustellen, daß der zentrale Vorwurf des Reichskirchenausschusses bezüglich der Relativierung der unbedingten Forderungen Jesu indirekt die Interpretation Bornhäusers und Stapels traf. Der Vorwurf besagte, daß „in der Form einer scheinbaren .Verdeutschung' an die Stelle der Aussagen der Bergpredigt solche des heutigen natürlichen Denkens und Empfindens" gesetzt worden seien; damit werde geradezu das Gegenteil dessen ausgesagt, was im Urtext stehe73. An der Stelle vom Töten (Mt 5,21-22) scheint Müller jedoch dem exegetischen Hinweis Bornhäusers zu folgen, der erklärte, daß Jesus hier „seinen Schülern das gegenseitige Fluchen und Bannen verbietet, indem er ihnen sagt: ihr werdet dadurch zu Mördern" 74 . Bezeichnend ist, daß dieses Verbot für den Kreis der Jünger aufgestellt ist. Bornhäuser übersetzt die Stelle: „Wer seine Mitapostel als ,Widerspenstige' in die Hölle verdammt, gehört selbst in sie hinein." 75 Ähnlich verdeutschten auch Stapel und Müller 76 . Bornhäuser, Stapel und Müller gemeinsam ist, anstatt von „Töten" von „Mord" zu sprechen77. Die Forderungen der Bergpredigt über das Töten sollen nur für den Mord gelten. 72

K. D. SCHMIDT, Dokumente II, S. 593. Für den Ausgangspunkt des volksnomostheologischen Denkens hält E. HIRSCH die Kriegserfahrungen. „Die große Wende unseres Volkes ist uns dabei Lehrmeister gewesen. Das, was sie damals mit dem fremden, seltsam klingenden Begriff Volksnomos nannten, hat sich uns tiefer erschlossen" (Bergpredigt, S. 826). 73 74

76

K . D . SCHMIDT, D o k u m e n t e II, S. 5 9 1 . K . BORNHÄUSER, B e r g p r e d i g t , S. 7 0 .

75

Ebd., S. 6 9 .

„Wer seine Schüler in die Hölle verdammt, gehört selbst hinein" (W. STAPEL, Kirche Christi, S. 40). 77 L. MÜLLER, Gottesworte, S. 12. Vgl. auch K. BORNHÄUSER, Bergpredigt, S. 64: Mt 5,21 ff. „gilt zunächst nur für den Bruderkreis der Apostel. Wir haben also zu übersetzen: wenn einer von Euch seinem Mitapostel zürnt, dann begeht er ein Vergehen, das vor das Dreimännergericht gehört."

172

Kirchenerneuerung in der Literatur

Müller schreibt: „Du sollst keinen Meuchel-Mord begehen. - Ein solcher Mörder ist schuldig und muß zum Tode verurteilt werden." 78 An die Stelle des lebensschützenden Gesetzes, welches das Töten grundsätzlich verbietet, tritt nun das Verbot des „Meuchelmordes", die Todesstrafe wird befürwortet. Dem entspricht die Stapeische Auslegung des fünften Gebotes, nach der das Gebot „weder das Töten im Kriege noch das Töten durch Justiz, sondern lediglich den Mord im eigentlichen Sinn" verbietet 79 . Bornhäusers positive Beziehung zu der allgemein für legitim gehaltenen Gewaltanwendung in der Bergpredigt kommt in seiner Auslegung der berühmten Stelle (Mt 5,39) vom Widerstand gegen das Übel zum Ausdruck. Die Stelle gehört nach Bornhäuser zu den „am meisten und am gröbsten mißverstandenen Worten der Jüngerlehre" 80 . Jede Verallgemeinerung der ethischen Grundsätze aus dieser Perikope wird mit der Feststellung, daß es hier um „Fragen des Zivilrechts" gehe, die letzten Endes nur für die „Volksgenossen" ihre Gültigkeit haben könnten, zurückgewiesen. Diese Behauptung hatte außer einer exegetischen auch noch eine große politische Bedeutung, die sich in Bornhäusers Auseinandersetzung mit Tolstoi zeigt. „Welche ungeheure Bedeutung hat es gehabt, daß der russische Graf Tolstoi aufgrund einer von keiner Sachkenntnis getrübten Deutung des Wortes: ,ihr sollt nicht widerstreben dem Übel' (Mt 5,39) im Namen Jesu gegen den Krieg zu Felde gezogen ist. Wie viele Torheiten sind über die Unmöglichkeit der Erfüllung der Forderungen Jesu geredet worden, weil man ihre spezielle, zivilrechtliche Beziehung nicht kannte!" 81 Bornhäusers Engagement gegen Tolstois Pazifismus ist ein Beispiel dafür, daß die Stelle im Rahmen gewisser ideenpolitischtheologischer Gesamtkonzeptionen interpretiert wurde. In dem Maße, in dem sich das Engagement Bornhäusers auf die Kriegserfahrungen stütze, hatte sich auch früher gewisse gesamttheologische Konzeptionen auf diese Stelle gestützt. Zusammen mit Rom 12,21 war sie ein klassischer Beleg für die Forderung, mit Gutem dem Übel entgegenzuarbeiten 82 . 78

L. MÜLLER, Gottesworte, S. 12.

78

W. STAPEL, Kirche Christi, S. 133.

80

K . BORNHÄUSER, B e r g p r e d i g t , S. 9 2 .

81

Ebd.

82

Mit seiner Interpretation versuchte K. BORNHÄUSER, die Bergpredigt für seine Zeitgenossen zu „retten", was anscheinend eine Anpassung an die im Krieg gewonnene ethische Konzeption bedeutete (Bergpredigt, S. 1). Vom lutherischen Berufsethos her meinte auch P. ALTHAUS, daß das „Kriegserleben" mit der Bergpredigt in Einklang zu bringen sei. „Der Christ kann, auch bei der Vornahme rauher, harter Werke des Rechts-, Staats- und Kriegslebens völlig aus dem Geiste der Bergpredigt heraus leben" (Religiöser Sozialismus, S. 77). Der reformierte K. BARTH warf Althaus „Mangel an Distanzgefühl" und die „Verdunkelung des kritischen Charakters der Begriffe .Gemeinde' und .Schöpfung'" vor (Grundfragen S. 163). Die angeführ-

Bibelübertragung

173

In seinem Versuch, durch „Deutsche Gottesworte" die „Nationalsozialisten unter den Nichtchristen" anzusprechen 83 , war Müller den Wertidealen des Nationalsozialismus so weit nahegekommen, daß das Zentralorgan des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes, „Die Bewegung", vor „Gleichschaltungsversuchen"warnte 84 . In seinem Gesamturteil betrachtete der Reichskirchenausschuß die Sinnveränderungen in den „Deutschen Gottesworten" als so gravierend, daß sich der Reichsbischof damit aus der christlichen Kirche ausschließe. Trotz dieses theologischen Gutachtens 85 , in dem die bekenntniswidrigen Sinnveränderungen verurteilt wurden, war über die „praktische Bedeutung . . . noch nicht entschieden"8®, was wegen der leichten Verständlichkeit dieser „Eindeutschung" für die Zeitgenossen und besonders für die Jugend zu erwarten gewesen wäre. Schon drei Jahre später war zu bemerken, wie die Sinnveränderungen parallel zum Eindringen der nationalsozialistischen Ideologie in die Gesellschaft allmählich ihren anstößigen Charakter verloren. In der „Theologischen Literaturzeitung" meinte Eisenhuth, daß Müller „das Entscheidende . . . gelungen" sei und das Buch „vielen den stillen Dienst leisten" könne, „daß sie wieder zum Neuen Testament greifen". Daß der von Müller vorexerzierten Eindeutschung die Zukunft gehöre, ergibt die Zusammenfassung des Rezensenten: „Aus allem wird deutlich, auch aus den ersten Einwendungen, daß ein solcher Versuch dringend notwendig ist und auch weiterhin für andere Teile des Neuen Testaments gewagt werden muß." 8 7 Je mehr die nationalsozialistische Ideologie alle Schichten der Gesellschaft beeinflußte und durchdrang, desto schwieriger wurde es, die Verfälschungen Müllers wahrzunehmen, weil einige Wertideale der „Verdeutschung" inzwischen selbstverständlich geworden waren. ten Beispiele zeigen, daß in den „zeitgenössischen" Auslegungen der Bergpredigt gewisse Ähnlichkeiten zwischen Bornhäuser, Stapel und Müller vorhanden waren. Bei allen war der Trend zu bemerken, die Bergpredigt so zu interpretieren, daß sie dem Pazifismus keine Unterstützung geben konnte, sondern vielmehr geeignet war, die im Krieg entstandene Verhärtung der ethischen Grundsätze zu untermauern. 8 3 W. STAPEL, Bergpredigt des Reichsbischofs S. 477. 84 A E L K Z 69, 1936 zitiert das Zentralorgan des NS-Studentenbundes „Die Bewegung": „Nein, lieber Zeitgenosse, so einfach ist die Gleichschaltung alter Texte ja nun doch nicht: Verbrämung alter Begriffe mit modernem Zierat ist weder revolutionär noch nationalsozialistisch, sondern Fälschung" (Sp. 1053). 85

K . D . SCHMIDT, D o k u m e n t e I I , S . 5 9 4 .

A. ALLWOHN erzählt von der Reaktion eines Amtsbruders. Dieser soll gesagt haben, daß Allwohn „theologisch sicherlich recht habe, daß aber die praktische Bedeutung dieser Verdeutschung damit noch nicht entschieden" sei (Kirche im Angriff, S. 226). 8 7 Η . E. EISENHUTH, Rezension von L. Müller, Deutsche Gottesworte. 86

174

Kirchenerneuerung in der Literatur

In der „verdeutschten" Fassung konnte die Bergpredigt die antichristliche Ethik der nationalsozialistischen Gesellschaft nicht mehr entlarven, sie betonte jetzt vielmehr ihre Vereinbarkeit mit der Bibel. Müller erklärte: „Unser Volk hat J a ' gesagt zu dem ungeheueren Wagnis des Glaubens an eine Politik, von der ich zu sagen wage, daß sie zum Geiste der Bergpredigt stimmt, und mit dem der Führer Europa vom Rande des Abgrundes zu retten versucht. Diesem Volk bin ich verschworen. Es lebt in seinem politischen und wirtschaftlichen Bestände vom Wagnis des Glaubens - was in der Bergpredigt gefordert wird, ist ein Wagnis des Glaubens im Alltag, in der inneren Haltung innerhalb unserer Volksgemeinschaft, in der Kameradschaft." 88 Soweit die Zeitgenossen dies glaubten, bedeutete die Bergpredigt nichts anderes als eine christliche Legitimierung der Politik Hitlers. Mit den ersten und berühmtesten Eindeutschungen der Deutschen Christen - „Das Evangelium Johannes Deutsch" von Weidemann und den „Deutschen Gottesworten" von Ludwig Müller - werden die zentralen theologisch-ethischen Probleme der Kirche im Dritten Reich angeschnitten: Judenfrage, Frage der Gewalt und Verhältnis zwischen Kirche und Staat. Daß Weidemann die Wahl des Johannes-Evangeliums für den ersten Versuch mit dem theologischen Argument begründete, Luther habe das Johannes-Evangelium als „Hauptevangelium" verstanden, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses Evangelium seine Aktualität in der scharfen Ablehnung des pharisäischen Judentums hatte. Am Rande gestand Weidemann selbst, es gebe Antwort auf „die entscheidende Frage, die heute an das Christentum gerichtet" werde, nämlich wie „sein Verhältnis zum jüdischen Geist" zu verstehen sei89. Hier lag seine über die religiöse Problematik hinausgehende politische Bedeutung. Dadurch, daß das Johannes-Evangelium auch von Hitler - als Hauptquelle für allerlei antijudaistische Interpretationen des Christentums benutzt worden war 90 , gewann die Übertragung auch außerhalb des kirchlichen Rahmens an Bedeutung. So erklärt sich auch Himmlers Interesse für das Unternehmen, auf das schon hingewiesen worden ist91. Zur gleichen Zeit, Anfang des Jahres 1935, als Christian Kinder Weidemann zu seinem Nachfolger machen wollte, hatte sich in Bremen ein Arbeitskreis gebildet, der sich die Aufgabe stellte, erst das Jo88

L. MÜLLER, Für und wider die Gottesworte, S. 8. H. Weidemann, Evangelium Johannes (KOMMENDE KIRCHE Nr. 12 vom 13. 12. 1936, nachgedruckt in: So sieht die kommende Kirche aus, S. 9 ff.). „Hier im Johannes-Evangelium aber erreicht der Kampf dagegen, der durch die ganze Bibel hindurchgeht, ohne Zweifel seinen Höhepunkt" (ebd., S. 11). 90 91 K. SCHOLDER, Kirchen, S. 6. Vgl. oben S. 74. 89

Bibelübertragung

175

hannes-Evangelium und dann weitere Schriften des Neuen Testamentes zu übertragen 92 . Zu dieser ab Februar zusammenkommenden Gruppe gehörte neben Refer u. a. Pastor Schultheiß von der Inneren Mission 93 . In einem Aufsatz „Die Aufgabe einer deutschen Bibelübersetzung" erklärte Refer die Arbeitsprinzipien des Kreises und wollte die Verbindung zu den in den 20er Jahren entworfenen Bibelerneuerungsplänen herstellen 94 . Der damalige Vorwurf von der Verkennung der Aufnahmefähigkeit der Gemeinden, der gegen die Sprachwissenschaftler gerichtet war, wurde in radikalerer Form wiederholt. Auch die freien Übersetzungen seien in dieser Hinsicht gescheitert und hätten nicht das Richtige getroffen. Sie litten daran, „daß sie den Abstand zwischen der Bibel, auch der Lutherbibel, und uns nicht ernst genug nehmen" 95 . Refer hatte im Jahre 1928 mit Bezug auf wissenschaftliche Bibelübersetzungen darauf hingewiesen, daß die nach strengen wissenschaftlichen Prinzipien vollzogenen Korrekturen „Schaden" an der „Sache" bringen würden 96 . Jetzt vermutete er ohne Umschweife, daß diese Versuche unter einer falschen Vorstellung vom Charakter der Bibel litten und im Grunde eine fundamentalistische Auffassung repräsentierten. „Die sogenannten worttreuen Übersetzungen leben von der üblichen Verwechselung des Wortes Gottes mit seiner menschlichen Bezeugung in der Bibel und müssen deshalb immer wieder neue Enttäuschung bereiten", kritisierte Refer 9 7 . Aus dieser „Buchstabenorthodoxie" wollte sich der Arbeitskreis mit Hilfe des lutherischen Prinzips vom „Dolmetschen" befreien. Die Worttreue wurde als „fremdes Gesetz" mit dem von Luther bekämpften „römischen Gesetz" gleichgesetzt 98 . Aus kirchenpolitischer Sicht schien es notwendig, daß „die Nichtunterscheidung zwischen der ewigen Gottesbotschaft und ihrer menschlichen Uberlieferung in der Bibel . . . erst die Voraussetzung für den Kampf des völkischen Bewußtseins gegen die Bibel" zu sein hätte 99 . Der Arbeitskreis glaubte deswegen, mit seiner „rechten Unterscheidung" einen apologetischen Dienst für die Kirche leisten zu können 100 . Dadurch schienen nämlich einige völkische Vorwürfe als 92

DEUTSCHES PFARRERBLATT N r . 7 , 1 9 3 6 , S . 1 0 6 .

Heinrich Schultheiß, geb. 28. 7. 1886, gest. 23. 7. 1961, seit 1926 Pastor in Gröpelingen. 93

94

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 2 v o m

95

Ebd.

β

13.12.1936.

» K . REFER, B i b e l ü b e r s e t z u n g , S. 3 4 2 .

9 8 Ebd. 9 9 Ebd. Vgl. Anm. 94. Ebd. - Die Gedanken Refers werden in einer von W . Künneth herausgegebenen „Stoffsammlung für Schulungsarbeit" als „Verfälschung der Bibel" bezeich97

100

n e t ( D A S GESICHT DER „DEUTSCHEN C H R I S T E N " , S . 5 ) .

176

Kirchenerneuerung in der Literatur

gegenstandslos nachgewiesen zu sein. Die methodischen Fragen des Arbeitskreises lauteten: „Was ist gesagt? Was ist gemeint? . . . In welchem Gewände versteht der Deutsche von heute den Sinn?" 101 Wegen der erwähnten Abneigung gegen genaues sprachwissenschaftliches Arbeiten lag der Hauptakzent auf den zwei letzten Fragen. „Wie es in der Reformation hieß: ,Es steht geschrieben', so muß es heute in der Kirche der Reformation heißen: ,Es ist uns darin gesagt'", lautete die grundlegende Regel. Je mehr Refer aber den Unterschied zwischen dem „Wort, das Träger des Geistes ist", und „dem Buchstaben, der tötet", betont, schwächt er den verpflichtenden Charakter des Bibeltextes ab und erleichtert damit den inhaltlichen Wandel nach einer ganz bestimmten Prädisposition 102 . In deutsch-christlichen Kreisen galt die altsächsische Evangelienharmonie „Heliand" als artgemäße Form einer Evangelienüberlieferung. Daß es seitdem im Verständnis der biblischen Begriffe zu erheblichen Veränderungen gekommen war, wollte Refer u. a. mit dem Wort „Heliand" beweisen. „Vom ,Heliand' bis zum ,lieben Heiland' war ein weiter Weg", stellte er fest und kontrastierte damit zwei wichtige theologiegeschichtliche Phasen: die Zeit der Germanenmission und die des Pietismus. Daß der letztere abgelehnt und der erstere als Vorbild aufgenommen wurde, belegt auch die Wortwahl für die Übertragung. Wegen des vom Pietismus geprägten Wortverständnisses konnte man nicht mehr „Heiland" sagen, sondern mußte den „Nothelfer"-Charakter des neutestamentlichen soter anders ausdrükken, wie: „der das Heil bringt" oder „der Heilbringer" 103 . Diese Wortwahl bezeichnet die große Wandlung Refers innerhalb von zehn Jahren: Noch 1924 hatte er seiner Bibelübertragung den Namen „Der Heiland" gegeben104. Anstelle der von Luther gebrauchten Wörter „Meister und Jünger" wird nach dem mittelalterlichen Gefolgschaftsgedanken von dem „Herrn und seiner Gefolgschaft" oder dem „Herrn und seinen Ge101

Vgl. Anm. 94. Ebd. - Zwar wird nicht wie bei den Spiritualisten die Unabhängigkeit des „inneren Wortes" von dem äußeren Wort behauptet, aber der Verlust der Unbedingtheit des Wortes ist offensichtlich, wonach eine Uminterpretation nach eigener ideenpolitischer Konzeption erfolgen kann. So glaubt Refer, den „tötenden Buchstaben" mit der „hellenistisch-jüdischen Überlieferung" der Bibel identifizieren zu können. Den aus dem christlichen Standpunkt hervorgegangenen Widerspruch gegen diese Form der Überlieferung verbindet Refer mit den völkischen Forderungen, das „Artfremde" aus der kirchlichen Tradition zu entfernen. Die exegetisch-theologische Kategorie „hellenistisch-jüdische Überlieferung" wird mit der ideologischen Kategorie der Artfremdheit verbunden. So muß eine ideenpolitische Konzeption in den Korrekturen die Selbständigkeit des Wortsinns gefährden (vgl. P. MEINHOLD, Luthers Sprachphilosophie, S. 34). 102

105

V g l . A n m . 94.

104

K . REFER, H e i l a n d .

Bibelübertragung

177

treuen" gesprochen; Ausdrücke, die zum Heliandschen Sprachgebrauch gehören105. Bei diesen beiden Beispielen handelte es sich noch nicht um schwerwiegende theologische Sinnveränderungen. Anders lag es bei den zentralen dogmatischen Begriffen wie „Sohn Gottes", „des Menschen Sohn", „Heiliger Geist", „Jüngster Tag", „Ewiges Leben", die nach Meinung des Bremer Arbeitskreises „nicht nur unverständlich, sondern unausweichlichem Mißverstehen verfallen waren" 106 . In seiner Kritik an den Eindeutschungen von Müller und Weidemann hielt Prof. Robbins (New York) „Das Evangelium Johannes Deutsch" für gefährlicher, weil die Form der freien Ubersetzung weniger deutlich den ideenpolitischen Trend zu erkennen gebe107. Dem amerikanischen Wissenschaftler sind zwei Merkmale der Schrift Weidemanns charakteristisch: Versuch der besseren Verständlichkeit und Anpassung an die nationalsozialistische Ideologie. Eine klare Abweichung vom Sinn des Textes gab es nach Robbins in der Übertragung der Stelle von Joh 2,11. Statt: „Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn", hieß es bei Weidemann: „Dies Gleichnis von den jüdischen Wasserträgern und dem neuen Wein des Evangeliums war das erste von den Zeichen, 105

Vgl. Anm. 94. „Das Lamm ist ganz unsentimental das Opfertier . . . Das Christentum aber ist nicht eine Religion, sondern Erfüllung aller Religionen. Das zeigt sich auch darin, daß es das ganze Opferwesen der Religionen dadurch überwunden hat, daß alle Opfer von Gott eingelöst und erfüllt sind durch das eine Opfer, in dem Gott Jesus Christus der Welt zum Heil gegeben, und das Jesus Christus selbst in seinem freiwilligen Opfertode auf sich genommen hat. Das Lamm, das geopfert wird, und der Priester, der opfert, sind hier zu Einem geworden und haben so das Ganze aufgehoben und überwunden." Aus dieser theologischen Begründung kam Refer zu dem Schluß: „In unser Verständnis übersetzt heißt das Wort von Gottes Lamm: ,Das ist Gottes Auserwählter, der durch sein Opfer der Welt das Heil bringt'" ( K . REFER, Bibelworte, S. 14). 107 „Dr. Weidemann's Version of the Gospel of St. John gives the appearance of being a free translation into idiomatic German. For this reason its ideological bias is at once less evident and more dangerous" ( L . M Ü L L E R / H . WEIDEMANN, Germanisation of the New Testament, Vorwort). Daß von Robbins das Unternehmen keineswegs als repräsentativ für die Bestrebungen der ganzen Pfarrerschaft betrachtet wurde, ergibt sich aus einer interessanten Mitteilung über die politische Haltung der evangelischen Pfarrer im Dritten Reich. Nach Informationen von Robbins hatte jeder zehnte Pfarrer in Deutschland den Staat abgelehnt und die Konsequenzen daraus erlitten. Es handelt sich hier wahrscheinlich um eine Vereinfachung der Situation. Für oder gegen den Staat, war eine Alternative, die in Wirklichkeit selten so klar hervortreten konnte. Nach Robbins versuchten zwei Drittel der Pastoren, in der Stille abzuwarten, bis die Tyrannei vorbei sei. Die anderen - die Deutschen Christen - bemühten sich wie Müller und Weidemann, das Christentum mit der NSIdeologie zu harmonisieren. 106

12

H e i n o n e n , Anpassung

178

Kirchenerneuerung in der Literatur

durch die Jesus bezeugt, daß in ihm Gottes Heil und Herrschaft zu allen Menschen kommt." Anstößig für Robbins war hier die Allegorisierung des Weinwunders („neuer Wein des Evangeliums"), durch die „Wunder" zu Symbolhaftem wurde 108 . Es läßt sich daran erkennen, wie leicht auch der Kritiker in der Beurteilung der Verdeutschung von seiner eigenen theologischen Auffassung ausging. Um die prinzipielle Erörterung über die Auslegung des Johannes-Evangeliums zu vermeiden, versuche ich zunächst nur auf eine begrenzte theologische Interpretation einzugehen. Nicht ohne Grund sieht Robbins einen „anti-semitism" als zentrale Tendenz der Umdeutung. Er macht aber keinen Unterschied zwischen dem rassistischen Antisemitismus und dem religionskritischen Antijudaismus, was jedoch notwendig scheint, um der Sache gerecht zu werden 109 . Besonders kommt der Antijudaismus in der Behandlung des alttestamentlichen Stoffes zum Ausdruck. Das Alte Testament wird innerhalb des Neuen Testamentes nicht mehr zitiert, und die hebräischen Personen- und Ortsnamen werden vermieden, wie in Joh 1,47, wo der von Nathanael gebrauchte Ausdruck „ein rechter Israelit" umgeformt worden ist: „Als Jesus ihn kommen sieht, redet er ihn an: Du bist ein echter Gottesmensch in deinem Volk!" In der Begrüßung am Palmsonntag (Joh 12,13) wird der „Hosianna"-Ruf durch „Heil" ersetzt. Die antijudaistische Haltung führte an einigen Stellen zu neuen theologischen Interpretationen. Wo die Bedeutung Israels für die Heilsgeschichte berührt ist, wird der Gedankengang einfach verändert. Jesu Worte an die Samariter „Ihr wisset nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten, denn das Heil kommt von den Juden" (Joh 4,22) wurden bei Weidemann so wiedergegeben: „Die Juden wissen wenigstens um den Gott, von dem allein das Heil kommt." Hier ist das Prinzip des Arbeitskreises „Wir Deutsche glauben an Gottes Heil, aber an kein Heil von den Juden" praktiziert 110 . Noch deutlicher werden die Ansprüche des völkischen Antisemitismus an der Stelle der Jüngerberufung berücksichtigt. In Joh 1,46 wurde Nathanaels Frage „Was kann von Nazareth Gutes kommen?" so wiedergegeben: „Aus Nazareth? Seit wann kommt das Heil von den Heiden?" Dieser Umformung liegt die Theorie von H. St. Chamberlain zugrunde, daß Galiläa von den Heiden, d. h. Nichtjuden bewohnt war und Jesus deswegen kein Jude sein konnte 111 . Die Theo108

Ebd.

109

V g l . K . SCHOLDER, K i r c h e n , S. 6 .

»® Vgl. Anm. 94. 111

V g l . L . M Ü L L E R / H . WEIDEMANN, G e r m a n i s a t i o n o f t h e N e w T e s t a m e n t , S . 1 1 .

Bibelübertragung

179

rie des völkischen Antisemitismus von der „arischen" Herkunft des Christentums findet durch diese Umdeutung Einlaß in die Bibel. Neben der Anpassung an den Antisemitismus der nationalsozialistischen Gesellschaft gibt es - wie Robbins bemerkte - noch eine zweite Form der Abweichung vom Urtext: die Umdeutung zentraler christlicher Termini oder den Verzicht auf sie. Die zur Rechtfertigungslehre gehörenden Begriffe „Sünde" und „Gnade" werden entweder vermieden oder in einem veränderten Sinn gebraucht 112 . In den zentralen Versen Joh 3,13-17 ist eine Reihe solcher Wandlungen festzustellen, die theologische Bedeutung haben. Bei Weidemann heißt es: „Niemand dringt bis in die Tiefe der Gottheit außer dem Einen, der selbst von Gott kommt und ein Mensch auf dieser Erde geworden ist. Dieser Eine Auserwählte Gottes muß vor allen Menschen herausgehoben werden; denn ihm hat Gott Vollmacht gegeben, alle, die an ihn glauben, von der Not des Todes zu lösen. Das ist die Liebe Gottes, daß er der Welt sein heilbringendes Wort in diesem Einen Auserwählten gab, nicht um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten."113 Den Veränderungen liegt der Grundsatz zugrunde, daß das Neue Testament ohne das Alte verstanden werden kann. Der eschatologische alttestamentliche Ausdruck „Menschen Sohn" und der Name des Patriarchen werden vermieden. Die Vorstellung von dem „eingeborenen Sohn", den Gott „liebt", ist in die Bezeichnung „dieser Eine Auserwählte Gottes" oder „der selbst von Gott kommt" umgeändert. An die Stelle des „ewigen Lebens", das alle, die an Christus glauben, erreichen, ist eine konkrete Gabe des Glaubens, „von der Not des Todes" zu erlösen, getreten. Auch in anderen Stellen ist das „ewige Leben" mit dem „wirklichen Leben" (Joh 5,24,39; 6,40; 17,3) oder dem „Leben, das nicht vergeht" (Joh 6,54; 12,50), wiedergegeben. Die größere Aktualität ist auf Kosten der Gedanken von Transzendenz und christlicher Eschatologie erreicht. An die Stelle der Lehre von der Trinität (eingeborener Sohn) ist der Gedanke der Erwählung Gottes (Auserwählter Gottes) - im Dritten Reich keine unbekannte Bezeichnung - und an die Stelle des „ewigen Lebens" die Befreiung von der Todesangst (Not des Todes) getreten. In der Wiedergabe von Joh 1,12-13 nähert sich der Stil der Übertragung stark dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch und der entsprechenden Gedankenwelt, was der Mangel des TranszenDer Unterschied zwischen den galiläischen „Heiden" und den Juden wird weiter im Text verfolgt, wie etwa in Joh. 1,45: „Der Galiläer Philippus trifft den Juden Nathanael", womit die zwei Jünger hier als Repräsentanten zweier Volksgruppen vorgestellt werden. 112 113 Ebd., Vorwort. Hervorhebung vom Verfasser. 12·

180

Kirchenerneuerung in der Literatur

denzbegriffes begünstigt. Statt: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben; welche nicht von dem Geblüt noch von dem Willen des Fleisches noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind", heißt es bei Weidemann: „Denen aber, die ihn aufnahmen und an seine Vollmacht glaubten, verlieh er die Freiheit, Gottesmenschen zu werden. Solche Menschen sind nicht bloß nach dem Geheimnis des Blutes geboren, noch aus irdischer Leidenschaft, noch menschlichem Willen; denn sie empfangen ein neues Leben aus Gott." Nicht zu Unrecht stellte die „Theologie der Gegenwart" fest, daß der Sinn der Wendung durch die Einführung des „bloß" in das Gegenteil verkehrt worden sei 114 . Statt von der geistigen Wiedergeburt zu reden, betont der Satz mit dem der nationalsozialistischen Sprache geläufigen Ausdruck „Geheimnis des Blutes" die Bedeutung der Rasse 115 . Verschwunden sind aber die eschatologische Erwartung des „Jüngsten Tages" und des „ewigen Lebens" wie die christlichen Symbole „Fleisch und Blut" als Zeichen der Gottesgegenwart. Wenn Otto Dibelius die Umdeutungen Müllers als Aufklärung des 18. Jahrhunderts betrachtete, so gilt das gleiche für Weidemanns „Ubersetzung" 11 ®. Bei dem legitimen und wahrlich nicht leichten Versuch, die Bibel für die nationalsozialistischen Zeitgenossen zu übersetzen, war man in verschiedenen Formen zur Preisgabe des christlichen Jenseits gelangt. Trotz eifriger Publikation der positiven Rezensionen war der „Ubersetzung" kein großer Erfolg beschieden 117 . Das Irrlehregutachten des Reichskirchenausschusses gegen Müllers „Deutsche Gottesworte" war dabei nicht ohne Bedeutung. Erbittert klagte Weidemann seine Kameraden an, daß sogar sie sein Unternehmen nicht unterstützt hätten. Es gab eine „Reihe" von ihnen, die seine „Übertragung" nicht besprochen, „ja nicht einmal angezeigt" hatten 118 . Man war zwar bereit, die Absicht des Arbeitskreises, eine zeitgemäße Übertragung zu erarbeiten, anzuerkennen, aber die Verwirklichung schien nicht zu befriedigen 119 . Weidemann zog daraus die Konsequenz; in der ein Jahr später (1937) gegründeten Bremer Bibelschule 1937, S. 166. „Blut bedeutet uns, in unserer gesamten Betrachtung, nicht etwas nur Leibliches, sondern: Seele in artlicher Verbundenheit mit ihrem Ausdrucksfeld dem Leibe" (C. F. CLAUSS, Rasse und Seele, S. 147, zitiert bei C. BERNING, Abstammungsnachweis, S. 42). „Blut" gehörte zu den „mythischen Zentralbegriffen" des Nationalsozialismus (ebd.; vgl. auch C. BERNING, Sprache, S. 174). « · J K 4, 1936, S. 313-321, 320. 114

115

117

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 1 v o m 1 4 . 3 . 1 9 3 7 .

118

Ebd., N r . 36 vom 5. 9. 1937 (H. Weidemann, Fahrlässige Kritik).

119

THEOLOGIE DER GEGENWART, 1 9 3 7 , S . 1 6 6 .

Lieder

181

wurden Fragen der deutsch-christlichen Eindeutschung auf andere Weise behandelt.

3. Lieder als Träger deutsch-christlicher

Bestrebungen

Es verwundert nicht, daß die Deutschen Christen sich besonders auf dem Gebiet der Erneuerung des Kirchenliedes engagierten. Alte, umgestaltete und auch neu verfaßte Kirchenlieder gaben die Möglichkeit, dem Bewußtsein des Kirchenvolkes die eigenen Frömmigkeitsideale und Zielsetzungen einzuprägen. Die alten Gesangbücher in ihrer theologischen Heterogenität boten - etwa in ihren nationalistisch orientierten Liedern - Anknüpfungspunkte für die Deutschen Christen auf ihrem Weg aus der Tradition in die Gegenwart. Vorbild für die Bremer Bemühungen waren die Lieder der thüringischen Deutschen Christen, die Ende der 20er Jahre im Pfarrerund Lehrerkreis des Wieratales aufgekommen waren und 1933 unter dem Titel „Unsere Kampflieder" erschienen. Die Auswahl umfaßte geistliche Kirchenlieder und Volks- und Kriegslieder vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg; Lieder der SA und der H J befanden sich ebenfalls darunter. Zur Galerie der Textdichter gehörten u. a. Ernst Moritz Arndt, Friedrich Silcher, Hermann Löns, Ricarda Huch und auch der SA-Dichter Heinrich Anacker. Der jugendliche Stil dieser Dichtungen und der soldatische Rhythmus der Melodien konnten in besonderen Maße die der Kirche entfremdeten Arbeiter- und Jugendkreise ansprechen120. Die scheinbare Kirchenfreundlichkeit des Staates und der Partei im Jahre 1933 vergrößerten das Bedürfnis nach einem Liederbuch dieser Art. Nach dem Vorschlag von Helmut Storch (Hannover) sollte ein „Feldgesangbuch für die NS-Organisationen, Stahlhelm, kirchliche Jugendverbände des evangelischen Deutschland, ähnlich wie wir es im Kriege gehabt haben", geschaffen werden. Das gewünschte „Geleitwort des Reichskanzlers und des Reichsbischofs" sollte die Zusammenarbeit der Kirche mit dem Staat betonen, ein Wunsch, an dessen Erfüllung man nur in der Ausnahmesituation des Jahres 1933 ernstlich denken konnte 121 . Wie schon angedeutet, gab die 1. Reichskirchentagung für Niederdeutschland vom September 1935 in Bremen den entscheidenden Anstoß für die niedersächsischen Bemühungen, das deutsch1 2 0 H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 49. Die Abhängigkeit von dem Thüringer Vorbild wurde offen zugegeben; vgl. KOMMENDE KIRCHE N r . 6 vom 5. 2. 1939 (E. Hirsch, Die Lieder der kommenden Kirche). 181

K I R C H E UND VOLKSTUM IN NIEDERSACHSEN N r . 9 v o m 1 5 . 1 2 . 1 9 3 5 ( B e r i c h t a u s

Hannover).

Kirchenerneuerung in der Literatur

182

christliche Liedgut zu sammeln. Die führende Position bei der Liturgieerneuerung hatte Pastor Walter Schomburg, St. Remberti, Bremen 122 ; für die Gestaltung der Lieder war der Domorganist Richard Liesche zuständig. Seine Mitarbeit bei Weidemann war kein unwesentlicher Faktor für die positive Aufnahme der Lieder. Durch Konzerte, u. a. im Ausland, hatte sich der von ihm geleitete Domchor den Ruf erworben, einer der besten deutschen Chöre zu sein 123 . Begeistert von den neuen Liedern schrieb Dr. Boll (Hamburg): „Hier war der Feldzug zu Christus auf den Lippen eines kämpferischen Geschlechtes! Hier fühlten wir das Neue! Hier sahen wir unsere Wirklichkeit!" 124 Für die Frömmigkeit deutsch-christlicher Prägung spielten die Lieder tatsächlich eine wesentliche Rolle. Wie einst in der Reformation sollte der Gemeindegesang entscheidend zum Wandel der religiösen Vorstellungen beitragen. Programmatische Erläuterungen über die Rolle des neuen Gemeindeliedes in der Kommenden Kirche gab der Landespropst und spätere Professor Fiedler in einem Vortrag über „die Wandelbarkeit der gottesdienstlichen Formen" auf der 1. Reichskirchentagung 125 . Er betrachtete die Entwicklung des evangelischen Kirchenliedes von einem dogmengeschichtlichen Standpunkt aus und wies auf die theologischen Veränderungen in der Lieddichtung seit der Reformation hin. Jede Zeit habe ihre eigenen Lieder mit eigenen dogmatischen Akzenten. In den Lutherliedern käme noch das „kindlich-vertrauende und heroisch-kämpfende Rittertum" 1 2 6 zum Ausdruck, aber besonders durch den Einfluß des Pietismus sei diese Polarität von Aktivität und Passivität verschwunden. „Von Luthers Glaubensganzheit ist die negative Seite bei der Kirche geblieben, die positive hat im Preußentum deutsche Geschichte geschaffen." 1 2 7 Die Gesangbuchreform ist hier weitgehend dogmatisch motiviert, wobei aber die theologischen und politischen Kategorien durcheinandergeraten. Das neue Lied sollte helfen, der Kirche ein neues theologisches Profil im Sinne der Deutschen Christen zu geben. „Hier liegt unsere Aufgabe als Deutsche Christen: das aktive, positive Christentum wieder zu seinem Recht zu bringen, das protestantische Christentum aus seiner Ergebenheits-, Verzichts- und Grabenkriegs-Haltung wieder hochzureißen zum tatenstarken Heroismus, 122 125

W. SCHOMBURG, Morgen- und Abendfeier. F. PIERSIG, Richard Liesche (Bremische Biographie, S. 316 f.).

124 M I T T E I L U N G S B L A T T D E U T S C H E C H R I S T E N N I E D E R S A C H S E N N r .

10 vom

1.

10.

1935 (Bremen - was es uns hielt und was es uns verspricht. Die erste Reichskirchentagung für Niederdeutschland). 125

G . FIEDLER, Wandelbarkeit.

» » Ebd., S. 13. 127 Ebd., S. 14.

Lieder

183

zum wagenden Mut, ins gestaltende Leben und in ihm wieder eine Zeit heraufzuführen, die singen kann." 128 Die Gefahr, die solche Sätze enthalten, schien Fiedler selbst vorauszusehen, wenn er versicherte, daß „die Kirche unter keinen Umständen die Sünde des Menschen und das Kreuz verharmlosen" dürfe. „Wir wollen alles andere als liberale Verwässerung oder knochenlosen Kulturprotestantismus." 129 Wo der Erfolg der neuen heroischen Auffassung des Christentums, die sich in den Liedern spiegeln sollte, zu erwarten war, glaubte er zu wissen. „Mit einem aber dürfen wir rechnen, nämlich damit, daß Volk und Jugend aufhorchen werden, wenn unser positives, aktives Christentum in Liedern Gestalt gewinnt, die nach Inhalt und Ton den Rhythmus unserer Zeit tragen." 130 Der Satz: „Wir müssen uns vielleicht hineinsingen in die neue deutsche Zeit", ist charakteristisch für das Gewicht, das die Deutschen Christen dem Gesangbuch für die Durchsetzung ihrer Ziele gaben131. Während Fiedler die Liedreform mit dogmatischen Argumenten begründete, begnügte sich Oberkirchenrat Dr. Boll, die Umgestaltung der Lieder zunächst als Stilfrage anzusehen. Aus missionarischen Gründen sei eine „arteigene Stilbildung" vor allem als „Widerstand gegen jüdische Ausdrucksform" notwendig 132 . In seiner Kritik an den Hebraismen kommt Boll zu einer für all diese Eindeutschungsbemühungen bezeichnenden Feststellung über den Zusammenhang der religiösen und politischen Vorstellungen hinter diesen Wörtern: „Unsere Gesangbücher sind noch voller alttestamentlicher, religionsgeschichtlich gebundener Begriffe und jüdischer Vorstellungsformen, die uns trotz des Wissens um ihren ,nur* symbolischen Charakter unerträglich und unannehmbar erscheinen, weil wir als von unserem

128 Ebd. " » Ebd., S. 16.

129

Ebd., S. 15. »m Ebd. KOMMENDE K I R C H E N r . 22 vom 30. 5. 1937 ( K . F. Boll, Jüdisches im Gesangbuch). Dieses Argument, daß man alles „Artfremde" aus den Liedern entfernen solle, wurde in den 20er Jahren in völkischen und später auch in Fachkreisen behandelt (vgl. ζ. B . W. CASPARI, Alttestamentliche Bezugnahme, S. 169 ff.). K. BUDDE wirft Caspari vor, daß er sich „ganz in den Dienst eines schon vor Jahren gestellten Antrags der freien Organisation ,Bund für eine Deutschkirche'" auf „Beseitigung der Bezugnahme auf das alte Testament aus den evangelischen Kirchengesangbüchern" gestellt habe (Gesangbuch und Altes Testament, S. 263 ff.). W. CASPARI weist diese Vorwürfe mit dem Hinweis auf seine Veröffentlichung „Die alttestamentliche Schicksalsfrage an die Deutschvölkischen" und Friedrich Andersens Einleitung zu seinem Buch „Der deutsche Heiland" zurück und kommt zu dem Ergebnis: „Aber der Gebrauch des Alten Testaments ist außerhalb neuer marcionitischer Organisationen ein christliches Gegenwartsproblem, das seine kleinen und großen Rätsel hat (Alttestamentliches Sprachgut, S. 368 ff.).

184

Kirchenerneuerung in der Literatur

Schicksal erfüllte Menschen das Religiöse vom Politischen nicht empfangs- und erlebnismäßig scheiden können." 1 3 3 Boll betonte, daß es nicht möglich gewesen sei zu erkennen, aus welchen Motiven die an die Wörter gebundenen Wertvorstellungen entstanden seien. Er gab damit zu, daß die außerhalb der christlichen Praxis entstandenen Maximen unbewußt die Beziehung zu seinem kirchlichen Begriff zu bestimmen vermochten. So könnten ζ. B. im politischen Bereich entstandene Wertvorstellungen über die „jüdischen" Ausdrücke auf ihre religiöse Befürwortung oder Ablehnung einwirken. Der einzige Ausweg aus dieser Abhängigkeit des religiösen Wertsystems von politischer Ideologie sei die Kritik und Bewußtwerdung der in der Sprache sich manifestierenden Wertvorstellungen der Gesellschaft gewesen. Es handelt sich hier nicht um eine Stilfrage. Man muß vielmehr im „Ausmerzen" der alttestamentlichen Ausdrücke während des Dritten Reichs einen Wandel des christlichen Ethos durch die Anpassung des religiösen Sprachempfindens an die nationalsozialistischen Wertvorstellungen sehen. In seinem nächsten Aufsatz über die Gesangbuchreform kam Boll zur theologischen Kritik des "jüdischen Geistes". In dem „süßlich-sentimentalen Liedgut" des Pietismus sah er „geschmacklose Bilder" wie „legt euch dem Heiland in den Schoß", die wenig zu den heroischen Vorstellungen vom Christentum paßten. Zeichen für einen falschen Begriff von der Ewigkeit sei der Ausdruck „endlich seine Ruhe haben!". Die Hirten- und Lammeschoräle werden von Boll heftig kritisiert, und er fragt, ob „die Theologie vom ,guten Hirten' überhaupt lutherisch" sei. Zu den jüdischen Vorstellungskategorien sollten schon Ausdrücke wie „auf Bundesblut gegründetes" Jerusalem gehören („Mein Leben ist ein Pilgrimsstand" von Lampe), aber für das „schlimmste Kapitel" hielt er die Bräutigamslieder mit ihrer „Gefühlsseligkeit". „Seelenbräutigam" (Drese), „Freund der Seelen" (Dressler), „Herzenswende" seien schon „für unser Empfinden unerträglich", umso weniger könnte man diese Lieder der völkischen Jugend anbieten. Hauptsächlich verantwortlich für das Gedeihen des fremden Geistes im Gesangbuch sind nach seiner Ansicht Pietismus und der „judaisierende Biblizismus" 134 . Das Interesse an der Gesangbuchreform und die Neigung, den Argumenten Bolls zuzustimmen, vergrößerten die in breiten Kreisen vorhandene Ablehnung der „Sprache Kanaans" 1 3 5 . KOMMENDE KIRCHE N r . 2 2 vom 30. 5 . 1 9 3 7 (Jüdisches Gesangbuch). Ebd., N r . 2 6 vom 2 7 . 6. 1 9 3 7 (Modisches und Geschmackloses im Gesangbuch). 1 3 5 Vgl. K . REFER, Bibelübersetzung S. 3 3 6 ; F . GEBHARDT, Gottesdienst deutsch. 139

134

Lieder

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Gern wies man in der „Kommenden Kirche" auf die alte Forderung Ε. M. Arndts an die Bibelgesellschaft hin, ein Einheitsgesangbuch für das ganze Deutschland zu erarbeiten 136 . Es sollten Lieder gesammelt werden, die zeigten, „was Katholiken, Lutheraner, Zwinglianer, Calvinisten, Methodisten, Böhmianer, Zinzendorfianer und wie die verschiedenen Namen weiter lauten mögen, die doch alle in dem einen Namen Jesus Christus selig zu werden hoffen, in einem Sinn, worin alle eins sind, Gottseliges und Christliches gesungen und geklungen haben" 137 . Dies war ein handfester Vorschlag auf dem Wege zu einer überkonfessionellen Einheitskirche, der deutschen Nationalkirche. Der Arndtschen Forderung zustimmend, stellte die „Kommende Kirche" fest: „Ein solches Einheitsgesangbuch muß Kernstück und Sammelpunkt einer ,Kommenden Kirche' werden." 138 Kurz nach der 1. Reichskirchentagung in Bremen, auf der Prof. Fiedler die prinzipielle Bedeutung der Gesangbuchreform erläutert hatte, wurde der Landeskirchenmusikwart Richard Liesche von Weidemann beauftragt, zu untersuchen, wieweit die Pläne eines Reichsgesangbuches gediehen waren. In seinem Brief an den Oberlandeskirchenrat Christhard Mahrenholz vom 13. Dezember 1935 schrieb Liesche, daß in Bremen neue Gesangbücher gebraucht würden. Der Vorrat aus dem Jahre 1917 werde nur noch für 1 bis 2 Jahre reichen, und es bestehe keine Möglichkeit mehr für einen Neudruck. „Aus mir unbekannten Gründen", erklärte Liesche, seien „die Platten für unser Gesangbuch vernichtet" worden, so daß „eine völlige Neubearbeitung" als einzige Möglichkeit blieb. Mahrenholz sollte nun Liesche über die möglichen Pläne zur Vorbereitung eines Reichsgesangbuches informieren 139 . Im Dezember 1935 war auf Veranlassung Weidemanns ein Ausschuß zur Bearbeitung einer „Ergänzung des Lieder- und Melodienbestandes für eine Neuauflage" unter dem Vorsitz von Pastor Pfalzgraf gegründet worden 140 . Daß diese Arbeit notwendig war, davon 136

KOMMENDE KIRCHE N r . 4 v o m 2 3 . 1. 1 9 3 8 ( H . W e r d e r m a n n ,

Religionsunter-

richt - deutsch!). 137 Ebd., Nr. 8 vom 20. 2. 1938 (Ε. M. Arndts Forderung nach einem Einheitsgesangbuch). 138 Ebd. 139 Schreiben Liesches an Mahrenholz vom 1 3 . 1 2 . 1 9 3 5 (LKA BREMEN, Β 436). 140 Die Mitglieder waren: Vorsitzender Pastor Pfalzgraf, Stellvertretender Vorsitzender Musikdirektor R. Liesche, Pastor Anton Mallow, Friedrich Wilhelm Meyer, Lehrer Hans Suhr und Organist Harald Wolf. Später kamen dazu die D C Pastoren H. Rahm und W. Schomburg (vgl. Schreiben Mallows an Weidemann vom 5. 5. 1939; ebd.). Anton Mallow, geb. 3. 11. 1873 in Wusseken/Pommern, gest. 16. 9. 1952 in Zwiefalten/Württemberg, 1900 ord., 1900 Pastor in Groß-Jannowitz/Pommern, 1907 in

186

Kirchenerneuerung in der Literatur

waren alle kirchlichen Kreise überzeugt, denn sie schien von allgemeinem kirchlichen Interesse zu sein141. Über den ersten Entwurf des Ausschusses, der am 15. April 1937 für die Besprechung vorgelegt wurde, entstanden aber Kontroversen 142 . Als Liesche später Mahrenholz nach seiner Meinung fragte, sprach sich dieser dagegen aus, die Kerngruppe des Deutschen Evangelischen Gesangbuches (Nr. 1-342) in das vorbereitete Bremer Gesangbuch zu übernehmen 143 . Als sich diese Meinung im Ausschuß durchzusetzen schien, konnte von einer „Ergänzung" oder Veränderung des alten Gesangbuches keine Rede mehr sein. Ein völlig neues Gesangbuch sollte geschaffen werden. Wegen dieser folgenschweren Entscheidung wollte Pastor Mallow aus dem Ausschuß austreten 144 . In eine neue Phase trat die Arbeit der Gesangbuchkommission nach dem Tod des Vorsitzenden, Pastor Pfalzgraf, am 30. November 1937, nachdem Musikdirektor Liesche an seine Stelle gewählt worden war 145 . Jetzt wurden die Wünsche der Deutschen Christen lauter. Die „Lieder der Kommenden Kirche" erschienen im Dezember 1938 im Verlag der Kommenden Kirche Bremen und sollten, wie Weidemann im Vorwort erläuterte, den Anfang der geplanten Gesangbuchreform bilden. Hier war der Stil der Bremer deutsch-christlichen Lieder, der sich in der von Pfalzgraf geleiteten Kommission nicht hatte durchsetzen können, verwirklicht. Im letzten Stadium der Arbeit wurde Prof. Emanuel Hirsch zur Mithilfe herangezogen 146 . Er war der Verfasser der meisten innerhalb des Arbeitskreises entstandenen neuen Gedichte. Darüber hinaus erklärte er sich auch bereit, die Intentionen des Herausgebers in der Öffentlichkeit zu erläutern. In dreifacher Hinsicht hatten die „Lieder der kommenden Kirche" Neues hervorgebracht: Erstens in der Auswahl der Lieder, in der das pietistische Liedgut zugunsten des reformatorischen stark reduziert wurde; zweitens in der Veränderung der alten Texte durch „Eindeutschung" der Hebraismen; drittens in der Schaffung neuer Lieder, die Gröpelingen/Bremen, 1913 in Essen-Altstadt, 1917-1939 in Bremen (St. Pauli-Gemeinde). Walther Schomburg, geb. 10. 5. 1883 in Braunschweig, gest. 5. 5. 1963 in Bremen, 1911 ord., 1911 Prediger in Saalsdorf, 1923 Pastor in Königslutter, 1931-1953 an St. Remberti in Bremen. 141 K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 44. 142

L K A BREMEN, Β 4 3 6 .

