Alter und Aufkommen des Monotheismus in der israelitischen Religion

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Alter und Aufkommen des Monotheismus in der israelitischen Religion

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ALTER UND AUFKOMMEN DES MONOTHEISMUS IN DER ISRAELITISCHEN RELIGION VON

BRUNO BALSCHEIT PFARRER IN LÄUFELFINGEN (BASELLAND)

m VERLAG VON ALFRED TÖPELMANN / BERLIN W 35 1938

BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR DIE ALTTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT 69

P R I N T E D IN GERMANY DRUCK VON WALTER D E G R U Y T E R & CO., B E R L I N W 3 5

Vorwort. Obgleich über das Thema dieser Arbeit mannigfache direkte oder indirekte Untersuchungen vorliegen, erscheint eine Neubearbeitung der Frage angesichts der hier herrschenden Unsicherheit als nötig. Die Anordnung der Arbeit ist nach Möglichkeit aus dem Stoff selbst gezogen. Für die spätere Zeit sind die Quellen ergiebiger, und hier liegen auch bereits die solidesten Ergebnisse vor. Hier ist darum auch weniger grundsätzlich Neues, als vielmehr eine Neusichtung des Bestehenden zu erwarten. Wenn hier der Monotheismus als Glaubensstruktur verfolgt werden soll, — der Klärung dieses Begriffes dient das erste Kapitel — so ist bei den Schriften einzelner Persönlichkeiten die Strukturverbundenheit der einzelnen Faktoren am ehesten zu erkennen. Anders liegen die Verhältnisse bei Sammelwerken, wo die Strukturen der einzelnen Verfasser nur indirekt, innerhalb der Gesamtlinien, denen sie angehören, erkennbar sind. Bei der Erkenntnis der verschiedenen Linien, die für den israelitischen Monotheismus wegleitend geworden sind, ist der Irrtum zu vermeiden, es sei eine Linie gleichbedeutend mit einer Persönlichkeit. Eine bestimmte Grundlinie in einem Werk schließt die Beteiligung mehrerer Personen nicht aus, und andererseits kann eine Persönlichkeit verschiedene Linien in sich vereinigen, wie es in geistig bewegten Zeiten mehr der Fall sein wird als in ruhigen. Für die älteste Zeit Israels, deren Bedeutung für den Monotheismus heute allzuleicht überschätzt wird, liegen die Quellenverhältnisse besonders schwierig, die Untersuchung ist darum hier traditionsgeschichtlich und religionsvergleichend zugleich. Für Rat und Anregung mannigfacher Art weiß ich mich in erster Linie meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor D. Dr. WALTER BAUMGARTNER in Basel zu Dank verpflichtet. Ebenfalls bin ich Herrn Professor D. Dr. JOHANNES HEMPEL, Berlin, herzlich dankbar, sowohl für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe der Beihefte zur ZAW, als auch für freundliche Hilfe bei der Korrektur und Hinweise auf mir entgangene Literatur. Die Drucklegung dieser Arbeit wurde ermöglicht durch Zuschüsse seitens der Stiftung für theologische und philosophische Studien, Basel und der Basler Studienstiftung, welchen beiden auch an dieser Stelle mein aufrichtiger Dank ausgesprochen sei. Und endlich sei dankbar der Hilfe meiner Frau gedacht, die mir bei der Anfertigung des Manuskriptes unter den schwierigen Verhältnissen meiner früheren Bergpfarrei stets helfend zur Seite stand. Läufelfingen, im Oktober 1937 BRUNO BALSCHEIT

Inhaltsverzeichnis.

Seite

I. Psychologische Merkmale des Monotheismus 1. Die Faktoren der monotheistischen Glaubensstruktur 2. Die strukturelle Synthese von Bewußtseinsinhalten und Ichzuständlichkeit a) Die Erfassung der All-Einheit b) Die Erfassung der unbedingten Souveränität des Gottes . . c) Kompromißbildungen Ergebnis

1 3 8 8 9 10

II. Der Beitrag der Mosezeit A. Der Quellenbefund 1. Die Dokumente 2. Das Verhältnis zwischen dem Gott und seinen Verehrern 3. Der Geltungsbereich des Gottes B. Die historischen Grundlagen 1. Der Gottesbegriff der Wüstenstämme 2. Die Bedeutung der Amphiktyoniebildung 3. Die Bedeutung von Stifterpersönlichkeiten a) für den Kultus b) für die Politik c) Das quellenmäßig erfaßbare Wesen des Mose Ergebnis

11—25 12 .... 16 22 25—40 26 29 32 33 34 36 39

III. Die Möglichkeit einer Anknüpfung nach rückwärts 1. Der Gott der Erzväter 2. Der Gott des Hauses des Mose 3. Der Gott der Israelamphiktyonie 4. Der Jahwename Ergebnis

41 42 43 43 46

IV. Der Beitrag der Umwelt A. Besondere Hochgötter 1. Sippen- oder Stammesgötter 2. Stämmeverbandsgottheiten 3. Ausgeprägtes Distanzgefühl 4. Verinnerlichte Gottesvorstellungen 6. Besonders individuell erfaßte Gottheiten 6. Himmelsgottheiten 7. Von Israel nicht aufgenommene Hochgottverehrung

46—65 48 61 52 56 67 59 64

VI

Inhaltsverzeichnis Seite

B. Numinose Affinität in der Umwelt 1. Götteridentifikationen 2. Chthonische und astrale Kräfte 3. Götterübernahme 4. Benennung der Gottheit im Plural Ergebnis

66—73 65 67 68 69 70

V. Israel im Kulturland 1. Die Bindung Jahwes an das Land 2. Kultische Bereicherung 3. Numinose Affinität 4. Der schicksallenkende Gott 5. Dämonische Züge 6. Der Himmelskönig 7. Vergeistigung 8. Kampf gegen Fremdgottheiten 9. Heidentum im Lande Ergebnis

74 76 77 80 80 81 84 85 86 86

VI. Der Beitrag der jahwistischen Erzählungsschicht 1. Der Schöpfungsgedanke 2. Der Erwählungsgedanke Ergebnis

88 91 94

VII. Der Beitrag der elohistischen Erzählungsschicht 1. Das Fehlen des Schöpfungsgedankens 2. Der Erwählungsgedanke 3. Prophetische Tendenz 4. Die elohistische Gottesbenennung Ergebnis

95 96 97 98 100

VIII. Der Beitrag des prophetischen Elementes 1. Die Wurzeln des prophetischen Gottesglaubens 2. Elia und der alte Nebiismus 3. Arnos 4. Hosea 5. Jesaja 6. Micha 7. Der Synkretismus unter Manasse und die Reaktion bei Zephanja 8. Jeremia Ergebnis

101 105 107 111 113 118 118 120 123

IX. Der Beitrag des Deuteronomiums 1. Das Verhältnis zwischen Jahwe und Israel 2. Das Verhältnis zwischen Jahwe und den Fremdvölkern Ergebnis

Schluß Nachtrag Stellenregister

126 129 133 ....135

139 143

Abkürzungen. AJSL = The American Journal of Semitic Languages and Literatures. AO = Der Alte Orient. AOB = Altorientalische Bilder zum Alten Testament.® 1927. AOT = Altorientalische Texte zum Alten Testament.2 1926. APO = S A C H A U , Aramäische Papyrus und Ostraka. 1 9 1 1 . ARW = Archiv für Religionswissenschaft. BRL = Biblisches Reallexikon v. Kurt Galling (Handbuch zum AT Ii) 1935. BWAT = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament. BWANT = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament. BZAW = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. DLZ = Deutsche Literaturzeitung. EA = K N U D T Z O M , Die El-Amama-Tafeln. 1907 ff. ERE = Hastings, Encyclopaedia of Religion and Ethics. G.-K. = G E S E N I U S , Hebräische Grammatik, Herausgegeben von E. KAUTZSCH 27. Aufl. 1902. IN = M E Y E R , Die Israeliten und ihre Nachbarstämme. 1 9 0 6 . JBL = Journal of Biblical Literature. JPOS = Journal of Palestine Oriental Society. JpTh = Jahrbücher für protestantische Theologie. JQR = Jewish Quarterly Review. KAT 3 = SCHRÄDER, Die Keilinschriften und das Alte Testament, 3 . Auflage. Herausgegeben von ZIMMERN und W I N C K L E R . 1 9 0 2 . KB = Keilinschriftliche Bibliothek. Lidz.Eph. = L I D Z B A R S K I Ephemeris für semitische Epigraphik. 1909—15. NHS = PROCKSCH, Das nordhebräische Sagenbuch, die Elohimquelle. 1 9 0 6 . NKZ = Neue kirchliche Zeitschrift. OLZ = Orientalistische Literaturzeitung. PRE = Protestantische Realencyclopädie, 3. Aufl. RB = Revue Biblique. Records = B R E A S T E D , Ancient Records of Egypt. RGG = Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl. RHR = Revue de L'Histoire des Religions. SbBA = Sitzungsberichte der Berliner Akademie. ThRdsch = Theologische Rundschau. ThT = Theologisch Tijdschrift. ZAW = Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft. ZDMG = Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. ZDPV = Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins. Betreffs der biblischen Bücher und der Textversionen gelten die üblichen Abkürzungen.

