Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten: Band 3 [8. Aufl. Reprint 2020] 9783112379288, 9783112379271

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Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten: Band 3 [8. Aufl. Reprint 2020]
 9783112379288, 9783112379271

Table of contents :
Vorwort zur achten Auflage des dritten Landes
Inahltsverzeichniß des dritten Landes
Zweiter Theil
Erster Titel. Von der Ehe
Zweiter Titel. Von den wechselseitigen Rechten und Pflichten der Rettern und Rinder
Dritter Titel. Boa den Rechten und Pflichten der übrigen Mitglieder einer Familie
Vierter Titel. Von gemeinschaftlichen Familienrechten
Fünfter Titel. Von den Rechten und Pflichten der Herrschaften und des Gefindes
Sechster Titel. Von Gesellschaften überhaupt, und von Korporationen und Gemeinen insonderheit
Siebenter Titel. Vom Bauernstande
Achter Titel. Vom Bürgerstande
Nachträge und Berichtigungen

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ÄUgemeillks Landrecht für die

preußischen Staaten. In zwei Theilen oder vier Binden.

Dritter Band.

Allgemeines Landrecht für die

Preußischen Staate«. Unter Wn»entnnt »er e»f*leten n»et «»fxtzsXnem enrf*riften nn» .), auch der Familienvertrag in beglaubigter Form. Im letzteren Falle muß ferner dargethan werden, daß sämmtliche betheiligten Glieder der Familie zugestimmt haben, waS aber bei weitverzweigten alten Familien unmöglich ist, da das Landrecht kein Verfahren zur Ermittelung etwaiger un­ bekannter Interessenten festgesetzt hat. Die dem LR noch bekannte Legitimation durch gerichtliches Erkenntniß, welches der Mutter die Rechte einer Eheftau des SchwängererS beilegt, und die Legitimation der Brautkinder durch gerichtliches Anerkenntniß des Vaters (II. 2 §§. 592, 694, 697, 698) ist durch g. 22 des Ges. v. 24. April 1864 aufgehoben. Die Legitimation zum besseren Fortkommen (L.R. §g. 663 ff. a. a. D.) ist unpraktisch, sie könnte auch nicht eingetragen werden, da sie an den StandeSrechten des Kindes nichts ändert (§. 665 a. a D.). 48) H. Unter der Herrschaft deS L R. war die Beibringung des schriftlichen Adoptions­ vertrages mit der Bestätigung des Kreisgerichtes des Wohnsitzes des Ännehmenden, vgl. II. 2 666, 667 u. D. v. 2. Jan. 1849 üb. d. Aufheb. d. Privatgerichtsbarkeit re. Atz. 22, 35 (G.S. S. 1) erforderlich, jetzt bedarf es der Bestätigung des Amtsgerichtes, s. Anm. zu II. 2 §. 667. 49) H. Eine solche Veränderung kann herbeiaeführt werden: 1. durch Einkindschaft, weil dadurch die Stiefältern die Rechte der leiblichen Aeltern, der Stiefvater die Rechte des leiblichen Vaters über das von dem andern Ehegatten aus einer früheren Ehe in die sog. Einkindschaft gebrachte Kind erlangen, L.R. II. 2 Kg. 732 ff. Borzu­ legen ist dem Standesbeamten ein darüber vor einem Gerichte erster Instanz (jetzt dem Amts­ gerichte) vollzogener und von diesem bestätigter Vertrag, L.R. a. a. O. §. 721; 2. durch Familienrechte in der ganzen Familie des Annehmenden im Gegensatz zu dem sonst bloß zwischen den Annehmenden und dem Angenommenen entstehenden Verhältniß (L R. a. a. O. §§. 708, 710), aus Grund des in derselben Form wie die Einkind­ schaft zu vollziehenden Vertrages; 3. durch Jllegimitätserklärung eines als ehelich eingetragenen Kindes in einem spätern rechtskräftigen gerichtlichen Urtheil (L.R. II. 2 §§. 2 ff., 17, 19 ff., 40); 4. durch Legitimitätserklärung eines als unehelich eingetragenen Kindes in einem rechtskräftigen Erkenntniß; 5. durch rechtskräftige Richtigkeits- oder Ungültigkeitserklärung der Ehe, aus welcher die als ehelich eingetragenen Kinder entsproffen sind, wenn diese dadurch die Rechte ehelicher Kinder verlieren, a. a. O. §§. 50 ff. In den zu 3 bis 5 gedachten Fällen ist das mit dem Atteste der Rechtskraft versehene Erkenntniß des Gerichts beizubringen oder der Eintritt der Rechtskraft dem Standesbeamten nachzuweisen. Zu der Veränderung der Standesrechte gehört die unter Zustimmung des Landesherrn, bez. der kompetenten Behörde erfolgte Aenderung des Familiennamens, auch die Nobilitirung, streng genommen nicht; eine solche kann also nicht am Rande der Geburiseintragung vermerkt werden. 50) H. Hierher gehören namentlich gerichtliche und notarielle Urkunden, Auszüge aus den

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Zweiter Theil. §. 27.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

Wenn die Anzeige eines Geburisfalles über drei 9Ronate53) verzögert wirb 5‘), so

darf die Eintragung nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde^) nach Ermittelung des Sach­ verhalts^) erfolgens.

Die Kosten dieser Ermittelung") sind von demjenigen einzuziehen,

welcher die rechtzeittge

Anzeige versäumt hat.

Dritter Abschnitt "). Erfordernisse der Eheschließung.

§. 28.

Zur Eheschließung ist die Einwilligung M) und

die Ehemündigkeit•’) der

Ehe­

schließenden erforderlich.

Standesregistern, aber auch die gerichtlichen Erkenntniffe. Welche für den einzelnen Fall er­ forderlich sind, darüber s. vorige Anm. 51) H. Dies sind in den Fallen der Anm. 47, 48, 49 Nr. 1 das Kind und die Aeltern bez. der Later, bei Erweiterung der Familienrechte (s. Anm. 49 Nr. 2) auch die übrigen Familien­ glieder, in den Fällen der Anm. 46, 49 Nr. 3 bis 5 diejenigen, welche in den Prozessen als Parteien ausgetreten sind, also' im Falle der Nichtigkeitserklärung einer Ehe wegen eines öffent­ lichen trennenden Ehehinderniffes, welche auf Antrag der Staatsanwaltschaft ergangen ist, f. C.P.O.8- 586, der Staatsanwalt. Ist die Nichtigkeitserklärung durch Klage eines Dritten herbei­ geführt, so kann auch dieser den Antrag stellen. Wegen der Wirksamkeit ausländischer Erkenntnisse s. zu §. 55. Für die Nachsuchung der Einttagung dieser Veränderungen ist weder eine Verpflichtung noch eme bestimmte Frist vorgeschrieben, weil das eigene Interesse stets einen der Betheiligten zur Stellung der nötigen Anträge veranlaffen wird. 52) H. Nach Maßgabe des §. 13 Schlußabs. und nach dem Borbilde des Formulars A 4 zur B.R.B. 53) H. Wegen der Berechnung s. Anm. 33 zu §. 22. 54) H. Bei erheblicher Verspätung der Geburtsanzeige erscheint ein Zweifel an ihrer Richtigkeit begründet. Für die Anzeige selbst gelten die allgemeinen Vorschriften, sie muß also für die Regel mündlich seitens eines dazu Verpflichteten bez. Berechtigen erfolgen. 55) H. D. h. der unmittelbar vorgesetzten. Bergl. §. 11 und Anm. 55 dazu. Die Verfügung der Aufsichtsbehörde ist zu den Sammelakten des Geburtsregisters zu nehmen, B.R.V. §. 9. 66) H. Diese wird die Aufsichtsbehörde durch den Standesbeamten anstellen lassen können und ihrerseits nur zu leiten haben. 57) H. Nach Maßgabe des Formulars A 3 zur B.R.V. 58) H. Die Festsetzung hat die Aufsichtsbehörde vorzunehmen. Die Kosten können von ihr, oder in ihrem Auftrage durch den Standesbeamten eingezogen werden. 59) H. Dieser Abschnitt ist in Preußen schon am 1. März 1875 in Kraft getreten (s. Zus. 10 zu §. 145 d. T.). 60) H. Vgl. Motive S. 24: „Durch den an sich selbstverständlichen Abs. 1 soll zugleich ausgedrückt werden, daß die Entschließung der Nupturienten nicht durch die Erklärungen ihrer etwaigen Gewalthaber ersetzt werden kann. Willensunfähigen, wie Trunkenen, Wahnsinnigen fehlt die Möglichkeit der Einwilligung, und Betrug, Zwang, Irrthum schließen die Einwilligung aus. Ueber die Fragen, welche Folge eine ohne freie Selbstbestimmung geschlossene Ehe habe, und in wie weit der Irrthum von Einfluß sei auf den Bestand der Ehe, will der Entwurf keine Entscheidung treffen, es vielmehr beim bisherigen Rechte in den einzelnen Bundesstaaten be­ lassen (vgl. 8- 35 Abs. 2)" — jetzt §. 36 Abs. 2. Wegen der Willensun fähigen vgl. L.R. 1. 4 §§. 23—26, 28—30. Der Standesbeamte wird sich zu vergewissern haben, ob nicht irgendwelche, die Willens­ unfähigkeit ausschließende Umstände bei den behufs Eheschließung vor ihm erscheinenden Per­ sonen obwalten. Das bisherige Recht über die Ehehindernisse des Irrthums, des Betruges oder Zwanges läßt der §. ebenfalls in Geltung. Bgl. 2 R. §§. 38 ff. d. T. u. 1. 4 §§. 31 ff. Der Standesbeamte hat nur festzustellen, ob die Kontrahenten ihren Ehekonsens äußerlich frei ab­ gegeben haben. 61) H. Der Entwurf hatte das Alter der Ehemündigkeit mit Rücksicht aus den allge meinen in ganz Preußen seit dem Ges. v. 21. Dez. 1872 (G.S. v. 1873 S. 1) geltenden Termin auf das vollendete 18., resp. 14. Lebensjahr ohne Zulassung der Dispensation festgesetzt. Tie Erhöhung des Termins und die Zulassung der Dispensation hat der Reichstag auf Grund

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Bon der Vollziehung einer gültigen Ehe.

Die Ehemündigkeit des männlichen Geschlechts tritt mit dem vollendeten zwanzigsten Lebens­ jahre, die des weiblichen Geschlechts mit dem vollendeten sechszehnten Lebensjahre ein.

Dispen­

sation^) ist zulässig.

§. 2963).

Eheliche Kinder") bedürfen zur Eheschließung, so lange der Sohn das fünfund­

zwanzigste, die Tochter das vierundzwanzigste Lebensjahr nicht vollendet hat, der Einwilligung des Balers"), nach dem Tode des Vaters") der Einwilligung der Slutter67) und, wenn sie

minderjährig66) sind, auch des Bormundes66).

Sind beide Eltern verstorben, so bedürfen Minderjährige76) der Einwilligung des Vor­ mundes. Dem Tode des Vaters oder der Mutter steht es gleich, wenn dieselben zur Abgabe einer

Erklärung dauernd außer Stande ftnb71), oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt76) ist.

eines dahin lautenden Amendements der Abg. Dr. v. Schulte, Dr. Marquardsen und Genoffen angenommen (stenogr. Berichte S. 1011 ff.). Bgl. §. 37 d. T. u. Anm. 48 dazu. Da nach §. 76 d. T. ein Berlöbniß nur unter der Voraussetzung gültig ist, daß zwischen den Verlobten eine rechtsbeständige Ehe stattfinden kann, so erhöht fick durch den reichsgesetzlich vorgeschriebenen Ehemündigkeitstermin auch das für die Eingehung des Berlöbniffes erforder­ liche Alter. Für den Standesbeamten ergiebt sich das Alter der Eheschließenden aus den nach §. 45 Nr. 1 beizubringenden Geburtsurkunden. 62) H. Diese ertheilt der Justizminister. Da das Reichsgesetz das Erforderniß der Ehe­ mündigkeit einheitlich geregelt und auch hinsichtlich der Ausübung der Dispensation keine Be­ schränkungen festgesetzt hat, so sind auch dadurch die partikularrechtlichen Atterstermine, unter welche bei Ertheilung der Dispensation nicht hinabgegangen werden konnte, beseitigt, s. auch Mandry i. Arch. f. d. civil. Praxis 59 S. 301. So ist z. B. jetzt in Preußen trotz der entgegen­ stehenden Vorschrift des früheren Gesetzes v. 31. Dez. 1872, s. Anm. 48 zu ß 37 d. T., die Dispensation eines Siebzehnjährigen rechtlich nicht ausgeschloffen. Die Dispensationsurkunde tst zu den Sammelakten des Heirathsregisters zu nehmen. B R-V. 8. 9. 63) H. Bgl. hierzu M. Duncker, vergleichende Darstellung des in Preußen in den landrechtl. Bezirken vor d. Reichsgesetz Hins. d. ätterlichen und vormundschaftlichen Heirathskonsenses bestandenen Rechts mit dem gegenwärttgen. Breslau 1877; Goldenring b. Gruchot 21 S. 655 ff. 64) H. Die legitimirten stehen ihnen gleich, s. Anm. 47 zu 8. 26, ferner auch Kinder aus putativer Ehe, welche selbst, wenn der Vater nicht in gutem Glauben war, trotz §. 54 L.R. II. 2 doch des Konsenses desselben bedürfen, weil §. 29 des Reichsgesetzes einen solchen ohne Aus­ nahme verlangt, Gold en ring a. a. O. S. 667. 65) H. D. h. des leiblichen. Diese ist aber nur nöthig, so lange die Kinder die erwähnte Altersgrenze nicht erreicht haben; ob sie dann noch in väterlicher Gewalt stehen oder nicht, ist gleichgültig. Dadurch ist §. 45 d. T. beseitigt. 66) H. Oder in dem Abs. 3 dieses §. gedachten Falle. Ersterer ist durch Beibringung der Todesbescheinigung oder eines rechtskräfngen Todeserklärungs-Urtheils dem Standesbeamten darzuthun, s. aber §. 45 Abs. 3, 4. 67) H. Auch der geschiedenen. Damit ist §. 49 d. T. aufgehoben. Es kommt demnach jetzt für den Geltungsbereich des preußischen Landrechts lediglich darauf an, ob die Kinder das Abs. 1 festgesetzte Alter vollendet haben oder nicht. Vgl. übrigens über die Fälle, in denen der Konsens der noch lebenden Mutter entbehrt werden kann, Abs. 3 dieses §. 68) H. Vgl. Zus. 3 zu I. 1 §. 26. Diejenigen Minderjährigen, welche für großjährig erklärt worden sind (§8. 61, 68 der Vormundschasts-Ordn.), stehen den Volljährigen gleich, bedürfen also nicht des Konsenses des Vormundes. 69) H. Der Konsens ist zu den Sammelakten zu nehmen, B.R.B. §. 9. 70) H. Verschwender als solche verpflichtet das Gesetz nicht zur Einholung eines Konsenses, und es ist damit und durch §. 38 der §. 55 d. T. aufgehoben. 71) H. Damit ist gemeint, daß der zur Konsensabgabe berechtigte Aelterntheil durch fort­ dauernde und namentlich die Willensfähigkeit beeinträchtigende Umstände, vor Allem durch Geisteskrankheit an der Erklärung seiner Genehmigung verhindert ist. Der etwa in solchen Fällen dem Vater oder der Mutter bestellte Kurator hat also nicht den Konsens zu geben. Beseitigt wird durch diese Vorschrift §. 66 d. T. 72) H. Diese Voraussetzung liegt dann vor, wenn der Betreffende seif längerer Zeit «och, Allgemeines Landrecht. HL

8. Anst.

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Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

Eine Einwilligung des Vormundes ist für diejenigen Minderjährigen nicht erforderlich,

welche nach Landesrecht einer Vormundschaft nicht unterliegen”).

Inwiefern die Wirksamkeit einer Bormundschastsbehörde 7I) oder eines Familienrathes ”)

stattfindet, bestimmt fich nach Landesrecht”). §. 30.

Auf uneheliche Kinder”) finden die im vorhergehenden Paragraphen für vaterlose

eheliche Kinder gegebenen Bestimmungen Anwendung. g. 31.

Bei angenommenen Kindern7e) tritt an Stelle des Vaters (§. 29) '•) derjenige.

seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort verlassen und von ihm seitdem oder seit Eingang der letzten Nachrichten für längere Zeit keine Kunde eingetroffen ist. Es darf auch unter Umständen bei bekanntem Aufenthaltsort von der Einholung der Einwilligung abgesehen werden, denn bei sehr weiter Entfernung und erschwerter Kommumkation (z. B. wenn sich Jemand im Innern Asrika's aufhält) kann auch ein dauerndes Auberstandesein angenommen werden. Durch die Vorschriften des Abs. 3 ist §. 57 d. T. aufgehoben. 73) H. Hiermit find 1. solche Gebiete gemeint, in denen die Mutter nach dem geltenden Recht die Gütergemeinschaft mit den Kindern fortsetzt und dann kraft Gesetzes, nicht kraft eingelttteter Vormundschaft die Vertreterin der Kinder ist; 2. wo Minderjährige der Vormundschaft dann nicht unterliegen, wenn und so lange sie in der älterlichen Gewalt ihrer Mutter oder Wahlmutter stehen, oder wenn sie eine gültige Ehe eingegangen sind, sollte dieselbe auch durch tod oder durch Scheidung getrennt sein. Für das Gebiet des L.R. hat diese Ausnahme keine Bedeutung. 74) H. Die Fassung des Absatzes läßt es zweifelhaft, ob in Gemäßheit der vorhergehenden Bestimmungen (Abs. 1 u. 2) der Konsens des Vormundes unter allen Umständen erforderlich ist und allein über die Mitwirkung der Bormundschaftsbehörde oder eines Familienrathes neben dem Vormunde das Landrecht entscheidet, oder ob das letztere ausschließlich bestimmt, in wie weit der Konsens der Behörde oder des Familienraths neben oder auch statt des Vor­ mundes einzutreten hat. Die Motive zum Entwurf a. a. O. bemerken: „Was unter Ein­ willigung „der Vormundschaft" zu verstehen sei, soll der Bestimmung des Landesrechtes überlassen bleiben, weil gegenüber den bestehenden gänzlich verschiedenen Vormundschaftsordnungen eine einheitliche Regelung unausführbar ist.

Wo also die Mitwirkung cincd VormundschastSrlchters

erfordert wird, oder wo der Familienrath und nicht der Vormund die Einwilligung ertheilt (code Art. 160), hat es hierbei sein Bewenden." Die Motive entscheiden sich also für die zweite Auslegung. Allerdings hatte der §. in der Fassung der Regierungsvorlage statt: „Vormund" das wohlüberlegte Wort: „Vormundschaft", und dieses letztere ist erst bei den wiederholten Aenderungen, welche der §. erfahren hat, durch „Vormund" ersetzt worden. Jndeffen ist damit keine Aenderung des §., so weit er sich auf die hier in Rede stehende Frage bezieht, beabsichtigt worden. Die Tendenz der ursprünglichen Fassung, das bestehende Recht auftecht zu erhalten, ist demnach unberührt geblieben, und sie kann nur zur Ausführung gelangen, wenn man die Auffassung der Motive auch jetzt noch als maßgebend anerkennt. Vgl. auch Stölzel, deutsches Eheschließungsr. S. 9, 26, 27; v. Sicherer S. 303; namentlich aber Dernburg, d. Vormundschaftsrecht der preuß. Monarchie. 2. Aufl. Berlin 1876 S. 274. §. 54 d. T. erfordert neben dem Konsense des Vormundes noch die obervormundschaftliche Einwilligung, eine Vorschrift, welche nach §. 48 der Vormunschaftsordn. v. 5. Juli 1875 in Kraft geblieben ist. Stdesb. v. 1877 S. 75, 78 ; Iohow, Jahrb. 7 S. 60. Der Standesbeamte wird sich also auch den Konsens der Bormundschastsbehörde beibringen lasten müssen. 75) H. So — ohne Konkurrenz des Vormundes, s. vor. Anm. — nach Art. 160 des Code civil. 76) H. Der §. 29 in Verbindung mit §. 30 ergiebt, daß die Einwilligung anderer Personen, als der im ersteren bezeichneten, nicht mehr erforderlich ist. Dadurch entfallen §§. 50—52 d. T. 77) H. Diese bedürfen also bis zur Vollendung des 25., bez. 24. Lebensjahres der Ein­ willigung der Mutter, und wenn sie minderjährig sind, der des Vormundes, die allein, eventuell in Verbindung mit der Vormundschaftsbehörde (s. Anm. 74 zu tz. 29) genügt, wenn die Mutter todt oder nach §. 29 Abs. 3 zur Abgabe des Konsenses außer Stande ist. Die bisherigen gesetz­ lichen Vorschriften über die Rothwendigkeit der Einwilligung anderer Personen, namentlich der Großältern (s. §§. 49 ff. d. T.), entfallen. 78) H. Vgl. dazu Motive S. 27: „Das Institut der Annahme an Kindesstatt hat in drei großen deutschen Rechtssystemen des gemeinen Rechts, des Rheinischen Rechts und des preußischen Landrechts eine verschiedene Gestalt angenommen. Seine Wirkung ist im Gebiete des Rheinischen Rechts eine so wesentlich andere, als im Gebiete des Preußischen Landrechts und des gemeinen Rechts, daß es sich nicht empfehlen kann, in diesem Punkte einen für alle drei Rechtsgebiete

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe. welcher an Kindesstatt angenommen *°) hat.

67

Diese Bestimmung findet in denjenigen Theilen des

Bundesgebietes8') keine Anwendung, in welchen durch eine Annahme an Kindesstatt die Rechte

der väterlichen Gewalt nicht begründet werden können.

H. 32.

Im Falle der Versagung der Einwilligung8S) zur Eheschließung steht großjährigen

Kindern die Klage88) auf richterliche Ergänzung zu").

gemeinsam gültigen Satz auhustellen. Nach dem Code begründet die Adoptton keinerlei Familiengemeinschaft; die leiblichen Aeltern verbleiben daher in chren bisherigen Rechten und fie, nicht die Adopttvältern, haben den Heirathskonsens zu ertheilen (Art. 343; Zachariä, franz. Civilrecht §§. 545» ff ). Diesem Zusümde entaeaen wird man gegenwärtig nicht da- Erfordernis eines HeirathSkonsenses der Adopttrenden einführen wollen. Nach dem Preußischen Landrecht dagegen bedarf es bei Konkurrenz von leiblichen Aeltern und Adopttvältern nur des HeirathSkonsenses des Adopttrenden (II. 1 §. 47). Diese Bestimmung beruht auf der Erwägung, daß der Adoptirende an Stelle der leiblichen Aeltern tritt und deshalb in einem näheren Verbände zu dem Adopttrten steht, als deffen leibliche Aeltern. Thatsächlich liegt die Sache ebenso im Gebiete des gemeinen Rechtes, wenn auch das letztere nur bei der Adoptton vaterloser Kinder (der arrogatio) und bei der Adoptton durch einen Aseendenten (der adoptio plena) die väter­ liche Gewalt dem Adoptivvater zuerkennt, wahrend die Adoption im Gebiete des Preußischen Landrechts in allen Fällen die väterliche Gewatt begründet. Der rechtliche Unterschied in oer Wirkung der römischrechtlichen arrogatio, beziehungsweise der adoptio plena einerseits und der adoptio minus plena andererseits hat sich jedoch (ebenso, wie die Bedeutung der väterlichen Gewalt) in der gemeinrechtlichen Praxis erheblich abgeschwächt (vgl. S t ö l z e l, das Recht der väterl. Gewalt §§. 3, 7, 17; Bertram, nassauisches Pr.R. §. 1691), so daß es ungerechtfertigt wäre, durch strenge Festhaltung des römischen Rechtes bei Entscheidung der Frage über den Heirathskonsens Veraltetes neu zu beleben. Für das Gebiet des gemeinen Rechtes läßt sich daher in diesem Punkte ebenso verfahren, wie für das Preußische Landrechtsgebiet bereits mit Recht verfahren ist, d.h. schlechthin für alle Adoptivkinder den Konsens des Adoptivvaters (des plene wie deS minus plene adoptans und des arrogator) verlangen. Neben dem Adoptivvater auch der Adoptivmutter oder mit dem sächsischen Gesetzbuche den leiblichen Aeltern (§§. 1573,1600) eine besondere Berücksichtigung zu Theil werden zu laffen, liegt kein ausreichender Grund vor. — Nach Aufhebung des Adoptionsverhältnifles, sei es durch Tod des Adoptivvaters, sei es durch Rückgängigmachung der Adoptton, ist selbstverständlich die Sachlage ebenso zu beurtheilen, als wenn keine Adoption in Mitte gelegen hätte." 79) H. D. h. des leiblichen Vaters. Auch gilt dies bloß für die Dauer des Adoptionsverhältniffes, s. vorige Anm. Die Adoptivmutter hat keinen Konsens zu geben. 80) H. Da eine Annahme an Kindesstatt im Rechtssinne vorlieaen muß, so bezieht sich die Vorschrift nicht auf das Verhältniß zwischen Pflegeältern und Pflegekindern. Ent­ gegen dem aufgehobenen §. 48 d. T. bedarf es jetzt nur des Konsenses der nach §. 29 berech­ tigten Personen, selbst wenn die leiblichen Aeltern die Kinder verlassen haben sollten. Der Einkindschaftsvater hat keinen Konsens zu geben, da das Reichsgesetz nur den Konsens des leiblichen und des Adoptivvaters fordert und im §. 39 alle weiteren Beschränkungen ausschließt. 81) H. D. h. in den Ländern des französischen Rechts, Code civil Art. 348 ff. 82) H. Dadurch ist: 1. der in dem überwiegenden Theile Deutschlands früher bestehende Rechtszustand, daß auch minderjährige Kinder auf Konsenseriheilung gegen ihre Aeltern klagen konnten, beseittgt, also namentlich §. 68 d. T., und 2. das bisher anerkannte Recht des Ver­ lobten d e s K i n d e s, die Klage gegen die Aeltern deffelben zu erheben, s. §. 68 d. T., beseittgt. Bestehen geblieben ist das bisherige Recht, in so fern daffelbe bestimmte Vorschriften über die Gründe der Versagung des Konsenses enthält, §§. 58—67 d. T. 83) H. S. 8- 68 d. T. 84) H. Von älternlosen bevormundeten Personen spricht der 8. nicht. Er schließt also auch die bisher nach dem Landesrecht zustehende Berechtigung des Minderjährigen, auf Konsensertheilung gegen den Vormund zu klagen, aus. Die Beschwerde über denselben beim Vormund­ schaftsgericht wird durch den Wortlaut des §. 32 aber nicht beseitigt. §§. 69—71 d. T. gestatten dem Vormundschastsgericht die mangelnde Einwilligung des Vormundes durch Dekret zu ergänzen, gewähren aber demselben, das Recht, dagegen auf richterliche Entscheidung zu provoziren. Da diese Klage nach Lage der Sache gegen den Mündel gerichtet werden muß, das Reichsgesetz aber eine richterliche Ergänzung des Konsenses bei Minderjährigen ausschließt, so muß angenommen werden, daß die Provokation des Vormundes aus richterliches Gehör beseitigt worden ist. Die Statthaftigkeit der Ergänzung des Konsenses durch das Vormundschastsgericht bleibt aber bestehen, s. auch §. 29 Abs. 5. Vergl. ferner Stölzel, deutsch. Eheschließungsreckt S. 25 Anm. 6, welcher allerdings unrichtiger Weise annimmt, daß ttotz der Ergänzung des Konsenses durch das Vormundschaftsgericht der Standesbeamte bei fortgesetzter Weigerung des Vormundes die Ehe-

Zweiter Theil.

68 §. 33.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

Die Ehe ist verboten^):

1. zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie,

schließung ablehnen müsse. S. dagegen Goldenrina bei Gruchot Ll S. 680. Letzterer — ebenso auch v. Sicherer S. 305 Rote 58 — hält die Klage des Vonnundes gegen den Mündel, wenn daS Vormundschastsgericht den Konsens desselben ergänzt hat, noch für zulässig, da das Reichsgesetz die landesgesetzlichen Vorschriften über die Vormundschaft nicht beseitigt habe. Indessen will das Reichsgesetz jeden Prozeß zwischen Minderjährigen und ihren Vertretern über die Konsensertheiluna ausschließen, und dazu gehört auch die hier in Frage stehende Provokation. Gegenüber der Klage des Vormundes würde man dem Mündel eine Widerklage auf Ertheilung des Konsenses nicht versagen können. Das würde aber mit §. 32 in direkten Widerspruch treten. Die Klage des Verlobten desjenigen Theiles, welchem das Vormundschastsgericht den Konsens versagt, auf Ergänzung desselben (s. §. 71 d. T.) ist ebenfalls unstatthaft.

85) H. Vgl. dazu Motive S. 29: „Die hier unter Nr. 1—3 ausgesprochenen Eheverbote verstehen sich von selbst; sie gewinnen ihre eigentliche Bedeutung für den Entwurf im Zusam­ menhalte mit §. 38 (jetzt §. 39) dahin, daß alle Vorschriften des bisherigen Rechtes, welche die Ehe über die unter 1—3 bezeichneten Grade hinaus verbieten, außer Kraft treten; diese Be­ schränkung entspricht — abgesehen von einer einzelnen unten zu besprechenden Abweichung — dem Standpunkte des preuß. Landrechts (II. I §§. 3, 4, 7, 8). In viel weiterem Umfange verbietet das gemeine Recht und die aus dem Eherechtsgebiete in den gemeinrechtlichen Lan­ destheilen besonders thätig gewesene Partikular-Gesetzgebung die Ehe wegen Verwandt­ schaft und Schwägerschast. Eine innere Berechtigung hat diese Mannigfaltigkeit nicht. Sie ist im Verhältnisse der einzelnen Bundesstaaten zu einander eine natürliche Folge der Selbststän­ digkeit dieser Staaten und im Verhältniß der einzelnen Theile desselben Bundesstaates zu einander eine Folge der einstigen staatlichen Selbstständigkeit dieser Theile und des Strebens ihrer ftüheren Gesetzgebung, von solchen Eheverboten des auf den Grundsätzen der katholischen Kirche beruhenden Eherechts sich zu befreien, welche dem protestantischen Eherechte widersprechen Während die katholische Kirche und damit das gemeine Eherecht der Katholiken die Ehen bis zum vierten Grade der Verwandtschaft und Schwägerschast verbot, gaben einzelne Partikular­ rechte den vierten Grad, andere den dritten Grad gleicher Seitenlinie, andere auch bett drittelt Grad ungleicher Seitenlinie frei; wieder andere gingen zurück auf die im mosaischen Rechte einzeln aufgezählten Eheverbote, und noch andere bildeten sich eine eigene, oft sehr ausführliche Verwandtschafts- rc. Skala, innerhalb deren sie die Ehe untersagten. Die betreffenden Einzelbestimmungen für Preußen siehe bei Stölzel, preuß. Eheschließungsrecht nach dem Register daselbst unter „Ehehinderniffe (Schwägerschast, Vormund­ schaft)"; für Baiern die Zusammenstellung am Schluß der Motive unter 7 a. u. b. — Vgl. auch sächs. Gesetzb. §§. 1608 1613. In die Mitte zwischen das Eherecht der gemeinrechtlichen Bezirke und des preußischen Landrechts stellte sich der Code, indem er wegen Verwandtschaft die Ehe außer in der geraden Linie und zwischen Geschwistern, weiter zwischen Onkel oder Großonkel und Nichte, sowie zwischen Tante oder Großtante und Neffe, wegen Schwägerschaft aber mit dem Bruder oder der Schwester des gewesenen Ehegatten verbot (Art. 162, 163). Das preußische Landrecht kennt von diesen Eheverboten des Code nur das der Ehe zwischen der älteren Tante und dem Neffen (II. 1 §. 8). Erfahrungen in der Richtung, daß die landrechtlichen Eheverbote wegen Verwandtschaft und Schwägerschast zu lax seien, sind nicht gemacht worden. Im Gegentheil haben sich jüngst fast sämmtliche Appellationsgerichte im Gebiete des preußischen Landrechts entschieden für die Aufhebung des Eheverbots zwischen der älteren Tante und dem Neffen, im Uebrigen aber für Beibehaltung der Vorschriften des Landrechts ausgesprochen. Mit Recht wird geltend gemacht, daß die Ehe zwischen der älteren Tante und dem Neffen, wenn man nicht überhaupt die Ehe im dritten Grade ausschließen will, kaum anstößiger sei, als die Ehe eines jüngeren Mannes mit einer älteren Frau. Wenigstens mühte, wenn man das Eheverbot zwischen Neffe und älterer Tante für Preußen beibehalten und auf das Reich ausdehnen wollte, das Eheverbot zwischen Nichte und Onkel, sowie auch zwischen Neffe und jüngerer Tante hinzutreten, da für alle diese Fälle gleichmäßig die Rücksicht auf den respectus parentelae zutrifft. Aber einmal hat es etwas Bedenkliches, in ein so großes Rechtsgebiet, wie das des preußischen Landrechts, ohne eine zwingende Nothwendigkeit neue Eheverbote wegen Verwandtschaft einzuführen, und eine solche hat sich in keiner Weise geltend gemacht; dann empfiehlt es sich überhaupt nicht, die Ehe zwischen Personen civilrechtlich zu verbieten, zwischen denen eine außereheliche Geschlechtsgemeinschast strafrechtlich nicht unerlaubt ist. Auch würde die Aufnahme solcher Eheverbote, welche für einzelne Theile des Bundesgebietes neu sind, in das System des gegenwärtigen Entwurfs deshalb nicht passen, weil derselbe hinsichtlich der rechtlichen Folgen einer gegen die Eheverbote geschlos-

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

2

69

zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern 86 * *),*

3. zwischen Stiefeltern und Stiefkindern, Schwiegereltern und Schwiegerkindern jeden Grades87), ohne Unterschied, ob das Perwandtschafts- oder Schwägerschastsverhältniß auf ehelicher

oder außerehelicher Geburt88) beruht und ob die Ehe89),90durch 91 92 welche die Stief- oder Schwiegerverbindung begründet wird, noch besteht oder nicht"),

4. zwischen Personen, deren eine die andere an Kindesstatt angenommen hat, so lange dieses Rechtsverhältniß besteht9'), 5. zwischen einem wegen Ehebruchs Geschiedenen9^) und seinem Mitschuldigen98). Im Falle der Nr. 6 ist Dispensation zulässig").