143

Schreiben Mahrenholz' an Liesche vom 20. 10. 1937 (ebd.). Schreiben Mallows an Weidemann vom 22. 11. 1937 (ebd.). GVM Nr. 6 vom 28. 12. 1937. KOMMENDE KIRCHE Nr. 6 vom 5. 2 . 1 9 3 9 (Lieder der kommenden Kirche).

144 145 148

Lieder

187

den Charakter eines geistlichen Volksliedes des 20. Jahrhunderts tragen sollten. In seinem Aufsatz über die Entstehung des Bremer Liederbuches meinte Hirsch, daß es hier um „eine Wende" in der Gestaltung der evangelischen Gesang- und Liederbücher gehe, und war sicher, „daß es keine zehn Jahre mehr dauern" werde, „bis die ganze deutsche evangelische Kirche an diesem Punkt [gemeint war besonders das Auslassen der Hebraismen] dem Liederbuch der Kommenden Kirche gefolgt ist" 147 . Die Reaktion auf das Liederbuch zeigte, daß diese Art der Eindeutschung tatsächlich in hohem Maße aktuell war. Die Begründung der Textkorrekturen zeigt, wie sehr die Wortwahl von der Entwicklung der politischen Ideen innerhalb der Gesellschaft abhängig ist. Hirsch beginnt mit der Feststellung, daß „die alte Sprache unserer Lieder heute unverständlich geworden" sei. Mißverständnisse verursachten besonders Hebraismen und alte deutsche Ausdrükke. „Die alttestamentlichen Wendungen sind im Sprachgebrauch unseres alten Liedes stets gelöst von dem äußerlichen und geschichtlichen Sinn des Wortes." So könne man schon aus diesem Grunde nicht zum rechten Verständnis der Worte und Namen wie „Zion", „Israel", „Abraham" kommen. Dazu komme noch, daß diese Wörter „im gewöhnlichen Sprachgebrauch . . . genau umgekehrt, wie unsere Väter" sie gebraucht hatten, verwandt würden, „nämlich als Bezeichnung des Jüdischen" 148 . Wichtig ist, daß für Hirsch die mit diesen genannten Namen verbundenen Wertvorstellungen des Nationalsozialsmus ein legitimer Grund waren, den kirchlichen Sprachgebrauch zu verändern. „Im gewöhnlichen Sprachgebrauch" herrschten, von der nationalsozialistischen Sprachregelung unterstützt, antisemitische Vorstellungen, in denen die hebräischen Namen einen rassistisch negativen Beiwert als Symbolwörter des Judentums bekommen hatten. Die nationalsozialistische Ideologie verfestigte sich im Sprachgebrauch so, daß die hebräischen Namen und Ausdrücke auch innerhalb einer Kirche, und ganz besonders einer Volkskirche als „unmöglich" empfunden werden mußten. Daß man sich des ideologischen Bestandteils in der Entwicklung des Sprachempfindens nicht immer bewußt war, hing mit der von Boll erwähnten Unfähigkeit zusammen, die politischen und religiösen Motive „empfindungs- und erlebnismäßig" zu unterscheiden. Ohne gesellschafts- und ideologiekritisches Bewußtsein war ein Fürsprecher der Modernisierung der Kirchensprache verurteilt, die ideologischen Einflüsse „im gewöhnlichen Sprachgebrauch" als unpolitische, linguistische Tatsache zu akzeptieren. Hirsch nennt einige der ausgelassenen Wendungen: „Das Halleluja ist gefallen; statt dessen heißt es: Gott sei gelobt, oder Gelobt sei i « Ebd.

148

Ebd.

188

Kirchenerneuerung in der Literatur

Gott. Statt ,Israel' heißt es Volk oder Christenheit. Auch Jehova, Zion, Jerusalem wird man vergeblich suchen." Zu den veränderten Termini gehörten auch häufig unverständliche deutsche Ausdrücke. Im Lutherlied „Komm heiliger Geist, Herre Gott" wurde in der Zeile: „O Herr, durch dein Kraft uns bereit/und stärk des Fleisches Blödigkeit", das letzte Wort „Blödigkeit" durch das Wort „Zaghaftigkeit" ersetzt 149 . Hirsch begründete die Eindeutschung nicht nur mit sprachlichen, sondern auch mit theologischen Argumenten. Als Beispiel für seine neue Interpretation wies er auf die Rolle Israels in der Heilsgeschichte hin. Mit Luther meinte er, daß man unter „Israel" niemals das „auserwählte Volk" verstehen könne. „Er \Luther~\ leugnet, daß die Juden ein solches Israel, ein solches erwähltes Volk sind oder jemals gewesen sind." Weil „Israel" nicht mit dem Volk Israel - auch nicht im alten Bunde - zu identifizieren ist, kann das Wort Israel als „eine rein religiöse Bezeichnung" durch Ausdrücke wie „verborgene Christenheit" oder „Kirche" ersetzt werden. Für das Auslassen dieses von vielen Lieddichtern gebrauchten Namens hatte Hirsch theologische Gründe, die seiner Interpretation des Alten Testamentes entstammten 150 . Die Zahl der neuen Lieder war in den „Liedern der Kommenden Kirche" nicht groß. Gegenüber den 91 alten „eingedeutschten" Liedern unter dem Titel „Das Lied der Väter" gehörten nur 21 „Lieder der Zeit" zu den neuen. Die erste Gruppe war in drei Untergruppen aufgeteilt: Das Kirchenjahr (32), Kirche und Volk (22) und Christenleben (37). Den deutsch-christlichen Akzent setzten Überschriften wie „Ritterschaft", „Zapfenstreich der Wehrmacht und Heldenverehrung", „Im Kampfe". In der Gruppe der zeitgenössischen Lieddichter stand Hirsch mit sechs Liedern an erster Stelle. Nur mit je zwei waren Rudolf Alexander Schröder, Gustav Schüler und die bremischen Pfarrer Pfalzgraf und Schomburg repräsentiert. Auf dem Gebiet der Musik schien der bremische Einfluß größer. Von den 21 Ebd. Ebd. - Vgl. C. NICOLAISEN, Altes Testament, S. 91. Hirschs Studien über das Alte Testament gehören nicht nur zu den wissenschaftlich interessantesten der in den 30er Jahren über das Thema geschriebenen Beiträge, sie wurden darüber hinaus auch außerhalb der Kommenden Kirche als Berechtigungsnachweis der Eindeutschung ausgegeben. Im „Positiven Christentum" forderte Pfr. Müller-Timmenrode die Befreiung des Gesangbuches von Hebraismen mit dem Hinweis auf Hirschs Kommentare des Alten Testaments. So sollte „jeder Gebrauch alttestamentlicher Ausdrücke für christliche Wahrheiten . . . entweder eine Fälschung des Alten oder des Neuen Testaments" sein, woraus folgte, daß „jede solche Fälschung unsere eigene Glaubwürdigkeit in Frage stellen" mußte. Nach diesem Grundsatz folgten die anderen DC-Gaue Braunschweig, wo im Jahre 1937 auch die Eindeutschung des Gesangbuches vorgenommen wurde (Nr. 10 vom 7. 3. 1937). 149

150

Lieder

189

„Liedern der Zeit" waren neun Weisen in Bremen vertont worden. In einigen Liedern wie „Wir schritten lange Seit an Seit" (95) von Hirsch und „Wir marschieren" (111) von Schomburg fällt eine stilistische Ähnlichkeit mit Soldatenliedern auf. Daß der Arbeitskreis bewußt versucht hatte, auf nationalsozialistische Ideale zu verzichten, ergibt sich aus der Bemerkung Hirschs, daß „jede künstliche Angleichung an das Kampflied der politischen Bewegung" vermieden werden sollte151. In dieser Hinsicht scheint jedoch Schomburgs Lied „Wir marschieren" (Nr. 111) aus dem Rahmen des Kirchenliedes zu fallen, ebenso wie „Ich hatt einen Kameraden" von Ludwig Uhland. Dagegen hätte Hirschs „Du bist der Weg Herr Jesus Christ" (104) mit der Melodie von Heinrich Schütz auch in anderen kirchlichen Gesangbüchern einen Platz finden können. Im März 1939 teilte die „Kommende Kirche" mit, daß die erste Auflage von 10 000 Exemplaren innerhalb weniger Wochen vergriffen war 152 . Auch die „Junge Kirche" vertrat die Auffassung, daß es sich nicht um inhaltliche Veränderungen, sondern eher um Stilfragen und „Geschmacksfragen" handelte. In dem Aufsatz „Textgestaltung und Liedauswahl unserer Gesangbücher" verglich Heinz Schröer (Berlin) die von der Kommenden Kirche eingeführten Änderungen der Liedtexte mit den früheren Reformen des evangelischen Gesangbuches und kam zu der Auffassung: „Man kann nicht einmal behaupten, daß hier die deutsch-christliche Theologie zum Ausdruck käme. Denn der Inhalt ist völlig derselbe, ob ich nun singe: ,dein Zion streut . . . ' oder: ,der Jünger Scharen streuen', ob ich singe: ,der Israel erlösen wird' oder ,er, der sein Volk erlösen wird'." Offensichtlich bemerkt Schröer hier nicht, worauf man mit diesen Umdeutungen theologisch verzichtete. Das Hauptargument, daß es nicht um eine theologische Beeinflussung ging, war, daß ähnliche Bestrebungen schon früher oder innerhalb gegensätzlicher kirchenpolitischer Gruppen existiert hatten. Wie das „Evangelische Altona" auf das bayerische Gesangbuch, so wies Schröer auf das Berliner Gesangbuch von 1829 hin 153 . 151

Vgl. Anm. 146.

152

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 3 v o m 2 6 . 3. 1 9 3 9 . V g l . e b d . N r . 1 0 v o m 5 . 3. 1 9 3 9 ;

Nr. 9 vom 26. 2.1939 (Ein H e f t - mit Draht - gebunden? Stimme eines österreichischen Pfarrers); Nr. 25 vom 18. 6. 1939 (Das neue Gesangbuch); Nr. 27 vom 2. 7. 1939 (Um die Lieder). Und immer wieder: Lieder der kommenden Kirche. In ästhetischer Hinsicht konnte das Liederbuch auch anspruchsvolle Erwartungen befriedigen. Das in hellem Leinen gebundene, mit Paul-Hoch-Notenschrift gedruckte Buch mußte gegenüber den üblichen düsteren Gesangbüchern der Kirchen als angenehm erscheinen. Wichtig für die Reformpläne der Bremer D C war, daß es nicht nur bei kirchenpolitischen Gesinnungsgenossen, sondern auch von seiten der Bekennenden Kirche und der „Mitte" in wichtigen Punkten Zustimmung fand. 153

H.

SCHRÖER, T e x t g e s t a l t u n g ,

S. 5 0 8 . V g l .

a u c h KOMMENDE K I R C H E N r .

11

190

Kirchenerneuerung in der Literatur

Besonders in zwei Punkten hatten die „Lieder der kommenden Kirche" die Zustimmung der „Jungen Kirche" gefunden: im Verzicht auf die Hebraismen und in der Betonung des reformatorischen Liedgutes. In der Auswahl der Choräle entsprach das Bremer Liederbuch den allgemeinen kirchlichen Tendenzen. So war es eine „erfreuliche Tatsache", daß der reformatorische Choral, „wie ihn die heutige Singbewegung und die kirchenmusikalischen Erneuerungsbestrebungen wieder in den Vordergrund gerückt haben, den gebührenden Vorrang erhalten hat" 154 . Auch in dem „Gesangbuch für die Jugend", herausgegeben vom württembergischen evangelischen Landesverband für Kindergottesdienst und Sonntagsschulen, war dieser Akzent auffällig. Als „eine seltsame Ubereinstimmung" bezeichnete Schröer den Fortfall einiger Lieder in den beiden „völlig verschiedenen; neuen Liederbüchern 155 . Daß das reformatorische Lied bevorzugt wurde, war unabhängig vom kirchenpolitischen oder theologischen Standort des Herausgebers ein allgemeiner Trend in der Gesangbuchliteratur und nicht - wie S. Forna5on später gemeint hat - eine Folge der Unterdrückung der Kirchen im Dritten Reich156. Vielmehr empfanden die Gemeinden das reformatorische Liedgut wieder als Gegengewicht zum pietistischen Lied, das nicht selten als „süßlich-weichlich" 157 bezeichnet wurde und zu den Idealen der Lutherverehrung der Zeit nicht paßte. Mit der Verehrung, die Luther sowohl in der nationalsozialistischen Gesellschaft als auch in der Kirche genoß, erlangten auch die Lieder seines Jahrhunderts wieder mehr Bedeutung. Einerseits stimmte Schröer der Umdeutung von Hebraismen zu, weil er das für stilistisch notwendig hielt, andererseits äußerte er aber auch theologische Bedenken gegen die Übernahme mancher protestantischer Lieder in ihrer alten Form. So kam es, daß die Kommende Kirche bereits Lieder aufgenommen hatte, die Schröer theologisch revidieren wollte. Die Zeilen des großen Reformators:

vom 12. 3. 1939 (zitiert Evangelisches Altona Nr. 7, 1939: Antiquitätenladen oder Gesangbuch? U m die Lieder der kommenden Kirche). 154

H . SCHRÖER, T e x t g e s t a l t u n g , S. 5 0 8 .

165

Ebd. Nicht zutreffend ist die Meinung S. FORNACONS: „Später änderte sich auch die Lage der evangelischen Kirche: nach 1933 wurde sie durch die Verfolgung im Dritten Reich in eine der Urkirche wie der Reformation verwandte Lage versetzt und gewann als im Leiden singende Kirche Zugang zum Lied des 16. Jahrhunderts" (RGG 3 , Bd. 2, Sp. 1459 f.). 156

157

V g l . KOMMENDE KIRCHE N r . 2 6 v o m 27. 6 . 1 9 3 7 ( K . F. B o l l , M o d i s c h e s u n d

Geschmackloses im Gesangbuch).

Lieder

191

„Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort und steur des Papsts und Türken Mord" waren im Lied N r . 34 so verändert worden: „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort und steure deiner Feinde Mord, die Jesum Christum, deinen Sohn, wollen stürzen von deinem Thron!" Die gewaltsame Verteidigung der Kirche und ihrer Botschaft hatte Schröer offensichtlich als mittelalterliche Primitivität empfunden und weglassen wollen. Gerade sie bot sich der Frontgeist-Theologie des Ersten Weltkrieges und dem deutsch-christlichen Ideengut an 158 . Das Lied „Auf bleibet treu und haltet fest" von Arndt wurde nach dem alten Bremer Gesangbuch von 1917, N r . 156 wortgetreu zitiert. Die folgenden Zeilen: „Der alte Gott, der deutsche Gott läßt sich noch immer schauen" 159 waren aber in den zwanziger Jahren so geändert worden, daß der „deutsche Gott" durch „der treue Gott" ersetzt wurde. Schröer befürwortete diese Korrektur und meinte, es wäre nicht Arndts Meinung, daß es einen „polnischen, englischen, schwedischen Gott neben einem deutschen gäbe". Er machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam, d a ß der Rückgriff auf die älteste Form der Lieder etwas über die theologischen Ansichten der Gesangbuchkommission aussage: „Vielleicht verraten uns die Herausgeber, was sie sich unter einem deutschen Gott vorstellen." 160 Er hatte recht; auch Weidemann hatte diesen „Respekt vor dem Original" gefordert und seine Meinung auch in der Gesangbuchkommission durchgesetzt 161 . Man muß aber fragen, ob die von Schröer empfohlene Form den Intentionen Arndts mehr entsprochen hätte? Hier will wohl Schröer eine theologische Korrektur an Arndts nationalistischer Religiosität vornehmen, um die daraus entstandene Unterstützung f ü r die völkisch geprägten Gottesvorstellungen der Deutschen Christen zu vermeiden. Die Diskussion über die theologische Revision der alten Lieder zeigt, daß innerhalb des traditionellen Gesangbuches eine zu deutsch-christlichen Anschauungen passende nationalistische Linie 158 LIEDER DER KOMMENDEN K I R C H E Nr. 3 4 . Im Gesangbuch der Ev.-luth. Landeskirche Schleswig-Holstein 1930 (Nr. 91) stand das Lied in alter Form (H.

SCHRÖER, T e x t g e s t a l t u n g , S. 508). 160 "» Ebd., S. 5 0 6 . Ebd. 1,1 Schreiben Weidemanns an Liesche vom 2 . 1. 1 9 3 9 (LKA

BREMEN, Β 4 3 6 ) .

192

Kirchenerneuerung in der Literatur

vorhanden war, an die die Bremer anknüpfen konnten. Gerade dieses Lied von Arndt (Nr. 43 der „Lieder der kommenden Kirche") hatte mit seinem letzten Satz eine der bekanntesten Parolen der Deutschen Christen geliefert: „Die Freiheit und das Himmelreich gewinnen keine Halben." Im Vorwort der im Dezember 1938 herausgegebenen „Lieder der kommenden Kirche" wies Weidemann darauf hin, daß die erschienene Sammlung nur den Anfang der Gesangbuchreform bilde. Schon im nächsten Jahr, im Oktober 1939, brachte der Bremer Arbeitskreis ein neues „Gesangbuch der kommenden Kirche" heraus, das den Anspruch erhob, den Kern eines überregionalen Reichsgesangbuches zu bilden 162 . Die von Musikdirektor Liesche geleitete Kommissionsarbeit war aber nicht ohne Kontroversen verlaufen. Anfang Februar 1938 hatte er die Gemeindeführer, Pastoren und Kirchenmusiker zusammengerufen, um über die Annahme des Gesangbuchentwurfs zu entscheiden 163 . Am 12. September 1938 war das fertige Manuskript in der Kirchenkanzlei. Den Wünschen der Gemeinden folgend, wurde es entsprechend korrigiert, so daß im Januar 1939 ein von allen bremischen Gemeinden gebilligter Entwurf druckfertig vorlag 164 . Aus der Initiative des deutsch-christlichen Landesbischofs war ein von allen Gemeinden gebilligter Entwurf entstanden, der die gewünschte Sammlung der kirchenpolitischen Gruppen zu verwirklichen schien165. Dies aber genügte Weidemann nicht: Wichtigster Grund für seine überraschende Ablehnung war jetzt, daß in dem Entwurf die „jüdische Symbolsprache" nicht genügend ersetzt war 166 . Obwohl Prof. Hirsch gern an der Gesangbucharbeit weiterarbeiten wollte, lehnte die Gesangbuchkommission seine Mitarbeit zunächst mit dem Argument ab, daß wegen seiner extrem deutsch-christlichen Einstellung ein einheitliches Gesangbuch „für alle bremischen Gemeinden" unmöglich zu schaffen sei167. Als Hirschs Richtlinien nach einer Woche dennoch von der Kommission, die sich aus den Pastoren Rahm, 182

KOMMENDE KIRCHE N r . 4 2 v o m 2 2 . 10. 1 9 3 9 (E. H i r s c h , D a s G e s a n g b u c h d e r

kommenden Kirche). 163 Schreiben vom 27. 1. 1938 (LKA BREMEN, Β 436). Die Entscheidung über den Entwurf sollte am 2. 2. 1938 getroffen werden. 1,4 Schreiben Liesches an die Gemeindeführer vom 10. 9. 1938 (ebd.). K. STOEVESANDT (Bekennende Gemeinde, S. 44) sowie S. FORNACON (vgl. Anm. 156) kennen nur „Lieder der kommenden Kirche", aber nicht das „Gesangbuch der kommenden Kirche". les Schreiben Liesches an Weidemann vom 10. 1. 1939 (LKA BREMEN, Β 436). 1M Schreiben Weidemanns an Liesche vom 2. 1. 1939 (ebd.). 167 Schreiben Liesches an Weidemann vom 10. 1. 1939 (ebd.).

Lieder

193

Jeep, Schomburg, Friedrich Wilhelm Meyer, Mallow und den Organisten Harald Wolff und Hans Suhr zusammensetzte, angenommen wurden, bedeutete das, daß die Arbeit in eine neue Phase getreten war 168 . Zum Teil wurde das Dilemma dadurch gelöst, daß Liesche seinen früheren Ratgeber, Mahrenholz aus Hannover, als Gegengewicht zu Hirsch in die Kommission berief 169 . Es war beabsichtigt, daß die 186 Lieder, von denen gegenüber den „Liedern der kommenden Kirche" 74 neu waren, jetzt keineswegs nur für die deutschchristlich orientierten Gemeinden brauchbar sein sollten. Nach den Worten Hirschs waren „der alte Glaube und der, der einer neuen Gestalt der christlichen Verkündigung zustrebt", im Gesangbuch vorhanden. Neu - „was kein anderes Gesangbuch in Deutschland sonst enthält" war eine Liedergruppe für die staatlichen, politischen und nationalen Feiertage170. Diese Lieder zum „Tag der nationalen Erhebung", zum „Tag der nationalen Solidarität", zum Tag „der nationalen Arbeit" und zum „Heldengedenktag" waren in Text und Melodie von zeitgenössischen Lieddichtern entworfen. Mit elf Liedern blieb Hirsch der im Gesangbuch am stärksten repräsentierte zeitgenössische Dichter. Den zweiten Platz nahm Valentin Weigel (1533-1588) mit drei Liedern ein171. Das Gesangbuch machte keinen Unterschied zwischen Choral und geistlichem Volkslied; dadurch sollte sein Gebrauchswert bei Gemeinde- und Jugendfeiern, aber auch im Haus gesteigert werden. Das Ziel war anscheinend, ein „Familien- und Stammesbuch" für den täglichen Gebrauch zu schaffen. Darüber hatte Dr. Boll zwei Jahre zuvor bereits gesprochen. Außerdem paßte dies zu den Bestrebungen Stapels, die religiöse Praxis innerhalb der „Familienkirche" zu aktivieren 172 . Auch der Nicht168

Schreiben Liesches an die Mitglieder der Gesangbuchkommission vom 18. 1. 1939; Schreiben Mallows an Weidemann vom 5. 5. 1939 (ebd.). Pastor Mallow bat nun wiederholt um die Entlassung aus der Kommission. Er wollte nicht eine „Mitschuld" an den Fehlern tragen, die die Richtlinien des Göttinger Gelehrten beinhalteten. Auch unter den anderen Mitgliedern der Kommission, wie ζ. B. den Pastoren Schomburg und Rahm, die zu den engsten Mitarbeitern Weidemanns gehört hatten, sowie Pastor Meyer, gab es Bedenken gegenüber dem neuen Kurs, wie Mallow in seinem Brief berichtet. 1,9 Schreiben Liesches an die Gesangbuchkommission vom 24. 1. 1939 (ebd.). 170 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 42 vom 22. 10. 1939 (E. Hirsch, Das Gesangbuch der kommenden Kirche). 171 Hirsch hatte folgende Lieder gedichtet: N r . 44, 45, 63, 64, 69, 102, 108, 130, 151, 159, 185. 172 K O M M E N D E K I R C H E Nr. 22 vom 30. 5. 1937 (K. F. Boll, Jüdisches im Gesangbuch); N r . 13 vom 27. 3. 1938 (Blick in die Presse, über Stapels Aufsatz im Deutschen Volkstum, „Wie ich mir die deutsche ev. Kirche wünsche"). 13

Heinonen, Anpassung

194

Kirchenerneuerung in der Literatur

christ sollte dieses Gesangbuch benutzen können. So enthielt das Buch auch das Goethe-Lied „Die Sonne tönt nach alter Weise"173. Die Kommission war mit großen Ambitionen an die Arbeit gegangen: Das „Gesangbuch der kommenden Kirche" sollte den Kern des geplanten Reichsgesangbuches bilden. „Schon heute ist klar", schrieb Hirsch, „daß das mit den Liedern der kommenden Kirche eingeleitete und nunmehr von uns zu einem gewissen Abschluß gebrachte Unternehmen eine Wendung in der Geschichte des deutschen evangelischen Gesangbuches bedeuten wird. Es wird keine Kirche geben, die nicht auf dem von uns begangenen Wege wird gehen müssen, wenn sie ein neues Gesangbuch versucht." 174 In der Liedauswahl, im Auslassen der Hebraismen und im Zusammenstellen von geistlichem Lied und Volkslied habe der Bremer Arbeitskreis Vorbilder geschaffen, denen spätere Gesangbuchkommissionen folgen müßten. Gerhard Kunze, Herausgeber der „Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst", erwog in seinem Aufsatz „Auf dem Wege zum Reichsgesangbuch" die Möglichkeiten des Bremer Unternehmens. Seine Ablehnung erfolgte dann nicht aus liturgischen oder hymnologischen, sondern aus theologischen Gründen 175 . Die Kürzungen waren nach Kunze nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwendbarkeit erfolgt, sondern „um bestimmte loci dogmatici zu entfernen". Kunze hatte darauf schon in seiner Rezension über die „Lieder der kommenden Kirche" hingewiesen176, jetzt meinte er, daß die Tendenzen eine „allgemein kirchliche ja kirchenpolitische" Stellungnahme herausforderten 177 . In der Abänderung des zum festen Bestandteil des Abendmahl-Gottesdienstes gehörenden Agnus Dei sah Kunze eine Verletzung des zentralen Bekenntnisses der Christenheit. „Durch eine bewußte Änderung" war „etwas aus der Abendmahlsfeier eliminiert, was das gesamte Abendland seit 701 hat." Dies stelle ein „Sakrileg" dar.

173 Für die Hineinnahme dieses Liedes schrieb Hirsch: „Dies Lied Goethes spricht die Anbetung Gottes in seiner Schöpfungsherrlichkeit aus, und alle Deutschen, ob christlich oder nichtchristlich, können sich darin finden" (vgl. Anm.

170). 174

Ebd. G. KUNZE, Reichsgesangbuch S. 45 ff.; O . Michaelis meinte, daß die Bedürfnisse des Gottesdienstes nicht richtig in der Liedauswahl berücksichtigt worden seien und daß viel wertvoller Stoff verlorengegangen sei (DIE CHRISTLICHE WELT 53, 1939, Sp. 446 f.; vgl. auch ebd. 54, 1940, Sp. 211). 176 G. KUNZE über die „Lieder der kommenden Kirche" (Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst, 1939, S. 142). 175

177

G . K U N Z E , R e i c h s g e s a n g b u c h , S. 4 8 f f .

Lieder

195

„ O Sohn Gottes, unschuldig dem Tod zum Opfer gegeben, treu, gehorsam, geduldig warst du im Sterben und Leben. Willst hin zu Gott uns tragen, sonst müßten wir verzagen. Erbarm! dich unser, Ο Jesu.. ," 1 7 8 Hier ist der meditierende Blick von der Besinnung auf die eigenen Sünden weg auf den siegenden Christus gerichtet und das Prinzip der deutsch-christlichen Theologie - möglichst wenig von der Sünde des Menschen zu reden - praktiziert. Das Bild des schwachen leidenden Lammes ist zu dem eines „treuen, gehorsam, geduldigen . . . Sohnes Gottes" umgeändert, der die Menschen in seiner Kraft erlöst. Nicht das Schwache, sondern das Kräftige rettet die Menschen. Ein charakteristischer Gedanke einer theologia gloriae. Interessanterweise sieht Kunze hier nicht den Zusammenhang zwischen dem Grundprinzip, alles Jüdische „auszumerzen" und den dogmatischen Umänderungen. Er befürwortet vielmehr Weidemanns Prinzip „Wir singen deutsch, auch als Christen nur deutsch" und stimmt der Meinung zu, daß ein „unvertretbarer Zionismus" im Gebrauch der Ausdrücke Hosianna, Halleluja, Zion, Jerusalem, Abrahams Samen u. a. zum Ausdruck komme. Er verurteilt einige „mißglückte Eindeutschungen", sieht aber nicht, daß eben dieses gegen das Alte Testament gerichtete Unternehmen schließlich Einfluß auf die dogmatischen Veränderungen haben mußte 179 . Nach Kunze könne sich das Gesangbuch wegen seiner theologischen Tendenz nicht in den Gemeinden durchsetzen. Seine Textgestaltung sei deswegen auch nicht geeignet, die Grundlage des Reichsgesangbuches zu bilden. Grundsätzlich war er aber geneigt, dem Prinzip der Eindeutschung zuzustimmen. Vom hymnologischen Standpunkt aus kam er sogar zu folgendem Gesamturteil: „Wenn einmal (wann wohl?) jemand den Weg rückschauend nachzeichnen wird, auf dem die deutsche evangelische Kirche zu einem Reichsgesangbuch gekommen sein wird, dann wird die Bremer Arbeit eines der wichtigsten Kapitel bilden. Sie hat die Überlegung und die Aussprache belebt und gefördert wie keine hymnologische Veröffentlichung unseres Jahrzehnts." 1 8 0 Ebd., S. 50. " » Ebd., S. 51. 1 8 0 Dieses Betonen der Bedeutung des „Gesangbuches der kommenden Kirche" für die Gesangbuchreform in den 30er Jahren kommt in dem Überblick über die Gesangbucharbeit der D C von H . HOFFMANN ( „ . . . und ist kein andrer Gott") nicht zu ihrem Recht. H o f f m a n n behandelt in seinem Aufsatz hauptsächlich das 179

13·

196

Kirchenerneuerung in der Literatur

Die Aufnahme des „Gesangbuches der kommenden Kirche" in Bremen war stark von der kirchenpolitischen Lage dort beeinflußt. Obwohl man durch Veröffentlichung lobender Stimmen von Gemeindepfarrern und Universitätsprofessoren den großen Erfolg zu dokumentieren versuchte, wurde das Gesangbuch in Bremen mit Skepsis aufgenommen. Gegenüber dem im September 1938 von allen Gemeinden gebilligten Entwurf wurde dieses als ein ausgesprochen Weidemannsches Unternehmen angesehen und wegen des wachsenden Widerstandes gegen seine deutsch-christliche Kirchenregierung abgelehnt. Außerdem waren die „Lieder der kommenden Kirche" kurz zuvor erschienen, und das Interesse an einem neuen Gesangbuch hatte nachgelassen. Tausende von Exemplaren wurden gratis in den Gemeinden verteilt; aber der Plan, das Gesangbuch in den meisten Gemeinden einzuführen, war nicht leicht zu verwirklichen 181 . Aus kirchenpolitischen Gründen wurde auch die Einführung des Gesangbuches für den evangelischen Religionsunterricht in Bremen abgelehnt, obwohl Weidemann den Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Anfang Oktober 1941 darum gebeten hatte. In seiner Stellungnahme warnte der Regierende Bürgermeister den Minister vor der Einführung, weil diese eine Parteinahme für den vor seiner Suspendierung - im Oktober 1941 - stehenden Landesbischof hätte bedeuten können 182 . Es wäre falsch, die Bedeutung des „Gesangbuches der kommenden Kirche" darin zu sehen, daß es während des Krieges in der bremischen Kirche tatsächlich gebraucht wurde. Wie Hirsch betonte, lag der Schwerpunkt des Unternehmens in den hier verwirklichten Prinzipien, die richtunggebend für das ganze Reich sein sollten. Zu Kriegsanfang gab es mehrere Gruppen, die ein neues Gesangbuch vorbereiteten. Es läßt sich deswegen fragen, wie sich diese zu den bremischen Eindeutschungsprinzipien verhielten. Im Erscheinungsjahr des „Gesangbuches der kommenden Kirche" (1939) edierte der „Reichsverband für evangelische Kirchenmusik" das Gesangbuch „Singt Lob und Dank", das auch im evangelischen Religionsunterricht in Bremen verwendet wurde. Für die Militärseelsorge wurde zu dieser Zeit ein kleines „Feldgesangbuch" von der kirchlichen Abteilung des Oberkommandos des erst in dem Kriegsjahr 1941 erschienene Gesangbuch der Thüringer Christen „Großer Gott wir loben Dich". 181

Deutschen

BREMER KIRCHENZEITUNG v o m 1 . / 2 . 1. 1 9 4 0 ( W . S c h o m b u r g , G e s a n g b u c h

der

kommenden Kirche). Eine Mitteilung des Blattes: „Das neue Gesangbuch, das in den meisten Bremischen Gemeinden eingeführt wird, ist ein besonders schönes Geschenk zur Konfirmation." 182 Schreiben Weidemanns an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung v o m 3. 10. 1941 und des Regierenden Bürgermeisters an den R e i c h s m i n i s t e r v o m 3 0 . 1 1 . 1 9 4 1 ( S T A BREMEN, 3 - S . 4 . a . N r . 1 2 9 8 ) .

Lieder

197

Heeres herausgegeben. Auch der Reichsbischof soll gleichzeitig ein eigenes Gesangbuch vorbereitet haben 183 . Die Thüringer Deutschen Christen gaben erst im Jahre 1941 das illustrierte, für profanen und kirchlichen Gebrauch bestimmte Gesangbuch „Großer Gott wir loben dich" heraus. Im Jahre 1938 hatte auch der Verband evangelischer Kirchenchöre Deutschlands begonnen, ein neues Gesangbuch zu schaffen, das erst im Jahre 1947 als „Gesangbuch für die Evangelische Christenheit" erschien. Der Kommission gehörten u. a. der an der Bremer Gesangbuchreform beteiligte Christhard Mahrenholz neben Walter Blankenburg, Ferdinand Schmidt und Richard Spree an 1 8 4 . Eineinhalb Jahre vor Beginn des Krieges hatte die oberste militärische Stelle Feldbischof Dohrmann vorgeschlagen, ein „Liederbuch" mit 20 bis 30 der meistgesungenen Lieder für alle militärischen und politischen Organisationen zu erstellen. Der daraufhin entstandene Entwurf des Wehrkreisdekans konnte sich aber nicht durchsetzen. Gegen den Widerstand des Feldbischofs Dohrmann wurden später unter dem Druck der Generalstabsoffiziere der kirchlichen Abteilung des Oberkommandos des Heeres, die einen Fürsprecher in der Feldgesangbuchkommission besaßen, die Judaismen entweder weggelassen oder eingedeutscht185. Diese Bereinigung soll beim Marinegesangbuch dagegen ohne Schwierigkeiten durchgeführt worden sein186. In den Werbebriefen an andere Landeskirchen- und Pressebehörden stellte die Bremische Evangelische Kirche fest, daß das Feldgesangbuch „dem Weg der Kommenden Kirche gefolgt ist und zum Teil nachgedruckt hat" 1 8 7 . Tatsächlich scheint die Bremer Gesangbucharbeit auf Reichsebene Einfluß gewonnen zu haben. Das wird zunächst beim Vergleich der Liedauswahl deutlich. Von den 56 Information von C. Mahrenholz vom Januar 1971. RGG», Bd. 2, Sp. 1460. Walter Blankenburg, geb. 31. 7. 1903 in Emleben/Thüringen, 1933 Pfr. in V a a ke, 1947 Direktor der E v . Kirchenmusikschule in Schlüchtern. Richard Spree, geb. 15. 1. 1896 in Berlin, 1924 Pfr. in Züllichau, 1 9 2 8 - 1 9 6 4 in Finsterwalde/Niederlausitz, 1 9 3 8 - 1 9 4 7 Mitglied des Gesangbuchausschusses des Verbandes ev. Kirchenchöre, 1 9 3 8 - 1 9 6 4 Landesobmann des E v . Kirchenchorwerks im Lande Brandenburg. 1 8 5 A. SCHÜBEL, Soldatenseelsorge, S. 9 0 ; H. Weidemann, Mein K a m p f um die Erneuerung des religiösen Lebens in der Kirche. Ein Rechenschaftsbericht, S. 7 (BA KOBLENZ, R 43 11/165). Franz Dohrmann, geb. 4. 10. 1881 in Großlübbichow bei Frankfurt/Oder, gest. 19. 4. 1969 in München, 1908 ord., seit 1909 in der Militärseelsorge, 1 9 3 4 - 1 9 4 5 E v . Feldbischof der Wehrmacht, 1946 Pfr. in München. 1 8 8 H . Weidemann (vgl. Anm. 185). 1 8 7 Schreiben Dietschs an die Hamburger Kirchenzeitung vom 13. 11. 1939 185 184

( L K A HAMBURG, Β X V I . a . 2 2 0 f . ) .

198

Kirchenerneuerung in der Literatur

Chorälen des Feldgesangbuches standen 41 (73 %) und von den 26 Liedern 16 (61 %) auch im Gesangbuch der Kommenden Kirche. Die Hälfte der gemeinsamen Lieder, acht, waren den „Liedern der kommenden Kirche" entnommen. Es gab Texte von Hirsch (F 80 : G 185), Krenge (F 58 : G 74), Pfalzgraf (F 61 : G 76), die schon in den „Liedern der kommenden Kirche" gedruckt waren 188 . Die Feldgesangbuchkommission scheint nur die „Lieder der Kommenden Kirche" berücksichtigt zu haben, denn sie hat keine von den Liedern, die erst im „Gesangbuch der Kommenden Kirche" abgedruckt waren, übernommen. Die Überwindung der Grenze zwischen Kirchen- und Volkslied scheint offensichtlich den Herausgebern des Feldgesangbuches an der Bremer Sammlung gefallen zu haben, wenn sie acht Lieder direkt und andere mit nur kleinen Abweichungen übernahmen, wie „Ich hatt' einen Kameraden" (F 69, G 72, L 53) von Uhland oder „Wir treten zum Beten" (F 82, G 73, L 51) 1 8 9 . Zusammenfassend kann man feststellen, daß sich die Berliner Gesangbücher von den bremischen nur in stilistischen Einzelfällen unterscheiden. Insgesamt war das Feldgesangbuch den gleichen Weg bei der Ausmerzung von Hebraismen gegangen und hatte sich bei der Liedauswahl stark an der bremischen Sammlung orientiert. Die Anpassung des in Zwei-Millionen-Auflage verbreiteten Feldgesangbuches an den Stil der Bremer Deutschen Christen war kein rein hymnologisches Unternehmen; dahinter stand die Absicht der Deutschen Christen, die Leitung der Militärseelsorge zu übernehmen. Das Reichskirchenministerium hatte sich im Jahre des Kriegsausbruchs in die Frage der Wehrmachtseelsorge eingeschaltet und eine „kirchenpolitische Prüfung" der mit der Wehrmachtseelsorge beauftragten Pfarrer gefordert 190 . In der Personalpolitik war schon früher eine BeG F L 185 80 95 68 94 77 81 100 76 49 75 68 93 62 65 77 97 62 96 76 61 92 74 58 F = Feldgesangbuch; G = Gesangbuch der Kommenden Kirche; L = Lieder der Kommenden Kirche. 1 8 9 Vgl. Bericht über das Gesangbuch der Kommenden Kirche von Pastor i. R. Gustav Haacke ( L K A HAMBURG, Β X V I . a. 2 2 0 f.). Das Gesangbuch der Kommenden Kirche erschien auch so kurz vor dem Druck des Feldgesangbuchs, daß seine Lieder darin nicht mehr aufgenommen werden konnten. 190

A . SCHÜBEL, S o l d a t e n s e e l s o r g e , S . 8 4 .

Umgestaltung der gottesdienstlichen Formen

199

vorzugung der nationalkirchlichen Deutschen Christen zu bemerken. Das ließ einen stärker an den Deutschen Christen orientierten Kurs der Militärseelsorge erwarten. Es hieß sogar: „Für Angehörige der Bekennenden Kirche ist kein Platz in der Wehrmachtseelsorge." 191 Solange aber Dohrmann Feldbischof blieb, konnten die Deutschen Christen ihre Ziele nicht durchsetzen. Der Versuch eines Eingriffs in die oberste Leitung der Wehrmachtseelsorge folgte Anfang Februar 1939. In einem Schreiben des Oberkommandos des Heeres wurde den Generalkommandos mitgeteilt, daß Feldbischof Dohrmann abgesetzt und an seiner Stelle ein Wehrkreispfarrer bestellt sei. Wer diesen Eingriff, der dann allerdings im Sande verlief, ausgelöst hatte, blieb unbekannt. Presse und Rundfunk wurde untersagt, über den Zwischenfall zu berichten 192 . In der Frage der Gestaltung des Feldgesangbuches verknüpften sich theologische und kirchenpolitische Bestrebungen. Da die „Lieder der Kommenden Kirche" einen nicht unbedeutenden Einfluß ausübten, kann man sagen, daß die Bremer Bemühungen um die Erneuerung des Kirchengesanges auch ideen- und kirchenpolitisch auf die Militärseelsorge der Kriegszeit wirkten.

4. Die Umgestaltung der gottesdienstlichen christliche Kultus

Formen:

der

deutsch-

Auf der 1. Reichskirchentagung für Niederdeutschland vom 20. bis 23. September 1935 in Bremen wurden die ersten konkreten Ergebnisse der liturgischen Bemühungen der niedersächsischen Deutschen Christen sichtbar. Neben der Eindeutschung der Bibel und des Gesangbuches wollten die Deutschen Christen auch dem Gottesdienst eine zeit- und „artgemäße" Prägung verleihen. Schon Anfang des Jahres 1934 war ein „Liturgisches Seminar für Niedersachsen" geplant, das eine einheitliche gottesdienstliche Ordnung „in deutsch-reformatorischem Geist" für die niedersächsischen lutherischen Landeskirchen schaffen und damit zur Einigung der Landeskirchen in Nie1 9 1 Ebd. Das „hochverräterische Bittgebet" hatte Martin Bormann gezeigt, daß die Geistlichen dieser Kirchen kaum „eine Stütze der kämpfenden Truppen sein werden, sondern daß sie im Gegenteil zu einem großen Teil gefährliche Zerstörer der seelischen Kampfkraft im Ernstfall darstellen" (Schreiben an das Oberkommando der Wehrmacht vom 28. 1. 1939; zitiert nach J . S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 366). 1 9 2 A. SCHÜBEL, Soldatenseelsorge, S. 84. Bormann lehnte die Anfang 1939 geplante Gründung eines „Wehrmachtkonsistoriums" ab, weil er darin die Schaffung einer eigenen „Wehrmachtskirche" sah, was gegen die Kirchenpolitik des Staates verstieß. „Die Wehrmachtskirche wäre ja praktisch nichts anderes als eine Staatskirche auf dem Gebiet der Wehrmacht" (J. S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 366).

200

Kirchenerneuerung in der Literatur

dersachsen beitragen sollte. Der Sitz dieser von den Landeskirchen unterstützten „volksliturgischen Hochschule" sollte in der Lüneburger Heide sein193. Theologisch begründete Professor Fiedler die Umgestaltung der Liturgie in seinem Vortrag auf der Kirchentagung in Bremen194. Wie nicht selten bei den Deutschen Christen, sollte die Reformation die Legitimität dieses Unternehmens beweisen. Denjenigen, die fürchteten, daß der Eingriff in die traditionellen gottesdienstlichen Formen zur Substanzlosigkeit führen würde, versicherte Fiedler: „Wenn irgendwo in der Geschichte des Christentums, so ist hier [in der Reformation] deutlich geworden, daß eine Änderung der Formen an seinem Wesen nichts ändert." 195 Das große Vorbild sollte zeigen, daß trotz formaler Änderungen das Evangelium seine Stellung behalten könne. Was König Friedrich Wilhelm III. zu Anfang des 19. Jahrhunderts nicht gelungen war, nämlich eine einheitliche Gottesdienstordnung für die Protestanten zu schaffen, hielt Fiedler im Dritten Reich für möglich. Die vergangene, auf die Aufklärung sich stützende Zeit, sei nicht „reif für eine Zusammenfassung protestantisch-kirchlicher Formen" gewesen196. Das Neue im Dritten Reich war, daß Luthers Werk eine politische Dimension gefunden hatte. Die Reformation wurde nicht mehr als eine „im wesentlichen innerkirchliche Glaubensangelegenheit", sondern als geistige Grundlage der politischen Verselbständigung zum deutschen Reich angesehen197. In Luther wurde das Christentum „zur deutschen Religion und formte dies Volk allmählich zur Nation". Die „deutsche" Auffassung vom Christentum hatte damit in der Gesellschaft auch eine politische Funktion198. Die von Luther begonnene Verdeutschung des kirchlichen Lebens mußte im Hitlerreich vollendet werden, ja Hitler selbst sollte dazu beitragen. In der Persönlichkeit Hitlers verbanden sich die kirchlichen wie die politischen Erwartungen der Deutschen Christen. „Wenn man die deutsche Geschichte von innen her sieht, wird sich wahrscheinlich aus Hitlers Werk die große Periode deutscher Geschichte und deutschen Christentums, die Luther eingeleitet hat, vollenden." 199 Durch die christliche Interpretation der politischen Parolen wird die nationalsozialistische Politik als religiöses Engagement gesehen. „Mit Hitler bricht die Wir-Zeit der protestantischen Periode an: Deinen Nächsten als dich selbst . . . , oder, wie dasselbe Wort in politischer Form lautet: Gemeinnutz geht vor Eigennutz." 200 Die „artgemäße" Form des Christentums, die Luther gefunden hat183

K I R C H E UND VOLKSTUM IN N I E D E R S A C H S E N N r . 5 v o m 1. 3 . 1 9 3 4

Seminar für Niedersachsen). 185 Ebd., S. 10. 188 Ebd.

194 198 188

Ebd., S. 11. Ebd., S. 11.

(Liturgisches

G. FIEDLER, Wandelbarkeit. 197 Ebd., S. 9. 800 Ebd., S. 12.

Umgestaltung der gottesdienstlichen Formen

201

te, sollte jetzt in den kirchlichen Formen zu ihrer Vollendung gebracht werden. Nach dem reformatorischen Modell stand bei dieser Erneuerung die Reform des Gesangbuches an erster Stelle, allmählich sollten aber auch neue liturgische Formen und schließlich ein „deutsch-christlicher Katechismus" entstehen 201 . Führend bei den liturgischen Bemühungen in Bremen war Pastor Walter Schomburg von St. Remberti, Mitglied der Gesangbuchkommission und enger Mitarbeiter Weidemanns. Wie der deutsch-christliche Domprediger Rahm war er als alter Freimaurer aber nie in die Partei aufgenommen worden 202 . Auch hier wurde wie bei den verschiedenen Eindeutschungsbemühungen betont, daß es zunächst um sprachliche Änderungen gehe, die nicht den traditionellen Inhalt antasten würden. Die neuen „Feiern" der Kommenden Kirche wollten nur „das alte Evangelium in neuer Sprache verständlich" machen 203 . Mit dieser für alle Zeiten gültigen Forderung wurde die theologische Umwandlung verschleiert, die sich in den Begriffen vollzog. Dem Stil der politischen Veranstaltungen und Feiern der nationalsozialistischen Organisation folgend, bekamen die Sprechchöre Aufgaben in „Morgen- und Abendfeiern". In verschiedenen Kombinationen wechselnd, rezitierten der Einzelsprecher, der Liturg und der Sprechchor Texte von Conrad Ferdinand Meyer, Heinrich Anakker, Bartelmäs, Arndt. Die Chöre waren manchmal gemischte, manchmal reine Männer- oder Frauenchöre. Neben völkischen Dichtern wurden auch Luthers Predigten vorgetragen. Bei der Liedauswahl bevorzugte man Dichter wie Gustav Schüler, Gustav Schröer, Wilhelm Bauer und Arndt 2 0 4 . Sprechchöre und Einzelsprecher vergrößterten den Anteil der Laien an der Gestaltung der Feiern. Der eigentliche politische Anstrich dieser Veranstaltungen kam aber dadurch zum Ausdruck, daß bei ihnen Chöre der SA, der H J und des BDM mit eigenem Repertoire auftraten. In einem „Gottesdienst mit deutscher Jugend" rezitierte die H J ein Gedicht von Bartelmäs: „Wir Jungen, die wir Deutschland lieben, wir haben ein Wort auf die Fahne geschrieben: Kampf! Und ob die Feigen ängstlich sprechen: Ihr zwingt uns nicht! Ob sie uns hassen oder töten: wir können nicht anders, wir tun unsre Pflicht! Ebd., S. 16. LKA BREMEN, Personalakten Weidemann. ios yf/ SCHOMBURG, Morgen- und Abendfeiern (Vorwort).

201

202

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Ebd.

202

Kirchenerneuerung in der Literatur

Brennen soll alles, was feige und schlecht, aus Blut und aus Boden ersteht unser Recht! Das Gemeine soll lodern in hellen Flammen, schlagt alles Schlechte, alles Feige zusammen. Löst unsre Heimat aus Knechtschaft und Fron. Schmiedet und hämmert die deutsche Nation! Wir Jungen, die wir Deutschland lieben, wir haben ein Wort auf die Fahne geschrieben: Kampf!"205 Die Erziehung zur blindtreuen Pflichterfüllung in der antihumanen Maschinerie des Nationalsozialismus, eine Soldatenethik, die geneigt war, „alles Schlechte" mit allem „Feigen" gleichzusetzen, und Rechtsnormen, die ihre Gültigkeit der „Blut- und Boden"-Ideologie verdankten, wurden in dem Gedicht den Gottesdienstteilnehmern als religiöses Anliegen dargestellt. D a ß die Relativierung der christlichen Rechtsauffassung keine Gegenreaktion hervorrief, mag von der Vernebelung der christlichen Ethik durch die Volksnomostheologie abhängig gewesen sein, die auch durch die Eindeutschung der Bergpredigt tiefgehenden Einfluß geübt hatte. Es schien sogar möglich, das HJ-Gedicht mit der Bibel zu vereinbaren, wie die Schriftlesung Joh 3,22-36 zeigte, aus der anscheinend auch die für die H J vorbildliche Pflichterfüllung zu erschließen war. „Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen" (Joh 3,3ο) 206 . Neben der äußeren Anpassung der gottesdienstlichen Formen an den Stil der nationalsozialistischen Veranstaltungen wurden so Versuche gemacht, die Ideologie des Nationalsozialismus christlich umzudeuten. Möglichkeiten für die Vermischung des christlichen mit dem nationalsozialistischen Ideengut in den Feierveranstaltungen boten die neuen politischen Feiertage: der Geburtstag Hitlers (20. April), der „30. J a n u a r " und der „ T a g der nationalen Arbeit" (1. Mai) sowie die Feierstunden an den Gefallenen-Ehrenmalen. Nach der Begründung des Wochenblattes „Kommende Kirche" im September 1936 beabsichtigte die Schriftleitung für die „Mitarbeit an der neuen Liturgie und dem neuen Lied" einzutreten und stellte fest, daß auch in der Ausgestaltung der Festtage die „Grundhaltung" und „Zielsetzung" der Deutschen Christen zu bewahren sei 207 . Nicht alle Entwürfe zur Gestaltung der deutsch-christlichen Feierstunden waren in ihrem politischen Engagement so eindeutig wie der oben behandelte „Gottes205

Ebd., S. 7 f.

207

KOMMENDE K I R C H E N r . 5 v o m 2 5 . 1 0 . 1 9 3 6 .

2

°« Ebd.