K a p i t e l I.

Psychologische Merkmale des Monotheismus. Wo der Monotheismus als Gegebenheit des menschlichen Bewußtseins betrachtet wird, ist es wesentlich, seinen Charakter als im religiösen Erlebnis wurzelndes Glaubensverhältnis im Auge zu behalten. Als ein solches bestimmt der Monotheismus das ganze Bewußtsein, sowohl in den Bewußtseinsinhalten als auch in der Ichzuständlichkeit. Das Wesen dieses Glaubensverhältnisses ist eine in der Ichzuständlichkeit des Bewußtseins erlebte theistische Ichbedingtheit durch ein Du in der mannigfachen Form, die diese annehmen kann, als Begrenztheit, Bedrohung und Beglückung. Wie weit die Einheit und Einzigkeit dieser begrenzenden Größe bewußt erfaßt wird, hängt von den vorhandenen Bewußtseinsinhalten ab. Denn das Ich stattet dieses göttliche Du mit den Inhalten seines Bewußtseins aus. 1. Als Struktur besteht dieses Glaubensverhältnis aus den Faktoren Bewußtseinsinhalte und Ichzuständlichkeit, die zunächst einzeln zu klären, dann aber nur in ihrer Bezogenheit aufeinander zu verstehen sind. Wenn zur Objektivierung des begrenzenden Göttlichen Aussagen, wie Einzigkeit, Absolutheit, Totalität oder Aseität gemacht werden, so entstammen diese Begriffe als solche den Vorstellungen des Bewußtseins und haben an sich mit religiösen Wertungen nichts zu tun Es sind Begriffe, die auch sonst, etwa auf mathematisch-naturwissenschaftlicher Ebene anwendbar sind, es sind Bewußtseinsinhalte, die erst in Verbindung mit der Ichzuständlichkeit des betreffenden Bewußtseins religiös oder profan werden. Dann liegt eben ihr Wert als solcher nicht mehr im Begriff, sondern in der ganzen Struktur. Diese Bewußtseinsinhalte» die zur Objektivierung des in der Ichzuständlichkeit Erlebten benutzt werden, sind Begriffe von Dingen der Welt, wobei das ÈewuBtsein freilich nicht den Satz von der Identität anwendet, sondern diese Begriffe als in eine Uberwelt hinausweisend ansieht. 1 Den qualitativen Zusammenhang all dieser Größen hat die negative Kritik besser erkannt als die positive, s. COMTE, Cours de Philosophie Positive V 1841 p. 42. »De nos jours même, qu'est ce que réellement, pour un esprit positif, que ce ténébreux panthéisme dont ce glorifient si étrangement, surtout en Allemagne, tant de profonds métaphysiciens, si non le fétichisme généralisé et systématisé, enveloppé d'un appareil doctoral propre à donner le change au vulgaire.«

Beihefte z. Z A W 09.

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Die Faktoren der monotheistischen Glaubensstruktur

Bei der Betrachtung des anderen wesentlichen Faktors, der Ichzuständlichkeit, dem primären Erleben der begrenzenden Macht, muß die Frage zugespitzt bleiben auf die Erfassung des begrenzenden Göttlichen als eines Gottes. Überall da, wo der Mensch erlebnishaft an der Religion beteiligt ist, sei es nun bei der Entstehung gewisser Religionsformen, oder sei es bei der Hingabe im kultischen Erlebnis, oder bei der Erfüllung der prophetischen totalitären Botschaft, überall da also, wo sich der Mensch in einem Zustand völliger erlebnishafter Ergriffenheit befindet, überall da sieht das Bewußtsein nur ein göttliches Gegenüber. Für den religiösen Erlebnisakt in seiner Lebendigkeit kann also auf allen Stufen der kulturell mitbedingten Einheitsschau die gleiche Ausschließlichkeit gelten, mit der die Ichzuständlichkeit daran beteiligt ist. Wenn H A U E R darüber sagt: »Das Ziel aller Religion ist eben diese Absolutheit des Ich, die unbedingte Selbstbehauptung nicht gegen ein anderes Selbst, sondern gegen das Nein. Dies ist das Heil. Dieses kann ihm nur vom Unbedingten selber zukommen«1, so ist das wohl richtig als Aussage von einer Fülle von Bewußtseinsinhalten aus, unter denen sich auch »das Unbedingte« befindet. Denn nicht jedes Bewußtsein kann diesen Gedanken überhaupt fassen, aber wir können bei jedem Maß von Bewußtseinsinhalten jene Aussage machen von einem als absolut erlebten Gottesgegenüber im Sinne schlechthiniger Souveränität und Heiligkeit. Es gibt gewiß eine Vielheit der Götter, aber wo das religiöse Erleben so stark und hingebungsvoll gestaltet ist, daß zur Vorstellung dieser Gottesmacht das ganze Selbstbewußtsein, die ganze erlebte Lebenseinheit aufgeboten wird, da kommt es in praxi — wenn die Göttervielheit auch nicht geleugnet wird —, auf die Einheit hinaus. So kann M A R T I schon für die frühen israelitischen Propheten Monotheismus annehmen, wenn auch noch der deutliche Ausdruck hierfür fehlt, denn in der Religion sind »nicht die Formeln die Hauptsache, sondern die lebendige Kraft, und diese kann in Wirklichkeit vorhanden sein, ehe noch das bezeichnende Wort für ihre Bedeutung geprägt ist« 2. Und wenn wir diese lebendige Kraft, die ganze Kraft ist, psychologisch noch genauer erfassen wollen, so zeigt sie sich als ein Akt der ganzen jeweiligen Ichzuständlichkeit, die sich dem erlebten Göttlichen ganz hingibt, wobei im Erlebnisakt selber die Frage nach der Ausgestaltung dieses Gegenübers mit den Bewußtseinsinhalten der Einheit gar nicht auftaucht. Auch bei einem Spezialgott mit ganz kleinem Ressort kann der Erlebnisakt die ganze Ichzuständlichkeit zur Teilnahme fordern, — wenn auch in jenem ganz kleinen Ressort. Der Wirklichkeitscharakter dieses Erlebnisaktes ist derselbe, auch wenn der Gott immer mehr und eventuell sogar alle Spezial1 2

Die Religionen I 1923 S. 31. Die Religion des AT und die Religionen des vorderen Orients 1906 S. 46.