senen Ehe die Vorschriften des bisherigen Rechts maßgebend sein läßt, es aber an solchen Vor­ schriften für jedes neu eingeführte Eheverbot fehlt." Durch Nr. 1—3 des Paragraphen find §§. 3, 4, 5, 6, 7—10 d. T. beseitigt. 86) H. Kinder, welche die Ehegatten beiderseitig in die Ehe gebracht haben, sog. zusam­ mengebrachte Kinder, können eine Ehe mit einander eingehen, denn sie sind weder mit einander verwandt, noch verschwägert. 87) H. Der Ausdruck jeden Grades bedeutet so viel wie Verschwägerte in der aufund absteigenden Linie, also ist z. B. die Ehe verboten zwischen einer Wittwe und dem Groß­ vater ihres verstorbenen Ehemannes, zwischen dem Stiefvater und der Tochter seiner Stieftochter (d. h. der Tochter seiner Ehefrau aus einer früheren Ehe). 88) H. Es ist gleichgültig, ob die Verwandtschaft der in Frage stehenden Person zu dem einen Ehegatten auf ehelicher oder außerehelicher Geburt beruht; auch wenn das letztere der Fall ist, kann er den andern niemals heirathen, also z. B. nicht der Ehemann die außereheliche Tochter seiner verstorbenen Ehefrau oder die eheliche bez. außereheliche Tochter dieser ersteren. Was das Verhältniß zum außerehelichen Vater betrifft, so kann dies durch gerichtliches, die Vaterschaft aussprechendes Urtheil, oder durch Anerkenntniß des außerehelichen VaterS fest­ gestellt werden. 89) H. Aus diesem Worte, sowie aus den Worten: Stiefältern rc. ergiebt sich, daß daS Band, welches zwischen dem einen Gatten und den Verwandten des andern die Schwägerschast herstellt, eine Ehe sein muß. Der uneheliche Beischlaf erzeugt zwischen dem Manne und den Verwandten der Frau, mtt welcher er konkumbirt hat, keine SchwäaerschastSverhältniffe im Sinne des Reichsgesepes, d. h. das kanonisch-rechttiche Ehehinderniß der sog. außerehelichen Schwäger­ schaft (aftinitas illegitima) ist nicht anerkannt. ES steht also der Ehe eines ManneS mit der Tochter derjenigen Person, mit der er außerehelich den Beischlaf vollzogen hat, nichts entgegen. Vergl. hierzu Stölzel bei Dove u. Friedberg, Zeitschr. f. K.R. 14 S. 112, gegen v. Scheurl a. a. O. 13 S. 400 u. 16 S. 1 ff. 90) H. Es dauert also das Eheverbot auch nach der Auflösung der Ebe durch den Tod oder durch Ehescheidung fort. War aber die Ehe nichtig oder ungültig und ist sie annullirt worden, so hat sie rechtlich keinen Bestand gehabt und es ist alsdann die Stiefverwandtschast oder Schwägerschast nicht begründet worden. Vgl. auch v. SichererS. 338. Dagegen v. Scheurl a. a. O. 16 S. 22. 91) H. Diese Vorschrift stimmt materiell mit dem dadurch ersetzten §. 13 d. T. überein. 92) H. Vgl. dazu Motive S. 31: „Nr. 5 betrifft das Ehehinderniß des Ehebruchs. Seit den ältesten Zeiten schwankte die Kirche in Beantwortung der Frage, in wie fern die Ehe zwischen Ehebrechern zu verbieten sei, bis sich im gemeinen katholischen Kirchenrecht und später auch

im protestantischen Kirchenrecht der Satz entwickelte, in zwei Fällen bilde der Ehebruch ein trennendes Ehehinderniß, nämlich wenn sich die Ehebrecher aus den Fall des Todes des un­ schuldigen Gatten die Ehe versprochen oder wenn auch nur ein Theil dem unschuldigen Gatten mit Erfolg nach dem Leben getrachtet hat, Richter-Dove, Kirchenr. §. 278; Schulte, Eherecht I §. 35, II §. 9; Herrmann in den Jahrbüchern für deutsche Theologie Bd. V S. 254 ff.; Roth, bair. Eivilr. Bd. 1 S. 290; Zusammenstellung der Motive unter Rr. 9. — Nach preuß. Landrechte sollen die wegen Ehebruchs Geschiedenen diejenigen, mit welchem sie Ehebruch getrieben haben, nicht heirathen, desgleichen sollen diejenigen, welche durch verdächtigen Umgang oder sonst gestiftete Mißhellrgkeiten Anlaß zur Ehetrennung gegeben haben, die ge­ schiedene Person nicht heirathen, in beiden Fällen vorausgesetzt, daß der Ehebruch, der Umgang oder die (Stiftung der Mißhelligkeiten im Scheidungsprozesse gerügt oder als Grund der Scheldung befunden worden ist. Ehebruch oder verdächtiger Umgang, welcher nicht zur gerichtlichen Scheidung geführt hat, weil die Ehe durch den Tod getrennt worden ist, soll die Ehe zwischen den Ehebrechern verhindern, wenn er mit Nachstellungen gegen das Leben des andern Gatten verbunden war (L.R. II. 1 §§. 25—28). — Der Code verbietet allgemein dem wegen Ehebruchs ge­ schiedenen schuldigen Gatten die Ehe mit dem Mitschuldigen (Art. 298). Landrecht und Code scheiden



70

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

demnach gemeinsam unter den Ehehindernisten denjenigen Ehebruch aus, welcher nicht durch Scheidungserkenntniß festgestellt ist, und dies Verfahren muß dem gemeinen Rechte gegenüber als zweckmäßig anerkannt werden, einestheils weil der Ehebruch verziehen sein kann und in diesem Falle kein genügender Grund vorliegt/ihn als Ehehinderniß wirken zu lasten, anderntbeils weil außerhalb des Scheidungsprozesses der Ehebruch in den seltensten Fällen nachweisbar ist. Rur eine Ausnahme läßt das Landrecht zu: die Feststellung durch das Scheidungserkenntniß soll ersetzt werden, wenn die gerichtliche Scheidung durch den Tod des unschuldigen Gatten un­ möglich gemacht, aber der Ehebruch mit Lebensnachstellungen verbunden gewesen ist. Damit nähert fich das Landrecht dem gemeinrechtlichen Verbote der Ehe zwischen dem des Gatten­ mords schuldigen Ehegatten und seinem Komplizen bez. -wischen Ehebrechern, von welchen der eine Theil dem unschuldigen Gatten mit Erfolg nach dem Leben getrachtet hat. Schulte, Kirchenr. §§. 151, 157; Richter, Kirchenr. §. 278; Bartels, Ehe- und Berlöbnißrecht in Hannover g. 89. Das sächs. Gesetzbuch §. 1615 erklärt bereits die Verabredung einer Lebens­ nachstellung als indispensables Ehehinderniß. Bon praktischer Bedeutung dürste aber dies Ehe­ verbot kaum sein, da Gattenmörder auch im Falle M Erlasses der Todesstrafe regelmäßig eine ihre Wiederverheirathung ausschließende Freiheitsstrafe zu verbüßen haben werden. — Obwohl gewichtige Autoritäten sich für gänzliche Aufhebung des Eheverbots wegen Ehebruchs ausge­ sprochen haben (s. bes. Herrmann a. a. O.), trägt der Entwurf doch Bedenken, im Widerspruch mit dem innerhalb aller verschiedenen Rechtsgeblete bestehenden Rechte und dem allgemeinen Rechtsaefühle die Ehe zwischen Ehebrechern ohne Weiteres frei zu geben. Andererseits hat er sich dafür entschieden, die Dispensation ohne Beschränkung zuzulaffen, so daß es dann der Praxis in den einzelnen Bundesstaaten überlasten bleibt, im Anschlüsse an das bisher beobachtete Ver­ fahren die Dispensationsbefugniffe mehr oder weniger streng auszuüben. Eine gänzliche Aus­ schließung der Dispensation empfiehlt sich selbst für die oben erwähnten schwersten Fälle des Ehebruchs (so sächs. Ges.B. §. 1616) nicht, da das ehelose Zusammenleben solcher Ehebrecher durch polizeiliche Mittel erfahrungsmäßig nicht wirksam zu verhindern steht und mit Rückficht hierauf es unter Umständen immerhin wünschenswerth ist, die Umwandlung des unsittlichen und Anstoß erregenden Zusammenlebens in eine gesetzmäßige Ehe nicht unmöglich zu machen. — Das nach gemeinem protestantischen Eherecht für geschiedene Eheleute gerichtlich auszusprechende Verbot der Wiederverheirathung, welches auch mannigfache partikulargesetzliche Anerkennung gefunden hat, s. Richter, Kirchenrecht §. 288 III.; Bartels, hannov. Eherecht, . 82), vgl. auch R. d. Min. d. Inn. v. 21. gebt. 1877, Stdesb. v. 1878 S. 60, das letztgedachte Verfahren vorgeschrieben, und dafür hat sich auch die überwiegende Meinung unter den Standesbeamten selbst erklärt, s. Stdesb. a. a. O. S. 210, 226 u. v. 1876 S. 117, 233. Jedenfalls erscheint es da, wo es an besonderen instruktionellen Vorschriften fehlt, zweckmäßig, wenn der Standesbeamte der in seinem Lande herrschenden Praxis folgt. Daß die Standesbeamten ein Verzeichniß über die von ihnen angeordneten und ferner über die auf Ersuchen eines andern Standesbeamten bekannt gemachten Aufgebote führen, bestimmt, wie schon bemerkt, §. 10 Nr. 3 d. B.R.V. Wo aber der Standesbeamte nicht zugleich Gemeinde­ vorsteher ist, soll das Verzeichniß nach den citirten Ministerial-Reskripten von letzterem geführt werden. Auch empstehlt es sich, daß die Standesbeamten eine Kontrole über die Erledigung der von ihnen erlassenen Aufgebotsrequisitionen halten. Erklärt der eine der Verlobten dem Standesbeamten seinen Rücktritt vom Verlöbnisse, so ist die Entfernung des Aufgebots-Aushangs zu veranlassen. 48) H. D. h. nicht innerhalb des deutschen Reiches, weil In letzterem das Aufgebot überall durch Standesbeamte vollzogen werden kann. In Baiern, und zwar gleichviel ob im rechts­ rheinischen oder in der Pfalz, kommt aber Art. 39 des Gesetzes v. 16. April 1868 für die Angehörigen des deutschen Reichs zur Anwendung. 49) H. Ob der Standesbeamte oder die Betheiligten die Einrückung besorgen sollen, erhellt nicht deutlich aus dem Wortlaut. Dafür daß dies der Standesbeamte zu thun hat, spricht der Umstand, daß derselbe nach dem Zusammenhänge der Vorschriften als die das Aufgebot be­ wirkende Person erscheint, und es ferner ausdrücklich heißt: „aus Kosten des Antragstellers". Durch ein solches Verfahren kann es auch allein verhindert werden, daß der Betheiligte ein möglichst wenig verbreitetes Blatt aussucht, um das Bekanntwerden von Ehehinderniffen zu er­ schweren. So auch v. Sicherer S. 508. Die Kosten wird der Antragsteller vorzuschießen haben. 50) H. Dieser wird sich für die Regel durch das Datum des Belagsblattes, welches zum Beweis der erfolgten Einrückung beizubrmgen ist, ergeben, wenngleich beides nicht immer zu­ sammenzufallen braucht, v. Sicherer S. 509. Das Blatt ist zu den Sammelakten zu nehmen. 51) Das Reichsgesetz hat die Ehehindernisse zwar sehr vereinfacht, aber doch noch irmnerbin in Deutschland gewisse Verschiedenheiten bestehen lassen (s. §. 29 Abs. 4 u. 5, §§. 38, 40), ferner kann der Standesbeamte auch in die Lage kommen, eine Ehe zwischen Inländern und

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe. §. 49.

81

Soll die Ehe vor einem anderen Standesbeamten als demjenigen geschlossen werden,

welcher das Aufgebot angeordnet hat"), so hat der letztere eine Bescheinigung'") dahin auszustellen,

daß und wann das Aufgebot vorschriftsmäßig erfolgt ist und daß Ehehindernisse nicht

zu seiner Kenntniß gekommen '") sind. §. 50.

Die Befugniß zur Dispensation von dem Aufgebot steht nur dem Staate") zu

Ueber die Ausübung dieser Befugniß haben die Landesregierungen") zu bestimmen.

Ausländern, oder zwischen zwei Ausländern abzuschließen. Die Grundsätze über das zur An­ wendung kommende Recht, wenn die Verlobten verschiedenen Rechtsgebieten angehören, sind Anm. ** zu Abschn. I d. T., vgl. auch Anm. 12 zu §. 38 d. Ges., angegeben. Jedoch ist zu be­ achten, daß das danach zur Anwendung zu bringende ausländische Recht nicht solche eherechtliche Vorschriften des Inlandes, welche Berbotsgesetze enthalten, also absolut zwingender Natur sind, durchbrechen kann. Für solche sind im deutschen Reich zu erachten: das Eheverbot der nahen Verwandtschaft und Schwägerschaft, ferner das der zweiten Ehe vor Beendigung der ersten, endlich die Nothwendigkeit der freien Einwilligung und die Ehemündigkeit der Eheschließenden (vgl. auch Stölzel, deutsch. Eheschließungsrecht S. 16 ff. u. v. Sicherer S. 269). Selbst wenn es sich also um zwei Ausländer handelt, nach deren Recht die Ehe zuwider dem einen oder anderen in Deutschland geltenden Verbote, z. B. zuwider dem der Polygamie, gestattet wäre, hat der Standesbeamte die Eheschließung abzulehnen. Uebrigens muß, was insbesondere die Ehemündigkeit betrifft, diese nur überhaupt vorhanden sein. Mit welchem Jahre sie eintritt, bestimmt sich bei dem Ausländer nicht nach dem deutschen Recht, sondern nach dem seines Wohnsitzes. Es ist also z. B. die Ehe eines Reichsangehörigen und einer Französin, welche mit dem 15. Jahre ehemündig wird, in Deutschland trotz der Vorschrift des §. 28 des Reichsges. gestattet. Handelt es sich in solchen Fällen um Ehehindernisse, die dispensabel sind, so ist die Dispen­ sation von demjenigen Staat zu gewähren, in dessen Bezirk der Eheschließende sein Domizil hat, und. über die Statthaftigkeit der Dispensation entscheidet gleichfalls das materielle Recht des Domizils. Ein wegen Ehebruchs Geschiedener, welcher in Karlsruhe wohnt, aber in Berlin die Ehe schließen will, bedarf daher der Dispensation der badischen Staatsbehörde. Der erwähnte Grundsatz kommt auch für den Fall zur Anwendung, daß etwa das Ehehinderniß im Auslande entstanden sein sollte. Ein Oesterreicher, der in Oesterreich wegen Ehebruchs geschieden ist und mit seinem Mitschuldigen später sein Domizil nach Berlin verlegt hat, hat daher die nach §. 33 Nr. 5 nothwendige Dispensation von der preußischen Behörde einzuholen, s. auch S t ö l z e l a. a. O. S. 99 ff. u. v. Sicherer S. 483. Vgl. ferner zu §. 60. Hat sonach der Standesbeamte in dem gedachten Umfange auch das ausländische Recht zu berücksichtigen, so besteht doch für ihn keine Verpflichtung, sich für jeden einzelnen Fall, wo es zur Anwendung kommt, um Erlangung der ihm fehlenden Kenntniß deffelben besonders zu be­ mühen. Vielmehr ist es, falls der Standesbeamte eine solche nicht besitzt, Sache der Verlobten oder derjenigen, welche auf Grund des fremden Rechtes Ehehinderniffe anzeigen, dem Standes­ beamten darüber die nöthigen Beweise, also z. B. Atteste von Gerichtsbehörden, Advokaten u. s. w., beizubringen. Endlich haben die zu §. 38. Anm 12 angeführten Vorschriften über die Ehen von Ausländern u. A. auch den Zweck, die Schließung von nichtigen Ehen derselben zu verhindern. Eine Zusammenstellung des Rechtes der bedeutenderen fremden Staaten bei S t ö l z e l a. a. O. S. 113 ff. Andere Einsprachen als solche, welche sich auf die nach dem Reichsgesetz aufrecht erhaltenen Ehehindernisse stützen, hat der Standesbeamte nicht zu berücksichtigen, wie das auch §. 31 Abs. 2 des preuß. Ges. v. 9. März 1874 ausdrücklich ausgesprochen hat. Vgl. auch zu §. 158 d. T. und Stölzel, Stdesb. v. 1877 S. 21. 52) H. Wenn nach erlassenem Aufgebot Ehehinderniffe zur Kenntniß des Standesbeamten kommen, so ist die Eheschließung auszusetzen, und der weitere Verlauf ist der, daß entweder Dispens von dem Ehehinderniß beigebracht und die Ehe abgeschlossen wird, oder daß das Ehe­ hinderniß bestehen und sonach auch die Eheschließung ausgesetzt bleibt. Gegen eine etwaige irrthümliche Beurtheilung des Standesbeamten schützt die Beschwerde an die ihm vorgesetzten Behörden im sonst vorgeschriebenen Jnstanzenzuge. S. auch §. 11 Abs. 3. 53) H. S. Anm. 29 u. 30 zu §. 44. 54) H. Diese ist kostenfrei, s. den angehängten Gebührentarif Nr. I. Vgl. B.R.B. §. 13. 55) H. Sind Ehehindernisse ermittelt, so wird darüber ebenfalls den Parteien Mittheilung zu machen sein. Bringen letztere dem Standesbeamten, vor welchem die Ehe geschloffen werden soll, die vorgeschrieoene Bescheinigung nicht bei, so darf dieser die Eheschließung nicht vornehmen. Die Bescheinigung ist zu den Sammelakten des die Ehe schließenden Standesbeamten zu nehmen, s. B.R.B. §. 9. Koch, Allgemeines Landrecht. III.

8. Anst.

6

Zweiter Theil.

82

Erster Titel.

Wird eine lebensgefährliche Krankheit, welche

§. 145 (Zusätze). einen Aufschub der Eheschließung nicht ge­

stattet, ärztlich bescheinigt, so kann der Standesbeamte (§. 42 Abs. 1 *8)) auch ohne Aufgebot die Eheschließung vornehmen. §. 51.

Das Aufgebot verliert seine Kraft, wenn seit dessen Vollziehung") sechs Monate")

verstrichen sind, ohne daß die Ehe geschloffen worden ist*1).

§. 52.

Die Eheschließung") erfolgt88) in Gegenwart von zwei Zeugen") durch die an

die Verlobten88) einzeln und nach einander gerichtete Frage des Standesbeamten: ob sie erklären, daß sie die Ehe mit einander eingehen wollen"). * 56) H.

S. §. 40.

57) H. Daß die Regierungen auch das Recht haben, gewissen Behörden die Besugniß zur Abkürzung der Aufgebotsfrist beizulegen, unterliegt keinem Zweifel, da in dem weitergehenden Recht, das Aufgebot ganz zu unterlassen, diese geringe Besugniß mit enthalten ist. Aus dem­ selben Grunde sind auch die zur Dispensation berechtigten Behörden befugt, selbst ohne besondere Ermächtigung eine Abkürzung der Ausgebotssrist zu gewähren. Die Dispensation ertheilt der Minister des Innern, bez die Ministerial-Abthlg. des Innern, jedoch bei obwaltender Lebensgefahr der Vorsitzende der Aufsichtsbehörde, s. Anm. 55 zu §. 11, welche auch zur Gestattung der Ab­ kürzung der Aufgebotsfrist zuständig ist, B. v. 8. Jan. 1876 (Zus. 11 zu tz. 145 d. T.). Die Besugniß zur Dispensation steht der Behörde des Ortes zu, an welchem die Ehe nach der gesetzlichen Regel, §. 42 Abs. 2, geschlossen werden soll. 58) Also nicht der nach §. 43 ermächtigte Standesbeamte, s. §. 44 Anm. 30. A. M. Stiegele S. 153. Er übersieht aber, daß nur nach Anordnung des Aufgebots ermächtigt werden darf und daß allein der Standesbeamte, welcher das Aufgebot vorzunehmen in der Lage ist, davon absehen kann, nicht aber derjenige, welcher nach der Vornahme des Aufgebotes erst die Ermächtigung zur Ehevollziehung erhält, und welchem die nach g. 49 erforderliche Bescheini­ gung dazu beizubringen ist. Ein Bedürfniß zur Ermächtigung für die Eheschließung seitens des zuständigen Standesbeamten nach Erlaß des Aufgebotes durch diesen liegt kaum vor, weil die Ermächtigung in diesen Fällen regelmäßig zu spät an den nicht zuständigen Standesbeamten gelangen würde.

Die mit Unterlassung beö Aufgebots in ander»» ato beit im §. 50 gedachten AuSnahinesällen erfolgte Eheschließung ist nicht nichtig. Dies war bisher geltendes gemeines und preußisches Recht, s. Richter-Dove S. 962, 968; L.R. II. I §. 154, und das Reichsgesetz hat keine entgegengesetzte Vorschrift. Es wird der bisherige Rechtssatz daher um so mehr festgehalten werden müssen, als das Aufgebot »uv den Zweck hat, Ehehindernisse zu ermitteln, und diese auch nach der Eheschließung immer noch geltend gemacht werden können. S. auch Völk S. 164 und v. Sicherer S. 495. Wegen der Strafe, welche den Standesbeamten bei Unterlassung des Aufgebots trifft, vgl. §. 69. 59) H. Diese ist vollendet mit dem Ablauf der §. 46 Schlußabs. festgesetzten Frist von zwei Wochen, bez. mit Ausgabe der Rümmer des im §. 47 bezeichneten Blattes oder der Aus­ stellung der Bescheinigung der ausländischen Behörde. Die Frist von sechs Monaten beginnt also nut dem nächstfolgenden Tage. Stiegele S. 153, ebenso v. Sicherer S. 515, will auch für den Fall der Bekanntmachung durch ein öffentliches Blatt das Aufgebot erst mit Vollendung von 14 Tagen nach der Ausgabe des ersteren vollzogen sein lassen. Aber nach dem §. 47 ersetzt die einmalige Bekanntmachung den 14 tägigen Aushang. 60) H. Diese sind kalendermäßig zu berechnen. 61) H. Soll dies später doch geschehen, so bedarf es eines neuen Aufgebotes, für welches die Vorschriften der §§. 44 bis 50 und dieses Paragraphen wieder maßgebend sind, nicht aber dann, wenn der Antrag auf Eheschließung beim Standesbeamten zurückgezogen, aber vor Ablauf der Frist wieder erneuert wird. 62) H. Die Motive S. 35 bemerken hierzu: 51 (jetzt S. 52) erklärt die durch das Bundesgesetz vom 4. Mai 1870 tz. 7 B.G.Bl. S. 599) für die Deutschen im Auslande vor­ geschriebene Form der Eheschließung auch für das Inland als maßgebend, weil es unzuträglich wäre, hier zwei verschiedene Formen zuzulassen, und weil die Rücksicht auf die Fassung des 337 des Strafgesetzbuchs, welche zu der im preußischen Gesetze v. 9. März 1874 g. 85 be­ liebten Form führte, für die Reichsgesetzgebung, welche in der Voge ist, den §. 337 sachentsprechend zu erläutern, nicht entscheiden kann" (vgl. §. 67).

63) H. Ter Ort ist das Amtslokal des Standesbeamten. Dies setzt das Gesetz voraus, auch ergiebt es sich daraus, daß die Amtshandlungen des Standesbeamten gebührenfrei sind. Rur wenn der eine oder andere Theil durch Krankheit, Gebrechen oder andere erhebliche und dringende Gründe am Erscheinen im Amtslokale verhindert ist, kann die Eheschließung in einem Privathause vorgenommen werden, Min.Erk. v. 2. Febr. 1875 (Stdesb. v. 1875 S. 65, s. ferner

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

83

durch die bejahende Antwort der Verlobten und den hierauf erfolgenden Ausspruch des Standes­ beamten ü7), daß er sie nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig verbundene Eheleute erkläre 68).

§. 53.

Als Beugen sollen66) nur Großjährige'6) zugezogen werden.

Verwandtschaft und

Schwägerschaft zwischen den Betheiligten und den Zeugen, oder zwischen den Zeugen unter ein­

ander steht deren Zuziehung nicht entgegen.

§. 54.

Tie Eintragung in das Heirathsregister soll enthalten:

a. a. O. S. 69, 168). Das Amtiren in Privathäusern wird auf die Fälle dringender Noth­ wendigkeit um so mehr zu beschränken sein, als, da der Standesbeamte das Hauptheirathsregister behufs Bewirkung der Eintragung mitzunehmen hat, dadurch der Uebelstand herbeigeführt wird, daß dasselbe aus dem Amislokale entfernt werden muß. Die Beförderungskosten und Auslagen, welche dem Standesbeamten in solchen Fällen ent­ stehen, müssen ihm ersetzt werden, denn er ist nicht verpflichtet, für seine Thätigkeit besondere Kosten aufzuwenden. Tag und Stunde der Eheschließung hat der Standesbeamte mit den Verlobten zu vereinbaren. 64) H. S. §. 53. Damit ist nicht gesagt, daß nur die beiden Zeugen anwesend sein dürfen. Ist die Eheschließung auch nicht öffentlich, so daß jedem beliebigen Dritten der Zutritt zu gestatten ist, so ordnet das Reichsgesetz doch andererseits auch nicht an, daß sie geheim sein soll. Daher hat der Standesbeamte Verwandte und Freunde der Verlobten auf deren Wunsch zuzulaffen. 65) H. Dadurch ist die Statthaftigkeit der Eingehung der Ehe durch Bevollmächtigte aus­ geschlossen, wie dies auch der ausdrückliche Vorbehalt in §. 72 ergrebt. 66) H. Da diese Erklärung absolut wesentlich ist, und das Gesetz eine solche als unbedingte erfordert, ist die nach katholischem Kirchenrecht statthafte Eingehung unter einer Bedingung, welche übrigens nach protestantischem Eherecht nicht zulässig war, s. Schulte, Eherecht S. 132; Bartels, hannov. Eherecht S. 162, beseitigt. Eine bejahende Antwort braucht aber nicht durch Worte, sie kann auch z. B. von Stummen durch Zeichen, welche eine Bejahung ausdrücken, abgegeben werden. 67. H. Diesen Ausspruch hat der Standesbeamte sofort nach der Erklärung der Ver­ lobten, also noch vor dem Niederschreiben der Urkunde zu thun. Mit der vorgeschriebenen Form ist es unvereinbar, daß der Standesbeamte seine eigene Ehe schließt, s. Petersen i. d. Zeitschr. f. Reichs- und Landesrecht 3 S. 9. Wegen der Vornahme von Eheschließungen der Verwandten desselben s. Anm. 65 zu §. 13. 68) H. Erst mit diesem Ausspruch des Standesbeamten, welcher den Zweck hat, die Uebereinstimmung der beiderseitig auf die Eheschließung gerichteten Erklärungen zu konstatiren, tritt die Ehe rechtlich in das Dasein, und erst von diesem Zeitpunkt ab beginnen ihre rechtlichen Folgen. So auch Petersen a. a. O. S. 10 ff. u. v. Sicherer S. 521. A. M. aber R. Schröder, Zeitschr. f. d. gebildete Welt 2 S. 137, welcher schon mit der Erklärung der Brautleute die Ehe zu Stande kommen läßt und der Erklärung des Standesbeamten allein den Charakter einer amtlichen Beglaubigung beilegt. Er beruft sich dafür auf die Geschichte der Civilehe, welche zeige, daß dies der Wille des Gesetzgebers sei. Der Wille des letzteren ist aber klar und unzweideutig im §. 52 ausgesprochen und läßt diese Auffassung nicht zu. Alle weiteren Ceremonien, namentlich solche, welche, wie z. B. das Wechseln der Ringe, an die kirchliche Trauung erinnern, wird der Standesbeamte zu unterlassen haben, Stdesb. 1875 S. 93. Staatliche Behörden haben keine anderen als die vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu erfüllen. Vgl. auch zu §. 82. Die Beobachtung der gesetzlichen Förmlichkeiten ist wesentlich. Wird eine unterlassen, so kommt die Ehe nicht zu Stande. 69) H. S. Anm. 71 zu 54. 70) H. Oder solche, welche für großjährig erklärt worden sind, denn diese haben dieselben Rechte, s. Anm. 68 zu §. 29. Männliches Geschlecht wird nicht erfordert, ebenso wenig Jndigenat, dagegen müssen die Personen die natürlichen und gesetzlich vorgeschriebenen allgemeinen Eigenschaften von Zeugen haben. In ersterer Beziehung sind ausgeschlossen Wahn- und Blödsinnige, vorübergehend des Gebrauchs ihrer Verstandeskräste Beraubte (z B. Betrunkene), Taube, Taubstumme und Blinde, die eben gedachten drei Kategorien, weil ihre Wahrnehmungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt ist; in letzterer Hinsicht diejenigen, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden sind, für die in dem betreffenden Kriminaluriheil festgesetzte Zeitdauer §. 34 Rr. 5 des R.Str.G.B. Wenn Völk S. 172 (vgl. auch Stiege le S. 156, 157; Stdesb. v. 1877 S. 118) meint, daß Personen, welche nicht im Vollbesitze bürgerlicher Ehrenrechte sind, an sich Zeugen der Ehe­ schließung sein können, und dies darauf stützt, daß die Zeugen zur Herstellung der Oeffentlichkeit 6*

84

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

1. Vor- und Familiennamen, Religion, Alter 7‘), Stand oder Gewerbe, Geburts- und Wohn­ ort der Eheschließenden; 2. Bor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort ihrer Eltern; 3. Bor- und Familiennamen, Alter72), Stand oder Gewerbe und Wohnort der zugezogenen

Zeugen; 4. die Erklärung der Eheschließenden: 5. den Ausspruch des Standesbeamten7*). Ueber die erfolgte Eheschließung ist den Eheleuten sofort eine Bescheinigung auszustellen7i). der Eheschließung dienen, und somit Solennitätszeugen sind, so ist letzteres an sich richtig, aber nicht entscheidend, da der §. 34 Nr. 5 nicht zwischen der Fähigkeit, Solennitäts- und Beweis­ zeugen zu sein, unterscheidet, und die Zeugen hier, weil sie die Heirathsurkunde zu unterschreiben haben, auch zugleich Beweiszeugen sind. S. auch Mandry, Archiv f. d. civil. Praxis 59 S. 339. Vgl. hierzu noch v. Sicherer S. 518. 71) H. Und zwar die Zahl der Jahre in Buchstaben; das Alter ist in so fern wesentlich (s. §. 13 des Ges ), als sich danach die Fähigkeit zur Eheschließung bestimmt. 72) H. Auch hier gilt das in der vorigen Anmerkung Gesagte, denn der Zeuge soll groß­ jährig sein, s. §. 53. Daß die Zuziehung minderjähriger Zeugen die Ehe nicht nichtig macht, hat für das gleich­ lautende preußische Gesetz (s. §. 36) ein Min.R. v. 16. Juli 1875 (M.Bl. f. d. i. B. S. 169; Stdesb. v. 1875 S. 137) angenommen. Daffelbe muß auch nach dem Reichsgesetz gelten. Anderer Ansicht ist Bölk S. 173, weil das Gesetz positiv ein bestimmtes Alter der Solennitätszeugen vorschreibt und die Zuziehung von Zeugen, wenn die vorgeschriebenen Eigenschaften als unwesent­ lich angesehen werden, selbst nicht mehr wesentlich erscheinen würde. Was den ersten Grund anlangt, so fragt es sich indessen gerade, ob die Großjährigkeit und die sonstigen Eigenschaften absolut wesentliche Erfordernisse sind. Dies ist zu verneinen, weil nur der §. 52, aber nicht der §. 53 die wesentlichen Förmlichkeiten aufzählt. Sodann gebraucht der letztere nicht das impera­ tive, absolut nothwendige Requisite bei Strafe der Nichtigkeit anordnende: „Müssen", sondern das instruktionelle: „Sollen" in Uebereinstimmung mit dem Sprachgebrauch dieses Reichsqesetzes (f. H. 44 und Aum. 58 zu §. 50) und der E.P.O., vgl. Begründung des Entwurfes e. E.P.Ö. zu §. 4 S. 22. Ebenso wenig ist auch der zweite Grund zutreffend. Daraus, daß man be­ stimmte Eigenschaften der Zeugen für unwesentlich erklärt, folgt noch nicht, daß die Zuziehung der Zeugen es selbst ist. Auch bei der Anwesenheit eines minderjährigen Zeugen ist die vor­ geschriebene Oeffentlichkeit immer noch gewahrt. Wenn Völk endlich meint, daß bei der An nähme der hier vertretenen Ansicht eine Formlosigkeit möglich werden würde, welche der Gesetz­ geber nicht gewollt hat, so ist dem gegenüber darauf hinzuweisen, daß es zunächst Pflicht des Standesbeamten ist, Zeugen mit den vorgeschriebenen Erfordernissen zuzuziehen, und daß, wenn dies in einzelnen Ausnahmesällen nicht geschehen, immer noch mindestens eine vor einem öffent­ lichen Beamten stattgehabte Verhandlung' erforderlich ist, also von einer Formlosigkeit keine Rede sein kann. Vgl. auch Petersen, Zeitschr. f. Reichs- und Landesrecht 3 S. 14 ff. u. v. Sicherer S. 518. 73) H. Die Eintragung in das Heirathsregister mit dem vorgeschriebenen Inhalt dient nur zur Beurkundung der erfolgten Eheschließung, die rechtliche Wirkung der Ehe ist dadurch nicht bedingt, und die letztere besteht also selbst, wenn gar keine Eintragung stattgesunden hat. Daher kann auch die stattgehabte Eheschließung, d. h. die Beobachtung der nach §. 52 noth­ wendigen Erfordernisse, durch alle sonstigen statthaften Beweismittel dargethan werden. Der kirchliche Trauschein beweist sie aber nicht, denn wenn auch die kirchliche Trauung der Ehe­ schließung vor dem Standesbeamten nachfolgen soll, so ist es doch immer möglich, daß der Geistliche diese Vorschrift unbeachtet gelassen hat. Auf die Eintragung finden ferner die Be­ stimmungen des §. 13 Anwendung, also ist die Heirathsurkunde auch von den Eheschließenden und den Zeugen zu unterschreiben. Die Braut wird dabei schon mit dem Namen des Bräu­ tigams zu unterzeichnen haben, denn, da vorher der Ausspruch des Standesbeamten (f. §. 52) erfolgt ist, so ist sie schon Ehefrau und hat als solche den Namen ihres Ehemannes zu führen, f. auch das Formular B 1 zur B.R.V. 74) H. Damit die Ehegatten gleich dem Geistlichen, welchen sie etwa um Vollziehung der kirchlichen Trauung angehen, die stattgefundene Eheschließung nachweisen können (f. §. 67). Vergl. B.R V. §. 5. Die Bescheinigung ist kein Auszug, d. h. keine beglaubigte Abschrift der aufgenommenen, in das Register eingeschriebenen Eheschließungsverhandlüng, sondern nur ein kurzes Eertifikat, s. das Formular Du. D 1 zur B.R.V. Für ihre Ertheilung dürfen keine Gebühren erhoben werden, s. den angehängten GebührenTaris Nr. I.