Umgestaltung der gottesdienstlichen Formen

203

dienst mit deutscher Jugend". Es gab auch Entwürfe, in denen der theologisch-ideenpolitische Trend nicht so auffallend war, ζ. B. die „Feierstunden zum Reformationsfest" im Jahre 1936. Die Feierstunde folgte dem Gedankengang: erstens eine Vergegenwärtigung des Luther-Bildes mit dem üblichen Hinweis auf die Gegenwart („Wir glauben, daß Gott sich je und je in der Geschichte Männer zubereitet, die sein Werk treiben."); zweitens eine Aufforderung an die Teilnehmer der Feierstunde („So steht er heute vor uns mitten unter uns, Vorbild und Mahner zugleich."); und drittens eine Beschreibung der aktuellen religiösen Aufgaben („eine christliche deutsche Kirche in der Wirklichkeit des nationalsozialistischen Dritten Reiches") 208 . Als Texte dienten zusammengestellte Bibelsprüche und Lutherworte wie Gedichte über den Reformator. Dieser Entwurf knüpfte an die nationalprotestantische Tradition an und hätte wahrscheinlich in breiteren Kreisen Zustimmung finden können 209 . Parallel mit den Forderungen nach einer Kirchenerneuerung im Sinne einer völkischen Reichskirche vollzog sich eine stärkere Politisierung und Radikalisierung der Entwürfe bis Anfang 1937. Die Liturgieentwürfe sollten helfen, das zunächst nur latente nationalkirchliche Ziel unter der Parole „Die Christus bekennende Reichskirche" zu verwirklichen. „Es kann nur eine Front geben: Her zu uns, wer zu Christus steht. Also eine Kirche im deutschen Land? Noch nicht, die Zeit will erst reifen! Also nicht Katholiken, nicht Protestanten, sondern nur Christen? Noch nicht! Die meisten wollen noch schlafen! Also eine deutsche Pfarrerschaft? Auch nicht: Die Pfarrer müssen's erst lernen! Aber Anfang soll dieses Büchlein sein!" So hieß es bei Weidemann in einer in dieser Zeit entstandenen Sammlung neuer Liturgieentwürfe 210 . In seinem Entwurf einer „Feierstunde am Jahresabend 1936" versuchte Pastor Brökelschen-Oberhausen eine neue Gestaltung. Er ließ den „Sprecher" das Jahr unter vier Gesichtspunkten betrachten: N a tur, Politik, Verstorbene und Kirche, und er verknüpfte diese Leitgedanken mit den als „Verkündigung" rezitierten Bibelsprüchen 211 . Die kirchenpolitischen Anschauungen kamen in der Interpretation der politischen Entwicklung und der kirchlichen Ereignisse zum Ausdruck. Das Gesamtbild war: auf der politischen Ebene geeignet, in der Kirche zerrissen. Der Sprecher rezitierte: „Wir schauen zurück auf Volk und Reich - vorwärts und aufwärts ging unser Weg. Wie waren wir zerrissen, wie sind wir nun ge208

Ebd. (O. Brökelschen, Feierstunde zum Reformationsfest).

209

Ebd.

211

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 v o m 3 . 1 . 1 9 3 7 .

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H . WEIDEMANN, G o t t e s d i e n s t e .

Kirchenerneuerung in der Literatur

204

eint. - Aus Glauben und Liebe grüßen wir Dich, Führer, den Ersten der Deutschen, Gestalter und Walter der neuen Zeit." 2 1 2 Die politische Betrachtung sollte hier außer der üblichen Fürbitte für die Obrigkeit der Verehrung Hitlers als Person dienen. Vorher hieß die „Verkündigung": „Das ist vom Herrn geschehen und ein Wunder vor unseren Augen. Uber die Kirche äußerte der Sprecher: „Wir schauen zurück auf Kirche und Kirchentum. - Müssen wir schweigen und zagen? Weh, noch immer getrennt und noch nicht am Ziele! 1936: auch Du wieder ein Jahr der Starre und Strenge, der Unbrüderlichkeit und Unduldsamkeit, ja der Verfolgung und Schmerzen!" 213 Nach der Feststellung des Versagens der Kirche wird das nationalkirchliche Ziel folgendermaßen angedeutet: „Und doch auch in Deiner Kirchennacht das Licht des Glaubens, das uns leuchtete zu neuen Wegen und neuem Kampfe um die Christusgemeinde aller Deutschen." 214 In liturgischer Form wird eine Geschichtsinterpretation und das nationalkirchliche Ziel dem Bewußtsein der Zuhörer eingeprägt. Die kultisch-religiöse Weise der Feier läßt die Kritik verstummen. In der religiösen Anbetung hören die Fragen auf. Als viertes Beispiel der Entwürfe zu deutsch-christlichen Andachten wird hier die „Feierstunde zur 4. Wiederkehr des Tages der Machtübernahme" behandelt, die einen Eindruck von dem Höhepunkt der Nationalisierung und Politisierung des Gottesdienstes bei den Deutschen Christen Bremens Anfang 1937 vermittelt 215 . Die politische Machtübernahme der Nationalsozialisten ist zum Gegenstand religiöser Verehrung und Dankbarkeit erhoben. Der Sprecher rezitiert: „Zum vierten Male im Kreislauf der Zeit jährt sich der Tag der deutschen Erhebung und Wiedergeburt: 30. Januar 1933, der Tag der Erfüllung! In dir wurde Wirklichkeit und freudvolle Gewißheit, was in Blut und Seele lebte als Hoffnung und Sehnsucht, was die Besten erkämpften und erbluteten, was Einer im stürmenden Glauben zum Siege führte, das Reich der Deutschen in Ehre und Freiheit. - Deutscher Mensch und Bruder, gedenke! Leicht springt das Wort von den Lippen und flüchtig ist des Menschen Gedächtnis. Die Fahne, vom Blute der Kämpfer rot, vielen ist sie Gewohnheit und Brauch, das Reich, geschmiedet in Not und Tod, manchem ist es nur Stätte und Form. - Deutscher Bruder und Mensch, gedenke und danke! (Die Gemeinde erhebt sich)." 216 212

Ebd.

215

KOMMENDE K I R C H E

Ebd. Nr. 4 vom 24.1.1937.

Ebd. » · Ebd.

Umgestaltung der gottesdienstlichen Formen

205

Konform gehend zum Nationalsozialismus, wollte der Verfasser die Zuhörer mit religiösem Engagement erwecken und den Charakter der Machtübernahme als religiöses Wunder vergegenwärtigen. Dadurch, daß das Empfinden des Unterschieds zwischen nationalsozialistischem und christlichem Sprachgebrauch in dem Liturgieentwurf verschwindet, wird die Voraussetzung für eine dauerhafte Umdeutung der Politik Hitlers als religiösem Akt gegeben. Dadurch wird es leichter, hinter den politischen Aussagen christliche Gedankengänge zu sehen. Das Wort „Wiedergeburt" ζ. B. behielt in diesem Zusammenhang nicht seinen christlichen Charakter, nahm aber auch nicht eindeutig einen idealistischen Sinn als Formel irgendeiner geistigen Erneuerung an. Es bleibt als religiöser Ausdruck einer geistigen Umwandlung. Zunächst ist es schwierig zu sagen, was mit dem „Glauben" in dem Satz: „was Einer im stürmenden Glauben zum Siege führte", gemeint ist. Wenn man hier noch sagen könnte, es handele sich um eine idealistische Bezeichnung ohne Betonung des christlichen Sinnes des Wortes, drängt sich ein christlich-religiöses Verständnis des Vokabulars in folgender von einem „Sprecher" rezitierten Hitler-Rede auf: „In schwerer Not haben wir wieder beten gelernt und wir fühlen es: die Gnade des Herrn wendet sich uns jetzt langsam wieder zu. Und in dieser Stunde da sinken wir in die Knie und bitten unseren Allmächtigen, er möge uns sagen, er möge uns die Kraft verleihen, den Kampf zu bestehen für die Freiheit und die Zukunft und die Ehre und den Frieden unseres Volkes, so wahr uns Gott helfe!" 2 1 7 Es folgte Gemeindegesang. - Anhand dieses Zitats mag es leicht gewesen sein, Hitler als „christlichen" Staatsmann zu ehren und seine Politik mit religiöser Aura zu umgeben. In bezug auf Hitler bekamen die auch im idealistisch-religiösen Sprachgebrauch auftauchenden Termini „Glaube", „Wunder", „Wiedergeburt" einen religiösen, 8 1 7 Ebd. (Rede Hitlers in Köln vom 28. 3. 1936). Der bei M. DOMARUS zitierte Text weicht in einigen Stellen von dem von Brökelschen zitierten Text ab. So hieß es etwa statt „unseren Allmächtigen" „den Allmächtigen". Die Wiedergabe der Rede war im „Völkischen Beobachter" stark entstellt (Hitler, S. 614 ff., Anm. 96). Am 28. 3. 1936 ließ sich Hitler in Köln als „Befreier" des Rheinlandes feiern und hielt am nächsten Tag eine an die religiösen Gefühle appellierende Rede. Die religiös-suggestiven Wendungen der Wahlrede im katholischen Köln akzentuierten die Bedeutung des religiösen Sprachgebrauches in der Propaganda Hitlers (ebd., S. 616). Vgl. auch die Ansprache von Domprediger R a h m : „Wenn wir uns in dieser Abendstunde seines Geburtstages als Glieder unserer evangelischen Kirche hier in unserem Dom versammeln zu einer gottesdienstlichen Feier, so soll das nichts anderes sein, als der Ausdruck dafür, daß wir Adolf Hitlers Sendung und Werk als das rettende Gotteswunder an unserem Volk erkennen" (H. WEIDEMANN, Gottesdienste, Abendfeier im Dom am Geburtstag des Führers, 20. 4. 1936).

206

Kirchenerneuerung in der Literatur 218

christlichen Inhalt . Die Liturgie-Entwürfe der Deutschen Christen trugen damit zur Verwirrung von christlichen und pseudoreligiösen Begriffen bei, was die Wirkung dieser Termini in der nationalsozialistischen Propaganda vergrößerte. Es wäre aber zu einfach zu behaupten, die Deutschen Christen handelten hier nach politischem Kalkül. Vielmehr scheint die theologische und begriffliche Unklarheit, die auf den nationalprotestantischen Vorstellungen von der Beziehung von Staat und Kirche sowie auf der Kriegsreligiosität basierte, neben dem politischen Engagement ein Grund für diese verhängnisvolle Verchristlichung des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Der Vorgang, wie das Christentum und der Nationalsozialismus sich gegenseitig anzunähern schienen, sah hier anders aus als bei der Eindeutschung der Bibel und bei der Erneuerung des Gesangbuches. Während für die Bibelumdeutung meistens der Luthertext und für die Eindeutschung der Kirchengesänge die vorhandene Lieddichtung die Grundlage waren, ging man bei der Eindeutschung des Gottesdienstes nicht von der alten Agende aus. Statt dessen wurden politische Texte und Gedichte christlich uminterpretiert. Der Ausgangspunkt war nicht die alte Form, sondern das Zeitgeschehen bildete einen neuen Anfang, der mit der christlichen Tradition verbunden werden sollte. Während in den anderen Formen der Eindeutschung meistens die Vereinbarkeit des „heroisch" verstandenen Christentums mit dem Nationalsozialismus angestrebt worden war, wurde hier umgekehrt der Nationalsozialismus christlich gedeutet219. Es wurde ein Wahnbild 218 W. DIECKMANN, Information, S. 89, stellt die Neigung der Politiker fest, bestimmte religiöse Begriffe in der Propaganda zu bevorzugen: „Es fällt auf, daß es zum großen Teil immer wieder die gleichen Wörter sind, die der Propagandist in den politischen Kontext zieht, . . . und man kann fragen, ob es noch sinnvoll ist, von heilig, ewig, Glaube, Bekenntnis, Apostel usw. als von religiösen Begriffen zu reden." Bei den Nationalsozialisten waren diese Termini nicht im christlichen Sinne gemeint (vgl. C. BERNING, Abstammungsnachweis, S. 93, „Glaube"). Durch die Deutschen Christen wurde diesen Begriffen ein Inhalt verliehen, der eine Vermengung des christlichen und nationalsozialistischen Ideengutes darstellte. Auch in dem behandelten Entwurf wurde der nationalsozialistische in einigen Fällen mit dem christlichen Begriffsinhalt vermengt. Das Wort „Wunder" taucht zunächst in einem NS-Lied im idealistisch-romantischen Sinne („entflammt vom Wunder der großen Gegenwart") als Ausdruck eines rational nicht faßbaren Ereignisses der Gegenwart auf. Im späteren Verlauf der Feier bekommt der Begriff einen spezifisch christlichen Sinn („die sollen dem Herrn danken für seine Güte und für seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut"). Der Unterschied zwischen dem allgemein-idealistischen und spezifisch-christlichen Wortsinn wird nicht im kultischen Zusammenhang gedeutet, vielmehr erweckt das Wort den Eindruck von der Gemeinsamkeit des Sachverhaltes. 2Ii „Das Christentum der D C ist .verchristlichter' Nationalsozialismus", wurde von seiten der Bekennenden Kirche behauptet (DAS GESICHT DER „DEUTSCHEN

CHRISTEN", S.

12).

Umgestaltung der gottesdienstlichen Formen

207

des christlichen Nationalsozialismus anstatt des nationalsozialistischen Christentums geliefert. In den Begriffsumdeutungen, wie sie in Liturgieentwürfen oder Bibeleindeutschungen vorkamen, begann die Vermischung des nationalsozialistischen Ideengutes mit dem Christentum so tiefgreifende Formen anzunehmen, daß man in der nationalsozialistischen Führung eine Aushöhlung der eigenen Ideologie durch das Christentum Deutscher Christen zu fürchten begann 220 . In der Gestalt der „Morgen- und Abendfeiern" waren die Deutschen Christen anscheinend so nah an die Formen der parteieigenen Veranstaltungen gerückt, daß es nötig erschien klarzustellen, ob es sich um eine kirchliche oder nationalsozialistische „Feierstunde" handele. In einer offiziellen Anweisung teilte Propagandaminister Goebbels mit: „Es wird daran erinnert, daß die Bezeichnung Feierstunde' oder ,Morgenfeier' ausschließlich der Partei vorbehalten ist." 221 Nach dieser Sprachregelung wurde am nächsten Tag die Andacht zu Ehren der nationalsozialistischen Machtergreifung als „Kirchliche Feierstunde zum 30. Januar 1938" bezeichnet222. Für die Leser war diese Betonung, daß es sich hier um eine „kirchliche" Angelegenheit handelte, nicht nötig. Sie veranschaulichte aber die Versuche der Partei, sich von den Deutschen Christen zu distanzieren, was auch in anderen Sprachregelungen dieser Zeit zum Ausdruck kam 223 . Grundlegend in dieser Situation waren die Ausführungen Rosenbergs in den „Mitteilungen zur weltanschaulichen Lage" vom 10. Dezember 1937: „Und wer glaubt, die nationalsozialistische Weltanschauung konfessionell rechtfertigen und untermauern oder auch nur wahren zu müssen, dem sei gesagt, daß unsere Weltanschauung diese Hilfeleistung nicht braucht. Wer es trotzdem versucht, macht sich einer Verfälschung der nationalsozialistischen Weltanschauung schuldig." 224 Einen Monat nach dieser Äußerung war in einem in der „Kommenden Kirche" veröffentlichten Entwurf die Ernüchterung bemerk220

Auf dieses Problem wurde schon oben im Zusammenhang mit der „ HorstWessel-Gedächtniskirche" hingewiesen (vgl. oben S. 128). 221 R. GLUNK, Sprachlenkung, S. 71. In dem Zentralorgan des NS-Studentenbundes „Die Bewegung" war den „Deutschen Gottesworten" Müllers wegen der neuen Begriffsumdeutung mit folgender Begründung vorgeworfen worden, eine Fälschung zu versuchen: „Unsere Weltanschauung wuchs in einer neuen Zeit; sie entstand aus eigener Kraft. Deshalb verbitten wir es uns auch, daß man sie dazu mißbraucht, eine Weltanschauung der Vergangenheit mit Begriffen unseres Volkes zu drapieren." Die Partei brauchte die Unterstützung der Deutschen Christen nicht mehr, sie war auch ohne sie kräftig genug (vgl. AELKZ 69, 1936, S. 1053). 222

KOMMENDE KIRCHE N r . 4 v o m

223

Vgl. K. MEIER, Deutsche Christen, S. 353.

224

Zitiert n a c h K . MEIER, D e u t s c h e Christen, S. 2 9 4 ; POSITIVES CHRISTENTUM

23.1.1938.

Nr. 12, 1938; JK 7, 1939, S. 646; K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 46 ff.

208

Kirchenerneuerung in der Literatur

bar. Die politische Anknüpfung unter Nennung von Namen wurde vermieden. So stand dort zwar dasselbe Hitlerzitat wie ein Jahr zuvor, aber ohne den Namen Hitlers zu erwähnen, hieß es: „Uns ward in entscheidungsvoller Stunde das Wort gesagt."225 Eine offene Erzählung der geschichtlichen Ereignisse des 30. Januar wurde jetzt ebenfalls vermieden. Statt dessen wurde eine Lutheraussage über die Bedeutung eines Staatsmannes hinzugefügt, die sich offensichtlich auf Hitler bezog228. Die Deutschen Christen mußten bemerken, daß sie ihren alten Stil nicht weiterführen konnten, weil die Partei nun auch sie mit wachsender Kritik betrachtete. Die Zeit der offenen Anpassungsversuche ging, wie bei der Bibelverdeutschung, allmählich zu Ende. Eine neue Phase in der Vorbereitung einer deutsch-christlichen Agende bildeten die „akademischen" Entwürfe in der Bremer Bibelschule, die zum Schwerpunkt der kirchlichen Erneuerungsbestrebungen der Deutschen Christen wurden. Die auf Anordnung Weidemanns in der St. Martinikirche im Jahre 1939 gehaltenen Feierstunden zum Wochenende sind mit den früheren deutschchristlichen Veranstaltungen nicht zu vergleichen, aber mit dem in der „Gottesdienstordnung" vorgesehenen Gebrauch des Wochenrufes, der in der „Kommenden Kirche" erschien, knüpfte man an deutsch-christliches Gedankengut an 227 . Die Aufsätze über das Vaterunser 228 und das Apostolische Glaubensbekenntnis ließen erwarten, daß auch grundsätzliche Änderungen der alten Agende erfolgen würden 229 . Es wurde eine Basis für interkonfessionelle Formeln gesucht. Man war anscheinend in Bremen zur Einsicht gelangt, daß die Umwandlung der gottesdienstlichen Formen gründlicher als bisher vorbereitet werden müßte.

225

228

KOMMENDE KIRCHE N r . 4 v o m

23.1.1938.

„Wenn Gott einem Volk hat wollen helfen, hat er es nicht mit Büchern getan, sondern nicht anders, denn daß er einen Mann hat aufgeworfen; der regiert besser denn alle Schriften und Gesetze" (ebd.). 227 Weidemanns Mitteilung an die Amtsbrüder vom 30. 6. 1939 (LKA BREMEN, Β 655/1). Der Vorgang der Abendandachten: 1. Eingangslied, 2. Am Altar: Wochenruf, 3. Liedvers, 4. Auf der Kanzel: Ansprache (möglichst über den Wochenruf), 5. Schlußvers, 6. Am Altar: Gebet mit Fürbitte für den Führer und Vaterunser mit Segen. 228 KOMMENDE KIRCHE Nr. 20 vom 14. 5. 1939 (Jeder betet es anders! - Warum Unterschiede, w o gar keine sind?). 229 Ebd., Nr. 24 vom 11. 6. 1939 (Jeder bekennt es anders! Sollten nicht alle das gleiche meinen?).

Kapitel 7

INSTITUTIONALISIERUNG DER EINDEUTSCHUNGSBEMUHUNGEN: DIE G R Ü N D U N G DER BREMER BIBELSCHULE

1. Die Bibelschule als Zeichen des „kirchlichen

Wollens"

Auf der dritten Kirchentagung vom 3. bis 8. April 1937 in Bremen wurde die kirchenpolitische Akzentverschiebung Weidemanns sichtbar. Nachdem Reichskirchenminister Kerrl mit seinen Bemühungen, eine Nationalkirche zu installieren, gescheitert war, wurde jetzt im Hinblick auf die kommenden Kirchenwahlen besonders die Bekenntnistreue herausgestellt. Nach den Worten des Berichterstatters in der „Kommenden Kirche" sollte die Kirchentagung zeigen, „wie sehr es uns um ein echtes bibliches Christentum geht" 1 . Neben allgemeineren Vorträgen - einen der wichtigsten „Römische Eigenkirche oder deutsche Volkskirche?" hielt Wilhelm Stapel - stand die Bibelauslegung ganz im Mittelpunkt des Interesses2. Landesbischof Ernst Dietrich sprach über „Das Deutschtum in der Lutherbibel" und Domprediger Adolf Riege aus Lübeck über „Neue Wege zum Verständnis des Neuen Testaments". Unter der Leitung von Professor Schüttler wurde auch ein mehrtägiger Bibelkurs veranstaltet 3 . Man vertrat die Ansicht, daß eine tiefgreifende Wandlung in der Kirche nur dann möglich sei, wenn die Beschäftigung mit der Bibel in den Mittelpunkt gestellt würde. Die Bremer Deutschen Christen erklärten später auf dem 6. Kursus der Bibelschule, „daß eine Erneuerung der Kirche nicht nur durch äußere Reform geschehen könne, sondern nur von innen her durch einen rechten Gebrauch der Bi1

KOMMENDE KIRCHE N r . 16 v o m 18. 4. 1 9 3 7 ( W . D i e t s c h ,

Gotteswirklichkeit

heute, Von der 3. Kirchentagung in Bremen); über die 3. Kirchentagung vgl. auch Nr. 17 vom 25. 4. 1937. 2 Ebd., Nr. 13 vom 28. 3. 1937 (Programm der 3. Kirchentagung). a Ebd. Ernst Dietrich, geb. 28. 1. 1897 in Groß-Umstadt, gest. 20. 1. 1974 in Wiesbaden, 1920 ord., 1923 Pfr. in Wackerheim/Mainz, 1927 in Hamburg, 1929 in Wiesbaden, 6. 2. 1934-18. 5. 1945 Landesbischof der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, 1. 6. 1945-1967 Pfr. in Wiesbaden. 14 Heinonen, Anpassung

210

Gründung der Bremer Bibelschule

bei" 4 . Nur mit einer einheitlichen Bibelauslegung könne man die kirchenpolitischen Kontroversen überbrücken und die Voraussetzung für eine Einheitskirche schaffen. Ein konkreter Anstoß in dieser Richtung war der von Weidemann auf der Kirchentagung bekanntgegebene Plan, im Herbst die Bremer Bibelschule zu gründen. Die Leitung sollte Professor Schüttler übernehmen, der dazu beitragen könne, daß die Bibelschule nicht als spezifisch deutsch-christliche Veranstaltung anzusehen sei. Als „Arbeitstagung" für Theologen und Laien sollte die Bibelschule „über alle dogmatischen und sonstigen theologischen Verschiedenheiten" zur kirchlichen Sammlung beitragen 5 . Vom ersten Kursus an, der vom 3. bis 10. Oktober 1937 stattfand, bestand an der Bremer Bibelschule reges Interesse. Aus dem Saarland, aus Ostpreußen, Schlesien und Bayern nahmen Laien, Studenten und Theologen verschiedener kirchenpolitischer Richtungen teil 6 . Nach den Vorträgen gab es Diskussionen, an denen sich auch Repräsentanten der Bekennenden Kirche beteiligten. Alle Teilnehmer der Tagung sollten jedoch den gleichen Gesamteindruck bekommen, „daß in der kirchlichen Zerrissenheit und den Auseinandersetzungen unserer Tage die einzige Möglichkeit für ein Zusammengehen auf dem Boden der Bibel gegeben" sei7. Es schien, als habe die „Bremer Bibelschule" zur kirchlichen Sammlung beigetragen. Auf ihren Kursen, die zweimal im Jahr stattfanden, wurden Vorträge von Universitätsprofessoren und Pfarrern gehalten; daneben bereiteten verschiedene Arbeitskreise Entwürfe für eine Erneuerung der Bibel, des Gesangbuches und der Agende vor. Uber das Thema „Das Christentum des Vaterunsers" sprach auf dem ersten Kursus Professor Schüttler, der die christliche Dogmatik auf die einfache Form dieses Gebets reduzieren wollte. In seinem Vortrag „Paulus bei den Ariern" wurde die deutsch-christliche Rassenfrage mit den Aussagen der Bibel konfrontiert. Unter pädagogischen Gesichtspunkten betrachtete Professor Fiedler in seinem Vor4 KOMMENDE KIRCHE N r . 14 vom 14. 4. 1940. Weidemann zitierte auch in seiner Begrüßungsrede den alten Bremer Biblizisten Gottfried Menken, „Etwas über Alt und Neu in betreff der christlichen Wahrheit und Lehre", 1828. Die Bibelschule wollte damit an die bremische biblizistische Tradition anknüpfen. 5 Ebd. (Programm). In seinem Schlußvortrag 1937 meinte Pastor H . R a h m : „Die alten Fronten verschwinden mehr und mehr. D a sind Katholiken, die denken und reden protestantisch, und Protestanten, die denken und reden katholisch. D a weiß man auch wieder, daß ohne klare Stellung zur Bibelfrage eine kommende Kirche nicht lebensfähig ist. D a gilt es . . . zunächst das Urevangelium in Ehren zu halten und dem Gott des Vaterunsers das Seine zu geben: Ihm die Treue und dem Volk die Liebe!" (ebd., N r . 18 vom 2. 5. 1937, 3. Kirchentagung). ' Ebd., N r . 42 vom 17. 10. 1937 (Bremer Bibelschule, Bericht über den 1. Kursus). 7 Ebd.

Auslegungsgrundsätze

211

trag „Das alte Testament in Predigt und Unterricht" dieses als Lernstoff für Schulen und Konfirmandenunterricht. Die Vorträge von Pastor Rudolf Gensch behandelten das für die ethischen Entscheidungen wichtige Thema „Das Christentum der Bergpredigt". Uber seine kirchenpolitischen Zielsetzungen sprach Weidemann in einer Abendveranstaltung „So sieht die Kirche der Zukunft aus".

2. Die

Auslegungsgrundsätze

Die zentrale Aufgabe, Luthers Schriftauslegung zu erklären, hatte Professor Redeker in seinem Vortrag „Es steht geschrieben" übernommen. Bedeutsam für die Eindeutschungsbemühungen sei, daß der Reformator einige Abschnitte der Bibel für wichtig, andere für weniger wichtig angesehen hatte, je nachdem, wie sie „Christum treibet". So sei seine Unterschätzung der Briefe Jakobus, Judas und der Offenbarung Johannes entstanden. Dies spreche gegen eine starre Verbalinspirationslehre. „Der Buchstabe als Buchstabe" sei nicht „göttliches Wort", sondern Gott rede „durch den Geist, der aus den Worten spricht" 8 . Gegen diese Freiheit der christologischen Bewertung stellte Redeker das zweite Prinzip Luthers, das vor Willkür bewahren sollte: „Gehorsam und Beugung unter der Schrift." Nach Redeker konnte man dies aber nicht als Forderung nach einem buchstäblichen Verständnis der Bibel verstehen. Selbst Luther sei zur Fehleinschätzung dadurch gekommen, daß er die Bibelaussagen als maßgeblich für das naturwissenschaftliche Weltbild gehalten und deswegen ζ. B. Kopernikus als Narren eingeschätzt habe. Für die Übertragung der Bibel könne kein gültiges Modell angenommen werden, da „auch Luther . . . die Problematik unserer Tage nicht gekannt" habe 9 . In einem Uberblick über die verschiedenen Epochen der Bibelkritik kritisierte Redeker die doktrinär-legalistische Verbalinspirationslehre der altprotestantischen Orthodoxie und die aus „einer säkularistischen Skepsis" erwachsene historisch-kritische Methode des 19. Jahrhunderts von Reimarus bis Wrede. Als dritte, zwischen diesen Richtungen stehende Gruppe wurden die Vermittlungstheologen Friedrich August Tholuck und Theodor Zahn genannt 10 . Zu ganz neuen Fragestellungen aber hätten die ideengeschichtliche Entwicklung und nicht zuletzt die nationalsozialistische Weltan8

Ebd. (nach dem Bericht von Pastor W. Wehowsky). Vgl. P. MEINHOLD, Luthers Sprachphilosophie, S. 24. 10 KOMMENDE K I R C H E Nr. 42 vom 17.10.1937.

9

14·

212

Gründung der Bremer Bibelschule

schauung die Bibelwissenschaft gezwungen. Die Kritik an der Bibel habe ihre Ursache jetzt nicht in „säkularistischer Skepsis" wie im 19. Jahrhundert, „sondern eine neue Gläubigkeit erhebt die Frage an sie und ihren Wert" 1 1 . Redeker scheint hier die Ansicht der kirchlichen und nationalistischen Kreise zu teilen, die behaupteten, daß der N a tionalsozialismus das „Ende des Säkularismus" bedeute. Der antichristliche Charakter dieser neuen Religiosität wird eben wegen ihres „antisäkularen" Charakters übersehen. Hinter diesen Gedanken steckt die Überlegung, daß alles, was gegen den Säkularismus der 20er Jahre sei, positiv kirchlichchristlich sein müsse. So fühlt sich Redeker verpflichtet, die aus den völkischen Kategorien erwachsene Bibelkritik seiner nationalsozialistischen Zeitgenossen als legitime theologische Fragestellung zu betrachten. „Zu den alten kritisch-historischen Argumenten tritt heute neu der Versuch hinzu, eine Schranke aufzurichten zwischen uns und der Bibel, mit der Begründung, sie sei artfremd, sei ein jüdisches Produkt und könne deshalb dem deutschen Volk nichts sagen." 1 2 Diesen „Vorwurf" wollte die Bibelschule mit Hilfe der Bibelwissenschaft zurückweisen. Daraus folgte, daß die Aufgabe, die Bedeutung des Alten Testamentes für das Christentum zu erforschen, zentrale Bedeutung bekam. Als „Fragestellung unserer Tage" bezeichnete Pastor Wehowsky in der „Kommenden Kirche" die Frage Redekers am Ende seines Vortrags: „Muß das A T für uns heute Heilsweg zu Christus sein oder ist die Geschichte der Bibel und das Christentum im deutschen Volk nicht auch ein Weg?" 1 3 Aus dieser die Volksnomostheologie berührenden Fragestellung ergaben sich die zukünftigen Aufgaben der Bibelschule. In den rund 30 Vorträgen, die während der sieben Kurse der Bibelschule zwischen 1937 und 1940 gehalten wurden, lag ein Schwerpunkt auf der Exegese des Neuen Testaments; 13 Referate befaßten sich mit neuen Auslegungs- und Eindeutschungsmöglichkeiten 14 . Um wissenschaftlich fundierte Quellenstudien ging es in den Beiträgen von Emanuel Hirsch und Helmut Kittel. Zentrale Themen der deutsch-christlichen Theologie wurden in elf systematischen Vorträgen behandelt: z.B. Professor Schöttler mit seinem programmatischen Vortrag über „Das Christentum des Vaterunsers", Domprediger Riege „Das Antijüdische in der Predigt Jesu", Professor Redeker: „Wer ist Jesus Christus?" 12 Ebd. Ebd. » Ebd. 1. Kursus: 3.-9. 10. 1937; 2. Kursus: 14.-19. 3. 1938; 3. Kursus: 10.-14. 10. 1938; 4. Kursus: 27.-31. 3. 1939; 5. Kursus: 2.-6. 10. 1939; 6. Kursus: 1.-5. 4. 1940; 7. Kursus: 23.-27. 9. 1940. Die Programme der Bibelkurse wurden mehrmals vorher in der „Kommenden Kirche" veröffentlicht. Jeder Referent hielt meistens mehrere - ca. eineinhalb bis zwei Stunden lange - Vorträge um einen Themenkreis, wie Hirsch auf dem 3. Kursus über das Alte Testament: „Jesus und das Alte Testament" und „Paulus und das Alte Testament" (LKA BREMEN, Β 652). 11

14

Auslegungsgrundsätze

213

und Wilhelm Stapel: „Der deutsche Volksnomos". Neben vier praktisch-theologischen und einem kirchengeschichtlichen Vortrag wurden Fragestellungen des Alten Testaments nicht nur in vier eigenen Vorträgen, sondern auch in den Referaten über das Neue Testament ausgesprochen. Auf dem zweiten Kursus, vom 14. bis 19. März 1938, hielt der frühere Barthianer und Anhänger der Religiös-Sozialen, Karl Refer, einen Vortrag über das Thema „Der Prophet Arnos, ein Vorkämpfer gegen jüdisch-materialistischen Geist"15. Die von Hirsch gehaltenen Vorträge „Jesus und das Alte Testament" und „Paulus und das Alte Testament" konnte die Bibelschule zum Gegenstand eines allgemeineren theologischen Interesses erklären. Wie Nicolaisen meint, gehörte sein Beitrag zur Auslegung des Alten Testamentes „zum Wichtigsten und Interessantesten, was im Kirchenkampf zu dieser Frage geschrieben wurde" 16 . 15

In der Zeit des Erscheinens seines Buches „Arnos, die Worte des Propheten übersetzt und gedeutet" im Jahre 1927 war K . REFER Anhänger der Religiös-Sozialen und kommentierte Arnos aus der dialektischen Theologie Gogartens heraus. Die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit sollte in der Ich-Du-Beziehung unter der „Herrschaft Gottes" geschehen. Unter dem Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe ist die vom Gesetz und den Propheten bis zu Christus und den Aposteln verlaufende „biblische Linie" der sozialen Gerechtigkeit etwas grundsätzlich anderes als alle sozialen Forderungen der Gesellschaft, „weil auf ihr von einer qualitativ ganz anderen viel einfacheren und unendlich viel tieferen Beziehung der Menschen . . . gehandelt wird" (S. 54). Die Forderungen Amos' sollten deswegen „nicht als soziale Botschaft sondern nur als Wort Gottes" ausgelegt werden (S. 55, 38). Diese seine Deutung in den 20er Jahren „aus Offenbarung" heraus, wurde in der Bibelschule aufgegeben, als Refer die sozialen Bestrebungen des Staates als Erfüllung der Forderungen der Bibel, als „Tatchristentum" behandelte (KOMMENDE K I R C H E N r . 14 vom 3. 4. 1938: Deutschtum und Christentum wider den ewigen Juden. 2. Kursus der Bremer Bibelschule von W. Dietsch). Über den Vortrag Refers ist aus dem Bericht nichts zu entnehmen. Welche Rolle er dem Alten Testament zuteilte, erläutert aber sein früherer Vortrag „Ist Christentum jüdisch?". Aus dem ganzen Alten Testament versucht Refer „denselben Kampf gegen das Judentum, den wir im Neuen Testament bei Jesus und den Aposteln finden", zu beweisen. „Mitten in ihrem Volk gegen ihr Volk" sollen die Propheten diesen Kampf geführt haben. Refer interpretiert die Bußpredigt der Propheten als entschiedene Gegnerschaft gegen das jüdische Volk: „So verkündigen die Propheten dem eigenen Volke den Untergang, dem Tempel die Zerstörung, der jüdischen Religion das Ende. Darum erleiden sie von ihrem Volke Feindschaft und Vergewaltigung (S. 6). Neben diesem Verschwinden des eschatologischen Aspekts und der Verflachung der Botschaft der Propheten zu einer Art Religionskrieg wird auch das Neue Testament verdreht. Refer erklärte: „Dieser antijüdische Kampf aber, der sich in verschiedener Stärke durch die ganze Bibel zieht, ist nichts Nebensächliches, Nebenlaufendes, sondern der entscheidende Inhalt der Bibel. Denn gerade in ihm wird das Wort Gottes laut" (S. 7). Die Verbindung des Christentums mit dem Judentum wird verleugnet und als Voraussetzung der Aufnahme des „Wortes Gottes" eine Religionsgegnerschaft vorausgesetzt. Das Ziel der Bußpredigt, des Evangeliums ist konkretisiert 16 und relativiert. C. NICOLAISEN. Altes Testament, S. 91.

214

Gründung der Bremer Bibelschule

Als „befreiende Wahrheit" wurde in der „Kommenden Kirche" die Auffassung Hirschs gepriesen, daß „das Alte Testament . . . als Ganzes den Juden gehört" 17 . Wie in seinem Buch über die „Verdeutschung und Erklärung des vierten Evangeliums" ging es Hirsch auch hier um die Klärung des Verhältnisses von Gesetz und Evangelium. Mit dem Satz „Das Alte Testament ist und bleibt Gesetz. Christus aber ist des Gesetzes Ende" wird die rigorose Unvereinbarkeit der Bücher des alten und neuen Bundes betont 18 . Diese antitypische Betrachtungsweise geht bis zum Schematismus, indem Hirsch nicht den Eigenwert der alttestamentlichen Texte sah, sondern sie nur als „Gesetz" negativ betrachtete 19 . Den Gebrauch des Alten Testamentes in der Kirche möchte Hirsch aber nicht aufgeben. Es soll den Predigern als eine „Vormeditation" über den Gegensatz zwischen Gesetz und Evangelium dienen und als das „mächtigste Widerspiel des Neuen" gesehen werden 20 . Die Interpretation des Alten Testamentes als des natürlichen und des Neuen Testamentes als des geistlichen Menschen konnte leicht zum Gegensatz zwischen Judentum und Christentum modifiziert werden. In der Bibelschule wurden die Auslegungen Hirschs nicht einmütig aufgenommen. Grund für die Unzufriedenheit war, daß sich manche wichtigen Perikopen jetzt nicht mehr mit dem Christentum verknüpfen ließen. Einige sahen in der neuen Interpretation einen Verlust des geistlichen Eigentums: ein Beweis für die Heterogenität der Teilnehmer der Bibelschule 21 . Hirsch selbst scheint sich der unterschiedlichen Wirkung seiner Thesen bewußt gewesen zu sein. Er betonte aber die Bedeutung dieser Auseinandersetzung für die Kirche, die notwendig sei für „die Klärung . . . , die unsere evangelische Kirche jetzt braucht" 2 2 . Hinter den exegetischen Studien scheint damit das praktische Bemühen gestanden zu haben, Waffen für die Selbstbehauptung der Kirche gegenüber den völkischen Vorwürfen über die Abhängigkeit des Christentums vom Judentum zu schmieden. Vom Standpunkt der Deutschen Christen aus mußte der Ausgangspunkt Hirschs als Apologie der Kir17

KOMMENDE K I R C H E N r . 4 3 v o m 2 3 . 1 0 . 1 9 3 8 ( T a t e n , d i e u n s v o r w ä r t s b r i n g e n ,

3. Kursus der Bremer Bibelschule, Bericht von [RefeJ-i). 1 8 Ebd. 1 9 „Es bleibt nicht die Geschichte selbst, sondern die aus ihr abstrahierte Idee von natürlichem ( A T ) und geistlichem Menschen ( N T ) . D a s geschichtliche Konkrete wird dem methodischen Zwang geopfert" (C. NICOLAISEN, Altes Testament, S. 95). 2 0 Ebd., S. 93. 2 1 Vgl. Anm. 17. Die Teilnehmer der Bibelkurse waren laut Pastor Collmar „keineswegs etwa nur deutsch-christlich gesinnte" (Information R. Collmar vom 24. 2. 2 2 E . HIRSCH, Altes Testament, Vorwort. 1970).

Beteiligung an den Bibelkursen

215

che und von Seiten der Bekennenden Kirche als Anpassung an die Ideale der nationalsozialistischen Gesellschaft empfunden werden. 3. Die Beteiligung

an den

Bibelkursen

Von Anfang an fand die Idee der Bibelschule ein reges Echo, so daß die Veranstalter des ersten Kurses feststellen konnten, daß dieser „weit über den Rahmen hinaus, den man erwarten konnte", Interesse gefunden hatte 23 . Zu Beginn des zweiten Kurses waren „wieder Hunderte" eingetroffen 24 , so daß es notwendig wurde, eine Auswahl unter den Teilnehmern zu treffen. Nach vorsichtigen Schätzungen betrug die durchschnittliche Besucherzahl 150 bis 350 Personen. Der Erfolg der Bibelschule, der Wieneke veranlaßte, in seiner Geschichte der deutsch-christlichen Bewegung von „großen Pfarrertagungen" zu sprechen, mag zwei Gründe haben 25 . Erstens war die materielle Lage der durch die Kirchenkasse der Bremischen Evangelischen Kirche abgesicherten Bibelschule gut 26 . Aufgrund der entlegenen Lage Bremens wären die Besucherzahlen wahrscheinlich nicht so hoch gewesen, hätte man nicht die Reise- und teilweise auch die Quartierkosten den Teilnehmern zurückerstatten können. Dadurch wurde versucht, den Eindruck zu erwecken, daß es sich hier um eine neutrale, allgemeinkirchliche Veranstaltung handele. Ohne Proteste blieb dies aber nicht 27 . Neben den finanziellen Möglichkeiten der reichen Hansestadt bedeutete der qualifizierte Referentenkreis eine weitere Erfolgsgarantie. Drei Dekane der Theologischen Fakultäten der umgebenden Universitäten, der Systematiker Emanuel Hirsch aus Göttingen, der Neute23

KOMMENDE K I R C H E N r . 4 2 v o m 1 7 . 1 0 . 1 9 3 7 ; BREMER KIRCHENZEITUNG N r .

11,

1937. Die Zeitung meldet 150 Teilnehmer an dem ersten Kursus. 24

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 4 v o m 3 . 4 . 1 9 3 8 .

25

F. Wieneke, 10 Jahre Deutsche Christen (BA KOBLENZ, R 43 11/165 a). Kein nachlassendes Interesse ist in den ersten zwei Kriegsjahren festzustellen. Als für den 6. Kursus vom 1. bis 5. 4. 1940 insgesamt 600 Anmeldungen von außerhalb in Bremen eintrafen, fand „fast ein Drittel" der Interessenten keinen Einlaß (KOMMENDE K I R C H E N r .

14 v o m

14. 4.

1940). D a ß

von

den

394

zum

7. K u r s u s

vom

23. bis 27. 9. 1940 erwarteten Teilnehmern 87 absagten, mag durch die Auseinandersetzungen in Bremen begründet sein, die die Veranstaltungen Weidemanns leicht zu kirchenpolitischen Demonstrationen umfunktionierten (LKA BREMEN, Β 652). 2

* In seiner Sitzung am 21. 6. 1937 hatte der Kirchenausschuß, später „Kirchenregierung", ein Konto für „Volksmission" zur „Unterstützung der Bibelschulen und zum Druck und Verteilung von Schriften allgemeinkirchlichen Inhalts, die nicht für Wahlzwecke dienen", eingerichtet (LKA BREMEN, Β 655/1). 27 Schreiben der Bauherren von Unser-Lieben-Frauen an Kerrl vom 27. 11. 1939 (STA BREMEN, 3-K.l.d.l.a.l. Nr. 59); Vermerk des Reichskirchenministeriums vom 4 . 1 0 . 1 9 4 1 (BA KOBLENZ, R 43 11/165).

216

Gründung der Bremer Bibelschule

stamentler Helmut Kittel aus Münster und der Praktische Theologe Georg Fiedler aus Kiel wirkten an der Bibelschule mit 28 . Aus Kiel beteiligten sich an der Arbeit noch der Systematiker und Schleiermacher-Forscher Professor Martin Redeker und der Kirchenhistoriker und Luther-Kenner Professor Peter Meinhold. Wichtige Anregungen gaben der Religionspädagoge Professor Hermann Werdermann aus Dortmund, der völkische Publizist Wilhelm Stapel und der in der Bibelumdeutung bereits erfahrene Reichsvikar Fritz Engelke. Unter den Referenten waren auch die Professoren Jirku aus Bonn, und H. W. Schmidt aus Wien 29 . Die Mitarbeit der Universitätsprofessoren machte sich im Stil der Bibelschule bald bemerkbar. Die zunächst auch für Laien geplanten Kurse wandelten sich zu ausgesprochenen Arbeitstagungen für Theologen. Man glaubte vermutlich, in den Fragen der Bibeleindeutschung, des Gesangbuches, der Agende und des Religionsunterrichts in von Theologen gebildeten Arbeitskreisen eher zu konkreten Vorschlägen zu kommen.

4. Die vier Hirsch)

Eindeutschungsmodelle

(Schüttler,

Engelke,

Winkel,

Die Eigenart der Bremer Bibelschule sollte gerade darin liegen, daß die Zusammenarbeit der nicht in allen Punkten einigen Teilnehmer einen höheren Grad von Allgemeingültigkeit der Arbeitsergebnisse erbringen sollte30. Die Verschiedenheit der Meinungen schon in der Bibelfrage veranschaulichten die von Schöttler, Engelke und Hirsch vertretenen Auffassungen, wie man die Vergegenwärtigung, Umgestaltung und Eindeutschung durchführen sollte. Als vierte Möglichkeit der Eindeutschung wurden die „Quellenstudien" Erich Winkels, der nicht zu dem Bremer Kreis gehörte, in Betracht gezogen. Der Leiter der Bibelschule, der frühere Generalsuperintendent Hans Schöttler, war von früheren Bibelauswahl-Lektüren her, etwa dem im Krieg viel gelesenen „Schwert des Geistes" und seinem im Jahre 1934 erschienenen „Gottes Wort Deutsch" schon bekannt 31 . In der letzten, als „Volksbibel" ver28

KOMMENDE KIRCHE N r . 4 2 v o m 1 7 . 1 0 . 1 9 3 7 ; N r . 4 3 v o m 2 3 . 1 0 . 1 9 3 8 ; N r .

11

vom 5. 3. 1939. 29 30

Bibelkurse des L a n d e s b i s c h o f s W e i d e m a n n 1 9 3 7 - 4 0 ( L K A BREMEN, Β 6 5 2 ) . V g l . KOMMENDE KIRCHE N r . 8 v o m 25. 2. 1940 ( W e i d e m a n n über das „ C h r i -

stustestament"); Weidemann versichert die Toleranz der Kommenden Kirche im Vorwort zu H . SCHÜTTLER, Christentum des Vaterunsers. 31

DEUTSCHES PFARRERBLATT N r . 4 4 v o m 30. 10. 1 9 3 4 , S. 5 6 9 f. ( 4 0 0 J a h r e L u t h e r -

bibel!); KOMMENDE KIRCHE Nr. 8 vom 15. 11. 1936 (Wie „Gottes Wort Deutsch" entstand). H. SCHÖTTLER, Schwert des Geistes; Gottes Wort Deutsch.

Eindeutschungsmodelle

217

standenen Ausgabe kam schon der von ihm auch später in radikaler Form praktizierte Vergegenwärtigungsstil zum Ausdruck. Textauswahl und Überschriften deuteten bereits auf eine dem zeitgenössischen Vokabular und Denken angepaßte Fassung der Bibel hin. Bevorzugt wurden Ausdrücke, die im allgemeinen Sprachgebrauch mit hohen Wertvorstellungen verknüpft waren, so ζ. B., wenn Schüttler in der Bergpredigt Mt 5,13-16 statt von einer Anweisung an die Jünger, das Salz und das Licht der Erde zu sein, von „Führerpflichten" spricht, die die Jünger der Welt haben 32 . Es wird an das Ehrgefühl des Lesers appelliert und darauf hingewiesen, in welchem Sinne ein Christ Vorbild sein solle. Auch mit dem Begriff „Kampf" verbanden sich für die Kriegsgeneration, ebenso wie mit dem Wort „Führer", besondere Werte und Gefühle. Wenn Schüttler die Leidensgeschichte Mt 21-23 mit „Der Kampf in Jerusalem" überschreibt, so treten die Vorstellungen vom duldenden Leiden eines Knechtes Gottes vor dem aktiven Kampf eines echten Helden zurück. Auf welcher Ebene die Auseinandersetzung verstanden werden sollte, wird nicht näher kommentiert; der Text bleibt unverändert 33 . Gegenüber Weidemanns Eindeutschung im „Evangelium Johannes Deutsch" war dies maßvoll. Aber auch bei Schüttler folgen die Vergegenwärtigungen mit der Zeit dem immer deutlicher werdenden theologischen Trend. Dies ergibt sich aus Schöttlers Erläuterungen über eine „artgemäße" Bibelauslegung34, für ihn eine volksverbundene und breite Kategorie im Gegensatz zur „rassengemäßen" Auslegung, die er als rassistisch und enger ansieht. Rassengemäß sei das, was auf „nordischem Boden und was von den Vätern her überliefert ist", „artgemäß" alles, was das Wachstum des Volkes „erhält, mehrt und steigert" 35 . Als Erzieherin des Volkes hatte die Kirche damit auch eine „artgemäßge" Aufgabe. Ihre Botschaft wurde nach dem Nutzen, den sie dem Volk bringt, beurteilt. „Soweit das Evangelium diese volksfördernden Eigenschaften hat, ist es ,artgemäß'." 3e Durch die Allgemeinheit und Unbestimmtheit der Definition von „volksfördernden Eigenschaften" des Evangeliums wird die alte völkische Forderung von der Artgemäßheit des kirchlichen Lebens akzeptabel gemacht und der theologische Trend verschleiert. Wer wollte nicht, daß seine Verkündigung „volksfördernde Eigenschaften" enthalte? Wie Lucas seinen griechischen Zuhörern ein von den anderen Uberlieferungen des Evangeliums abweichendes Christusbild vermittelt hatte, so sollten die Deutschen nun ein „artgemäßes Christusbild" 32

Ebd. (zu Mt. 5,13-16).

33

Ebd., S. 103 . H. SCHÖTTLER, Christusbild, S. 23.

36

34 36

H. SCHÖTTLER, Verkündigung. Ebd.

218

Gründung der Bremer Bibelschule

erarbeiten. „Wenn aber die ,heiligen Männer Gottes', denen wir die Evangelien verdanken, so verfahren sind, um ihren Lesern aus dem Herz zu kommen, dann ist es für uns nicht nur Recht, sondern auch Pflicht, für unsere Zeit und für unser Volk denselben Weg einzuschlagen. ..", begründete Schüttler die Eindeutschung der Bibel37. Daß dieses Anliegen schon im vorigen Jahrhundert aktuell gewesen sein soll, will Schüttler mit dem Hinweis auf die Worte seines kirchlichen Lehrers, des Hofpredigers Emil Frommel, veranschaulichen 38 . Die Uberschriften ausgewählter Abschnitte aus Paulusbriefen in Schüttlers Bibelauswahllektüre „Paulus, der Aufstieg des Abendlandes durch das Evangelium" zeigen zwei Tendenzen: Anpassung an den Antijudaismus und den Rationalismus 39 . So meinte Schüttler, daß Paulus „also jedenfalls nur politisch, aber nicht rassisch von jüdischem Boden" stammte 40 . Die Christus-Vision des Paulus wurde rationalistisch mit einem Meteor erklärt. Teil der Nationalisierung und Eindeutschung der Bibel waren völkische und nationalsozialistische Parolen, mit denen die Paulus-Perikopen überschrieben wurden. Folgende Überschriften der Perikopen Phil 2,1-11 „Die Gesinnung der Christen: Gemeinnutz geht vor Eigennutz" (S. 27), 1 Kor 16,13-14 „Tat-Christentum und Herzenschristentum" (S. 46), 2 Kor 11,21-33; 12,1-9 „Stolz vor Menschen, demütig vor Gott" belegten scheinbar die Vereinbarkeit der nationalsozialistischen Weltanschauung mit dem Christentum 41 . In der Zusammenfassung der Paulus-Darstellung will Schüttler das Christentum in Erfüllung germanischer Religiosität als heldische (soldatische) Angelegenheit darstellen, in welcher der Gedanke von der Ohnmacht der Christen nicht vorkommen darf. Schöttler schreibt: „So steht das Bild des großen ,Meldegängers' unseres Herrgotts mit seinen eigenen Worten vor unserer Seele. Seine erste Botschaft: ,Ihr seid alle Gottessöhne durch den Glauben!', sein letztes Zeugnis: ,Ich habe einen guten Kampf gekämpft!' Gottes-Sohn und Gottesheld darin verwirklicht das Christentum den arischen Urglauben an den Himmelsvater!" 42 Auch ohne Textrevisionen soll diese Auswahl ein „eingedeutschtes", „artgemäßes" Bild vom Christentum geben. 37

Ebd. (Vorwort, S. 5). Emil Frommel (1828-96) wuchs theologisch aus dem Erbe Schleiermachers und der Erweckungsbewegung. Er gehörte zu denjenigen Vermittlungstheologen, die biblischen Glauben und freie Weltbejahung zu vereinigen suchten. 38 Bonn 1940. 58

40

41

KOMMENDE KIRCHE N r . 4 v o m 2 8 . 1 . 1 9 4 0 ( W e r w a r P a u l u s ? ) .