Die strukturelle Synthese von Bewußtseinsinhalten und Ichzuständlichkeit

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gebiete sich zu eigen macht. In diesem Falle allerdings käme zu der Einheit der Ichzuständlichkeit noch eine aus den Bewußtseinsinhalten stammende, doch sogenannter »praktischer Monotheismus« bliebe es auch ohne d a s E s wäre somit an der Zeit, daß diese Begriffe wie praktischer Monotheismus und ähnliche, die doch nur eine Seite der Bewußtseinsstruktur erfassen, überhaupt aus der Debatte über den israelitischen Monotheismus verschwänden 2 . Mag die Ichzuständlichkeit noch so absolut sein, zum wirklichen Monotheismus gehört noch die aus den Bewußtseinsinhalten stammende Einheitsschau, mit der die göttliche Macht ausgestattet wird, und die dann früher oder später zur ausgesprochenen Negation aller anderen Gottheiten führt. 2. Wenn zum Monotheismus neben der ganzheitlichen Ichzuständlichkeit der klar ausgeführte Bewußtseinsinhalt »Einheit« und dann sogar »Einzigkeit« hinzuzutreten hat, so handelt es sich bei diesen Bewußtseinsinhalten um die Einheit des Weltbildes, denn es soll ja damit ein göttliches Gegenüber objektiviert werden. Und dazu benötigt das Bewußtsein die höchste Einheit, die es denken kann. Diese Einheit des Weltbildes hat zunächst mit Vergeistigung, die wohl zu ihr sekundär hinzutreten kann, nichts zu tun. Wie die Möglichkeit numinosen Erlebens, persönliche Abhängigkeit, Bedingtheit und Begrenztheit erst durch die transzendentale Apperzeption gegeben ist, wenn erst das Bewußtsein von dem Zusammenhang der einzelnen Ichzustände die Möglichkeit schafft, daß dieses Ich ein Nicht-Ich sieht 1 P E I S K E R , BZAW 12 (1907) S. 16 nennt einen solchen Standpunkt »soweit vom Boden der empirischen Wirklichkeit entfernt, daß er naiv meint, sein Gott sei der in aller Welt verehrte Gott«. Wenn er diesen Standpunkt namentlich in den Sagen und Märchen der alten Zeit Israels findet, so ist dazu zu sagen, daß im Akt der Sagen- und Märchenerzählung der Begriff der ganzen Welt gar nicht im Bewußtsein des Erzählers zu sein braucht. Die Märchenhelden sind über Zeit und Raum erhaben, jeweils die Helden der jeweiligen Hörer. Wenn Abraham und der Pharao in Ägypten miteinander verkehren, so sind die Verhältnisse des Pharao doch letztlich als die eines Halbnomaden gezeichnet. Die psychologische Wurzel für die Motivwanderungen ist doch wohl, daß die, die ganze Welt umspannenden Bewußtseinsinhalte fehlen. Darum können diese Märchen und Sagen auch nicht zum Erweis einer umfassenden Gottesvorstellung herangezogen werden, ebenfalls nicht, sofern sie nicht rein religiösen Charakter tragen, zum Erweis einer besonders frommen Ichzuständigkeit. Anders ist natürlich die Haltung der diese Märchen und Sagen als Heilige Schrift sammelnden Redaktoren zu bewerten. Vgl. dazu unten S. 84. 2 Typisch für diese Verwechslung ist R O T H S T E I N , Moses und das Gesetz. Biblische Zeit- und Streitfragen 9—11 (1911) S. 16: Die ATliche Gesetzgebung wurzelt in allen ihren Teilen »in einer festen monotheistischen und unbedingt ethischen Gottesvorstellung. Dabei ist es in Hinsicht auf die Gesetzgebung nicht von erheblicher Bedeutung, ob dieser Monotheismus ein absoluter oder nur ein relativer ist, d. h. ein henotheistischer oder monolatrischer. Für Israel ist der im Gesetz zum Ausdruck gelangende und natürlich zunächst nur ihm geltende göttliche Wille von absoluter Gültigkeit«.

1*

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Die strukturelle Synthese von Bewußtseinsinhalten und Ichzuständlichkeit

und fühlt, so ist analog dazu ein gefühlter Zusammenhang zwischen dem Einzelgeschehen der Welt, — soviel davon ins menschliche Bewußtsein eingeht, — nötig, um ein Gegenüber, eine Begrenzung all dieses anzunehmen. Eine solche Einheit zu suchen, scheint mit der Tätigkeit des generalisierenden Denkprozesses im Bewußtsein a priori gegeben. Das gilt insbesondere von der Art antiker Welt- oder Weltschöpfungserklärung, wo sie sich in den Bahnen der Wissenschaft vollzieht, wie etwa in Gen 1. Wir müssen auch diese wissenschaftliche Einheitsschau aus der Situation des alten Erforschers, dieser Situation der Ichbegrenztheit durch das göttliche Gegenüber, dieser also aus Ichzuständlichkeit und Bewußtseinsinhalten zugleich bestehenden Struktur heraus verstehen. Denn was die Vernunft da zu innerer Anschauung gestaltet, tut sie, »indem sie unter der heiligen Machtberührung Begriff und System schafft«x. So stellt sich bei jeder Beantwortung der Schöpfungsfrage ein gewisser universaler Blick ein, der aus den Bewußtseinsinhalten stammt. Das Gleiche gilt auch, wo eigentliche Schöpfung keinen Platz im religiösen Gebäude hat, von allen anderen einheitlichen Weltanschauungsversuchen. Diese so immer in der Anschauung des Lebens und damit abhängig von Erlebnisakten gesuchte Einheit, die dann zur Vergegenständlichung des begrenzenden Einen dienen soll, bezieht sich auf Außen- wie auf Innenwelt. Wo die Außenwelt als ein Nebeneinander unverbundener Zustände gesehen wird, da erscheint auch die Innenwelt als ein Nebeneinander verschiedener Pflichten und Arbeiten. Diese Einheitsschau bedeutet für die Außenwelt, daß der Gedanke an die sich erschließende (sich offenbarende), begrenzende und rettende Macht ausgedehnt wird auf alle bekannten Gebiete, die also alle dieser Macht unterstellt oder einverleibt werden, daß ein gewisses, von dieser Macht gesetztes einheitliches Lebensgesetz gesehen wird. Für die Innenwelt bedeutet es, daß alle Regungen des Menschen in Beziehung gesetzt werden zu dieser einheitlichen Macht 2. Dieser Einheitsgedanke als solcher hängt von der kulturellen Entwicklung und dem Blickfeld des Erlebenden ab, während seine jeweilige Anwendung in allen Zeiten in der Ichzuständlichkeit wurzelt. Dem mit dem Organischen besonders eng verbundenen Primitiven ist schon eine gewisse Einheitsschau möglich. Das Bewußtsein kennt die Vorstellung einer Einheit der ihm bekannten Außenwelt vom ausgeprägten Stammesbewußtsein her. Bei den ganz in ihrer Stam1

s

HAUER, a . a . O .

S. 46.

Uber den Zusammenhang s. J . G. H E R D E R , Vom Geiste der Ebräischen Poesie 1 8 2 7 , herausgegeben durch JOHANN GEORG M Ü L L E R (Stuttgart und Tübingen), S . 6 6 F . : »Indem die Welt durch den'Begrifi eines Schöpfers zu einer Welt (kosmos) ward, macht sich auch der Abglanz derselben, das Gemüt des Menschen dazu und lernte Weisheit, Ordnung und Schönheit.«