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe. §. 55.

Ist eine Ehe für aufgelöst75),

85

ungültig oder nichtig erklärt worden70), so ist dies

am Rande77) der über die Eheschließung bewirkten Eintragung zu vermerken7*). Die landesgesetzlichen Vorschriften70), nach welchen es zur Trennung einer Ehe einer be­ sonderen Erklärung und Beurkundung vor dem Standesbeamten bedarf,

werden hierdurch nicht

berührt. Fünfter

Abschnitt.

Beurkundung der Sterbefälle.

§. 56.

Jeder Sterbefall ist spätestens am nächstfolgenden Wochentage*") dem Standes­

beamten des Bezirks, in welchem der Tod erfolgt ist"), anzuzeigen.

Die Ertheilung auf Grund des Abs. 2 des §. hat aber nur einmal zu erfolgen, nicht so oft es die Jntereffenten, z. B. zur Ersparung der Kosten einer förmlichen Heirathsurkunde, ver­ langen, f. Stdesb. v. 1875 S. 209, 210. 75) H. Hier handelt es sich im Gegensatz zu der Vorschrift des §. 35 nur um die Auf­ lösung durch Ehescheidung, nicht durch Tod. 76) H. S. Anm. 97 zu §. 34. Das betreffende rechtskräftige Erkenntniß muß stets vorgelegt werden, und ist zu den Sammelakten zu nehmen, B.R.B. §. 9. 77) H. Nach Maßgabe des §. 13 Abs. 4 und §. 14 Abs. 3, vgl. Formular B 1 zur B.R.V. 78) H. Auf wessen Antrag ist nicht gesagt. Die Mottve S. 35 bemerken aber: „Sache der Ausführungsbestimmung wird es dann sein, für die nichttheinischen Landestheile den m Abs. 1 §. 32 des Reichstags-Entwurfes enthaltenen (weggelaffenen) Satz zum Ausdruck zu bringen, daß dem Ehegerichte oder der Staatsanwaltschaft von Amtswegen obliege, den Vermerk der Ehetrennung am Rande der Heirathsurkunde zu veranlassen." Die B.R.B. §. 14 bestimmt dem­ gemäß, daß, wo die Staatsanwaltschaft in Ehesachen mitzuwirken hat, diese, sonst das Ehegericht, eine mit der Bescheinigung der Rechtskraft versehene Ausferttgung des Urtheils dem Standes­ beamten, vor welchem die Ehe geschloffen ist, zu übersenden hat. Vgl. Anm. 51 zu §. 26. Die^Notive lassen zugleich erkennen, daß es keinen Unterschied macht, wenn die Requisition an den Standesbeamten eines andern Bundesstaats als desjenigen, deffen Gericht die Auf­ lösung oder Nichtigkeit der Ehe ausgesprochen hat, ergeht. Dies entspricht auch dem Gesetze, welches ganz Deutschland als ein einheitliches Gebiet für die Standesregtsterführung und die Eheschließung auffaßt und in dieser Beziehung nicht zwischen den einzelnen Bunoesstaaten mehr unterscheidet. Uebrigens wird der Vermerk auch auf Antrag eiltet Betheiligten gemacht werden können, wenn er die Auflösung oder Nichtigkeit der Ehe nachweist. Letzteres schließt das Gesetz nicht aus, und es kann dies trotz des g. 14 der B.R.V. von prattischer Bedeutung werden, wenn dte Trennung der in Deutschland geschlossenen Ehe im Auslande erfolgt ist. Die Frage aber, ob der Standesbeamte ohne Weiteres eine derartige Eintragung auf Grund des Urtheils eines außerdeutschen Gerichtes vornehmen kann, wird verneint werden müssen. Eine solche stellt sich als eine besondere Art der Vollstreckung des die Nichtigkeit oder Ehescheidung aussprechenden Urtheils dar. Ob das ausländische Erkenntniß im Inlands voll­ streckungsfähig ist oder nicht, das zu untersuchen, gehört nicht zur Kompetenz des Standes­ beamten. Vielmehr wird sich die Partei, welche den Vermerk eingetragen haben will, gerade so, wie in jedem anderen Falle, wo ein ausländisches Urtheil exequirt werden soll, sei es durch Requi­ sition des erkennenden Gerichtes, sei es, wo dies statthaft ist, selbst, an das Gericht des Amtssitzes des Standesbeamten zu wenden haben, damit dieses als Vollstreckungsgericht den letzteren um die Eintragung ersucht. Wegen der Vollstreckung ausländischer Urtheile vgl. C.P.O. §§. 660 ff. 79) H. Hiermit sind die Vorschriften des französischen Rechts gemeint. Nach denselben ist unter Durchstreichung des Vordruckes die betreffende Verhandlung in das Heirathsregister zu schreiben und am Rande der Heirathsurkunde ein Vermerk darüber zu machen, s. Philippi a. a. O. S. 89. 80) H. Der Entwurf enthielt bloß das Wort „Tag". Durch die Annahme eines Amende­ ments v. Seydewitz hat nur die Verpflichtung, auch die Anzeige am Sonntage zu machen, beseitigt werden sollen. Uebrigens ist das Wort: „Wochentag" absichtlich int Gegensatz zu „Werktag" gewählt worden, um klar zu stellen, daß an Feiertagen, welche auf einen Wochentag fallen, die Anmeldungen zu geschehen haben, so stenogr. Bericht S. 1067. Gleichgültig ist es dabei, ob die betreffenden Festtage in der Woche hinsichtlich ihrer Feier nach dem Landesgesetz den Sonntagen gleich zu achten sind. Erk. des O.Tr. Str.Sen. II. Abth. v. 27. Sept. 1877, Oppenhoff Rechtsspr. 18, 605. 81) H. Auf das Domizil des Verstorbenen kommt es also nicht an. Wird eine Leiche gefunden, so ist der Standesbeamte des Fundortes zuständig, weil an-

Zweiter Theil.

86 §. 57.

Erster Titel.

§. 146 (Zusätze).

Zu der Anzeige verpflichtet®®) ist das Familienhaupt, und wenn ein solches nicht

vorhanden oder an der Anzeige behindert ist, derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung")

der Sterbefall fich ereignet hat.

§. 68.

Die §§. 19 bis 21M) kommen auch in Beziehung auf die Anzeige der Sterbe­

fälle^) zur Anwendung. Findet eine amtliche Ermittelung über den Todesfall statt ®®), so erfolgt die Eintragung

auf Grund der schriftlichen Mittheilung der zuständigen Behörde®').

zunehmen ist, daß auch an diesem der Tod erfolgt ist. Ltdesb. v. 1875 S. 140. Bei Sterbe­ fällen, welche sich in Eisenbahn-Waggons ereignen, derjenige, in dessen Bezirk die Reiche aus dem Waggon entfernt wird. Wenn die Leiche auf der Grenze zwischen zwei Standesamtsbezirken so liegt, daß der Körper beide berührt, so entscheidet die Lage des Kopfes, Stdesb. ä. a. O. S. 185. Einer Anzeige über Todesfälle von Ausländern an das auswärtige Amt bedarf es nicht mehr, R. d. Min. d. I. v. 30. Juni 1876, M.Bl. f. d. i. V. S. 146; Stdesb. v. 1876 S. 261. 82) H. Die bloße Wahrscheinlichkeit einer amtlichen Ermittelung des Todesfalls beseitigt diese Pflicht nicht. 83) H. D. h. der Raum, welchen Jemand regelmäßig für seine eigenen Zwecke, wennaleich nicht als Wohnung benutzt. Deshalb ist der Hauswirth, in dessen Haus ein Todesfall erfolgt, nicht als solcher zur Anzeige verpflichtet, denn die vermietheten Räume gehören zwar zu seinem Hause, nicht aber zu seiner Behausung, ebenso wenig die Mitbewohner desselben Hauses. Vgl. hierzu auch v. Sicherer S. 532. 84) H. Danach ist jeder, welcher aus eigener Wissenschaft Kenntniß von dem Todesfall hat, — im Momente des Todes braucht er aber nicht gegenwärtig gewesen zu sein — zur Anzeige berechtigt.

85) H. Bei Bedenken gegen die Richtigkeit der Anzeige ist der Standesbeamte befugt, sich mit der Polizeibehörde in Einvernehmen zu setzen und vor der Eintragung die Resultate der etwa veranlaßten amtlichen Ermittelungen abzuwarten. 86) H. Eine solche wird stets zu veranlassen sein, wenn zwar der Todesfall wahrscheinlich, aber nicht mit Sicherheit sestgestellt werden kann, z. B. bei Personen, welche unter Umständen (z. B. beim Baden) vermißt werden, unter denen nur ein Unglücksfall angenommen werden kann.

87) H. In einem solchen Falle darf die Eintragung nicht auf Grund der Anzeige des Verpflichteten erfolgen, vielmehr muß.die betreffende Mittheilung abgewartet werden. Auch ist die Behörde verbunden, dem Standesbeamten die zur Eintragung erforderlichen Daten anzugeben, vergl. auch R. des Just.Min. v. 4. Mai 1878, J.M.Bl. S. 75 ü. Stdesb. v. 1878 S. 114* und,

falls sie es nach der Lage der Sache nicht kann, dies wenigstens mitzutheilen, auch bleibt sie verpflichtet, alles dasjenige, was ihr später bekannt wird, dem Standesbeamten nachträglich anzuqeben. Ob die Mittheilung bloß aus Versehen oder wegen mangelnder Kunde der Verhält­ nisse unvollständig ist, hat der Standesbeamte auf dem Korrespondenzwege mit der Behörde fest­ zustellen. Stdesb. v. 1875 S 144. Ob spatere Ergänzungen als Berichtigungen cinzutragen sind, darüber vgl. §. 65. Die zuständige Behörde ist diejenige, welche die Ermittelung geleitet hat, also wenn eine gerichtliche Untersuchung stattgefunden, das Gericht; war nur der Staatsanwalt mit der Sache befaßt, dieser ; endlich, wenn kein Anlaß vorgelegen, die Mitwirkung der Justiz in Anspruch zu nehmen, die Polizeibehörde. Nach den Min.Verf. v. 21. Juni und 4. Juli 1875 (J.M.Bl. S. 167; M.Bl. f. d. i. V. S. 144; Stdesb. v. 1875 S. 113, 126) sollen aber die von andern Behörden als der Ortspolizei ermittelten Ergebnisse stets dieser mitgetheilt werden, und letztere die Anzeige an den Standesbeamten machen. Sind die Funktionen der Ortspolizeibehörde und des Standesbeamten in einer Hand ver­ einigt, so ändert dies nichts, nur sind die Akten über die Ermittelung des Todesfalles von denen des Standesamtes sorgfältig auseinander zu halten. Stdesb. v. 1875 S. 167, 187. Nach einem mit Rücksicht aus das preußische Gesetz erlassenen Reskr. des Kriegsministers v. 11. Sept. 1874 (Ltdesb. v. 1875 S. 182) hat a. hinsichtlich der in Lazarethen verstorbenen Militairpersonen der Chef-Arzt oder statt dessen die etwaige Lazarethkommission, als Anstalts­ vorsteher im Sinne der §§. 20, 58, die Anzeige zu erstatten, b. hinsichtlich der in Kasernen und ähnlichen Dienstgebäuden, sowie in Bivouaks stattgehabten Sterbefälle der nächste mit Disziplinarstrafgewalt versehene Vorgesetzte des Verstorbenen, weil, so fern dieser nicht als Anstaltsvor­ steher betrachtet werden kann, doch das Ersorderniß des §. 58 Abs. 2 regelmäßig vorliegen wird, und endlich c. hinsichtlich der in Bürgerquarticren vorkommenden Fälle, in so fern der Abs. 2 des §. 58 vorliegt, der zu b. erwähnte Vorgesetzte, und bei außerhalb der Garnison kommandirten Militairpersonen der am Sterbeorte etwa vorhandene Garnifonälteste. Bei Gefangenen,

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

59 1.

87

Tie Eintragung des Sterbefalles soll enthalten:

Vor- und /Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort des Anzeigenden;

2. Ort, Tag und stunde des erfolgten Todes S6); 3.

Vor

und Familiennamen, Religion'"'), Älter90), Stand oder Gewerbe, Wohnort und

Geburtsort, des Verstorbenen;

4.

Vor- und Familiennamen seines Ehegatten9'), oder Vermerk, daß der Verstorbene ledig9') gewesen sei;

\

Vor

und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern des Ver­

storbenen.

Soweit diese Verhältnisse unbekannt ftnb93), ist dies bei der Eintragung93) zu vermerken.

§. 60.

Ohne Genehmigung der Ortspolizeibehörde93) darf keine Beerdigung90) vor der

Eintragung des Sterbesalles in das Sterberegister stattfinden.

Ist die Beerdigung dieser Vor­

schrift entgegen geschehen, so darf die Eintragung des Sterbefalles nur mit Genehmigung der

Aufsichtsbehörde97) nach Ermittelung des Sachverhaltes99) erfolgen99).

welche in den Gefangen Anstalten sterben, haben die Vorsteher der letzteren dem Standesbeamten die nöthigen Mittheilungen für die Eintragung zu machen. Deshalb sollen die Gefangenen bei ihrer Aufnahme über die im §. 59 erwähnten Personalien vernommen werden, M.R. v. 1. Mürz 1876, Stdesb. v. 1876 S. 195; R. d. Just.Min. v. 19. Juli 1876, J.M.Bl. S. 141. 88) H. Diese Zahlen sind wesentlich, also mit Buchstaben zu schreiben, s. §. 13. Falls die Stunde nicht bekannt ist, wird dies zu bemerken sein, und läßt sich nicht einmal der Tag seststellen, so kann nur der Vermerk: „todt aufgefunden" gemacht werden. Die Eintragung der Todesursache ist nicht vorgeschrieben, hat also zu unterbleiben, Stdesb. v. 1875 S. 167. 89) H. Bei Kindern, welche vor der Taufe oder der Aufnahme in eine Religionsgesell­ schaft verstorben sind, wird der Raum vor dem Worte: Religion im Formular C. zur B.R.B. durch einen Strich auszufüllen sein, s. Stdesb. v. 1876 S. 105. 90) II. Die Angabe nach Jahren ohne die der Monate und Tage genügt für die Zwecke dek LtülldstzksAisterführung. s. Formular C. zur B.R.B. u. Stdesb. v. 1875 S. 179. Für andere Zwecke kann aver eine solche Angabe dem Standesbeamten gegenüber geboten sein. 91) II. Ist der Verstorbene mehrere Male verheirathet gewesen, so wird nur der letzte Ehegatte einzutraaen sein, Stdesb. v. 1876 S. 135; bei Frauen aber auch der frühere Ehemann, Stdesb. v. 1877 S. 123. 93) H. Bei Kindern ist eine Angabe darüber nicht erforderlich, weil sich dies hier von selbst versteht. Stdesb. v. 1875 S. 231, v. 1876 S. 135, 264, 265. 93) H. Zunächst wird der Standesbeamte sich die möglichst vollständige Ermittelung der Daten angelegen sein lassen müssen, und nur dann, wenn innerhalb der gesetzlichen Frist eine solche sich nicht erzielen läßt, die Beurkundung im Register unter Beachtung der Vorschrift des Abs. 2 dieses §. vornehmen. Ist dies aber geschehen, so hat er nichtsdestoweniger die Anzeige­ pflichtigen zu der ferneren Ergänzung der Todesfallanzeige anzuhalten. Vgl. auch §. 65 Wenn sich die Identität des Verstorbenen, bez. der gefundenen Leiche nicht feststellen läßt, so ist die Eintragung unter Durchstreichung des Vordrucks am Rande vorzunehmen, dabei aber für etwaige Nachträge möglichst Raum zu lasten; B.R.B. §. 8. 94) 11. Ueber jede Eintragung eines Sterbefalls ist den Betheiligten nach dem Gebühren­ tarif I (vgl. dazu auch die Anm. 74) auf ihr Verlangen eine Bescheinigung zu ertheilen. Die Eintragung kann auch erfolgen, wenn die Leiche nicht aufgefunden ist, so fern nur der Tod (z. B. ein durch Ertrinken erfolgter) sicher konstatirt ist, s. Stdesb. v. 1876 S. 129. Vgl. auch Anm. 86 zu §. 58. 95) H. Damit unwahre Beurkundungen vermieden werden. 96) H. Derjenige, welcher dieselbe auf dem Begräbnißplatze anzuordnen hat, muß sich daher entweder die Bescheinigung über die stattgehabte Eintragung des Sterbesalles (f. Anm. 93 zu §. 59) oder die Genehmigung der Ortspolizeibehörde vorlegen lassen; s. Stdesb. v. 1875 S. 272. Die besonderen polizeilichen Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen eine Be­ erdigung erfolgen darf, werden durch das Gesetz nicht beseitigt. Vgl. Stdesb. 1876 S. 335. Diese müssen daher auch neben der Bestimmung des §. 60 beachtet werden. Bgl. ferner §. 367 d. R-Str.G.B. Von den Vorschriften desselben roerbcn*ö&cr nur diejenigen Personen betroffen, welche ent­ weder eine Beerdigung anordnen oder vollziehen, also nicht die Geistlichen, welche bloß vor der Eintragung des Todesfalles, bez. der Ertheilung der polizeilichen Genehmigung der Beerdigung amtiren. 97) H. S. 11 u. Anm. 55 dazu. Wenn die Genehmigung der Beerdigung vorher ertheilt

Zweiter Theil.

88

Erster Titel.

§. 145 (Zusatze).

Sechster Abschnitt.

Beurkundung des Personenstandes der auf See befindlichen Personen'**).

§. 61.

Geburten und Sterbefälle, welche sich auf Seeschiffen ') wahrend der Reise er­

eignen, sind nach den

Vorschriften dieses

Gesetzes

spätestens

am nächstfolgenden

Tage nach

der Geburt oder dem Todesfall von dem Schiffer, unter Zuziehung von zwei Schiffsoffizieren

oder anderen glaubhaften Personen, in dem Tagebuch*) zu beurkunden*).

Bei Sterbefällen ist

zugleich die muthmaßliche Ursache des Todes zu vermerken. §. 62.

Ter Schiffer hat zwei von ihm beglaubigte Abschriften der Urkunden demjenigen

Seemannsamte*), bei dem es zuerst geschehen kann, zu übergeben.

Eine dieser Abschriften ist

bei dem Seemannsamte auszubewahren, die andere ist demjenigen Standesbeamten, in dessen

Bezirk die Eltern des Kindes, beziehungsweise der Verstorbene ihren Wohnsitz haben oder zuletzt

gehabt haben, behufs der Eintragung in das Register zuzufertigen. §. 63.

Ist der Schiffer verstorben oder verhindert, so hat der Steuermann die in den

§§. 61 und 62 dem Schiffer auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. §. 64.

Sobald das Schiff in den inländischen Hafen eingelausen ist,

in welchem es seine

Fahrt beendet, ist das Tagebuch der für den Standesbeamten des Hafenorts zuständigen Aufsichts­

behörde*) vorzulegen.

Diese hat beglaubigte Abschrift der in das Tagebuch eingetragenen Standesurkunde dem Standesbeamten, in dessen Register der Fall gehört (§. 62),

behufs Kontrolirung der Ein­

tragungen 6) zuzustellen.

ist, bedarf es der Zustimmung der Aufsichtsbehörde aber zur Eintragung auf Grund einer ver­ späteten Anzeige nicht. 98) H. Diese ist durch die Aufsichtsbehörde zu veranlassen, falls nicht etwa schon gericht­ liche oder polizeiliche Ermittelungen, z. B. wegen Verdachts einer begangenen strafbaren Hand­ lung, im Gange sind. Die Kosten dafür gehören entweder zu be» sachlichen Kosten der StandeSbuchführung, oder sie fallen dem Polizei-, bez. Kriminalfonds zur Last. Demjenigen, der die Anzeige unterlassen hat, können sie mangels einer besonderen Vorschrift im Gesetze nicht auf­ gebürdet werden. A. M. Sti ege le S. 165, der hier den §. 27 Abs. 2 analogisch anwenden will. 99) H. In diesen Fällen wird am Schluffe der Eintragung hinzuzufügen sein: „die Ein­ tragung erfolgt, da die Beerdigung bereits ohne Genehmigung der Ortspolizeibehörde statt­ gefunden, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, ertheilt am (Datum)." 100) H. Diese Vorschriften wiederholen und ergänzen zum Theil den Art. 487 des AUg. Deutschen Handelsgesetzb. und die §§. 52 u. 53 d. deutsch. Seemannsordn. v. 27. Dez. 1872 (R.G.Bl. S. 409). ' Auf Schiffe der Marine beziehen sich die Vorschriften dieses Abschnittes nicht, f. §. 71 des Gesetzes, ebenso wenig aber auch auf Flußschiffe. Geburts- und Sterbefälle, welche sich auf letzteren ereignen, werden am nächsten Landungsorte des Schiffes zur Anzeige zu bringen sein. Vgl. hierzu auch Stdesb. v. 1876 S. 340. 1) H. Vgl. Art. 432 des AUg. D. Handelsgesetzb.; §§. 1 u. 2 d. Ges. üb. d. Nationalität d. Kauffahrteischiffe rc. v. 25. Okt. 1867 (B.G.Bl. 'S. 25) und §. 1 d. Seemannsordn. 2) H. S. Allg. D. Handelsgesehb. Art. 486, 487. 3) H. In Betreff des Inhalts dieser Beurkundung kommt der §. 52 der Seemannsordn., welcher nur Vorschriften über die Eintragungen von Sterbefällen enthält, nicht mehr zur An­ wendung, vielmehr sind jetzt maßgebend der 8. 59 dieses Ges. für die Beurkundung der Sterbe­ fälle und §. 22 für die der Geburtsfälle, in Betreff welcher letzteren die Seemannsordn. keine Bestimmungen aufweist. 4) H. Dies sind innerhalb des deutschen Reichs die Musterungsbehörden und im Aus­ lande die Konsulate des Deutschen Reichs, §. 4 d. Seemannsordn. 5) H. S. §. 11 und Anm. 55 dazu. 6) H. Der §. hat den Zweck, für den Fall, daß die im §. 62 angeordnete Uebersendung unterblieben oder nicht ordnungsmäßig erfolgt sein sollte, die Möglichkeit einer Nachholuna des Versäumten oder eine Berichtigung zu gewähren. Stimmt die übersandte beglaubigte Abschrift nicht mit der auf Grund des 62 gemachten Eintragung überein, so wird die letztere nach Maßgabe der ersteren berichtigt werden müssen, v. Sicherer hält für diesen Fall das Berich­ tigungsverfahren nach §§. 65 ff. für nothwendig, dabei ist aber übersetzen, daß es sich hier um eine Specialvorschrist handelt und daß die Eintragung des Standesbeamten nicht eine selbst­ ständige, sondern nur eine Nebertragung der übersandten Abschrift ist.

89

Bon der Vollziehung einer gültigen (Zhe. Siebenter Abschnitt.

Berichtigung

§. 65.

der

Standesregister*).

Tie Berichtigung einer Eintragung in dem Standesregister kann nur auf Grund

gerichtlicher Anordnung”) erfolgen.

Sie geschieht durch Beischreibung eines Vermerks am Rande

der zu berichtigenden Eintragung °).

§. 66.

Für das Berichtigungsverfahren gelten,

insoweit

die Landesgesetze ,0)

nicht

ein

Anderes bestimmen, die nachstehenden Vorschriften.

Die Aufsichtsbehörde") hat, wenn ein Antrag auf Berichtigung gestellt wird, oder wenn sie eine solche von Amtswegen für erforderlich erachtet'*), die Betheiligten1S) zu hören") und

7) H. Unter Berichtigung ist jede Abänderung im Wortlaut einer selbstständigen Ein­ tragung oder einer Eintragung am Rande zu verstehen, welche durch die Unterschrift des Standes­ beamten abgeschloffen ist, s. auch v. Sicherer S. 542 und das im Einverständniß mit dem Reichsjustiz-Amt erlassene Reskr. des Justizministers und des Ministers des Innern v. 13. Juni 1878, M.Bl. f. d. i. V. S. 114, u. Wohlers S. 101. Ist die Abschließung noch nicht erfolgt, so ist die Verbesserung auf dem im §. 13 Abs. 4 bezeichneten Wege vorzunehmen. Aber mit dem Vollzüge der Eintragung durch Unterschrift des Standesbeamten ist diese fixirt. Eine zufällige längere Anwesenheit der Betheiligten ändert daran nichts, und giebt nicht das Recht, noch Mo­ difikationen vorzunehmen, d. h. in der That eine neue Verhandlung zu eröffnen, welche sich nicht einmal als solche in der Eintragung kund giebt. Wenn die Eintragung deshalb unrichtig ist, weit aus bestimmten, früher unangefochtenen thatsächlichen Verhältnissen nicht zutreffende rechtliche Folgerungen gezogen worden sind (s. Anm. 49 Rr. 3 bis 5 zu §. 26), kommt §. 65 nicht zur Anwendung, denn dafür giebt §. 26 die erforder­ lichen Vorschriften; ebenso wenig im Falle des §. 22 Abs. 3. Die Eintragung von Anzeigen und Ermittelungen Über Umstände, welche bei der ursprüng­ lichen Eintragung als unbekannt bezeichnet worden sind, ist ebenfalls nach Maßgabe der §§. 65 u. 66, d. h. als Berichtigung zu behandeln, denn es findet hier in so fern eine Berichtigung der Einwägung statt, als der Umstand, daß die betreffenden Verhältnisse als unbekannt protokollirt siild, rettifizirt wird. Zudem hängen von diesen späteren Eintragungen, z. B. der nach­ trägliches Konstatirung der Todestage, der Namen, so wichtige Rechte ab, daß dadurch daffelbe Verfahren, wie im Falle der sonstigen Berichtigungen, gerechtfertigt erscheint, s. auch v. Sicherer S. 545. Von der entgegengesetzten Ansicht geht das Min.Resn. v. 4. Juni 1875 (Stdesb. v. 1875 S. 113) aus, vgl. auch Johow, Jahrb. 5 S. 24. Die Analogie des tz. 26 paßt indeffen hier nicht, weil in den Fällen dieses §. die Eintragungen immer auf Grund beigebrachter Ur­ kunden erfolgen. 8) H. Aber einer einfachen Verfügung. Wenn auch die Berichtigung nur durch das Gericht angeordnet werden darf, so ist doch allein der Standesbeamte sie einzutragen berechtigt, nicht das Gericht selbst, s. Stdesb. v. 1876 S. 145. In dem bei demselben etwa aufbewahrten Nebenregister kann die Nachtragung der Berichtigung ebenfalls erst erfolgen, wenn der Standesbeamte die beglaubigte Abschrift Über die Eintragung im Hauptregister eingesendet hat, s. §§. 13, 14. Eine Borladung des Standes­ beamten an das Gericht zur Vernehmung wird zur Ersparung von Reisekosten und Diäten so viel als möglich zu vermeiden sein. Erscheint sie nothwendig, so gehören diese Kosten zu den sächlichen Ausgaben der Standesregisterführung, Stdesb. 1877 S. 10. Selbstverständlich ist der Standesbeamte, welcher die Nothwendigkeit der Berichtigung verschuldet hat, regreßpflichtig. 9) H. Auf Grund der vom Gerichte zu übersendenden, in Bezug zu nehmenden Verfügung, bez. des rechtskräftig gewordenen Urtheils. Bgl. §. 13 Abs. 4. Ein Beispiel giebt das For­ mular 0 3 zu B.R.V. Unter Eintragung ist auch ein Berichtigungsvermerk, welcher seinerseits wieder berichtigt wird, zu verstehen. Die betreffenden gerichtlichen Anordnungen sind zu den Sammelakten zu nehmen, s. BRB § 9 10) H. Das Ges. v. 9. März 1874 §. 48 Abs. 2 ist aber durch den §. 66 beseitigt oder vielmehr ersetzt, denn der erstere ordnet für das Berichtigungsverfahren nichts anderes an, als das Reichsgesetz, und stimmt mit demselben überein, abgesehen von der materiell ebenfalls un­ erheblichen Abweichung, daß statt der Worte: „Gerichte erster Instanz" es im preuß. Ges. heißt: „int §. 7 bezeichneten Gericht". 11) H. S. Z. 11 u. Anm. 55 dazu. 12) H. Die Berichtigung kann von den Betheiligten bei dem Standesbeamten oder der Aufsichtsbehörde (f. §.11 Anm. 55) beantragt oder von Amtswegen, sei es von der letzteren.

90

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

geeignetenfalls eine Aufforderung durch ein öffentliches Blatt zu erlaffen.

Die abgeschloffenen

Verhandlungen hat sie demnächst dem Gerichte erster Instanzlft) vorzulegen,e).

Dieses kann

noch weitere thatsächliche Aufklärungen veranlassen'?) und geeignetenfalls,8) den Antragsteller auf den Prozeßweg verweisen"). sei es von dem Standesbeamten in Angriff genommen werden. Der Standesbeamte hat aber, wenn die Initiative von ihm ausgeht oder die Berichtigung bei ihm beantragt ist, stets erst an die Aufsichtsbehörde zu berichten, da nur diese das Verfahren einleiten darf. 13) H. Dies sind diejenigen Personen, welche die zu berichtigende Eintragung unmittelbar betrifft, sowie diejenigen Personen, welche die Anzeige erstattet haben, und solche, auf deren Rechte die beabsichtigte Berichtigung einwirkt, z. B. diejenigen Verwandten, welche bei statt­ findender Aenderung des Todestages, falls Jntestaterbfolge eingetreten ist, in Folge deffen nicht mehr als erbberechtigt erscheinen würden. Handelt es sich um bloße indifferente Wortauslaffungen, also solche, welche nicht die Be­ zeichnung der Personen, die Jahre und sonstige wesentliche Angaben betreffen, so werden die­ jenigen, welche die Eintragung betrifft, nicht zugezogen zu werden brauchen. In solchen Fällen wird das Jntereffe derselben nicht berührt, es handelt sich hier vielmehr nur um Herstellung formeller Korrektheit der Eintragung.

14) H. Daß die Aufsichtsbehörde den Standesbeamten mit der Vernehmung der Be­ theiligten beauftragt, ist nicht ausgeschlossen. Der Zweck der Vorschrift ist nur der, die Ent­ scheidung über eine so wichtige Maßregel nicht dem Standesbeamten allein zu überlassen. 15) H. S. Anm. 61 zu §. 11. Kompetent ist dasjenige Gericht, in dessen Bezirk sich der Amtssitz des Standesbeamten befindet. Das Gericht entscheidet auf kollegialische Berathung, wenn es ein Kollegialgericht ist. 16) H. Und zwar unter Stellung bestimmter Anträge, falls das Berichtigungsverfahren von Amiswegen eingeleitet worden ist. Das Gericht hat diese nicht seinerseits auf Grund der Verhandlungen zu formuliren. Stdesb. v. 1875 S. 162. 17) H. Durch einen Richterkommissar oder die Aussichtsbehörde des Standesbeamten oder diesen letzteren selbst. Dgl. dazu noch Stdesb. v. 1875 S. 191. lft) H. Wenn entweder die betreffenden Ermittelungen kein ausreichendes Resultat ergeben oder die Anordnung der Berichtigung im Wege der einfachen Verfügung wegen schwer wiegender rechtlicher Folgen nicht angemessen erscheint. 19) H. Ist die Statthaftigkeit des Prozeßweges nach Maßgabe des geltenden, materiellen Rechtes zu beurtheilen oder gewährt das Gesetz selbst für alle Fälle, wo die Berichtigung der Standesregister mcht im Wege der Verfügung erfolgen kann, eine Klage gegen den widersprechen den Betheiligten dahin, daß er für schuldig erachtet werde, sich die betreffende Berichtigung gefallen zu lassen? Das Letztere ist anzunehmen. So auch Völk S. 190. (Dagegen Stiegele S. 170; Mandry i. Archiv f. d. civil. Praxis 59 S. 360; v. Sicherer S. 553.) Der Prozeßweg ist in den vorausgesetzten Fällen nichts als ein mit größeren Garantien ausgestattetes Verfahren. So gut das Verfahren vor der Auffichtsbehörde des Standesbeamten, welches mit einer gerichtlichen Verfügung abschließt, in allen Fällen ohne Vorhandensein eines durch das sonstige materielle Recht gewährten Grundes unzweifelhaft zulässig ist, ebenso gut muß auch der Prozeßweg, weil er sich nur als eine besondere Art des Berichtigungsversahrens darstellt, stets dann, wenn der Richter den Weg der einfachen Dekretur abgelehnt hat, beschritten werden können. Das mate­ rielle Fundament dafür bietet der §. 65, welcher jedem Betheiligten ein Recht auf Berichtigung der ihn berührenden Eintragungen zuspricht, und man kann diese Ansicht nicht damit ablehnen, daß man das Wort: „geeignetensalls" als gleichbedeutend mit: „wenn der Fall für den Prozeßweg geeignet" ist, auffaßt, da dasselbe vielmehr so viel bedeutet, als wenn das Gericht im Wege der mchtstreitiaen Gerichtsbarkeit nicht zum Ziele zu gelangen erwartet. Bei den Ver­ handlungen des preußischen Abgeordnetenhauses über den gleichlautenden §. 48 ist allerdings von mehreren Abgeordneten die entgegengesetzte Ansicht vertreten worden, s. stenog. Ber. des Abgeordnetenh. 12. Legisl.Per. I. Sess. 1873—1874 S. 487, 661. Indessen abgesehen von dem schon hervorgehobenen Momente, welches diese Auffassung als innerlich unbegründet erscheinen läßt, beseitigt sie auch in allen bedenklichen Fällen die Möglichkeit, die Standesregister zu be­ richtigen, und führt also zu einem Zustande der Unsicherheit des rechtlichen Verkehrs, welche man gerade durch das Berichtigungsverfahren hat vermeiden wollen. Der Antrag ist dahin zu richten, daß der Widersprechende schuldig, sich die beantragte Berichtigung gefallen zu lassen. Ueber die Beweiskraft der Berichtigungen sagt das Gesetz nichts. Den Abs. 5 des §. 48 preußischen Gesetzes lautend: „Eine durch Verfügung angeordnete Berichtigung kann solchen Betheiligten, welche derselben nicht zugestimmt haben, nicht entgegengesetzt werden," hat man, s. Motive S. 33, nicht ausgenommen, „weil er zu der irrigen Meinung Veranlassung geben

Bon der Vollziehung einer gültigen Ehe.

91

Im Uebrigen finden die für Lachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften

Anwendung. Achter Abschnitt. Schlußbestimmungen.