Vgl. 2. Tim. 4,6-8 („Auch im Tode ein Überwinder", S. 78); 1. Thess. 5,14-25 („Der Christ in der Kampfzeit", S. 31); 2. Tess. 3,1-16 („Gehorsam in Treue", S. 32); Apg. 25,1-3 („Mordplan der Juden", S. 67). 42 H. SCHÖTTLER, Paulus, S. 79. An dieser Stelle mögen sich die Assoziationen

Eindeutschungsmodelle

219

Früher als alle anderen in der Bibelschule zusammengekommenen Theologen war Fritz Engelke mit der Frage der freien volkstümlichen Bibelumschreibung beschäftigt gewesen. Schon drei Jahre vor Refers „Heiland" hatte Engelke 1921 eine Umdeutung des Römerbriefes herausgebracht 43 . Das Büchlein erschien in mehreren Auflagen 1924, 1928, 1933 und machte den Übertragungsstil des Verfassers bekannt, den wir hier als zweites Eindeutschungsmodell der Bibelschule behandeln. Die im Titel genannte „neue Sprache", in die der Brief übertragen werden sollte, war „aus andächtigem Hineinhorchen in die Sprache des Paulus" entstanden 44 . Die exegetischen Fragen hatte Engelke mit Hilfe Schlatters gelöst, dem er auch „für alles" auf dem Gebiet der Umschreibung dankte 45 . Im Gegensatz zu den späteren Umdeutungen, die sich auch auf Schlatter beriefen, war hier die antijudaistische Tendenz nicht zu bemerken, vielmehr wurden die Fragen der heilsgeschichtlichen Bedeutung Israels im judenmissionarischen Geist behandelt. Wenn Engelke Rom 9 unter der Überschrift „Gottes Sohn ein Jude!" abhandelt, will er eine Antwort auf volkstümlich-antijudaistische Fragen geben. Die „neue Sprache" scheint aber von den Wertvorstellungen der antisemitischen Zeitgenossen doch etwas beeinflußt zu sein, wenn man die Erklärung der Herkunft Jesu betrachtet: Er ein Jude, Gottes Sohn ein Jude, ein Jude, und doch Gottes Sohn, der den wir in aller Ewigkeit anbeten und preisen werden - und dies Volk verloren?" 46 Gewiß war die Absicht Engelkes zu beweisen, daß die Juden heilsgeschichtlich nicht verworfen waren, gleichzeitig stimmte er zu, daß das Wort Jude einen negativen Beigeschmack habe, und rechtfertigte damit einen volkstümlichen Sprachgebrauch. Wie bei Schüttler setzten sich auch bei seinem Versuch, „zeitgemäß" zu reden, an den allgemeinen Sprachgebrauch gebundene Wertvorstellungen durch. Ideenpolitisch wichtig ist seine Umdeutung von Rom 13 aus dem Jahre 1921, in der die politische Beurteilung der Weimarer Republik deutlich wird. In Rom 13,2 ist die Strenge des Bibelwortes, sich der Obrigkeit nicht zu widersetzen, erheblich gemindert. „Trauen wir doch zunächst jeder Obrigkeit zu, daß sie das Böse unterdrücken, das Gute fördern will. Soweit sie das Gute fördert, tut sie einen Dienst für Gottes Reich.. .47 Mit dem Wort „zunächst" wird die kategorische Forderung, der Obrigkeit zu gehorchen, relativiert, woraus man wohl auf eine kritische Distanz zur Weimarer Republik schließen aus der Bibel mit der Gegenwart, mit dem „Meldegänger" des Weltkrieges, Hitler, verknüpft haben (vgl. A. HITLER, Mein Kampf, S. 221). 43 F. ENGELKE, Brief des Paulus. 44 45 Ebd., Vorwort. Ebd. 48 Ebd., S. 28. « Ebd., S. 39.

220

Gründung der Bremer Bibelschule

kann. „Gewaltsamer Widerstand und unbarmherziges hochfahrendes Herunterreißen der Obrigkeit" werden als Weg des „gottfernen natürlichen Menschen" verurteilt, aber eine Obrigkeit „von Gott" gibt es hier nicht. Ihre Rechtfertigung als göttliche Ordnung bekommt sie erst, „soweit sie das Gute fördert" 48 . Als Direktor des Rauhen Hauses setzte Engelke seine Umdeutungsarbeit am Neuen Testament im Dienst der Diakonenschulung fort. Im Jahre 1928 erschien „Frei vom Gesetz", in dem die Alltagssprache noch kühner gebraucht wird 49 . Den „lastenden Bannkreis des Gesetzes" umschreibt er (Gal 3,13-18) als den „ganzen Dienstkreis all der eitlen Selbstgerechtigkeit und Heuchelei, all der gezwungenen, gekünstelten, angequälten Frömmigkeit, die immer aus gesetzlichem Wesen entsteht" 50 . Die publizistische Tätigkeit von Reichsvikar Engelke und Ludwig Müller auf dem Gebiet der Bibelumdeutung und ihre engen Beziehungen zu Weidemann in der Zeit, als dieser 1935 die Eindeutschung der Bibel in Bremen begann, zeigen die Wichtigkeit dieses Unternehmens für die Pläne der von Müller geführten Reichskirche. Im Verlag der Kommenden Kirche in Bremen veröffentlichte Engelke dann auch seine weiteren Umdeutungen: Philipperbrief 1940, Epheserbrief 1940, 1. und 2. Korintherbrief 1941. In Vorbereitung waren noch der 1. und 2. Thessalonicherbrief und der 1. und 2. Brief an Timotheus51, wobei noch zu fragen ist, ob und inwieweit sein Umdeutungsstil sich geändert hatte. Im Jahre 1933 wurden Engelkes Tätigkeit als Direktor des Rauhen Hauses und seine volksmissionarischen Veröffentlichungen mit der Würde eines Ehrendoktors der Universität Kiel honoriert 52 . Nach dem Scheitern der Reichskirchenregierung Müllers, in der er ab 1934 als Reichsvikar und Stellvertreter des Reichsbischofs bestimmend tätig gewesen war, widmete er sich wieder den Bibelstudien. Im Wintersemester 1937/38 übernahm er an der Universität Rostock die Vertretung des Lehrstuhls für praktische Theologie, der durch das Ausscheiden von Professor Schreiner frei geworden war. Dort lernte er die Ansichten Erich Winkels über die Bibelübertragung kennen 53 . Trotz theologischer und kirchenpoliti48

Ebd. Im Paulus-Buch H . SCHÖTTLERS vom Jahre 1940 war die Stelle textgetreu wiedergegeben: „Wer sich nun der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Ordnung" (S. 63). 4

· F . ENGELKE, G e s e t z , S. 9 3 .

60

Ebd. F. ENGELKE, Brief an die Philipper, S. 44. 52 K. Wentz, D. Fritz Engelke 60 Jahre alt, vom 24. 2. 1938 (STADTA MINDEN, Archiv der kirchengeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft). 53 Ebd. Helmuth Schreiner, geb. 2. 3. 1893 in Dillenburg, gest. 28. 4. 1962 in Münster, 51

Eindeutschungsmodelle

221

scher Meinungsverschiedenheiten antworteten beide negativ - im Sinne der Deutschen Christen - auf die für die Eindeutschung zentrale Frage: „Ist Christentum eine Fortsetzung des Judentums?" In seinem Geleitwort zur Umdeutung des Philipperbriefes bekannte Engelke, daß sich seine Ansichten über die Eindeutschung seit den ersten Umschreibungen zu Anfang der 20er Jahre geändert hätten, daß aber Schlatters theologische Autorität geblieben sei 54 . Vor allem seine antijudaistische Haltung scheint strenger geworden zu sein. Wenn er mehr als 15 Jahre zuvor die Umdeutungen mit der Empfehlung „Und nun lies deine Lutherbibel" als Einleitung zur Normalbibel verstanden hatte, so stellte er nun fest: „Die Patina der sakralen Luthersprache hat das uns Artfremde für viele verdeckt." 5 5 Es geht nicht nur um die Sprache, sondern um den Inhalt. „Paulus wühlt die tiefsten Tiefen auf - darum gelingen ihm auch wunderbare Prägungen, die alle Zeiten überdauern werden, und doch, die ganze Art ist uns letztlich fremd. Wenn uns das so lange verborgen bleiben konnte, liegt das daran, daß alles in ein wundervolles Lutherdeutsch eingedeutscht ist."5® Bei Paulus selbst liegt nun der Fehler; er vertritt eine theologische Auffassung, die korrigiert werden muß. Seine veränderte Haltung bei der Eindeutschung begründete Engelke selbst am besten: „Wir evangelischen Christen haben durchaus durch Christus die Freiheit, wenn es sein muß, uns auch von Paulus zu lösen, aber gerade dann fordert eine saubere Haltung auch eine saubere Begründung. Vor allem ertragen wir evangelischen Christen es nicht, wenn wir uns selbst in Verdacht haben müßten, daß unsere kritische Haltung zu Paulus nur ein nachgiebiges Zurückweichen vor heutigen Rassenmeinungen sei. Paulus hat das Wort geprägt: Wir können nichts wider die Wahrheit (2 Kor 13,8)." 5 7 Aus diesem Zitat ist zu ersehen, daß für Engelke Antijudaismus und Antisemitismus verschiedenen Inhalt hatten. Seine Übertragung des Philipperbriefes ist zunächst eine flüssige und verständliche Interpretation. Die theologische Tendenz liegt in der Überspitzung des heroisch-kämpferischen Inhalts und in dem Verzicht auf alttestamentliche, dogmatische Begriffe. In Phil 2,16 wurde „Tage Christi" als „Tage der Rechenschaft vor Christus" verdeutlicht; in Phil 3,20 wurde aus dem Satz „Unsere Heimat aber ist im H i m m e l . . . " bei Engelke „Gott verlieh uns das Heimatrecht in seiner 1921 Vorsteher der Stadtmission in Hamburg, 1926 des Johannisstifts in BerlinSpandau, 1931 Prof. für Prakt. Theologie in Rostock, 1938-1945 Vorsteher der Diakonissenanstalt in Münster, 1946-1957 Prof. an der Universität Münster. 5 4 F. ENGELKE, Brief an die Philipper: „Seit jener Zeit sind viele neue Erkenntnisse über uns hereingebrochen" (S. 18). «« Ebd. «· Ebd., S. 17 f. « Ebd., S. 14.

222

Gründung der Bremer Bibelschule

überirdischen W e l t . . . " . Der alttestamentliche Opfer-Gedanke in Phil 2,17-18 wird umgedeutet: „Gebt euch dann keiner unfruchtbaren Trauer hin, sondern der fruchtbaren Freude, daß es sich lohnt, für eine Sache zu sterben, die den Menschen zu einem freudigen Leben verhilft." 58 Charakteristisch für die Übertragung ist nicht nur der Verzicht auf die alttestamentlich-kultische Deutung, die Paulus seinem Tod geben will, sondern auch der Ersatzausdruck „hinrichten" anstelle des euphemistischen Wortes „Opfer". Weidemann erkannte Engelkes Umdeutungen neben denen Schüttlers und Hirschs als weiteres Eindeutschungsmodell in der Bremer Bibelschule an; es erhebt sich die Frage, warum er dagegen die Forschungen Erich Winkels ablehnte. Erich Winkel - ein theologisch interessierter Laie - war mit seinen populär gewordenen Veröffentlichungen über das Neue Testament „Der Sohn" (1935) und „Das Evangelium nach Markus" (1938) zu einem der umstrittenen deutsch-christlichen Theologen seiner Zeit geworden. Für sein letztes Buch hatte die Universität Jena, an der der prominenteste Theologe der Thüringer Deutschen Christen und Mitarbeiter des „Theologischen Wörterbuches zum Neuen Testament", Professor Walter Grundmann, lehrte, ihn mit der Würde eines Dr. theol. ausgezeichnet59. Mit Hilfe Grundmanns soll Winkel auch zum Dozenten und Universitätsprediger in Rostock aufgestiegen sein60. Sein Markusevangelium beurteilte der Marburger Neutestamentier Hans von Soden als „das typische Buch eines kenntnisreichen Dilettanten" 61 . Kurz nach der Gründung der Bremer Bibelschule nahm die „Kommende Kirche" Stellung zu den unter den Thüringer Deutschen Christen gefeierten „Quellenstudien" Winkels, nachdem dieser seine Forschungen über das Markusevangelium auf der vierten Reichstagung der nationalkirchlichen Bewegung im Herbst 1937 vorgetragen hatte 62 . Noch ein Jahr zuvor hatte Weidemann die Eindeutschung des 58 Ebd., S. 29. Die Wortwahl entspricht der „heldischen" Auffassung vom Christentum, die zeigen soll, daß die Christen keine Todesangst haben. Sie kommt auch in Phil 1,20 vor („Werde ich freikommen, so werde ich um so freudiger verkündigen; werde ich hingerichtet, so wird auch meine Hinrichtung nur der Aufrichtung der Herrschaft Christi dienen"). Die größte Umdeutung wurde an den Versen 3,2-4,9, der Bekehrung des Paulus („Die große Wendung"), vorgenommen. Die schon im Urtext harten Ausdrücke über die jüdische Frömmigkeit werden hier noch zugespitzt (Phil 3,2). 59

PROTESTANTENBLATT Nr. 14 vom 2. 4. 1939 (W. Schubring, Ein erdichtetes Markusevangelium). «· Ebd. 61

T H E O L O G I E DER G E G E N W A R T , 1 9 3 7 , S . 1 7 7 .

62

KOMMENDE KIRCHE N r . 4 3 v o m 2 4 . 10. 1 9 3 7 ( D i e 4. R e i c h s t a g u n g der N a t i o -

nalkirchlichen Bewegung DC).

223

Eindeutschungsmodelle

Johannes-Evangeliums als „Übersetzung" bezeichnet; jetzt lehnten die Bremer Deutschen Christen die Studien Winkels mit dem Hinweis auf mangelnde Wissenschaftlichkeit ab. In dem Bericht über die Tagung hieß es: „Dagegen bedarf der von Dr. Winkel vorgetragene tendenziöse und von der Versammlung viel zu leichtfertig aufgenommene Versuch, aus den Handschriften der Evangelien die ursprüngliche Verkündigung Jesu wiederherzustellen, der allnüchternsten wissenschaftlichen Nachprüfung." 6 3 Es gibt zwei Gründe für dieses Urteil. Erstens war Winkel ein prominenter Repräsentant der Thüringer Deutschen Christen; ihre Zeitung „Die Nationalkirche" hatte sein Bild veröffentlicht und seine Schriften als grundlegend für die „Entjudung" der Kirche empfohlen. Kirchenpolitisch hätte die Befürwortung der Studien Winkels die Thüringer Deutschen Christen unterstützt. Zweitens hatten die Bremer Deutschen Christen eben in der Bibelschule eine Sammlung verschiedener kirchenpolitischer Bestrebungen aufgrund der gemeinsamen, wissenschaftlich fundierten Bibelstudien erstrebt und versucht, sich vom Dilettantismus zu befreien. Die eigene Wissenschaftlichkeit sollte durch die Universitätsprofessoren auf der Referentenliste garantiert werden. Daß die Kritik an Winkel nicht eine leichtfertige Anpassung an die allgemeine Meinung in Theologenkreisen bedeutete, zeigt u. a. eine längere, positiv wertende Besprechung von Professor Leipoldt, Leipzig, über Winkels Buch „Der Sohn" 6 4 . Der Antijudaismus scheint im Jahre 1939 schon zu einer so wesentlichen Existenzvoraussetzung der Kirche geworden zu sein, daß Leipoldt sogar methodische Mängel der Untersuchung zu rechtfertigen vermochte. So erklärte er: „Aber öfters empfehlen sich die außerkanonischen Texte durch besondere Gründe: etwa durch eine übertriebene Härte, die man fast anstößig nennen kann, die man einem späteren ,Erfinder' nicht zutraut; und gerade diese Härte arbeitet das Unjüdische an Jesus heraus." 65 Diese Methode hatte ihre theologischen Folgen, wie der Gebrauch des Petrusevangeliums bei der Beschreibung des Todes Jesu zeigt: „ . . .und sie kreuzigten ihn . . . er aber blieb stumm, wie einer, der keinerlei Schmerzen empfindet" 6 6 . Der Versuch, den „heldischen" Charakter Jesu herauszuarbeiten, hatte nahe an den Doketismus herangeführt. ,3

E b d . V g l . a u c h E . WINKEL, ES ist v o l l b r a c h t ; v g l . KOMMENDE KIRCHE N r .

22

vom 28. 5. 1939. 8 4 DEUTSCHES PFARRERBLATT N r . 43, 1939, S. 41, 62, 87. H . Windisch meint in einer Besprechung, daß die Theologie sich mit dem Buch auseinandersetzen müsse. Es handele sich hier um einen „ernsthaften" Versuch, „echte Verkündigung Jesu wieder zu finden" (DIE CHRISTLICHE WELT 4 9 , 1 9 3 5 , Sp. 888). • 5 DEUTSCHES PFARRERBLATT N r . 4 3 , 1 9 3 9 , S. 6 2 .

M

Ebd.

224

Gründung der Bremer Bibelschule

In seiner Schlußbemerkung betrachtete Leipoldt Winkels Studien als Anfang einer neuen religionsgeschichtlichen Richtung auf dem Gebiet der Leben-Jesu Forschung. Er meinte, „mindestens gezeigt zu haben, daß Winkel Fragen zu beantworten sucht, die befürwortet werden müssen, und zwar gerade im Rahmen der deutschen Gegenwart. Es lohnt sich, mit ihm sich auseinanderzusetzen. Aber wir wollen dabei nicht vergessen, daß Winkel erst am Anfang seines Weges steht. Ich hoffe, ihm recht bald im Bereich der Religionsgeschichte wieder zu begegnen"67. Die von Winkel und Grundmann vorgezeichnete religionsgeschichtlich-exegetische Richtung wurde tatsächlich durch die Gründung des „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben" weitergeführt und gewann in den Kriegsjahren erhebliche Bedeutung. In Winkels Auffassung von der Eindeutschung der Bibel in seinem Buch „Der Sohn" sind schon zwei wichtige Intentionen des vier Jahre später gegründeten Eisenacher Instituts vorhanden: Berücksichtigung des nationalsozialistischen „Erlebnisses" und der antisemitischen Kulturauffassung in der Bibelauslegung. In der Einleitung führt Winkel aus: „Das deutsche Volk hat eine Revolution erlebt. Man wird fragen, was das mit der Verkündigung Jesu zu tun habe. Darauf ist zu antworten: Sehr viel! Denn aus dem Boden, aus dem diese Revolution erwuchs, bricht unversehens auch die Möglichkeit auf, das Wort Jesu wieder in seinem reinsten, innerlichsten Sinn zu verstehen und verwirklichen zu können." 68 Wie bei den Deutschen Christen allgemein, wurde hier die Machtergreifung als „religiöser Impuls" (Weidemann) verstanden, was neue Voraussetzungen für das Verständnis der Bibel schuf. Erstens wurden nach Winkel die „Ratio von ihrem alles beherrschenden Thron gestoßen" 69 und irrationale Werte zu Ehren gebracht. Zweitens sollte die Beseitigung der Juden aus dem Kulturleben, die „das Gift der rationalisierenden, alle seelischen Werte herabwürdigenden Zersetzung weiterhin in die Seele unseres Volkes" brachten, zur Erneuerung des Bibelverständnisses verhelfen 70 . Aus diesen Auffassungen entstanden Winkels Studien der neutestamentlichen Handschriften, die den bisher gründlichsten Versuch darstellten, in der Bibelumgestaltung die existentiellen Erfahrungen des Nationalsozialismus zu berücksichtigen. Wenn man im Hinblick auf die Tätigkeit des Eisenacher Instituts der Thüringer Deutschen Christen, in dem qualifizierte deutsche Wissenschaftler mitarbeiteten, die 67

Ebd. · · Ebd., S. 9.

ΒΒ

E. WINKEL, S o h n , S. 7.

70

Ebd.

Eindeutschungsmodelle

225

Bedeutung der Ansätze Winkels betrachtet, scheint die Beurteilung von Walter Schubring nicht fehlgegangen zu sein: „Kurzum, es handelt sich nicht um das mißglückte wissenschaftliche Unternehmen eines Privatmannes und Privatgelehrten, sondern die Nationalkirchliche Einung ist verantwortlich für das Schicksal und die Entwicklung Winkels und für die Ehre der deutschen theologischen Wissenschaft." 71 Obwohl die Bremer Deutschen Christen nicht mit Winkel den Weg der Thüringer Deutschen Christen (Nationalkirchliche Einung) gehen wollten, sahen sie, daß eine von weiteren Kreisen berücksichtigte Bibeleindeutschung nicht vor Umdeutung Halt machen könne. Man erkannte die Notwendigkeit der Quellenstudien an. Emanuel Hirsch gab mit seinen Quellenstudien eine Alternative zu den Darstellungen Winkels und Grundmanns. In der Bremer Bibelschule bildeten die Ansätze Hirschs das dritte und theologisch interessanteste Modell. In einem Aufsatz in der „Kommenden Kirche" erklärte Hirsch seine Aufgabenstellung. Hier kommt die Kritik an den früheren Eindeutschungsversuchen zum Ausdruck. Bei den Versuchen, den Bibeltext nach den Auffassungen der Deutschen Christen über Jesus und Paulus zu gestalten, hatte man sich - nach Hirsch - mit zu billigen Lösungen begnügt: „Ich habe es stets für unwürdig gehalten, eine schwere Sache durch Umdichtung und tendenziöse Auswahl zu einer scheinbar leichten zu machen." 72 Damit verurteilte er die Tendenz, mit Hilfe der Umdeutung bestimmte loci dogmatici umzuändern, womit er anscheinend Engelke treffen wollte. Mit dem Hinweis auf „tendenziöse Auswahl" scheint Hirsch ein Urteil über Winkels pseudowissenschaftliche Schriften gefällt zu haben. Die antijudaistische Grundhaltung bleibt aber gemeinsam. Wenn man Hirschs Ausgangsposition, eine für die Deutschen Christen mögliche Paulus-Gestalt zu skizzieren, richtig einschätzen will, muß man die im Jahre 1940 verstärkten völkisch-antisemitischen Vorwürfe über die Rolle des Heidenapostels im Christentum berücksichtigen. Weil diese Vorwürfe für Hirsch relevant waren, empfand er es als seine Aufgabe, die Notwendigkeit des Beharrens auf Paulus zu zeigen. Seine Argumente waren aber auch antijudaistisch. Für ihn war Paulus „der größte und tiefste Gegner, den die jüdische Religion je gefunden hat, der sie am gründlichsten durchschaut und am gründlichsten überwunden h a t . . . Eine christliche Kirche, die sich von Paulus trennte, würde . . . sich ihrer stärksten Wehre wider das EindrinVgl. Anm. 59. KOMMENDE KIRCHE N r . 3 vom 21. 1. 1940 (Lebt Paulus?). Neben dem Aufsatz fand sich die Abbildung einer Riemenschneider-Plastik des Apostels Paulus mit dem T e x t : „Meister Riemenschneider sah in Paulus keinen Juden." 71

72

15

Heinonen, Anpassung

226

Gründung der Bremer Bibelschule

gen eines getarnten Judaismus in ihre Mitte entäußern" 73 . Diese Art „Apologie" zeigt, daß sogar die Notwendigkeit, Paulus für eine „christliche Kirche" zu behalten, mit antijudaistischen Argumenten begründet werden mußte. Die einzige Möglichkeit, gegenüber dem wachsenden antichristlichen und kirchenfeindlichen Druck des Staates das Christentum zu behaupten, schien für die Deutschen Christen die Betonung der Unabhängigkeit des Christentums vom Judentum zu sein. Daß dieser mehr oder weniger als Selbstbehauptung der Kirche verstandene Antijudaismus auf Kosten der Juden in Deutschland ging, ist offensichtlich. Gegen die antijudaistische Auffassung schien aber die Bibel selbst der stärkste Verteidiger zu sein. Uberzeugt von der eigenen antijudaistischen Auslegung war Hirsch wegen der geringen Möglichkeit für Nichttheologen, das Neue Testament zu „verstehen", jetzt zu dem alarmierenden Ergebnis gelangt, „daß die Verbreitung des neuen Testaments weitgehend ihren Sinn verloren hat" 7 4 . Immer noch sahen die Menschen in der Bibel die Verbindung des alten und des neuen Bundes und damit die Grundlage der Verbindung von Judentum und Christentum. Diese Abhängigkeit sollte nicht mehr hervorgehoben werden; auch Weidemann polemisierte im Vorwort des Paulusbuches von Schüttler gegen die Verbreitung der Lutherbibel: „Wenn man heute das Neue Testament ohne Vorreden und Erklärungen in unzähligen Exemplaren dem deutschen Volk in die Hände gibt, so vermag ich diese Art der Verbreitung nur als ein höchst fahrlässiges und verantwortungsloses Unternehmen anzusehen." 75 Die eingedeutschte, antijudaistische Bibel wollte Hirsch zunächst mit seinen „Jesus"- und „Paulus"-Lektüren herausarbeiten, in denen Texte in Auswahl neu übersetzt worden seien. In seinem Büchlein „Paulus" versuchte Hirsch 1940 nichts weniger als eine neue Ubersetzung des Römer- und Galater-Briefes zu erarbeiten 76 . Ausgewählte Abschnitte aus anderen Paulus-Briefen, vor allem dem 1. und 2. Korinther- und dem Philipperbrief, vervollständigten das Bild von Paulus. In diesen Briefen wurde u. a. die Beziehung von Christentum und Judentum erörtert 77 . Sie waren deswegen geeignet, die Auffassung der Deutschen Christen von der paulinischen Theologie zu vermitteln. Einst Verfechter der wortgetreuen Ubersetzung im Geiste der Lutherrenaissance will Hirsch jetzt die exegetische Legitimität seines Verfahrens folgendermaßen behaupten: „Es ist an sich sehr genau übersetzt, so genau, daß der Fachmann meine Auffassung des griechischen Textes bis ins kleinste kontrollieren kann. Es ist aber 73

Ebd.

76

E . H I R S C H , P a u l u s ; KOMMENDE K I R C H E N r . 3 v o m 2 1 . 1. 1 9 4 0 ( L e b t

77

Ebd.

74

Ebd.

75

H . SCHÜTTLER, P a u l u s . Paulus?).

Eindeutschungsmodelle

227

nicht wörtlich, sondern sinntreu übersetzt. Ich wollte den Leser gleichsam zwingen, bei jedem Satze genau das zu denken, was sich Paulus dabei gedacht hat." 78 Um dieses zu erreichen, hatte er einen „neuen Stil" angewandt, nämlich dem Text Erläuterungen voranzustellen, in denen das angedeutet war, „was er [der Leser] wissen und woran er denken muß" 79 . Ähnlich hatte schon Schüttler Jahre zuvor mit Hilfe der Uberschriften die Gesamtinterpretation der ausgewählten Stellen prägen wollen. Der Text gewann damit an Deutlichkeit, wurde aber zugunsten einer einzigen Interpretation eingeengt. Mit den Erläuterungen sollte die „geschichtliche Lage" und die „Bedingtheit und Begrenztheit der Form" klargemacht werden. Der Leser durfte nicht „verführt werden, in die paulinische Denkformation hineinzukriechen" 80 . Trotz der offensichtlichen antijudaistischen Tendenz, die in seiner Gedankenführung herrschte, wollte Hirsch jedoch immer ein ernsthafter Wissenschaftler bleiben. In seinem im Jahre 1936 erschienenen Buch „Das vierte Evangelium" glaubte er, das „ursprüngliche" Johannes-Evangelium gefunden zu haben. In seinem Vortrag auf dem 5. Kurs der Bibelschule, 1939, stellte Hirsch das Ergebnis seiner Quellenstudien zu den synoptischen Evangelien vor, um damit ein „wirkliches Bild von Jesus" zu liefern. In diesen Studien, die er als „Jesus"-Büchlein in Bremen 1939 veröffentlichte, teilte er den Quellenstoff in Berichte des „ersten Erzählers" und „andere Berichte" ein. Als Anhang wurden noch „Legenden" herausgegeben, die er unter dem Einfluß der literarkritischen Schule Hans Lietzmanns aus religionsgeschichtlichen Prinzipien ausgewählt hatte 81 . Zu der Gruppe von Legenden gehörten folgende Berichte: „Die Jungfrauengeburt", „Die Geburt in Bethlehem", „Der wunderbare Fischzug", „Der Jüngling zu Nain", „Das Wandeln auf dem Meer", „Die zehn Aussätzigen", „Das Geld im Fischmaul", „Die Jünger, die nach Emmaus gehen", „Die Erscheinung auf dem Berg", die alle gegen rationales Denken verstießen. Für sein Verfahren meinte Hirsch weitgehende Unterstützung durch die exegetische Literatur bekommen zu können 82 . Hirsch glaubte auch, mit seinen beiden im Verlag Kommende Kirche veröffentlichten Bibelbearbeitungen einen Weg eingeschlagen zu ha78

79 eo Ebd. Ebd. Ebd. In seinem Aufsatz über die Überlieferung der Abendmahlsgeschichte weist Hirsch auf das Buch „Messe und Herrenmahl" von Hans Lietzmann hin (KOMMENDE KIRCHE N r . 12 vom 31. 3. 1940); in drei Aufsätzen veröffentlichte Hirsch den „ältesten uns erreichbaren Abendmahlsbericht" (ebd., N r . 11 vom 24. 3. 1940; N r . 42 v o m 31. 3. 1940; N r . 13 v o m 7. 4. 1940). 82 E. HIRSCH, Jesus. 81

15·

228

Gründung der Bremer Bibelschule

ben, den die Deutsche Evangelische Kirche früher oder später gehen würde. „Ebenso wie der Jesus' ist auch dieser ,Paulus' aufzufassen als eine Vorarbeit für eine Neuausgabe des neuen Testaments." 83 In Hirsch hatte die Bibelschule einen Mitarbeiter, der bemüht war, die von den Deutschen Christen begonnene Eindeutschung mit wissenschaftlichem Ernst zur allgemeinkirchlichen Gültigkeit zu erheben. Zuerst konzentrierte die Bibelschule ihre Kräfte auf die Ausarbeitung einer deutsch-christlichen Ausgabe des Neuen Testaments.

5. Die deutsch-christliche

Bibelausgabe

„Christustestament"

Bis Ende des Jahres 1940 war der größte Teil des Neuen Testamentes mit Hilfe verschiedener Methoden in der Bibelschule behandelt worden. Außer den Arbeiten Hirschs waren der 1. Johannesbrief von Rahm und der Hebräerbrief von Helmut Kittel, der 1. Petrusbrief und der Epheser-Brief von Schöttler in Vorträgen besprochen und kommentiert worden 84 . Auf dem 6. Kurs hielt Engelke einen Vortrag über seine Ubertragungsprinzipien „Ich übersetzte Paulus" und legte den Philipperbrief sowie Abschnitte aus den Korinther-, Thessalonicher- und Timotheusbriefen vor 85 . Schon während des 5. Kurses vom 2. bis 6. Oktober 1939 begann ein aus Theologen zusammengesetzter Arbeitskreis eine Ausgabe des Neuen Testamentes unter dem Namen „Christustestament" vorzubereiten, die den Auffassungen der Deutschen Christen entsprechen sollte86. Die Schwierigkeit war, einen Kompromiß zwischen den verschiedenen Eindeutschungsstilen zu finden. Schöttler befürwortete Bibelauswahllektüren und hielt Uberschriften und Erläuterungen für notwendig, Engelke wollte Umdeutung, aber nicht in der Weise, wie der Bremer Arbeitskreis das Johannes-Evangelium bearbeitet hatte. Hirsch wiederum wollte sich nicht mit allzu leichten Entscheidungen begnügen. Der Schwierigkeit, eine gemeinsame Basis zu finden, scheint sich auch Weidemann bewußt gewesen zu sein, als er versi83 KOMMENDE KIRCHE Nr. 43/44 vom 5. 11. 1939 (E. Hirsch, Um Jesus, Sein Wort und Sein Weg). Das „Jesus"-Büchlein war „im Auftrag" Weidemanns verfaßt worden. 84 Auf dem 3. Kursus vom 10.-14. 10. 1938 hielt Rahm einen Vortrag über 1. Joh.; auf dem 4. Kursus vom 27.-31. 3. 1939 H. Kittel über den Hebräerbrief; auf dem 5. Kursus vom 2.-6. 10. 1939 und auf dem 7. Kursus vom 23.-27. 9. 1940 Schöttler über 1. Petr. und Eph. 85

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 4 v o m 1 4 . 4 . 1 9 4 0 ; N r . 3 2 v o m 2 5 . 8. 1 9 4 0 ( I n s p i r a -

tion und Komposition. Ein Wort zur Umschreibung des Epheserbriefes); Nr. 21 vom 2. 6. 1940 (Wort und Geist. Zu einer Umschreibung der Paulusbriefe). 8,1

BREMER KIRCHENZEITUNG v o m

10.11.1939.

„Christustestament"

229

cherte, daß „eine derartige Arbeit nicht übereilt oder gar kompromißlerisch schnell herausgebracht werden darf" 8 7 . Das erstrebte „Christustestament" sollte „eine Sammlung der Hauptteile des Neuen Testamentes sein, die so beschaffen sein wird, daß man sie den fragenden und suchenden Volksgenossen in die Hand geben kann" 88 . Wie Weidemann und Hirsch meinten, waren die Lutherbibel oder eine andere Ausgabe ohne „Erläuterungen" dazu nicht mehr geeignet89. Anscheinend bestand die Gefahr, daß die jüdische Herkunft des Christentums zu klar hervorgetreten wäre. Parallele Bemühungen, die Bibel einzudeutschen, gab es auch in den zwei anderen wichtigen deutsch-christlichen Gruppen. Die „Luther-Deutschen" erstrebten unter der Leitung von Werner Petersmann eine „deutsche Gegenwartsbibel" und zeigten - ähnlich wie die Bremer - in ihrer Schriftenreihe „Aufbau im positiven Christentum" auch andere Interessen, das kirchliche Leben insgesamt „einzudeutschen" 90 . Innerhalb der Nationalkirchlichen Einung unter Leffler hatte das von Grundmann geschriebene Buch „Die Botschaft Gottes" sogar die Würde eines „Volkstestaments" erringen können 91 . Bereits die Namen „Christustestament" und „Volkstestament" zeigten aber den verschiedenen Akzent der deutsch-christlichen Gruppen. Es war noch unsicher, ob das „Volkstestament" der Thüringer oder das geplante „Christustestament" der Bremer Deutschen Christen größeren Einfluß auf das Gespräch über Bibelerneuerung haben würde. Während Prof. Haenchen in der „Deutschen Theologie" das „Volkstestament" Grundmanns als „mißlungenen Versuch" des Eisenacher Instituts und seine Textauswahl als tendenziös und unwissenschaftlich beschrieb, wurden Hirschs Übersetzungen „Paulus" und „Jesus" positiv bewertet 92 . Seine beiden Werke wurden als „das Ringen um eine neue, lebendige Geschichtsgestalt des Evangeliums, um ,Gottes Wort deutsch'" angesehen. Als „Bibellesehilfe" sollten sie auch in neuen Bibelausgaben Berücksichtigung finden 93 . Dank Hirsch 87

KOMMENDE KIRCHE N r . 14 v o m 14. 4. 1940 ( D i e Bremer Bibelschule, 6. K u r -

sus). 88

Ebd. Vgl. H. SCHÖTTLER, Paulus (Vorwort). 90 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 283. Werner Petersmann, geb. 2. 1. 1901 in Dortmund, 1926 ord. in New York, 1927 Pastor in Marburg, 1928 Assistenzprof. in Eden/St. Louis, 1932 Pastor in Schweinsberg bei Marburg, 1934 in Breslau, 1940 Kriegspfarrer, 1950 Flüchtlingsseelsorger, 1952-1969 Pfr. in Hannover. 91 Die Beliebtheit des Wortes „Testament" in den religiös-völkischen Kreisen wird u. a. dadurch belegt, daß W. STAPEL das „Deutsche Testament" mit Treue zum Reichsgedanken gleichsetzte (Staatsmann, S. 7). 9! E. HAENCHEN, Gottes Wort deutsch (S. 120 ff.). 98 Ebd. 89

230

Gründung der Bremer Bibelschule

fand die Bibelschule offenbar besser als die Thüringer Gruppe den Anschluß an die theologische Diskussion auf breiter Basis.

6. Die Bremer deutsch-christliche Thüringer Liturgieentwürfenf

Agende - eine Alternative

zu den

Seit der Gründung der Bibelschule im Oktober 1937 scheint Emanuel Hirsch auf allen zentralen Gebieten der Erneuerungsarbeit tätig gewesen zu sein94. Durch seine Mitarbeit in der Gesangbuchkommission und durch seinen Anteil an der Eindeutschung der Bibel hatte er trotz gelegentlicher Einwände gegen ihn großen Einfluß. Auf dem fünften Kurs leitete er einen „Arbeitskreis um eine Agende" 95 . Seine Mitarbeit ließ hoffen, daß der Entwurf auch in breiteren kirchlichen Kreisen Anerkennung finden würde. Durch diese „ Akademisierung" konnten die Bremer eine anspruchsvollere Alternative zu den gleichzeitigen liturgischen Bemühungen der Thüringer Deutschen Christen anbieten. Wie die Bibelstudien Hirschs eher als die des Thüringer Theologen Grundmann Anerkennung bei den Theologen finden konnten, so meinte Schubring, daß auch die Gesangbucharbeit der Kommenden Kirche höhere Qualität als die entsprechenden Thüringer Bemühungen besäße 96 . Der politische Akzent in den Thüringer Liturgieentwürfen, den wir auch bei den früheren Bremer Entwürfen gefunden haben, war zu offensichtlich, um den Zugang zu breiteren kirchlichen Kreisen öffnen zu können. Bessere Möglichkeiten dazu hatte ein Arbeitskreis einer „Bibelschule", geleitet von einem Theologieprofessor. Bei der Bearbeitung der Agende und der deutsch-christlichen Ausgabe des Neuen Testamentes hatte man sich in der Bibelschule bis zum siebten und letzten Kurs, 1940, nicht auf einen konkreten Ent114

H . BUCHHEIM bemerkt (Glaubenskrise, S. 62), daß sich Hirsch ab 1937 von der Kirchenpolitik zurückzog. D e m kann man nur mit folgendem Vorbehalt zustimmen: Wie wir gesehen haben, äußerte sich Hirsch noch im selben Jahr in der „Kommenden Kirche" zu den Kirchenwahlen. Er trat danach für das ideenpolitische Programm der Kommenden Kirche ein. Wie auch die Bremer D C wollte er anscheinend jetzt seine kirchenpolitischen Ziele durch „Eindeutschung" des kirchlichen Lebens erreichen, d. h. seine Methoden der Einflußnahme waren verändert. - Ein Grund für den Wechsel der Methoden mag die negative Einstellung der nationalsozialistischen Behörden zu seinen Büchern, in denen er politische Angelegenheiten behandelte, gewesen sein (Die Liebe zum Vaterland, 1924; Christliche Freiheit und politische Bildung, 1935). W. SCHWEER stellt fest, daß sich Hirschs positive Haltung zum NS-Staat aber im Laufe der Zeit nicht änderte (Ethik, S. 142 f.). 95

KOMMENDE K I R C H E N r . 3 8 / 3 9 v o m 2 4 . 9 . 1 9 3 9 .

96

PROTESTANTENBLATT N r . 12 vom 9. 3. 1939 (Eine Thüringer Agende in Sicht?).

231

Bremer Agende

wurf einigen können. Die Vorarbeiten lagen aber vor, und der Stil der Kurse als theologische Arbeitstagungen sprach für eine weitgehende Konkretisierung der Aufgaben. Eine direkte kirchenpolitische Bedeutung der Bremer Bibelschule lag darin, daß sie die Möglichkeit einer überparteilichen kirchlichen und christlichen Arbeit im Dritten Reich zu zeigen schien. Dies geht u. a. aus dem „Protest" des 1. Kurses der Bibelschule gegen die Beurteilung der deutschen Kirchenlage durch die Oxforder Weltkirchenkonferenz hervor. Im Namen der Bibelschule telegrafierte Weidemann am 8. Oktober 1937 an Hitler: „Die aus allen Teilen des Reiches versammelten Teilnehmer der Bremer Bibelschule protestieren gegen die unerhörte Unterstellung der Oxforder Weltkirchenkonferenz der Kirche gegenüber dem Dritten Reich, es verfolge die Kirchen. Wir weisen diese Unwahrheit mit Entrüstung zurück und erkennen mit Schmerz, daß die Kirchenführer des Auslandes erschrekkend einseitig informiert sind. Die Art der Informierung ist Landesverrat deutscher Pfarrer, und diese Erklärung der Konferenz ist eine neue politische Form der alten Greuelpropaganda. Staatliche und gerichtliche Ahndungen von Übergriffen gewisser Kirchenvertreter sind in Deutschland leider notwendig gewesen. Mit Verfolgung der Kirche Christi und seines Evangeliums haben sie nichts zu tun. Insbesondere protestieren wir gegen die Behauptung, daß in Deutschland ein Kampf gegen die Verzerrung und Unterdrückung des christlichen Zeugnisses zu führen sei. Die in voller Freiheit [Worte Hitlers in seinem Wablerlaß vom 15. Februar 1937] in dieser Woche abgehaltene Bremer Bibelschule unter der Leitung des ehrwürdigen Generalsuperintendenten a. D. Prof. D. Dr. Schöttler mit Vorträgen von Universitätsprofessoren und Pfarrern und freier Aussprache unter Theologen und Laien über das Alte und Neue Testament ist selber Beweis genug für das Gegenteil; das unter der Führung Adolf Hitlers gegen das Antichristentum des Bolschewismus aufgestandene Dritte Reich kann nicht selber den Antichristen verfallen.. ." 97

97

B A KOBLENZ,

R 43 11/160 a; BREMER

KIRCHENZEITUNG

Nr. 11,1937.

Kapitel 8

DIE E R Z I E H U N G ZUM IDEAL E I N E R N E U E N K I R C H E

1. Der Religionsunterricht Ideen

als Prüfstein für die

deutsch-christlichen

Die Erhaltung des Religionsunterrichts in den Volks- und Höheren Schulen gehörte schon in der „Kampfzeit" zur nationalsozialistischen Wahlpropaganda. Nach der Machtergreifung schien Hitler das Versprechen seiner Partei zunächst erfüllen zu wollen. Zu den ersten Anordnungen des preußischen Erziehungsministers Rust gehörte im Februar 1933 die Einführung des Religionsunterrichts in den Berufsschulen1. Der unterschiedliche Stellenwert des Religionsunterrichts in der Weimarer Republik und im Hitlerstaat mußte für jeden Lehrer klar werden. Während die Schüler in Hamburg nach 1920 gewöhnlich einen Antrag stellen mußten, falls sie Religionsunterricht wünschten, nahmen jetzt alle Schüler am Religionsunterricht teil, wenn sie nicht ausdrücklich um Befreiung baten. „Was wir versprochen haben, halten wir", schienen die nationalsozialistischen Schützer des Religionsunterrichts zu erklären 2 . Erst zwei Jahre später wurden Maßnahmen getroffen, die die Stellung der Religion in der Schule begrenzten. Religion blieb ordentliches Lehrfach 3 , lediglich die Zahl der Stunden wurde bis zum Ende des Dritten Reiches eingeschränkt. Die Diskussion über die Rolle der Religion in der Schule verlagerte sich auf die Frage nach der Gemeinschaftsschule. Im Jahre 1937 nahm die „Kommende Kirche" an dieser Auseinandersetzung teil4. Die Konfessionsschulen wurden als religiöser Partikularismus und damit als gesellschaftlicher Störfaktor verurteilt und ihre Uberwindung als für den nationalsozialistischen Staat „lebensnotwendige" Vereinheitlichung bezeichnet5. Die Religionslehrer selbst sollen in Bremen allgemein für die Befreiung des Religionsunterrichts von kirchlichem Einfluß und für 1

J . S. CONVAY, K i r c h e n p o l i t i k , S. 1 9 4 .

2

E . HELMREICH, R e l i g i o n s u n t e r r i c h t , S. 2 0 4 .

3

E b d . , S. 2 1 3 ; POSITIVES CHRISTENTUM N r . 3 6 v o m 1 3 . 9 . 1 9 3 6 .

4

KOMMENDE KIRCHE N r . 1 8 v o m 2 . 5 . 1 9 3 7 ( K ä t e H a u n ) .

6 Ebd., Nr. 40 vom 3. 10. 1937 (A. Heger, Die nationalpolitische Bedeutung des Religionsunterrichts); Nr. 39 vom 26. 9. 1937.

Religionsunterricht

233

die Errichtung der Gemeinschaftsschule gewesen sein®. In seinem Aufsatz in der „Kommenden Kirche" behauptete Studienrat Paul Langen sogar, daß es später kaum Freiwillige für eine Konfessionsschule geben würde 7 . Als diese Schulen Anfang 1938 zur deutschen Gemeinschaftsschule umgewandelt wurden und die deutsche Oberschule ab 29. Januar 1938 als Normaltyp der Höheren Schule zu gelten begann, blieb der Religionsunterricht im Lehrplan ordentliches Lehrfach mit einer Wochenstunde 8 . Die Befürchtung, daß Religion nicht mehr in den Schulen gelehrt werden würde, erfüllte sich nicht. Das Problem war nun, welchen Inhalt der Religionsunterricht bekommen sollte. Für die Kommende Kirche war der Religionsunterricht keine nebensächliche Frage, obwohl Weidemann die Verbindung mit der Kirche ablehnen wollte, weil das ganze kirchliche Ziel unter einem pädagogischen Aspekt betrachtet wurde und eine langdauernde Schulung der Jugend voraussah. Man erwartete keinen schnellen Erfolg, sondern es herrschte die Devise: „In Jahrhunderten denken." Der Religionspädagoge Hermann Werdermann, Verfechter dieses Gedankens®, dokumentierte sein wachsendes Interesse an dieser Frage in einer Reihe von Aufsätzen. Seine Forderung, „Religionsunterricht artgemäß zu gestalten", ging von der Auffassung aus, daß eine Schulklasse „Volk" bilde, das der Lehrer missionieren müsse. Daraus folgte, daß es dem Religionsunterricht nicht so sehr um Information als um Meinungsbeeinflussung ginge. Die Deutschen Christen gaben didaktische Hinweise für die Gestaltung des Unterrichts. Aus dem alten Lehrstoff sollte auf dreierlei Art die „deutsche Linie" herausgearbeitet werden: durch das Herausstellen bestimmter kirchengeschichtlicher Persönlichkeiten, durch Begriffserklärungen, aber besonders durch Hervorheben eines germanischen Evangeliumverständnisses10. Im Mittelpunkt stand nicht die Geschichte der verschiedenen Kirchen, sondern die Entwicklung der germanischen Bibelauslegung, in der die Wechselwirkung zwischen Christentum und Germanentum zum Ausdruck kommt 11 . Ziel der Beschreibung dieses Prozesses war, das „Urevangelium" herauszuarbeiten 12 . Von Wulfilas Übertragungen ins Gotische, von der Evangelienharmonie des Heliands • Ebd., Nr. 26 vom 27. 6. 1937. 7 Ebd. (Religionslehrer für Konfessionsschule?). 8

9

10

K . HUNSCHE, K a m p f , S. 4 9 3 . KOMMENDE KIRCHE N r . 14 v o m 3. 4 . 1 9 3 8 (In J a h r h u n d e r t e n d e n k e n ! ) .

Ebd., Nr. 15 vom 11. 4. 1937 (Die deutsche Linie in der Kirchengeschichte). Ebd.; Werdermann gehörte zu den Mitarbeitern der Schriftenreihe „Der evangelische Religionsunterricht", die 1937—40 im Auftrage der Volkskirchlichen Arbeitsgemeinschaft der D E K von Theodor Ellwein herausgegeben wurde. 12 Ebd. 11

234

Erziehung zum Ideal einer neuen Kirche

über Luthers „Verdeutschung der Heilsbotschaft" sollte die „deutsche Linie" bis zu den Mystikern und deutschen Künstlern verfolgt werden 13 . Wie die „deutsche" Auslegung aussehen würde, zeigt die Kritik Werdermanns an der „leidenden Seite" Jesu, die ihn als „Lämmlein" darstelle. Mit dem Hinweis auf die Tempelreinigung nach dem Johannes-Evangelium versuchte er, einen „kämpferischen Zug" Jesu hervorzuheben. „Das Neue Testament kennt Jesus nicht nur als das Lamm, sondern auch als den ,Löwen'", hieß es 14 . Aus den kirchengeschichtlichen Persönlichkeiten sollte das Bild eines christlichen Deutschen geformt werden, dessen Charakterzüge mit neutestamentlichen Hinweisen belegt und als idealtypisch hingestellt werden mußten 15 . Auch der christliche Choral sollte für dieses Erziehungsideal mehr als früher als „unmittelbares Dokument deutschen Christentums" im Unterricht gebraucht werden 16 . Die Lehrsituation schuf aber auch andere Möglichkeiten, um die zukünftigen Bürger des nationalsozialistischen Staates von der Vereinbarkeit des Nationalsozialismus mit dem Christentum zu überzeugen. Unter der Uberschrift „Religionsunterricht hilft der politischen Erziehung", wurde eine christliche Sinndeutung der nationalsozialistischen Terminologie angeboten, in der die von Hitler auf dem Reichsparteitag 1934 von der Jugend geforderten Eigenschaften - Treue, Gehorsam, Opferwilligkeit, Bescheidenheit, Mut - christlich umgedeutet wurden 17 . Mit Zitaten aus der Bibel und von völkischen Denkern wurde der Schein erweckt, daß Hitler christlich-biblische Tugenden gemeint habe („Mut" = 1 Tim 6,12 und 2 Tim 1,7). Hier wurde eine begriffsgeschichtliche Entwicklung bewußt gesteuert, die in der ganzen Gesellschaft schon im Gange war: die Umdeutung des christlichen und die Sakralisierung des nationalsozialistischen Wortschatzes. Es blieb aber für die oppositionelle Seite nicht verborgen, daß es sich hier um ein in der geistigen Auseinandersetzung wichtiges Phänomen handelte. In seiner Kritik an der vom Reichskirchenausschuß entworfenen Denkschrift „Kirche und öffentliche Schule" warnte ζ. B. Landesbischof Wurm die Verfasser, sich in ihrem Sprachgebrauch an dieser Begriffsverwirrung zu beteiligen. „In einer Zeit, in der sich die weltanschauliche Auseinandersetzung zu einem Teil darin zeigt, daß christliche Begriffe entleert, umgedeutet und säkularisiert werden, muß die Kirche bewußt darauf achten, 1 4 Ebd. »» Ebd. 1 5 Ebd. Vgl. auch H . WERDERMANN, Persönlichkeiten. Das Buch behandelte u. a. Hans Bertram, Karin Göring, Sven Hedin, Gustav Schüler. " Vgl. Anm. 10. 1 7 KOMMENDE KIRCHE N r . 1 vom 1. 1. 1939 (H. Werdermann, Offene Fragen des Religionsunterrichts).