Die strukturelle Synthese von Bewußtseinsinhalten uüd Ichzuständlichkeit

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meswelt und -kultur lebenden Stämmen zeigt sich deutlich, wie weit dieses Einheitsdenken gehen kann. Der Einheitsgedanke bildet da den Untergrund des Ichbewußtseins. Durch die Annahme einer gemeinsamen Quelle des gesamten Stammes, beziehungsweise Volkes, beziehungsweise viel später dann auch der Menschheit, ist nicht nur eine äußere Quelle für alles im Bewußtsein als wichtig empfundene Leben gegeben, sondern schlechthin eine Stelle, wo sich das Stammesleben in seiner ganzen Fülle konzentriert, von dem jede Personalexistenz innerhalb des betreffenden Verbandes nur eine spezielle Erscheinungsform ist, die allein nicht existieren k a n n D e r Totemgläubige ist sein Totem 2, der Verheißungsempfänger Abraham ist seine Nachkommenschaft und für den, der die Paradies- und Sündenfallgeschichten an den Anfang der Heiligen Schrift stellte, sind in diesem Adam alle geschaffen und haben alle gesündigt 3. Es wird bei diesem Denkprozeß «in letztlich immer gültiges Verhältnis in einen bestimmten historischen Fixpunkt hineinprojiziert. Alles bekannte Leben wird einheitlich zu der begrenzenden göttlichen Macht in Beziehung gesetzt. Ähnliches gilt von direkten Lokalgottheiten, wo sie von solchen in primitiver Einheit denkenden Verehrern erlebt werden. Da dieses Bewußtsein dann aber auch die Einheit anderer Stämme mit ihren Gottheiten kennt, werden diese anderen Gottheiten prinzipiell nie ausgeschaltet. Das ist die Grenze, die die kulturell mitbedingten Bewußtseinsinhalte hier auch der hingebungsvollsten Ichzuständlichkeit auf ihrem Wege zum Monotheismus setzen 4. Diese primitive Einheit hört aber da auf, wo sich Blickfeld und Kultur über nationale Beschränkung hinaus weiten. Da führt die Fülle des Geschehens, wenn die aus dieser Fülle gewonnenen Bewußtseinsinhalte zur Objektivierung des Begrenzenden gebraucht werden, zur Pluralität desselben. Pantheon, objektivierte Schönheits- und Schreckenswelt sind die begrenzenden göttlichen Gegenüber des mit der Kultur ringenden oder, — historisch gesehen —, des zur Kultur kommenden Menschen. Hier sehen wir das Bewußtsein in einem Kampf um die Einheit des Erlebens, es gibt nur ein Ringen um ein neues Einheitserleben, um eine Neugestaltung desselben. Das Erleben der Vielheit und Fülle der Welt ist, religiös erlebt, ein Erleben von Begrenzt-, Bedroht- und Beglücktwerden durch in bunter Fülle JOHS. PEDERSEN, Israel its Life and Culture. I—II 1926 S. 308f. In südamerikanischen Märchen s. T H . KOCH-GRÜNBERG, Indianermärchen aus Südamerika, (Jena) 1920. Im selben Sinne wichtig ist, was SÖDERBLOM, Das Werden des Gottesglaubens 1926, S. 38 über die Tjurungalieder bei den Weihen der australischen Aranda und Loritja sagt, daß dabei nämlich 1. das Totem, 2. der Totemvorfahre und 3. der Totemabkömmling eine untrennbare Einheit bilden. 3 S. u. S. 89. 4 S. u. S. 106. 113. 1

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Die strukturelle Synthese von Bewußtseinsinhalten und Ichzuständlichkeit

schillernde Mächte. Von dieser Ichzuständlichkeit aus sucht der Mensch in der sonst in der Kultur hingenommenen Pluralität im religiösen Leben nach Einheit. Begrenzt, bedroht und beglückt werden kann der Mensch nur in seiner Icheinheit und darum wird auch hier eine gewisse Einheit erfaßt, eine F u n k t i o n s e i n h e i t . Die Erscheinungen der Welt als Funktionen der Einzelgötter können bei ihrer Fülle nicht restlos assimiliert werden, wohl aber kann Polydämonismus einem geordneten Polytheismus weichen, und wohl kann das Bewußtsein gewisse Ähnlichkeiten der Funktionen dieser Götter untereinander feststellen. Die zur Einheitsobjektivierung strebende Ichzuständlichkeit zwingt überdies die andere Seite, die Bewußtseinsinhalte, alles in dieser Richtung Bekannte für die Objektivierung des Göttlichen als bestmöglichster Einheit herzugeben. Darum finden wir da, wo kulturelle Verschiebungen das wurzelverbundene Stammesleben lockerten, wo Stammes- oder Lokalgötter einem ganzen bunten Götterhimmel wichen, auch bei der Ausgestaltung der Götterwelt die als Bewußtseinsinhalte aus der Profanwelt bekannten Sub- und Koordinationen, Göttergenealogien und Götterstaaten. »In diesen Götterordnungen spiegelt sich vielfach das politische, soziale und soziologische Leben der betreffenden Völker, vor allem aber auch ihre seelische Zuständlichkeit wieder1«. Die Grenze, die auch hier die kulturell mitbedingten Bewußtseinsinhalte der ganzheitlichen Ichzuständlichkeit auf ihrem Weg zum Monotheismus ziehen, kann da überwunden werden, wo der Mensch heimisch wird in dieser bunten Welt der Kulturfülle, wo siewirklich seine Kultur wird. Dann können auch die Bewußtseinsinhalte immer mehr eine sublimierte Einheit wiedergeben, die hinter der Fülle steht, »bis schließlich alles numen überhaupt erkannt wird als das eine Numen, sei es als »Macht« im unpersönlichen brahman, sei es als Machtperson« 2. Bei der Anwendung dieser höchsten Einheitsschau auf den Gottesgedanken sind zwei Wege denkbar. Einmal ist es möglich, daß der Mensch diese durchgeführte numinose Affinität bei gleichzeitigem einheitlichen Weltaspekt selbst religiös erlebt, daß also seine Ichzuständlichkeit durch die zur höchsten Harmonie entfalteten Bewußtseinsinhalte einen Auftrieb erhält, oder umgekehrt ist es auch möglich, daß, wenn die kulturellen Voraussetzungen erfüllt sind, die starke Ergriffenheit der Ichzuständlichkeit durch eine Gottheit den Anlaß bildet, den Einheitsgedanken in der Welt und dann auch im Numinosen zu steigern. Eine völlige Einheitsschau in bezug auf die Welt der Dinge ist wohl nur im modernen naturphilosophischen Religionsphilosophie 1 9 2 6 S . 6 7 . Gottheit u. Gottheiten der Arier 1 9 3 2 Der christliche Glaube", 1884 § 8.

1

STEFFES,

2

OTTO,

MACHER,

S. 111,

ähnlich schon

SCHLEIER-

Die strukturelle Synthese von Bewußtseinsinhalten und Ichzuständlichkeit

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Denken nachzuweisen, kaum aber als direkter Anlaß religiösen Erlebens. Anders aber verhält es sich mit der völligen Einheitsschau in bezug auf das Innenleben des Menschen. Wir finden sie da, wo nationale oder Klassenbindungen abgestreift sind und nur noch das Menschliche erlebt wird, wenn sich so das menschliche Ethos aufgerufen fühlt. Da taucht als innere Einheit der Begriff der Persönlichkeit auf und wird sittlicher Sinn des Menschen 1. Das Bewußtsein faßt die monistische Persönlichkeits- und Menschheitsethik, etwa die der Stoa gegenüber den pluralistischen Schranken der platonischen Ethik. Eine so gefühlte gemeinmenschliche Einheit ist zur Objektivierung der diesen Menschen begrenzenden Macht im Sinne von wirklich einer persönlichen Macht nötig. Treffend sagt hierüber FEUERBACH: »Der Polytheismus ist da zu Hause, wo sich der Mensch nicht über den Artbegriff des Menschen erhebt, wo er nur den Menschen seiner Art als seinesgleichen, als gleichberechtigtes, gleichbefähigtes Wesen anerkennt. In dem Begriff der Art liegt aber die Vielheit, folglich gibt es auch da viele Götter, wo der Mensch das Wesen der Art zum absoluten Wesen macht. Zum Monotheismus erhebt sich aber der Mensch, wo er sich zum Begriff der Gattung erhebt, worin alle Menschen übereinstimmen, worin ihre Art-, ihre Stammes-, ihre Nationalunterschiede verschwinden« 2. Psychologisch hängen Individualismus und Universalismus im Glaubensverhältnis eng miteinander zusammen. Wie die im Bewußtsein vorhandene Affinität der innermenschlichen Vorgänge Schranken zerbrochen hatte, so geschieht das gleiche im Blick auf die Völkerwelt. Dieses Verschwinden der Funktionsgebiete der vielen Götter ist eine wesentliche Voraussetzung auf seiten der Bewußtseinsinhalte, um bei erlebnishaft aufgerufener Ichzuständlichkeit den Glauben an eine einzige, die ganze menschliche Wesenheit der Person wie der Menschheit überhaupt begrenzende und beherrschende göttliche Macht aufkommen zu lassen 3. Bei dem Vorgang, daß unter steter Mitwirkung der Ichzuständlichkeit das begrenzende Göttliche im Vorstellungsraum ausgestattet wird mit Bewußtseinsinhalten, in diesem Falle mit der aus dem Welt1

2

S . u. S . 116. 121. Vorlesungen über das Wesen der Religion, herausgegeben von W. BOLIN 1908

S . 22. 3

Ähnlich SMEND, Lehrbuch der ATlichen Religionsgeschichte 2 1899 S. 286: «Sind viele Götter da, so fordert der eine dies, der andere das vom Menschen, und die verschiedenen Ansprüche vieler göttlicher Mächte teilen sich in sein Herz, keinem gehört es ganz und zuletzt ist es gegen alle gleichgültig. Aber der Eine Gott fordert den ganzen Menschen.« Diese »Teilung des Herzens« gibt es im Erlebnisakt selbst nicht, wohl aber gibt es, wo die Idee des Menschlichen nicht vorhanden ist, eine Gebietsaufteilung der einzelnen Bewußtseinsinhalte an die Fülle der Götter.