S. 67.

Ein Geistlicher'") oder anderer Religionsdienern), welcher zu den religiösen Feier­

lichkeiten"-) einer Eheschließung schreitet, bevor ihm nachgewiesen worden ist, daß die Ehe vor könnte, als beabsichtige man, den Standesregistern eine andere Bedeutung als die eines Be­ weismittels beizulegen." Demgemäß mit jetzt auch für die berichtigten Stellen der Grundsatz des §. 15, denn ein im vorgeschriebenen Verfahren berichtigtes Standesregister ist ebenfalls ein ordnungsmäßig geführtes. Derjenige, welcher die Berichtigung gegen sich nicht gelten lasten will, wird ebenso gut wie sonst gegen die auf einseitige Anzeige des Betheiligten vorgenommene Eintragung den offen gelaffenen Gegenbeweis zu führen haben, welcher allerdings der freien richterlichen Beurtheilung unterliegt. Hieraus ergiebt sich auch, daß, falls das Gericht eine Berichtigung trotz des Widerspruches eines Betheiligten ohne vorgängigen Prozeßweg angeordnet hat, der Widersprechende befugt ist, seiner­ seits Klage auf Löschung oder Aenderung der angeordneten Berichtigung zu erheben, damit ihm nicht für die Zukunft ein Präjudiz geschaffen wird. So auch Völk S. 190, 191 u. v. Sicherer S. 5dl. 20) H. Dadurch ist der §. 337 des R.Str.G.B. abgeändert und zwar deshalb, weil die Strafbestimmung sich an die im §. 52 vorgeschriebene Form der Eheschließung, für welche eine Heirathsurkunde nicht mehr wesentlich ist, f. §. 62, anlehnen mußte, vgl. auch Motive S. 36. Die Vorschrift ist zur Durchführung des Prinzips der obligatorischen Civilehe und zur Verhütung der Schließung nichtiger Ehen gegeben. 21) H. S. §. 3 Anm. 12. 22) H. Darunter sind der Absicht des Gesetzes nach alle Handlungen zu verstehen, welche eine Kirche oder Religionsgesellschaft für die Eheeingehung verlangt, mithin auch die durch das tridentinische Konzil Sess. XXIV c. 1 de reform. matrim. vorgeschriebene Konsenserklärung der Ehegatten vor dem kompetenten Pfarrer und zwei oder drer Zeugen. So bemerkte auch der Bundesbevollmächtigte Justizminister Leonhardt (stenog. Ber. S. 1077): „daß die ver­ bündeten Regierungen es als zweifellos ansehen, daß ein katholischer Priester, der fteiwillig Assistenz leistet, als ein solcher anzusehen ist, welcher zu einer religiösen Feierlichkeit schreitet, und demgemäß strafbar ist." Der Erlaß des Aufgebotes durch den Geistlichen ist aber nicht strafbar. Uebereinstimmend v. Sicherer S. 557. Darüber, ob der eine Ehegatte dem andern gegenüber die Pflicht hat, nach eingegangener Civile he noch die kirchliche Trauung oder eine sonstige religiöse Feierlichkeit vollziehen zu lasten, und welche folgen eintreten, wenn der erstere sich weigert, bestimmt das Gesetz nichts.

In der französischen Gerichtspraris und Jurisprudenz — die Gesetzgebung weist keine ausdrücklichen Vorschriften auf — sind die rechtlichen Folgen einer solchen Weigerung wiederholt erörtert worden. Vgl. Friedberg, das Recht der Eheschließung. Leipzig 1866 S. 578 u. Hirschel i. Arch. s. kathol. Kirchenrecht 40 S. 200. Eine Meinung hat angenommen, daß diese als injure grave (Art. 231 des Code civil) einen Scheidungsgrund bilde und somit die Separation de corps verlangt werden dürfe, s. Demolombe, cours de Code civil, Tom. 4 Rr. 390, weil der renitente Ehegatte sein ausdrücklich oder stillschweigend gegebenes Versprechen breche 11116 den andern zwinge, in einem Zustande zu leben, der nach dessen Ansicht ein Konku­ binat sei. Dagegen ist aber eingewendet worden, daß eine Beleidigung ohne einen animus injuriandi, welcher hier fehle, nicht denkbar sei, und der sich weigernde Ebegatte nur eine andere Anschaungsweise als der zweite habe; Thierret in der revue de legislation von 1846 tom. 2 p. 170. Weitere Nachweisungen bei S i r e y, les codes annotös, par P. Gilbert, 4 tirage, supplöment, Paris 1871 zu art. 229, 230 p. 83 Nr. 7 und 8. Ferner hat man be­ hauptet, daß die Weigerung einen Nichtigkeitsgrund ausmache. Der Weigernde habe ftaudulöser Weise einen Irrthum über wesentliche moralische Qualitäten seiner Person bei dem Andern hervorgerufen und dadurch denselben verleitet, die Ehe zu schließen, Mar cade, elements da aroit civil fran^ais zu art. 180 des Code Nr. 5. Dagegen Demolombe a. a. O.; s. ferner 8ir ey a. a. O. zu art. 180 p. 24 Nr. 14 u. zu art. 214 p. 29 Nr 22; Petersen, Zeitschr. f. Reichs- und Landesrecht, Jahrg. 1875 S. 244. Was die Entscheidung der betreffenden Fragen nach preußischem Recht betrifft, so giebt die Weigerung des einen Ehegatten dem andern weder ein Recht, die kirchliche Trauung zu er­ zwingen, noch eine Scheidungs- oder Nichtigkeitsklage anzustellen. Eine Klage auf Vollziehung der kirchlichen Trauung, d. h. auf Zwangstrauung, ist selbst, wenn die Rachsuchung der ersteren vorher versprochen wäre, unstatthaft, denn die Beobachtung kirchlicher Pflichten kann nicht im Rechtswege verfolgt werden. Eine solche Klage ist ebenso wenig denkbar wie eine Klage darauf.

Zweiter Theil.

Erster Titel.

dem Standesbeamten geschlossen fei**), wird

§. 145 (Zusätze).

mit Geldstrafe bis -u dreihundert Mark oder mit

Gefängniß bis zu drei Monaten bestraft").

§. 68.

Wer den in den §§. 17 bis 20, 22 bis 24, 56 bis 58 vorgeschriebenen Anzeige­

pflichten nicht nachkommt"), wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Hast bestraft *6).

Die Strafverfolgung tritt nicht ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von den zunächst

Verpflichteten, doch rechtzeitig gemacht worden ist.

Die bezeichnete Strafe trifft auch den Schiffer oder Steuermann, welcher den Vorschriften der §§. 61 bis 64 zuwiderhandelt. Die Standesbeamten sind

außerdem befugt, die zu Anzeigen oder zu sonstigen Hand­

lungen *T) auf Grund dieses Gesetzes Verpflichteten hierzu durch Geldstrafen arzzuhalten *•), welche für jeden einzelnen Fall den Betrag von fünfzehn Mark nicht übersteigen dürfen.

§. 69.

Ein Standesbeamter, welcher unter Außerachtlaffung der in diesem Gesetze") ge­

gebenen Vorschriften eine Eheschließung")

vollzieht"), wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert

Mark bestraft ”).

daß der andere Ehegatte regelmäßig Sonntags in die Kirche gehe. Unter die im L.R. aner­ kannten Scheidegründe, namentlich unter §. 700 d. T. (grobe und widerrechtliche Kränkung der Ehre), fällt bie Steiget ung ebenfalls nicht. Sodann ist auch der andere Gesichtspuntt, welchen die französische Jurisprudenz ausgestellt hat, die Nichtigkeit der Ehe wegen Irrthums in Eigen­ schaften des andern Kontrahenten, unberechtigt. Daß eine Person die Nachsuchuna der kirchlichen Trauung verweigert, ist eine Handlung, aber keine Eigenschaft der Person. Eine solche Handlung kann allerdings die Folge einer bestimmten Eigenschaft sein, aber die Verweigerung der kirchlichen Trauung deutet jedenfalls nicht aus einen sittlichen Mangel hin, welcher das Wesen der Ehe in so weit gefährdet, daß die Versagung der Annullation zugleich ein Zwang zur Verzichtleistung auf ein" wesentliches Moment der Ehe sein würde. Deshalb ist eine Nichtigkeitsklage nach dem preuß. L.R. §§. 38—40 d. T. unstatthaft. Eine Ausnahme wird nur dann zu machen sein, wenn der sich weigernde Theil den andern allein dadurch zum Abschluß der Ehe bewogen hat, daß er ihm betrüglich vorgespicgelt, er werde sich kirchlich trauen lassen. 23) H. Dieser Nachweis wird durch die §. 54 Abs. 2 erwähnte Bescheinigung geführt, jedoch ist das auch auf andere Weise möglich, so auch d. Reichsgericht v. 27. Mai 1881, Rechtspr. in Str.S. 3 S. 336 u. Arch. f. kathol. Kirchenrechte 47 S. 75. 24) H. Ueber eine Ausnahme s. zu §. 75. 25) H. D. h. die Anzeige gar nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsmäßig, z. B. wo es erforderlich ist, nicht in Person macht. 26) H. Das Zuwiderhandeln bildet eine Uebertretung (R.Str.G. §. 1). Es kommen daher die allgemeinen für solche geltenden Vorschriften des Strafgesetzbuchs zur Anwendung. Der Standesbeamte selbst darf die Strafe nicht verhängen , s. Stdesb. v. 1875 S. 190, 191, er hat nur an die betreffende Behörde, Polizei, Polizeianwalt, Gericht, die zur Bestrafung erforderliche Anzeige zu machen, und zwar gleichviel, ob nach seiner Meinung die Erfüllung der Anzeigepflicht aus entschuldbaren oder nicht entschuldbaren Gründen unterlassen worden ist.

27) H. Auch diejenigen Personen, welche der Standesbeamte behufs der ihm obliegenden Pflicht zur Feststellung der Richtigkeit der Anzeigen (s. §§. 21, 58) citirt, können mit solchen Strafen belegt werden, wenn sie nicht erscheinen oder die Auskunftsertheilung ablehnen. 28) H. Falls die Handlung nach erfolgter Androhung der Strafe innerhalb der bestimmten Frist nicht vorgenommen wird, hat in diesem Falle der Standesbeamte die Strafe selbst festzu­ setzen. Die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde ist dagegen statthaft. Die Exekution auf die verwirkten Strafen kann der Standesbeamte, weil ihm diese Besugniß nicht gesetzlich gewährt ist, nicht selbst vollstrecken, vielmehr steht diese den Gemeinden, in deren Kaffen die Strafen nach §. 70 fließen, zu, und daher sind ihnen die erforderlichen Mittheilungen vom Standesbeamten zu machen. Rach d. R. d. Min. d. Inn. v. 24. Okt. 1875, M.Bl. f. d. i. B. S. 268, ist aber eine Umwandlung der Geldstrafe in Haft statthaft. Wegen der Straslisten s. zu §. 16 Anm. 2. 29) H. D. h. nicht bloß der durch dasselbe selbstgegebenen, sondern auch der darin in Bezug genommenen Vorschriften. Die Motive S. 36 bemerken gleichfalls, daß der H. zur Ver­ hütung ungesetzmäßiger Eheschließungen Pflichtwidrigkeiten der Standesbeamten mit Geldstrafe bedroht. A. M. v. Sicherer S. 563 u. R.G. III Str.S. v. 24. Juni 1882, Rechtspr. in Str.S. 4 S. 618. 30) H. Der Erlaß des Aufgebots unter der gedachten Voraussetzung ist also nicht strafbar. 31) H. D. h. den im §. 52 gedachten Ausspruch thut. Darin liegt die Vollziehung der

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

§. 70.

93

Gebühren ") und Geldstrafen*'), welche in Gemäßheit dieses Gesetzes zur Erhebung

gelangen, fließen, insoweit die Landesgesetze“) nicht ein Anderes bestimmen, den Gemeinden")

zu, welche die sächlichen Kosten der Standesämter (§§. 8, 9) zu tragen haben. §. 71.

In welcher Weise die Verrichtungen der Standesbeamten in Bezug

auf solche

Militärpersonen wahrzunehmen sind, welche ihr Standquartier nicht innerhalb des Deutschen Reichs, oder daffelbe nach eingetretener Mobilmachung verlassen haben *7), oder welche sich auf

den in Dienst gestellten Schiffen oder anderen Fahrzeugen der Marine befinden,

wird durch

Kaiserliche Verordnung") bestimmt.

§. 72.

Für die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie der

Fürstlichen Familie Hohenzollern erfolgt die Ernennung des Standesbeamten und die Bestimmung über die Art der Führung und Aufbewahrung der Standesregister durch Anordnung des Landes­

herrn "). In Betreff der Stellvertretung der Verlobten40) und in Betreff des Aufgebots entscheidet die Observanz.

Im Uebrigen werden in Ansehung der Mitglieder dieser Häuser die auf Hausgesetzen oder Observanz beruhenden Bestimmungen über die Erfordernisse der Eheschließung") und über die

Gerichtsbarkeit in Ehesachen nicht berührt **).

Eheschließung. Die bloße Entgegennahme der Erklärungen der Eheschließenden ist noch nicht strafbar, denn darin könnte höchstens ein Versuch der Verletzung des §. 69 liegen, dieser wird aber, weil es sich hier bloß um ein Vergehen handelt, nicht bestraft, s. R.Str.G.B. §§. 1, 59. Ob das Amtiren aus bloßer Fahrlässigkeit der Bestrafung aus §. 69 unterließt, kann zweifelhaft erscheinen. Rach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Straftechts wird die Culpa nur dann bestraft, wenn dies ausdrücklich angedroht ist, s. Berner, Strafrecht 6. Aufl. S. 168. Indessen bedeutet das Wort: „Außerachtlassung" jede Pflichtwidrigkeit, vgl. Motive S. 36, und umfaßt also die Fahrlässigkeit. So ist auch die Vorschrift bei den Reichstaasverhandlunaen allgemein aufgefaßt worden, s. stenog. Ber. S. 1081. Dafür auch O.Tr. Str.S. II. Abthlg v. 3. April 1879, Entsch. 83 S. 341 u. Oppenhoff 20 S. 183, u. R.G. II Str. v. 14. Juni 1881, Entsch. in Str.S. 4 S. 256, II v. 20. Januar 1882, a. a. O. 5 S. 340, Rechtspr. in Str.S. 4 S. 57; entgegengesetzt R.G. I Str. v. 27. Juni 1881, Rechtspr. in Str.S. 3 S. 336 u. Entsch. in Str.S. 4 S. 233. 32) H. Daneben find aber in Kraft geblieben R.Str.G.B. §§. 338, 271, 348, 349. 33) H. Also auch die nach §. 16 von den Gerichten eingezogenen (Anm. 1 zu diesem §.), denn diese gelangen ebenfalls auf Grund dieses Gesetzes zur Hebung. 34) H. Diejenigen, welche auf Grund des §. 11 Abs. 2 und der §§. 67—69 erhoben werden. Val. auch Anm. 2 zu §. 16. 35) H. Es sollte der Landesgesetzgebung offen bleiben, hierin eine Aenderung eintreten zu lassen, s. Motive S. 36. Die letzteren setzen übrigens zu Unrecht eine vollkommene Ueber­ einstimmung der Regel des §. 70 mit dem §. 50 des preußischen Gesetzes voraus. Der §. 50 spricht nur von Geldstrafen, nicht aber auch von Gebühren, und läßt es zweifelhaft, ob diese in Preußen den Gemeinden nach §. 12 auch dann zufallen sollten, wenn sie an die Gerichte gezahlt waren. Für Preußen enthält also die Vorschrift eine Deklaration der §§. 50 und 12 des früheren Gesetzes. 36) H. S. Johow, Jahrb. 6 S. 18 und Stdesb. v. 1877 S. 136. 37) H. So lange die Militairpersonen im Jnlande in Garnison liegen und eine Mobil­ machung nicht einaetreten ist, erfolgt die Beurkundung ihres Personenstandes nach den Vor­ schriften dieses Gesetzes. Vgl. im Uebrigen Zus. 13. 38) H. Vgl. Zus. 14 zu §. 145 d. T. 39) H. Besondere Bestimmungen sind für Preußen auf Grund dieses §. noch nicht ver­ öffentlicht worden. Seit d. I. 1878 hat aber der Minister des König!. Hauses bei vorkommenden Eheschließungsfällen als Standesbeamter fungirt. 40) H. Eine Ausnahme von der Regel des §. 52 (J. Anm. 65 dazu), welche nach dem Eherecht der gedachten Familien längst üblich war, s. Zöpfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, 5. Aufl. Th. 1 S. 602; Heffter, die Sonderrechte der souveränen re. Häuser Deutschlands S. 97. 41) H. Rach den meisten Hausgesetzen, auch nach den Berfaffungsurkunden mancher Bundesstaaten wird eine förmliche, urkundlich ertheilte Einwilligung des Souveräns oder Chefs des Hauses zu den Ehen der Prinzen oder Prinzessinnen des letzteren erfordert, widrigenfalls die aus denselben entsprungene Descendenz nicht successionsfähig ist und diese ebenso wie der

Zweiter Theil.

94 §. 73.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

Den mit der Führung der Standesregister oder Kirchenbücher bisher betraut ge­

wesenen Behörden und Beamten verbleibt die Berechtigung und Verpflichtung, über die bis zur

Wirksamkeit dieses Gesetzes eingetragenen4') Geburten, Heirathen und SterbefLlle Zeugnisse zu

ertheilen "). §. 74.

Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften4'), welche

1. Geistlichen und Kirchendienern") aus Anlaß der Einführung der bürgerlichen Standesregister und der bürgerlichen Form der Eheschließung einen Anspruch auf Entschädigung

gewahren; 2.

bestimmten Personen47) die Pflicht zu Anzeigen von Geburts

und Todesfällen auf­

erlegen. Wo die Zulässigkeit der Ehe nach den bestehenden Landesgesetzen von einem Aufgebote abhängig ist, welches durch andere bürgerliche Beamte als die Standesbeamten48) vollzogen wird,

vertritt dieses die Stelle des von den Standesbeamten anzuordnenden Aufgebots. 75.

Innerhalb solcher Grenzpfarreien"), deren Bezirk sich in das Ausland erstreckt,

bleibt das bestehende Recht für die Beurkundung derjenigen Geburten und Sterbefälle, sowie

für die Form und Beurkundung derjenigen Eheschließungen maßgebend, für welche ein Standes­

beamter nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht zuständig'"), dagegen nach dem bestehenden Recht die Zuständigkeit des Geistlichen") begründet ist.

angeheirathete Gatte keinen Anspruch auf Rang, Titel und Wappen des regierenden HauseS hat; nach einzelnen tritt auch sogar Nichtigkeit der Ehe ein, s. Zöpsl a. a. O. S. 598 ff.; Heffter a. a. O. S. 95. Diese Vorschriften sind also in Kraft geblieben und bilden eine Aus­ nahme des §. 39. 42) H. Der §. 72 gewährt eine vollständige Exemtion von der gewöhnlichen Standes­ buchführung. Daraus folgt, daß bei Geburts- und Sterbesällen in den gedachten Familien, selbst wenn sie in einem Theile Deutschlands erfolgen, wo die betreffende Familie nicht die landes­ herrliche ist, dach nur der für diese in ihrem Lande bestellte Standesbeamte zuständig ist. Die Richtigkeit dieser Konsequenz zeigt sich darin, daß das Privilegium auch der sürstlich-hohenzollernschen Familie zusteht und diese heute keine Landesherrlichkeit mehr besitzt. S. auch v. Sicherer S. 567. 43) H. Vgl. §. 81. 44) II. Die bisherigen Standesbeamten (Geistliche, Religionsdiener, Gerichte) sind auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes noch berechtigt und verpflichtet, über die von ihnen bis dahin beurkundeten Geburten, Heirathen und Sterbefälle Atteste zu ertheilen und die bisher statthaften Gebühren dafür zu erheben. Die von ihnen geführten Kirchenbücher und Register werden also nicht an die Standes­ beamten abgegeben. 45) H. Vgl. zu §. 54 des Ges. v. 9. März 1874 (Zus. 9). 46) H. Damit sind nur die Geistlichen der vollprivilegirten Kirchen, nicht die sog. Re­ ligionsdiener gemeint, vgl. Anm. 12 zu §. 3. 47) H. Mit Rücksicht hierauf bemerken die Motive S. 36: „Jedoch ist in Nr. 2 das Wort „periodisch" (das sich im Reichstagsentwurfs vorfand) auf den Wunsch einzelner Bundesregie­ rungen gestrichen worden, weil diese die Einrichtung der Anzeige von Bevormundungsfällen durch andere Personen als die Standesbeamten beibehalten wissen wollten." 48) H. Die betreffende Ausnahme ist im Interesse Baierns ausgenommen, Motive S. 36. Vgl. dazu v. Sicherer S. 573. 49) H. Vgl. Motive S. 36: „Der Paragraph enthält eine Ausnahmebestimmung, welche durch das an der Reichsgrenze, namentlich gegen Oesterreich, vorkommende eigenthümliche Ver­ hältniß einer Einpfarrung ausländischer Gemeinden in eilte inländische Pfarrkirche geboten ist. Die solchergestalt eingepsarrten Ausländer haben das Recht, zur Vollziehung ihrer kirchlichen Trauungsakte die inländische Pfarrkirche zu benutzen. Um dem Bedürfnisse Genüge zu schaffen, mußte daher die Zuständigkeit der Geistlichen in diesen besondern Fälleit auftecht erhalten werden, auch war es erforderlich gegenüber der Bestimmung des §. 1 diese Geistlichen ausdrücklich zur Be­ urkundung des Personenstandes solcher ausländischer Parochien für ferner zuständig zu erklären." 50) H. Die Inkompetenz des Standesbeamten und damit die Zuständigkeit des Geist­ lichen, so fern diese sonst begründet ist, liegt vor, wenn der Geburtssall und der Sterbefall in dem nichtdeutschen Theile der Parochie erfolgt ist, und zwar selbst dann, wenn die Mutter bez. der Verstorbene in dem deutschen Theile domizilirt ist, denn auf den Wohnsitz kommt es hierbei nicht an, s. §§. 17 und 56.

I

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

95

Im Geltungsgebiet des preußischen Gesetzes vom 9. März 1874 ist unter dem bestehenden Recht dasjenige Recht zu verstehen, welches vor dem Inkrafttreten jenes Gesetzes maßgebend roor 62).

In streitigen Ehe- und Verlöbnißsachen sind die bürgerlichen Gerichte ausschließlich

§. 76. zuständig.

Eine geistliche oder eine durch die Zugehörigkeit zu

entern Glaubensbekenntniß be­

dingte Gerichtsbarkeit findet nicht statt"). §. 77").

Wenn nach dem bisherigen Rechte") auf beständige Trennung der Ehegatten

von Tisch und Bett^) zu erkennen sein würde, ist fortan die Auflösung des Bandes der Ehe

auszusprechen.

Bei Eheschließungen kann der Geistliche die Trauung, ohne daß die Civilehe vorherzugehen braucht, nur dann vornehmen, wenn für keinen der Verlobten ein Wohnsitz oder ein gewöhn­ licher Aufenthaltsort in dem deutschen Sprengel seiner Pfarrei oder auch nur im deutschen Reiche überhaupt begründet ist, s. §. 42. 51) Darunter ist nur der Geistliche der vollprivilegirten Kirchen zu verstehen. Das ergiebt der Sprachgebrauch des Gesetzes, der die Geistlichen von den andern Religionsdienern unter­ scheidet, s. & 3 Abs. 3 u. §. 67. Auch lag nach den thatsächlichen Berhältniffen nur für diese das Bedürfniß zu einer Ausnahme vor. Daß der Geistliche, welcher auf Grund dieser Ausnahmebestimmung die Trauung ohne die vorher stattgehabte Schließung der Civilehe vornimmt, nicht der Strafbestimmung des §. 67 verfällt, hat weder in diesem ganz allgemein gefaßten §., noch hier einen klaren Ausdruck ge­ funden, indessen ergiebt der Zweck der Vorschrift des §. 67, daß die vorherige Vornahme der religiösen Feierlichketten allein dann hat unter Strafe gestellt werden sollen, wenn der Civilakt für die Rechtsgültigkeit der Ehe nothwendig ist. Hier findet ein solcher überhaupt nicht statt, weil er nicht vorgenommen werden kann, und es hieße dem Gesetzgeber, der unter solchen Vor­ aussetzungen dem Geistlichen die Befugniß zur Trauung gewährt, etwas geradezu Widersinniges zumuthen, wenn man annehmen wollte, daß nichtsdestoweniger die Vollziehung der erlaubten kirchlichen Eheschließung als Vergehen hätte bestraft werden sollen. lediglich aus diesen Erwägungen hat man im Reichstage auch von einem Amendement jUE Klarstellung dieser Auffassung abgesehen. Man nahm an, daß kein Staatsanwalt oder

Strafrichter die Vorschrift des §. 67 auf den Fall des §. 76 anwenden werde. 62) H. Vgl. Motive S. 37: „Mit Rücksicht darauf, daß das preußische Gesetz v. 9. März 1874 Innerhalb seines Geltungsgebiets den Zweifel aufkommen läßt, ob die Eheschließung und die Beurkundung vor dem inländischen Geistlichen, so weit ausländische Parochien in Frage stehen, unstatthaft sei, bedurfte es eines besonderen erläuternden Zusatzes." 63) H. Für den Geltungsbereich des L.R. hat dieser §. keine Bedeutung gehabt, da hier schon durch die V. v. 2. Jan. 1849 §. 1 (G.S. S. 1) die Ehesachen an die ordentlichen Gerichte gewiesen waren. 54) H. Dieser 8. ist in Preußen bereits v. 1. März 1875 ab in Kraft getreten. (S. Zus. 10.) 55) H. Vgl. Motive S. 37: „Das katholisch-kirchliche Eherecht erkennt im Falle des Ehe­ bruchs dem unschuldigen Ehebatten das Recht zu, die gänzliche Aufhebung der ehelichen Gemetnschast zu verlangen. Es bezetchnet jedoch diese Aufhebuna der Ehe mit dem Namen einer be­ ständigen Scheidung von Tisch und Bett, um sich nicht durch Zulassung einer Scheidung der Ehe mit seinem dogmatischen Lehrsätze von der Unauflöslichkeit der Ehe in Widerspruch zu setzen (v. Schulte, Kirchenrecht 3. Ausl., §§. 161—163; Richter-Dove §. 286). Im Eingänge der Motive (S. 20) ist bereits ausaeführt, daß nach Einführung der bürgerlichen Eheschließungs­ form kirchliche Satzungen auf diesem Gebiete des bürgerlichen Rechtes eine Anerkennung von Seiten des Staates nicht ferner beanspruchen können. Hieraus folgt zunächst, daß dies lediglich in dem dogmatischen Lehrsätze einer Konfession beruhende Hinderns der Scheidung vom Bande

für die weltliche Gesetzgebung keinen Grund abgeben darf, die Möglichkeit einer Ehescheidung auszuschließen " 56) H. Damit ist die in einzelnen Theilen Deutschlands noch geltende sog. separatio perpetua des katholischen Kirchenrechts und die nach dem Code civil gestattete Separation de corps beseitigt. Soll nicht mehr aus beständige Scheidung von Tisch und Bett, sondern in den Fällen, wo diese bisher zulässig war, auf Scheidung dem Bande nach erkannt werden, so können auch Klagen auf erstere nicht mehr gerichtet werden. Es sind also derarttge Klageanttäge durch Urtheil zurückzuweisen, nicht aber kann ohne den Willen des Klägers statt der beantragten Scheidung von Tisch und Bett eine solche dem Bande nach im Urtheil ausgesprochen werden, weil daraus, daß er bloß die beständige Scheidung von Tisch und Bett verlangt, noch nicht folgt, daß er auch die Trennung des Ehebandes beansprucht. Das gilt auch, wenn die streitenven Ehegatten nicht Deutsche sind, R.G. II v. 4. Jan. 1881, Annal. 3 S. 208.

96

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

Ist vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt57 * *), auf beständige Trennung von Tisch und Bett erkannt worden, so kann, wenn eine Wiedervereinigung der getrennten Ehe­ gatten nicht stattgefunden hat, jeder derselben 58j 59auf 60 Grund des ergangenen Urtheils 5ft) die Aus­ lösung des Bandes der Ehe8«») im ordentlichen Prozeßverfahren beantragen. §. 78. Ehestreitigkeiten, welche in Bayern vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz daselbst in Kraft tritt, durch Zustellung des Beschlusses über Zulässigkeit der Klage anhängig geworden sind, werden von dem mit der Sache befaßten Gericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung nach Maßgabe der bisher geltenden Gesetze durchgeführt. Daselbst kann die Auflösung der Ehe auf Grund eines die beständige Trennung von Tisch und Bett verfügenden Urtheils geltend gemacht werden, nachdem das Gericht auf Anrufen eines Ehegatten in dem nach Artikel 675. Absatz 1 und 2 der Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitig­ keiten vom 29. April 1869 vorgesehenen Verfahren die Auflösung des Bandes der Ehe ausge­ sprochen hat. Die Vorschriften des bisherigen Rechts dagegen, welche eine zeitweise Scheidung von Tisch und Bett zulassen, s. §§. 724, 733 d. T., bleiben in Geltung. 57) H. Der Entwurf enthielt den von der jetzigen Fassung abweichenden Absatz: „Ist vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Geltung tritt, auf beständige Trennung von Tisch und Bett erkannt worden, so erlangt, wenn sich die getrennten Ehegatten nicht wieder vereinigt haben, das Erkenntniß mit jenem Tage die Kraft einer das Band der Ehe auflösenden Entscheidung welcher in den Motiven S. 37 damit begründet war: „Aus gleichem Grunde müssen aber weiter die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ergangenen Erkenntnisse auf beständige Trennung von Tisch und Bett die Kraft von Scheidungserkenntnissen erlangen. Dem entsprechend ist bereits bei Erlaß des preuß. L.R. (II. 1 §§. 733, 734) und neuerdings für Elsaß-Lothringen in dem Ges. v. 27. Nov. 1873 §. 3 (G.Bl. S. 297) verfahren worden; auch beruht die Eingangs dieser Er­ läuterungen erwähnte Resolution des preußischen Abgeordnetenhauses (S. 20) auf gleichen Er­ wägungen." Die Fassung des Absatzes erlitt aber im Reichstage, s. stenogr. Ber. S. 1084 ff., so leb­ hafte Anfechtungen, daß er bei der zweiten Berathung ganz gestrichen wurde. Bei der dritten ist der jetzige Absatz 2 durch Amendement des Abg. Dr. Marquardsen u. Gen. hinzugefügt worden, a. a. O. S. 1252 ff. Aus dieser Entstehungsgeschichte, sowie aus dem Abs. 2 des §. ergiebt sich, daß eine nur auf Lebenszeit ausgesprochene Scheidung von Tisch und Bett oder eine Separation de corps an und für sich ohne Umwandlung nicht die Bedeutung der Scheidung vom Bande hat. Es ist daher nicht richtig, wenn v. Holtzendorff, Rechtsfall der Fürstin Bibeseo. München 1876 S. 15 ff., behauptet, daß nach den Regeln des deutschen Rechts die Separation de corps ohne Weiteres der vollständigen Lösung der Ehe gleich zu achten ist, wie denn dies auch in der von ihm citirten Stelle in Schulte, Eherecht S. 596, nicht gesagt ist. Eine im Auslande erfolgte Scheidung der Ehe auf Lebenszeit von Tisch und Bett oder Separation de corps, welche für die nach Deutschland später eingewanderten Ausländer früher von ihrem kompetenen Gericht aus­ gesprochen ist, begründet daher das Ehehinderniß des §. 34. Vgl. Stölzel i. Stdesb. v. 1876 S. 190, 196, 206; Derselbe, Wiederverheirathung e. beständig v. Tisch u. Bett getrennten Ehegatten. Berlin 1876. 58) II. Auch der früher für schuldig erklärte, s. stenogr. Ber. S. 1252. Der unschuldige kann einen solchen Antrag also durch seinen Widerspruch nicht hindern. 59) H. Da man den Grundsatz des Abs. 1 auch für die schon vor Erlaß des Gesetzes aus­ gesprochenen beständigen Scheidungen von Tisch und Bett hat zur Wirksamkeit bringen wolle«, so folgt daraus, daß das Gericht hier nur eine formelle Umwandlung zu vollziehen haben wird, sowie es festgestellt hat, daß die Voraussetzungen des §. vorliegen. Eine Prüfung des früheren Urtheils seiner materiellen Begründetheit nach ist ausgeschlossen. Die Konsequenz läßt die Ansicht Stölzel's, daß der 77 auch auf ausländische Erkenntnisse, durch welche jetzt im Jnlande wohnende Personen beständig von Tisch und Bett getrennt sind, angewendet werden dürfe, be­ denklich erscheinen. Stölzel verlangt hierbei selbst — aber zuwider dem Inhalte des g. — eine Prüfung des deutschen Gerichtes in Betreff der Zuständigkeit des außerdeutschen Gerichtes, der Rechtskraft und des Inhaltes des ausländischen Erkenntnisses. Gegen Stölzel s. Rassow b. Gruchot 21 S. 143 u. v. Sicherer S. 614. 60) H. Durch den rechtskräftigen Beschluß des Gerichts ist dann die Scheidung dem Bande nach erfolgt.

97

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

Das Verfahren in streitigen Ehesachen richtet sich in Bayern in den rechtsrheinischen Gebietstheilen nach den Bestimmungen des Hauptstückes XXVI. der genannten Prozeßordnung, in der Pfalz nach den Bestimmungen des Artikels 69 des Gesetzes über die Einführung dieser Prozeß­ ordnung 61). §. 79. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1876 in Kraft. Es bleibt den Landes­ regierungen überlassen, das ganze Gesetz oder auch den dritten Abschnitt und §. 77 im Ver­ ordnungswege früher einzuführen62). §. 80. Die vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, nach den Vorschriften des bisherigen Rechts ergangenen Aufgebote behalten ihre Wirksamkeit. §. 81. Auf Geburts- und Sterbefälle63),64 welche 65 66 sich vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, ereignet haben, an diesem Tage aber noch nicht eingetragen sind, findet das gegenwärtige Gesetz mit der Maßgabe Anwendung, daß der Lauf der vorgeschriebenen Anzeige­ fristen 61) mit dem Tage beginnt, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt. Ein Gleiches b^ .gilt für den Fall, daß auch nur die Vornamen eines Kindes an diesem

Tage noch nicht eingetragen sind. §. 82. Die kirchlichen Verpflichtungen60) in Beziehung auf Taufe und Trauung °7) werden durch dieses Gesetz nicht berührt.