Religionsunterricht

235

daß solche schillernden Begriffe in einer eindeutigen Weise nur in ihrem ursprünglichen christlichen Sinn gebraucht" werden 18 . Auch Wieneke erläuterte in der „Kommenden Kirche" seine pädagogischen Vorschläge und stimmte Werdermann darin zu, daß eine „neue Darbietung des alten" Stoffes durch eine „neue Fragestellung" entstehen sollte, die in Katechismusunterricht, Choralsingen und Bibelauswahl zum Ausdruck kommen müsse19. Im allgemeinen war es dasselbe Programm, das Werdermann einige Tage früher vorgestellt hatte, und wenn Wieneke von „wertvollen Ansätzen neuer ReligionsPädagogik" spricht, scheint er damit nicht zuletzt ihn gemeint zu haben. Wienekes Aufsatz läßt vermuten, daß er diese Gedanken auch in seiner im Herbst 1938 dem Reichskirchenministerium eingereichten Denkschrift über den Religionsunterricht berücksichtigt hatte 20 . Trotz der Bemühungen der Mitte und der Deutschen Christen, sich in der Gestaltung des Unterrichts anzupassen, billigte der Staat keine Reichspläne für den evangelischen Religionsunterricht. Die Gründe dieser Ablehnung liegen zum Teil im Verhalten des nationalsozialistischen Staates zur deutschchristlichen Ideologie. Anfang 1939 forderte der Stellvertreters des Führers, Rudolf Heß, den Schülern ein „Gesamtbild des biblischen Unterrichtsstoffes" zu vermitteln 21 , und die „Umdeutungen, Auslegungen und Auseinandertrennungen im Sinne der mehrfachen Versuche einzelner kirchlicher Richtungen . . . [zu] unterlassen" 22 . Tatsächlich steckte hinter dieser „loyalen Haltung" der Versuch, die Unvereinbarkeit des Christentums mit dem Nationalsozialismus zu beweisen23. So wurde den Lehrern verboten, den Unterrichtsstoff „als deutsch oder nationalso18

Schreiben Wurms an den Reichskirchenausschuß vom 16. 9. 1936 (AEKD, A 4/422). Im Jahre 1939 veranlaßte die Godesberger Erklärung sogar Landesbischof Tügel, der aus der DC-Bewegung ausgetreten war, von einer „wilden Begriffsverwirrung von Politik und Kirche" zu sprechen (Schreiben Tügels an die Pfarrkonv e n t e ; L K A HANNOVER, Ε 1 / 1 0 3 3 ) . 19

KOMMENDE K I R C H E N r . 6 v o m 6 . 2 . 1 9 3 8 ( R e l i g i o n u n d S t a a t i m

national-

sozialistischen Staat). Wieneke wollte den Religionsunterricht der von dem Nationalsozialistischen Lehrerbund unter Leitung von Hans Schemm herausgearbeiteten Richtung der Schulbildung anpassen, wonach die Pfarrer und Lehrer „als nationalsozialistische Erzieher in gewissenhafter Wechselwirkung" stehen sollten. 20 Schreiben des Ev. Oberkirchenrats an die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei vom 23. 11. 1938 (AEKD, A 4/421). 21 Ε. HELMREICH, Religionsunterricht, S. 239. Vgl. auch Schreiben Bormanns an Rosenberg vom 22. 2. 1940, in dem er auf das Rundschreiben des Stellvertreters des Führers N r .

3/39 v o m

4. 11. 1 9 3 9 h i n w e i s t

(BA

KOBLENZ, N S

8/183;

IMG

Bd. X X V , Dok. 0 9 8 ) . 22 Ebd., S. 196. 23 Sitzungsprotokolle vom 22. 7. 1946 (ebd., S. 137). Der Verteidiger in dem Gerichtsprozeß gegen Bormann, Dr. Friedrich Bergold, meint, daß das Schreiben Bormanns an Rosenberg vom 22. 2. 1940 ein Beweis für seine „loyale Haltung" sei.

236

Erziehung zum Ideal einer neuen Kirche

zialistisch darzustellen" 24 . Offensichtlich war dies aber nicht als Hilfe für den bekenntnismäßigen, orthodoxen Religionslehrer gemeint, sondern aus Hybris entstanden: Wenn die Alternative zwischen Christentum und Nationalsozialismus klar zum Vorschein kommen würde, würde der letztere siegen. Die „Rigoristen" Bormann und Heß schienen überzeugt, daß, wenn der „gesamte biblische Unterrichtsstoff" gelehrt werde, die Beziehung des Neuen Testamentes zum Judentum das Christentum in einer antisemitischen Gesellschaft diskreditieren würde 25 . Daß Bormann eine Untergrabung der nationalsozialistischen Ideologie durch deutsch-christliche Kreise fürchtete, zeigt u. a. sein Brief an Rosenberg vom 18. Januar 1940, in dem er den Partei-Ideologen vor einem an die Soldaten gerichteten Buch Ludwig Müllers warnt: „Vor einigen Tagen äußerten Sie in der Reichskanzlei dem Führer gegenüber, daß Reichsbischof Müller ein ausgezeichnetes Buch für den deutschen Soldaten geschrieben habe. Ich bin anderer Auffassung, denn durch dies Buch werden unter Umständen Soldaten, die an sich bereits vom Christentum gelöst sind, erneut mit zum Teil getarnt christlichen Gedankengängen vertraut gemacht." 26 Die Gedanken Müllers waren so eng mit der nationalsozialistischen Weltanschauung verbunden, daß das deutsch-christlich umgeformte Christentum leicht - wie Bormann fürchtete - von den Nationalsozialisten übernommen werden könnte. Die deutsch-christlichen Parolen von einem „christlichen Ritter" oder von einem „männlichen Christentum" schienen immer noch die Mentalität des deutschen Soldaten anzusprechen. In ideologischer Hinsicht wurden die Deutschen Christen in den Kriegsjahren deswegen von den „Rigoristen" der Partei für gefährlicher als die biblisch orientierten Kreise angesehen27. Ganz richtig sah Bormann, dessen Antiklerikalismus sich in dem Maße steigerte, wie er in Hitlers Gunst stieg, daß Reichspläne für den Religionsunterricht das Ziel Kerrls, nämlich eine Synthese von Nationalsozialismus und Christentum zu schaffen, fördern würden. In einem weiteren Schreiben an Rosenberg M

Vgl. Anm. 21. Über die Entscheidung, die für die Zukunft erwartet wurde, äußerte Bormann: „Wenn die heute nach unseren Sittengesetzen erzogene Jugend später einmal darüber entscheiden soll, ob sie gewillt ist, ihre Kinder in den weit minderwertigeren christlichen Glaubensdogmen erziehen zu lassen, wird diese Entscheidung in den meisten Fällen negativ ausfallen" (ebd.). *· Schreiben Bormanns an Rosenberg vom 18. 1. 1940 (IMG Bd. X X V , Dok. 100-PS); L. MÜLLER, Volkssoldat. 85

27

H . BOBERACH, B e r i c h t e d e s S D , S . X L I u n d S . 5 5 6 ( 1 1 . 8. 1 9 4 1 ) .

Interessant

ist in diesem Zusammenhang, daß die durch ihre völkisch-deutsch-christliche Publizistik bekannten Schriftsteller W. Stapel und E. Hirsch später nicht die Billigung des Staates fanden, dem sie selbst zustimmten (vgl. L. POLIAKOV/J. WULF, Drittes Reich, S. 64; W. SCHWEER, Ethik, S. 142; K. SCHOLDER, Ev. Kirche, S. 20).

Religionsunterricht

237

vom Februar 1940 nahm er prinzipiell Stellung zu dieser Frage: „Christentum und Nationalsozialismus sind Erscheinungen, die aus ganz verschiedenen Grundursachen entstanden sind. Beide unterscheiden sich grundsätzlich so stark voneinander, daß es nicht möglich sein wird, eine christliche Lehre zu konstruieren, die von der Ebene der nationalsozialistischen Weltanschauung aus voll bejaht werden könnte, ebenso wie sich die christlichen Glaubensgemeinschaften niemals dazu verstehen können, die Weltanschauung des Nationalsozialismus in vollem Umfange als richtig anzuerkennen. Die Herausgabe nationalsozialistischer Richtlinien für die Erteilung des konfessionellen Unterrichts würde aber eine Synthese von Nationalsozialismus und Christentum zur Voraussetzung haben. Eine solche halte ich für unmöglich." 28 Gerade die grundlegende Zielvorstellung in der Kommenden Kirche, daß „das Deutschtum nur im Christentum erfüllt werden kann", mußte den „Rigoristen" der Partei unerträglich sein29. Weder Kerrl noch Müller noch die Deutschen Christen konnten Richtlinien aufstellen, die die Billigung der Partei finden würden. Um später den Religionsunterricht durch etwas anderes zu ersetzen, schlug Bormann vor, einen kurzen Leitfaden der ethischen Grundsätze des Nationalsozialismus vorzubereiten, der den Kleinen Kathechismus kompensieren sollte30. Der Religionsunterricht sollte nur solange beibehalten werden, bis eine nationalsozialistische Erziehungsarbeit ihn ablösen würde. Man gab zunächst den Lehrern zu verstehen, daß jeder selbst zu entscheiden habe, ob er Religionsunterricht geben wolle oder nicht, was in vielen Schulen zur Einstellung des Religionsunterrichtes für alle Klassen führte 31 . Angesichts dieser Entwicklung und trotz der offiziellen Ablehnung blieb der „staatliche Religionsunterricht" ein „zentrales Anliegen" der Deutschen Christen, durch das sie die „deutsche Linie" der Auslegung des Christentums der Jugend in der nationalsozialistischen Gesellschaft einprägen wollten 32 .

28 Vgl. Anm. 21. - Der Religionsunterricht war eine zentrale Frage für die nationalsozialistische Kirchenpolitik, weil die Kirchenfrage „für die Parteispitze im wesentlichen . . . eine Frage der Einstellung des Nachwuchses" war (Rede von R.

H e ß v o m 1 2 . 9. 1 9 3 8 : J . S . CONWAY, K i r c h e n p o l i t i k , S . 1 9 5 ; F . ZIPFEL, K i r c h e n -

kampf, S. 451 f.). 29

KOMMENDE K I R C H E N r . 4 v o m 2 3 . 1. 1 9 3 8 ( H . W e r d e r m a n n ,

Religionsunter-

richt - deutsch!). M

J . S . CONWAY, K i r c h e n p o l i t i k , S . 2 0 6 .

ST

E . HELMREICH, R e l i g i o n s u n t e r r i c h t , S . 2 0 0 .

32

F . WIENEKE, 1 0 J a h r e D e u t s c h e C h r i s t e n ( B A KOBLENZ, R 4 3 1 1 / 1 6 5 a ) .

238

Erziehung zum Ideal einer neuen Kirche

2. Die Ausbildung eines „neuen Pfarrertyps" Neben der zentralen Aufgabe, durch den neugestalteten Religionsunterricht Einfluß zu üben, mußte die Erziehung im Sinne der Deutschen Christen auch im kirchlichen Konfirmandenunterricht und in der akademischen Pfarrerausbildung fortgesetzt werden. Wie schon erläutert, gehörte eine neue Fakultätspolitik und eine streng staatlich kontrollierte Theologenausbildung zum Programm des Stellvertreters Kerrls, Hermann Muhs; danach sollte ein neuer „staatsund volksverbundener Pfarrerstand" ausgebildet werden 33 . In diesen gegen die Bekennende Kirche gerichteten Plänen sollte anscheinend das alte deutsch-christliche Ideal von den Pfarrern als „Offizieren im Talar" aufgenommen werden 34 . In der Zeit der Entstehung der Muhs-Denkschrift in den Jahren 1937/38 wurde in der „Kommenden Kirche" die Frage der Ausbildung der Geistlichen „in steigendem Maße" von Theologen und Nichttheologen erörtert. Aufschlußreich für die Ziele der Kommenden Kirche war der Aufsatz von Adolf Freydag „Ein neuer Pfarrertyp" 35 . Ähnlich wie auf anderen Gebieten des kirchlichen Erneuerungsprogramms sieht man hier, wie stark die Kriegserfahrungen auf die Zielsetzung einwirkten. Schon im Jahre 1933 hatte auch Hirsch dem Pfarrerstand fehlende soldatische Ideale vorgeworfen: „Dem Pastor von heute fehlt häufig die innere Straffheit, die sich geistig wie leiblich bis zum äußersten anspannt." 36 Es mangle ihm an „Wagemut im Gehen neuer Wege", was zuletzt darauf zurückzuführen sei, daß er „die haltende und spannende Kraft, die aus der Kameradschaft eines unter Führung und Befehl stehenden Offizierskorps kommt", nicht kenne37. Auch Schüttlers Vorstellungen von der künftigen Pfarrerausbildung hingen eng zusammen mit seiner Wertschätzung des Soldatenle33

Vgl. oben S. 123. Das Zitat stammt aus einer Begrüßungsrede Bischof Fritz Keßels bei einem Versuchskurs Reichsbischof Müllers im ostpreußischen Predigerseminar Klein-Neuhof bei Rastenburg (LKA DÜSSELDORF, Berichte über Hainstein und KleinNeuhof 1934); vgl. auch H . LINCK, Kirchenkampf, S. 62 ff. 34

35

KOMMENDE KIRCHE N r . 5 0 v o m

1 2 . 12. 1 9 3 7 .

„Eine unvergeßliche

Vereidi-

gungspredigt kurz nach Kriegsbeginn", gehalten von einem Theologiestudenten, bildete für ihn den Ausgangspunkt, über den Theologennachwuchs nachzudenken. Der Autor stellte diesen Soldatenseelsorger mit guten Führereigenschaften als Ideal des „neuen Pfarrertyps" vor und meinte: „Das war schon ein junger Führer, wie wir ihn uns heute ersehnen, damit er auch die Jugend zur Hingabe für eine neue Kirche gewinnen kann, ohne die wir die .Kommende Kirche' nicht gewinnen können." 88 E. HIRSCH, Deutsche Christen, S. 15. « Ebd.

Ausbildung eines „neuen Pfarrertyps"

239

bens. Er meinte, daß es kein besseres „Seminar" für den kommenden Pfarrer gäbe „denn als Frontsoldat draußen zu stehen" 38 . In der Zeit des Friedens bildete das politisch-existentielle Erlebnis des Nationalsozialismus - wie Freydag meinte - die emotionellgeistige Grundlage für den gewünschten Typ des Soldatenpfarrers. Um „volksnah" zu sein, mußten die zukünftigen Geistlichen der Nachkriegsgeneration das „Erlebnis des Nationalsozialismus an sich erfahren haben" und durch die politisch-weltanschauliche Erziehung des nationalsozialistischen Staates hindurchgegangen sein. Daraus sollte erst die „Berufung zum vorbildlichen seelsorgerlichen Volksdienst" entstehen39. „Deshalb kann in der kommenden Kirche auch niemals ein junger Pfarrer eingestellt werden, der nicht durch alle Erziehungsformen des Dritten Reiches einschließlich dem Dienst in der Wehrmacht von Jugend an hindurchgegangen ist", meinte Freydag. Die diakonische Ausbildung sollte in Krankenhäusern und Gefängnissen vollzogen werden, wo der Kandidat versuchen mußte, „allen etwas zu sein". Die Bedeutung dieses Abschnittes des Studiums war so grundlegend, daß, wer sich nicht für diese Aufgaben geeignet erwies, „auch dann noch gezwungen werden müßte, den geistlichen Beruf aufzugeben, ehe es zu spät ist" 4 0 . Die strenge „Auslese" zielte auf Bildung einer Elitegruppe von Pfarrern mit volksmissionarisch-soldatischen Qualitäten. Dieses „Führerkorps an Geistlichen, das wir uns für eine ,Kommende Kirche' ganz planmäßig heranbilden müssen, mag zunächst klein sein", meinte Freydag, man solle jedoch nicht vom Laienpriestertum Hilfe erwarten. Die Qualität und der volle Einsatz der Persönlichkeit sollten die quantitativen Mängel ersetzen 41 . Mit der Zeit gewann jedoch in der Kommenden Kirche der Gedanke vom allgemeinen Priestertum immer mehr Bedeutung, bis hin zu der Forderung, die Grenze zwischen Priester- und Laientum zu überwinden 42 . Der Talar als Zeichen des allgemeinen Priestertums sollte abgeschafft werden. Zunächst trug Weidemann nur bei den Feiern an Ehrenmalen einen schlichten, schwarzen Rock, dann aber auch bei Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen 43 . Der Talar sollte nicht mehr durch unterschiedliche Anfertigungsformen die Verschiedenheit der Kirchen als ein „Zeichen der konfessio38

KOMMENDE K I R C H E N r . 1 7 v o m 5 . 5 . 1 9 4 0 ( D e r k o m m e n d e P f a r r e r ) .

4 » Ebd. » Vgl. Anm. 35. 4 1 Ebd. 4 2 Auf der 4. Kirchentagung in Bremen vom 19. bis 21. 3. 1938 meinte der westfälische DC-Führer, Pfr. Walter Fiebig, daß „,die kommende Kirche' sehr ernst um das allgemeine Priestertum der Gläubigen ringen" müsse (KOMMENDE KIRCHE N r . 13 vom 27. 3. 1938). 4 3 Κ. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 189, 98. 3

240

Erziehung zum Ideal einer neuen Kirche

nellen Zersplitterung" 44 symbolisieren. Die erstrebte Volkskirche sollte keine Grenzen der Konfessionen und keine Trennung von Laien und Geistlichen kennen. Als langjähriger Studieninspektor an der Universität Göttingen war Weidemann mit der akademischen Ausbildung der Theologen vertraut. Von seinem Plan, einen „neuen Pfarrertyp" zu erziehen, schrieb Weidemann später: „Ich dachte an die Einrichtung von Kirchenburgen, auf denen die jungen Pfarrer den Nationalsozialismus in engster Fühlung mit der NSDAP und deren Gliederungen erleben und dann mit der Welt der Religion vertraut gemacht werden sollten" 45 Weidemanns Idee von einer „Kirchenburg", wie sie in der „Kommenden Kirche" propagiert und sogar mit Bildern veranschaulicht wurde, hat ihren Ursprung im Mittelalter. Sie paßte einerseits zu der Vorstellung von den Deutschen Christen als „Ritterschaft", andererseits zum Militarismus des nationalsozialistischen Staates, dessen Ordensburgen Vorbild dieser deutsch-christlichen Einrichtung sein sollten49. Der Landesbischof konnte seine Baupläne, die schon mit Architekten besprochen waren, nicht verwirklichen, da die staatlichen Behörden nach seinen Dankeskirchen-Affären vorsichtiger geworden waren. Stattdessen wurde in Göttingen ein Bremer Studienhaus für die Theologiestudenten eingerichtet. Zum Vorsteher des Hauses wurde Professor Georg Wobbermin und zum Studieninspektor ab 1. Oktober 1938 Pastor Rudolf Gensch, Bremen, berufen 47 . Erst später kamen die radikalen theologischen und kirchlichen Auffassungen zum Vorschein, in denen es keinen Platz mehr für die an der Universität ausgebildeten Pfarrer gab. Weidemanns Einstellung zur Pfarrerausbildung war durch seine sich weitgehend verschlechternde Beziehung zur evangelischen Pfarrerschaft und zur Deutschen Evangelischen Kirche bedingt. Nach seiner Suspendierung am 8. Oktober 1941 war es nur verständlich, daß er von einem Pfarrerstand nichts mehr wissen wollte. 44

H . Weidemann, Mein Kampf um die Erneuerung des religiösen Lebens in der Kirche. Ein Rechenschaftsbericht, S. 10 f. (BA KOBLENZ, R 43 11/165). 45 Ebd., S. 11. 4E

BREMER KIRCHENZEITUNG N r . 10, 1935. W e i d e m a n n sprach auf der 1. Reichskir-

chentagung von den Deutschen Christen als „Ritterschaft". Die nationalsozialistischen Ordensburgen waren nach dem Vorbild der Burgen des Deutschen Ritterordens errichtet. Sie dienten der Erziehung der nationalsozialistischen Elite. Aufgenommen wurde eine Auslese von Schülern aus den Adolf-Hitler-Schulen und den nationalsozialistischen Erziehungsanstalten (W. SHIRER, Aufstieg, S. 248). 47

KOMMENDE KIRCHE N r . 5 v o m 29. 1. 1 9 3 9 ( G l a u b e u n d W a h r h e i t . Z u r E i n w e i -

hung des Bremer Studienhauses in Göttingen). Rudolf Gensch, geb. 23. 9. 1897 in Barsinghausen, gest. 18. 5. 1975 in Bremen, 1927 ord., 1927 Pastor in St. Jürgen/Ritterhude (Hannover), 1932 in Langenhagen, 1934 in Gröpelingen/Bremen, 1938 Studieninspektor im Bremer Studienhaus in

Ruf zur Aktion

241

Als Weidemann nach dieser Zeit den obersten Behörden des nationalsozialistischen Staates die Frage stellte: „Aber brauchen wir in Zukunft überhaupt Pfarrer" 4 8 , mag dahinter die kirchenpolitische Berechnung gestanden haben, er könne trotz seiner Suspendierung die Führerrolle in der Bremischen Evangelischen Kirche wieder erlangen und die Entlassung auf diese Weise unwirksam machen. Seine Infragestellung des Priesteramtes beruhte auf der Verdrehung der Gedanken des Reformators über das allgemeine Priestertum und einer sakralen nationalsozialistischen Weltanschauung: „Kann nicht nach dem herrlichen reformatorischen Grundsatz: J e d e r Christ sein eigener Priester', dieses schönste Amt der Familie das H a u p t der Sippe wahrnehmen? Ist außerdem im Nationalsozialismus nicht das Religiöse mit dem Politischen und Moralischen so nah verbunden, daß es einen scharfen Trennungsstrich gar nicht mehr gibt? Ich habe es oft genug ausgesprochen: ,Ist es etwa kein christliches und damit religiöses Wollen, wenn die Männer der SA, SS und anderer Gliederungen der Partei mit der Büchse in der H a n d dem deutschen Volke Nächstenliebe predigen?" 49 Durch Vermengung christlicher, politischer und völkischer Gesichtspunkte war so eine Einheit entstanden. Die Preisgabe des Priesteramtes und die damit verbundene Auflösung der an ihre christliche Tradition gebundenen Kirchen scheint einerseits Folge des Ideals einer Synthese von Nationalsozialismus und Christentum, andererseits Ergebnis der Verhärtung und Brutalisierung der kirchlich-politischen Auseinandersetzungen in Bremen zu sein.

3. Der Ruf zur Aktion Anfang des Jahres 1939 erklärte Weidemann: „Wir haben heute Mitkämpfer im ganzen Reich, vom Rheinland und Westfalen bis nach Schlesien, von der Ostsee bis nach Bayern und Österreich." 50 Die früheren Formen der kirchlichen Erneuerungsarbeit genügten nicht mehr; die Zeit war gekommen, die Mitarbeiter zu Aktionen zu mobilisieren. In einem Aufruf forderte Weidemann von seinen Anhängern, im ganzen Reich am 5. Februar 1939 einen „Tag der Gemeinde" zu veranstalten, an dem ein Gottesdienst nach deutsch-christlichem Muster Göttingen, 1945 aus dem bremischen Kirchendienst entlassen, in Roringen amtiert, 1951 dort Pastor, 1956-1965 Pastor in Osterholz-Scharmbeck. 48 Vgl. Anm. 4 4 . « Ebd. 50

KOMMENDE KIRCHE N r . 3 v o m 15. 1. 1 9 3 9 ( V o r w ä r t s a u f n e u e n W e g e n !

Tag der Gemeinde am 5. Februar). 16

Heinonen, Anpassung

Der

242

Erziehung zum Ideal einer neuen Kirche

gehalten und die Zugehörigkeit zur Kommenden Kirche zum Ausdruck gebracht werden sollte. Er verlangte von jedem einzelnen, am Arbeitsplatz seine kirchliche Richtung zu bekennen, vom Prediger am Altar das hohepriesterliche Gebet Joh 17 zu lesen und seine Predigt nach dem Wochenruf „Wer nicht mit uns sammelt, der zerstreut" zu gestalten. Für eine „einige christliche Kirche deutscher Nation" sollte gebetet und „deutsche" Choräle sollten gesungen werden . . . „ohne jüdische Symbolsprache". Der sonstige Verlauf des Tages hatte sich „nach der Art, der Tradition und dem Geist der einzelnen Gemeinden" zu richten 51 . Weidemann empfahl zwar keinen radikalen Umsturz der kirchlichen Praxis, jedoch gab es genug neue Elemente, um auf breiter Basis eine Veränderung der Kirche zu beginnen.

" Ebd.

Kapitel 9

DIE F R O N T DER DEUTSCHEN CHRISTEN: WEIDEMANN U N D MUHS GEGEN KERRL

1. Der Höhepunkt des kirchlichen Führerprinzips: Die zur Bildung der kirchlichen Körperschaften in Bremen

Verordnung

Am 16. August 1939 erschien im Gesetz- und Verordnungsblatt der Bremischen Evangelischen Kirche eine „Verordnung zur Bildung der kirchlichen Körperschaften", durch die die Machtfülle des Präsidenten und Landesbischofs Weidemann nahezu unbegrenzt wurde. Die Verordnung war formell von der „Kirchenregierung", praktisch aber von Weidemann entworfen worden, was die alleinige Unterschrift Weidemanns veranschaulichte 1 . In dem Entwurf ermächtigte er sich selbst dazu, die Gemeindeführer nach eigenem Ermessen einzusetzen und abzuberufen. Der erste Absatz, § 1, lautete: „Die verantwortliche Leitung jeder Kirchengemeinde liegt in der Hand des Gemeindeführers. Dieser ist in einer Person Gemeindeführer und verwaltender Bauherr. Er wird von der Kirchenregierung berufen und abberufen." 2 Damit war die frühere bremische Gemeindeautonomie endgültig beseitigt. Der alte Titel des verwaltenden Bauherrn war nicht abgeschafft, aber er war identisch mit dem von Heider und Weidemann eingeführten Amt des „Gemeindeführers" geworden. Die gewohnheitsrechtliche Regelung, daß Bauherren Laien waren,

1 GVM Nr. 3 vom 16. 8. 1939. Eine gesetzgebende Körperschaft existierte nach der Auflösung des Kirchentages am 24. 1. 1934 nicht mehr (vgl. K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 87). * GVM Nr. 6 vom 28. 12. 1937. Schon früher hatte Weidemann mit der „Verordnung zur Wiederherstellung der Ordnung der BEK vom 27. 12. 1937" (K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 49) dem „Landeskirchenführer" die Rechte verliehen, Gemeindeführer zu berufen und abzuberufen. Der Unterschied lag darin, daß dieses Recht nun die „Kirchenregierung" bekam. Diese scheinbare Demokratisierung täuschte. Weidemann profitierte nämlich von der unklaren Rechtsgrundlage der Kirchenregierung und war praktisch selber „Landeskirchenführer" und „Kirchenregierung" (vgl. Schreiben der Bauherren von Unser-Lieben-Frauen an Kerrl vom 27. 11. 1939 und Schreiben Kerrls an Böhmcker vom 1. 3. 1940; STA BREMEN, 3-K.l.d.l.a. N r . 59).

16·

244

Weidemann und Muhs gegen Kerrl

wurde in § 3 mit dem Satz aufgehoben: „Die Gemeindeführer und ihre Stellvertreter sollen in der Regel nicht Geistliche sein."3 Durch die Bestimmung des § 6, daß der Kirchenvorstand den Gemeindeführer in der Leitung der Gemeinde nur „berät", ging die Macht in den Gemeinden endgültig auf die von der „Kirchenregierung", d. h. von Weidemann, bestimmten Gemeindeführer über. Von diesen berufen und ohne das Recht zur Beschlußfassung, konnten die Kirchenvorstände der Stimme ihrer Gemeinde kein Gehör mehr verschaffen. Diesen verschiedenen Bestimmungen fiel auch die freie Pfarrerwahl, die neben der Laienführung ein Charakteristikum des bremischen Gemeindelebens gewesen war, zum Opfer 4 . Wenn ein Gemeindeführer sich dem „Wunsch" der „Kirchenregierung" widersetzte, wurde er selten gehört - wie die kirchliche Opposition meinte - , vielmehr durch einen gefügigen Gemeindeführer ersetzt 5 . Die Durchführung der Verordnungen, die bis zum 1. Oktober 1939 vollzogen werden sollte, drohte daher das ganze kirchliche Leben streng nach dem Führerprinzip zu ordnen 6 . In Protestschreiben vom 7. September 1939 äußerten die Gemeinden Unser Lieben Frauen, Immanuel, Stephani-Süd, Michaelis und Wasserhorst ihre Empörung über die geplante Unterdrückung der kirchlichen Rechte. Nur etwa acht Gemeinden billigten die Pläne Weidemanns schweigend7. Zunächst schienen die protestierenden Gemeinden ihr Recht zu bekommen. In einem Erlaß vom 22. September 1939 teilte Kerrl der bremischen Kirchenregierung mit, daß er die „Verordnung zur Bildung der kirchlichen Körperschaften" vom 16. August 1939 nicht als rechtsgültig anerkennen könne und daher ihre Zurückziehung erwarte 8 . Weidemann aber, der gleichzeitig Kirchenpräsident und Landesbischof der Bremischen Evangelischen Kirche und Vertreter der kirchlichen Angelegenheiten im Senat war, fühlte sich jetzt stark genug, auch dem Reichskirchenminister zu widerstehen. Die allgemeine politische Entwicklung, besonders aber die letzte ® Auf diesen Paragraphen konnte Weidemann sich berufen, als er sich im Oktober 1941 schließlich auch zum Gemeindeführer und Bauherrn am D o m ernannte, wodurch seine absolute Stellung ihren Höhepunkt erreichte (K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 97). * Auf dem Prozeßweg hatte die „Bremische Kirchenregierung" gegen die St. Michaelis-Gemeinde die Befugnisse erhalten, einen Hilfsprediger für die Gemeinde abb z w . n e u z u b e r u f e n ( v g l . o b e n S . 9 6 f . ; BREMER K I R C H E N Z E I T U N G N r . 7 / 8 ,

1938:

„Eine Rechtsentscheidung grundsätzlicher Bedeutung"). 5 Schreiben der Bauherren der Unser-Lieben-Frauen-Gemeinde an Kerrl vom 27. 11. 1939 (vgl. Anm. 3). · Vgl. Anm. 1. 7 K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 87. 8 Ebd.

Höhepunkt des kirchlichen Führerprinzips

245

Phase der Kriegsvorbereitungen wirkten sich jetzt zugunsten Weidemanns aus. Von Seiten des Staates wollte man im Krieg keine Zuspitzung der kirchlichen Auseinandersetzungen. Die Bildung eines Vertrauensrates der Deutschen Evangelischen Kirche stand unmittelbar bevor 9 . Aus diesen, aber auch aus anderen Gründen, auf die wir im folgenden näher eingehen, sah Kerrl sich gezwungen, den „Wunsch auf förmliche Aufhebung der Verordnung" zurückzustellen 10 . Er forderte nur, daß die Verordnung „in denjenigen Gemeinden nicht angewandt wird, in denen sie auf Widerstand stößt" 11 . Nach dieser Korrektur seiner eigenen, nur einen Monat zuvor getroffenen Feststellung der Rechtsungültigkeit der Verordnung, ließ sich kaum verbergen, daß Kerrl nicht Herr in eigenem Hause war. Weidemann erkannte die unsichere Lage seines Gegners und ging weiter. Am 17. November 1939 erschien eine neue Verordnung der Bremischen Evangelischen Kirche, durch die entgegen den Forderungen des Reichskirchenministers Kerrl, das „Kirchenführerprinzip in der Bremischen Evangelischen Kirche" nicht zu überspannen, die Machtbefugnisse des Präsidenten und Landesbischofs abermals erweitert wurden 12 . Dieser konnte nun auch die wenigen beratenden Männer der „Kirchenregierung" und „Kirchenvorstände" beliebig abberufen und ersetzen13. Noch am selben Tag trat eine Versammlung der Gemeindeführer zusammen, auf der jedoch keine Möglichkeit zu freier Erörterung all dieser Fragen bestand 14 . Es wurden lediglich die Verordnungen Weidemanns vom 16. August und 17. November bekanntgegeben. Die formale Legitimation für sein Vorgehen hatte sich Weidemann inzwischen besorgt: Er hatte die Erlaubnis des Reichskirchenministeriums, allerdings nicht von Kerrl, sondern von dessen Stellvertreter, Muhs, erhalten. Vom Inkraftsetzen der Verordnung erfuhr der Reichskirchenminister erst zehn Tage später am 27. November 1939 durch Beschwerden der Bauherren der Unser Lieben Frauen-Gemeinde. Der nationalsozialistische Kirchenminister Kerrl mußte zugeben, daß ein Kirchengesetz gegen seinen Willen zustandegekommen war 15 . » KJ 1933-44, S. 472. 10 Zitiert nach K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 88. 11 Ebd. 12 Ebd., S. 89; vgl. auch den Kollektenplan der BEK für das Jahr 1940 (GVM Nr. 5 vom 17. 11. 1939). 13 Vermerk des Reichskirchenministeriums vom 4. 10. 1941 (BA KOBLENZ, R 43/11 165). 14 Vgl. Anm. 5 . 18 Schreiben Kerrls an Böhmker vom 1. 3. 1940 (vgl. Anm. 2); nach nicht belegter Information K. STOEVESANDTS (Bekennende Gemeinde, S. 92) soll Ministerialrat Dr. Stahn gemeint haben, daß Kerrl die Verordnung nicht für ungültig erklären

246

Weidemann und Muhs gegen Kerrl

In einem persönlichen und vertraulichen Brief Kerrls an den Bürgermeister Böhmcker vom 1. März 1940 wird das Vorgehen Weidemanns durchsichtig. Kerrl mißbilligte die Verordnung, „weil sie das politische Führerprinzip auf das geistige Gebiet hinüberspielt und ausgerechnet Geistlichen erwünschte Gelegenheit gibt, mit geistiger Freiheit Schindluder zu treiben" 16 . Gleichzeitig gab er die Schwäche seiner Position als Kirchenminister zu, indem er nur das Geschehene feststellen konnte: „Leider war ich aber nicht in der Lage, die Verordnung aufzuheben, weil sich herausstellte, daß mein inzwischen in den Kriegsdienst berufener Staatssekretär den Erlaß dieser Verordnung - obwohl er über meine gegenteilige Einstellung hinreichend unterrichtet war - genehmigt hatte." 17 Weidemann und Muhs hatten damit die später als „Gesetz" geltende Verordnung gegen den Willen Kerrls zustandegebracht. Zum offenen Bruch zwischen dem Reichskirchenminister und dem bremischen Landesbischof führte ein Gespräch im Kirchenministerium, als Weidemann wegen der Lage in Bremen vorstellig geworden war. Kerrl erklärte später: „Ich habe Weidemann wegen seines unqualifizierbaren Benehmens mir gegenüber aus meinem Dienstzimmer verweisen müssen und kann mit ihm nicht mehr verhandeln." 18 Das Verhalten Weidemanns erklärte der Kirchenminister psychologisch: Weidemann sei „Pathologe und leide . . . an einer üblen Selbstüberschätzung, die ihm vorspiegele], er sei mindestens ein neuer Luther" 19 . Im Hinblick auf die Kirchenerneuerungspläne Weidemanns ist der Vorwurf, dieser sähe sich als neuer Luther, interessant und deutet die späteren Ereignisse in der bremischen Kirche bereits an. Nach dem Abbruch der Beziehungen zu der bremischen Kirchenführung wandte sich Kerrl an die politische Führung des Stadtstaates und bat Bürgermeister Böhmcker gegen Weidemann um Hilfe. Böhmcker hatte sich - wie erwähnt - schon zwei Jahre zuvor mit dem Landesbischof über die Namenswahl für zwei bremische Kirchen auseinandergesetzt und zählte zu den Gegnern Weidemanns. Der Grund für Böhmcker, sich erneut einzusetzen, war, wie 1937/38, die Vermengung von Politik und Religion. Nach Kerrl bestand Weidemanns Vokabular nur aus „Plutokratie, Reaktion und anderen politischen Formeln", die gar nichts mit der Gesetzgebung der Bremischen Evangelischen Kirche zu tun hätten 20 . Von sich aus beabsichtigte der Kirchenminister, eine Finanzabteilung für die Bremische Evangelische Kirche einzusetzen, um den undurchsichtigen Umgang konnte, weil Bormann dies nicht zulasse. Kritisch muß man dazu bemerken, daß Bormann vorher gegen Weidemann gewesen war (vgl. oben S. 131 f.). 18 17 Vgl. Anm. 2. Ebd. 18 w 20 Ebd. Ebd. Ebd.

Höhepunkt des kirchlichen Führerprinzips

247

Weidemanns mit den Steuergeldern zu kontrollieren. Er glaubte, den Landesbischof auf diese Weise bändigen zu können. Den Parteigenossen Böhmcker bat Kerrl, ihm für die Finanzabteilung geeignete Personen vorzuschlagen 21 . Anders als in anderen Teilen Deutschlands spitzten sich nicht nur die kirchlichen Auseinandersetzungen in Bremen während der Kriegszeit zu, sondern es verschoben sich auch die Frontstellungen in diesem Streit. Wenn es im Kirchenkampf sonst üblich war, daß die Kontroversen entweder zwischen den kirchenpolitischen Parteien Bekennende Kirche und Deutsche Christen oder zwischen einer kirchlichen Gruppe und staatlichen Stellen entstanden, war es in Bremen anders. Die Auseinandersetzungen um die Bremische Evangelische Kirche wurden in dieser späten Phase als politischer Machtkampf innerhalb des Reichskirchenministeriums geführt. Es war vor allem Staatssekretär Muhs, der die Kirchenpolitik Weidemanns unterstützte, wohingegen Kerrl die Beschwerden der Gemeinden berücksichtigen und die grenzenlose Macht Weidemanns in Bremen kontrollieren wollte.

2. Die Finanzabteilung Jahre 1941

des Reichskirchenministers

in Bremen

im

Erst im Herbst 1941 begann Kerrl, offen gegen den bremischen Bischof vorzugehen. Am 8. Oktober 1941 wurde die Finanzabteilung eingerichtet. Sie bestand aus ausgesprochenen Gegnern Weidemanns, wodurch eine einmalige Situation im Kirchenkampf entstand: Die Finanzabteilung stand kirchenpolitisch gegen die Deutschen Christen 22 . Mit Vizepräsident Günther Fürle hatte Kerrl vereinbart, daß ein Disziplinarverfahren nach § 29 der Disziplinarordnung der Deutschen Evangelischen Kirchen vom 13. April 1939 gegen Weidemann eröffnet werden sollte, um ihn auf diese Art vom Amt suspendieren zu können 23 . 21

Ebd. H. BRUNOTTE, Kurs, S. 134 f. Mitglieder der Finanzabteilung waren: Rechtsanwalt Dr. Hermann Apelt, früherer Senator, 1933 aus dem Amt entfernt; Hermann Edzard, Bauherr der Ansgarii-Gemeinde und 1941 Vorsitzender der Finanzabteilung der BEK, und C. E. Meyer, Schatzmeister der BEK. Diese drei Männer gehörten zu den schärfsten Gegnern Weidemanns (K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 97, 100, 103). M H . BRUNOTTE, Kurs, S. 135. Günther Fürle, geb. 26. 7. 1899 in Breslau, 1926 Konsistorialassessor in Breslau, 1933 Mitglied des Ev. Oberkirchenrats, 1934 O K R in Breslau, 1937 Stellv. Vorsitzender der Finanzabteilung bei der deutschen Ev. Kirchenkanzlei, 1938-1946 Di22

248

Weidemann und Muhs gegen Kerrl

Der Beschluß der Deutschen Evangelischen Kirche vom 8. Oktober 1941, das förmliche Disziplinarverfahren zu eröffnen und die vorläufige Dienstenthebung zu verfügen, hatte fünf Gründe 24 . Erstens hatte Weidemanns unkontrollierbares Finanzgebaren am 11. Juli 1941 zu einer Anzeige geführt, auf Grund derer der Oberstaatsanwalt in Bremen Vorermittlungen gegen ihn wegen Betrugs und Untreue durchführte. Zweitens hatte Weidemann einen Ehescheidungsprozeß angestrengt, in dem aber seine Frau Widerklage wegen Unterhaltung ehewidriger Beziehungen zu seiner Sekretärin erhoben hatte. Der dritte Grund war die Preisgabe von Amtsgeheimnissen, die ihm als Seelsorger anvertraut waren. Viertens belangte man ihn aufgrund der Einstellung einer Privatklage gegen seinen Schwager vom Amtsgericht Braunschweig wegen unqualifiziertem Verhalten des Klägers. Fünftens lag ein Urteil des Amtsgerichtes München vom 22. August 1941 vor, in dem er wegen Beleidigung des Vorsitzenden des Deutschen Pfarrerbundes, Kirchenrat Fritz Klingler, zu einer Geldstrafe von 1 000 RM verurteilt worden war 28 . In dem von der Deutschen Evangelischen Kirche eröffneten Disziplinarverfahren wurde Oberkonsistorialrat Gustavus mit der Untersuchung in Bremen beauftragt. Wegen der besonderen Situation in der Hansestadt mußte man vermeiden, das Entscheidungsrecht in dieser Sache in die Hände der „Bremischen Kirchenregierung" zu geben, denn dies hätte bedeutet, daß Weidemann zum Richter in eigener Sache gemacht worden wäre. Aber weder die vorläufige Dienstenthebung durch die Deutsche Evangelische Kirche noch die Einrichtung der Finanzabteilung konnten den Bischof bändigen. Am 13. Oktober 1941 sollte die Leitung der Kirchenkanzlei aus den Händen Weidemanns genommen und der Landesbischof dadurch entmachtet werden. Als die vom Kirchenminister beauftragten Herren Edzard, Carl Eduard Meyer und Hermann Apelt um 11.45 Uhr in der Kirchenkanzlei erschienen, um unter Hinweis auf den Erlaß des Reichskirchenministers die Räume sowie das Personal für die Finanzabteilung zu übernehmen, widersetzte sich Weidemann und verweigerte ihnen den Zugang zu den Räumen der Kirchenkanzlei 26 . rektor der Kirchenkanzlei mit dem Titel Vizepräsident, 25. 2. 1945 von Muhs seines Amtes enthoben. 24 Abschrift zu KK II 630/Beschluß der D E K vom 8. 10. 1941 (LKA HANNOVER, Ε III/331). 25 Ebd. 26 Abschrift einer Niederschrift Weidemanns über die Ereignisse in der Kirchenk a n z l e i a m 1 3 . 1 0 . 1 9 4 1 v o m g l e i c h e n T a g ( A R C H I V DER S T . REMBERTI-GEMEINDE

BREMEN). Als Zeugen hatten die Herren R. Kunstmann, H. Tietjen, Fräulein U. Lindemann und A. Körtzinger die Niederschrift unterschrieben. In der Auseinan-

Finanzabteilung in Bremen

249

Bürgermeister Böhmcker, der seinerzeit Weidemann aus dem Staatsrat ausgeschlossen und seinen Ausschluß aus der Partei befürwortet hatte - und dessen Verordnung durch den Führerentscheid aufgrund der Vermittlung Lammers' rückgängig gemacht worden war - wagte es trotz der Ermächtigung seitens Kerrls nicht, gegen Weidemann vorzugehen. In einem Vermerk der Reichskanzlei vom 20. Oktober 1941, in dem u. a. festgestellt wurde, daß Weidemann sich weigerte, die Maßnahmen des Reichskirchenministers anzuerkennen, hieß es weiter: „Auch der Regierende Bürgermeister von Bremen, der zunächst selbst ein Vorgehen gegen Weidemann beantragt habe, sei jetzt zurückhaltender und habe bemerkt, er wisse ja nicht, ob nicht der Herr Reichsminister und Chef der Reichskanzlei zugunsten von Weidemann eingreifen werde." 2 7 Außerdem wußte Böhmcker ja, daß die Finanzabteilung aus Sympathisanten der Bekennenden Kirche und aus Gegnern Weidemanns bestand, und es wäre deswegen schwierig für ihn gewesen, die Unterstützung dieser Männer vor den nationalsozialistischen Behörden zu rechtfertigen. Der Vorsitzende der Finanzabteilung, Edzard, und der Finanzbevollmächtigte des Doms, Schütte, waren schon in Weidemanns Prozeß gegen den Vorsitzenden des Pfarrerbundes, Klingler, gegen Weidemann aufgetreten. Mit der unbegründeten Behauptung, daß in diesem Prozeß Landesbischof Meiser „im Hintergrund" für die Bekennende Kirche gewirkt habe, wollte Weidemann nun den Eindruck vermitteln, daß es sich in den kirchlichen Auseinandersetzungen wegen der Finanzabteilung um einen verspäteten Kirchenkampf zwischen Bekennender Kirche und Deutschen Christen handelte 28 . In einer „Erklärung der von Landesbischof Weidemann geführten Deutschen Christen" vom 5. November 1941 wurde der Bremer Bekenntnisfront „Verbrüderung" mit den Juden vorgeworfen. Mit antisemitischen Verdächtigungen versuchten sie zu erreichen, „daß die furchtbare Gefahr, die Bekenntnisfront könnte über die Finanzabteilung zu einem Einfluß gelangen, sogleich ausgeschaltet" werde 29 . Bei Angelegenheiten der Rassenpolitik mußten die höheren nationalsozialistischen Stellen hellhörig werden. Auch die politische Vergangendersetzung berief sich Weidemann auf staatliche Organe: „Der Regierende Bürgermeister, die geheime Staatspolizei und der Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS sind orientiert." Hermann Apelt, geb. 10. 7. 1876 in Weimar, gest. 11. 11. 1960 in Bremen, 1945-1955 Senator in Bremen. "

V e r m e r k v o m 20. 10. 1941 ( B A KOBLENZ, R 43 11/165).

Schreiben Weidemanns an Lammers vom 6. 11. 1941 (ebd.). Franz Schütte, Kaufmann, 1933-1941 Bauherr der St. Petri-Dom-Gemeinde, 1941 Finanzbevollmächtigter des St.-Petri-Doms. 2» Vgl. Anm. 28. 28

250

Weidemann und Muhs gegen Kerrl

heit des von den Nationalsozialisten 1933 abgesetzten Senators Apelt, der zum Mitglied der Finanzabteilung ernannt worden war, mußte ihr Mißtrauen erwecken30. In einem Schreiben an Lammers vom 6. November 1941, das in der Anlage die oben erwähnte Erklärung enthielt, bat Weidemann den Reichsminister, seine Prozeß-Angelegenheiten im Justizministerium zu fördern 31 . In einer verheerenden Weise würden die religiösen Intentionen der Kommenden Kirche mit den Gerichtsprozessen und Machtkämpfen Weidemanns vermischt: „Sie würden auch jetzt dem Kampf um die Erneuerung des religiösen Lebens einen großen Dienst tun", schmeichelt Weidemann dem Reichsminister, „wenn Sie auf eine beschleunigte Prüfung im Justizministerium Einfluß nehmen würden." 32 Lammers scheint in dieser Sache tatsächlich Kontakt mit dem Justizministerium aufgenommen zu haben 33 . Bald darauf forderte Weidemann mit seiner kleinen Anhängerschar Lammers erneut auf, in die bremischen Auseinandersetzungen einzugreifen und den Dom für ihn wieder frei zu machen. Der Dom war wegen der Gottesdienststörungen am 12. und 19. Oktober 1941 nach Kerrls Verordnung durch die Gestapo geschlossen worden. Angeblich waren hier die „reaktionären, der Bekenntnisfront hörigen Kräfte" an der Arbeit, die „die Macht an sich reißen und unseren deutsch-christlichen Landesbischof stürzen" wollten 34 . Die Schuld an dieser Entwicklung wagten die deutsch-christlichen Anhänger Weidemanns nicht dem Reichskirchenminister zuzuschreiben, sondern sie stellten nur fest: „Der Kirchenminister durchschaut diese Männer [der Bekennenden Kirche] nicht und stützt sie." Sie forderten „sofortiges Eingreifen" 35 . Weidemann selbst ging noch einen Schritt weiter: er trat offen gegen den Reichskirchenminister auf, der Hitler immerhin einmal recht nahegestanden hatte. In einem Telegramm an den Chef der Reichskanzlei bat er Lammers, „den Führer zum Eingreifen zu bewegen, da der Kirchenminister die Bekenntnisfront stütze, illegale Verfahren decke und ihn zu einem nationalsozialistischen Niemöller mache" 36 . Zwar wollte Hitler sich nicht mit Weidemanns Angelegenheiten befassen, wie Lammers später dem Landesbischof mit30

F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 8, 12; K . STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 97. 31 82 Vgl. Anm. 28. Ebd. 33 Schreiben des Reichsjustizministers an Lammers vom 14. 4. 1942 (BA KOBLENZ, R 43 11/165). 34 Schreiben der Deutschen Christen Burichter, Moennich, Stueker, Roeding an Lammers vom 1 9 . 1 1 . 1941 (BA KOBLENZ, R 43 11/165). 35 Ebd. 36 Vermerk der Reichskanzlei über den Brief Weidemanns an Lammers v o m 24. 11. 1941 (ebd.).