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Die Erfassung der All-Einheit, der Souveränität des Gottes

aspekt gewonnenen Einheit und Einzigkeit, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die sich nach der Lagerung des Erlebnisaktes richten, d. h. danach, ob in diesem Akt mehr das Objektive, das göttliche Gegenüber, oder mehr das Subjektive, das menschliche Aufgerufensein betont wird, und ob bei dem göttlichen Gegenüber mehr seine Dynamik, oder mehr seine statische Größe im Vordergrund steht. Die hauptsächlichsten Möglichkeiten, die sich da ergeben, sind: a) Auf Grund der im Bewußtsein vorhandenen Einheitsschau kann die A l l - E i n h e i t selbst numinos verklärt werden, obgleich der Begriff dieser selbst aus ganz profanen Beobachtungen entstanden sein kann, wie der indische Ritabegriff, der nach RUDOLF OTTO zunächst ökonomisch-landwirtschaftlichen Beobachtungen der Naturgesetzmäßigkeit sein Dasein verdankt Ganz spezifische, wohl jeweils verschiedene Erlebnisakte der numinosen Begrenzung aber sind nötig, um diesen reinen Bewußtseinsinhalt zum religiösen Wert zu machen. Solche Akte sind niemals nur als Weiterentwicklung älterer und primitiverer anzusehen, sondern stets grundsätzlich neu, wenn diese älteren und primitiveren Stufen ihnen zeitlich auch vorangehen mögen. Dieser Entwicklungsgang entspricht etwa dem der politischen Geschichte, sofern man sie nicht irgendwie entwicklungsschematisch, sondern rein phänomenologisch betrachtet. So kann diese numinose Verklärung der All-Einheit auch ohne Seitenblick auf die Existenz oder Nichtexistenz der Gottheiten allein aus erlebter Andacht vor dieser Einheit entstehen. Das Primäre ist also der im menschlichen Bewußtsein vorhandene Begriff. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse da, wo aus der im Bewußtsein vorhandenen Affinität des Numinosen die Einheit desselben gefolgert wird. Das Ende dieses Entwicklungsganges ist der Glaube an eine einzige, unpersönliche, numinose Macht, wie sie uns etwa im reinen Vorsehungsglauben und im Sittengesetz begegnet2. Das Verschwinden der Einzelgottheiten ist der wesentliche Grundzug dieser numinosen Verklärung der All-Einheit. Es ist die als Heil empfundene Flucht aus dem Vielen in das Eine. Der Mensch, der ja als Glied dieser Welt an dieser All-Einheit teil hat, verspürt weniger und weniger ein direktes persönliches göttliches Du, dagegen weiß er mehr und mehr um göttliche Kräfte, die sein eigenes Dasein durchströmen. b) Die im Bewußtsein vorhandene Einheitsschau kann dem objektiv erlebten göttlichen Gegenüber auch unbedingt unterstellt werden. Dieses wird dann im Erlebnis so stark persönlich erfaßt, daß die im Bewußtsein vorhandene Einheitsschau gerade gut genug 1

Orro, a. a. O. S. 96. So faßt z. B. STADE, Biblische Theologie des AT I, 1906 S. 2, den ethischen Monotheismus auf. 1

Die Erfassung der unbedingten Souveränität des Gottes, Kompromisse

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ist, um seinen Herrschaftsbereich zu ergeben. Es handelt sich also nicht darum, daß dieses jetzt ein schwächeres Erlebnis der Andacht und Ergriffenheit ist, sondern es ist qualitativ anders gelagert. Die begrenzende Macht ist ein direktes Du, nicht ein Es, das erst zum Du wird. Übereinstimmend mit den unter a) genannten Akten ist auch hier im Bewußtsein die Einheit vorhanden, sonst könnte diese Gottheit nicht über alle im Bewußtsein vorhandenen Bereiche Herr sein. Der Unterschied liegt im Ichbewußtsein. Der Erlebnisakt ist hier spontan, persönliche Ergriffenheit, nicht statische Andacht. Diese objektive Linie zieht sich von jenem Erlebniskreis im Totemismus und in anderen ausgesprochenen Stammesreligionen, wo die Negation anderer Gottheiten noch gar nicht in Frage steht, bis zum ausgesprochenen prophetischen Monotheismus hin. Dort, wo wir mittels des primitiven Wurzeldenkens von einer Begegnung des Stammvaters und damit des ganzen Stammes mit der betreffenden Gottheit hören, wie hier, wo die Gottheit Schöpfer, Schirmer und Erhalter der Menschheit, wie besonders auch des Volkes und damit auch des einzelnen ist, bleibt trotz aller Verschiedenheit ein Zug der Grundhaltung gemeinsam, nämlich der, daß man etwas von einer persönlichen Berührung mit dem Göttlichen weiß, daß das Du des Gegenübers als solches, nicht seine Erscheinung im Es das Wichtigste ist. Innerhalb dieser gemeinsamen Grundhaltung ist es dann freilich ein weiter Weg von dem Punkt, wo dieses Du nur neben anderen möglichen Du's vorherrschend ist, bis dorthin, wo es exklusiv wird. Die höchste Vollendung dieser Linie ist dort, wo das Bewußtsein den Gedanken an die geschlossene Einheitlichkeit aller Lebenserscheinungen und aller inneren Lebensrichtungen faßt, um die ganze geist-leibliche Welt einem Herrn zu unterstellen. BOUSSET meint wohl das, wenn er von den israelitischen Propheten sagt: »Was den Propheten offenbar geworden ist und was sie verkünden, das ist eine einheitliche in sich geschlossene Uberzeugung vom Inhalt und Wesen des Lebens, seinen tiefsten Fundamenten und seinen höchsten Zielen« x. Für den Menschen, der auch hier innerhalb des Weltbildes steht, bedeutet das schlechthinige Souveränität des einzigen Herrn. c) Schließlich sind Kompromißbildungen zwischen der subjektiven und der objektiven Linie im Bewußtsein nachweisbar. Dabei liegt die Betonung bald mehr bei dieser, bald mehr bei jener, je nachdem, ob die Anlagen und Bedürfnisse des Bewußtseins, psychologische Gegebenheiten wie Kausaldenken, teleologisches und teleologischethisches Denken vorherrschen, oder der vom objektiven Erlebnis herstammende persönliche Gottesgedanke. So faßt das Bewußtsein da die Idee des unbedingten, zwecksetzenden und irgendwie sittlichen 1

Das Wesen der Religion, 1903 S. 107.