61) H. Dieser Absatz des §. 78 ist durch das Einführgsges. zur C.P.O. §. 13 Nr. 6 aufgehoben. 62) H. Von der zweiten gewährten Befugniß ist in Preußen Gebrauch gemacht worden, s. Zus. 10 zu §. 145. 63) H. Ob der Geburts- oder Sterbefall kürzere oder längere Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt ist, ist gleichgültig. 64) H. S. §§. 17, 23, 24, 56. 65) H. Hier ist allein eine Anzeigeverhandlung über die Vornamen in das Standes­ register einzutragen. Dagegen Stiege le S. 187. Er meint, gestützt auf die Worte: „Ein Gleiches", daß zugleich eine vollständige Geburtsanzeige einzutragen ist/ Durch die Worte wird aber nur bestimmt, daß das Gesetz und zwar in seiner entsprechenden Bestimmung Anwendung finden soll. Auch setzt die Bestimmung voraus, daß die Geburt schon in einem früheren Register bekundet ist, sie braucht also nicht noch einmal eingetragen zu werden. Ueber die Frist vgl. §. 22 Abs. 3. 66) H. Vgl. Motive S. 39: „Die Übertragung der Beurkundung des Personenstandes auf vom Staate bestellte Beamte und die Einführung einer bürgerlichen Form der Eheschließung erfolgt aus Gründen, welche sich gegenüber den bestehenden Verhältnissen aus der Pflicht des Staates, die rechtlichen Beziehungen seiner Angehörigen zu ordnen und möglichst sicher zu stellen, mit zwingender Nothwendigkeit ergeben. Das Band, welches die Einzelnen mit ihrer Kirche verbindet, zu lockern und insbesondere die Verpflichtung zur Taufe und kirchlichen Trauung zu alteriren, kann nicht in der Absicht liegen, da der Staat unverkennbar ein eigenes hohes Interesse hat, dieses Band ungeschwächt zu erhalten und die den kirchlichen Verpflichtungen entsprechenden Sitten und Gewöhnungen zu konserviren. Diesen Gedanken giebt der §. Ausdruck. Das Be­ dürfniß zu einer entsprechenden Bestimmung bestätigen die Erscheinungen, welche in Preußen in Folge des preußischen Civilehegesetzes zu Tage getreten sind. Obgleich die preußische Staats­ regierung sowohl in den Motiven zu dem gedachten Gesetze als bei den bezüglichen Verhandlungen in den Häusern des Landtages wiederholt zu erkennen gegeben hat, daß sie die religiösen Ver­ pflichtungen hinsichtlich der Taufe und Trauung nicht zu beeinträchtigen gedenke, indem sie die Aufhebung des in dem preußischen allgemeinen Landrechte vorgesehenen Taufzwanges und die Einführung einer bürgerlichen Eheschließungsform anstrebe, vielmehr nach wie vor darauf hohen Werth legen müsse, daß von der Taufe kein Kind christlicher Aeltern fern gehalten werde und daß womöglich Jeder, der in die rechtliche Gemeinschaft der Ehe eintrete, auch diese Gemein­ schaft — wie es in den gedachten Motiven ausgedrückt wird — „mit dem sittlichen Geiste und der ernsten Weihe erfülle, für welche die religiöse Handlung und die mit derselben verbundenen Segnungen Ausdruck und Quelle bilden sollen", so sind dessenungeachtet selbst in der Presse und in , öffentlich en Versammlungen dem Gesetze- andere Motive untergeschoben und vielfach Be­ hauptungen dahin aufgestellt worden, daß der Staatsregierung die Vollziehung der religiösen Akte nicht allein gleichgültig sei, sondern daß dieselbe mit dem Gesetze den Zweck verfolge, eine Entfremdung gegen die Kirche herbeizuführen und zu fördern. Man hat sich sogar nicht gescheut, den Landleuten vorzureden, daß das Gesetz Taufe wie Trauung verbiete, und insbesondere auf diese Weise die Bevölkerung mehrerer Ortschaften im Regierungsbezirke Königsberg zu Un­ ruhen angereizt. Um solchen Mißdeutungen und Agitationen vorzubeugen, empfiehlt sich die Koch, Allgemeines Landrecht. III.

8. Anfl.

7

98

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

§. 83. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen werden, soweit die­ selben nicht durch eine vom Bundesrathe w) erlassene Ausführungsverordnung getroffen werden,

von den einzelnen Landesregierungen erlassen. §. 84. Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der Bezeichnung: höhere Ver­ waltungsbehörde ••), untere Verwaltungsbehörde7e), Gemeindebehörde71), Gemeindevorstand7i), Aufnahme der in Vorschlag gebrachten Bestimmung, und zwar um so mehr, als dieselbe zugleich eine Richtschnur für das Verhalten der Standesbeamten bildet, von deren Seite bisher in Preußen auch nicht immer mit der wünschenswerthen Vorsicht verfahren worden ist." Die Motive, sowie der Zweck des Gesetzes überhaupt ergeben, daß es sich hier nur um die Verpflichtungen handelt, welche dem Einzelnen als Mitglied einer bestimmten Kirche oder Religionsgesellschaft letzterer gegenüber obliegen, also diese auch nur mit den den betreffenden Gemeinschaften zustehenden und statthaften geistlichen Mitteln, nicht aber mit Hülfe des staat­ lichen Zwanges realisirt werden können, s. auch stenogr. Ber. 1096, 1098. Ueber solche Ver­ pflichtungen hatte das Gesetz, welches nur das staatliche Recht regelt, nicht zu disponiren, und in der That hat es auch nicht darüber verfügt, vielmehr allein eine Verwahrung gegen Miß­ deutungen ausgesprochen. Wenn So hm, das Recht der Eheschließung, Weimar 1875 S. 287 ff., dem §. 82 den Sinn beilegt, daß die bürgerliche Handlung eine für die thatsächliche Seite der Ehe der Er­ gänzung fähige und bedürftige Eheschließungshandlung sei, und die kirchliche Trauung fort­ bestehen solle als die Uebergabe der Braut an den Bräutigam, als die alldeutsche traditio puellae, und damit als Herbeiführung der ehelichen Gemeinschaft, d. h. des Beginnes der Thatsächlichkeit der Ehe, so ist dabei übersehen, daß Trauung nach der in neuerer Zeit her­ gebrachten Auffaffung, welche also auch nur die des Reichsgesetzes sein kann, die kirchliche Ein­ segnung der Ehe bedeutet, nicht das, was der Verfasser darunter verstehen will, und daß nach dem Reichsgesetze für das staatliche Gebiet die Eheschließung vor dem Standesbeamten die vollen Rechtswirkungen erzeugt, also nicht als eine Handlung erscheint, welche irgend welcher Ergänzung bedarf. Vgl. auch Friedberg, Verlobung und Trauung, Leipzig 1876 S. 73 ff. Sohm hat auch in seiner späteren Schrift: Trauung und Verlobung. Weimar 1876 S. 135 seine Auffassung dahin modifizirt und präzisirt, daß die Trauung nur aus dem ethischen, nicht auf dem rechtlichen Gebiete dem Civilakt gegenüber trete. In wesentlicher Uebereinstimmung damit bemerkt v. Scheu rl, Crntroirfclg. d. kirchl. EheschlicßungSrcchts. Erlangen 1877 D. 157, daß die Kirche ihren in wesentlich unveränderter Form beizubehaltenden Trauakt als rein reli­ giöse Ergänzung des Eivilaktes zu behandeln und dadurch dar zuthun habe, daß die Eheschließung durch eine rein privatrechtliche Handlung in religiöser Beziehung zu vervollständigen sei. Vgl. ferner v. Scheurl, d. gem. deutsche Eherecht. Erlangen 1882 S. 101 ff. u. Kahl i. Zeitschr. f. Kirchen­ recht 18. S. 295. 67) H. Daraus kann nicht geschlossen werden, daß andere kirchliche Verpflichtungen, welche sonst noch gegenüber dem Gesetze bestehen, beseitigt sind. Man hat nur, wie die Motive (f. vor. Anm.) ergeben, für erforderlich erachtet, gerade die Taufe und Trauung besonders hervor­ zuheben. Seiner Kirche gegenüber bleibt der Katholik immer noch verpflichtet, die von dieser aufgestellten Ehehindernisse zu beachten (s. auch §. 11 d. T.), sich nur in den kirchlich aner­ kannten Fällen scheiden zu lassen und die Nichtigkeit der Ehe und die Scheidung vor dem geistlichen Gerichte nachzusuchen. Es handelt sich aber hierbei jetzt nicht mehr um staatlich an­ erkannte rechtliche Verpflichtungen, sondern nur um solche, welche lediglich innerhalb des Ge­ wissensgebiets liegen, und deren Innehaltung der Staat nicht mehr erzwingt. Ebenso wenig kann die geistliche Gerichtsbarkeit, welche für das interne Forum durch §. 76 nicht beseitigt wird, als eine Gerichtsbarkeit im eigentlichen Sinne betrachtet werden, noch irgend eine staatliche Wirksamkeit äußern. Die Befugnisse der geistlichen Gerichte und ihre Entscheidungen haben gleichfalls nur Bedeutung für das erwähnte, rein innere Gebiet. Tas ist sowohl in Betreff der Ehehindernisse, wie auch der Ehescheidung und der geistlichen Gerichtsbarkeit bei den Debatten erklärt und anerkannt worden, s. stenogr. Ber. S. 1045, 1083, 1085, 1096. Für die protestantische Kirche, welche nicht wie die katholische Kirche ein eigenes vom Staate verschiedenes Eherecht entwickelt hat, war mit dem Gesetze aber die Nothwendigkeit einer Umänderung der bisherigen Vorschriften gegeben, und zwar deshalb, weil sie ihrem Prinzipe nach die staatlich gültigen Ehen auch ihrerseits anzuerkennen hat und nicht einmal einer nicht kirchlich eingesegneten Ehe bloß wegen des Mangels der Trauung den Charakter einer christlichen Ehe absprechen kann, s. Richter-Dove S. 888 ff. Ueber die östlichen alten Provinzen s. jetzt Zus. zu II. 11. 88- 435-445 68) H. Vgl. Zus. 12. 69) H. S. 8. 2, §. 3 Abs. 2, §§. 4, 5, 6, §. 7 Abs. 3, 4, §. 11. 70) H. S. §. 7 Abs. 3, §. 11. 71) H. S. §. 4 Abs. 2.

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

99

Gericht erster Instanz72 73)74zu* verstehen sind, wird von der Zentralbehörde7I) des Bundesstaates bekannt gemacht. §. 85.

Durch dieses Gesetz 78) werden die Bestimmungen des Gesetzes vom 4. Mai 1870,

betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, nicht berührt. Der Reichskanzler kann einem diplomatischen Vertreter oder einem Konsul des Deutschen

Reichs die allgemeine Ermächtigung zur Vornahme von Eheschließungen und zur Beurkundung der Geburten, Heirathen und Sterbefälle, wie für Reichsangehörige, so auch für Schutzgenoffen76)

ertheilen.

Diese Vorschrift tritt mit dem 1. März 1876 in Kraft.

Urkundlich rc. Gebührentarif.

I.

Gebührenfrei77) sind die nach §§. 49 und 54 oder zum Zwecke der Taufe oder der Be­

erdigung 78)80ertheilten Bescheinigungen7g).

II. An Gebühren kommen zum Ansatz: 1. für Vorlegung ®°) der Register zur Einsicht, und zwar für jeden eine halbe Mark,

Jahrgang

für mehrere Jahrgänge zusammen jedoch höchstens

2. für die schriftliche Ermächtigung nach §. 43 und

.

.

.

ein und eine halbe Mark,

für jeden

beglaubigten Auszug aus den Registern mit Einschluß der Schreibgebühren81)

.............................

eine halbe Mark.

Bezieht sich der Auszug aus mehrere Eintragungen und erfordert derselbe das Nachschlagen von mehr als einem

Jahrgange der Register, für jeden weiter nachzuschlagenden Jahrgang noch

eine halbe Mark,

jedoch zusammen höchstens

zwei Mark.

72) H. S. §. 4 Abs. 2, 4. 73) H. S. §. 11 Abs. 3, §. 14 Abs. 2, §. 66 Abs. 2. 74) H. S. Anm. 49 zu §. 8. 76j H. Der 8. beruht auf einem Amendement vr. Oppenheim, s. stenogr. Ber. S. 1101, 1257. Der erste Absatz ist überflüssig, er versteht sich von selbst, s. §. 41. Ebenso der zweite, s. Ges. v. 4. Mai 1870 (Aus. 14), nur mit Ausnahme der Bestimmung hinsichtlich der Schutz­ genoffen; dies ist das einzige Neue, was der §. an ordnet.

76) H. Darunter sind die Angehörigen solcher Nationen zu verstehen, welche im Orient vertragsmäßig unter dem Schutze der deutschen Vertreter stehen und vor diesen Recht nehmen, s. stenogr. Ber. S. 1101. Vgl. v. Sicherer S. 634 u. Instruktion des Reichskanzlers v. 10. Sept. 1879 §. 1 zu dem Reichsges. üb. d. Konsulargerichtsbarkeit v. 10. Juli 1879, Centr.Bl. f. d. deutsche Reich S. 575. 77) H. Ebenso stempelfrei. S. Anm. 99 zu §. 16. 78) H. Das Gesetz selbst legt den Standesbeamten keine Pflicht auf, zu den gedachten beiden Zwecken (§8. 22 u. 60) Bescheinigungen zu ertheilen. Diese folgt aber indirekt aus der obengedachten Vorschrift, sowie aus dem §. 60. Die Bescheinigung zum Zweck der Taufe sichert die Uebereinstimmung des in das Kirchenbuch zu machenden Vermerks, namentlich der Namen mit der Geburtsurkunde in dem Standesregister. 79) H. Für diese gilt das zu §. 54 Anm. 74 Bemerkte. Die Formulare dazu brauchen daher auch nicht kostenfrei vom Staate geliefert zu werden (s. §. 8), so auch R. d. Min. d. Inn. u. d. Just. v. 4. Dez. 1874 (M.Bl. f. d. i. Verw. S. 281; Stdesb. v. 1875 S. 43), vgl. ferner Anm. 48 zu §. 8. Wegen der Postporti s. Anm. 46 zu §. 8. 80) H. Diese braucht selbstverständlich nur während der Dienststunden gestattet zu werden. Auch ist der Standesbeamte befugt, wenn sich Jemand zu oft in seinem Lokale zur Einsicht einfindet und dies den Verdacht erregt, daß dieselbe nur zum Vorwand für andere Zwecke benutzt wird, die Gründe dafür sich angeben zu lassen, und nöthigenfalls den Aufenthalt im Amtslokale zu beschränken. 81) H. Und selbstverständlich auch des erforderlichen Nachschlagens.

Zweiter Theil.

100 12.

Erster Titel.

§. 146 (Zusätze).

Ausführungsverordnung des Bundesraths zum

Gesetze

über die

Beurkundung des Personenstandes rc. vom 6. Februar 1876. (Central-Blatt für das Deutsche Reich Nr. 28. S. 386.) Auf Grund des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1876 §. 83 (Reichs-Gesetzbl. S. 39) hat der Bundesrath die nachstehende Aus­ führungs-Verordnung erlassen: §. 1. Die Standesbeamten haben die drei im §. 12 des Gesetzes vom 6. Februar 1876 vorgeschriebenen Standesregister nach den Formularen A. B. 0., und zwar:

1. das Geburtsregister nach dem Formular A., 2. das Heiratsregister nach dem Formular B., 3. das Sterberegister nach dem Formular C. zu führen. Die Formulare find für Format und Gestalt der Standesregister maßgebend. Von jedem Blatte ist die Vor- und Rückseite zu bedrucken. §. 2. Die Formulare zu den Nebenregistern (§. 14 des Gesetzes) sind im Vordruck am Schluffe mit folgendem Beglaubigungsvermerk zu versehen: Die Uebereinstimmung mit dem Hauptregister beglaubigt dm .... ten.................................18 . . .

Der Standesbeamte

§. 3. Muß das für einen größeren Standesamtsbezirk angelegte Register in mehrere Theile zerlegt werden, so ist bei dem Abschlüsse eines Theils ausdrücklich auf den folgenden

hinzuweisen. §. 4. Für Format und Gestalt der Registerauszüge (§§. 8, 15 Abs. 2 des Gesetzes) sind die Formulare A. a., B. b., C. c. maßgebend.

§. 5

lieber die erfolgte Eheschließung ist die in §. 54 ?(bf. 2 be3 Gesetzes ungeschriebene

Bescheinigung nach dem Formular D. auszustellen.

Das Aufgebot, welches nach §. 44 des Gesetzes der Eheschließung vorhergehen soll, ist nach Formular E. anzuordnen. Die Ermächtigung des zuständigen Standesbeamten zur Eheschließung vor dem Standes­ beamten eines anderen Orts (§. 43 des Gesetzes) nebst der in diesem Fall auszustellenden Be­ scheinigung (§. 49 des Gesetzes) ist nach Formular F. zu ertheilen. §. 6. Die Formulare D. E. F. sind unter den nach §. 8 des Gesetzes den Gemeinden kostenfrei zu liefernden Formularen nicht begriffen. §. 7. Um eine nähere Anweisung für die richtige Benutzung der Vordrucke in den For­ mularen A. bis F. den Standesbeamten an die Hand zu geben, sind denselben, sowie ihren

Stellvertretern, je zwei der Muster folgender Akte mitzutheilen: A. der Eintragung in das Geburtsregister (A.) auf Grund der Anzeige des ehelichen Vaters, A. 1., der Anzeige der bei der Niederkunft zugegen gewesenen Hebamme, A. 2., der Anzeige einer anderen bei der Niederkunft zugegen gewesenen Person, A. 3 A. 1. enthält zugleich ein Beispiel für die Eintragung der nachträglichen An­ zeige der Vornamen des Kindes (§. 22 Abs. 3 des Gesetzes) und giebt mit dem Vermerk: „In Vertretung N. N." die Anleitung, in welcher Weise in Fällen

der Verhinderung des Standesbeamten dessen Stellvertreter seine Eintragung zu unterzeichnen hat; A. 3. giebt ein Beispiel für die Eintragung eines Geburtsfalles auf Grund der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§. 27 des Gesetzes), sowie für die gleichzeitig vor dem Standesbeamten erklärte Anerkennung eines unehelichen Kindes (§. 25 des Gesetzes);

Bon der Vollziehung einer gültigen Ehe.

A. 4. bietet ein Beispiel für

101

einen auf Grund des §. 26 des Gesetzes einzu­

tragenden Randvermerk;

B. der Eintragung in das Heiratsregister (B.), B. 1.,

B. 1. gewährt zugleich ein Beispiel für die Eintragung eines Randvermerks nach Maßgabe des §. 55 des Gesetzes;

C. der Eintragung in das Sterberegister (C.) auf Grund

der Anzeige der Ehefrau des Verstorbenen, C. 1., der Anzeige des Vaters des Verstorbenen, C. 2., der Anzeige einer Person, in deren Behausung sich der Sterbefall ereignet hat, C. 3.

C. 3. enthält zugleich die Eintragung der Berichtigung einer Eintragung in das Standesregister (§. 65 des Gesetzes); in den Fällen des §. 23 des Gesetzes ist der nicht paffende Theil des Vordrucks zu

durchstreichen, und die Eintragung, wie C. 4. ergiebt, am Rande zu bewirken; D. der Bescheinigung über die erfolgte Eheschließung (D.\ D. 1.; E. der Bescheinigung des Aufgebots (E.), E. 1.;

F. der standesamtlichen Ermächtigung und Bescheinigung des Aufgebots (F.), F. 1. §. 8.

In den Fällen, in welchen die Eintragung eines Geburts- oder Sterbefalles auf

Grund einer schriftlichen Anzeige oder Mittheilung einer Behörde erfolgt (§§. 20, 24, 58, 62 des Gesetzes) ist der Vordruck ganz zu durchstreichen, und die Eintragung am Rande unter aus­ drücklicher Bezugnahme auf die erfolgte Anzeige oder Mittheilung vorzunehmen.

In diesen

Fällen, sowie im Falle des §. 23 des Gesetzes dürfen bei Ertheilung von Registerauszügen die für die letzteren bestimmten Formulare nicht benutzt werden.

§. 9.

Die Standesbeamten sind verpflichtet, als Beilage zu den Registern Sammelakten,

nach Jahrgängen geordnet, und zwar für jedes Register besonders, anzulegen, und in dieselben alle ihnen zugestellten schriftlichen Anträge, Anzeigen, Urkunden, Mittheilungen, Verfügungen,

insbesondere die der Aufsichtsbehörde und der Gerichte (§§. 20, 24—28, 33, 35, 38, 43, 45,

48—60, 55, 58, 60, 62—65 des Gesetzes), desgleichen die von chnen in Gemäßheit der §§. 21, 25, 45—47, 58, 68 aufgenommenen Verhandlungen und getroffenen Anordnungen aufzunehmen.

§. 10.

Außerdem haben die Standesbeamten:

1.

zu jedem der drei Register ein alphabetisches, das Auffinden der einzelnen Eintragung

2.

eine Kontrole über die nachträglich zu machenden Anzeigen der Vornamen des Kindes

ermöglichendes Namensverzeichniß,

(§. 32 Abs. 3 des Gesetzes), 3. ein Verzeichniß der von ihnen angeordneten oder auf Ersuchen eines andern Standes­ beamten verkündeten Aufgebote, 4. ein Verzeichniß über die zu erhebenden oder erhobenen Gebühren (§. 16 des Gesetzes)

zu führen. §. 11.

Geistlichen und andern Religionsdienern ist die Einsicht der Register kostenftei zu

gestatten.

§. 12.

Die Standesregister sind in deutscher Sprache zu führen.

Die Bestimmungen des für Elsaß-Lothringen erlassenen Gesetzes vom 31. März 1872,

treffend die

be­

amtliche Geschästssprache daselbst (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen S. 159) werden

hierdurch nicht berührt.

§. 13.

Auf Verlangen der Verlobten ist denselben von dem Standesbeamten eine Be­

scheinigung über das angeordnete Aufgebot kostenfrei zu ertheilen.

§. 14.

Ist eine Ehe getrennt, für ungültig oder nichttg erklärt, so hat die Staatsanwalt­

schaft, und insoweit dieselbe in Ehesachen nicht mitzuwirken hat, das Ehegericht eine mit der Be­

scheinigung der Rechtskraft versehene Ausfertigung des Urtheils dem Standesbeamten, vor

welchem die Ehe geschloffen ist, zu übersenden. In denjenigen Rechtsgebieten, in welchen es zur Trennung einer Ehe einer besonderen Er­

klärung und Beurkundung vor dem Standesbeamten

bedarf (§. 55 Absatz 2 des Gesetzes), hat

Zweiter Theil

102

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

derjenige Standesbeamte, welcher die Trennung ausgesprochen hat, eine beglaubigte Abschrift

der von ihm dieserhalb aufgenommenen Verhandlung dem Standesbeamten, vor welchem die Ehe geschloffen ist, zuzustellen.

§. 15.

Dem Ersuchen eines Standesbeamten sind andere Standesbeamte, sowie Gemeinde-

und Ortspolizeibehörden Folge zu leisten verpflichtet.

Berlin, den 22. Juni 1875. Der Reichskanzler. In Vertretung:

Delbrück.

A. Nr

18 .

am

.

Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach

kannt.

wohnhaft zu

Religion, und zeigte an, daß von der

wohnhaft

SU...............................................................................................................

...

am

.

um

des JahreS

len

tausend acht hundert

.... zig und

s

Uhr ein Kind

.... lichen

Geschlechts geboren worden sei, welches .

.

.

Vornamen

erhalten habe

Vorgelesen, genehmigt und

Der Standesbeamte.

A. 1.

Nr. 1080. Berlin, den 25. Octuber 1876. Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach bekannt, der Bäcker Carl Eduard Schulze zu Berlin, icuhnhajt in der Annen*) Anm. anzugeben.

Es ist stets Stand

Berlin, am 26. September_ Vor dem unterzeichneten Standesbeamten der Persönlichkeit nach durch den

1876. erschien heute,

ron Persun bekannten Portier

August Neumann der Bäcker*) Carl Eduard Schulze

_

ane,kttNNt,

wohnhaft ZU Berlin in der Annen-Strasse No. 17. oder Gewerbe des Anzeigenden und der Eltern des Kindes

103

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe. Strasse No. 11., und zeigte an, dass dem von seiner Ehefrau am 23. September d. J. geborenen Kinde die Vornamen Carl Theodor Anton beigelegt worden seien. Vorgelesen, genehmigt und wegen Schreibensunkunde ton dem Anzeigenden mit seinem HandZeichen versehen.

ist

Der Standesbeamte N.

-------erangelischcr Religion, und zeigte an, daß von der Henriette Schulze, geborenen Schmidt, seiner Ehefrau,

evangelischer Religion,

-----------------------------------------wohnhaft bei ihm

ZU Berlin in seiner Wohnung

_

SM_____ __ drei und zwanzigste September des Jahres tausend acht hundert siebenzig und sechs Nachmittags um

sieben drei viertel Uhr ein Kind Geschlechts geboren worden sei, welches

Vtcknnlichen einen

erhalten habe.

Vornamen noch nicht

Vorgelesen, genehmigt und wegen Schreibensunkunde von dem

Anzeigenden mit seinem Handzeichen versehen.

t t

t

Der Sta»deStea«te. In Vertretung. N. N.

A. L.

Nr. 1081. Berlin, ÜM 26. September 1876. Bor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

der Persönlichkeit nach— , -ekannt, die Hebamme Frau Emilie Habermann, geb. Engel wohnhaft ZU Berlin in der Annen-Strasse No. 11. Religion*), und zeigte an, daß von der Amalie Hergenbach geb. Schneider, evangelischer Religion, Ehefrau

des Schlächters

Ludwig August Hergenbach, evangelischer Religion,

wohnhaft bei ihrem Ehemanne zu Berlin in der N

-Strasse

No. 79---------------------------------------------------- --------------------------------ZU Berlin in der Wohnung ihres Ehemannes _ am fünf und zwanzigstel September des Jahres tausend acht hundert siebenzig und sechs sieben drei viertel Uhr ein Kind

Geschlechts geboren worden sei, welches Hermann August

Nachmittags um männlichen

die Vornamen erhalten habe.

*) Anm. Nur die Religion der Eltern braucht angegeben zu werden. **) Anm. Es ist stets Stand oder Gewerbe des Anzeigenden und der Eltern des Kindes anzugeben.

104

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

Die Frau Habermann erklärte, dass sie bei der Niederkunft der Ehefrau Hergenbach zugegen gewesen sei. *)

Der Standesbeamte. N. N.

*) Anm. In den Fällen des §. 18. Nr. 2—4. des Gesetzes vom 6. Februar 1875 ist zu be­ merken, daß der Anzeigende bei der Niederkunst zugegen gewesen ist.

A. 3-

Nr. 1082. Berlin, QM 26. September 1876. Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

der Persönlichkeit nach öekannt, der Weber*} Herrmann Philipp Naumann wohnhaft ZU Berlin in der M... .-Strasse No. 20. Religion, und zeigte an, daß von der unverehelichten Fabrikarbeiterin Amalie Schmidt,

evangelischer Religion, wohnhaft in der A... .-Strapse No. 10--------------------------------------

AU Berlin in ihrer Wohnung am drei und zwanzigften

Mai.

tausend acht hundert si'e-enzig und sechs UM. sieben drei viertel Uhr ein Kind Geschlechts geboren worden sei, welches

des

Jahres

Nachmittags mLrmlichen den Vornamen

Eduard erhalten habe. Der Naumann erklärte, dass er bei der Niederkunft der Amalie Schmidt zugegen gewesen sei**} und dass er hiermit das vorge­ dachte Kind als von ihm erzeugt anerkenne.

*) Es ist stets Stand und Gewerbe des Anzeigenden und der Eltern des Kindes anzu­ geben. **) In den Fällen des §. 18. Nr. 2—4. des Gesetzes vom 6. Februar 1875 ist zu bemerken, daß der Anzeigende bei der Niederkunft zugegen gewesen ist.

Bon der Vollziehung einer gültigen Ehe.

105

Zu der vorstehenden Eintragung ist die Genehmigung der Aufsichtsbehörde unter dem 17. September 1876 ertheilt. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben

Herrmann Philipp Naumann.

Der StaubeSbeoMte. N. N.

A. 4. Randvermerk. No. 1084. Berlin, am 1. Februar 1877. Vor dem unterzeichneten Stan­

desbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach bekannt, der Rentier Hermann Lemcke, wohn­ haft zu Berlin in der L Strasse No. 16., evangelischer Re­ ligion, und überreichte eine Aus­ fertigung der von dem Kreisge­ richte *) zu R.... am 6. Januar 1877 aufgenommenen Urkunde, Inhalts deren er das von der tmvereheUchten Johanna Müller am

23. Juni vorigen Jahres geborene Kind als von ihm erzeugt aner­ kannt hat. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben.

Der Standesbeamte. N. *) obetflott: „Kreisgerichte“

„Notar N. N.“

B* Nr

am................................................ ten tausend acht hundert .

Vor dem

unterzeichneten

. zig und

Standesbeamten

.

.

.

erschienen

heute zum Zwecke der Eheschließung: 1. der

der Persönlichkeit nach kannt,

Religion, geboren den des Jahres tausend acht hundert

................................................................. -u...........................................

106

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze). wohnhaft zu

Sohn de

wohnhaft zu..............................................................................................................

8. die .

der Persönlichkeit nach

.

konnt,

Religion, geboren den des Jahres tausend acht hundert

.................................................................. zu........................................... wohnhaft zu Tochter de

wohnhaft .........................................

zu

Als Zeugen waren zugezogen und erschienen: 3.

d

der Persönlichkeit nach

sannt, Jahre alt, wohnhaft zu

4. d der Persönlichkeit nach

kannt,

Jahre all, wohnhaft zu In Gegenwart der Zeugen richtete der Standesbeamte

an die Verlobten einzeln und nach einander die Frage:

ob sie erklären, daß sie die Ehe mit einander eingehen

wollen. Die Verlobten beantworteten diese Frage bejahend und

erfolgte hierauf der Ausspruch des Standesbeamten, daß er sie nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig ver­

bundene Eheleute erkläre.

Vorgelesen, genehmigt und

Der Standesbeamte.

107

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

B. 1.

No. 538. Durch rechtskräftiges Urtheil des Königlichen Stadtgerichts zu Berlin vom 13. October 1878 ist die Ehe zwischen dem, Julius Schneider und der Hermine Sehnet-der geb. Neuberg aufgelöst worden.

Berlin, 5. Januar 1879.

Der Standesbeamte. In Vertretung. N.

Nr. 538. Berlin, QM__________

December Vor

drei und zwanzigste

tausend acht hundert siebens und sechs. dem

unterzeichneten

erschienen

Standesbeamten

heute -um Zwecke der Eheschließung:

1. der

Schmiedemeister Julius Schneider, nach durch den von Person bekannten

der Persönlichkeit

Sekretair Philipp Menthe— anerkannt, evangelischer Religion, geboren den drei und zwan­

zigsten September

des Jahres tausend acht hundert

vierzig und sechs

zu Potsdam --------- ------------------------------ , wohnhaft zu Berlin in der A....-

Strasse No. 37., Sohn de- Hausbesitzers Eduard Schneider und dessen Ehe­

frau Anna geb. Müller, KU Potsdam;

wohnhaft

2. die Hermine Neuberg, der Persönlichkeit nach durch den p. Menthe

miertannt, ---------- evangelischer Religion, geboren den ein und dreissigMai----------------------------------des Jahres tausend acht hundert

fünfzig und vier

AU Schöneberg bei Berlin

--------------------------------------------- - wohnhaft zu Berlin,

Anm. Es ist in allen Fällen Wohnort, Stand oder G e w e r b e der Verlobten, der Eltern der Verlobten, sowie der Zeugen anzugeben.

Tochter des verstorbenen Tischlermeisters Hermann Neuberg und der verstorbenen Ehefrau desselben Marie geb. Schmidt, zuletzt wohnhaft ZU Danzig------------------------------------------Als Zeugen waren zugezogen und erschienen: 3. ber Tischler Hermann Rautenberg, der Persönlichkeit nach L-kannt,

sechs und zwanzig

Jahre alt, wohnhaft zu Berlin in

der neuen A ... .-Strasse No. 8.; 4. biß Antonie Liebau, Schneiderin, der Persönlichkeit nach durch den p. Menthe _ ________________________________________ ,_ anertamtf,

zwei und zwanzig Jahre alt, wohnhaft -U Berlin in

der verlängerten A... .-Strasse No. 3 In Gegenwart der Zeugen richtete der Standesbeamte an die Verlobten einzeln und nach einander die Frage:

ob sie erklären, daß sie die Ehe mit einander eingehen

wollen.

Die Verlobten beantworteten diese Frage bejahend und erfolgte hierauf der Ausspruch des Standesbeamten, daß

er sie nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig ver­

bundene Eheleute erkläre.

108

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 146 (Zusätze).

Borgelesen, genehmigt unb von der Antonie Liebau wegen

Schreibensunkunde mit ihrem Handzeichen versehen, von den anderen Erschienenen unterschrieben-------------------------------------Julius Schneider. Hermine Schneider geb. Neuberg. Hermann Rautenberg, fff

Der Standesbeamte. In Vertretung. N.

Zusatz im Nedrurrzistrr.

Die Uebereinstimmung mit dem Hauptregister beglaubigt.

Berlin, am

23lcn December 1876.

Der Standesbeamte. N. N.

C. Nr 18 .

am

.

Bor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

.....................................................................

der Persönlichkeit nach

sannt, wohnhaft zu

und zeigte an, daß Religion,

alt

wohnhaft zu geboren zu

de zu.................................................................................................................... am ten

des Jahres tausend acht hundert

...

zig und

s um

.

.

.

.

Uhr

verstorben sei

Vorgelesen, genehmigt und Der Standesbeamte.

C. 1. Nr. 48.

Berlin, UM 6. Januar

1876*.

Bor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

der Persönlichkeit nach

...

...

Mannt,

Frau Antonie Emilie Starke wohnhaft zu Berlin in der A... .-Strasse No. 18, und zeigte an, dah ihr Ehemann, der Kaufmann Eduard Herr­ mann Starke, 36* Jahre alt, evangelischer Religion,

109

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

wohnhaft zu Berlin in der A...-Strasse No. 18, geboren zu Angermünde

Suhn_ de» Kaufmanns Emanuel Starke und dessen Ehefrau Marie, geb. Löwenthal zu Potsdam, AU Berlin am fünflen Januar des Jahres tausend acht hundert »»--«»zig und sechs Vormittags UM acht ein halb Uhr verstorben sei Borgelesen, genehmigt und unterschrieben

Emilie Starke.

Der StM«deSbeL»te. N. N.

C. 2.

Nr. 49. 1876.