Finanzabteilung in Bremen

251

teilte, jedoch konnten die Vorwürfe Weidemanns nicht ohne Wirkung bleiben37. Sie waren geeignet, die ohnehin schwache Position Kerrls innerhalb der Partei weiter zu untergraben. Besonders belastend war der indirekte Vorwurf, daß die von Kerrl selbst mittels der Finanzabteilung unterstützten bekenntniskirchlichen Kreise Juden schützten. So war die in der Geschichte des Kirchenkampfes einmalige Situation entstanden, daß sich der schwache Kirchenminister, um das deutsch-christliche Kirchenregiment kontrollieren zu können, auf die Hilfe einer Finanzabteilung stützen mußte, die mit der Bekennenden Kirche sympathisierte. Dadurch mußte er sich den nationalsozialistischen Stellen geradezu verdächtig machen. In diese Sackgasse wäre Kerrl ohne die Zusammenarbeit von Muhs und Weidemann nicht geraten. Die Entscheidung im Kampf gegen die von Kerrl eingesetzte Finanzabteilung hing vom Zusammenspiel dieser beiden Männer ab. Einen Tag nach der Nachricht Lammers' an Weidemann, daß Hitler sich nicht mit den Angelegenheiten des Bremer Landesbischofs befassen werde, bat dieser mit Brief vom 28. November 1941 Lammers, ihn persönlich anzuhören 38 . Zunächst schien die Stellungnahme des Reichsministers der Justiz in einem Schreiben an Lammers vom 10. Dezember 1941 alle Bemühungen gegen die Finanzabteilung in Bremen zunichte zu machen 39 . Weidemann sei dringend verdächtig, u. a. wegen Täuschung des Schatzmeisters der Bremischen Evangelischen Kirche, durch Erhöhung seiner bisherigen Gehaltsbezüge auf nahezu das Doppelte und die Auszahlung des rückwirkend für das Jahr sich ergebenden Mehrbetrages. Weidemanns Widerstand gegen die Finanzabteilung, seine Versuche, trotz Amtsenthebung weiter zu bleiben und die verfassungsmäßigen Pastoren zu bekämpfen, samt seiner verschiedenen Straftaten ließen den Justizminister zu dem Entschluß kommen, daß durch den „Verdacht der erwähnten Verfehlungen, die rein krimineller Art und ohne kirchenpolitischen Hintergrund sind, . . . auch gegen die Glaubwürdigkeit Dr. Weidemanns . . . sich Bedenken ergeben" 40 . Diese Stellungnahme des Justizministers 37

Schreiben vom 27. 11. 1941 (ebd.). Auf Seiten der „Rigoristen" der Partei stieß Kerrl auf zunehmende Ablehnung. Ende 1939 wurde die Publikation seines Buches „Weltanschauung und Religion - Nationalsozialismus und Christentum" durch H e ß , Bormann und Rosenberg verhindert. A m Ende seines Lebens galt Kerrl sogar als „beunruhigend" (L. WENSCHKEWITZ, Geschichte des Reichskirchenministeriums, S. 204 f.). 38

BA KOBLENZ, R 43 11/165. Ebd. Justizminister nach dem Tode Gürtners am 29. 1. 1941 war als geschäftsführender Justizminister Schlegelberger. Ihm folgte am 20. 8. 1942 der bisherige Volksgerichtshof-Präsident Thierack (vgl. M. BROSZAT, Staat, S. 421). 40 BA KOBLENZ, R 43 11/165. 39

252

Weidemann und Muhs gegen Kerrl

hätte für viele schon den Sturz bedeutet, für Weidemann zunächst aber nicht. Mit dem Hinweis auf einen Bericht des Reichssicherheitshauptamtes stellte Muhs fest, daß die Finanzabteilung Kerrls in Bremen für ihre Aufgabe „in ihrer jetzigen Zusammenstellung" nicht geeignet sei, und legte ihr den Rücktritt nahe. In dem Antwortbrief vom 20. Dezember 1941 wehrte sich die Finanzabteilung und stellte fest, daß eine Neubesetzung „vor aller Öffentlichkeit" zeigen würde, daß die, „die im Auftrag und streng nach den Weisungen des Herrn Reichskirchenministers gehandelt haben, . . . ins Unrecht gesetzt werden, der aber, der sich offen gegen den Minister aufgelehnt hat, Recht behalten" 4 1 würde. Dies eben wollten Muhs und Weidemann. Am 14. Dezember 1941 starb Reichskirchenminister Kerrl plötzlich während einer Reise in Paris 42 . Der Tod des herzkranken Ministers veränderte die Situation im Reichskirchenministerium, aber auch die Lage der Finanzabteilung Kerrls in Bremen. Drei Tage nach dem Staatsbegräbnis berief Muhs die von Kerrl gebildete Finanzabteilung in Bremen ab und beauftragte seinen und Weidemanns engen Freund, Georg Cölle, eine neue Finanzabteilung in Bremen zu bilden 43 . Der Kampf gegen die Finanzabteilung Kerrls war zugunsten Weidemanns entschieden. Muhs ging in seiner Unterstützung Weidemanns sogar weiter. Noch konnte nämlich der Landesbischof in Bremen wegen seiner Suspendierung nicht frei handeln. Schon im Zusammenhang mit dem Disziplinarbeschluß der Deutschen Evangelischen Kirche hatte Cölle Weidemann bei der Abwehr dieser Maßnahmen unterstützt. In der veränderten Machtkonstellation in der Kirchenleitung wurde der für Weidemanns Suspendierung verantwortliche Beamte, der Stellvertretende Leiter der Kirchenkanzlei, Fürle, nun unter Druck gesetzt, um die Suspendierung rückgängig zu machen 44 . Das Kirchenministerium unter Muhs erklärte offen, daß es die Anwendbarkeit der Disziplinarordnung auf Kirchenführer nicht als gegeben ansehe. Trotz dieser Unterstützung durch Cölle und Muhs konnte Weidemann sein Ziel K . STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 104 f. H . BRUNOTTE, Kurs, S. 135. L. WENSCHKEWITZ schließt nicht aus, daß Kerrl eventuell „beseitigt" wurde (Geschichte des Reichskirchenministeriums, S. 205). 4 3 An die Stelle der von Dr. Muhs am 23. 12. 1941 abberufenen trat eine neue, von Dr. Cölle geleitete Finanzabteilung. Am 15. 9. 1943 wurden der Rechtsanwalt D r . Alfes zum Vertreter des Vorsitzenden und der Rechtsanwalt Dr. Ellinghausen zum Mitglied der Finanzabteilung bestellt (H. BRUNOTTE, Entwicklung, S. 44 f.; F. PETERS, Zwölf Jahre Bremen, S. 221). 4 4 H . BRUNOTTE, Kurs, S. 135; K . STOEVESANDT sieht nicht, daß Weidemann mit Hilfe von Muhs schon einige Jahre lang gegen Kerrl gekämpft hatte. Daraus folgt, daß die Neubenennung der Finanzabteilung nicht zutreffend beschrieben wird (Bekennende Gemeinde, S. 97 f.). Die ebd. S. 103 stehende Anmerkung ist anscheinend später hinzugefügt und der Text nicht nach dieser Anmerkung korrigiert worden. 41

42

Finanzabteilung in Bremen

253

nicht erreichen: Fürle hielt seine Maßnahme bis zuletzt aufrecht 45 . Gegen die höchste staatliche Kirchenbehörde hatte Weidemann wegen der Rivalität innerhalb des Kirchenministeriums erfolgreich zu streiten vermocht, an der höchsten kirchlichen Behörde prallten seine Angriffe ab. Möglich ist, daß die in dieser Frage entstandenen Kontroversen den Bruch der Beziehungen zwischen Muhs und Fürle beschleunigten. Am 21. August 1942 wurde Cölle zunächst vertretungsweise anstelle Fürles zum Stellvertretenden Vorsitzenden in der Finanzabteilung der Deutschen Evangelischen Kirchenkanzlei ernannt. Im Spätsommer 1942 lag das gesamte Finanzwesen der Deutschen Evangelischen Kirche in den Händen des früheren persönlichen Rechtsberaters Weidemanns, des Rechtsanwaltes Cölle. Im Reichskirchenministerium herrschte nun Muhs46.

4S 4

H. BRUNOTTE, Kurs, S. 135. · H . BRUNOTTE, Entwicklung, S. 45.

Kapitel 10

DAS E N D E D E R K O M M E N D E N

KIRCHE

1. Die Ablehnung des Führungsanspruches der Thüringer Deutschen Christen und die kirchenpolitischen Fronten im Zusammenhang mit der Godesberger Erklärung Zu den bedeutendsten kirchenpolitischen Erfolgen der Thüringer Deutschen Christen zählte die „Godesberger Erklärung", die auf Grund der in Godesberg vom 24. bis 26. März 1939 geführten Besprechungen zwischen den Deutschen Christen und der kirchenpolitischen Mitte entstanden war 1 . Die in sechs Punkten zusammengefaßte Erklärung hatte zum Ziel, durch „eine lose kameradschaftliche Zusammenarbeit" zu „einer positiv-christlichen Entscheidung" im Kirchenstreit zu kommen. Dies bedeutete, daß hier der Akzent entgegen den früheren Organisationsbemühungen Lefflers auf die theologischkirchliche Aufbauarbeit gelegt wurde 2 . Im 4. Punkt wurde erklärt, daß der „Kampf . . . innerlich ausgetragen" werden müsse. Daß in dieser Erklärung die Möglichkeit einer Verschmelzung aller drei Hauptgruppen der Deutschen Christen, der „Nationalkirchlichen Einung", der „Kommenden Kirche" und der „Luther-Deutschen", gegeben war, ergibt sich aus Petersmanns Interpretation. Er meinte, daß die Thüringer Deutschen Christen, die „mit Gegnerschaft geladene Isolation" zugunsten einer „neuen ,volkskirchlichen' Einstellung" aufgegeben hätten, die von den Luther-Deutschen „längst als die prinzipiell richtige . . . ,Bahn'" erkannt worden sei 3 . Ob Petersmann wirklich an eine Wende in den kirchenpolitischen Vorstellungen der Thüringer Deutschen Christen glaubte, oder ob er nur der Taktik der Thüringer mit gleichen Mitteln begegnete, bleibt unsicher. Offen erklärte er jedoch: „Wir begrüßen die Godesberger Erklärung als weiteren Fortschritt unseres Sofortprogramms' eines umfassenden volkskirchlichen Zusammenschlusses und sind ihr mit reformatorischem Verständnis beigetreten." 4 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 267 ff. K J 1933-44, S. 293 ff.; K. MEIER, Deutsche Christen, S. 267; H. BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 553. 1

2

3

POSITIVES CHRISTENTUM N r . 1 6 v o m 1 6 . 4 . 1 9 3 9 .

4

K. MEIER, Deutsche Christen, S. 271.

Die kirchenpolitischen Fronten

255

Das gemeinsame „volkskirchliche" Anliegen der Deutschen Christen kam besonders in Punkt 2 und 3 zum Ausdruck. Der Kirchenkampf wurde als „religionspolitisches Ringen" verstanden, das zwar unwürdige Formen angenommen hätte, aber im Grund als „Zeichen neuwachsenden religiösen Lebens" positiv zu verstehen sei. Der Ausdruck „religionspolitisches Ringen" wurde offensichtlich einerseits gebraucht, um den verpönten Begriff „Kirchenpolitik" zu vermeiden, andererseits war damit aber ein umfassendes Phänomen - wie Kurt Meier meint - mindestens angedeutet5. Den gleichen Ausdruck hatte auch Karl Friedrich Boll in den in der „Kommenden Kirche" erschienenen programmatischen Artikeln „Gedanken zur Religionspolitik" gebraucht, als er 1936 die Ziele der Kommenden Kirche beschrieben hatte®. Die allen Deutschen Christen gemeinsamen Intentionen waren: das Verhältnis von „Politik und Religion, . . . nationalsozialistischer Weltanschauung und christlichem Glauben" einerseits, zwischen „Judentum und Christentum" andererseits zu erklären. Ferner mußte die Ökumene scharf verurteilt werden, da man „echten christlichen Glauben . . . nur innerhalb der gegebenen Schöpfungsordnungen" sehen wollte. „Jedes überstaatliche und internationale Kirchentum römisch-katholischer oder weltprotestantischer Prägung ist politische Entartung des Christentums", hieß es in der Erklärung7. 5

Ebd., S. 269. • Nr. 4 vom 18. 10. 1936; Nr. 5 vom 25. 10. 1936. 7 K J 1933-44, S. 286. Wenn Petersmann diese Aufgabenstellung als „volkskirchlich" bezeichnet, kommt der deutsch-christliche Akzent des Ausdrucks zum Vorschein. Volkskirche wurde als eine Art Alternative zur internationalen Weltkirche verstanden, die ihre Prägung von der kirchlichen Gemeindepraxis und nicht von der Gesetzgebung erhält. Mit dem Begriff „Nationalkirche" war unweigerlich der kirchenpolitische und politische Einsatz verbunden. Die Forderung der Erklärung, den „Kampf innerlich auszutragen", und die in ihr zugesagte Ablehnung kirchenpolitischer Betätigung wiesen dagegen auf das Streben auf innerkirchlichem Gebiet, was dem von Petersmann geleiteten „Aufbau im positiven Christentum" zu entsprechen schien. Andererseits äußerte Petersmann die Befürchtung, daß der „Thüringer Absolutheits-Anspruch" sich mit Hilfe der Godesberger Erklärung durchsetzen werde (POSITIVES C H R I S T E N T U M Nr. 16 vom 16. 4. 1939; K. M E I E R , Deutsche Christen, S. 283). Hans Schomerus, geb. 20. 3. 1902 in Villupuram/Ostindien, 1926 P f r . in Hildesheim, 1927 in Alfeld/Leine, 1928 in Wahrenholz/Hannover, 1936 Domprediger in Braunschweig, 1936 Studiendirektor in Wittenberg, 1945 Pfr. in Reinbek, 1948 Schriftleiter bei „Christ und Welt" in Stuttgart, 1951 Studienleiter der Ev. Akademie Herrenalb. Theodor Ellwein, geb. 18. 8. 1897 in Madras/Indien, gest. 22. 2. 1962 in München, 1924 Studienrat in Hof, 1930 in Augsburg, 1934 Prof. an der Hochschule für Lehrerbildung in Weilburg, 1936 OKR in der Kirchenkanzlei der DEK in Berlin, 1939-1945 Wehrdienst, bis Ende 1949 in russischer Kriegsgefangenschaft, 1951

256

Ende der Kommenden Kirche

Aus dieser „volkskirchlichen" Aufgabenstellung erklärt sich auch die kirchenpolitische Wirkung von Godesberg. Im Jahre 1936 hatte sich die Reichsbewegung Deutsche Christen durch ihre theologische Erklärung von den Thüringer Deutschen Christen distanzieren wollen. Jetzt war der Leiter ihrer Nachfolgeorganisation „Luther-Deutsche", Petersmann, sogar bereit, sich in die Nationalkirchliche Einung einzugliedern, was jedoch an dem Widerstand der Gauobmänner scheiterte. Die Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche, die drei Jahre zuvor die Thüringer Deutschen Christen wegen „Irrlehre" verurteilt hatte, unterstützte diese nun durch die Unterschrift Werners unter die im Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche veröffentlichte Erklärung vom 4. April 1939. Die Volkskirchliche Arbeitgemeinschaft und der Wittenberger Bund, in denen die aktiven Kräfte der Mitte tätig waren, hatten sich schon früher von den Thüringer Deutschen Christen wegen ihrer Auffassung über die Beziehung zwischen Staat und Kirche distanziert. Nun gehörten die beiden Leiter dieser Gruppen, Theodor Ellwein und Hans Schomerus, zu den Unterzeichnern des Textes. Wenn man bedenkt, daß sich die Godesberger Erklärung in ihrem „religionspolitischen Ringen" ähnlich wie die Kommende Kirche um eine Sammlung kirchlicher Kräfte bemühte und daß Weidemann seit Jahren kirchenpolitisch mit den Thüringer Deutschen Christen im Bund für Deutsches Christentum gearbeitet hatte, verdient es besondere Aufmerksamkeit, daß er weder die Godesberger Erklärung noch die darauf folgende Bekanntmachung unterzeichnet hat 8 . Im Grunde waren die Ziele Lefflers und Weidemanns nicht sehr verschieden. Beide wollten eine nationalsozialistische Einheitskirche. Als Kirchenpolitiker waren sie aber unversöhnliche Rivalen. Die Kluft zwischen ihnen wurde dadurch vergrößert, daß Kerrl die Thüringer Nationalkirchler als mächtigste deutsch-christliche Bewegung für seine staatskirchlich-pronationalsozialistischen Unionspläne brauchte. Leffler profitierte davon und benutzte seinerseits das Interesse des Kirchenministers an seiner Bewegung, um neue kirchenpolitische Partner zu gewinnen9. Die verschiedenen Querverbindungen kamen u. a. dadurch zutage, daß Kerrl die Godesberger Erklärung in der Tagespresse als Antwort auf die letzte kritische OberReligionslehrer in München, 1954-1961 Mitarbeiter an der Ev. Akademie Bad Boll. 8 K J 1933-44, S. 284 ff. 9 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 308. Nach einer Akte der VKL rühmten sich die Thüringer DC ihrer „engen Beziehungen zum Reichskirchenministerium" (KKA, 333/13).

Die kirchenpolitischen Fronten

257

hausrede des Erzbischofs von Canterbury zu veröffentlichen beabsichtigte und sich deswegen mit Goebbels in Verbindung gesetzt hatte. Nach Meinung des Reichssicherheitshauptamtes war die Erklärung verwirrend für die breite Masse des Kirchenvolkes, und es sprach sich deshalb gegen die geplante Veröffentlichung aus 10 . Wie später im Falle der Finanzabteilung in Bremen war das Reichssicherheitshauptamt gegen die Pläne Kerrls 11 . Der erste Grund für Weidemanns Nein war, daß er im Jahre 1939 die kirchenpolitische Front Kerrl-Leffler ablehnte. Der zweite Grund für seine Distanzierung lag darin, daß die Bemühungen Lefflers seine eigenen Interessen zu stören schienen. Die in Godesberg angekündigte Gründung des „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben" in Eisenach mußte Weidemann geradezu als ein rivalisierendes Unternehmen zu seiner Bibelschule erscheinen. In dem Eisenacher Institut, das bald zur Zentrale nationalkirchlicher Theologie wurde, betätigte sich der frühere Schriftleiter der „Kommenden Kirche", Pastor Heinz Dungs, als Leiter des Werbeausschusses. Dies allein hätte schon genügt, Weidemanns Abneigung hervorzurufen 12 . Leiter des Instituts waren Siegfried Leffler und sein Stellvertreter Walter Grundmann 13 . Ähnlich wie die Bibelschule setzte es sich zum Ziel, durch Publikation themenbezogener Arbeiten die Eindeutschung oder „Entjudung" des kirchlichen Lebens zu fördern: 1. „Volkstestament", 2. „Volksgesangbuch", 3. „Lebensgeleitbuch", 4. „Christlicher Katechismus", 5. „Religionslehrbuch"14. Wie schon gezeigt, gab es Differenzen zwischen den Thüringer und den Bremer Deutschen Christen in der Auffassung, wie diese Aufgaben gelöst werden sollten. Weidemann hatte ständig sein Desinteresse an Organisationsfragen erklärt und betont, er werbe nur für seine Ideen. Die zunehmende Expansion der Thüringer Deutschen Christen mußte aber seinen Zorn erwecken, denn dadurch verlor er eine Reihe von Mitarbeitern an sie. So waren Gerhard Hahn, Robert Stuewer und Heinz Dungs ebenso wie einige rheinische Deutsche Christen nach Eisenach gegangen. Ein Ergebnis der Godesberger Erklärung war, daß die innerkirchliche „Forschungs"-Arbeit sich mehr an „volkskirchlichen" Prinzipien orientierte und die ideenpolitische Beeinflußung zur Hauptaufgabe 1 0 K . MEIER, Deutsche Christen, S . 3 6 0 , Anm. 1013 f. Als es K e r r l nicht gelungen war, die übrigen Kirchenführer zur Annahme der Sätze zu bewegen, ließ er a m 2 6 . 5. 1 9 3 9 der Landeskirchenführerkonferenz eine veränderte Fassung zuleiten (ebd., S. 2 7 4 ) . 1 1 Vgl. oben S. 2 5 2 . 1 2 K J 1 9 3 3 - 4 4 , S. 2 9 7 . 1 S Ebd., S. 2 9 4 , 2 9 6 f . ; K . MEIER, Deutsche Christen, S. 2 7 2 f. " L K A BREMEN, Β 2 0 5 .

17 Heinonen, Anpassung

258

Ende der Kommenden Kirche

wurde. Weidemann mußte einsehen, daß die Thüringer Deutschen Christen auch auf diesem Gebiet seine Gruppe ausschalten würden falls er, wie in den Fragen der Organisation, hier auf den Wettbewerb verzichtete.

2. Wachsender Widerstand gegen

Weidemann

Die Bremischen Deutschen Christen hielten ihrem Führer bis zum Herbst 1941 die Treue. Als Weidemann aber öffentlich gegen Kirchenminister Kerrl zu handeln begann, waren sie gezwungen, sich zwischen der landeskirchlichen und der staatlichen Autorität zu entscheiden. Am selben Tag, dem 13. Oktober 1941, als die Vertreter der von Kerrl berufenen Finanzabteilung vergebens versucht hatten, die Kirchenkanzlei zu besetzen, erklärte Weidemann im Gesetz- und Verordnungsblatt der Bremischen Evangelischen Kirche, daß das gegen ihn angestrengte Disziplinarverfahren nach § 20 der Kirchenbeamtenverordnung vom 13. April 1939 unzulässig und damit die Dienstenthebung hinfällig sei. „Der Präsident und Landesbischof amtiert weiter." 15 Damit versuchte er mithilfe seiner grenzenlosen Machtbefugnisse in der Bremischen Evangelischen Kirche die Führung gegen den Kirchenminister zu behalten. Um die Absicherung seiner unumschränkten Vollmachten bemüht, hatte sich Weidemann in dieser Zeit selbst zum Bauherrn des Domes ernannt. Hier aber versagte ihm die Pastorenschaft erstmalig ihre Unterstützung, sie wollte keine Anordnungen von Weidemann mehr annehmen16. Die aus Vertretern verschiedener theologischer und kirchenpolitischer Richtungen bestehende „Arbeitsgemeinschaft der Bremer Pastoren" wandte sich gegen Weidemanns Versuch, die Vorgänge als „Kirchenkampf" 17 darzustellen und stellte fest, daß die Zustände in der Bremischen Evangelischen Kirche „mit dem ,Kirchenstreit' nichts zu tun" hätten, „sondern allein durch Herrn Lie. Dr. Weidemann verursacht" seien18. Als Unterstützung dieses Protests wurde das Ergebnis einer Abstimmung der Bremer Pastoren beigefügt. Von den Pastoren, die sich nicht im Militärdienst befanden, forderten 40 WeiK. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 97. Ebd. 1 7 Wegen seiner Kontroverse mit Kerrl meinte Weidemann noch nach dem Krieg, berechtigt zu sein, sich selbst als Widerstandskämpfer darzustellen. „Unter Einsatz meiner Person begann ich Widerstand zu leisten, als mir im Oktober 1941 durch den Staat eine Finanzabteilung aufgezwungen werden sollte" (H. Weidemann, Werdegang, S. 2 ; AKTEN WILKEN). 15

"

1 8 Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Bremer Pastoren an die Finanzabteilung bei der B E K vom 29. 10. 1941 (ARCHIV DER ST. REMBERTI-GEMEINDE BREMEN).

Widerstand gegen Weidemann

259

demann auf, bis zum Abschluß des Disziplinarverfahrens von seinen Ämtern zurückzutreten 19 . Diese von der überwiegenden Mehrheit unterschriebene Stellungnahme enthielt keine direkte Aussage zu den Vorgängen in der Bremer Evangelischen Kirche. Die Pastoren hatten nur „als Forderung ihrer Standesehre an Herrn Lie. Dr. Weidemann" die Aufforderung gerichtet, von seinen Ämtern „mindestens so lange zurückzutreten, bis das Disziplinarverfahren seine Schuldlosigkeit restlos festgesetzt habe" 20 . Als diese nüchterne und sachliche Forderung von Weidemann nicht akzeptiert wurde, sagten sich diese 40 Pastoren vom Landesbischof los. Nur fünf Pastoren, also 10,2 % blieben ihm gehorsam. Vier Pastoren, also 8,2 % enthielten sich, meist aus persönlichen Gründen, der Stellungnahme 21 . Seine früheren Mitarbeiter, Pastor Karl Refer und Pastor Walter Dietsch, die seit der Dienstenthebung zu seinen schärfsten Gegnern geworden waren, versuchte Weidemann nun als Leiter der Bremer Deutschen Christen zum Gehorsam zu zwingen. In einem im Oktober 1941 geschriebenen Brief wurden die Pastoren Refer, Schomburg, Paul Meyer und Dietsch sowie der Leiter der DC-Gemeindegruppe Dom-Ost J. H . Rippe samt den kirchlichen Angestellten Hahn, M. Meyer, Kunstmann, Herholtz und Koopmann aus der deutsch-christlichen Bewegung ausgeschlossen22. Die Begründung dafür war, daß sie im „Kirchenkampf den Herren der Finanzabteilung, aber nicht dem Führer der Deutschen Christen Gefolgschaft" geleistet hätten, und daß sie „die finanzielle Seite der Kirche höher stellen als die deutsch-christliche Sache"23. Die Betroffenen erwiderten, daß die Anerkennung der unmittelbar der Dienstaufsicht des Reichskirchenministers unterstellten Finanzabteilung „eine selbstverständliche Pflicht nationalsozialistischer Disziplin" sei. In bezug auf ihre Zugehörigkeit zu den Deutschen Christen erklärten sie: „Wenn uns Herr Lie. Dr. Weidemann auch aus den von ihm geführten Deutschen Christen ausgeschlossen hat, so sind und bleiben wir dennoch Deutsche Christen." 24 Ihre Treue zur Mission der Deutschen Christen stand außer Frage. Ab 1941 blieb also um Weidemann nur eine kleine Gruppe seiner früheren Anhänger - darunter fünf Pastoren. Betrachtet man nur 19 Ebd. Den Rücktritt Weidemanns bis zum Abschluß des Disziplinarverfahrens forderten 40 Pastoren, d. h. 81,6 % der Pastorenschaft. 20 Ebd. 21 Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Bremer Pastoren, unterzeichnet von Rahm und Lange, an die Finanzabteilung bei der BEK vom 3. 11. 1941 (ebd.). 22 Schreiben vom 10. 11. 1941 an die „Deutschen Christen" (ebd.). Paul Meyer, geb. 3. 12. 1891 in Gehlenbeck/Westfalen, 1933 ord., 1934-1960 Pastor in Rablinghausen. 2 24 » Vgl. Anm. 22. Ebd.

17*

260

Ende der Kommenden Kirche

die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen in den letzten vier Jahren des Dritten Reiches, so muß man die Gruppe der Deutschen Christen und ihrer Sympathisanten als sehr klein ansehen. Auch für den einzelnen Gemeindepastor war es damals nicht immer leicht, die Zahl der Anhänger der Kommenden Kirche, besonders auch außerhalb Bremens, richtig einzuschätzen. Nach dem Krieg entstand mangels offizieller Zahlen der Eindruck, als hätte die Bewegung der Deutschen Christen nur aus Weidemann bestanden. „1938 war Dr. Weidemann die DC-Bewegung, ebenso wie er die .Kommende Kirche* war. Wäre er plötzlich abgetreten, so hätte sich niemand gefunden, der seine Nachfolge als ,Initiator' einer Kommenden Kirche in Bremen angetreten hätte." 25 Die Auseinandersetzung Weidemanns mit seinen engsten Mitarbeitern im Jahre 1941 über die Mitgliedschaft in der deutsch-christlichen Bewegung zeigt aber, daß die oben zitierte Beurteilung auf mangelnder Kenntnis der Bewegung beruhte. Das Schreiben der ausgeschlossenen Deutschen Christen vom 10. November 1941 beweist u. a., daß es unter den Deutschen Christen in Bremen nicht an selbständiger Initiative fehlte. Dem scheint auch der in der Besprechung zwischen Weidemann und dem am 22. Februar 1943 zum Kirchenpräsidenten der Bremischen Evangelischen Kirche ernannten Oberkonsistorialrat Schultz erhobene Vorwurf des Landesbischofs zu entsprechen, einer der von ihm als illegal beschuldigten Pastoren betreibe in Berlin, selbst Landesbischof zu werden. Schultz behauptete, damit sei der frühere deutsch-christliche Kreisleiter und Stellvertreter Weidemanns, der inzwischen vom Landesbischof zum Oberkirchenrat ernannte Pastor Refer, gemeint26. Auch bei oberflächlicher Betrachtung von Weidemanns Aussage kann man davon ausgehen, daß sein Abtreten nicht auch den Untergang der Deutschen Christen bedeutet hätte. Der Kampf wurde in diesen letzten Jahren eben zwischen Weidemann und seinen früheren engsten Mitarbeitern Dietsch, Refer und Rahm geführt, ohne daß diese sich deshalb von dem Gedankengut der Deutschen Christen getrennt hätten. Sie repräsentierten eher die Ideen der Kommenden Kirche, wohingegen Weidemann sich in seiner Radikalität der allgemeinreligiösen Sphäre ohne christliche Prägung näherte. Die Einstellung der Pastorenschaft zur deutsch-christlichen Kirchenregierung Weidemanns hatte sich in den Jahren 1938—41 vom passiven Gehorsam zum aktiven Widerstand gewandelt 27 . 25

Information R. Collmar vom 24. 2. 1970. " Aktenvermerk über die telefonische Besprechung mit Weidemann am 11. 6. 1943 (STA BREMEN, 3-K. a. Nr. 570; auch in LKA BREMEN, Personalakten Weidemann). 27 Am 20. 4. 1938 hatte Weidemann den „Treueid der Geistlichen und der Kir-

Die „Deutsche Volkskirche"

3. Die „Deutsche Volksküche": Notlösung

Der Kirchengründungsversuch

261

als

Trotz der Einsetzung der Finanzabteilung durch den Reichskirchenminister Kerrl, trotz der Suspendierung durch die Deutsche Evangelische Kirche und trotz der Ablehnung durch die bremische Pastorenschaft versuchte Weidemann, die Macht wiederzuerlangen. Wie erwähnt, erklärte er am 13. Oktober 1941 eigenmächtig, daß seine Suspendierung aufgehoben sei und er weiter amtieren werde 28 . Das führte zu Gottesdienststörungen am 12. und 19. Oktober, am 9., 23. und 24. November 1941, wobei Domprediger Rahm, Pastor Refer und Dietsch sich getreu den Verordnungen der Deutschen Evangelischen Kirche Weidemann widersetzten 29 . Weil die Ereignisse von Stoevesandt schon beschrieben worden sind, soll hier nur der Stil der Auseinandersetzungen kurz skizziert werden, denn es fehlte bei diesen Kirchenbesetzungen nicht an tragikomischen Zügen. Als der Dom am 12. Oktober 1941 von einem der von Weidemann abgesetzten Gemeindeführer und Bauherrn geschlossen worden war, ließ der Bischof eine Seitentür durch einen Schlosser öffnen. In der Kirche wartete eine neue Überraschung: Die Tür zur Kanzeltreppe war geschlossen. Nun konnte die Gemeinde sehen, wie der Landesbischof „wie ein Wildgewordener" außen an der Kanzeltreppe hinaufkletterte. Die Predigt wurde dann mithilfe des Gleichnisses vom Pharisäer und Zöllner zu einer Kampfrede gegen die Bekenntnisfront und die Neutralen, die er mit politischem Vokabular als „Reaktionäre" beschuldigte30. Der in mehr oder weniger gewaltsamen Formen weitergeführte Kampf um den Dom setzte sich am nächsten Sonntag fort. chenbeamten der BEK" nach dem Text von Dr. Werner verordnet. Dieser mehr aus der Initiative der kirchlichen Behörden als aus der des Staates entstandenen Forderung wurde von der überwiegenden Mehrheit der Pastorenschaft der BEK entsprochen. Bekanntlich verweigerten nur die Pastoren der Bekennenden Kirche Denkhaus und Greiffenhagen die Eidesleistung (K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 80). Diese Verbeugung vor dem nationalsozialistischen Staat geschah allerdings unter äußerstem Druck. Wieweit nun die Eidesleistung aus innerer Überzeugung oder aus Furcht vor der Suspendierung geschah, ist schwierig zu beurteilen. - Mit theologischen Gründen lehnte Pastor Greiffenhagen den Treueid ab: „Mein Ordinationsgelübde verbietet mir, die .Bremische Evangelische Kirchenregierung', die ich von Schrift und Bekenntnis her für kirchlich unrechtmäßig halten muß, durch die Ablegung eines Eides vor ihr anzuerkennen." Greiffenhagen war aber in dieser Situation bereit, Reichsstatthalter Rover als seine „Obrigkeit" anzuerkennen (Schreiben an Rover vom 16. 5 , 1 9 3 8 ; LKA HANNOVER, Ε III/331). 88 GVM Nr. 3 vom 13. 10. 1941. 29 K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 98-102. so Ebd., S. 98 f.

Ende der Kommenden Kirche

262

Ohne Absicherung hätte Weidemann dies alles kaum gewagt 31 . Noch Anfang des Jahres 1941 hatte er mit seinem persönlichen Rechtsberater, dem Leiter der Finanzabteilung in Hannover, Cölle, einen die kirchliche Umgliederung in Wesermünde betreffenden Vertrag beschlossen. Danach wurde die vereinigte protestantische Gemeinde der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche in WesermündeMitte ab 1. April 1941 in die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers eingegliedert 32 . Im Hinblick auf die weiteren Pläne Weidemanns war an der Vereinbarung interessant, daß die „kultischen Belange" durch den Vertrag „nicht berührt" werden, sondern einer späteren Entscheidung vorbehalten bleiben sollten 33 . Cölle soll Weidemann damals noch für einen „Propheten" gehalten haben und war anscheinend in die Strategie der Kirchenreform eingeweiht worden. Demnach war die „kultische Entscheidung" spätestens nach „Friedensschluß" durchzuführen 34 . Weidemanns Pläne zielten dabei vermutlich auf eine Kirchenneubildung nach einem siegreichen Frieden. Als Cölle drei Tage nach der Bestattung Kerrls, am 23. Dezember 1941, durch Muhs zum Leiter der Finanzabteilung in Bremen berufen worden war, wurde die Situation für die Verbreitung der organisierten Kommenden Kirche noch günstiger. Zwar waren die Disziplinarverfahren gegen Weidemann nicht aufgehoben, aber die Landeskirchenleitung lag in den Händen seines Rechtsberaters und intimen Freundes. Gemeinsam versuchten Muhs und Cölle, ihm zu helfen und die Suspendierung rückgängig zu machen 35 . Als aber Cölle in Bremen über Weidemann hinweg die Kirche zu kontrollieren begann, fühlte sich dieser durch die Aufsicht gehemmt und meinte, nun auch Cölle ausschalten zu müssen. Bereits am 3. Januar 1942 - gut eine Woche nach Cölles Ernennung — erklärte er ihm in einem Brief, daß die Aufteilung in kultische und nicht kultische Angelegenheiten, die durch die Existenz der Finanzabteilung in Bremen zum Ausdruck gebracht wurde, „für uns unmöglich ist und für das Werden einer nationalsozialistischen Reichskirche durchaus nicht in Betracht kommt" 3 6 . Das, was Weide3 1 N a c h H . SCHWARZWÄLDER hatte Weidemann dienstliche Verbindung mit der Gestapo (Weidemann, S. 265). 3 2 E. KLÜGEL, Landeskirche, S. 464, bemerkt, daß die Finanzabteilung in keiner Weise zu solchen Transaktionen legitimiert war. 33

E b d . , S . 4 6 5 . § 8 d e s V e r t r a g e s i n : KIRCHLICHES AMTSBLATT HANNOVER,

1941,

S. 105 ff. 34 E. KLÜGEL, Landeskirche, S. 465. 35

K.

STOEVESANDT, B e k e n n e n d e

Gemeinde,

Kurs, S. 135. 36 L K A BREMEN, Personalakten Weidemann.

S. 105, A n m .

14 a ;

H.

BRUNOTTE,

Die „Deutsche Volkskirche"

263

mann ein Jahr zuvor in bezug auf die kirchliche Umgliederung der hannoverschen Kirche durchaus akzeptiert hatte, kam für seinen eigenen Machtbereich in Bremen nicht in Frage. Er wußte gut genug, daß ohne finanzielle Basis die Umgestaltung der Kirche, die er nun für notwendiger hielt als je zuvor, nicht möglich sein werde. Cölle gegenüber enthüllte er seine Pläne: „In diesem kritischen Augenblick gibt es nur eine Alternative: entweder von ganz vorurteilsfreiem, von allem mittelalterlich-kirchlichen Denken befreitem, nationalsozialistischem Geist ausgehend etwas Neues zu gründen, oder aber in die reaktionäre Mentalität der Bekenntnisfront zurückzusinken."37 Anscheinend beabsichtigte Weidemann nun eine politische Rechtfertigung der Kirchengründung. Dazu mußte er freie Hand haben. Als Staatsrat verfügte Weidemann noch über genügend Beziehungen zu den politischen Stellen, um zu versuchen, Cölles Position zu schwächen38. So wies er etwa darauf hin, daß der Bremer Senat, „insonderheit" Senator Fischer, die Beibehaltung der Finanzabteilung neben dem Landeskirchenführer nicht für richtig hielt39. Als diese Argumente den Juristen Cölle nicht beeindrucken konnten, griff Weidemann zu politischen Mitteln. Er beschuldigte Cölle seiner neutralen Haltung, die sich „bei den politischen Stellen . . . sehr ungünstig gegen [ihn] . . . persönlich auswirken würde"40. Cölle war mit der „Jugend-Gestapo" in Konflikt geraten, als er der Forderung von vier Mitgliedern dieser Gruppe, die Jugendbetreuung dem Pastor der Bekennenden Kirche zu entziehen, nicht zustimmte. In bezug auf diesen Konflikt erklärte Weidemann, daß Cölle sich in „politischer Hinsicht" in Bremen unmöglich gemacht habe und nur wenige Monate bleiben könne41. Cölle hielt aber an seinem Auftrag fest. In einem Gespräch am 11. Juni 1943 mit dem seit dem 22. Februar 1943 amtierenden neuen Kirchenpräsidenten, Oberkonsistorialrat Schultz, verwies Weidemann auf seine angeblichen Verbindungen zu Stellen außerhalb des Kirchenministeriums. Er ließ Schultz wissen, daß Cölles Berufung nach Bremen im Einvernehmen mit ihm vollzogen worden sei. Als der Kirchenpräsident sagte, „daß die Einsetzung der Finanzabteilung eine staatliche Maßnahme sei, und daß sicher der Staat auch Mittel und Wege gefunden hätte, die Einsetzung des Herrn Dr. Cölle als Leiter der Finanzabteilung durchzusetzen, wenn er sich ihm 37

Ebd. Erst am 23. 11. 1942 wurde Weidemann als Bremischer Staatsrat entlassen (Vermerk von Dr. Cölle vom 12. 12.1942; LKA BREMEN, Β 205). 39 Aktenvermerk Dr. Cölles über die Besprechung mit Weidemann vom 19. 1. 1942 (ebd.). *·> Vgl. Anm. 39. " Ebd. 38

264

Ende der Kommenden Kirche

widersetzt haben würde, erklärte er [Weidemann], daß seine Beziehungen nach oben derart seien, daß Herr Dr. Cölle nicht ins Haus gekommen wäre, wenn er [Weidemann] nicht mit ihm zusammen hätte arbeiten wollen" 42 . Die Frage, wieweit dieser Hinweis auf seine „Beziehungen zu den höchsten Stellen" taktisch hochgespielt oder aus der Frustration über das Mißlingen seiner Bestrebungen entstanden war, ist schwer zu beantworten. Daß Weidemann andererseits Verbindungen mit hohen nationalsozialistischen Führern wie mit dem Chef der Reichskanzlei, Lammers, und dem Führer der SS, Himmler, hatte, ist schon angedeutet worden 43 . Nach einem Vermerk Cölles soll im Reichssicherheitshauptamt auch der ehemalige katholische Priester, Obersturmbannführer Albert Hartl, in Berlin diese Beziehungen gefördert haben 44 . Hartl war in den Jahren 1935 bis 1941 für die Bespitzelung der katholischen Kirche zuständig und diente mit seinen Kenntnissen Himmlers und Heydrichs Plan, ein dichtes geheimpolizeiliches Nachrichtennetz über das kirchliche Leben in Deutschland zu spannen. Die Aufgabe der Gruppe IV Β im Reichssicherheitshauptamt „Politische Kirchen, Sekten, Freimaurer und Juden", die ab 1941 unter der Leitung Hartls stand, war es, Informationen über Gegner der Nationalsozialisten zu sammeln45. Hartl hat später behauptet, daß zu seinen Informanten 200 Geistliche aller Konfessionen gehörten. Wieweit alle diese Geistlichen bewußte Komplizen waren, bleibt offen 46 . Seine Zusammenarbeit mit zwei anderen ehemaligen katholischen Priestern und einem evangelischen Pastor erklärt teilweise den guten Informationsstand der Gestapo über das innerkirchliche Leben47. Unter dem Pseudonym Anton Holzner veröffentlichte Hartl zwei stark antikirchliche Bücher, „Priestermacht" (1939) und „Ewige Front" (1940), in denen mit dem Hinweis auf die dogmatische Intoleranz und die politische Machtgier der Kirchen gegen diese gehetzt wurde 48 . Das Buch „Priestermacht" ließ Weidemann allen Bremer Pastoren zukommen 49 . 42

Aktenvermerk vom 11. 6. 1943 (LKA BREMEN, Personalakten Weidemann). Vgl. oben S. 132. 44 Vermerk von Dr. Cölle vom 31. 8. 1942, nach der Information von Bankier Meyer (LKA BREMEN, Β 205). 45 J. S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 187 f. Die berüchtigte Tätigkeit Adolf Eichmanns, der nomineller Vorgesetzter Hartls im Jahre 1941 war, fiel in diese Sektion (vgl. H. BOBERACH, Berichte des SD, S. X X X V ) . 46 Ebd., S. X X X I V ; R. HENKYS, Gewaltverbrechen, S. 240. 47 J. S. CONWAY, Kirchenpolitik, S. 187 f. 48 Für die Aufdeckung des Pseudonyms dankt der Verfasser Herrn Direktor Richard Bauer vom Berliner Document Center (Schreiben vom 14. 12. 1971). 49 Vermerk von Dr. Cölle vom 31. 8.1942 (LKA BREMEN, Β 205). 43

Die „Deutsche Volkskirche"

265

Nachdem ihm alle kirchenpolitischen Gruppen in Bremen ihre Unterstützung entzogen hatten, versuchte Weidemann, diese nun außerhalb der Kirche durch Sammlung von Gläubigen aller Konfessionen, den Gottgläubigen und den aus der Kirche Ausgetretenen zu bekommen 50 . Dies sollte zu einer neuen Kirchenbildung führen. Am 31. Januar 1942 teilte Weidemann Hitler in einem Telegramm den „Beschluß der Kirchenregierung der Bremischen Evangelischen Kirche vom 27. 1. 1942" mit. Er lautete: „1. Die Bremische Kirche fügt ihrer Bekenntnisgrundlage den Satz hinzu: ,Sie ist antijüdisch.' 2. Da die Bremische Evangelische Kirche mit diesem Bekenntnis aus dem kirchlichen Protestantismus herauswächst, führt sie hinfort die Bezeichnung, ,Deutsche Volkskirche. Land Bremen'." 51 Es war offensichtlich gemeint, daß die Bremische Evangelische Kirche den Anfang einer neuen, im Geiste Hitlers aufgebauten Kirche bilden sollte. In seinem Brief an Hitler vom selben Tag erläuterte Weidemann seine Pläne genauer. Er bat Hitler „zu erwägen, ob es möglich ist, dieser Deutschen Volkskirche ein Parochialrecht für das Reich zu verleihen, und zwar in der Weise, daß sowohl Landeskirchen als auch Kirchen, Gemeinden und Einzelpersonen sich ihr anschließen können. An der Spitze der Deutschen Volkskirche steht der Kirchenführer; ich werde den nach Priesterhierarchie und Partikularismus schmeckenden Titel Landesbischof mit Ihrer Zustimmung ablegen, sobald ich eine bejahende Antwort auf dieses Schreiben in den Händen habe" 52 . Hätte Weidemann eine bejahende Antwort bekommen, so hätte seine „Deutsche Volkskirche" eine Rivalin der christlichen Kirche werden können. Damit wäre seine Suspendierung hinfällig gewesen, und sein kirchliches Führertum hätte sich direkt auf die politische Macht des nationalsozialistischen Staates, auf die „Führerentscheidung" gründen können. Als „Reformator" und Reichsführer hätte ihm dann ein weites Tätigkeitsfeld offengestanden. Obwohl Weidemann im Reichssicherheitshauptamt möglicherweise Befürworter für seine Pläne hatte, sah die nationalsozialistische Führung sich in keiner Weise veranlaßt, ihm zu hilfen. Sein Brief hat

50 Schreiben W. Dargels an Weidemann Ende 1941 (ebd., Personalakten Weidemann). In einer Erklärung zu seinem Austritt aus den D C behauptete Pastor Wilhelm Dargel, daß Weidemann mit der Gründung der „Einung der Gottsucher und Gottgläubigen des Reiches (Weidemann Einung)" im Herbst 1941, „bewußt den Schritt aus der bestehenden christlichen evangelischen Kirche hinaus getan" habe. 61 BA KOBLENZ, R 43 11/165. Der Hinweis auf „Mein Kampf", Bd. 1, Kap. 3, der zu dem Beschluß der Kirchenregierung der BEK gehörte, war nicht im Telegramm wiederholt. 52 Ebd., K. STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 106.

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Ende der Kommenden Kirche

Hitler selbst wahrscheinlich nie erreicht; von der Kanzlei des Führers wurde er jedenfalls an die Reichskanzlei weitergeleitet 53 . Das Unternehmen machte dem mit der Führung der Geschäfte des Kirchenministeriums beauftragten Staatssekretär Muhs klar, daß der bremische Bischof von Alleinherrschaft träumte. Im Einvernehmen mit dem Reichskirchenministerium erklärte Cölle den Beschluß der Kirchenregierung vom 27. Januar 1942 als rechtsungültig und wies darauf hin, daß Weidemann schon vorher davon unterrichtet worden sei, daß die Finanzabteilung seine Maßnahmen nicht anerkennen werde 54 . Die Angelegenheit wäre wahrscheinlich damit bald in Vergessenheit geraten, wenn Weidemann nun nicht demonstriert hätte, daß er außerhalb Bremens immer noch einsatzbereite Anhänger hatte, die nur auf ein Signal für einen nationalsozialistischen Kirchenumbau warteten. In einem Schreiben an Hitler vom 7. Februar 1942, dessen Abschriften an den Reichsinnen- und Reichskirchenminister, an die Parteikanzlei, an die Gauleitung Frankens, an die bayerische Landeskirchenleitung und an die Führer der Deutschen Christen geschickt wurden, machte die Leitung der „Gesamtgemeinde Franken" unter dem „Pfarrer" Erich Weidenmüller und dem früheren stellvertretenden Landesleiter der Deutschen Christen Bayerns, Ingenieur Andreas Lottes, die Affäre Weidemann im Reich bekannt 55 . In diesem Brief wurde der Antrag an das Reichskirchenministerium gestellt, sich der Bremischen Evangelischen Kirche eingliedern zu dürfen 56 . Es handelte sich um folgende bayerischen deutsch-christlichen Gemeinden: Nürnberg mit neun Gemeindegruppen, Nürnberg-Eibach, NürnbergSchweinau, Gebersdorf, Stein, Reichelsdorf, Mühldorf, Vach, Zirndorf, Fischbach-Altenfurth, Kalchreuth, Streitberg, Müggendorf, Steinhart, Weissenburg, München und Starnberg 57 . Die seit dem 17. Februar 1938 existierende „Gesamtgemeinde Franken" war praktisch die mit Dr. Beer aus der Nationalkirchlichen Einung ausgeschiedene Splittergruppe 58 . Der Leiter der GeSchreiben Dr. Werners, BA Koblenz, an den Verfasser vom 22. 11. 1971. Schreiben an die Pastoren der B E K vom 4 . 2 . 1 9 4 2 ( L K A HANNOVER, Ε I I I / 3 3 1 ) . 5 5 BA KOBLENZ, R 43 Π/165; H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 328. M Die Erlaubnis wurde nicht gegeben. 5 7 H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 349. 5 8 Nach der Beurteilung eines Gegners soll die Mitgliederzahl der Gesamtgemeinde nicht mehr als 4000 betragen haben (Schreiben Pfr. A. Daums an Cölle vom 8. 4 . 1 9 4 2 ; L K A BREMEN, Β 205). Im Jahre 1937 sollen die D C Frankens unter der Leitung von Pfr. Baumgärtner nicht mehr als 8000 Mitglieder gehabt haben (K. MEIER, Deutsche Christen, S. 172; Schreiben Dr. Brauers an sämtliche Mitglieder der Führung der Nationalkirchlichen Einung . . . vom 3. 3. 1942, L K A BREMEN, Β 205). 5S

54

Die „Deutsche Volkskirche"

267

samtgemeinde, der ehemalige Pfarrer von Nürnberg-Eibach Dr. Beer, hatte eine bewegte Vergangenheit. In Griechenland geboren, als katholischer Priester zur evangelischen Kirche übergetreten, wurde er im Kirchenkampf aus der bayerischen Landeskirche entlassen. Von Leffler wurde er zum Leiter der Gesamtgemeinde Franken ernannt, aber später wieder seines Postens enthoben. Beer trat danach aus der Nationalkirchlichen Einung aus und gründete eine eigene Gesamtgemeinde Franken 59 . Als er wegen Streitigkeiten in Nürnberg aus seiner Pfarrstelle ausscheiden mußte, wurde er u. a. durch Fürsprache Weidemanns am 1. Juni 1940 zum Superintendenten des Kirchenkreises Wernigerode ernannt 60 . An seine Stelle in Nürnberg-Eibach wurde Vikar Weidenmüller berufen, der auch die Leitung der Gesamtgemeinde übernahm. Die Gruppe wurde von Wieneke und Weidemann unterstützt 61 . Die Begründung für den Anschluß an die „Deutsche Volkskirche" Weidemanns trug starke politische Akzente: Erstens habe Weidemann den antijudaistischen Charakter seiner Landeskirche als erster festgelegt. Zweitens sollte die „Deutsche Volkskirche" den Ideen Hitlers entsprechen, was der Hinweis auf „Mein Kampf" andeutete 62 . Drittens sollten diese Maßnahmen entscheidend zur Beendigung des Kirchenkampfes beitragen. Die „Deutsche Volkskirche" war von Weidenmüller und Lottes als eine Möglichkeit, „alle Kräfte, die gegen die Bekenntniskirche stehen, im Reich zusammenzufassen", verstanden worden 63 . In seinem Schreiben vom 8. Februar 1942 an die Landeskirchenämter bat Weidenmüller die Pastoren, in ihren Gemeinden für die „Deutsche Volkskirche" einzutreten, um „etwas Wesentliches für die Auflösung der ,antiquarischen Landeskirchen"' zu tun. Er wußte schon, daß „eine Anzahl weiterer Gemeinden, die in der bayerischen Landeskirche von Landesbischof Meiser bedrückt werden, folgen" würden 64 . Wenn man nun das Vorgehen Weidemanns betrachtet, kann man feststellen, daß sein Versuch, eine neue Kirche durch die Namensveränderung der Bremischen Evangelischen Kirche zu gründen, weder 6

» Ebd. H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 337 f., 345. 91 Ebd., S. 338; Schreiben Dr. Brauers vom 3. 3. 1942 (vgl. Anm. 58). 62 Schreiben Lottes' und Weidenmüllers an Muhs vom 2. 7. 1942 (LKA HAMBURG, Β X V I a.220.a.l.). Möglicherweise haben die Verfasser des Briefes mit diesem Hinweis die Stelle gemeint, in der Hitler im Protestantismus eine völkisch-antisemitisch orientierte religiöse Gemeinschaft sieht (A. HITLER, Mein Kampf, S. 123). 62 Schreiben Lottes' und Weidenmüllers an Muhs vom 2. 7. 1942 (LKA HAMBURG, Β X V I a.220.a.l.). M Ebd.