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Ergebnis

Absoluten, das sich dann hier aber eben oft mit persönlichen Gotteszügen mischt. Ein theistischer Gottesgedanke zeigt sich jedoch nur bei den unter b) und c) genannten Erlebnisakten, darum werden auch nur sie für den Weg zum wirklichen Monotheismus in Frage kommen, und nicht die unter a) behandelte mehr oder weniger zum Pantheismus neigende Linie. In allem aber sollte es klar sein, wie die Ausgestaltung des Gottesbildes mit Bildern aus dem Denkprozeß durch erlebnismäßiges Erfassen der Gottheit mitbedingt ist. Es handelt sich um keine historische Folge, sondern um eine Strukturverbundenheit. Weil zu der gesamten Struktur aber jedesmal alle Faktoren gehören, darf Monotheismus in keiner Weise vermengt werden mit Henotheismus, Monolatrie, naivem Monotheismus, praktischem Monotheismus, Monotheismus der Andacht und dergleichen mehr \ Freilich ist die in diesen Strömungen zutage tretende Ichzuständlichkeit von der bei der wirklichen monotheistischen Glaubenshaltung vorhandenen nicht wesentlich verschieden, aber diese Ichzuständlichkeit ist eben erst die Hälfte beim Monotheismus. Und es zeigt sich, daß der Polytheismus alle jene monotheistischen Strömungen wie Götterordnungen, Monarchotheismus, Monolatrie etc. vertragen kann, ohne darum aufzuhören, Polytheismus zu sein, sondern daß neben erkanntem Universalismus und dem Gedanken, daß die Gottheit die Allkausalität sei, erst die aus den Bewußtseinsinhalten der Einheit stammende Verneinung des Polytheismus den Monotheismus schafft. Daß dieses ausdrücklich geschieht, ist wesentlich, in welchem Grad der Systematisierung freilich, das ist eine Frage für sich, ebenfalls auf welchem Wege die begrenzende Macht den Absolutheitscharakter erhält, der zur Verneinung aller übrigen Mächte treibt, so daß sie allein nur noch als die Einzige, alles Bedingende, doch selber Unbedingte übrig bleibt. Andererseits gilt es aber auch gerade die Wichtigkeit der Ichzuständ1

Es wird VOLZ, Mose2 1932 S. 32 zuzustimmen sein, wenn er die Bezeichnung Henotheismus ablehnt. Ihr Gebrauch verwirrt nur. Einerseits wird der Ausdruck für die besondere Bevorzugung eines Gottes gebraucht, die bald diese, bald jene Gottheit erfahren kann, andererseits verbindet man damit die Vorstellung, daß diese Bevorzugung einer besonderen Gottheit immer an dieser haften bleibt. Das aber läßt sich immer nur rückläufig erschließen. Will man sich in die Zeit, wo eine Gottheit so henotheistisch verehrt wurde, hineinversetzen, diese Zeit als Phänomen betrachten, so ist die spätere Entwicklung auszuschalten. Wendet man den Ausdruck aber in dem zuerst genannten Sinne an, so bezeichnet er eine gewisse Ichzuständlichkeit beim kultischen Akt, steht damit also auf einer Ebene mit Monolatrie und praktischem Monotheismus. Bei diesen Strömungen dürfte die Erkenntnis der jeweiligen Struktur weiter führen als Registrierung an Hand von Begriffen, deren Grenzen fließend sind.

Der Beitrag der Mosezeit, Der Quellenbefund

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lichkeit zu betonen. Monotheismus, wo er ein Glaubensverhältnis und nicht nur eine philosophische Formel sein soll, erfordert zu seiner harmonischen Ausgestaltung auch völlige Hingabe des Ichs, erfordert auch eine Steigerung des Vertrauens und der Ehrfurcht. Wo, auch wenn die Bewußtseinsinhalte nur die eine Gottesmacht kennen, die Ichzuständlichkeit Irrwege beschreitet, wo das Ich sich nicht mehr durch eine einheitliche Grundforderung des göttlichen Gegenübers bestimmt weiß, das Glaubensleben sich auflöst in Einzelreaktion, da werden Vertrauen und Ehrfurcht gespalten, da bricht die geistige Vielgötterei an, die auch im alten Israel den Propheten eine nur zu bekannte Gefahr war, auch wenn die Vorherrschaft Jahwes prinzipiell nicht ernsthaft angefochten wurde. In der Kraft der Ichzuständlichkeit lag die Siegesgewalt des israelitischen prophetischen Monotheismus gegenüber dem jäh zerfallenden ägyptischen. Wollte man nur die Vorstellungsseite ins Auge fassen, so wäre Monotheismus eine Weltanschauung und kein Glaubensverhältnis, und die Bemerkung LAGARDES bestände zu Recht, daß der Monotheismus der Juden auf einer Stufe stehe »mit dem Bericht eines zur Intendantur kommandierten Unteroffiziers, der das Dasein von nur einem Exemplar von irgendwelchem Gegenstand meldet«x. Treffend ist dazu die Kritik BUBERS 2, wonach die Einzigkeit im Monotheismus nicht die eines Exemplars ist, sondern die des Du in der Ich-Du-Beziehung, sofern diese an der Ganzheit des gelebten Lebens nicht verleugnet wird. Andererseits, betreffs der einseitig betonten Ichzuständlichkeit ist noch zu sagen, daß es auch in Israel höchste prophetische Ergriffenheit, die als solche mit der Ergriffenheit der späteren ganz oder fast ganz monotheistischen Propheten durchaus zu vergleichen ist, gegeben hat, ohne daß dieses schon Monotheismus gewesen ist 3 .

K a p i t e l II.

Der Beitrag der Mosezeit« A. Der Quellenbefund. Für die Frage nach dem Monotheismus in der ältesten geschichtlichen Zeit Israels sind zunächst die historischen Anfangsgründe des Volkes zu betrachten, also die Phase der Entstehung des israelitischen Volkes überhaupt. Die Frage heißt also: Lassen die Überlieferungen von der Entstehung des Volkes etwas von der Bildung oder Übernahme eines monotheistischen Gottesbegriffes erkennen ? Die für die Nach1 2 3

Mitteilungen II 1887 S. 330. Königtum Gottes, 1932 S. 90 f. S. u. S. 39. 113.

Der Beitrag der Mosezeit, Der Quellenbefund

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lichkeit zu betonen. Monotheismus, wo er ein Glaubensverhältnis und nicht nur eine philosophische Formel sein soll, erfordert zu seiner harmonischen Ausgestaltung auch völlige Hingabe des Ichs, erfordert auch eine Steigerung des Vertrauens und der Ehrfurcht. Wo, auch wenn die Bewußtseinsinhalte nur die eine Gottesmacht kennen, die Ichzuständlichkeit Irrwege beschreitet, wo das Ich sich nicht mehr durch eine einheitliche Grundforderung des göttlichen Gegenübers bestimmt weiß, das Glaubensleben sich auflöst in Einzelreaktion, da werden Vertrauen und Ehrfurcht gespalten, da bricht die geistige Vielgötterei an, die auch im alten Israel den Propheten eine nur zu bekannte Gefahr war, auch wenn die Vorherrschaft Jahwes prinzipiell nicht ernsthaft angefochten wurde. In der Kraft der Ichzuständlichkeit lag die Siegesgewalt des israelitischen prophetischen Monotheismus gegenüber dem jäh zerfallenden ägyptischen. Wollte man nur die Vorstellungsseite ins Auge fassen, so wäre Monotheismus eine Weltanschauung und kein Glaubensverhältnis, und die Bemerkung LAGARDES bestände zu Recht, daß der Monotheismus der Juden auf einer Stufe stehe »mit dem Bericht eines zur Intendantur kommandierten Unteroffiziers, der das Dasein von nur einem Exemplar von irgendwelchem Gegenstand meldet«x. Treffend ist dazu die Kritik BUBERS 2, wonach die Einzigkeit im Monotheismus nicht die eines Exemplars ist, sondern die des Du in der Ich-Du-Beziehung, sofern diese an der Ganzheit des gelebten Lebens nicht verleugnet wird. Andererseits, betreffs der einseitig betonten Ichzuständlichkeit ist noch zu sagen, daß es auch in Israel höchste prophetische Ergriffenheit, die als solche mit der Ergriffenheit der späteren ganz oder fast ganz monotheistischen Propheten durchaus zu vergleichen ist, gegeben hat, ohne daß dieses schon Monotheismus gewesen ist 3 .

K a p i t e l II.

Der Beitrag der Mosezeit« A. Der Quellenbefund. Für die Frage nach dem Monotheismus in der ältesten geschichtlichen Zeit Israels sind zunächst die historischen Anfangsgründe des Volkes zu betrachten, also die Phase der Entstehung des israelitischen Volkes überhaupt. Die Frage heißt also: Lassen die Überlieferungen von der Entstehung des Volkes etwas von der Bildung oder Übernahme eines monotheistischen Gottesbegriffes erkennen ? Die für die Nach1 2 3

Mitteilungen II 1887 S. 330. Königtum Gottes, 1932 S. 90 f. S. u. S. 39. 113.