Berlin, am 6. Januar Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien

der Persönlichkeit nach

heute,

___ ______________________ Mannt,

der Regierungsrath Gustav Oertitel wohnhaft ZU Berlin in der A... .-Strasse No. 9,

...

und zeigte an, daß Anton Emil Oerthel, Gymnasiast,

18 Jahre alt,

evangelischer Religion,

wohnhaft zu Berlin in der A... .-Strasse No. 9,_ geboren zu Magdeburg, ledigen Standes,

Sohn de» Anzeigenden und seiner Ehefrau Louise, geb. Meidenreich, zu Berlin -. --------------------------------------------------am _________ fünften Januar_____________________________ des Jahres tausend acht hundert siebens und sechs-------------

zwei ein halb

Nachts UM verstorben sei. .

Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben

Gustav Oerthel.

Der StuudeSheamte. N. N.

Zweiter Theil.

110

Erster Titel.

No. 50.

§. 145 (Zusätze).

*

Nr. 50.

Gemäss Verfügung des König­

Berlin, G1H 6. Januar

lichen Stadtgerichts zu Berlin vom. 10. September 1876 wird berich­ tigend bemerkt, dass der Schneider

1876.

Bor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

der Persönlichkeit nach durch den ron Person bekannten Secretair Carl Hauke ______ _____ _ ____________________ n/Mannt,

Hermann Lehrmann bereits am vierten Januar 1876 Nachmittags um 6* < Uhr verstorben ist. Berlin, 16. September 1876.

der Fuhrherr Emil Heinrich Hetzel wohnhaft zu Berlin in der B... .-Strasse No. 37.,-----und zeigte an, daß der Schneider Hermann Lehrmann,

- —

Der Standesbeamte. In Vertretung. N.

40 Jahre alt,---------------------- evangelischer Religion, wohnhaft zu Stettin, geboren zu (unbekannt), zuletzt rerheirathet gewesen mit der ver­ storbenen Antonie geb. Biebe _ Sohn des Schlossers Philipp Lehrmann und dessen Ehe­ frau Bosalie geb. Tiemann zu Stettin, AU Berlin in des Anzeigenden Behausung am /«n/ten Januar. _ . _

des Jahres tausend acht hundert siebenzig und sechs Nachmittags UM sechs ein halb Uhr verstorben sei----------------------------------------------------------- ------------Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben

Heinrich Hetzel.

Der Standesbeamte. N. N.

C. 4

Nr. 51. Berlin, NM G. Januar

187 G.

Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach

Mannt die Hebamme Wittwe Ida Friedemann geb. Janke, - -----------------wohnhaft AU Berlin in der N... .-Strasse No. 17., und zeigte an, daß Religion,

wohnhaft zu geboren zu.

de .

des Jahres tausend acht Hund

Uhr verstorben sei.

.

Vorgelesen, geneh

ringt und

.

.

Der Standesbeamte.

ron Louise Naumann geb. Müller, evangelischer Beligion, in der Wohnung ihres Ehemannes, des Hutmachers Robert Naumann, evangelischer Religion, zu Berlin in der A -Strasse No. G7, am fünften Januar dieses Jahres Nachmittags um drei Uhr ein Kind weiblichen Geschlechts ge­ boren uiul dass dieses Kind in der Geburt verstorben sei. Die Frau Friedemann erklärte, dass sie. bei der Niederkunft der Frau Louise Naumann zugegen gewesen sei. (Nebenstehend 19 Zeilen ge­ strichen.) Vorgelesen, genehmigt mal unterschrieben. Ida Friedemann.

Der Standesbeamte. N. N.

111

Don der Vollziehung einer gültigen Ehe.

Bescheinigung der

Eheschließung. Zwischen dem

wohnhaft zu und der

....

wohlchaft zu

ist vor dem unterzeichneten Standesbeamten heute die Ehe geschloffen worden. am .

.ten..................................... 18 .

.

Der Standesbeamte. (Siegel.)

D. 1.

Bescheinign»der

Eheschließung.

Zwischen dem Schlosser Herrmann Philipp Naumann wohnhaft zu Berlin und der Anna Catharina Reinhardt wohnhaft zu Luckenwalde

_

ist vor dem unterzeichneten Standesbeamten heute die Ehe geschloffen worden.

1876.

Berlin, MN 6ten Februar

Der Standesbeamte.

N. (Siegel.)

Aufgebot. Es wird zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß

1.

der wohnhaft zu Sohn de

2.

und die wohnhaft zu

Tochter de

die Ehe mit einander eingehen wollen.

E.

112

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

Die Bekanntmachung des Aufgebots hat in de

.

.

.

. am .

•....................................................................................................... zu geschehen. . ten 18 . .

Der StnndeSbeamte. Ausgehängt am

am.

.

Hause

18 .

ten

.

Abgenommen am

zu

.

18 .

.ten am.

.

18 .

. ten

.

Aufgebot.

E1,

Es wird zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß

1. der Tischler Hermann Ludwig Starke

wohnhaft zu Berlin, früher wohnhaft zu Rathenau,*)

--------- ----------------------------- --------------

Sohn de» Maurermeisters Anton Philipp Starke und dessen, Ehefrau Emilie Louise geb. Pelk-

beide wohnhaft **) zu Rathenau

mann 2. und

die Auguste Antonie Neubauer,

— ------- --------

wohnhaft zu Neustadt-Eberswalde,



---------------

_

.

Tochter de« Schlossermeisters Theodor Wilhelm Neubauer, wohnhaft zu Neustadt-Eberswalde, und

der verstorbenen Ehefrau desselben Dorothea geb. Heymann

die Ehe mit einander eingehen wollen.

Die Bekanntmachung des Aufgebots hat in de» Gemeinden Berlin, Rathenau und Neustadt-

Eberswalde

AU geschehen.

Februar Der Standesbeamte.

Berlin, QUt .

1876.

N. Ausgehängt am

ant-

Mn März

Abgenommen am

Rath Hause zu Neustadt-Eberswalde, 1876. -ffitcn März

Neustadt-Eberswalde, QM

-1876. ***)

^6 ten März _

____ 1876.

Der Bürgermeister. N. (Siegel.)

*) Vergl. Ges. v. 6. Februar 1875. §. 46. Nr. 3. **) Es ist stets der Wohnort der Eltern der Verlobten anzugeben. ***) Zwischen dem Tage des Aushangs und der Abnahme müssen 14 volle Kalendertage liegen.

Standesamtliche Ermächtigung. Der unterzeichnete Standesbeamte des -u

ertheilt hierdurch die Ermächtigung, daß die Ehe zwischen

F. Standesamts

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

113

1. dem wohnhaft zu Sohn de

2. und der wohnhaft zu Tochter de

.

vor dem Standesbeamten zu geschloffen werde. Zugleich bescheinigt der unterzeichnete Standesbeamte, daß das Aufgebot vorschriftsmäßig

erfolgt ist und daß Ehehinderniffe nicht zu seiner Kenntniß gekommen sind. am . . reu............................ 18 . .

Der Standesbeamte.

F. Der1.unterzeichnete ZU Berlin

Standesbeamte des Königlich Preu»»i»chen.

Ltau-esamtliche Ermächtigung. -----------------------------------------------------------------------------------

Standesamts

ertheilt hierdurch die Ermächtigung, daß die Ehe zwischen 1. dem Kaufmann Carl Anton Scholz, _ wohnhaft zu Berlin, Sohn de« Rentiers Herrmann Eduard Scholz und dessen Ehefrau Emilie, geb. Schaumann, beide wohnhaft zu Berlin,

2.

und der Auguste Caroline Gerber, Lehrerin

- ----------------------------------------- ------------------------

wohnhaft zu Berlin, _ beide wohnhaft zu Potsdam,--------------------------------------------------------------------------------------------------Tochter de« Kaufmanns Ludwig Emil Gerber und dessen Ehefrau Therese geb. Heidenreich,

vor dem Standesbeamten zu Potsdam

-

geschloffen werde. Zugleich bescheinigt der unterzeichnete Standesbeamte, daß das Aufgebot vorschriftsmäßig durch Aushang an dem Rathhause zu Berlin com 2tcn bis 17tcn December 1876.-----------------

erfolgt ist und daß Ehehinderniffe nicht zu seiner Kenntniß gekommen sind. Berlin, am 11^ December

Der Standesbeamte. N'

(Siegel.) Mod), ?(UncutciiiCv

Ui>’.cdit.

III.

8. Allst.

1876.

114

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

A. eu Gednrtsurkunde. Nr

am

18

.

.

Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach kannt. wohnhaft zu .

.

Religion, und zeigte an, daß von der

.....................................................................Religion,

wohnhaft.

.

.

ru.............................. am

ten.......................................... des Jahres

tausend acht hundert .

. zig und

s

Uhr ein Kind

um

Geschlechts geboren worden sei, welches

.... lichen

.... Vornamen erhalten habe.

Der Standesbeamte. Daß vorstehender Auszug mit dem Geburts-Haupt-Register Vorgelesen, genehmigt und des Standesamts zu gleichlautend ist, wird hiermit bestätigt.

.......................................... am .

. ten......................................... 18 .

.

Der Standesbeamte.

(Siegel.)

B. b. HeirathsurKnnde. Nr

am.......................................................................teil

tausend acht hundert .

. zig und

.

.

.

Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschienen heute

zum Zwecke der Eheschließung:

1. der

der Persönlichkeit nach

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

115 konnt,

Religion, geboren den des Jahres tausend acht hundert

.................................................................-u............................................ , wohnhaft zu

Sohn de wohnhaft

........................

zu 2. die

der Persönlichkeit nach kannt,

Religion, geboren den des Jahres tausend acht hundert

.................................................................SU........................................... wohnhaft zu

Tochter de wohnhaft

SU....................................................................................................... Als Zeugen waren zugezogen und erschienen: 3. d

der Persönlichkeit nach kannt,

Jahre alt, wohnhaft zu

...

.

4. d der Persönlichkeit nach kannt,

Jahre alt, wohnhaft zu In Gegenwart der Zeugen richtete der Standesbeamte

an die Verlobten einzeln und nach einander die Frage: ob sie erklären, daß sie die Ehe mit einander eingehen

wollen. Die Verlobten beantworteten diese Frage bejahend und erfolgte hierauf der Ausspruch des Standesbeamten, daß er sie nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig

ver­

bundene Eheleute erkläre. Vorgelesen, genehmigt und

Der Standesbeamte. Daß

vorstehender

Auszug

mit dem Heiraths - Haupt-

Register des Standesamts zu gleichlautend ist, wird hiermit bestätigt.

am

.

. ten

Der Standesbeamte. (Siegel.)

18

.

.

116

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

C. e.

Aterbeurkun-e. Nr

18 .

am

.

Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute,

der Persönlichkeit nach sannt, wohnhaft zu ... und zeigte an, daß .

. .

.alt ...

.

wohnhaft zu .... geboren zu...................... ...................................... de .

zu....................................... . tcn am................................. des Jahres tausend acht hundert ... s um

zig und Uhr

verstorben sei Vorgelesen, genehmigt und

Der Standesbeamte. Daß vorstehender Auszug mit dem Sterbe-Haupt-Register des Standesamts zu gleichlautend ist, wird hiermit bestätigt. ............................................. am. . reu................................. ls . .

Der Standesbeamte. (Siegel.) 13. Verordnung, betreffend die Verrichtungen der Standesbeamten in Bezug auf solche Militärpersonen, welche ihr Standquartier nach einge­ tretener Mobilmachung verlassen haben. Vom 20. Januar 1879. (Reichs-Ges.Bl.

S. 5.) Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Teutscher Kaiser, König von Preußen re. verordnen auf Grund des §.71 des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe­ schließung vom 6. Februar 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 23), im Namen des Reichs, was folgt: Erster Abschnitt. Beurkundung im Allgemeinen.

§. 1. Die Beurkundung des Personenstandes in Bezug auf solche Militärpersonen, welche ihr Standquartier nach eingetretener Mobilmachung verlassen haben, erfolgt durch die auf Grund der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen vom Staate bestellten Standesbeamten mittelst Ein­ tragung in die dazu bestimmten Register. §. 2. Als Militärpersonen gelten im Sinne dieser Verordnung für die Dauer einer Mobil­ machung außer den zum Heere gehörenden Militärpe^sonen alle diejenigen Personen, welche sich

Bon der Vollziehung einer gültigen Ehe.

117

in irgend einen: Dienst: oder Vertragsverhältniffe bei dem Heere befinden oder sonst sich bei

demselben aufhalten oder ihm folgen, einschließlich von Kriegsgefangenen. Zweiter Abschnitt.

Beurkundung der Geburten.

§. 3.

Für die Beurkundung von Geburten, welche sich innerhalb des Gebiets des Deutschen

Reichs ereignen, sind die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen maßgebend. §• 4.

Bei Geburten außerhalb des Gebiets des Deutschen Reichs geschieht die Anzeige an

den zuständigen Standesbeamten durch den Kommandeur

oder Vorstand derjenigen Behörde

oder den Kommandeur derjenigen Truppe, bei welcher sich die Mutter bei ihrer Niederkunst aufhält, bezw. vor ihrer Niederkunft zuletzt ausgehalten hat. Dem betreffenden Kommandeur oder Vorstand ist die Geburt durch diejenige Person an­ zuzeigen, welche nach §. 18 des Gesetzes zur Anzeige an den Standesbeamten verpflichtet sein würde, wenn die Geburt innerhalb des Gebiets des Deutschen Reichs sich ereignet hatte.

Die

Anzeige erfolgt entweder unmittelbar oder durch Bermittelung des nächsten mit Disziplinarstraf-

gewalt versehenen militärischen Vorgesetzten.

§. 5.

Für die Beurkundung der im

4 dieser Verordnung bezeichneten Geburten ist

derjenige Standesbeamte zuständig, in dessen Bezirk die Mutter ihren bisherigen Wohnsitz gehabt hat, und wenn ein Wohnsitz derselben im Inlands nicht bekannt ist, der Standesbeamte des­

jenigen Bezirks, in welchem dieselbe geboren ist. §. 6.

Für den Inhalt der Geburtsanzeigen ist der §. 22 des Gesetzes maßgebend. Dritter Abschnitt. Form und Beurkundung der Eheschließung.

§. 7.

Eheschließungen von Militärpersonen, welche ihr Standquartier nach eingetretener

Mobilmachung verlasien haben, erfolgen innerhalb des Gebiets des Deutschen Reichs nach den

allgemeinen gesetzlichen Besttmmungen.

Außer der im §. 42 des Gesetzes genannten zuständigen Standesbeamten ist auch der­ jenige Standesbeamte zuständig, in dessen Bezirk der Verlobte seinen augenblicklichen dienstlichen

Aufenhalt hat.

§. 8.

Die Divisions-Kommandeure, sowie die mit höheren oder gleichen Befugnissen aus­

gerüsteten Militärbefehlshaber

sind

ermächtigt,

für Eheschließungen der ihnen untergebenen

Militärpersonen, wenn dieselben außerhalb des Gebiets des Deutschen Reichs erfolgen, die Ver­

richtungen der Standesbeamten — unter Beachtung des §. 3 Absatz 3 des Gesetzes — einem oberen Militärbeamten als Stellvertreter des zuständigen Standesbeamten (§. 11) zu übertragen.

§. 9. Vor der Eheschließung haben die Verlobten dem Beamten (§. 8) die Dispensation von dem Aufgebot (§. 50 des Gesetzes) oder eine Bescheinigung des zuständigen Standesbeamten

• (§. 11) des Inhalts vorzulegen, daß und wann das Aufgebot vorschriftsmäßig erfolgt ist und

daß Ehehinderniffe nicht zu seiner Kenntniß gekommen sind. Wird eine lebensgefährliche Krankheit, welche einen Auffchub der Eheschließung nicht gestattet,

ärztlich bescheinigt, so kann der Beamte (§. 8) auch ohne Aufgebot die Eheschließung vornehmen. §. 10.

Ueber eine auf Grund des §. 8 dieser Verordnung

vollzogene Eheschließung wird

eine Urkunde ausgenommen, welche die im §. 54 des Gesetzes bestimmten Angaben enthalten

soll und auf welche die Vorschriften des §. 13 Absatz 2 und 4 des Gesetzes entsprechende An­ wendung finden. Der Militärbefehlshaber, welcher den Stellvertreter bestellt hat, hat diese Bestellung auf

der Urkunde zu bescheinigen.

Die Urkunde ist demnächst dem zuständigen Standesbeamten und, wenn mehrere zuständige Standesbeamte vorhanden sind, einem derselben behufs der Einttagung in das Heirathsreglster zu übersenden. §. 11.

Eine Abschrift derselben wird bei der Militärbehörde aufbewahrt.

Für die Eintragung einer nach Maßgabe des §. 8 dieser Verordnung erfolgten

Eheschließung ist derjenige Standesbeamte zuständig, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen bisherigen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt hat, und wenn ein Wohnsitz

Zweiter Theil.

118

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

oder gewöhnlicher Aufenthaltsort derselben im Jnlande nicht bekannt ist, der Standesbeamte, in dessen Bezirk einer der Verlobten geboren ist. Bierter Abschnitt.

Beurkundung der Sterbefälle.

§. 12.

Bei Sterbefällen von Militärpersonen, welche ihr Standquartier nach eingetretener

Mobilmachung verlassen haben, macht es hinsichtlich der Art und Weise der Beurkundung keinen Unterschied, ob diese Sterbefälle innerhalb oder außerhalb des Gebiets des Deutschen Reichs

erfolgen. Für die Beurkundung derselben ist derjenige Standesbeamte zuständig, in desien Bezirk

der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, und wenn ein Wohnsitz desselben im Jn­ lande nicht bekannt ist, der Standesbeamte desjenigen Bezirks, in welchem der Verstorbene ge­ boren ist.

§. 13. Die Eintragung in das Sterberegister erfolgt auf Grund einer schriftlichen dienstlich beglaubigten Anzeige. Diese Anzeige soll außer den im §. 59 des Gesetzes aufgeführten Angaben einen Vermerk

über

die

Todesursache enthalten.

Die Sterbeanzeige ist — unter Berücksichtigung

der ob­

waltenden kriegerischen Verhältnisse — zu erstatten, sobald der Sterbefall und die Persönlichkeit des Verstorbenen durch dienstliche Ermittelung festgestellt ist.

§. 14.

Die Anzeige der Sterbefälle geschieht:

a) hinsichtlich derjenigen Militärpersonen, welche zu einer Behörde gehören, durch den Kommandeur oder Vorstand der Behörde; b) hinsichtlich derjenigen Militärpersonen,

welche zu einer Truppe gehören,

durch den

Regiments-Kommandeur oder den in gleichem Verhältniß stehenden Befehlshaber der

Truppe oder durch den Kommandeur des betreffenden Ersatztruppentheils.

Die Verpflichtung zu solcher Anzeige erstreckt sich auf die Sterbefälle sämmtlicher im §. 2 dieser Verordnung genannten Militärpersonen, insoweit ein für die Beurkundung des Sterbe­ salles zuständiger deutscher Standesbeamter vorhanden ist. Fünfter Abschnitt.

Schluß best immun gen. §. 16.

Ist eine erstattete Anzeige zu berichtigen, weil als unbekannt eingetragene Verhält­

nisse (§. 59 Absatz 2 des Gesetzes) später bekannt geworden sind, oder weil nach späterer dienst­

licher Ermittelung die frühere Anzeige als dem Sachverhalte nicht entsprechend sich darstellt, so ist dem zuständigen Standesbeamten nachträgliche Anzeige zu erstatten.

Diese Anzeige ist von dem Standesbeamten der Aufsichtsbehörde behufs Veranlassung der Berichtigung der geschehenen Eintragung vorzulegen.

§. 16.

Sobald die Militärpersonen in ihr Standquartier zurückgekehrt sind, oder nachdem

die Truppe oder Behörde, zu welcher sie gehörten, demobil geworden oder aufgelöst ist, kommen die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung. §. 17.

die vorstehende

Insoweit

Verordnung

nicht

ausdrücklich Abweichungen festsetzt,

bleiben für die sonstigen Verrichtungen der Standesbeamten in Bezug auf Militärpersonen, welche ihr Standquartier nach eingetretener Mobilmachung verlassen haben, lediglich die allgemeinen

gesetzlichen Bestimmungen maßgebend. Urkundlich rc.

14. Verordnung, Militärpersonen,

betreffend

die

Beurkundung

von Sterbefällen solcher

welche sich an Bord der in Dienst gestellten Schiffe oder

anderen Fahrzeugen

der Marine befinden.

Bom 4. November 1875. (Reichs-

Ges.Bl. S. 313.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen auf Grund des §. 71 des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Ehe­ schließung vom 6. Februar 1875 (Neichs-Ges.Bl. L. 23), im Namen des Deutschen Reichs, was folgt:

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

119

Sterbefälle von Militärpersonen auf den in Dienst gestellten Schiffen oder anderen Fahr­ zeugen der Kaiserlichen Marine sind von dem zuständigen Marine-Stations-Kommando unter

Uebersendung der darüber von dem Kommando des Schiffs oder Fahrzeugs aufgenommenen Urkunden dem Standesbeamten, in deffen Bezirk der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, anzuzeigen und auf Grund dieser Anzeige in das Sterberegister einzutragen.

Urkundlich rc.

15.

Verordnung, betreffend die Ausübung derBefugniß zur Dispensation

von Ehehindernissen.

Vom 24. Februar 1875. (G.S. S. 97.)

Wir Wilhelm rc. verordnen auf Grund des §. 40. des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875.

(Reichs-Gesetzbl. S. 23.) für den Umfang der Monarchie, was folgt: §. 1. Die Dispensation vom gesetzlichen Alter der Ehemündigkeit, vom Verbote der Ehe zwischen

einem wegen Ehebruchs Geschiedenen und seinem Mitschuldigen, sowie von dem Verbote, nach welchem Frauen vor Ablauf des zehnten Monats seit Beendigung ihrer

früheren Ehe eine weitere Ehe nicht schließen dürfend«), ertheilt der Justizminister. §. 2.

Diese Verordnung tritt mit dem 1. März 1875. in Kraft.

§. 3.

Der Justizminister ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt.

16.

Allerhöchster Erlaß vom 7. September 1879, betreffend dieAusübung

der Befugniß

zur Dispensation

gesetzes vom 6. Februar 1875.

von

der

Vorschrift des

§. 35 des Reichs­

(J.M.Bl. S. 366.)

Auf Ihren Bericht vom 28. August d. I. bestimme Ich, daß die Dispensation von dem Verbote, nach welchem Frauen vor Ablauf des zehnten Monats seit Beendigung ihrer ftüheren

Ehe eine weitere Ehe nicht schließen dürfen, vom Tage des Inkrafttretens des Deutschen Gerichtsverfaffungsgesetzes an im ganzen Umfange der Monarchie von den Amtsgerichten zu ertheilen ist.M)

82) H. Das gesperrt Gedruckte fällt fort. S. den folgenden Zusatz. 88) H. Vgl. ferner noch die mit Bezug auf die frühere Genchtsorganisation erlassenen Reskripte: a. Allgemeine Verfügung des Justizministers v. 2. März 1875, be­ treffend die bei Eheschließungen erforderlichen Dispensationen. (J.M.Bl. S. 63.) „Auf Grund der Allerhöchsten Verordnung vom 24. Februar 1875 wird bestimmt: §. 1. Gesuche um Dispensation von den Erfordernissen der Ehemündigkeit und der Warte­ zeit (§§. 28, 35 des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875) sind zu überreichen: 1. im Geltungsbereiche der Verordnung vom 2. Januar 1849 bei den Kreisgerichten, und zwar innerhalb des Bezirks der Kreisgerichts-Deputationen und -Kommissionen bei den letzteren; — 2. im Gebiete des Appellationsgerichtshofs zu Cöln bei den Friedensgerichten; — 3. im Gebiete des Appellationsgerichts zu Frankfurt am Main bei dem Stadtamt und dem Landjustizamt; — 4. in den übrigen Landestheilen bei den Amtsgerichten. §. 2. Gesuche um Dispensation von dem Verbote der Ehe des wegen Ehebruchs Geschie­ denen mit seinem Mitschuldigen (§. 33 des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875) sind bei den­ jenigen Behörden zu überreichen, bei welchen der Ehescheidungsprozeß in erster Instanz anhängig war, wenn diese Behörden aber dem Justiz-Minister nicht untergeben sind, bei den für die Bitt­ steller zur Zeit zuständigen Ehegerichten erster Instanz. Im Gebiete des Appellationsgerichtshofs zu Cöln treten an die Stelle der Gerichte die Ober-Prokuratoren. §. 3. Die Gesuche sind von den Behörden, welchen dieselben überreicht worden, mit gut­ achtlichem Berichte dem Justiz-Minister unmittelbar zu übersenden." o. Allgemeine Verfügung des Justizministers v. 6. November 1875, — betreffend die bei Eheschließungen erforderlichen Dispensationen. (J.M.Bl. 5. 234.) „Zur Ergänzung der allgemeinen Verfügung vom 2. März d. I. wird bestimmt: 1. Die Justizbehörden, denen die Berichterstattung über die Dispensationsgesuche obliegt, baben in geeigneter Weise dahin zu wirken, daß die Vorschrift des §. 1 der allgemeinen Ver­ fügung vom 2. März d. I. befolgt werde. Unmittelbar bei dem Justiz-Minister eingereichte Gesuche werden der Behörde, bei welcher dieselben zu überreichen gewesen wären, ohne Verfügung zugestellt und sind sodann mit dem vorgeschriebenen gutachtlichen Berichte an den Justiz-Minister wieder einzusenden. 2. Die thatsächlichen Angaben der Gesuche sind so weit festzustellen, daß eine bestimmte gutachtliche Aeußerung für oder gegen das Gesuch erfolgen kann. Ist eine Dispensation von dem Erfordernisse der Ehemündigkeit in Frage, so ist der Tag

Zweiter Theil.

120 17.

Erster Titel.

§. 145 (Zusätze).

Verordnung, betreffend die Ausübung der Befugniß zur Dispen­

sation vom Aufgebote.

Vom 8. Januar 1876.

(G.S. S. 3.)

Wir Wilhelm rc. verordnen auf Grund des §. 50. Absatz 1. des Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875. (Reichs-Gesetzbl. S. 23.) für den Umfang der Monarchie, was folgt:

§. 1.

Eine Befreiung vom Aufgebote kann in allen Fallen durch den Minister des Innern

erfolgen; in dringenden Fällen kann der Vorsitzende der Aufsichtsbehörde eine Abkürzung der

für die Bekanntmachung bestimmten Fristen (§§. 46, 47. des Reichsgesetzes vom 6. Februar

1875.) gestatten und bei vorhandener Lebensgefahr von dem Aufgebote ganz entbinden.

§. 2.

Diese Verordnung tritt sofort in Kraft.

§. 3.

Der Minister des Innern ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt.

18.

Gesetz, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Per­

sonenstandes

von

Bundesangehörigen

im

Auslande.

Vom

4.

Mai

1870.

(B.Gesetzbl. des Rordd. B. S. 599.) Wir rc. verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des

Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

l «llge-

§. 1.

Der Bundeskanzler kann einem diplomatischen Vertreter des Bundes für das ganze

stlmmungcn. Gebiet des Staates, bei deffen Hofe oder Regierung derselbe beglaubigt ist, und einem Bundes­

konsul für deffen Amtsbezirk die allgemeine Ermächtigung ertheilen, bürgerlich gültige Ehe­

schließungen von Bundesangehörigen vorzunehmen, und die Geburten, Heirathen und Sterbesälle von Bundesangehörigen zu beurkunden.

§. 2.

Die zur

Eheschließung und zur Beurkundung des

Personenstandes

ermächtigten

Beamten (§. 1.) haben über die Beurkundung der Geburten, Heirathen und Sterbefälle getrennte Register zu führen.

Die vorkommenden Fälle find in protokollarischer Form unter fortlaufender

Nummer in die Register einzutragen.

Jedes Register wird in zwei gleichlautenden

Originalen

nach einem Formulare geführt, welches von dem Bundeskanzler vorgeschrieben wird.

Das For­

mular soll für alle Beamten ein übereinstimmendes sein.

Am Jahreäschlnffe hat der Beamte die Register abzuschließen und das eine Exemplar der­ selben dem Bundeskanzler einzusenden. Gleichzeitig hat er den Regierungen der einzelnen

Bundesstaaten aus den Registern einen Auszug der Fälle mitzutheilen, welche Angehörige der­

selben betreffen. Wenn im Laufe des Jahres in ein Register eine Eintragung nicht erfolgt ist, so hat der Beamte eine amtliche Bescheinigung hierüber am Jahresschlüsse dem Bundeskanzler einzusenden.

^ Eheschttc-

§. 3.

Der Schließung der Ehe muß das Aufgebot vorangehen.

Vor Beginn desselben

urwndun« sind dem Beamten die zur Eingehung einer Ehe nach den Gesetzen der Heimath der Verlobten derselben, nothwendigen Erforderniffe als vorhanden nachzuweisen. Insbesondere haben die Verlobten in beglaubigter Form beizubringen: 1) ihre Geburtsurkunden;

2) die zustimmende Erklärung derjenigen Personen, deren Einwilligung nach den Gesetzen

der Heimath der Verlobten erforderlich ist. Der Beamte kann die Beibringung dieser Urkunden erlassen, wenn ihm die Thatsachen,

welche durch dieselben sestgestellt werden sollen, persönlich bekannt oder aus andere Weise glaub­

haft nachgewiesen sind. Auch kann er von unbedeutenden Abweichungen in den Urkunden, beispielsweise von einer

verschiedenen Schreibart der Namen, oder einer Verschiedenheit der Vornamen absehen, wenn in anderer Weise die Identität der Betheiligten festgestellt wird.

der Geburt des Ehenunmündigen oder der Tag des Todes des Ehemannes durch eine Beschei­ nigung der berichtenden Behörde oder durch Beifügung beglaubigter Auszüge aus den Standes­ registern nachzuweisen. Handelt es sich um Dispensation vom Verbote der Ehe wegen Ehebruchs, so sind dem Berichte die Akten des Ehescheidungsprozesses beizufügen."

121

Von der Vollziehung einer gültigen Ehe.

Ter Beamte ist berechtigt, den Verlobten die eidesstattliche Versicherung über die Richtig­

keit der

Thatsachen abzunehmen, welche durch die vorliegenden Urkunden oder die sonst bei­

gebrachten Beweismittel ihm nicht als hinreichend festgestellt erscheinen.

§. 4.

Tas Aufgebot geschieht durch eine Bekanntmachung des Beamten, welche die Vor­

namen, die Familiennamen, das Alter, den Stand oder das Gewerbe und den Wohnort der

Verlobten und ihrer Eltern enthalten muß.

Diese Bekanntmachung muß an der Thüre oder

an einer in die Augen fallenden Stelle vor oder in der Kanzlei des Beamten eine Woche hin­ durch ausgehängt bleiben.

Erscheint an dem Amtssitze des Beamten eine Zeitung, so ist die

Bekanntmachung außerdem einmal darin einzurücken, und die Eheschließung nicht vor Ablauf

des dritten Tages von dem Tage an zulässig, an welchem das die Bekanntmachung enthaltende Unter mehreren an dem bezeichneten Crte erscheinenden Zeitungen hat

Blatt ausgegeben ist.

der Beamte die Wahl. §. 5.

Wenn eine der auszubietenden Personen innerhalb der letzten sechs Monate ihren

Wohnsitz außerhalb des Amtsbereichs (§. 1.) des Beamten gehabt hat, so muß die Bekannt­

machung des Aufgebots auch an dem früheren Wohnsitze nach den dort geltenden Borschristen

erfolgen, oder ein gehörig beglaubigtes Zeugniß der Obrigkeit des früheren Wohnortes darüber beigebracht werden,

daß daselbst Ehehindernisse in Betreff der einzugehenden Ehe nicht be­

kannt seien.

§. 6.

Ter Beamte kann aus besonders dringenden Gründen von dem Aufgebote (§§. 4.

und 5.) ganz dispensiren.

§. 7.

Die Schließung der Ehe erfolgt in Gegenwart von zwei Zeugen durch die an die

Verlobten einzeln und nach einander gerichtete feierliche Frage des Beamten:

ob sie erklären, daß sie die Ehe mit dem gegenwärtigen anderen Theile eingehen wollen, und durch die bejahende Antwort der Verlobten und durch den hierauf erfolgenden Ausspruch des Beamten,

*

daß er sie nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig verbundene Eheleute erkläre.

§. 8.

Die Ehe erlangt mit dem Abschlüsse vor dem Beamten bürgerliche Gültigkeit.

§. 9.

Die über die geschloffene Ehe in die Register einzutragende Urkunde (Heiraths-Ur-

kunde) muß enthalten:

1) Vor- und Familiennamen, Staatsangehörigkeit, Alter, Stand

oder Gewerbe, Geburts­

und Wohnort der die Ehe eingehenden Personen;

2) Bor- und Familiennamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort ihrer Eltern; 3) Vor- und Familiennamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort der zugezogenen Zeugen;

4) die auf Befragen des Beamten abgegebene Erklärung der Verlobten, sowie die erfolgte Verkündigung ihrer Verbindung ; 5) die Unterschrift der anwesenden Personen. §. 10.

Die vorstehenden Bestimmungen über die Eheschließung (§§. 3—9.)

finden auch

Anwendung, wenn nicht beide Verlobte, sondern nur einer derselben ein Bundesangehöriger ist. §• 11. Die Eintragung der Geburt eines Kindes in die Register kann von dem Beamten m.«e-urts-. nur vorgenommen werden, nachdem sich derselbe durch Vernehmung des Vaters des Kindes ur,unb Pflichte« der Eheleute, i« Ve-ieh««§ *«f ihre Perso«e«.