268

Ende der Kommenden Kirche

den früheren Plänen der Kommenden Kirche noch der ein Jahr zuvor mit Cölle geplanten Strategie über die „kultische Entscheidung" entsprach 65 . Dazu trugen anscheinend seine persönliche Bedrängnis durch die verschiedenen Prozesse und das Disziplinarverfahren der Deutschen Evangelischen Kirche bei66. Die „Deutsche Volkskirche" sollte eine Kräftesammlung bewirken, die ihm wieder Bewegungsfreiheit verleihen könnte. Sie war eine politisch kalkulierte Notlösung. Die Kontakte mit den Führern der bayerischen Deutschen Christen, Pfarrer Baumgärtner und Dr. Beer, sowie die Auseinandersetzungen mit Landesbischof Meiser lassen den Schluß zu, daß Weidemann Gewicht darauf legte, Stützpunkte in Bayern und besonders in Nürnberg zu gewinnen67. Die kirchenpolitische Bedeutung dieser Stadt im Kirchenkampf beurteilend, meint Helmut Baier, daß, „wer den fränkischen Teil der Landeskirche mit Nürnberg als Zentrum für seine kirchenpolitische Ideologie nutzbar machen konnte, die ganze Landeskirche in der Hand" hatte 68 . Im Jahre 1934 hatte man von Nürnberg die Entscheidung für die Reichskirche erwartet 69 ; 1942 richtete der damalige Kreisleiter der Deutschen Christen in Nürnberg, Lottes, mit Weidenmüller seine Erwartungen auf Bremen, das anscheinend fähig sein sollte, die „kommende kirchliche Entwicklung in Deutschland entscheidend zu beeinflussen" 70 . Ironisch betrachtete dagegen der Landesbischof von Hamburg, Tügel, der schon vor Jahren Weidemanns nationalkirchliche Bestrebungen scharf angegriffen hatte und der auch die Verhältnisse in Bremen besser kannte, die hoffnungslosen Sammlungsbemühungen zu einer „Volkskirche". In einer Randbemerkung zum genannten Brief der Gesamtgemeindeleitung hieß es: „Volkskirche, die keine Kirche ist, und ohne Volk!!! die Attraktion des Jahrhunderts!" 71 Tügel wußte, daß Weidemann in Bremen keine breite Unterstützung hatte und über keinerlei legale Möglichkeiten verfügte, eine Umbenennung der Bremischen Evangelischen Kirche durchzusetzen. Was Tügel aber wahrscheinlich nicht wußte, war, daß Weidemann offenbar noch im Jahre 1942 „von den Berliner Zentralinstanzen für 65

Vgl. oben S. 262. ·» Vgl. Suspendierung Weidemanns (oben S. 248). Am 21. 10. 1941 reichten die Rechtsanwälte Finke, Ahlers, G. Edzard, Strube, Rosenkranz eine Strafanzeige ein (K. STOEVESANDT, Bekennende Kirche, S. 98). • 7 H . BAIER, Deutsche Christen Bayerns, S. 326 f.; K. MEIER, Deutsche Christen, S. 3 5 6 ; KOMMENDE KIRCHE N r . 37, 1938. I m N o v e m b e r 1 9 3 7 sprach W e i d e m a n n

auf mehreren Veranstaltungen in Bayern. 88 Deutsche Christen Bayerns, S. 101. " Ebd. 70 Schreiben Brauers an Weidenmüller vom 26. 2. 1942 (LKA BREMEN, Β 205). Brauer beschuldigt Weidenmüller „einer völligen Verkennung der Gesamtlage". 71 Vgl. Anm. 63.

Utopie politische Wirklichkeit

269 72

den fähigsten nationalsozialistischen Bischof gehalten wurde" . Wie schon beschrieben, erfolgte in den Beziehungen Muhs' zu Weidemann im Jahre 1942 ein Bruch, der die weitere Unterstützung durch Muhs fraglich machte 73 . Als sich aber die Gegner Weidemanns über ihn beschwerten, soll Muhs nach einem Bericht Weidemanns noch 1943 schriftlich die Fähigkeit des Landesbischofs mit folgenden Worten betont haben: „Keiner im ganzen Reich hat es in der Kirche so gut gemacht wie er in Bremen." 74 Möglicherweise wollte Muhs verhindern, daß die Bremer Opposition zu große Macht erlangte, was die politischen Stellen irritiert hätte. Gleichzeitig sah er aber die Notwendigkeit, sich von Weidemann zu distanzieren. Zusammen mit dem Reichsstatthalter von Oldenburg-Bremen, Wegener, forderte er im Januar 1943 den Rücktritt Weidemanns 75 . Der Landesbischof hatte sich durch sein amtliches und privates Verhalten als Kirchenführer untragbar gemacht. Der Versuch, durch die Gründung der „Deutschen Volkskirche" Macht wiederzugewinnen, und der Beginn des Aufbaus der „nationalsozialistischen Reichskirche" waren fehlgeschlagen.

4. Die Utopie und die politische

Wirklichkeit

Bei dem Versuch, seine Vorstellungen einer Kirchenerneuerung zu verwirklichen, war Weidemann mehr und mehr auf politische Unterstützung angewiesen. Dies führte dazu, daß er seine ursprünglichen Ziele immer mehr modifizierte und letztlich die kirchlichen Institutionen ganz preisgab. Trotz des Scheiterns der „Deutschen Volkskirche" wollte er aber seine Ziele nicht aufgeben. Im Oktober 1942 stellte Weidemann seinem früheren Freund Cölle, mit dem er seine Pläne jetzt diskutierte, die Frage, ob er glaube, „daß Bremen ein hinreichender Stützpunkt sei, um im Reich seine Ideen durchzuset72 Vgl. das nach 1945 ausgestellte Gutachten des Gerichtsarztes Dr. BeckerGlauch. - Am 13. 11. 1942 wurde Weidemann schuldig geschieden (AKTEN WILKEN). 7S Aktenvermerk Dr. Cölles über die Besprechung mit Weidemann vom 19. 1.

1 9 4 2 ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 ) . 74 Schreiben Weidemanns an die D C Bremen vom 12. 6. 1943 (STA BREMEN, 3-K.l.a. Nr. 570). Weidemann zitiert einen schriftlichen Bericht über eine Besprechung zwischen Muhs und einer „Abordnung" von D C aus Bremen: J. H. Rippe, der von Weidemann aus den D C ausgeschlossen wurde, bat 10 Tage später um Berichterstattung über diese Aussage in einem an Muhs gerichteten Brief vom 22. 6. 1943 (ebd.). In einem Brief an Staatssekretär Kritzinger vom 22. 2. 1943 wies Weidemann auf das Vertrauen des stellvertretenden Kirchenministers hin. „Noch kürzlich" soll Muhs erklärt haben, daß Weidemann „der einzige Bischof, der gerade Linie gehalten habe", sei (BK KOBLENZ, R 43 11/165). 75 Vermerk der Reichskanzlei vom 16. 1. 1943 (ebd.).

270

Ende der Kommenden Kirche

zen" 7e . Daraus ergibt sich, daß er den Totalitätsanspruch seiner deutsch-christlichen und völkisch-politischen Gedanken nicht aufgegeben hatte. Die Kirchenerneuerung sollte nach dem Scheitern der „Deutschen Volkskirche" gründlicher vorbereitet werden. Uber die Möglichkeiten Weidemanns äußerte Cölle, daß seitens seines Amtes aus „in Berlin gewonnener Sicht doch erhebliche Bedenken beständen, ob Bremen ein genügender Rückhalt für ihn [Weidemann] zur Durchführung seiner Ideen" in der Deutschen Evangelischen Kirche sei. Aus den Äußerungen Weidemanns hatte Cölle den Eindruck gewonnen, daß der bremische Landesbischof, „wenn er eine andere Grundlage erhielte, auf eine weitere Tätigkeit in Bremen verzichten würde" 77 . Anscheinend versuchte er von Heidelberg aus, wohin er im Mai 1942 übergesiedelt war, eine neue Basis für die Verwirklichung der nationalsozialistischen Volkskirche zu schaffen78. Das Ansehen des Bischofs in der Öffentlichkeit wurde besonders von dem Verdacht belastet, ehewidrige Beziehungen unterhalten zu haben. Es war deshalb nicht nur für ihn persönlich, sondern auch kirchenpolitisch von Bedeutung, von diesem Vorwurf freizukommen79. Trotz aller Versuche, dies zu verhindern, wurde Weidemann am 13. November 1942 schuldig geschieden80. Das verschlechterte seine Position wesentlich und führte zu der Forderung des Reichskirchenministeriums, er müsse um Versetzung in den Ruhestand bitten81. Das aber wollte Weidemann am wenigsten. Am 23. November 1942 erklärte er Cölle, „er wolle sich mit dem Leiter der Gestapo in Verbindung setzen und auch den Gauleiter aufsuchen"82. Jetzt aber versagte die politische Stütze in Bremen. Am gleichen Tag wurde er aus dem Staatsrat entlassen83. Das Strafverfahren wurde aber als während der Kriegszeit „untunlich" eingestellt. Anscheinend um noch etwas für seinen früheren Freund zu tun, schlug Muhs Weidemann eine Erklärung vor, durch welche er aus der „Angelegenheit herauskommen" könne84. In den Ruhestand zu treten, schien Weidemann ™ Aktenvermerk Cölles v o m 2 3 . 10. 1 9 4 2 über eine Besprechung mit Weidemann am 2 2 . 1 0 . 1 9 4 2 ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 ) . "

Ebd. K . STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 116. 7 9 Aktenvermerk Cölles über eine Besprechung mit Weidemann am 2 3 . 11. 1 9 4 2 ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 ) . 78

8 0 H . Weidemann, Werdegang (AKTEN WILKEN). Weidemann hatte noch zum Meineid angestiftet ( H . SCHWARZWÄLDER, Weidemann, S. 2 9 1 ) .

Vermerk der Reichskanzlei v o m 1 6 . 1 . 1 9 4 3 ( B A KOBLENZ, R 43 11/165). Aktenvermerk Cölles v o m 23. 1 1 . 1 9 4 2 ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 ) . 8 9 Aktenvermerk Cölles v o m 12. 12. 1 9 4 2 (ebd.). 8 4 Schreiben des Reichsministers der Justiz an Lammers v o m 14. 4. 1 9 4 2 ( B A K O BLENZ, R 43 1 1 / 1 6 5 ) ; Schreiben Bormanns an Lammers v o m 19. 3. 1943 (ebd.). 81

82

Utopie politische Wirklichkeit

271

aber als Preis dafür zu hoch. In einem Schreiben vom 16. Dezember 1942 an Justizminister Thierack, der die Einstellung des Strafverfahrens zwei Tage zuvor veranlaßt hatte, bat er, die Ermittlungsverfahren „endgültig" einzustellen und eine Wiederaufnahme seines rechtskräftig entschiedenen Ehescheidungsprozesses anzuordnen 85 . Muhs drohte daraufhin, Weidemann aus der Partei auszuschließen. Dieser hatte jedoch inzwischen den längst entmachteten, aber mehr oder weniger für Rosenberg interessanten Reichsbischof Müller für sich aktivieren können86. Weidemann glaubte noch immer an die Möglichkeit, mit Hilfe eines staatlichen Eingriffs und des Reichsbischofs, das Ziel einer „Deutschen Volkskirche" unter seiner Führung erreichen zu können. Ohne rechtliche Grundlage untersagte er am 23. Mai 1943 alle Amtstätigkeiten des früheren Mitarbeiters und Schriftleiters der „Kommenden Kirche", Dietsch, und schickte wiederum ein Telegramm an Hitler: „Denunziant predigt morgen in Dom. Disziplinarverfuegung erlassen. Reichsstatthalter und Reichskirchenminister vorher mitgeteilt. Durchführung infolge Entmachtung des Reichsbischofs gesichert. Will der Staat oder soll ich die Tempelreinigung vornehmen." 87 Am 30. Mai 1943 versuchte Weidemann mit der „Tempelreinigung" zu beginnen. Als Dietsch sich seiner Predigt im Dom widersetzte und es - wie früher schon - zu Gottesdienststörungen kam, bat die Domgemeinde um Haftbefehl gegen Weidemann 88 . Diese „Tempelreinigung" entsprach aber weder den Intentionen der Kommenden Kirche noch denen anderer deutsch-christlicher Gruppen, sondern ließ sich höchstens aus der Pathologie eines religiös-politischen Fanatismus erklären, den das Dritte Reich zu erzeugen vermochte 89 . Am 9. Juli 1943 wurde Weidemann auf Anordnung des Chefs der Sicherheitspolizei in die Charite in Berlin eingewiesen. Dort sollte sein Geisteszustand untersucht werden 90 . Nach Mitteilung des Justizministers, auf dessen Veranlassung die Einweisung anscheinend vollzogen worden war, war Weidemann zwar „nicht völlig in OrdB A KOBLENZ, R 43 11/165. Schreiben Pampus' an die D C Bremens vom Januar 1944 ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 ) ; vgl. Schreiben Bormanns an Rosenberg vom 18. 1. 1940 ( I M G Bd. X X V , Dok. 100-PS). 8 7 Telegramm vom 29. 5. 1943 ( B A KOBLENZ, R 43 11/165). 8 8 Vermerk der Reichskanzlei vom 29. 8. 1943 (ebd.); Schreiben Schultz' an Böhmcker vom 2. 6 . 1 9 4 3 ( L K A BREMEN, Β 205). M Der Gedanke von der „Tempelreinigung" taucht bei Hitler wie bei Goebbels auf, wobei sie antisemitisch interpretiert wurde (C. KESSEMEIER, Goebbels, S. 7 9 ; E. KLÖSS, Politik, S. 42). 8 0 Schreiben Schultz' an Cölle vom 14. 7 . 1 9 4 3 ( L K A BREMEN, Personalakten Weidemann); K . STOEVESANDT, Bekennende Gemeinde, S. 122. 85 88

272

Ende der Kommenden Kirche

nung", . . . „eine Geisteskrankheit, die eine Unterbringung erforderlich" gemacht hätte, lag „jedoch bei ihm nicht vor" 9 1 . Ein Aufenthaltsverbot für die Gebiete Nord- und Westdeutschland und die Anordnung Thieracks, das Verfahren gegen Weidemann nicht weiter zu betreiben, wurden erlassen, vermutlich um weitere Unruhe und Störungen des Gottesdienstes zu vermeiden 92 . 5. Die letzte Auseinandersetzung

mit der Nationalkirchlichen

Einung

Da die Bremer Deutschen Christen durch innere Streitigkeiten seit Oktober 1941 gespalten waren, hielten nun die Thüringer ihre Stunde für gekommen. Mit der Godesberger Erklärung hatten sie den Leiter der „Luther-Deutschen", Petersmann, für ihr Programm gewonnen und versuchten nun, auch die Bremer Deutschen Christen für das Eisenacher Institut einzunehmen 93 . Der Leiter des Werbeausschusses, Pastor Heinz Dungs, kannte als ehemaliger Schriftleiter der „Kommenden Kirche" die bremische Situation. So gelang es ihm auch, seinen späteren Nachfolger Dietsch als Mitglied des Eisenacher Instituts zu gewinnen. Dieser suchte zwar Unterstützung für seinen Widerstand gegen Weidemann, wollte aber genauso wenig wie die anderen von Weidemann aus seiner Gruppe ausgeschlossenen Deutschen Christen Hilfe von der Bekennenden Kirche erbitten. Es blieb deshalb nur eine Möglichkeit übrig, sich für die Sache der Deutschen Christen zu betätigen: die Zusammenarbeit mit den Thüringern 94 . So sind seit der Einsetzung der Finanzabteilung Cölles die Richtungskämpfe in Bremen auch als Kampf um die deutsch-christliche Herrschaft im Reich zu sehen. Die Luther-Deutschen standen dabei durch das von Leffler geleitete Institut schon unter starkem Einfluß der Thüringer Deutschen Christen 95 . Nach der Zersplitterung der Kommenden Kirche im Jahre 1941 hatte Weidemann eine eigene Gruppe organisiert. Auch diese Gründung der kleinen Restgruppe „Deutsche Christen" (Lie. Dr. WeideSchreiben Thieracks an Lammers vom 29. 9. 1943 (BA KOBLENZ, R 43 11/165). Ebd. 93 K. MEIER, Deutsche Christen, S. 2 7 1 ; vgl. auch Schreiben des Leiters der N a tionalkirchlichen Einung in den gesamten Gebieten Weser-Ems, Osthannover und Südhannover, Braunschweig, Meyer an Böhmcker vom 11. 3. 1938 (STA BREMEN, 3 - K . l . a . N r . 5 6 7 ) : Als Weidemann wegen der Horst-Wessel-Gedächtniskirche in Bremen in Ungnade gefallen war, versuchte Meyer, den Weg für die Thüringer D C in Bremen zu ebnen. E r versicherte Böhmcker, daß die „nationalkirchliche Sache . . . nichts mit der .Kommenden Kirche' . . . zu tun" habe, und bat um Gelegenheit, mit dem Bürgermeister zu sprechen. 91

92

9 4 Schreiben Cölles an Muhs vom 7. 5. 1942 ( L K A BREMEN, Β 2 0 5 ) ; Schreiben Dietschs an Cölle vom 24. 7. 1943 (ebd.). 9 5 Es handelt sich hier vor allem um einen kirchenpolitischen Kampf gegen alle diejenigen, die die Machtbefugnisse Weidemanns begrenzen wollten.

Auseinandersetzung mit der Nationalkirchlichen Einung

273

mann) oder - wie sie sich auch nannte - „Weidemann-Einung" widersprach, wie spätere Auseinandersetzungen, seinen früheren Prinzipien 96 . Als es Pastor Heinz Dungs gelang, im Frühjahr 1942 einen Vortragsabend in Bremen zu veranstalten, bei dem den Rednern die Reisekosten von dem beim Reichskirchenministerium eingerichteten „Volkskirchlichen Amt" erstattet wurden, vermutete man in kirchlichen Kreisen, daß die Thüringer nun „mit Billigung des Ministeriums eingebrochen" seien97. Um die Neutralität des Ministeriums zu betonen, möglicherweise aber auch aus Loyalität zu Weidemann, machte Muhs den Erlaß Kerrls, in dem eine finanzielle Unterstützung für das Eisenacher Institut versprochen worden war, rückgängig 98 . Muhs ordnete an, daß die jeweilige Landeskirche über solche Unterstützung selbst entscheiden müsse. Im Interesse des Ministeriums läge lediglich, daß die vom Staat verlangte Ruhe und Ordnung gewährleistet sei und daß die kämpfenden deutsch-christlichen Gruppen sich einigten99. In Bremen aber neigte man - entgegen der Ansicht Cölles - dazu, das Eisenacher Institut mit den Thüringer Deutschen Christen gleichzusetzen, denn Dietsch, der zu dem Vortrag eingeladen hatte, war gleichzeitig Mitglied des Instituts und „führend unter den Thüringer Deutschen Christen in Bremen tätig" 1 0 0 . Tatsächlich war das Eisenacher Institut aufgrund seiner ideenpolitischen Funktion so wenig von den Thüringer Deutschen Christen zu trennen wie früher die Bibelschule von der Person Weidemanns. Als die Thüringer in Bremen Fortschritte erzielten, bröckelte die Anhängerschaft Weidemanns im Reich weiter ab. In einer Sitzung der deutsch-christlichen Gesamtgemeinde Franken in Nürnberg mußte Weidemann feststellen, daß er nicht in der Lage war, seinen Anhängern dort zu helfen 101 . Auch Weidenmüller sah ein, daß ein ί β Aktenvermerk Cölles vom 5. 5. 1942 (LKA BREMEN, Β 205). Weidemann Schloß seine bedeutendsten Mitarbeiter in Bremen, OKR Refer, Domprediger Dr. Dietsch, Pastor Schomburg und Landesmusikwart Liesche aus der DC-Bewegung aus; vgl. Erklärung der ausgeschlossenen DC vom 10. 11. 1941 (AKTEN DER ST. REMBERTI-GEMEINDE) ; Schreiben von J . Gartelmann und P. Rödig an die DC vom März 1942 (LKA BREMEN, Personalakten Weidemann). " Schreiben Cölles an Muhs vom 7. 5. 1942 (LKA BREMEN, Β 205). , 8 Schreiben Cölles an Dr. Doerr, Leiter der Finanzabteilung beim Ev. Oberkirchenrat Karlsruhe, vom 1. 8. 1942 (ebd.). »» Aktenvermerk Cölles vom 29. 4. 1942 (ebd.). 1 0 0 Schreiben Cölles an Muhs vom 7. 5. 1942 (ebd.); Schreiben Schultz' an Cölle vom 14. 7. 1943 (ebd., Personalakten Weidemann). 101 Protokoll der Sitzung vom 8. 4 . 1 9 4 2 (LKA BREMEN, Β 205). Die Finanzabteilung Bremens war nicht bereit, wie Weidemann forderte, das Gehalt von Pfr. Weidenmüller zu bezahlen (Aktenvermerk Cölles vom 4. 4. 1942; ebd.).

18

Heinoncn, Anpassung

274

Ende der Kommenden Kirche

„Splitterdasein" nicht mehr möglich sei, und wünschte den Anschluß an die „Nationalkirchliche Einung". Die Thüringer erhofften sich durch diese Einigung in Bayern eine erhebliche Stärkung 102 . Als von Cölle bestellter Mittelsmann zwischen den Anhängern Weidemanns und der Nationalkirchlichen Einung betätigte sich Pfarrer Adolf Daum aus Bayreuth, der am 27. April 1942 in Bremen sprechen sollte. Von den fränkischen Deutschen Christen wollten vor allem der Kassenwart Müller und der frühere stellvertretende Landesleiter der Deutschen Christen Lottes, der Träger des Goldenen Parteiabzeichens war, den Kontakt zu Weidemann aufrecht erhalten 103 . Obwohl Weidemann durch das Aufenthalts verbot und den Ausschluß aus der Partei vom 2. November 1943 in Bremen endgültig entmachtet war, versuchte er noch, mit juristischen Mitteln gegen seine deutsch-christlichen Gegner vorzugehen 104 . Im Januar 1944 erklärten seine Mitarbeiter, daß ein Disziplinarverfahren gegen die Pastoren Meyer, Refer und Dietsch beantragt worden sei105. Es war Weidemann gelungen, den Reichsbischof für diese Sache zu engagieren 106 . Müller beschuldigte die Pastoren, gegen das Beichtgeheimnis verstoßen zu haben, und legte die Einleitung des Verfahrens „bei der verworrenen Kompetenzenlage des vorliegenden Bremer Falles" in die Hände Muhs' 107 . Noch bevor dieser Prozeß aber stattfinden konnte, wurde Weidemann am 29. Januar 1944 verhaftet 108 . Nach dem Urteil des Landesgerichtes Hamburg wurde er am 13. Oktober 1944 wegen Verleitung zum Meineid zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus mit Nebenstrafen verurteilt. Die Kommende Kirche hatte - wenn auch ohne förmliche Beitrittserklärung - dem „Bund für Deutsches Christentum" seit seiner Gründung am 10. November 1936 angehört. Nun wurde am 1. Mai 1944, anläßlich der Ernennung der neuen Kirchenpräsidenten Schultz und Cölle, die Mitgliedschaft der gesamten Bremischen Evangelischen Kirche, nicht nur der Gruppe Deutsche Christen, bestätigt 109 . Damit war die Bremische Kirche endgültig in den Machtbereich der Thüringer Deutschen Christen übergegangen und die Nationalkirchliche Einung als die herrschende deutsch-christliche Gruppe übriggeblieben. 1 0 2 Schreiben Brauers an Cölle vom 22. 4. 1942 (ebd.). 1 0 3 Ebd. Adolf Daum, geb. 4. 5. 1906 in Heiligenstadt, gest. 21. 11. 1955 in Blexen/Oldenburg, 1929 ord. in München, Stadtvikar in Regensburg, ca. 1933 Pfr. in Niederwiera/Thüringen, 1943 Kriegsdienst, 1951 Pfr. in Blexen. 1 0 4 Schreiben Pampus' an die D C Bremens vom Januar 1944 (ebd.). Pampus zitiert ein „Gutachten" von Reichsbischof Müller. 1 0 5 Ebd. 1 0 6 Ebd. 1 0 7 Ebd. 1 0 8 Vermerk der Reichskanzlei vom 3. 2. 1944 (BA KOBLENZ, R 43 11/165). 1 0 9 Aktenvermerk von Landessuperintendent Propp vom 4. 5. 1944 ( L K A BREMEN, Β 208 II).

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS I. UNVERÖFFENTLICHTE QUELLEN a) Archivalische Quellen Archiv der EKD, Berlin

(AEKD):

Deutsche Evangelische Kirche A 4/96 A 4/98 A 4/149 A 4/421 A 4/422 C 2/91 C 4/28

Sekretariat des Reichsbischofs: Schriftwechsel mit Deutschen Christen; Bd. 2, 1935. Reichskirchenregierung: Deutsche Christen Sportpalastkundgebung. 1933 Eingliederung der evangelischen Kirche von Bremen in die Deutsche Evangelische Kirche. 1934 bis 1937. Kirchenkanzlei, Grundsätzliches und praktisches Verhältnis von Kirche und Schule. 1936 bis 1938. Kirchenkanzlei, Denkschrift zur Schulfrage. 1936/37. Kirchenkanzlei, Kirchliche Arbeitsgemeinschaft Bremen und Vertrauensausschuß in der Bremischen Kirche. 1936/37. Sekretariat des Reichsbischofs, Denkschriften und theologische Arbeiten für den Reichsbischof von Prof. Dr. Emanuel Hirsch, Göttingen. 1933.

Archiv für die Geschichte

des Kirchenkampfes

im Archiv der Ev. Kirche

der

Union, Berlin (KKAJ.Nr. 45

Niesei, Denkschrift Dr. Muhs zur Befriedung der Kirche.

Nr. 250 b Nr. 333

1938. VKL, Korrespondenz und Materialien. 1936-1939. Deutsche Christen, Reichsbischof, Thüringer Deutsche Christen und Mitte. 1936/37. Landeskirchliches

Archiv Bremen (LKA BremenJ.-

Bestand B, Bremische Evangelische Kirche Β 57/2 Β 132/5 Β 201 Β 205 Β 205.8

18·

Pressearbeit (allgemein). 1933-55. Tagungen des Kirchenausschusses. Vorbereitung einer neuen Verfassung. Ermächtigungsgesetz, Einführung des Führerprinzips in die BEK; „Landesbischof 1933-34. Vom Staatskommissar bis zur Eingliederung in die DEK. Verfassungsentwürfe C und D. 1933-36. Finanzabteilung bei der BEK. Allgemeines. 1941-45. Bildung einer provisorischen Kirchenregierung; Auseinandersetzung Cölle/Weidemann. 1937-44.

276

Quellen- und Literaturverzeichnis

Β 205.19 Β 205.21 Β 205.25 Β 205.25,1-66 Β 208 Β 301 Β 436 Β 651 Β 651.1

Β 652 Β 655/1

Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das kirchl. Leben (Tätigkeit bei den FAA). 1941-42. Tätigkeit der Finanzabteilung Bremen in innerbremischen Angelegenheiten. 1942-44. Allgemeines zur Ära Weidemann in der BEK. 1933-62. Nebenakten, hauptsächlich Prozeßakten bei der Personalakte G 231.141-144 abgelegt. 1938-44. Deutsche Christen. I. Im Reich, II. in Bremen, III. Schriftenreihe. 1933-1945. Berufung des Landesjugendpfarrers, Haushalt, Jahresberichte. 1933-1942. Neubearbeitung des Bremer Gesangbuches. 1935-39. Reichskirchentagungen des Landesbischofs Weidemann für Niederdeutschland. 1935-38. Reichskirchentagungen (Presse und Werbung). Darin: Auseinandersetzung Weidemanns mit der Deutschen Glaubensbewegung. 1935-36. Vom Landesbischof eingerichtete Bibelkurse. 1937—40. Volksmissionarische Arbeit der BEK. 1933-44.

Staatsarchiv Bremen (StA

Bremen):

Bestand 3, Senatsregistratur 3-K.l.a. N r . 488

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II/417 III/331 ΙΙΙ/335 1/401 1/931

Η Η Η Η Η Η Η

1/1034 ΙΙ/143 ΙΙ/412 ΙΙ/413 ΙΙ/436 ΙΙ/437 b ΙΙ/721

Hannover (LKA

Hannover):

Innere Streitigkeiten (besonders Hossenf elder-Kinder). Ereignisse. Bibelschule. Luthertag am 19. 11. 1933 in Hannover, Rede von Muhs. Einspruch gegen die Berufung Muhs' ins Reichskirchenministerium. Arbeitsgemeinschaft niedersächsischer Pfarrer (DG). Jungevangelische Konferenz. Organisation. Radikalisierung 1935/36. Einzelne Zeitungen (Niedersachsen). „Die Nationalkirche in Niedersachsen" 1940/41. Bestimmungen und Verbote. Bundesarchiv Koblenz (BA

Koblenz):

Bestand NS 8, Kanzlei Rosenberg N S 8/183

Schriftwechsel mit dem Stellvertreter des Führers, seit 1941 Leiter der Parteikanzlei, überwiegend betr. organisatorische Grundsatzangelegenheiten, ζ. B. Kompetenzstreitigkeiten mit Reichs- und Parteidienststellen sowie Personalangelegenheiten; Bd. 7: Januar bis März 1940.

Bestand R 43, Reichskanzlei R 43 11/160 a R 43 11/165 R 43 11/165 a

Evangelische Kirche; Bd. 9: 1937-1942. Evangelische Kirche; Bd. 10: 1938-1944. Evangelische Kirche; Bd. 11: 1940-1943.

Bestand ZSg 101, Sammlung Brammer ZSg 101/28 ZSg 101/29 ZSg 101/30

Informationsberichte und vertrauliche Informationen, 1935. Informationsberichte und vertrauliche Informationen, 1936. Informationsberichte und vertrauliche Informationen, Januar bis Juni 1937. Stadtarchiv

Minden:

Archiv der Kirchengeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft e. V. Archiv der St. Remberti-Gemeinde

Bremen:

Niederschrift Weidemanns über die Ereignisse in der Kirchenkanzlei am 13.10.1941 (Abschrift vom gleichen Tag).

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NATIONALSOZIALISTISCHE

ZEITUNG,

ab

1.

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VOR

DEM

DER

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PROZESS

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MILITÄRGERICHTSHOF.

Nürnberg

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INDEX Halbfette Seitenzahlen verweisen auf Anmerkungen mit biographischen Angaben. Abendmahl 194, 227 Adler, Bruno, Landesbischof 93 Ämterbesetzung 122 f., 144 - vgl. auch Pfarrer, Stellenbesetzung Agende 206, 210, 216, 230 f. - vgl. auch Eindeutschung Agnus dei vgl. Lamm Gottes Ahlers, Rechtsanwalt 268 Akademiker 49 f., 65, 223, 230 - vgl. auch Theologen Alfes, Rechtsanwalt 252 Altenburg 48 Altes Testament 27, 38, 68, 158, 170, 178 f., 183 f., 187 f., 195, 211 ff., 221 f., 230 - vgl. auch Bibel Althaus, Paul, Systematiker 133, 134 Altkatholizismus 148 f., 152 - vgl. auch Katholisch-Nationalkirchliche Bewegung; Katholizismus Arnos, Prophet 213 Anacker, Heinrich, Dichter 181, 201 Andre, Oberstleutnant 73 Anhalt - D C 86 - vgl. auch Deutsche Christen Ansbacher Ratschlag 166 Antijudaismus 136 f., 159, 163, 174, 178, 183 f., 195, 213, 218 ff., 223, 225 ff., 242, 265, 267 - vgl. auch Eindeutschung; Hebraismen; Israel; Judentum Antisemitismus 49, 158 f., 163, 169, 178 f., 219, 221, 224 f., 236, 249, 267, 271 - vgl. auch Arier; Judenfrage; Rasse Apelt, Hermann, Senator 247 f., 249 Apostel 170 ff., 206, 213, 225 - vgl. auch Paulus Arbeitsdienst 123 Arier 34, 144, 179, 210 - vgl. auch Antisemitismus; Judenfrage; Rasse Arlt, Erwin, Pastor 31, 110

Arndt, Ernst Moritz, Dichter 163, 181, 185, 191 f., 201 Artfremdheit/-gemäßheit 176, 183, 217, 221, 223 - vgl. auch Germanentum; Judenfrage; Rasse Aufbau im positiven Christentum 229 - vgl. auch Christentum; Positives Christentum Aufbau vgl. Kirchenerneuerung; Neuordnung Aufklärung 161, 180, 200 Augsburg - Augsburger Konfession 141 - Bekenntnissynode (1935) 72 Ausbildung vgl. Pfarrer Ausbildungsstätten vgl. Fakultäten Ausland 61, 71 f., 105, 117, 182 Baden - Landesbischof (Kühlewein) 38 - D C 24 - vgl. auch Deutsche Christen Balzer, Erwin, Bischof 60, 61 Barmen 114, 170 Bartelmäs, Schriftsteller 201 Barth, Karl, Systematiker 28 ff., 96, 134, 164, 213 Bauer, Walter, Neutestamentier 28 Bauer, Wilhelm, Schriftsteller 201 Bauherr vgl. Bremen, Landeskirche Baumgärtner, Johannes, Pfr. 57, 58, 86, 266, 268 Bayern - Landeskirche 155, 266 f. Gesangbuch 189 - Landesbischof (Meiser) 38, 267 - D C 38, 57, 266, 268, 274 - vgl. auch Franken Bayreuth 37 Beckemeier, Ludwig, P. 60, 61, 86 Beckmann, Fritz, P. 103 Beer, Ludwig, Pfr. 266, 268 Befriedung der Kirche 42 f., 121 f., 144

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Index

- vgl. auch Kirchenerneuerung; Neuordnung Begriffe, theologische 154 ff., 160 ff., 172, 176 f., 179, 184, 186 ff., 205 f., 221, 225, 233 f. - vgl. auch Eindeutschung; Hebraismen Bekennende Kirche, Bekenntnisfront 53, 64, 68, 71 f., 79, 83, 85 f., 99, 114 ff., 121, 123, 129, 137, 149, 156, 167 f., 189, 199, 206, 210, 215, 238, 247, 249 f., 261, 263, 267, 272 - Bruderräte 46, 99 - 2. VKL 107, 114, 117 - Seminare 122 - vgl. auch Bremen; Oldenburg Bekenntnis 37 f., 44 ff., 49 ff., 115, 122, 135, 137, 139 f., 144, 147, 149 f., 151, 156, 159, 168, 173, 206, 209, 236, 265 - vgl. auch Konfessionen; Luthertum; Reformierte Bell, George, Bischof 71 f., 117 Bellstedt, Erich, Rechtsanwalt 33 Berchtesgaden 116 Bergholter, Heinrich, Landespropst 81, 84 Bergpredigt 163, 165, 167 ff., 202, 211 - vgl. auch Bibel; Die Bergpredigt; Deutsche Gottesworte Berlin 30, 39 f., 54 f., 84, 86, 88, 116, 129, 163, 189, 198, 268, 270 f. Berner, Paul, Buchhändler 163 Bernhard, Otto Heinrich, Senator 19, 20 Bertram, Hans 234 Beuthien, Kurt, Regierungsdirektor 125 f. Beyer, Hermann Wolfgang, Neutestamentler 34, 35, 164 f. Bibel, Bibelauslegung 27, 31, 134, 155 f., 163 ff., 175, 202 f., 209 ff., 221, 224, 226, 229, 233 ff. - vgl. auch Altes Testament; Eindeutschung; Evangelium; Neues Testament - Ps 168 - Mt 146, 170 ff., 217 - vgl. auch Bergpredigt - Joh 177 ff., 202, 242 - vgl. auch Das Evangelium Johannes Deutsch; Johannesevangelium - Apg 31 - Rom 164, 172, 219, 226 - Kor 218, 220 f., 226, 228 - Gal 46, 164, 220, 226 - Eph 220, 228

- Phil 218, 220 ff., 226, 228 - Thess 220, 228 - Tim 220, 228, 234 - l.Petr 228 - l.Joh 228 - Hebr 228 Bibelkurse vgl. Bremer Bibelschule Bibelübersetzung/-übertragung vgl. Eindeutschung Bibelwissenschaft 164, 175, 177, 211 f., 223 ff., 227, 230 Biblizismus 155, 184, 210 Biehusen, Regierungsrat 125 Bismarck-Gedächtniskirche 124 f. - vgl. auch Dankeskirchen Blankenburg, Walter, P. 197 Boche, Ernst, P. 34 Bode, Julius, P. 34 Bodelschwingh, Friedrich von, Reichsbischof 35 Böhm, Hans, P. 117 Böhmker, Johann Heinrich, Bürgermeister 125, 126 ff., 131, 243, 245 ff., 249, 272 Boll, Karl Friedrich, OKR 68, 69, 79 f., 91, 101 f., 104, 111, 141 f., 153, 182 ff., 187, 193, 255 Bolschewismus 27, 31, 130 f., 136, 231 - vgl. auch Kommunismus Bonhoeffer, Dietrich, Privatdozent 117 Bonn 96, 216 Bormann, Martin, Reichsleiter 59, 120, 126, 128 ff., 131 f., 199, 235 ff., 246, 251, 270 f. Bornhäuser, Karl, Systematiker 168 ff., 171 f. Bornkamm, Heinrich, Kirchenhistoriker 68 Bou^ Edgar, O K R 96 Brandenburg 99 Brauer, Erwin, OLKR 266 ff., 274 Braunschweig 43, 248, 272 - Landeskirche 61 - D C 188 - vgl. auch Deutsche Christen Bremen passim - Landeskirche (BEK) 22 f., 37, 40 f., 44 f., 107, 109, 113, 120, 155 246, 266, 268, 274 - Präsident (Quidde, Heider, Weidemann, Schultz, Cölle) 20, 22, 35 f., 42 ff., 66, 87, 111, 243 ff., 258, 260, 263, 274

Index Landesbischof, Landeskirchenführer (Weidemann) 39 ff., 45 f., 69, 76 f., 82, 109, 112 f., 119, 125 f., 128, 131 f., 133, 196, 240, 243 ff., 250 ff., 258, 260, 263, 265 f., 269 f. - Parteiausschluß 125, 128, 131 f., 139 - Dienstenthebung 247 f., 252, 258 f., 261 f., 265, 268 Kirchenregierung/-regiment 19, 23, 32 f., 40 ff., 47, 69, 87, 110 ff., 196, 215, 243 ff., 248, 251 f., 261 f., 265 f. - Gesetzblatt 43, 243, 245 ff., 258 - Verordnungen 243 ff. Kirchentag 20, 22, 33, 35 ff., 39, 41 ff., 45, 47, 113, 243 Kirchenausschuß 20, 22, 26, 30, 32 f., 35 ff., 39, 41, 43 f., 108, 111 ff., 215 Schriftführer 38 ff., 42, 46 Aktionsausschuß 32, 37 Finanzabteilung 106, 246 ff., 256, 258 f., 261 ff., 266, 272 f. Verfassung 20 ff., 35 ff., 41 f., 47, 111 Gemeinden 19 ff., 32, 35 f., 38, 40 ff., 46 f., 96 f., 100, 108, 111, 192 f., 196, 243 ff. -

St. Stephani 39 f., 42 f., 108, 244 St. Pauli 40, 43 St. Jacobi 40, 43 Unser-Lieben-Frauen 40 f., 43, 47, 100, 108, 215, 243 ff. - St. Martini 42 f., 208 - Wilhadi 43 - Immanuel, 43, 244 - Hohentor 43 - Zion 43 - St. Ansgari 43, 100, 247 - Friedenskirche 43 - St. Remberti 43 - St. Michaelis 96 f., 244 - Kreuzkirche 100 - St. Petri (Dom) 100 - Gröpelingen 130 - Rablinghausen 30 Bauherr, Gemeindeführer 20, 36, 38 f., 40, 42, 44 ff., 97, 108, 113, 215, 243 ff., 258, 261 vgl. auch Laien Arbeitsgemeinschaft der Bremer Pastoren 258 Arbeitskreis für Bibelübertragung 174 ff. Heinoncn, Anpassung

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- Arbeitskreis um eine Agende 230 - Gesangbuchkommission 185 ff., 191 ff., 201, 230 - Kirchliche Arbeitsgemeinschaft in Bremen 108 f. - D C 22 ff., 30 f., 32 ff., 35 ff., 40, 45 ff., 65, 70 f., 74 ff., 79, 82 f., 85 f., 89, 91, 95 f., 99 ff., 103 f., 107, 110 f., 140 f., 144, 165, 195, 198, 209, 223, 225, 229 f., 247, 249 f., 257 ff., 269, 271 f., 274 Landesgemeinde 30 - BK 26, 31, 34, 40, 108, 110, 247, 249 f. - vgl. auch Dankeskirche; Deutsche Volkskirche; Gedächtniskirchen; Gottesdienststörungen ; Kirchenwahlen; Kommende Kirche; Theologische Montagsgesellschaft - Staatsrat 40, 125, 128, 249, 263, 270 - Senat 19, 21 ff., 55, 66, 244, 263 - Bürgermeister (Heider, Böhmcker) 20, 22 f., 66, 125, 249 - Bürgerschaft 19, 22 - Präsident 20 - Reichsstatthalter (Rover, Wegener) 125, 271 Bremer Bibelschule 93, 134, 145, 151, 180, 208 ff., 214 ff., 222 f., 225, 228 ff., 257, 273 - 1. Kurs (3.-10.10. 37) 210, 215, 231 - 2. Kurs (14.-19. 3. 38) 213, 215 - 3. Kurs (10.-14. 10. 38) 228 - 4. Kurs (27.-31. 3. 39) 228 - 5. Kurs (2.-6.10. 39) 227 f., 230 - 6. Kurs (1.-5. 4. 40) 227 f., 230 - 7. Kurs (23.-27.9. 40) 214, 228, 230 Bremer Kirchenzeitung 23, 33 f., 37 Breslau 99 Brökelschen, Otto, P. 203, 205 Brombacher, Kurt, Schriftsteller 148 f. Bruderräte vgl. Bekennende Kirche Brüdergemeinde 138 Bultmann, Rudolf, Neutestamentier 96 Bund deutscher Glaubenseinigung 150 Bund Deutscher Mädel 41, 201 Bund für Deutsches Christentum 85, 87, 88 f., 104 f., 114, 256, 274 Bund für Deutsche Kirche 24, 162 f., 183 Buttmann, Rudolf, NS-Fraktionsführer 62

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Index

Canterbury - Erzbischof 71, 257 Celle - Oberlandesgericht 81 Chamberlain, Houston Stewart, Schriftsteller 74, 178 Chor, Choral vgl. Kirchenmusik Christentum 24, 62, 73, 86, 125, 127 ff., 134 ff., 139 f., 142, 154, 156, 158, 160 ff., 168, 174, 177, 179, 183, 200, 202, 205 ff., 209 ff., 214, 218, 221 f., 225 f., 229, 233 ff., 241, 255 - vgl. auch Bund für Deutsches Christentum; Kirche, christliche - positives 61 f., 72, 78, 130, 147, 150, 182 f., 229, 255 Christlich-Deutsche Bewegung 24, 163 Christlich-Soziale Arbeiterpartei 141 Christus 34, 74 f., 79, 135, 151, 153, 156, 158, 161 f., 177, 182, 185, 191, 203, 212 f., 217, 221, 223, 225 ff. Christustestament 228 f. Coch, Friedrich, Landesbischof 50 Cölle, Georg, Rechtsanwalt 75, 106, 252 f., 262 ff., 266, 268 ff., 271 ff. Collmar, Rudolf, P. 214, 260 Dahlem 114 Dankeskirchen 129 ff., 240 - vgl. auch Gedächtniskirchen Dargel, Wilhelm, P. 265 Das Evangelium Johannes Deutsch 53, 73, 162, 165 f., 174, 177, 217, 223, 228 - vgl. auch Bibel; Johannesevangelium Das Evangelium nach Markus 222 Das vierte Evangelium 227 Daum, Adolf, Pfr. 266, 274 Dekalog vgl. Altes Testament Demokratie, Demokratisierung 27, 32, 36, 64, 243 Denkschriften 117, 121 ff., 143 Der Christliche Staatsmann 168 f. Der deutsche Christ 106 Der Heliand 165, 219 - vgl. auch Heliand Der romfreie Katholik 148 Der Sohn 221, 223 f. Der Weckruf 101, 103 Dertinger, Georg, Pressereferent 116 ff. Detmold 30 Des Deutschen Volkes Kirche 105 f. Deutsch-Christliche Arbeitsgemeinschaft 24

Deutsch-christlicher Arbeitskreis 163 Deutsche Allgemeine Zeitung 163 Deutsche Christen passim - Reichsleitung 38, 50, 53 ff., 57 ff., 64 f., 77, 83 - vgl. auch Reichskirche, Reichsbischof - Bischöfe 39, 53, 65, 77, 81, 268 - Landesleitungen 38 f. Gauobleute 54 f., 57 ff., 60 ff., 64 f., 67, 77 f., 81, 91, 95, 99, 167, 256 - Glaubensbewegung 14, 23 ff., 30, 32, 37, 49 ff., 53 f., 80, 98, 141, 164 - Kampf- und Glaubensbewegung 54, 65, 87, 98, 105 - Luther-Deutsche 229, 254, 256, 272 - Reichsbewegung 48, 51 ff., 58 f., 63 ff., 70, 78, 85 f., 89, 92 f., 95, 105, 107, 114, 167, 256 - Weidemann-Einung 265, 273 - vgl. auch Anhalt; Baden; Bayern; Braunschweig; Bremen; Dreierkameradschaft; Franken; Hamburg; H a n nover; Kirchentagung; Lübeck; Mecklenburg; Nationalkirche; Niedersachsen; Nordwestdeutschland; Oldenburg; Ostpreußen; Pommern; Preußen; Reichskirche; Rheinland; Richtlinien; Saarland; Sachsen; SchleswigHolstein; Sportpalastkundgebung; Thüringen; Westfalen; Württemberg Deutsche Christen im Kampf 90 Deutsche Gottesworte 119, 162 f., 165, 167, 169, 171, 173 f., 180 - vgl. auch Bergpredigt Deutsche Theologie 229 Deutsche Volkskirche 261 ff., 266 ff., 271 - vgl. auch Volkskirche Deutscher Pfarrerbund 248 f. Deutsches Christentum 104, 106 Deutsches Evangelisches Gesangbuch 186 - vgl. auch Gesangbuch Deutsches Reich 24, 35, 120, 203 f., 241 - Reichskanzler (Hitler) 117, 143, 181 - Reichskanzlei 125, 130 f., 236, 249 f., 269 ff., 274 Gesetz zum Schutz der nationalen Symbole (1933) 125 Gesetz zum Schutze von Bezeichnungen der N S D A P (1937) 24 - vgl. auch Hitler, Führererlaß - Reichserziehungsministerium 123

Index - Reichsinnenministerium 40, 266 - Reichsjustizministerium 250 f., 270 f. - Reichskirchenministerium 54, 67, 70, 74, 107, 112 ff., 118, 120, 122, 124, 127 f., 131, 144, 198, 215, 235, 245, 249 ff., 263, 266, 270, 273 - Reichskirchenminister (Kerrl) 64, 66, 108 f., 111, 115 f., 120, 124, 244 ff., 248, 256, 258 f., 271 Verordnungswerk 115 ff. - Staatssekretär (Muhs) 109, 120, 124, 246, 266 - - Denkschrift 121 ff. - Volkskirchliches Amt 273 Deutsches Volkstum 101, 163, 169 - vgl. auch Volk Deutschtum 135 f., 141, 200, 204, 209 Dibelius, Otto, Pfr. 180 Die Bergpredigt 169 - vgl. auch Bergpredigt Die Botschaft Gottes 229 Die Christus bekennende Reichskirche 74, 82 - vgl. auch Reichskirche; Völkische Die deutsche Frömmigkeit 106 - vgl. auch Frömmigkeit Die Nationalkirche 223 - vgl. auch Nationalkirche Die Nationalkirche in Niedersachsen 106 - vgl. auch Nationalkirche; Niedersachsen Diehl, Ludwig, Landesbischof 70 Dietrich, Ernst, Landesbischof 68, 93, 209 Dietsch, Walter, P. 106, 151, 197, 259 ff., 271 ff., 274 Dinter, Artur, Schriftsteller 70 Doerr, Emil, O K R 273 Dogmatik 145 f., 149 f., 151, 156, 161 f., 177, 182 f., 194 f., 210, 221, 225 Dohrmann, Franz, Feldbischof 197, 199 Doketismus 223 Dolchstoßlegende 26 Donandt, Ferdinand, Rechtsanwalt 96 Dortmund 101, 216 - Pädagogische Hochschule 102 Dreierkameradschaft 86 - vgl. auch Führerkreis, Führerring Drittes Reich 31, 35, 52, 73, 111, 135, 141, 146, 167, 177, 184, 190, 200, 203, 231 f., 239, 260, 271 - vgl. auch Staat, nationalsozialistischer Dürr, Karl, Pfr. 99 19*

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Düsseldorf 103 Dungs, Heinz, Pfr. 95, 96 ff., 103 f., 146 ff., 257, 272 f. Edinburgh - Weltkirchenkonferenz 148 f. Edzard, G., Rechtsanwalt 268 Edzard, Hermann, Kaufmann 247,248 f. Eichmann, Adolf, Obersturmbannführer 264 Eid 66, 143, 260 f. Eidem, Erling, Erzbischof 71 Eigentum, kirchliches 122 Ein feste Burg 106 Eindeutschung 135 f., 145, 154 f., 159 f., 162 ff., 170 f., 173, 176 ff., 181 f., 202, 206, 219, 221 f., 230, 257 - Liturgie 137, 163, 182, 199 ff., 202, 205 f., 230 - vgl. auch Agende; Kommende Kirche, Feiern - Bibel 30, 52, 73, 102, 134, 137, 158, 160, 162, 164, 169, 174 ff., 199, 206 ff., 216, 219 f., 223 ff., 229 f. - Gesangbuch 102, 137, 182 ff., 199, 201 f., 206, 210, 216 f., 230, 257 - vgl. auch Altes Testament; Bibel; Neues Testament Eingliederung 22, 37, 40 f., 44 f., 92 Einheitskirche 26, 146, 185, 210, 239, 256 - vgl. auch Union Eisenach 70, 83, 87 f., 91, 96, 107, 224, 229, 257, 272 Eisenhuth, Heinz Erich, Systematiker 173 Elberfeld 103 Eiert, Werner, Kirchenhistoriker 133, 134 Ellinghausen, Hermann, Rechtsanwalt 252 Ellwein, Theodor, O K R 233, 255, 256 Engelke, Fritz, Reichsvikar 55, 56, 57 f., 67 f., 91, 134, 145, 164, 216, 219 ff., 228 England 71 f. Entjudung vgl. Judenfrage Erlebnis 157, 224, 239 - vgl. auch Gemeinschaftserlebnis; Kriegserlebnis Erneuerung vgl. Kirchenerneuerung Erziehung 98, 123, 142, 147, 154 f., 202, 232 ff., 239 f.