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Die Dokumente

weit am meisten bedeutsam gewordene Tradition dieser Art ist die von Mose und dem Sinaibund. Die Tradition von einem Bund Jahwes mit den Patriarchen 'fehlt in der vorexilischen Prophetie1. Kunde erhalten wir in dieser alten Zeit nicht von Ichzuständlichkeit und Bewußtseinsinhalten des einzelnen, sondern von konstitutiven politisch bedeutsamen Akten. Der individualistische Strom mit seinen blütenreichen aber auch oft so seichten und gefährlichen Ufern ist da noch nicht in das majestätisch weite Hochland altorientalischen Geistes hereingebrochen. Wie in den Berichten über die Entstehungszeit des Volkes die begrenzende oder führende Macht als eine, beziehungsweise als die einzig bestehende angesehen wird, das ist die Frage. Wenn irgend möglich, so muß es sich darum handeln, die Quellendokumente, die für diese Zeit in Frage kommen, auszuwerten. Da diese Dokumente aber alle in redaktorischer Bearbeitung vorliegen, und auch sonst noch alle möglichen Eingriffe möglich sind, so wird das aus ihnen gewonnene Bild nicht als festes historisches Faktum, sondern nur als traditionsgeschichtliches Phänomen zu werten sein, das dann gemäß unserer Kenntnis der damaligen Zeit nach historischen Gesichtspunkten abzuwägen ist. In diesem Sinne sind hier die für die Entstehung des israelitischen Volkes und seiner Religion wichtigsten Stücke, deren Alter manche direkt in jene Entstehungszeit verlegen, zusammengestellt. 1. Blicken wir zuerst auf die Dekaloge. Ein »Punkt, der nicht mehr in der Erörterung eine Rolle spielen sollte, ist die Bemühung, den Dekalog in einer der Schichten des Pentateuchs unterzubringen, um ihn dann in Schicksalsverbundenheit mit ihr den Taumel des Zeitansatzes in den verschiedensten Jahrhunderten mitmachen zu lassen Die verschiedenen Dekaloge, was es auch immer mit ihnen auf sich haben mag, sind korpora für sich, von denen mehr als wahrscheinlich ist, daß sie nichts anderes als Einlagen in die Schichten darstellen, in denen sie uns jetzt begegnen«2. LUDWIG KÖHLER vergleicht diesen Tatbestand treffend mit dem Verhältnis zwischen dem Unservater und den synoptischen Schichten 3. Traditionsgeschichtlich wird es hier darum gehen, Punkte zu zeigen, die es erkennen lassen, ob die all diese Stücke ausgestaltende Tradition, die von der Volksentstehung her Gesetze ableitet, und namentlich den J- und EDekalogen einen bevorzugten Platz hierbei anweist, nach den Stücken selbst berechtigt dazu ist oder nicht. Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus herausgeführt hat: Du sollst mir keine anderen Götter ent1 2

3

Hos 12 3-9 verwendet die Patriarchentradition in anderem Sinne. ThRdsch. 1929, S. 163 f. A. a. O. S. 175.

LUDWIG KÖHLER,

Die Dokumente

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gegensteilen Du sollst dir kein Gottesbild verfertigen noch irgendein Abbild 2 von etwas, das droben im Himmel oder drunten auf der Erde oder im Wasser unter der Erde ist. Du sollst dich vor solchen nicht niederwerfen und sie nicht verehren 3 ; denn ich, Jahwe dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht an den Kindem, an den Enkeln und Urenkeln derer, die mich hassen, aber der Gnade erweist dem tausendsten Geschlecht derer, die mich lieben und meine Gebote halten 4. Hiermit stimmt überein Dtn 5 6-io5. Der jahwistische Bericht lautet hier entsprechend: Du sollst dich vor keinem anderen Gott niederwerfen, denn Jahwe heißt eifersüchtig; ein eifersüchtiger Gott ist er. Du darfst keinesfalls ein Abkommen treffen mit der Bevölkerung des Landes, damit du nicht, wenn sie ihren Göttern nachhuren und ihren Göttern opfern und dich dazu laden, von ihrem Opfer essest und aus ihren Töchtern für deine Söhne Weiber nehmest, und diese dann ihren Göttern nachhuren und deine Söhne dazu bringen, ihren Göttern nachzuhuren. Du sollst dir keine gegossenen Gottesbilder machen 6. Aus dem Bundesbuch gehört hierher ein Bilderverbot mit unvollständigem Text: Nicht sollt ihr 7 neben mir silberne Gottesbilder machen, noch sollt ihr euch goldene machen 8. Ex 2219 ist ein heute unvollständiger und verstümmelter Vers, wo eventuell gesagt ist, daß, wer fremden Göttern opfert, dem Banne verfällt 9. Schließlich gehört hierher auch noch das etwas deutlichere Verbot Ex 23 13: 1

Das 'al-pänäj, das gewöhnlich mit »neben mir« übersetzt ist, hat L U D W I G a. a. O. S. 174 mit »mir zum Trotz« wiedergegeben, was allerdings noch eine gewollte Auflehnung gegen Jahwe hineindeuten könnte, von der nichts dasteht. 2 kol-Pmünäh gleich irgendein Abbild zum Unterschied von Dtn 4 16-25: fmünat-kol gleich Abbild von irgend etwas. Im Deuteronomium liegt der Ton auf dem, was durch das Abbild dargestellt werden soll, hier auf dem Abbild als solchem. 3 LXX. MT hat hier Hoi'al im Sinne von: Du sollst dich nicht dazu bringen lassen, sie zu verehren. Vgl. G.-K. § 60b. Aber das ist sekundär. 4 Ex 202-6. 5 Das w, das Vers. 9 hier in ufi'al SilleSim statt 'al SilleSlm bietet, wird besser laut LXX, Pesch, Vulg, den Targumim und 56 MSS als Schreibfehler zu streichen sein. Und statt vfi-kol-P-münah liest MT kol-tf-münah, doch LXX Samar. Pesch, Targ J., Vulg 61 MSS gleich Ex, wie darum wohl auch in der oben in der Übersetzung wiedergegebenen Breviloquenz zu lesen sein wird. KÖHLER

6

Ex

3414-17.

' LXX, Pesch: Nicht sollt ihr euch machen. 8 Wenn das Atnah unter käsäp gesetzt wird, so könnte ein intakter Parallelismus entstehen. Ex 20 23. ' Vgl. HOLZINGER in KAUTZSCH 4 , Z. St. HEMPEL, Gott und Mensch im AT 2 1936, S. 55.

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Die Dokumente

Den Namen anderer Götter rufe nicht an, er soll aus deinem Munde überhaupt nicht gehört werden 1. Das Bundesbuch ist für unseren Zusammenhang insofern von sekundärer Bedeutung, als es, abgesehen von der Meinung des letzten Redaktors, nicht unbedingt von der Sinaigesetzgebung hergeleitet sein will. Aus dem sichemitischen Bund in der elohistischen Überlieferung gehört hierher besonders Jos 24 ie-24: Jahwe wollen wir dienen, denn er ist unser Gott. Als Dokument dieses Volkszusammenschlusses wird vom Redaktor von Dtn 27 die Fluchformel 27 14-26 angesehen 2, wobei sich eine auf die Religionsstiftung bezugnehmende alte Form nicht nachweisen läßt. Heute ist nur von einem Verbot heimlicher Idole die Rede. Hingegen ist der deutliche Wesenszug der Überlieferung von Jos 24 die Abschaffung der fremden Gottheiten, die bis dahin als von allen, außer der Sippe Josuas, oder doch von den neu zur Konföderation stoßenden Stämmen — die Frage, ob dieser Bund Ursprünglichkeitsoder Ergänzungscharakter hatte, darf hier zurückbleiben — verehrt gedacht sind 3. Sonst wird von alten Urkunden noch das Deboralied in ähnlichem Sinne von SELLIN ausgebeutet 4 . Über eine direkt monotheistische Fragestellung würde das betreffende Stück nichts aussagen, nur über den Typus dieser israelitischen Religion als Wahlreligion. Nämlich Jdc 5 8aa würde da heißen: Man wählte sich neue Götter. V. 8aß will SELLIN neuerdings in folgendem Sinn lesen 6 : Die kanaanäischen Königsstädte überwältigen Israel, weil dieses sich neue Götter erwählt hat, durch die das Volk kriegsuntüchtig wird. 1