8- 173. Die Rechte und Pflichten der Eheleute nehmen sogleich nach vollzogener Trauung ") ihren Anfang. «We und 8- 174. Eheleute sind schuldig, sich in allen Borfallenheiten nach ihren Kräften wechselseitigen Beistand zu leisten16). so gehört dessen Erörterung vor dasjenige Gericht, welchem der Angesprochene in Sponsalienund Ehesachen unterworfen ist. 8- 162. Erklärt sich der angesprochene Theil, die den Anspruch machende Person nicht heirathen, sondern allenfalls nur nach den Gesetzen und richterlichem Er­ messen abfinden zu wollen: so muß er dieser Abfindung wegen annehmliche Sicherheit bestellen. 8. 168. Sobald dieses geschehen ist, kann mit dem ferneren Aufgebote und der Trauung verfahren werden. An h. §. 73. Der Trauung unbeschadet bleiben der Geschwächten die wegen Führung des Namens zugeficherten Rechte dennoch vorbehalten. §. 164. Wird der Einspruch in der Folge ungegründet befunden, so soll der Einsprechende als ein Jrüuriant nachdrücklich^ bestraft werden. Die Kg. 160—164 und Anh. §. 73, sowie der im 8.168 gedachte Einspruch, so weit er aus die erfolgte Schwängerung gegründet werden konnte, sind schon durch das Gesetz v. 24. April 1864 (Zus. zu §. 1119 d. T.) weggefallen, im übrigen durch das als Zusatz 9 nntgetheilte Ge­ setz v. 9. März 1874 g. 31, s. auch Anm. 61 zu 8. 48 des Reichspersonenstandsgesetzes (Zus. 11 zu 8. 146 d. T.). Vgl. Stölzel üb. d. Verhältniß der neuen Ehegesetzgebung zum Berlöbnißrecht. J.MLl. 1877 S. 3. 10) H. Bergl. Anm. 1 zu §. 146 d. T. Die 8§. lauteten: §. 166. Wird dem Richter vor der Trauung ein oder anderes bis dahin nicht bekannt gewesenes Ehehinderniß glaubhaft angezeigt, so muß Aufgebot sowohl als Trauung untersagt werden. 8. 166. Die Aufhebung eines solchen Verbots findet nicht eher statt, als bis das Hinderniß entwever gehoben, oder durch Urtel und Recht als unerheblich verworfen worden. §. 167. Privatpersonen ckönnen bei der Trauung durch Bevollmächtigte nicht vertreten werden. §. 168. Welchem Pfarrer die Trauung zukomme, ist nach den unten vorgeschriebenen Grundsätzen zu bestimmen. (Tit. 11. Abschn. 6.) 8. 169. Daß die Trauung nicht von dem gehörigen Pfarrer vollzogen worden, macht dre Ehe selbst nicht ungültig. §. 170. Wer aber, um die Gesetze des Landes unwirksam zu machen, m fremden Landen sich trauen läßt, hat, außer den übrigen rechtlichen Folgen der Richtig­ keit oder Ungültigkeit einer solchen gesetzwidrigen Ehe (Abschn. 10.), auch noch eine fiscalische Strafe von zehn bis dreihundert Thalern verwirkt. 11) H. Dies muß auch von etwaigen Kosten des Aufgebotes und der Eheschließung nach dem Gesetze v. 9. März 1874 und dem Reichspersonenstandsgesetz (Zus. 9 u. 11 zu §. 146 d. T.gelten. 12) Hier wird also der Ortsgewohnheit, die vielleicht nirgend mit dem Gesetze überein­ stimmt, ihr Recht gelassen. Schwerlich wird der Fall vorkommen, daß bei Eingehung der Ehe über den Kostenpunkt Streit Wckschen den Brautleuten entstände; nur bei deremstiger Ausein­ andersetzung nach Auflösung der-Ehe hat die Frage praktische Bedeutung. 13) Wenn auch nur mündlich; denn das Geschenk kann eben nur so genommen werden, wie es gegeben wird. 14) H. Jetzt: der durch den Standesbeamten vollzogenen Eheschließung, s. Zus. 11 ß. 52 zu H. 145 d. T. r 16) Mit den in den 8§. 174—183 vorgeschriebenen persönlichen Pflichten der Eheleute gegeneinander verhält es sich wie mit dem im §. 1 vorgeschriebenen Zwecke der Ehe: sie

128

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 176—184.

§. 175. Sie müssen vereint mit einander leben1 Pflichte» der Eheleute, i» Beziehung auf ihr BermSge«'). §. 205.

Durch die Vollziehung der Ehe geht das Vermögen der Frau in die

werde, indem derselbe, besonders bei weitläuftigen Jurisdiktionsbezirken, weder Zeit noch Ge­ legenheit habe, das Innere des Geschäftes, und alle dabei eintretende Umstände so genau kennen zu lernen und zu prüfen, daß er im Stande sein sollte, die dabei der Frau von einem eigen­ nützigen oder verschuldeten Manne sehr oft versteckt gelegten Schlingen zu entdecken und die Frau dagegen zu warnen. Gleichwohl läuft er alsdann Gefahr, mit ganz »»vermutheten Regreß­ klagen behelligt zu werden. In der That scheint es auch an sich nicht recht schicklich, den Richter in einen Konsulenten der Frau umzuschaffen. Es würde daher mit der Analogie der bisherigen Gesetze und der Praxis besser übereinstimmen, wenn diese §§. so gefaßt würden: „Auch bei gerichtlichen Verhandlungen der Frau mit dem Manne ist die Zuziehung eines Bei­ standes für erstere erforderlich. Diesen Beistand kann die Frau entweder selbst wählen, oder deffen Zuordnung sich von dem Richter erbitten." Jahrb. 41 S. 110. 43) Dem anderen Kontrahenten nämlich unbekannt. Denn die Redlichkeit deffelben ist das entscheidende Moment. Zu vergl. §. 326. 44) Im Falle des 8- 202 ist die Ehefrau unzweifelhaft befugt, die fälligen Miethen für den abwesenden, seinem Aufenthalte nach unbekannten Ehemann in Empfang zu nehmen, wenn er Verfügungen in dieser Beziehung nicht getroffen hat. Erk. des O.Tr. III v. 28. Jan. 1861, Str. Arch. 40 S. 165. In dem Erk. v. 30. Okt. 1863 weiset dasselbe III darauf hin, daß das Prinzip des deutschen Eherechts, wonach bei Abwesenheit des Mannes dessen aus der Haus­ herrschast fließende Verfügungsgewalt im vollen Umfange auf die Ehefrau übergehe, im L.R. auch für den Fall der getrennten Güter Anerkennung finde, da der §. 202 der Frau eines ab­ wesenden Mannes zwar nicht ganz, aber doch ziemlich dieselben Befugnisse beilege, welche der §. 206 dem Manne über das Frauengut ertheile. Zugleich ist auf den erheblichen Umfang der in dem §. 202 der Ehefrau eingeräumten Befugniß und auf die weitgreifenden Wirkungen dieses §. aufmerksam gemacht. Entsch. 50 S. 283. Folgerecht hat dann auch das O.Tr. III die Ehe­ frau aus überzeugenden Gründen für befugt erkannt, bei dauernder Abwesenheit ihres Mannes fällige Kaufgelder für ein verkauftes Grundstück in Empfang zu nehmen. Erk. v. 2. März 1866, Entsch. 66 S. 119. H. Vgl. ferner R.O.H.G. I v. 3. März 1874, Entsch. d. R.O.H.G. 13 S. 20. 46) H. C.P.O. §. 86. 1) Hierzu trägt Suarez in den Schlußverhandlungen Folgendes vor: „In diesem Abschnitte werden die Güter und das Vermögen der Frau bloß in Illata und Receptitia eingetheilt, und die dritte Art, nämlich Bona dotalia, sind ganz übergangen. Nach dem Röm. Rechte gehörte das Vermögen einer Frau entweder zu ihrem Bote, wovon der Mann die Administration, die Nutzungen ad ferenda matrimonii onera, und das sogenannte Do­ minium dotis hatte; oder sie gehören ad Paraphernalia, über welche der Frau Eigenthum, Verwaltung und Nießbrauch verblieb, so daß der Mann, wenn sie ihm auch die Administration freiwillig übertrug, ihr darüber Rechnung legen mußte. Nach allgemeinen deutschen Gewohn­ heitsrechten aber, die auch in unseren Provinzen durchgehends angenommen sind, hat sich der Begriff des Paraphernii ganz geändert und der Mann ist legitimus administrator et usufructuarius des Paraphernalvermögens der Frau, in so fern sie sich nicht über eins oder das andere Bermögensstück faeultatem disponendi vorbehalten, und dadurch dasselbe zum Receptitio gemacht hatte. Der ganze reelle Unterschied zwischen Dotal- und Paraphernalvermögen ist also jetzt wirk-

Persönliche Rechte und Pflichten der Eheleute.

Bon dem Vermögen der Eheleute.

137

Verwaltung des Mannes über2), in so fern diese Verwaltung der Frau durch Ge­ setze oder Verträge nicht ausdrücklich Vorbehalten worden*). lich aufgehoben, und beide sind unter der allgemeinen Benennung des Eingebrachten, der Illatorum, begriffen. Tas sogenannte Dominium dotis, worin noch ein Unterschied liegen soll, kann dergleichen zur Noth noch in einem Compendio, nicht aber in der Sache selbst begründen. Auch bei den Römern konnte der Mann, ungeachtet er Dominus dotis hieß, die rem dotalem weder veräußern, noch verpfänden, noch mit einer Servitut oder anderen Reallast belegen. Der ganze Effekt seines Dominii bestand darin: daß er die rem dotalem vindiziren konnte; und daß, wenn von ihm eine Veräußerung durante matrimonio geschehen war, die g-rau das Ver­ äußerte erst nach getrennter Ehe zurückfordern konnte, weil bis dahin ihr Dominium naturale qmeszirte. Daß ersteres bloß in die Jurisprudentiam formulariam gehöre, fällt in die Augen. Letzteres gründet sich in einem fingirten Schlafe der Eigentbumsrechte der Frau und verdient um so weniger beibehalten zu werden, da ein sehr ungewisses und schwankendes Eigenthum daraus entsteht. Das Gesetzbuch hat also mit Recht eine Distinction inter bona dotalia et paraphernalia übergangen, die bloß noch in die Schule gehört, und gar keinen praktischen Nutzen hat, gleich­ wohl aber, wenn sie beibehalten wäre, in den Köpfen unserer heutigen Juristen, die noch vom jure Romano voll sind, mancherlei Mißverstand und Verwirrung hätte anrichten können." Jahrb. 41 S. 110. H. Vgl. Neubauer, d. i. Preußen geltende eheliche Güterrecht, J.M.Bl. v. 1879 S.32 ff. 2) H. Die Thatsache der Einbringung oder Uebergabe des ehefräulichen Vermögens an den Mann ist bei den Auseinandersetzungen nach Auflösung der Ehe oft streitig. Nach all­ gemeinen Beweis- und Prozeßregeln muß derjenige, welcher die Ueberlieferung gewisser Bermögensstücke an den Ehemann behauptet, beweisen. Das ist jedoch hier anders. Das Pr. 2605 I v. 26. Jan. 1855 sagt nämlich: ,,l) Die gesetzliche Vermuthung streitet dafür, daß der Ehe­ mann alles nicht gesetzlich oder vertragsmäßig vorbehaltene Vermögen der Eheftau, welches diese bei Eingehung der Ehe besessen oder mit Wiffen des Ehemannes während der Ehe erworben hat, in seine Verwaltung überkommen habe. Der Beweis einer an ihn erfolgten wirklichen Uebergabe ist daher nicht erforderlich. (M. s. auch das ältere Erk. I v. 12. Juni 1854, Str. Arch. 13 S. 154, und das jüngere I v. 1. Nov. 1861, a. a. O. 43 S. 174.) 2) Dieser Grundsatz kommt auch in der Mark Brandenburg zur Anwendung." Entsch. 30 S. 106. Koch hat in den frü­ heren Auflagen gegen die Auffassung des O.Tr. polemisirt, er meint: gesetzliche Vermuthungen (Rechtsvermuthungen, praesumtiones Juris) haben durchaus kein Dasein, außer daß sie durch das Gesetz gegründet worden sind ; und das thut das L.R. in unserem Falle nicht. Und wer Jahre lang Gelegenheit gehabt hat, die Praxis des Lebens kennen zu lernen, der wird mit einer solchen Vermuthung ohne die ausdrückliche Anweisung des Gesetzes nicht so leicht bereit sein; es kommen sehr viele Fälle vor, wo der Mann von dem baaren oder in kurfirenden Geldpapieren be­ stehenden Vermögen der Frau keinen Groschen in die Hände bekommen hat. Eine pr. facti s. hominis (Indizium) kann sich freilich meistens begründen laffen. Der Grundsatz des O.Tr. werde haupt­ sächlich aus einer Aeußerung Suarez' in der revisio monitorum entnommen, wo S. sagt: „Submittire ich, ob man hier nicht das Prinzipium etabliren wolle, daß alles Vermögen, welches die Frau zur Zeit der geschlossenen Ehe besessen, oder während derselben durch Erbfälle, oder sonst erworben hat, für eingebracht zu halten, so lange nicht konstatirt, daß sie sich daffelbe vor­ bebalten habe. Denn nach bisherigen Rechten mußte das factum illationis bewiesen werden, und in mehreren Fällen, z. B. contra creditorem, gilt nicht einmal die Quittung des mariti. Nach unseren heutigen Sitten und Gewohnheiten aber ist es wohl gewiß praesumtionis, daß die Frau, welche Vermögen hat, solches marito inferire und qualitas receptitia hat die Ver­ muthung wider sich. Das vorgeschlagene Prinzipium würde gewiß viele Prozesse und noch mehr unnütze Suppletoria coupiren." Bornemann 5 S. 76. Aber diese Aeußerung betreffe nicht die natürliche Thatsache der Ueberlieferung oder Einhändigung (Uebergabe), sondern die juristische Eigenschaft des dem Ehemanne zugeführten Vermögens: die qualitas recep­ titia soll die Vermuthung wider sich haben. Vorher wäre das anders gewesen, früher hätte die Dotaleigenschast des dem Manne gegebenen Vermögens durch eine Rechtshandlung (constitutio dotis) gegründet werden müssen: dies sei es, was das L.R. abgeschafft habe, und damit fei nichts werter als der Streit über die rechtliche Eigenschaft dessen, was die Frau von ihrem Vermögen dem Manne überliefert habe, ,.coupirt". Die thatsächliche Frage nach der wirklichen

Ueberlieferung werde dadurch aber nicht berührt; die Präsumtion, von welcher S. spreche, sage nichts weiter als: wenn der Mann Vermögen seiner Frau erhalten habe, so werde vermuthet, daß es die rechtliche Eigenschaft des Eingebrachten (der Jllaten) habe. Bei dieser Polemik ist aber übersehen, daß der §. 205 selbst den Uebergang des Frauengutes an den Mann einzig und allein von der Vollziehung der Ehe abhängig macht. Vgl. auch Anm. 33 zu §. 281 d. T. Ueber die Zulässigkeit der Befriedigung "des Mannes aus dem in seine Verwaltung ge-

138

Zweiter Theil.

Erster Titel. §§. 206—211.

*£££££; §. 206. Zum gesetzlich4) vorbehaltenen Vermögen gehört, was nach seiner ,«n »er Sn». Beschaffenheit zum Gebrauche 5) der Frau gewidmet ist. §. 207. Ferner die bei *) Schließung der Ehe von dem Manne versprochene7) Morgengabe8). 8 208. Was außerdem vorbehaltenes Vermögen sein soll, muß durch Ver­ träge •) dazu ausdrücklich bestimmt werden,0). §. 201). Je nachdem dergleichen Vertrag vor oder nach der Hochzeit errichtet wird, muß dabei die §. 82. sqq. oder §. 198. sqq. bestimmte Form beobachtet werden"). eingrtrofr § 210. Was weder durch solche Verträge, noch vermöge des Gesetzes (§. 206. 207), der Frau Vorbehalten ist, hat die Eigenschaft des Eingebrachten ’*).

kommenen Bernrögen der Frau, wegen einer vorehelichen Forderung an die Frau, s. m. Anm. 34 zu §. 231. 3) Außer der Verwaltung erhält der Mann auch den Nießbrauch. §. 231 d. T. Den Unterschied zwischen Brautschatz (Dos) und Paraphernalgütern einer Ehefrau hebt der §. 205 dadurch auf, daß Alles, was die Ehefrau in die Ehe mitbringt und nicht vorbehalten ist, unter den Begriff des Eingebrachten fallt. §. 210 d. T. Nach röm. Recht hatte der Mann an den Paraphernen seiner Frau von Rechtswegen weder Verwaltung noch Nießbrauch. L. 8 C. de pactis conventis tarn super dote V, 14.

4) Diese eigene Art des vorbehaltenen Vermögens ist neu erfunden. 5) H. In sämmtlichen Entwürfen steht: alleinigen Gebrauch, s. Bornemannö S. 83. Gemeint ist der ausschließliche, persönliche Gebrauch. 6) Wenn die eheliche Gütergemeinschaft wegen der Minderjährigkeit der Braut ausgesetzt geblieben ist, so kann mit dem Zeitpunkte der erreichten Volljährigkeit, und bei definitiver Aus­ schließung der Gütergemeinschaft, eine Morgengabe auch nach längerem Bestehen der Ehe noch gültig versprochen werden. Pr. des O.Tr. v. 30. Ott. 1845 Nr. II, Entsch. 12 S. 304.

7) Die versprochene Morgengabe ist keine Schenkung auf den Todesfall, und das Recht, sie zu fordern, durch das frühere Ableben des Ehemannes nicht bedingt. Dass. Pr. Nr. I. Zu vergl. §. 269 d. T. H. Der §. 207 ist sowohl von der wirklich gegebenen als auch der versprochenen Morgengabe zu verstehen, wie sich klar aus der Redaktionsgeschichte ergiebt, da Suarez dem Monitum, daß die Bestimmung nur dann richtig sein würde, wenn die Morgen­ gabe, wie nach dem Sachsenspiegel, der Frau am Morgen nach der Hochzeit wirklich ausgezahlt werde, dahin beigetreten war, daß die Morgengabe de regula nicht, sondern nur in so fern ad receptitia gehöre, als sie der Frau sogleich nach der Ehe wirklich auszuzahlen versprochen sei. Diese Bemerkung ist aber durch ein cessat beseitigt und es ist bei der Fastung des §. 207 verblieben. Ges.Rev. Pens. 15 S. 138. Die Morgengabe im Sinne des §. 207 ist kein ge­ schichtliches Rechtsinstitut, sondern eben nur eine Erfindung. Ein R. v. 5. März 1798, Rabe 5 S. 62, spricht sich gegen die Ansicht aus, daß dies Recht in der Mark suspendirt sei, vgl. auch Korn in Behrend und Dahn Zeitschr. f. deutsche Gesetzgebg. S. 390. 8) Die Morgengabe unter Eheleuten ist nicht für ein Geschenk zu erachten und unterliegt daher nicht dem Widerrufe der Gläubiger des zahlungsunfähigen Mannes. Erk. des O.Tr. IV v. 31. März 1853, Str. Arch. 10 S. 20. (H. Ergangen im Hinblick auf das Gesetz v. 26. April 1835, entgegengesetzt R.O.H.G. I v. 16. Jan. 1877, Entsch. 21 S. 292 mit Rücksicht auf §. 102 Nr. 2 der preuß. Konk.Ordn.) 9) H. S. aber ferner §. 214. 10) Ein Schuldschein, welchen der Mann seiner Ehefrau sprechen und Kündigungs»Stipulation ausgestellt hat, genügt 22. Sept. 1863, Entsch. 50 S. 232. Vgl. auch Anm. 19 zu §. 11) H. Die Folge der Verletzung der Form ist die, daß gilt. Vgl. Johow Jahrb. 5 S. 113.

über ein Tarlehn, mit Zinsver­ nicht. Erk. des O.Tr. IV v. 215 d. T. das Vermögen als Eingebrachtes

12) In einer Anmerkung zu dieser Stelle im gedr. Entw. Th. I Abth. 1 S. 59 geben die Verf. an: „Die nach R. R. stattfindende Untereintheilung des Eingebrachten in Dotal- und Paraphernalvermögen ist um deswillen nicht beibehalten worden, weil die Lehre de dominio dotis auf allzufeinen, oft spitzfindigen Unterscheidungen beruht, Ungewißheit und Unficherheit in dem Eigenthume der Dinge und in den Verträgen der Bürger des Staats hervorbringt, und zu vielen verwickelten Prozessen Anlaß giebt. Wollen Aeltern und Andere dasjenige, was sie angehenden Eheleuten zur Übertragung der Lasten des Ehestandes zuwenden, gegen die Be­

sorgung der Dissipation sichern, so können sie einen Erbschatz bestellen, und soll ein Theil des

Von dem Vermögen der Eheleute.

139

§. 211. Was die Frau in stehender Ehe erwirbt, erwirbt sie, der Regel nach"), dem Manne"). (§. 219. 220.) Eingebrachten dem Manne auf den Todesfall zukommen, so kann ihm solches zum Ehevermächtnisse ausgesetzt werden." H. Verwendet die Ehefrau des nachmaligen Kridars das ihr von einem Dritten geschenkte Geld, ohne daß es in die ehemännliche Verwaitung gelangt, dazu, um das Kaufgeld eines von ihr gekauften Grundstücks zu bezahlen, so tritt das Grundstück an Stelle des Geldes, erhält die Natur des Eingebrachten und kann von der Ehefrau des Kridars der Gläubigerschaft gegenüber als ihr Eigenthum in Anspruch genommen werden. Erk. des O.Tr. III von 17. Ium 1872, Ltr. Arch. 85 S. 254. 13) Nach dem ersten Entwürfe sollte bestimmt werden: was die Frau erwirbt, erwirbt sie dem Manne. Suarcz schlug dagegen die Fassung vor: von Allem, was die Frau während der Ehe erwirbt, wird vermuthet, daß sie solches dem Manne erworben habe. Die alte Fassung wurde aber beibehalten. In Folge der hiergegen eingegangenen Monita wurde folgende Fassung von v. Grolmann vorgeschlagen: „Treibt die Frau für sich ein eigenes Gewerbe, und ver­ wendet ihren Verdienst zu den Lasten der Ehe, so ist sie zwar deshalb nichts wieder zu fordern berechtigt. Wird aber dadurch ein Vermögen in der Ehe erspart, so gehört solches zu ihrem Vermögen. Wenn nicht ausgemittelt werden kann, wie viel von dem ersparten Vermögen durch das Gewerbe der Frau oder des Mannes erworben worden, so soll solches zwischen beiden Eheleuten in zwei gleiche Theile getheilt werden." Suarez trat bei; doch wurde konkludirt: „Soll nur auf Grundstücke und Kapitalien eingeschränkt werden, die auf den Namen der Frau stehen." Demzufolge wurden die Worte: „der Regel nach" in diesen §. 211 eingeschaltet und die beiden §§. 219, 220 als die Ausnahmen von der Regel beigesügt. Ges.Rev. Pens. 15 S. 140. Die Regel wie die Ausnahmen beziehen sich nur aus den Erwerb durch häusliche und gewerbliche Dienste oder die schaffende Thättgkeit der Frau (operae). Bon anderen Erwerbungen handeln die §§. 212—218. Die §§. 219 u. 220 sollten sich daher unmittelbar an den §. 211 anschließen. Zu vergl. die folg. Anm. Der Grundsatz des §. 211 bezieht sich auf ben „acquestus muliebria“, auf einen Erwerb durch nutzbringende Thätigkeit (operae) der Frau, nicht auf lästige Verträge, mittelst welcher das Eigenthum an Sachen gegen ein Hingeben aus eigenem Vermögen er­ langt wird, also nicht auf Anschaffung von Sachen durch Kauf und Tausch. Daher können die von einer handeltreibenden Ehefrau für ihr Geschäft gekauften und bezahlten (oder auch auf Kredit entnommenen, das ist einerlei) Waaren von den Gläubigern ihres Mannes behufs ihrer Befriedigung nicht in Anspruch genommen werden. Erk. des O.Tr. III v. 27. Juni 1862, Str. Arch. 46 S. 167. Bon Pertinenzstücken zu einem der Frau- gehörigen Landgute, welche die Frau aus ihrem Vermögen angeschafft hat, gilt das Gleiche. Erk. deff. S. v. 12. Juni 1863, Entsch. 50 S. 242. Nur der Reingewinn, welcher der Frau aus dem Betriebe des Gewerbes verbleibt, ist im Sinne des §. 211 als der „Erwerb" anzusehen, welcher dem Manne zufällt, falls derselbe nicht nach den §§. 219, 220 in Grundstücken oder Kapitalien aus den Namen der Frau angelegt ist. Erk. des O.Tr. IV v. 24. Nov. 1864, Entsch. 52 S. 142. H. Nicht jede von der in getrennten Gütern lebenden Frau während der Ehe bewirkte Anschaffung kann ihr als Erwerbung für ihr Vermögen angerechnet werden, wenn sie auch den Preis dafür gezahlt hat, es müssen vielmehr noch andere Umstünde dafür vorliegen, daß die Anschaffung zu ihrem persönlichen Eigenthum geschehen ist. Erk. des O.Tr. III v. 30. Jan. 1874, Str. Arch. 91 S. 69. Entgegengesetzt R.G. II H.S. v. 1. Nov. 1880, Entsch. 3. S. 251, wo verneint wird, daß die Frau den Nachweis zu führen habe, daß zum Erwerb ihr eigenes Vermögen ver­ wendet sei. 14) „Dieser Grundsatz findet keine Anwendung, wenn eine Ehefrau mit ihrem Ehemanne durch gemeinschaftlichen Kaufvertrag das Eigenthum einer Sache erworben hat." Pr. 1765 des O.Tr. I v. 7. Aug. 1846, Entsch. 13 S. 286, wieder angewendet in dem Erk. I v. 16. Jan. 1852, Str. Arch. 4 S. 274. (H. Ebenso R.G. V v. 26. Rov. 1879, Gruchot 24 S. 489, IV v. 1. Juli 1880, a. a. O. 25 S. 749, II H.S. v. 1. Dez. 1881, a. a. O. 26 S. 1002). Derselbe findet auch dann keine Anwendung, wenn sie etwas mit Einwilligung ihres Mannes für sich selbst gekauft hat; in diesem Falle erwirbt sie das Gekaufte als ihr Eigen­ thum für sich, und es macht für die Frage der Eigenthumserwerbung rechtlich keinen Unter­ schied, ob die Frau ihr eigenes Geld, oder ob sie mit Bewilligung des Mannes befielt Geld zu dem Erwerbe für sich selbst verwendet habe, da eben hierfür dem übereinstimmenden Willen der Eheleute freier Spielraum gestattet ist. Erk. I v. 26. Sept. 1864, Str. Arch. 56 S. 192. „Der §. 211 ist auf den Fall zu beschränken, wenn eine Eheftau während der Ehe durch ein besonderes Gewerbe etwas erwirbt." Pr. 702 des O.Tr. I v. 18. Juni 1839, Präj. Samml. 1 S. 139. Hiermit und mit den in der Anm. 13 angegebenen Grundsätzen Harmo­ niken die Entsch. des O.Tr. III v. 2. Juli 1852 u. v. 20. Jan. 1854, Str. Arch. 6 S. 224

140

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 212—916.

§. 212. Was sie aber während der Ehe, burd) Erbschaft, Geschenke "), ober Glücksfälle ") bekömmt, wird dem Eingebrachten beigerechnet"). §. 213. Auch die darunter begriffenen Mobilien und Kostbarkeiten sind nur dann als Vorbehalten anzusehen, wenn sie die §. 206. angeführte Beschaffenheit haben. §. 214. Hat der Erblasser oder Geschenkgeber über die Eigenschaft, welche der Anfall haben soll, etwas bestimmt, so dient diese Bestimmung zur Richtschnur"). u. 11 S. 356, jedoch hat dasselbe IV in einem Erk. v. 10. Okt. 1854, Str. Arch. 15 S. 91, den Satz ausgestellt, daß dasjenige, was die Ehefrau durch ein von ihr selbstständig und für eigene Rechnung betriebenes Gewerbe erwirbt, sie für sich selbst und nicht dem Ehemanne er­ werbe. — Die Substanz deS zum eigenen Gewerbebetriebe einer Ehefrau angelegten Vermögens gehört dem Ehemanne, in so fern nicht feststeht, daß dazu ein eigenthümliches (eittgebrachtes oder vorbehaltenes) Vermögen der Ehefrau verwendet worden ist. Erk. III v. 12. März 1855, Str. Arch. 15 S. 373. Hat die Frau die Wohnung gemiethet, und behauptet nicht, daß sie die gemietheten Lokalitäten allein bewohne, und daß etwa ihr Ehemann von deren Besitz aus­ geschlossen sei, so ist die Vollstreckung der Exekution gegen den Ehemann in dieser ehelichen Wohnung zulässig. Erk. deS O.Tr. IÜ v. 10. März 1865, Str. Arch. 57 S. 247. Ueberhaupt

genügt es nicht, daß die in getrennten Gütern lebende Ehefrau, welche einen Erwerb als ihr Eigenthum in Anspruch nimmt, nachweist, daß sie das lästige Geschäft, wodurch Sachen er­ worben worden, Kaufgeschäft u. s. w. abgeschloffen hat; sondern sie hat aufzuklären, daß das Geschäft sür sie und in Bezug auf ihr Vermögen ein lästiges gewesen ist. Erk. deff. Sen. v. 23. Rov. 1866, Str. Arch. 66 S. 191. S. auch Anm. 13 a. E. zu tz. 211 d. T.

Pachtungen fallen gleichfalls unter den Begriff gewerblicher Unternehmungen, Pr. 2149 des O.Tr. Hl v. 4. Okt. 1849: „Wenn bei ausgeschlossener Gütergemeinschastt der Ehemann der Ehefrau sein Gut verpachtet, so sind die Gläubiger des Ehemannes befugt, wegen ihrer Forderungen auch an die während der Pachtzeit erwachsenen und abgesonderten Gutsftüchte sich zu halten." (Entsch. 18 S. 526.) Zu vergl. die Entsch. IV v. 27. Sept. 1847, Rechtsf. 2 S. 248. H. §. 211 trifft keine Bestimmungen über die Gewahrsam, sondern nur über das Eigen­ thum. Daher können Sachen, welche sich im ausschließlichen Gewahrsam der Ehefrau befinden, ohne Zustimmung der letzteren bei der Zwangsvollstreckung gegen den Ehemann nicht der Pfändung unterworfen werden, R.G. V v. 5. Juni 1880, Annal. 1 S. 279. 15) Gleichviel von wem sie Herkommen, also auch durch Geschenke des Mannes. Für die Meinung, daß die Geschenke des Mannes in das vorbehaltene Vermögen übergeben, giebt es keinen juristischen Grund. 16) Namentlich Lotteriegewinn, ohne Rücksicht darauf, mit weffen Mitteln das Loos an­ gekauft worden. Der Gewinn wird mithin Eingebrachtes (Erk. des O.Tr. IV v. 26. Febr. 1857, Str. Arch. 24 S. 74), sowohl dann, wenn die Frau den Einsatz aus dem ihr vom Manne zum Wirthschaftsbetriebe anvertrauten Gelde bezahlt hat. Pr. des O.Tr. v. 7. Dez. 1809, Simon, RechtSsvr. 1 S. 303, wie auch dann, wenn sie mit Geld aus dem Borbehaltenen gespielt hat. An diesen Fall haben die Berf. des L.R. besonders gedacht, indem man die „Glücksfälle", welche im Entw. fehlten, hinzufügte, um die Spielsucht der Frauen einzuschränken. Ges.Rev. Pens. 15 S. 147. 17) Die in stehender Ehe ererbten oder cedirt erhaltenen Akttva, deren Schuldner der Ehemann ist, kann sie, wenn damit keine Veränderungen vor sich gegangen, auch nur zurücknehmen und im Konkurse des Mannes an der Stelle liquidiren, welche ihnen nach ibrer ur­ sprünglichen Beschaffenheit gebührt; das Borrecht der eingebrachten baaren Gelder ober des Werths der nicht mehr vorhandenen Effetten steht der Eheftau wegen solcher Forderungen nicht zu. Pr. 2623 des O.Tr. IV v. 8. Mai 1855, Entsch. 30 S. 462 u. Str. Arch. 16 S. 372. — Verwendet die Frau Gelder, welche zu ihrem Eingebrachten gehören und noch nicht in die Ver­ waltung des Mannes übergeaangen, sondern noch in ihrem Besitze sind, zum Ankäufe von Sachen für sich, so werden diese nicht Eigenthum des Mannes, sondern gleichsfalls Eingebrachtes. Erk. des O.Tr. III v. 7. Nov. 1860, Str. Arch. 38 S. 360, s. auch Anm. 12 zu §. 210. Das bei einer verkäuflichen Gutsüberlaffung der Mutter an ihre Tochter und deren Ehemann ledig­ lich durch Anrechnung auf der Tochter Muttergut berichtigte Kaufgeld ist für geschentt zu er­ achten und hat daher die Natur des eingebrachten Vermögens. Erk. des O.Tr. I v. 16. Jan. 1852, Str. Arch. 4 S. 274. H. R.G. IV v. 1. Juli 1880, Gruchot 25 S. 749: Wenn die Frau dem Manne ein Grundstück einbringt, ihr sonstiges Vermögen sich aber als vorbehaltenes reservirt hat, so gehört der Kaufpreis für das während der Ehe verkaufte Grundstück zum eingebrachten, nicht vorbehaltenen Vermögen der Eheftau. 18) Auch dann, wenn der Erblasser nicht mehr als den schuldigen Pflichtteil hinterlassen

Bon dem Vermögen der Eheleute.