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Index

- vgl. auch Pfarrer, Ausbildung; Religionsunterricht; Schulwesen Ethik 159, 161, 170, 172, 174, 202, 211 Eutin - Landeskirche 61 Evangelienharmonie vgl. Heliand Evangelische Nationalsozialisten 24 Evangelischer Bund 68, 145, 166 Evangelisches Altona 189 - vgl. auch Gesangbuch Evangelium 26, 34, 52, 111, 149, 155 f., 158, 170, 176, 200 f., 213 f., 217, 227, 233 - vgl. auch Altes Testament; Bibel; Neues Testament Evangelium im Dritten Reich 24 Fakultäten, theologische 46, 115, 121, 123, 215, 238, 240 - vgl. auch Pfarrer, Ausbildung Familie 138 f., 193, 241 Fascher, Erich, Neutestamentier 68, 69 Fehsenfeid, Johannes, P. 126 Feiern 102, 239 - vgl. auch Kommende Kirche Feiertage, politische 202 Feldgesangbuch 196 ff. - vgl. auch Militär Fezer, Karl, Praktologe 49 Fichte, Johann Gottlieb, Philosoph 168 Fiebig, Paul, Neutestamentier 162 Fiebig, Walter, Pfr. 99 Fiedler, Georg, Praktologe 68, 85, 91, 104, 134 f., 182 f., 185, 200, 210 Finanzabteilungen vgl. Bremen, Landeskirche; Staatsaufsicht Finke, Heinrich, Rechtsanwalt 45,112 f., 268 Fischer, Senator 263 Forsthoff, Heinrich, Propst 103 Franken - D C 86, 266 ff., 273 f. - vgl. auch Deutsche Christen - NS-Gauleitung 266 Frankfurt a. M. 103 Frankfurter Zeitung 71 Franz, Volkmar, Kirchenrat 88 Freese, Nicolaus, Bauherr 39, 43 Freidenker 48 Freikirche 121 ff. Freikorps Epp 48 Freimaurer 264 Freitag, Albert P f r . 58 Frenssen, Gustav, Schriftsteller 163

Freydag, Adolf 238 f. Frick, Constantin, P. 21, 34 Frick, Wilhelm, Reichsminister 20, 35, 142 Friedrich Wilhelm III. von Preußen 200 Frömmigkeit 49, 106, 133, 138, 156, 181 f., 220, 222 Frommel, Emil, Hofprediger 218 Frontgeneration 25 f., 29, 133 f. - vgl. auch Gesinnung; Kriegserlebnis Führer vgl. Hitler Führerkreis, Führerring 74, 80, 86 f., 89, 91, 95 - vgl. auch Dreierkameradschaft Führerprinzip 33, 40, 42 ff., 47, 56, 64, 97, 113, 243 f., 245 f. Fürle, Günther, Vizepräsident 87, 247, 252 f. Gedächtniskirchen 124 ff. - vgl. auch Dankeskirchen Gedenktafeln vgl. Dankeskirchen Gegenwartsbibel vgl. Deutsche Christen, Luther-Deutsche Geheime Staatspolizei 41, 67, 99, 116, 249 f., 262 ff., 270 - vgl. auch Reichssicherheitshauptamt Gehorsam 157, 161 f. Geistchristliche Religionsgemeinschaft 70 Gemeinde 24, 46, 77, 241, 262, 266 - vgl. auch Bremen, Landeskirche Gemeindeführer vgl. Bremen, Landeskirche, Bauherr Gemeinschaft, religiöse 129 f., 267 Gemeinschaftserlebnis 151, 157, 159 - vgl. auch Erlebnis; Kriegserlebnis Gemeinschaftsschule vgl. Schulwesen Generalsynode vgl. Kirchenwahlen, Reich (Plan 1937) Gensch, Rudolf, P. 29, 100, 211, 240 Germanenmission 159, 176 Germanentum 160, 218, 233 Gesamtgemeinde vgl. Franken, D C Gesangbuch 138 f., 182 ff., 186, 189 ff., 194 ff., 201, 210 - vgl. auch Eindeutschung, Gesangbuch; Kommende Kirche Gesangbuch für die evangelische Christenheit 197 Gesellschaft vgl. Wertvorstellungen Gesetz und Evangelium 214

Index Gesinnung, soldatische 163, 181, 218, 238 f. - vgl. auch Heldentum Gewalt 172, 191 Glaube 52, 73, 86, 139, 154, 157, 163, 174, 193, 200, 205 f., 255 Glaubensbewegung vgl. Deutsche Christen Glaubensfreiheit vgl. Bremen, Landeskirche, Gemeinden Gleiwitz 148 f. Glocken 130 Godesberger Erklärung 85, 93, 102, 235, 254 ff., 272 Goebbels, Joseph, Reichsminister 128, 135, 141, 146, 207, 257, 271 Göring, Hermann, Ministerpräsident 126 Göring, Karin 234 Goeters, Wilhelm, Kirchenhistoriker 49 Goethe, Johann Wolfgang von, Dichter 194 Göttingen 28 f., 68, 119, 134, 215, 240 - Bremer Studienhaus 240 Gogarten, Friedrich, Systematiker 213 Goslar 78 Gottes Wort Deutsch 216 Gottesdienst 68, 116, 139, 163, 182, 194, 199 ff., 204, 241 Gottesdienststörungen 250, 261, 271 f. Gottgläubigkeit 265 Gottlosigkeit 134, 142 Greifenstein, Hans, Pfr. 38, 39 Groot, Carl, Amtsrat 33 Groscurth, Reinhard, P. 41 Großer Gott wir loben Dich 196 f. Grundmann, Walter, Theologieprofessor 50, 97, 154 ff., 222, 224 f., 229 f., 257 Gürtner, Franz, Reichsminister 251 Gustavus, Walther, OKR 248 Haacke, Gustav, P. 198 Haenchen, Ernst, Systematiker 229 Häresie 149, 151 Hagge, Oberrentmeister 65 Hahn, kirchl. Angestellter 259 Hahn, Gerhard, Vizepräsident 60, 61, 68, 70, 81 ff., 100, 257 Hamburg 68, 79, 101, 104, 182, 197 - Landeskirche 61, 108 f., 111, 113 - Landesbischof (Tügel) 38, 62, 77, 268 - D C 61, 76, 78 ff., 82, 89 Mitteilungsblatt 79 - NS-Gauleitung 142

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- Landgericht 28 Hannover 28 f., 68, 71,119,181 - Landeskirche 61, 70, 81, 83, 120, 262 f. - Landesbischof (Marahrens) 81 - D C 56, 70, 76, 81 ff., 91, 100, 106, 153 Landesgemeinde 85 ff., 272 DC-Kreis an der Niederelbe 84 f. - Landeskirchliche Sammlung 119 - Polizeipräsident (Lutze) 126 Harburg 81 - vgl. auch Hannover, DC-Kreis Harnack, Adolf von, Kirchenhistoriker 142 Hartl, Albert, Obersturmbannführer 264 Hartwich, Otto, P. 21, 34 Hebraismen 163, 183 f., 186 ff., 190, 192, 194 f., 197 f. - vgl. auch Begriffe; Eindeutschung Headlam, Arthur C., Bischof 61 Hedin, Sven, Schriftsteller 234 Heger, Adolf, Pfr. 94, 104 f. Heidelberg 270 Heidentum 74, 160, 179, 225 Heider, Otto, Senator 20, 21 ff., 30, 36 f., 41 f., 46 f., 66 ff., 99, 109, 112, 125, 243 Heiland vgl. Heliand Heilige Schrift vgl. Bibel Heim, Karl, Systematiker 28 Heldentum 24, 49, 133, 161, 183 f., 188, 206, 217 f., 221 ff. - vgl. auch Gesinnung Heliand 100, 160 ff., 176 f., 233 - vgl. auch Der Heliand Hempel, Johannes, Alttestamentler 68, 69, 82 Herder, Johann Gottfried, Philosoph 94 Herholtz, kirchl. Angestellter 259 Hermenau, Hans, Pfr. 73 Hermeneutik 155 f., 159 Heroismus vgl. Heldentum Heß, Rudolf, Stellvertreter des Führers 56, 124, 127 f., 235 f., 251 Heydrich, Reinhard, stellvertretender Chef der Gestapo 126, 264 Heydt, Friedrich Hermann von der, Pfr. 98 Hildebrandt, Ernst, P. 86, 91 Hildesheim 119 Himmler, Heinrich, Reichsführer SS 70, 73 f., 174, 264

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Hirsch, Emanuel, Systematiker 29, 34, 49 f., 82, 104, 142 ff., 155, 164 f., 186 ff., 192 ff., 198, 212 ff., 222, 225 ff., 238 Hirschfeld, Julius, Kaufmann 33, 39 Hitler, Adolf, Parteiführer und Reichskanzler 19, 24 f., 27, 31 f., 37, 51, 53 ff., 64, 72, 75, 89, 102, 113 ff., 126 ff., 135 f., 139 f., 143, 146, 156 f., 167, 174, 200, 202, 205, 208, 219, 231, 233 f., 236, 250 f., 265 f., 267, 271 - Führererlaß 116, 128 ff., 132 Hitlerjugend 41, 53, 123, 181, 201 f. Hollburg, Oberlandesgerichtsrat 28 Holl, Karl, Kirchenhistoriker 164 f. Hollje, Ernst August, P. 60, 92 f. Hollwein, Eduard, Dr. theol. 51 Holzner, Anton, vgl. Hartl, Albert Horst-Wessel-Gedächtniskirche 124 ff., 132, 139, 207, 172 Hossenfelder, Joachim, P f r . 23, 24, 39 f., 49 ff., 53 f., 56 ff., 63, 65, 74, 80, 86 ff., 98, 105, 135, 138, 153 Huch, Ricarda, Schriftstellerin 181 Hütwoll, Pfr. 149 Humburg, Paul, Pfr. 99 Idealismus 168, 205 f. Ideologie vgl. Wertvorstellungen Innitzer, Theodor, Kardinal 148 Institut zur Erforschung (und Beseitigung) des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben 104, 224, 229, 257, 272 f. - vgl. auch Thüringen, D C Intellektualismus 156 f., 159 Irrlehregutachten 89, 107, 180, 256 - vgl. auch Reichskirchenausschuß Israel 170, 178 f., 188, 219 - vgl. auch Antijudaismus; Begriffe; Eindeutschung; Hebraismen Jäger, August, Ministerialdirektor 45 Jannasch, Wilhelm, Hauptpastor 96 Jeep, Walter, P. 41, 108 f., 193 Jena 68, 222 Jesus 227 ff. Jirku, Anton, Alttestamentler 216 Johannesevangelium 174, 227, 234 - vgl. auch Bibel; Das Evangelium Johannes Deutsch Judenfrage 34, 68, 73 f., 83, 90, 94, 96,

102, 136, 154, 159, 169, 174, 223 f., 249, 251, 257, 264 - vgl. Antisemitismus Judentum 155 f., 158 f., 170, 174, 178, 183 f., 187, 213 f., 219, 221 f., 225 f., 229, 236, 255 Jugend 94, 181, 183, 190, 202 f., 237, 239, 263 Junge Kirche 71, 105, 189 f. Junker, Hermann, Studienrat 45, 113 Kaila, Erzbischof 71 Kameradschaft 146, 171, 174 Kampf- und Glaubensbewegung vgl. Deutsche Christen Kapferer, Fritz, P f r . 152 Karolingerzeit 160 Katechismus 201, 235, 237, 257 Katechismus für den teutschen Kriegsund Wehrmann 163 Katholisch-Nationalkirchliche Bewegung 148 ff., 152 - vgl. auch Union Katholizismus 28, 31, 68, 102, 119, 123, 136, 141, 145 ff., 151 f., 185, 203, 210, 255, 264, 267 - vgl. auch Papsttum Kaufmann, Pfr. 149 Kerrl, Hanns, Reichsminister 63, 64, 66 f., 70, 72, 87, 108 f., 111, 113 ff., 118, 120 f., 124, 127 ff., 137, 141 f., 167, 209, 215, 236 ff., 243 ff., 249 ff., 256 ff., 261 f., 273 Keßel, Fritz, Bischof 238 Kiel 68, 216, 220 Kinder, Christian, DC-Reichsleiter 14, 51 ff., 56 ff., 61 ff., 78, 92, 167, 174 Kirche, christliche 159, 173, 225 f., 241, 265 - vgl. auch Christentum Kirche, evangelische 19, 35, 52, 60, 79, 83, 121, 125, 133, 140, 147, 155 ff., 162 f., 190, 204, 265 f., 267 - Deutscher Ev. Kirchenausschuß 27 - Deutsche Evangelische Kirche 37, 40 f., 44 f., 50, 61, 71 ff., 90, 111, 115 f., 121, 143, 145, 149, 165, 228, 240, 261, 268, 270 - - Kirchenkanzlei 121, 124, 235, 253 Geistliches Ministerium 50 Geistlicher Vertrauensrat 245 Beschlußtabelle in Rechtsangelegenheiten 97

Index Gesetzesblatt 43, 166, 256 Gesetz und Verordnungen zur Sicherung der D E K 66, 69, 107, 112 f., 121, 144, 166 - Evangelische Kirche in Deutschland 22 Kirche, katholische vgl. Katholizismus Kirche und Volkstum in Niedersachsen 34, 94, 101, 166 - vgl. auch Niedersachsen Kirchenbewegung vgl. Thüringen Kirchenerneuerung 85, 89, 98, 133, 135 ff., 143, 145, 147, 209, 238, 241, 246, 250, 262, 266, 269 f. - vgl. auch Befriedung; Neuordnung Kirchenführer 124, 252, 257, 265, 269 Kirchengründung vgl. Deutsche Volkskirche Kirchenkampf 93, 99, 167, 169, 247, 251, 254 f., 267 f. - in Bremen 20, 22, 31, 247 f., 249, 258 f. Kirchenlieder vgl. Eindeutschung; Gesangbuch; Lieder Kirchenmusik 182, 188 f., 193, 201, 234 f. Kirchenrecht 20 ff. Kirchenreform vgl. Kirchenerneuerung Kirchensteuern 39 f. Kirchentagungen 93 - 1. Reichskirchentagung für Niederdeutschland (1935) 67 ff., 79, 83, 107, 140, 146, 181, 191 f., 240 - 2. Kirchentagung f ü r Niederdeutschland (1936) 69 ff., 74, 79 - 3. Kirchentagung für Niederdeutschland (1937) 209 f. - 4. Kirchentagung f ü r Niederdeutschland (1938) 239 - Reichstagung der Thüringer D C (1935, 1937) 70, 83, 107, 222 Kirchenverfassung 20 ff., 35 ff., 41 ff., 47, 111, 167 Kirchenverfolgung 90, 117, 231 Kirchenwahlen 48, 230 - Reich (1933) 33 ff., 49 - Reich (Plan von 1937) 90, 113 ff., 121, 130, 142 ff., 147, 153, 209 - Preußen (1932) 23 f., 48 - Bremen (1933) 35, 37 - Thüringen (1931) 48 Kittel, Helmut, Neutestamentier 212, 216, 228

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Klingler, Fritz, P f r . 248 f. Knittermeyer, Hinrich, Staatsbibliotheksdirektor 25, 73 Koch, Werner, P f r . 117 Kolli, Josef G., P f r . 104 Köln 149, 205 Kolfhaus, Wilhelm, P f r . 99 Kommende Kirche 74 f., 79 f., 85, 87, 90 f., 98, 102, 126, 138 f., 141 f., 144 f., 147, 149, 153, 155, 182, 188, 201, 216, 230, 233, 237 ff., 242, 250, 254 ff., 260, 262, 268, 271 ff. - Feiern 201 f f . - Lieder der Kommenden Kirche 186 ff., 192 ff., 198 - Gesangbuch der Kommenden Kirche 104, 192 ff., 198 Kommende Kirche 74, 79, 94, 96, 98 ff., 104 ff., 111, 129 f., 138, 144 f., 147, 149, 151 f., 168 f., 185, 189, 202, 207 ff., 212, 214, 220, 222, 225, 227, 230, 232 f., 235, 238, 240, 255, 257, 271 f. Kommissar 20, 30, 33, 36 Kommunismus 19, 22, 48 - vgl. auch Bolschewismus Konfessionen 142, 146 f., 149 ff., 153, 185, 208, 240, 265 Konfessionsschule vgl. Schulwesen Koopmann, kirchl .Angestellter 259 Koopmann, Otto, Landeskirchenamtspräsident 39 Kopernikus, Nikolaus, Astronom 211 Kramer, Aeilt, P. 110 Krause, Reinhold, Studienrat 38, 50, 65 Krenge, Ernst 198 Kreuzer, Erwin, Bischof 148 f. Kriegserlebnis 133 ff., 137, 151, 164, 168, 171 ff., 238 - vgl. auch Frontgeneration Kritzinger, Friedrich Wilhelm, Unterstaatssekretär 269 Krüger, Hauptlehrer 58 Kube, Wilhelm, NS-Fraktionsführer 49 Kulenkampf-Pauli, Reinhold, Rechtsanwalt 39 f., 43, 44 Kulturprotestantismus 110, 183 Kunstmann, kirchl. Angestellter 259 Kunze, Gerhard, Sup. 194 f. Laien 20, 36 f., 40, 42, 111, 152, 201, 210, 216, 222, 230, 240, 248

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Index

- vgl. auch Bremen, Landeskirche, Gemeinden, Bauherr Laienpriestertum 239 ff. Lamm Gottes 177, 184, 194 f., 234 Lammers, Hans Heinrich, Reichsminister 125, 127 ff., 131 f., 249 ff., 264, 270, 272 Landeskirchen 21 f., 42, 46, 48, 53, 55, 61, 66, 74, 77, 81, 89, 108 ff., 111 ff., 115, 122, 126, 141, 144, 197, 199, 265, 267, 274 - Landesbischöfe 42, 46 - Landes-(Provinzial-)kirchenausschüsse 109, 114 f. - vgl. auch Bayern; Braunschweig; Bremen; Eutin; Hamburg; Hannover; Lippe; Lübeck; Mecklenburg; Niedersachsen; Österreich; Oldenburg; Preußen; Sachsen; Schaumburg-Lippe; Schleswig-Holstein; Thüringen; Württemberg Lange, Karl Willy, P . 45, 259 Langen, Paul, Studienrat 29, 31, 233 Leffler, Siegfried, DC-Führer 28, 48, 51, 62 ff., 68, 75, 78 ff., 83, 85 ff., 91, 104 f., 111, 140, 146, 152 f., 229, 254, 256 f., 267, 272 Legenden 227 Lehbrink, Theobald, Sup. 91 Leipoldt, Johannes, Neutestamentier 223 f. Leipzig 223 Leist, Otto F., Rechtsanwalt 47, 108 Leonhard, Robert, P. 23, 34 Leutheuser, Julius, Kirchenrat 48, 68, 82, 88 f. Ley, Robert, Reichsorganisationsleiter 59 Liberalismus 22, 27, 183 - kirchlicher 27, 29, 36, 51, 108, 110, 138 Liebau, Max, P. 86 Lieddichter 181, 188, 193, 201 Lieder 181 f., 185 f., 189, 198, 201, 206, 242 - vgl. auch Gesangbuch; Kirchenmusik - der Reformationszeit 161, 182, 186, 190 Liesche, Richard, Domorganist 182, 185 f., 192 f., 273 Lietzmann, Hans, Kirchenhistoriker 227 Limburg a. d. Lahn 142 Lippe - Landeskirche 30

Liturgie vgl. Agende; Eindeutschung Loccum 98 Löns, Hermann, Dichter 181 Loerzer, Fritz, O K R 40, 41, 56, 58 Lortz, Joseph, Religionshistoriker 150 Lottes, Andreas, Ingenieur 266 ff., 274 Lübeck - Landeskirche 61, 108, 111 - D C 76, 86 Luther, Martin, Reformator 31, 49, 52, 68, 102 f., 119, 141, 147, 150 f., 164 ff., 171, 174 ff., 182, 188, 190, 200 f., 203, 208, 211, 234, 246 Lutherbibel 163 ff., 175, 206, 209, 211, 221, 226, 229 - vgl. auch Bibel Luther-Deutsche vgl. Deutsche Christen Lutherrat 114 Lutherrenaissance 164 f., 256 Luthertum 46, 49, 78, 89, 98 f., 119, 151, 162, 185, 199 Lutze, Viktor, Polizeipräsident 126 Machtanspruch des NS-Staates 20, 22, 45 f., 149, 157 - vgl. auch Staat Machtergreifung 27, 30, 76, 163 ff., 202, 204 f., 207 f., 224, 232 Magdeburg 163 Mahrenholz, Christhard, O K R 29, 71, 185 f., 193, 197 Mallow, Anton, P. 185, 186, 193 Mannheim 148, 152 Manns, Α., Schriftleiter 34 Marahrens, August, Landesbischof 46, 47, 53, 81, 119, 124 Marburg 96, 222 Markert, Richard, Reichskommissar 20 Marxismus 26 Materialismus 136 Mecklenburg/-Schwerin, -Strelitz - Landeskirche 61, 88, 108 - Kirchenregiment 90, 108, 111 - D C 76, 82, 86, 90 f., 100, 153 Mitteilungsblatt 148 f. - Bund der NS-Pastoren 90 f. Mein Kampf 27, 265, 267 Meinhold, Peter, Kirchenhistoriker 91, 216 Meiser, Hans, Landesbischof 46, 47, 53, 123 f., 249, 267 f. Meißner, Hans-Otto, Staatsminister 126 Menge, Hermann, Philologe 166

Index Menken, Gottfried, Systematiker 210 Meyer, Carl Eduard, Kaufmann 45, 112, 247 f., 264 Meyer, Conrad Ferdinand, Dichter 201 Meyer, Friedrich Wilhelm, P. 185, 193 Meyer, Heinrich, P. 76, 82, 83, 85, 99 f., 272 Meyer, M., kirchl. Angestellter 259 Meyer, Paul, P. 259, 274 Meyer, Rudi, Vikar 93 Meyer-Erlach, Wolf, Praktologe 91 Militär 53, 189, 197, 236, 238 f. - Oberkommando des Heeres 196 f., 199 - Oberkommando der Wehrmacht 199 Militärseelsorge 196, 198 f. Minden 99 Mirbt, Carl, Kirchenhistoriker 28 Mitte, kirchliche 47, 71, 86, 90, 114 f., 160, 167, 189, 235, 254, 256 - vgl. auch Neutralität Mitteilungsblatt 69, 79, 86 f., 99, 101, 149 f. Molanus, Gerard Walter, Theologe 28, 40 Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst 194 Mose, Hans, Prokurist 45 Mülheimer Kreis 95 - vgl. auch Rheinland, D C Müller, Kassenwart 274 Müller, Friedrich, Pfr. 188 Müller, Ludwig, Reichsbischof 38 f., 43 ff., 49, 50 ff., 56, 58 f., 66 ff., 69 ff., 82, 84, 86, 91 f., 108, 119, 140, 142 f., 153, 163, 166 ff., 171 ff., 177 f., 180, 220, 236 ff., 271, 274 München 23, 59, 248, 268 Münster 99, 142, 216 Muhs, Hermann, Staatssekretär 29, 71, 109, 112 f., 118 ff., 127 f., 144, 238, 245, 247 f., 251 ff., 262, 266 f., 269 ff., 273 f. Namensgebung 124 ff., 131, 246 Nationale Opposition 19, 163, 168 Nationalismus 163 f., 168, 181, 191, 212 Nationalkirche 26, 28, 52, 62, 65, 78, 84, 95, 103, 107, 113, 116 ff., 137, 140 f., 145 ff., 152 f., 185, 199, 204, 209, 268 - vgl. auch Kommende Kirche; Reichskirche; Thüringen; Weidemann Einung Nationalkonservatismus 26, 157

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Nationalprotestantismus 26, 134, 164, 203, 206 Nationalsozialismus 19, 22, 30 ff., 41 f., 48, 61 f., 68, 93, 122 ff., 129, 135 f., 138 ff., 146, 150, 154 f., 157 f., 169 f., 173, 180, 190, 202, 204, 206 f., 212, 218, 224, 230, 232, 235 ff., 240 f., 256, 263, 266, 269 - vgl. auch Weltanschauung; Wertvorstellung Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei 19 f., 22 ff., 27 f., 30, 32, 41, 49, 51, 53, 56 f., 59, 64, 66, 70, 73 ff., 83, 109, 118 ff., 124 ff., 135, 139, 141, 143, 145, 147, 149, 153, 207 f., 232, 237, 240 f., 250, 264 - Reichsparteileitung 23 f., 49, 59 - Reichspropagandaleitung 143 - Politische Organisation 24, 57, 181, 201 - Stellvertreter des Führers, Parteikanzlei 56, 129, 235, 266 - vgl. auch Bund Deutscher Mädel; Hitlerjugend; Schutzstaffel; Sturmabteilung Nationalsozialistischer Lehrerbund 235 Nationalsozialistischer Studentenbund 173, 207 Neue Baseler Zeitung 64 Neues Testament 27, 38, 73, 138, 155, 158, 173, 175, 178 f., 209, 212 f., 220, 222, 224, 226, 228 ff., 234, 236 - vgl. auch Altes Testament; Bibel Neuheidentum 72 Neuordnung der Kirche 26 f., 35, 75 f., 107 ff., 116, 120 f., 209 - vgl. auch Befriedung; Kirchenerneuerung Neutralität 26, 70, 75, 93, 109 f., 261 New York 177 - Union Theological Seminary 166 Niedersachsen 77, 94, 119 - Landeskirchen 199 f. - D C 34, 38, 70, 76, 78 f., 85 f., 91, 107, 110, 119 f., 135, 164 f., 199 - - Mitteilungsblatt 69, 86 f., 99, 101 Arbeitsgemeinschaft 61, 65 f., 82, 85, 91, 99 - Arbeitsgemeinschaft niedersächsischer Pfarrer 85 Niss, Geschäftsführer 80 Nöldeke, Martin, Pfr. 166 Nolle, Heinz, P. 108

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Index

Nomos vgl. Volksnomostheologie Nordwestdeutschland - D C 59 f., 61, 65 Nürnberg 266 ff. Oberlies, Wilhelm, P. 96, 97, 103 Obrigkeit 32, 93, 146, 157, 204, 219 f., 261 Ökumene 117, 144, 150, 255 Österreich 105, 126, 130, 147, 241 - ev. Kirche 126, 147 - kath. Kirche 148 Offenbarung 134, 140 Ohlemüller, Gerhard, Generalsekretär 68, 145 Oldenburg 125 - Landeskirche 39, 61, 92, 108, 113, 120 - D C 76, 82, 92 ff. - BK 92 f. Oliver, Rechtsanwalt 29, 120 Opfer 177, 222 Ordensburgen 240 Orthodoxie 28 f., 36, 38, 93, 108, 110, 155, 162 Osterholz 124, 130 Ostfriesland 99 Ostpreußen 210, 238 - D C 49 Otto, Rudolf, Religionsphilosoph 28 Oxford - Weltkirchenkonferenz (1937) 90, 117, 231 Pack, Johannes, P. 86, 95 ff., 105 Paetow, Paul 79 f. Pampus 271, 274 Papsttum 145, 148 f., 151 ff., 191 - vgl. auch Katholizismus Parlamentarismus 27, 36, 64 Partei vgl. N S D A P Parteimitgliedschaft von Geistlichen 131 f. Pastoralblätter 16 Paulus, Apostel 210, 213, 218 f., 221 f., 225 ff. Paulus 226 ff. Pazifismus 26, 172 f. Persönlichkeit 102, 233 f., 239 Petersmann, Werner, P. 99, 229, 254 ff., 272 Petri, Leopold, Polizeipräsident 33 Pfäfflin, Friedrich, Bibelübersetzer 166

Pfalzgraf, Erich, P. 35, 45, 71, 113, 185 f., 188, 198 Pfarrer - Ausbildung 155, 122 f., 238 ff. - Stellenbesetzung 22, 36, 40 f., 96 f., 244 - vgl. auch Bremen, Landeskirche, Gemeinden Pfarrernotbund vgl. Oldenburg, BK Piersig, Johannes, P. 110 Pietismus 76, 137 f., 155, 176, 182, 184, 186, 190 Pius XII. (Pacelli) 145, 152 Pommern - D C 54, 56, 59 Positives Christentum 72, 188 - vgl. auch Christentum, positives Potsdam 125, 130 Predigt 29, 34, 41, 133, 201, 211, 241, 261 Presse 99, 128, 130, 148, 197, 199 - kirchliche 99 ff., 105 f., 142 - deutschchristliche 104 f., 120, 152, 165 f. Preußen 182 - APU 23 f., 48, 53, 58, 60, 235 - D C 24, 53, 58, 60 - Landtag 49, 119 - Kultusminister (Rust) 232 Professoren vgl. Theologen Propp, Hugo, Landessup. 87 f., 274 Protestantismus 28, 52, 151, 203, 210, 255, 265, 267 Protestantenblatt 32 Publizistik 26, 30, 54, 161, 163, 169 - vgl. auch Presse Quellenstudien 216, 222 Quidde, Rudolf, Kirchenausschußpräsident 20, 32, 35 Rademacher, Friedrich, Sup. 85 Rahm, Hermann, P. 25, 33, 45, 185 f., 192, 205, 228, 259 f. Rahn, Felix, Sup. 81, 201 Rasse 24, 74, 136, 150, 159, 178, 180, 210, 217, 221, 249 - vgl. auch Antisemitismus; Judenfrage Rassengesetze 64, 83, 136 Rationalismus 218, 224, 227 Rauhes Haus 164, 220 Redeker, Martin, Systematiker 91, 104, 106, 211 f.

Index Refer, Karl P. 25, 28, 30 f., 34, 45, 55, 68, 73, 165 f., 175 f., 213, 219, 259 ff., 274 Reform, religiöse 27, 35, 37, 52, 90, 137 ff., 265 - vgl. auch Kirchenerneuerung; Neuordnung Reformation 25, 119, 137, 141, 150, 161, 164, 176, 182, 186, 200 f., 203, 241 Reformierte 46, 99, 151, 156 Reformierte Kirchenzeitung 167 Rehm, Wilhelm, Studienrat 55, 61, 63 ff., 68, 70, 79 f., 84, 93, 107, 114, 137, 167 Reich vgl. Deutsches Reich Reichsbewegung vgl. Deutsche Christen Reichsgemeinde 89 - vgl. auch Thüringen, D C Reichsgesangbuch 185, 192, 194 f. - vgl. auch Gesangbuch Reichskirche 25 ff., 30, 36, 39 f., 42 ff., 46, 49 f., 52 f., 60, 66 ff., 86, 89, 92, 94, 111, 140 ff., 147, 152 f., 203, 220, 262, 268 f. - Reichskirchengesetz (1933) 33, 36, 98, 140, 167 - Reichsbischof (von Bodelschwingh, Müller) 35, 39, 42 ff., 49, 51, 53, 55 f., 64 f., 67, 69 ff., 75, 77, 82, 91 f., 108, 110, 119, 140 f., 143, 162, 165, 167, 169, 173, 181, 197, 271, 274 - vgl. auch Kirche, evangelische, Deutsche Evangelische Kirche; Kirchenwahlen; Kommende Kirche; Nationalkirche; Völkische Reichskirchenausschuß 47, 64, 67, 84, 89, 91, 94, 107 ff., I I I , 113 ff., 117, 119 f., 123, 130, 165, 167 ff., 171, 173, 180, 234 f., 256 - Gutachten 89, 107, 119, 173 - Denkschrift 234 Reichskirchenbewegung 140 - vgl. auch Bremen, D C Reichskirchentagung vgl. Kirchentagung Reichskonkordat 145 Reichspressekammer 87, 99 Reichssicherheitshauptamt 252, 256, 264 f. - vgl. auch Geheime Staatspolizei Reichsstatthalter 74, 125, 269 Reichsverband für evangelische Kirchenmusik 196 Reichswart 141

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Reimarus, Hermann Samuel, Theologe 211 Religiös-Soziale Bewegung 30, 213 Religionspädagogik 102, 233, 235 Religionsunterricht 102, 196, 210, 216, 232 ff., 257 Revolution 31, 139, 224 - religiöse 75 f., 85, 139 - vgl. auch Reform Rheinland 96, 169, 205 - Landeskirchenamt 96 - D C 86, 95 ff., 100, 103, 105, 153, 241, 257 Ribbentrop, Joachim von, Botschafter 72 Richtlinien, deutschchristliche - (Hossenfelder) 24, 49, 98 - (Müller) 38, 49 - (Sachsen) 51 f. Riege, Adolf, Domprediger 209, 212 Rinau, Wilhelm, Fabrikant 45 Rippe, J. H., DC-Gemeindegruppenleiter 259, 269 Rittertum 86, 101, 182, 188, 236, 240 Robbins, H . C. 166 f., 177 ff. Röhm, Ernst, Stabschef der SA 46 Rover, Carl, Gauleiter, Reichstatthalter 19, 125 ff., 131, 261 Roffhack, Kurt, Beamter 45 Rom 145 ff., 148 f., 152 Rosenberg, Alfred, Reichsleiter 70, 118, 120, 123, 129, 142, 160, 207, 235 f., 251, 271 Rosenboom, Wiard, P. 34, 110 Rosenkranz, Rechtsanwalt 268 Rostock 220, 222 Rundfunk 104, 199 Ruppel, Erich, Vizepräsident 119, 122, 124 Rust, Bernhard, Staatsminister 232 Saarland 210 - D C 24 Sachsen - Landeskirche 50 - Volksmissionarische Bewegung 50 f., 56 Säkularisation 162 f., 212, 234 Sager, Fritz, P. 60, 91 Sammlung, kirchliche 210, 256, 265, 267 f. Sarkander, August, Oberlehrer 45 Sasse, Martin, Landesbischof 96, 97, 117 Schäfer, Adolf, P. 34

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Index

Scharrel, Hermann van, Kaufmann 33, 45 Schaumburg-Lippe - Landeskirche 61 Schemm, Hans, Staatsminister 235 Schilling, Eduard, Kaufmann 108 Schlatter, Adolf, Neutestamentier 22, 154 ff., 219, 221 Schlegelberger, Franz, geschäftsführender Reichsminister 251 Schleiermacher, Friedrich, Theologe 216, 218 Schlesien 210, 241 - BK 99 Schleswig-Holstein - Landeskirche 61 - D C 65 Schmidt, Ferdinand 197 Schmidt, H . W., Theologe 216 Schmidt, Walter, P. 34 Schmidt zur Nedden, Hermann, Oberkirchenratspräsident 87, 88 Schneider, Carl, Neutestamentier 104 Schneider, Georg, Pfr. 86 Schöffel, Simon, Landesbischof 38, 39 Schöpfungslehre, -Ordnung 154, 170, 255 Schöttler, Johannes, Generalsup. 103, 104, 106, 134, 209 f., 212, 216 ff., 222, 226 ff., 231, 238 Schomburg, Walter, P. 182, 185, 186, 188 f., 193, 196, 201, 255, 259, 273 Schomerus, Hans, Studiendirektor 255, 256 Schreiner, Helmuth, Praktologe 220 Schröder, Rudolf Alexander, Dichter 188 Schröer, Gustav, Schriftsteller 201 Schröer, Heinz 189 ff. Schüler, Gustav, Schriftsteller 188, 201, 234 Schütte, Franz, Kaufmann 249 Schütz, Heinrich, Komponist 189 Schultheiß, Heinrich, P. 175 Schultz, Johannes, O K R 87, 260, 263, 274 Schultz, Walther, Landesbischof 60, 81, 90 ff., 271 Schulwesen 144, 147, 210, 232, 234 - vgl. auch Erziehung; Religionsunterricht Schutzstaffel 53, 74, 125, 241 Schwaner, Wilhelm, Schriftleiter 163 Schwarzes Korps 147 Schwerin 90, 108

Schwert des Geistes 133, 216 Sebaldsbrück 124, 130 Seidler, Adolf, Oberregierungsrat 33, 45, 60 Sektierertum 51, 90, 118, 264 Seminar, Liturgisches für Niedersachsen 199 f. Sicherheitsdienst 249 Silcher, Friedrich, Komponist 181 Simon, Matthias, Pfr. 166 Singt Lob und Dank 196 Skandinavien - Erzbischöfe 71 Soden, Hans von, Kirchenhistoriker 222 Soldin 164 Sommer, J. W. E., Mitglied der Bischöflichen Methodistenkirche 148 Sozialdemokratie 19, 48 Spitta, Theodor, Bürgermeister 21,107 f. Sportpalastkundgebung 37 f., 50 f., 65 - vgl. auch Deutsche Christen Sprache vgl. Eindeutschung Spree, Richard, Pfr. 197 Staat 156, 159 - christlicher 26, 205 - nationalsozialistischer 16, 20, 26 f., 32, 42, 53, 70 ff., 75, 83, 90, 93, 99, 111, 118, 122 f., 126, 142, 145, 147 f., 150, 159, 169, 226, 232, 234 ff., 239 f., 249 - vgl. auch Drittes Reich; Machtanspruch Staatsaufsicht 115, 121 f., 144, 238 Staatskirche 115 f., 121 ff., 141, 144, 199, 256 - vgl. auch Verhältnis Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten 181 Stahn, Julius, Ministerialrat 70, 113, 124, 131, 245 Stapel, Wilhelm, Publizist 26, 91, 101, 133, 138 f., 163, 168 f., 175, 193, 209, 213, 216 Stark, Willy, Pfr. 163 Steengrafe, Otto, Landgerichtsdirektor 33, 45 Stoecker, Adolf, Theologe 141 Stoevesandt, Karl, Arzt 31, 36 Storch, Helmut 181 Straßer, Georg, Reichsorganisationsleiter 24 Strathmann, Hermann, Neutestamentier 170 Strube, Rechtsanwalt 268

Index Stuckart, Wilhelm, Oberlandesgerichtspräsident 116 Stuewer, Robert, P. 80, 257 Sturm, Paul 104 Sturmabteilung 38, 46, 53, 123, 125, 181, 201, 241 Südhannover-Braunschweig - NS-Gauleiter (Muhs) 119 Sünde 155, 161 f., 179, 183, 195 Suhr, Hans, Lehrer 185, 193 Tatchristentum 161, 183, 213, 218 Tausch, Friedrich, P. 86, 88 Tellmann, Arend, Rechtsanwalt 45, 108 The Times 72,117 Theologen 210, 215 f., 222, 228, 230 f., 238 - vgl. auch Akademiker Theologie 28, 30 f., 42, 49, 52, 139, 142, 154 ff., 159 f., 165, 194 f., 212 f., 223, 225, 257 - vgl. auch Begriffe Theologie der Gegenwart 154, 180 Theologische Literaturzeitung 173 Theologische Montagsgesellschaft 29 ff. Thierack, Otto, Reichsminister 251, 271 Tholuck, Friedrich August, Theologe 211 Thom, Martin, Pfr. 98 Thüringen 29, 48 - Landeskirche 108, 111 - D C (Kirchenbewegung, Glaubensbewegung, Nationalkirchliche Bewegung, -Einung) 24, 48 f., 56, 62 f., 64 f., 69 f., 75, 78 ff., 82 f., 84 f., 86, 89 f., 91 f., 93, 96 f., 98, 100, 104 f., 107, 109, 111, 146, 152 ff., 181, 196 f., 222 ff., 230, 254 ff., 266 f. 272 ff. Thyssen, Paul, P. 25, 30 f., 45 Tiesler, Karl, Pfr. 95, 103, 168 ff. Tillich, Ernst, Theologe 117 Tötung 171 Tolstoi vgl. Pazifismus Totalitarismus vgl. Machtanspruch Transzendenz 179 f. Tügel, Franz, Landesbischof 23, 53 f., 60, 61 ff., 65, 77 ff., 81, 100 f., 124, 235, 268 Uhland, Ludwig, Dichter 189, 198 Union, konfessionelle 149 f., 256 - vgl. auch Einheitskirche Universitäten vgl. Fakultäten Unsere Kampflieder 181 Unterordnung vgl. Gehorsam

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Uppsala 71 Urban, Erich, P. 23, 34, 110 Veranstaltungen vgl. Kommende Kirche, Feiern Verband evangelischer Kirchenchöre 197 - vgl. auch Kirchenmusik Verbände - diakonische 46 - völkisch-christliche 46 Verdeutschung vgl. Eindeutschung Verhältnis von Kirche, Staat und N S D A P 21, 26 f., 30, 32, 53, 60, 83, 111, 121 f., 126 ff., 131 f., 141 ff., 153, 159, 174, 177, 206, 256 Verkündigung 26, 94, 168, 193, 203 f., 223 f. Vietor, Friedrich, Kaufmann 33, 45 Völkische 38, 50 f., 103, 111, 134, 136, 150, 154, 156 f., 160, 162 ff., 169, 175 f., 178 f., 183, 191, 201, 212, 214, 217 f., 225 f., 229, 234, 236, 241, 267, 270 - völkische Reichskirche 145, 153, 203 - vgl. auch Reichskirche Volk, Volkstum 94, 101, 122, 135 f., 139 f., 154 ff., 158 f., 163, 169, 174, 183, 203, 208, 212 f., 217, 233, 241 Volk vor Gott 62 Volkers, Johannes, Landesbischof 60, 92 ff., 100, 113 Volkserziehung vgl. Erziehung Volksgemeinschaft 34, 146, 170 f., 174 - vgl. auch Gemeinschaft religiöse Volkskirche 37, 50 ff., 54, 87, 133, 135, 137 ff., 153, 187, 209, 240, 254 ff., 268 Volkskirchliches Amt vgl. Deutsches Reich, Reichskirchenministerium Volkskirchliche Arbeitsgemeinschaft 233, 256 Volkslied vgl. Gesangbuch; Lieder Volksmission 34, 50, 52, 54, 91, 111, 138, 163 f., 169, 183, 215, 220, 233, 239 Volksnomostheologie 136, 146, 168 ff., 202, 212 f. Volkstestament 229, 257 Wahlen - Reichstagswahlen (1933) 19 f., 31 - vgl. auch Kirchenwahlen Walter, Hans 149

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Wasserhorst 30 Wegener, Paul, Kaufmann 25 Wehowsky, Paul, P. 79, 212 Wehrmacht vgl. Militär Weidemann, Heinz, Landesbischof 18, 25 ff., 33, 36 ff., 39 ff., 52 ff., 63, 65 ff., 73 ff., 119 f., 124 ff., 145 ff., 150, 153, 157, 162, 166, 174, 177, 179 f., 182, 185 f., 191 f., 195 ff., 201, 203, 208 ff., 220, 222, 224, 226, 228 f., 231, 239 ff., 256 ff., 267 ff. Weidemann-Einung vgl. Deutsche Christen Weidenmüller, Erich, Vikar 266 ff., 273 Weigel, Martin, Pfr. 193 Weimar 68, 106 Weimarer Republik 22, 26 f., 32, 36, 168, 219, 232 Weissler, Friedrich, Jurist 117 Weltanschauung 62, 73, 122, 128, 207, 211, 218, 234, 236 f., 239, 241, 255 - vgl. auch Nationalsozialismus Weltkrieg - Erster 21, 24 ff., 28, 133, 135, 151, 181, 191 - Zweiter 20, 94, 244 f. - vgl. auch Frontgeneration; Gesinnung; Kriegserlebnis; Militär Wendel, Adolf, Alttestamentler 104 Wentz, Karl, theologischer Dirigent 99 Werdermann, Hermann, Religionspädagoge 101 f., 102, 104, 106, 216, 233 ff. Werner, Friedrich, Leiter der Kirchenkanzlei der DEK 121, 256 Wernigerode 267 Wertvorstellungen 169 f., 173 f., 177, 179, 184, 187, 202, 215 - vgl. auch Nationalsozialismus Weser-Ems - DC-Landesgemeinde 83, 85, 272 - NS-Gauleiter (Rover) 125 Wesermünde 262 Wessel, Horst, SA-Mann 125, 129, 131 Westfalen 99

- DC 56, 99, 241 Westphal, Lothar, Bürgermeister 45 Wicke, H., OKR 160 ff. Wien 216 Wieneke, Friedrich, Pfr. 52, 58, 98, 104, 164, 215, 235, 267 Wieratal vgl. Thüringen, DC Wilken, Gustav, P. 28, 40, 41, 110 Wilm, Walter, Pfr. 95 Winkel, Erich, Dr. theol. 216, 220, 222 ff. Wissenschaftlichkeit vgl. Bibelwissenschaft Wittenberg 49 Wittenberger Bund 256 - vgl. auch Mitte Wobbermin, Georg, Systematiker 82, 83, 240 Wolf, Heinrich, Gymnasialprofessor 103, 104 Wolfenbüttel 160 Wolff, Harald, Organist 185, 193 Wrede, William, Neutestamentier 211 Württemberg - Landeskirche 108 Gesangbuch 190 - Landesbischof (Wurm) 38 - DC 86 Wuppertal-B armen 99 Wurm, Theophil, Landesbischof 46, 47, 53, 124, 234 f. Zänker, Otto, Landesbischof 46, 47 Zahn, Karl Friedrich, Reichsjugendpfarrer 73 Zahn, Theodor, Neutestamentier 73, 211 Zentralisierung 122, 124, 144 Zibail, Rendant 59 Zionismus vgl. Hebraismen Zivilrecht 172 Zoellner, Wilhelm, Generalsup. 70, 114 f., 118, 130 Zwei-Reiche-Lehre 46 Zwischen den Zeiten 30

Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes Begründet von K u n D. Schmidt. Hrsg. im Auftr. der Evang. Arbeitsgemeinschaft für Kirchl. Zeitgeschichte von Georg Kretschmar und Klaus Scholder Bei Bestellung des Gesamtwerkes 1 5 % Ermäßigung 1 O t t o Diehn · Bibliographie zur Geschichte des Kirchenkampfes 1933-1945. 1 9 5 9 . 2 4 9 Seiten, brosch. 2 Paul Gürtler - Nationalsozialismus und Evangelische Kirche im Warthegau. 1958. 3 6 1 Seiten, brosch. 3 Wilhelm Niemöller - Die zweite Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zu Dahlem, (vergriffen) 4 Dieter von Lersner • Die evangelischen Jugendverbände Württembergs und die Hitlerjugend 1933-1934. 1959. 72 Seiten, brosch. 5 Gerhard Niemöller - Die erste Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zu B a r m e n Bd. 1: Geschichte, Kritik und Bedeutung der Synode und ihrer Theologischen Erklärung. 1959. 2 6 9 Seiten, brosch. 6 Bd. 2 : T e x t , Dokumente, Berichte. 1959. 2 0 9 Seiten, brosch. 7 Wilhelm Niemöller · Die vierte Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zu Bad Oeynhausen. 1960. 343 Seiten, brosch. 8 Friedrich Middendorff · Der Kirchenkampf in einer reformierten Kirche (Evangelisch-reformierte Kirche Nordwestdeutschlands). 1961. 182 Seiten, brosch. 9 Ludwig Heine - Geschichte des Kirchenkampfes in der Grenzmark Posen-Westpreußen. (1930-1940). 1961. 115 Seiten, brosch. 10 Karl Stoevesandt - Bekennende Gemeinden und deutschgläubige Bischofsdiktatur in Bremen 1933-1945. 1 9 6 1 . 201 Seiten, brosch. 11 Gerhard Niemöller · Die Bekenntnissynode zu Halle 1937. 1963. 4 5 9 Seiten, brosch. 12 Wilhelm Lucken - Kampf, Behauptung und Gestalt der evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen. 1 9 6 3 . 201 Seiten, brosch. 13 Dokumente des Kirchenkampfes Bd. 2 : Die Zeit des Reichskirchenausschusses 1935-1937 T l . 1: 1 9 6 4 . 764 Seiten, brosch. 14 T l . 2 : 1965. 6 5 9 Seiten, brosch. 15 Zur Geschichte der Kirchenkampfes. Gesammelte Aufsätze I. 1965. 3 2 4 Seiten, brosch. 16 Wolfgang Tilgner - Volksnomostheologie und Schöpfungsglaube. 1966. 2 6 8 Seiten, kart. 17 Theodor Dipper · Die evangelische Bekenntnisgemeinschaft in Württemberg 1933-1945. 1966. 2 9 4 Seiten, kart. 18 Angelika Gerlach · Die Kirche vor der Eidesfrage. 1967. 2 3 5 Seiten, kart. 19 Martin Pertiet · Das Ringen um Wesen und Auftrag der Kirche in der nationalsozialistischen Zeit. 1968. 3 3 9 Seiten, kart. 20 Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zu Augsburg (3.). 1969. 3 4 9 Seiten, kart.

V A N D E N H O E C K & RUPRECHT · GÖTTINGEN UND Z Ü R I C H

21 Christian Luther - Das kirchliche Notrecht, seine Theorie und seine Anwendung im Kirchenkampf. 1933-1937. 1969. 204 Seiten, kart. 22 Erich G . Rüppel · Die Gemeinschaftsbewegung im Dritten Reich. 1969.258 Seiten, kart. 23 Die Synode zu Steglitz. 1970. 382 Seiten, kart. 24 Horst Kater · Die Deutsche Evangelische Kirche in den Jahren 1933 u. 1934. 1970. 226 Seiten, kart. 25 Peter Neumann • Die Jungreformatorische Bewegung. 1971. 182 Seiten, kart. 26 Zur Geschichte des Kirchenkampfes. Gesammelte Aufsätze II. 1971. 332 Seiten, kart. 27 Albert Stein · Die evangelische Laienpredigt. 1972. 156 Seiten, kart. 28 Hans J . Reese - Bekenntnisse und Bekennen. 1974. 620 Seiten, engl. br. 29 Die Preußensynode zu Dahlem. 1975. XXV, 251 Seiten, engl. br.

Ergänzungsreihe 1 Johann Bielfeldt • Der Kirchenkampf in Schleswig-Holstein 1933-1945. 1964. 268 Seiten, kart. 2 Karl F. Reimers · Lübeck im Kirchenkampf des Dritten Reiches. 1965. 390 Seiten, kart. 3 Kurt Meier · Die deutschen Christen. 3. Aufl. 1968. XVI, 384 Seiten, kart. 4 Gerhard Ehrenforth · Die schlesische Kirche im Kirchenkampf 1932-1945. 1968. 316 Seiten, kart. 5 Heinrich Wilhelmi - Die Hamburger Kirche in der nationalsozialistischen Zeit. 1933-1945. 1968. 326 Seiten, kart. 6 Herwart Vorländer · Kirchenkampf in Elberfeld 1933-1945. 1968. 695 Seiten, kart. 7 Kurt Meier · Kirche und Judentum. 1968. 153 Seiten, kart. 8 Joachim Fischer - Die sächsische Landeskirche im Kirchenkampf 1933-1937. 1972. 268 Seiten, kart. 9 Niklot Beste • Der Kirchenkampf in Mecklenburg 1933-1945. 1975. 374 Seiten, kart. 10 Ernst Hornig - Die Bekennende Kirche in Schlesien 1933-1945. 1977. 406 Seiten, kart. 11 Wilhelm Niesei · Kirche unter dem Wort. 1977. 352 Seiten, kart. 12 Kurt Nowak - „Euthanasie" und Sterilisierung im „Dritten Reich". 1978. 222 Seiten, kart.

Manfred Koschorke · Geschichte der Bekennenden Kirche in Ostpreußen 1933-1945: Allein das Wort hat's getan. 536 Seiten u. 4 Kunstdrucktafeln, geb. Hans Slenczka · Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck in den Jahren von 1933 bis 1945. 288 Seiten, kart.

V A N D E N H O E C K & RUPRECHT · GÖTTINGEN U N D Z Ü R I C H