1. ufi lo' tazkir laut L X X , Pesch, Samar. Doch laut Nora, Das System der zwölf Stämme Israels B W A N T 52 (1930), S. 144 ist der einzig positive Anhaltspunkt die Meinung des Redaktors, der das Stück hier einsetzte und damit seiner Ansicht Ausdruck verlieh, daß es in einer an einem Heiligtum bei Sichern vorgenommenen liturgischen Handlung seinen »Sitz im Leben« gehabt habe. 3 Eine Erinnerung an diesen Zug des Sichembundes ist auch in Gen 362-4 erhalten. Dieser Sinn paßt zu Sichern, der Bundesstätte, besser als der von E D . M E Y E R , Der Papyrusfund von Elephantine, 1912 S. 66 angenommene, wonach es die Bildlosigkeit des sichemitischen Kultes bedeuten soll. 4 Oriental Studies published in Commemoration of the fortieth Anniversary 2

of

PAUL HAUPT 1 9 2 6 6

S. 130.

Bei S E L L I N S neuer Konjektur, Festschrift OTTO PROKSCH, 1 9 3 4 , S . 1 5 3 '~äz halasum 'ärim bleiben die doch betonten Feindesstädte undeterminiert. Gerade weil 'az für das Lied charakteristisch ist, wie S E L L I N hervorhebt, es hier aber auch nur durch Umstellung gerettet werden kann, ist es eher hier sekundär.

Das Verhältnis zwischen dem Gott und seinen Verehrern

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Konjekturen sind in diesem Text schon nötig, wenn man auch wohl kaum soweit gehen darf wie H A U P T , der im Liede überall den Jahwenamen eliminiert und so den Feldzug gegen Sisera als Handelskrieg zeigt, von dervonWiNCKLER aufgenommenen Anschauung aus, daß die Jahweverehrung erst unter David aus dem edomitischen Juda eingeführt sei. Er schließt sich dann in der Lesung von Vers 8a mehr an die Pesch an und übersetzt: Erwählen wird Gott neue (Führer wie Deborah) Für solch weitgehende Folgerungen erscheint der Text zu unsicher. Ein engerer Anschluß an den MT, als beide ihn annehmen, ergibt wohl auch einen besseren Sinn. Dann wird in Vers 8aa der Grund genannt, für eine in Vers 8bß erwähnte Hungersnot. Die Götter, zu denen das Volk da abfällt, sind 'älohtm hadä&m, neu auftauchende Götter. Damit wird die Tat Deboras zur Reformation, als Dokument aber für die Entstehung der Konföderation und ihres Gottesbegriffes darf das Lied nicht ausgewertet werden. Eine weitere alte Bezeichnung, die für die Volks- und Religionsentstehung ausgewertet werden könnte, findet sich in dem Rahmengedicht des Mosesegens, Dtn 33 4b. 5: Sein 2 Besitztum ist die Gemeinde Jakobs, und in Jeschurun wurde er König, als sich die Häupter des Volkes versammelten, alle vereint, die Stämme Israels. Die Stelle redet also von einer Begründung der Stellung Jahvfes als Gott der ganzen Konföderation. Ob dabei direkt an die Sichemkonföderation gedacht ist, oder an die Einigung der Stämme im Eroberungskrieg, ist nicht klar. Ausgesprochen wird jedenfalls, daß Jahwe der Führergott der ganzen Stämmeeinheit ist 3. 2. Eine irgendwie ausgesprochene Verneinung des Polytheismus findet sich in keinem dieser Dokumente. Das wäre aber nötig, wollte man direkt vom Monotheismus zur Entstehungszeit der Konföderation reden; man könnte es allerdings auch noch, wenn die Annahme der alleinigen Existenz eines Gottes für jene Zeit selbstverständlich wäre, wenn man also für jene Kulturstufe annehmen könnte, die Einheit des Weltbildes sei erfaßt und dieser Monismus sei in den persönlichen Gottesgedanken hineinprojiziert worden. Gerade das aber verbietet die Redeweise überall da, wo von den »anderen Göttern« gesprochen wird. Es wird da weder über deren Existenz noch über deren Nichtexistenz etwas ausgesagt. Der allgemeine Gedanke, wo diesem nicht ausdrücklich widersprochen wird, ist offenbar der, daß die Verehrung von Göttern auch deren Existenz zur unbedingten 1

Studien zur semitischen Philologie u. Religionsgeschichte, zum 70. Geburtstag dargebracht (BZAW 27) 1914 S. 193—223.

J . WELLHAUSEN

2

möräioh.

3

Über den näheren Sinn der Mäläkbezeichnung's. u. S. 21. 63f.

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Das Verhältnis zwischen dem Gott und seinen Verehrern

Grundlage habe. Der Erfahrungscharakter der eigenen Religion ist überall so lebendig, daß man ohne weiteres verallgemeinern kann. Mag die als Ichzuständlichkeit auftretende Kraft der Hingabe, mag die religiöse Glut noch so stark sein, einem irgendwie spekulativen monotheistischen Gedanken steht man wenig interessiert gegenüber. In dieser Entstehungszeit des Volkes und seiner Religion fehlt im allgemeinen der historische Abstand, um mit den Bewußtseinsinhalten die Eigenart dieses Gottes spekulativ zu umreißen. Auf diesem unmittelbaren Standpunkt steht der elohistische Dekalog im Gegensatz zum Deuteronomium. Das Gottesbild als solches, ohne Rücksicht auf seinen Sinngehalt, widerstrebt Jahwe, denn jedes Bild, nicht nur das bekannter Fremdgottheiten, ist eine Realität. Eine weitere, direktem Monotheismus nicht günstige Tatsache ergibt sich aus der Entstehungssituation der ältesten Dokumente. Ein Bundesschluß von Menschen mit einem göttlichen Partner, oder untereinander vor einem göttlichen Vertragsschirmer, oder die Übernahme eines Gottes seitens politisch verbundener Stämme — diese drei Möglichkeiten zeigen die genannten Dokumente —, hat als rein praktische oder politische Angelegenheit keinen spekulativen Charakter oder rein religiösen Sinn. Ein solcher Gott ist freilich frei und ungebunden, er ist mit seinem Volk nicht naturhaft verbunden, aber immer ist die Beziehung, in die das Volk da zu seiner Gottheit tritt, eine spezielle unter anderen möglichen. Diesem einen speziellen Vertragsgott stehen andere gegenüber, mit denen das Volk gerade nichts zu tun hat. Doch zeigen unsere Dokumente auch noch eine andere Stufe an als diese der eigentlichen, politisch bedingten Monolatrie, die prinzipiell jede Gottheit gleich einschätzt. Wenden wir uns nun der ausgeführtesten Tradition über die Entstehungszeit, der Bundestradition zu, und zunächst speziell der sinaitischen. Die Stellen aus den beiden Dekalogen und dem Bundesbuch, die für unsere Untersuchung in Ijjage kommen, sind Gebote und Verbote, Befehlsformen. Eine direkt monolatrische Bundesschließung müßte auf der Wechselseitigkeit aufgebaut sein und hat als solche, also als ausgesprochener Bund zwischen Gleichgestellten im AT überhaupt kein Beispiel. Ein solcher Bund wird zwar von MOWINCKEL 1 als älteste Bundschließung postuliert, nämlich im Anschluß an E x 19 i3b; 24 i a . 9-n. Dieses Mahl ist nach PEDERSEN 2 ein Bundesschluß. Die absolute Wechselseitigkeit ist nicht zu erweisen. Die Gesetzesform, mit der wir es in den Urkunden zu tun haben, soll das Verhältnis des Volkes zu den fremden Gottheiten regeln. An das Ergebnis der Dokumente und der Tradition haben wir uns bei der Bestimmung dieses Verhältnisses in der ältesten Zeit des israelitischen Volkes und 1 2

Le D