141

§. 215. Auch die Eheleute können obige gesetzliche Bestimmung (§. 210—212.) durch ausdrückliche Verträge unter sich abändern,s). §. 216. Sollen aber Grundstücke oder Capitalien, welche nach gesetzlicher Be­ stimmung zum Eingebrachten gehören, durch solche Verträge die Eigenschaft des Vorbehaltenen, auch in Beziehung auf einen Dritten, erlangen: so müssen sie auf den Namen der Frau geschrieben werden20). hat. Denn durch die Beilegung der Eigenschaft des Borbehaltenen verliert nur der Mann, und dieser ist nicht Erbe. 19) Die Meinung hierbei ist nicht, daß der mitallegirte §. 210 gleichfalls solle durch Vertrag adgeandert, d. h. noch eme dritte Art von Güterrecht, etwa Miteigenthum oder ge­ theiltes Eigenthum, solle geschaffen werden können. Der §. 210 ist aus Unachtsamkeit mit allegirt worden. Zu vergl. die Entstehungsgeschichte des §. 216, Ges.Rev. a. a. O. S. 148. H. Der Ehemann, welcher das von der Frau in stehender Ehe erworbene Geld von derselben zum Darlehn annimmt, verzichtet damit rechtsgültig auf die eigenthümliche Ueberlaffung solchen Erwerbes, weil der Darlehnsvertrag eine ausdrückliche Erklärung ist, welche das Versprechen der Rückgabe des Geldes und damit einen Verzicht des Empfängers auf eigene Rechte daran enthält. Erk. des O.Tr. I v. 22. Rov. 1872, Str. Arch. 87 S. 95. Dagegen enthält der zu Gunsten der Frau erklärte Verzicht des Ehemannes auf die Verwaltung und den Nießbrauch des Eingebrachten, welcher in notarieller Form abgegeben ist, keine Umwandelung des Ein­ gebrachten in vorbehaltenes Vermögen, O.Tr. III v. 16. März 1877, Entsch. 79 S. 217 u. Str. Arch. 99 S. 148. S. auch den 8. 209 d. T. 20) Es ist ganz richtig, daß nach der Meinung der Redaktoren die Grundstücke und Kapi­ talien „als vorbehalten" geschrieben werden müssen, wenn sie nicht als Eingebrachtes von den Gläubigern des Mannes behandelt werden sollen. Außerdem wäre die Vorschrift gegenstandslos. Auch erhellet dieser Sinn aus den Materialien, indem auf die Monita, durch welche die ganze Bestimmung als eine Vorsichtsmaßregel zur Sicherheit des Gläubiger erst veranlaßt worden, Suarez vorschlug, daß qualitas receptitia im Hvpothekenbuche vermerkt werden müsse, welchem Vorschläge die Fassung des §. 216 entsprechen sollte. Ges.Rev. Pens. 15 S. 149. Gewiß ist aber auch, daß, wenn solcher Vermerk unterblieben, daraus noch kein wesentlicher Nachtheil für die Frau abzusehen ist, da, wenn die Gläubiger des Mannes die Revenüen eines vorbehaltenen Vermögensstücks wie die eines Eingebrachten in Angriff nehmen, sie durch den Nachweis der wahren Eigenschaft abgewiesen werden können. Dieser Meinung ist, in Uebereinstimmung mit dem betreffenden Appellationsgerichte, auch das O.Tr. III beigetreten in dem Erk. v. 10. Nov. 1862, Entsch. 48 S. 175 u. Str. Arch. 48 S.' 73. Dort wird ganz richtig gesagt: Nur die Be­ deutung habe der §. 216, daß für Geschäfte, welche das Grundstück betreffen, die bis dahin im Hypothekenbuche nicht vermerkte Eigenschaft des Borbehaltenen dem Dritten nicht entgegengesetzt werden kann. Bezüglich auf die ftaglichen Vermerke sagt Suarez in seinen Schlußvorträgen über die §§. 216, 218, 219, 223, 240, 260, 319: „In Ansehung der Receptitiorum hat die Frau eben die freie facultatem disponendi. wie eine andere unverheirathete Frauensperson. Ueber die Substanz des Eingebrachten können nur beide Eheleute gemeinschaftlich gültige Verfügungen treffen. Wenn also -. B. der Mann über Receptitia der Frau dispomrt, oder wenn er em Illatum der Frau ohne ihre Zuziehung veräußert, verpfändet rc., so ist die Verfügung nichtig und ungültig, und die Frau ist zu allen Zeiten deren Aufhebung zu suchen befugt. Dadurch kann also das Publikum und ein Dritter, der mit dem Manne sich eingelaffen bat, besonders wenn beide Eheleute mit einander kolludiren, oft sehr gefährdet werden. Um diese Gefährdungen zu verhüten, und das Publikum möglichst

dagegen sicher zu stellen, find im Gesetzbuche Verfügungen getroffen, damit die Qualität eines jeden Objetts, ob oasselbe ad illata oder ad receptitia gehöre, durch äußerliche Merkmale er­ kennbar, und jeder, der sich nur gehörig erkundigt, für Hintergehungen sicher sein möge. Daher ist verordnet: a) daß nur solche Mobilien zu den Receptitiis legalibus gerechnet werden sollen, denen man es gleichsam ansehen kann, daß sie der Frau gehören, §§. 206, 223 ; b) daß bei Mobilien, die nur durch Vertrag ein Keceptitium geworden, die Frau eine ein­ seitige Disposition des Mannes zwar widerrufen könne, jedoch nur gegen Entschädigung des dritten redlichen Besitzers, §. 260; c) daß über alle bloß eingebrachte Mobilien der Mann intuitu tertii liberam facultatem disponendi habe, §. 247; d) daß bei Grundstücken und Kapitalien, an welchen die Frau, es sei qua illatum oder qua receptitium, em Recht hat, diese Qualität derselben aus dem Hypothekenbuche oder auS dem Schuldinstrumente ersichtlich sein müsse, §§. 216, 218, 219, 282, 283, 252, 258.

142

Zweiter Theil.

Erster Titel. §§. 217-229.

§. 217. WaS die Frau von den Einkünften des vorbehaltenen Vermögens erspart, wächst diesem Vermögen zu. A. 218. Es muß aber dergleichen Ersparniß, zur Zeit der Absonderung des Vermögens beider Eheleute, auf den Namen der Frau geschrieben sein; oder es muß sooft klar erhellen, daß sie den Besitz der ersparten Sachen oder Gelder noch nicht aufgegeben habe11). §. 219.. Grundstücke und Capitalien, die von den Einkünften eines besonderen Gewerbes der Frau angeschasst, und zur Zeit der Bermögensabsonderung auf ihren Namen geschrieben sind **), gehören ebenfalls zum Vermögen der Frau. §. 220. Sie haben aber, wenn das Gewerbe nicht bloß mit dem vorbehaltenen Vermögen der Frau getrieben, oder sonst ein Anderes ausdrücklich verabredet worden, nur die Eigenschaft des Eingebrachten""). «rchtk t*t §. 221. In Ansehung des vorbehaltenen Vermögens gebührt der Frau die beb«ittn«r Verwaltung, der Nießbrauch und die freie Disposition i4), wenn sie sich nicht des «eteüflen. ejnen oder des anderen ausdrücklich begeben hatS5). Diese nöthige Rücksicht auf die Berwahruna des Public! gegen Hintergehungen und Kollu­ sionen wird um so mehr hinreichen, die in diesen §§. zum Theil liegenden Abweichunyen von dem bisherigen gemeinen Rechte zu rechtfertigen, als auf der anderen Seite für die Sicherheit der Frau durch die große Priorität, welche die Gesetze in dem Vermögen ihres Mannes ihr einraumen, hinlänglich gesorgt ist." Jahrb. 41 S. 112. 21) „Wenn es nicht erhellet, so tritt die nirgend ausgehobene Rechtsvermuthung: quae in domo mariti sunt, praesumuntur esse mariti, in Wirkung," sagt Suarez in der rev. mon., Ges.Rev. a. a. O. S. 149. Bon der Eigenschaft des Eingebrachten kann mithin überhaupt nicht die Rede sein: das Ersparte ist entweder erweislich vorbehaltenes Vermögen der Frau oder Eigenthum des Mannes. Die §§. 217, 218 setzen voraus, daß die Einkünfte bereits eingegangen sind. — Hat die Ehefrau ihrem Manne ein zum vorbehaltenen Vermögen gehöriges verzinsliches Kapital geliehen, so ist nicht zu vermuthen, daß sie ihm die Zinsen erlassen habe. Erk. des O.Tr. V v. 17. April 1857, Str. Arch. 24 S. 199. 22) Zu vgl. §. 671 I. 11, und über das Prinzip: Entsch. des O.Tr. 13 S. 196. Die Bedingung des Berschriebenseins gilt nur bei Vermögensvermehrungen durch die Einkünfte des Gewerbes, nicht aber bei Ankäufen, welche aus dem Vermögen der Frau oder auf deren persönlichen Kredit zum Zweck des Gewerbes geschehen sind: die so erworbenen Sachen gehören unbedingt zum Vermögen der Frau. Erk. des O.Tr. 111 v. 20. Jan. 1854, Str. Arch. 11 S. 357. Vergl. die Anm. 13 u. 14. 23) Die §§. 219, 220 bestimmen die Ausnahme von der Regel des §. 211, nach der die Ehefrau das, was sie in der Ehe erwirbt, dem Manne erwirbt, und sie entscheiden dabei zu­ gleich eine gemeinrechtliche Kontroverse. Einig ist man darüber, daß der Mann ein Recht hat auf den Erwerb der Frau, welcher aus den Diensten derselben bei Besorgung der Haushaltung (operae obsequiales) und zur Unterstützung des Mannes in seinem Gewerbe (operae ministeriaies) entspringt. Stryk, Diep, de operis uxorum (Hal. 1706), Cap. I1I §. 15 sqq. Wernher, Sei. Obs. vol. VI P. IX Obs. 236 Nr. 1. Streitig ist: ob der Mann auch aus den Erwerb der Frau aus einem besonderen Gewerbe, z. B. aus der Schneiderei, Putzmacherei, Malerei, Schauspielerei u. dergl. (operae artificiales) Anspruch habe. Viele verneinen solches, z. B. Stryk 1. c. Cap. IV g. 7; Wernher, Sei. Observ. Vol. VI Pars IV obs. 236; Berger, Oec. jur. Lib. I tit. 3 th. VIII §. 5. Struben, rechtliche Bedenken 4, Bed. 25 und A. Andere behaupten es, z. B. Carpzov, Jurisp. for. P. II const. 25 des. 15 und P. III const. 25 des. 10; Mevius, ad Jus -Lubecense P. II T. II Art. XII nr. 134 sq. Hierüber s. m. Glück, Erläuterungen 24 S. 386 ff. — Das L.R. schlägt hier den Mittelweg ein, daß es nur Grundstücke und Kapitalien, die aus diesem Erwerbe angeschafft, und zur Zeit der Bermögensabsonderung auf ihren Namen geschrieben, zu ihrem Vermögen rechnet. Vergl. Anm. 13 zu §. 211 d. T. 24) H. Daher ist die Ehefrau auch bei einer testamentarischen Bestimmung dahin, daß der ihr zusallende Erbtheil zu ihrem vorbehaltenen Vermögen gehören solle, berechtigt, den Grbrezeß ohne Genehmigung ihres Ehemannes abzuschließen, und es können auf Grund eines solchen Rezeffes die darin erfolgten Abtretungen von Nachlaßhypotheken im Grundbuche ein­ getragen werden, Johow Jahrb. 6 S. 169. 25) H. Auch possessorisch kann unter Eheleuten gestritten werden. Oben Anm. zu §. 145 I. 7. H. Das gesetzlich vorbehaltene Vermögen darf aber die Ehefrau, welche sich von ihrem

Don dem Vermögen der Eheleute.

143

§. 222. Es sind daher, der Regel nach, die von der Frau über das vorbe­ haltene Vermögen getroffenen Verfügungen auch ohne die Einwilligung des Mannes gültig. §. 223. Doch soll über Juwelen, Gold, Silber, und andere bloß zur Pracht bestimmte Sachen, ohne Unterschied, ob sie zum vorbehaltenen Vermögen gehören, oder nicht, Niemand mit einer Frau, ohne Vorbewußt *•) des Mannes, in Pfandoder Veräußerungsverträge sich einlassen. §. 224. Macht die Frau in Ansehung des gesetzlich vorbehaltenen Vermögens sich eines unwirthschaftlichen Betragens verdächtig, so ist der Mann befugt, Maaß­ regeln zu dessen Verhütung zu treffen-'). §. 225. In Ansehung des durch Vertrag vorbehaltenen Vermögens aber kann der Mann die Frau in ihrer Disposition nur alsdann einschränken, wenn sie sich einer wirklichen Verschwendung schuldig macht. §. 226. Solchenfalls muß ihr, gleich anderen Verschwendern28), ein Curator gerichtlich bestellt werden. §. 227. In der Regel muß der Mann die Curatel, und mit derselben, in Ansehung des vorbehaltenen Vermögens, alle Pflichten eines fremden Curators übernehmen **). §. 228. Die Lasten und Kosten wegen des gesetzlich vorbehaltenen Vermögens muß der Mann in allen Fällen tragen, wenn die Frau keine vorbehaltene Capita­ lien oder Einkünfte besitzt88). §. 229. Dagegen müssen die Lasten und Kosten des durch Vertrag vorbe­ haltenen Vermögens von der Frau aus diesem Vermögen81) bestritten werden. Manne eigenmächtig getrennt hat, nicht wider Willen des Mannes aus der ehelichen Wohnung entfernen, auf Grund der 88. 175, 184, 194, 679 ff. d. T. erkannt vom R.G. IV v. 24. Rov. 1879, Gruchot 24 S. 486. 26) Nur das Borbewußt, nicht auch die Einwilligung wird erfordert. Man kann darnach folgende Fälle unterscheiden. 1. Die Einlassung geschieht mit Vorbewußt des Mannes, a) Er schweigt dazu und läßt die Verpfändung oder Veräußerung geschehen. Dann ist daS Geschäft gültig, b) Er untersagt das beabsichtigte Geschäft, dasselbe wird aber dennoch vollzogen, ehe er es thatsächlich hindern kann. In diesem Falle sind die Sachen entweder a) für geliehen zu er­ achten (§. 316): dann kann sie der Mann vindiziren; oder p) Eigenthum der Frau: dann kann der Mann gegen die Veräußerung nichts thun. Zwar hat Suarez in der rov. mon. submittirt: „feftzusetzen, daß über dergleichen Sachen, wenn solche auch cyialitatem receptitiam haben sollten, die Frau ohne Konsens des Mannes dennoch nicht valide disponiren könne." Ges.Rev. Pens. 15 S. 153. Und die juristische Wirkung davon wäre gewesen, daß der Mann, als ehelicher Vormund in Beziehung auf diese relative Handlungsunfähigkeit der Frau, für die Frau die Sachen hätte wieder abfordern können, nach eben den Grundsätzen, welche den Vormund eines Minderjährigen berechtigen, die ohne seinen Konsens unternommenen Veräußerungen des Mündels umzustoßen. Allein die juristische Idee ist in dem Gesetze nicht zum Durchbruche ge­ kommen. 2. Die Verpfändung oder Veräußerung ist ohne Borbewußt geschehen. Dann gilt das Gleiche wie in dem Falle 1, b. 27) Was für Maßregeln? Diese zu bestimmen hat man nach Suarez' Aeußerung mit Vorbedacht unterlassen. Ges.Rev. Pens. 15 S. 153. Zunächst wird der Mann aus eigener Macht die ihm geeignet scheinenden Maßregeln in seinem Hauswesen treffen; er mag z. B. die der Verschleuderung ausgesetzten Sachen in seine Obhut nehmen. 28) ES muß mithin ein förmliches Prodigalitätsverfahren eintreten. 29) Er ist schon von Rechtswegen der natürliche Vormund seiner zu bevormundenden Frau. II. 18 §8. 39 u. 40. H. Rach der Borm.Ordn. v. 5. Juli 1875 g. 17 Abs. 3 hat er ein Recht, zum Vormund der Eheftau berufen zu werden. 30) Anm. 27 zu §. 187. Es versteht sich, daß die Desermten des Rechtsanwalts in Prozeffen, welche über gesetzlich vorbehaltenes Vermögen auf Kosten des Mannes vor deffen Tode geführt worden sind, als eine nachgelaffene Schuld auch auf deffen Erben übergehen. Dies ist es, was der J.M. in seinem Bescheide v. 18. April 1886, Jahrb. 47 S. 519 sagen will. 31) Und zwar, wenn davon keine Revenüen entfallen, auS der Substanz. Zu vergl. Anm. 27 zu §. 187.

144

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 230 -232.

§. 230. Prozesse, welche das durch Vertrag vorbehaltene Vermögen betreffen, kann die Frau auch ohne Zuziehung deS Mannes gültig betreiben8ä). **• §. 231. In Ansehung des eingebrachten8S) Vermögens der Frau hat der Mann «inyfo* alle Rechte und Pflichten eines Nießbrauchers8*). (Th. 1. Tit. 21. Abschn. 1.)86).

mögen. 32) H. »gl. Anm. 29 zu §. 189 d. T. 33) Die Eigenschaft des eingebrachten Vermögens wird dadurch begründet, daß es der weder vertragsmäßig noch gesetzlich vorbehalten ist, gleichviel, ob sich die Frau bereits im e der, den Gegenstand des betreffenden Vermögensrechts bildenden Sache besindet, oder Daher stellt sich der Satz, daß der martialische Nießbrauch sich nur auf das wirklich eingebrachte, d. h. auf das in dem Besitze der Frau befindliche Vermögen beziehe, als un­ richtig dar. Erk. des O.Tr. I v. 1. Nov. 1861, Str. Arch. 43 S. 176. Bergl. auch Anm. 2 zu 8- 205 d. T.

34) Hiermit ist das im §. 205 dem Manne im Allgemeinen gegebene Recht der Ver­ waltung hinsichtlich des Eingebrachten nicht genommen. Bergl. §. 264. Daraus folgt, daß die Frau ihr Eingebrachtes, auch salvo usufructu des Mannes, ohne Einwilligung des Mannes nicht veräußern kann. Paffend sagt daher Suarez in der rev. mon. in Beziehung auf ein deSfallsiges Monitum, daß es überflüssig sei, dies ausdrücklich zu verordnen, weil es sich von selbst verstehe. Ges.Rev. Pens. 15 S. 157. Zu vergl. das R. des J.M. v. 21. Mai 1821, Jahrb. 17 S. 252. S. auch das Pr. 2522 in der Anm. 97 zu §. 320. Die Behauptung, daß die Rechtshandlungen einer Eheftau in Betreff der Wechselausstellung und deffen Girirung wegen mangelnder Genehmigung des Ehemannes unter allen Umständen, auch in so fern die Frau Rechte daraus erwirbt, ungültig seien, erscheint nicht gerechtfertigt. Erk. des O.Tr. IV v. 19. Mai 1868, Str. Arch. 71 S. 182. Wenn dagegen der Ehemann in die Veräußerung ausdrücklich willigt, so verliert er nicht bloß die Verwaltung, sondern auch den Nießbrauch. Darauf gründet sich das Erk. des O.Tr. v. 3. Dez. 1842: „Ein Ehemann, welcher die Jllaten seiner Eheftau auf sein Grundstück hat hypothekarisch eintragen lassen, kann, wenn er die (Session dieser Jllaten an einen Dritten be­ willigte, dem Cessionar dieser Forderung nicht entgegensetzen, daß, weil die cedirende Ehefrau nicht mehr Recht habe übertragen können, als sie selbst gehabt, ihm der Nießbrauch an den cedirten Jllaten müsse belassen werden." (Entsch. 9 S. 299.) Natürlich. Der Ehemann würde ja hinterlistiger Weise, auf Kosten des Cessionars, seinen Nießbrauch verdoppeln. Den Nieß­ brauch des veräußerten Kapitals würde er behalten, und die bezahlte Valuta, die auch zum Eingebrachten gehört, würde er gleichfalls haben wollen. Die Rückzahlung eines solchergestalt cedirten Jllaten-Kapitals kann der Cessionar, ohne Hinzutritt eines anderweiten Rechtsgrundes von dem Ehemanne nicht eher fordern, als die Cedentin selbst sie würde fordern dürfen. Ein solcher anderweiter Rechtsgrund ist in der Zustimmung des Mannes zur (Session in Beziehung auf die von ihm bestellte Hyvothek dahin zu finden, daß dem Ehemanne kein Widerspruchsrecht -usteht, wenn der Cessionar sein dingliches Recht gegen das Unterpfand auch noch während der Ehe des Verpfänders geltend macht, aber den persönlichen Anspruch wegen des Ausfalls kann der Cessionar nicht ohne Weiteres während der Ehe erheben. Erk. des O.Tr. IV v. 16. Juli 1864, Str. Arch. 54 S. 259. Diese Unterscheidung hat keinen Grund, das dingliche Recht ist nichts Selbstständiges. H. Vgl. hierzu auch v. Kräwel bei Gruchot 19 S. 552. H. Vgl. auch Anm. 19 a. E. zu §. 215 d. T. Wegen der Prozeßkosten: Anm. 26 u. 27 zu §. 187. Hinsichtlich deS Erwerbes der Frau: Anm. 14 zu §. 211 und das dort a. E. mitgetheilte Pr. des O.Tr. 2149. In Frage ist gekommen, ob das Berwaltungs- und Nießbrauchsrecht des Mannes ein rechtliches Hinderniß sei, daß der Mann eine vor Eingehung der Ehe entstandene Forderung an seine Frau, während der Ehe, auS deren Eingebrachtem, einüehe. Es ist behauptet worden, daß die Darlehnsklage in stehender Ehe überhaupt, - mit Ausnahme des Falles, wenn sie »egen vorbehaltenes Vermögen gerichtet werde, ruhe. Mit Recht ist dieser Satz von dem O.Tr. lr einen falschen Rechtssatz erklärt worden. Kein Rechtsgrund ist findbar, welcher der Be­ friedigung des Mannes aus dem in seiner Verwaltung und Nutznießung befindlichen eingebrachten Vermögen der Frau entgegenstehen könnte: die dadurch etwa entstehende Verminderung seines Nießbrauchs ist seine Sache. O.Tr. I v. 11. Febr. 1856, Entsch. 32 S. 83. Das Gleiche gilt auch in Ansehung vorehelicher Schulden der Frau, welche der Mann aus seinem Vermögen während der Eye bezahlt hat; er ist nach §. 79 I. 21 ohne (Session in die Rechte des beftiedigten Gläubigers getreten, und kann, gleich diesem, die Forderung während der Ehe gegen die Frau einklagen. Erk. deff. Sen. v. 19. Dez. 1864, Str. Arch. 61 S. 1. H. Der Ehemann, welcher von seiner Eheftau auf seine Forderung baare Zahlung beansprucht, kann der Kompen-

Von dem Vermögen der Eheleute.

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8- 232. Grundstücke und Gerechtigkeiten36), welche zum Eingebrachten gehö­ ren, kann der Mann, ohne die ausdrückliche Einwilligung 87) der Frau, weder ver­ äußern, noch verpfänden, noch sonst etwas damit vornehmen, wodurch denselben eine bleibende38) dingliche Last aufgelegt würde *•).

sation mit einer zum eingebrachten Vermögen gehörigen Forderung nicht widersprechen Erk. des O.Tr. IV v. 2. Nov. 1871, Str. Arch. 86 S. 4. H. R.G. IV v. 27. Nov. 1879, Gruchot 24 S. 491: Wenn der Ehemann aus den Revenüen des seinem Nießbrauch unterliegenden Vermögens der Frau Schulden der letzteren bezahlt, so kann er von ihr Erstattung verlangen. Der Ehemann ist nicht verpflichtet, die erst nach eingegangener Ehe verarmten Geschwister seiner Ehefrau bei sich aufzunehmen oder aus den Nutzungen des eingebrachten Vermögens zu alimentiren. Erk. des O.Tr. I. v. 8. Nov. 1852, Str. Arch. 7 S. 137. M. s. jedoch unten Anm. zu §. 251 Tit. 2. Besteht das Eingebrachte in einer der Ehefrau von einem Dritten vor der Ehe vermachten jährlichen Rente, so ist der Ehemann berechtigt, dieselbe in den Fälligkeitsterminen einzuziehen und darüber wie über sein Eigenthum zu verfügen. Die Ehefrau ist daher nicht berechtig, die während der Ehe von ihrem Ehemanne erhobenen Rentenbeträge aus deffen Nachtaffe als ein­ gebrachtes Kapitalsvermögen herausaezahlt zu verlangen. Erk. des O.Tr. I v. 12. Juni 1863, Str. Arch. 49 S. 270. Der Satz ist zweifelhaft; die thatsächliche Unterlage ist auS den Entscheidungsaründen nicht hinlänglich zu übersehen, der Wortlaut des Testaments ist nicht mit­ getheilt. Das O.Tr. geht von einer unzweifelhaften „Rentenberechtigung" aus, welche die Frau dem Manne eingebracht habe. Wenn das thatsächlich wahr ist, so ist der Ausspruch richtig; wenn aber die Zuwendung für so viele Bermächtniffe, als Hebungstermine eintreten, anzusehen ist; so ist die Entscheidung unrichtig, denn alsdann ist jede Hebung ein Kapital. Bergl. Anm. zu §. 302 I. 12. Auf die während der Ehe fälligen Renten eines von der Frau dem Manne eingebrachten Altentheilsrechts ist der hier von dem O.Tr. angenommene RechtSsatz anwendbar. Bergl. Erk. II v. 7. Febr. 1865, Str. Arch. 56 S. 345 H. Zum Erlaß einer Forderung der Ehefrau ist der Mann nicht berechtigt. Erk. des O.Tr. IV v. 8. April 1873, Entsch. 69 S. 211. H. Nach §. 12 des Ges. v. 5. Mai 1872 über den Eigenthumserwerb rc. muß der Nieß­ brauch des Ehemannes, um gegen Dritte dinglich zu wirken, auf die Grundstücke der Frau ein­ getragen werden (s. auch Förster, Grundbuchrecht S. 108). H. O.Tr. IV v. 8. Okt. 1878, Str. Arch. 100 S. 227: Durch die in Ausübung des ehemännlichen Dispositionsrechtes begründeten Obligationen wird nur der Ehemann (nicht die Ehefrau) persönlich verpflichtet. 35) H. Die §§. 170, 171 I. 21 finden auch auf den durch Ehescheidung beendeten maritalischen Nießbrauch Anwendung, Erk. d. O.Tr. IÜ v. 9. Okt. 1871, Entsch. 66 S. 140 u. Str. Arch. 84 S. 39. 36) Auch ein Altentheilsrecht. Im Erk. des O.Tr. III v. 16. Mai 1851, Str. Arch. 2 S. 139, wird es freilich als Kapital betrachtet; so auch Erk. II v. 7. Febr. 1865 (a. a. O. 56 S. 345). ’ 37) In derselben Form, welche das beabsichtigte Geschäft selbst haben muß, also der schriftlichen. Pl.Beschl. (Pr. 1847) des O.Tr. II v. 22. März 1847, Entsch. 14 S. 44. Dieser Beschluß bezieht sich zwar unmittelbar auf das Verhältniß der ehelichen Gütergemeinschaft: daS O.Tr. 11 hat aber auch ausgesprochen, daß kein Grund vorhanden sei, in Beziehung auf die Verwaltung des Ehemannes in Betreff der Grundstücke und Gerechtigkeiten andere Grundsätze bei bestehender Gütergemeinschaft anzunehmen, als bei nicht vorhandener Gütergemeinschaft gelten sollen. Erk. v. 18. Sept. 1849, Entsch. 19 S. 423. Gegen die Nothwendigkeit der gerichtlichen Form spricht sich auch der J.M. in dem R. v. 22. Aug. 1840 aus, J.M.Bl. S. 285. 38) Andere Veränderungen darf er also auf seine Kosten vornehmen. H. Die Belastung mit Grundschulden unterliegt aber derselben Beschränkung wie die Verpfändung, weil sie in so fern noch leichter zum Verlust des Grundstücks für die Frau führen kann, als hier keine prinzipale persönliche Verbindlichkeit besteht. „Zur Verpachtung der von der Frau in die Ehe inferirten Grundstücke bedarf der Ehe­ mann ihrer Zustimmung nicht." Pr. 1796 des O.Tr. I v. 1. Okt. 1846, Schles. Arch. 6 S. 509. Die erfolgte Verpachtung wird auch nicht ungültig, wenn dem Manne die Verwaltung und der Nießbrauch des Eingebrachten aus dem Grunde, weil er der Frau den standeSmäßigen Unterhalt nicht gewähren kann, entzogen wird; diese Veränderung hat nur Einfluß auf die Er­ hebung des Pachtzinses. §§. 256 , 261 ebb. Dagegen kommt bei Auslösung der Ehe nach einer Meinung der Grundsatz des §. 33 I. 19 zur Anwendung. M. s. jedoch zu §♦ 888 I. 21. 39) Ist eine in getrennten Gütern lebende Eheftau Besitzerin eines mit einer Reallast be-

Soch, Allgemeines Landrecht. IIL 8. Aust.

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146

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 233—242.

§. 233. Capitalien"), welche auf den Namen der Frau, oder ihrer Erb­ lasser, oder Geschenkgeber geschrieben sind, kann der Mann ohne Bewilligung41 * *)* * * 40 der Frau nicht einziehen, verpfänden, veräußern, oder sonst abhanden bringen42).43 §. 234. In die Veräußerung und Verpfändung eingebrachter Güter und Capitalien, desgleichen in die Einziehung der letzteren ist die Frau nur in so fern zu willigen verbunden, als nothwendige, die Substanz betreffende Ausgaben, welche aus dem Nießbrauche nicht getragen werden dürfen, dergleichen Verfügung erfordern. §. 235. Ferner alsdann, wenn der Mann 48) die Einziehung eines Capitals wegen besorgter Unsicherheit nöthig findet; §. 236. Desgleichen, wenn das Capital von dem Schuldner selbst aufgekün­ digt wird; • §. 237. Oder wenn der Mann ein Capital auf eine andere Art höher zu nutzen Gelegenheit findet. §. 238. Doch ist in den zuletzt benannten drei Fällen der Mann ein solches Capital anderweit auf den Namen der Frau, entweder bei sich selbst, oder bei einem Dritten, gegen hinlängliche44)* Sicherheit zu belegen verbunden. lüfteten Grundstücks, so ist die Klage wegen des Umfanges dieser Reallast und der mit derelben verbundenen Berechtigungen gegen die Ehefrau als Eigenthümerin des Guts, nicht gegen deren Ehemann als Nießbraucher derselben zu richten. Erk. des O.Tr. II v. 23. Mai 1854, Str. Arch. 14 S. 38. Bergl. §. 378 d. T. 40) Eine von der Ehefrau eingebrachte Pension gehört nicht zu den auf den Namen der Frau geschriebenen Kapitalien, sondern zu fortlaufenden Einkünften, hinsichtlich welcher der Mann nicht durch die Bestimmung des §. 233 beschränkt ist. Erk. des O.Tr. 1 v. 15. Juni 1848, Rechtsf. 4 S. 159. Auch Rückstände eines der Ehefrau zustehenden Auszuges aehören nicht zu den auf den Namen der Ehefrau geschriebenen Kapitalien im Sinne des §. 233. Erk. des O.Tr. II v. 11. Sept. 1846, Rechtsf. 2 S. 192. Die noch zu zahlende Valuta eines Darlehns, welches die Frau als Allein- oder Mit­ schuldnerin kontrahirt, ist ebenso wenig zu den ausstehenden Aktivis zu rechnen, auf welche sich die §§. 233 u. 243 beziehen. Erk. des O.Tr. v. 13. April 1844, Jur. Wochenschr. 1844 S. 7. Auf diesen Fall finden die Grundsätze über Eingehung von Darlehen Anwendung. Wem der Gläubiger nicht zahlt, von dem kann er nichts wieder fordern. 41) „Kapitalien, welche auf den Namen der Frau geschrieben sind, können ohne Be­ willigung der Ehefrau von dem Manne nicht gekündigt werden; die Rechtsgültigkeit der Kün­ digung ist vielmehr an die Bewilligung der Frau, diese Bewilligung jedoch an keine Form gebunden. Pr. 1095 des O.Tr. III v. 22. Jan. 1842, Präj.Samml. 1 S. 139. Das Appel­ lationsgericht zu Posen hat dieses Pr. auch auf die Verpfändung eines auf den Namen der Frau geschriebenen Kapitals durch den Ehemann angewendet. Dieses Urtheil hat aber 'das O.Tr. III mittelst Erk. v. 23. April 1869 vernichtet, behauptend, daß die Bewilligung der Frau nach §§. 199, 341—344 d. T. u. §§. 226, 229 1. 14 in gerichtlicher Form und unter Zu­ ziehung eines Rechtsbeistandes gegeben werden müsse, auch dabei die Frau zu certioriren sei. Entsch. 61 S. 136; Str. Arch. 74 S. 260. Seitdem sind die besonderen, bei Jnterzessionen der Frauen geltenden, Vorschriften durch das Gesetz v. 1. Des. 1869 (Zus. zu §. 220 ff. I. 14) aufgehoben, die §§. 341, 343 und 344 d. T., auf welche diese Entscheidung wesentlich mit ge!tützt ist, sind daher beseitigt, womit jedenfalls auch die Certioration wegfällt, eben so die Borchriften der §§. 198 ff. d. T., so weit sie Rechtshandlungen der Frau zum Vortheile des Mannes betreffen, s. Anm. 37 zu §. 198. 42) Die ohne ihre Einwilligung geschehene Veräußerung ihrer eingebrachten Grundstücke und Gerechtigkeiten kann die Ehefrau, auch die märkische, schon während der Dauer des Nieß­ brauchsrechts ihres Ehemannes anfechten. Erk. des O.Tr. III v. 16. Mai 1851, Str. Arch. 2 S. 139. H. Dagegen wird der Ehemann für die Regel allein befugt zu erachten sein, die Löschung einer Post zu beantragen, welche auf dem ihm und seiner Ehefrau gehörigen Grundstücke ein­ getragen steht, anders Johow, Jahrb. 6 S. 193, s. aber S. 194 ebend. Änm.*

!

Vergl. §. 263 d. T. und die Anm. 73 Abs. 2 dazu. 43) Nur der Mann, als zuständiger Verwalter, hat hierüber zu befinden; die Frau kann ihren Widerspruch um deswillen, weil sie die Sicherheit für hinlänglich hält, nicht durchsetzen, und das Gericht (§. 239) darf sich auf die Prüfung der Angabe der Frau nicht einlassen.

Don dem Vermögen der Eheleute.

147

§. 239. Wenn die Frau ihre Einwilligung in Fällen, wo sie dieselbe zu er­ theilen schuldig ist, verweigert; so kann diese Einwilligung von dem obervormundschaftlichen45) Gerichte, nach vorhergegangener Untersuchung der Umstände, ergänzt werden. §. 240 "). Grundstücke und Gerechtigkeiten, welche während der Ehe aus dem Eingebrachten der Frau angeschafft, oder Capitalien, welche von diesem Vermögen ausgethan worden, werden nur in so fern ein Eigenthum der Frau, als sie auf ihren Namen geschrieben finb47). §. 241. Außer diesem Falle ist sie, wegen der solchergestalt verwendeten Summen, nur als Gläubigerin des Mannes anzusehen48). §. 242. Doch genießt sie auch deshalb das in den Gesetzen dem Eingebrachten überhaupt vor anderen Schulden des Mannes beigelegte Vorrecht48). 44) Dabei hat die Frau, als Eigenthümerin, eine Stimme, die sie mit Hülfe des Gerichts zur Geltung bringen kann. 45) Suarez sagt: „um Prozesse unter Eheleuten möglichst zu vermeiden, ist hier die Jnterposition des vormundschaftlichen Gerichts der sonst de jure communi stattfindenden Klage ad supplendum consensum substituirt worden." Jahrb. 41 S. 113. H. Das Vormundschastshat in diesen Fällen aber selbstständig zu prüfen, s. Johow, Jahrb. d. Entsch. d. er-Ger. 3 S. 70. 46) Tie hier in §. 240 u. in §. 319 vorgeschriebenen Vorkehrungen dienen zur Sicherheit des mit den Eheleuten geschäftlich verkehrenden Publikums, Suarez, Schlußvorträge zu den §§. 216 ff. d. T., Jahrb. 41 S. 112. 47) Vergl. Anm. 17 zu §. 212. — (Der §. 240 behauptet auch in dem Konkurse über das Vermögen des Mannes, der Masse gegenüber, seine Wirksamkeit. Preuß. Konk.Ordn. §. 88. Erk. des O.Tr. IV v. 3. Nov. 1864, Str. Arch. 57 S. 60.) Wenn die Grundstücke auf den Namen beider Eheleute, ohne Bestimmung der Antheile, geschrieben sind, so werden beide Miteigenthümer zu gleichen Theilen. Die Vorschrift gehört nicht zu den suspendirten. R. v. 31. März 1802, Rabe 7 S. 31. Auch den Redaktoren waren solche Theilnehmungsrechte ganz unzweifelhaft, so daß Suarez es für unbegreiflich erklärte, wie man in judicando das Gegentheil habe annehmen können, was nach v. Grolmann's Be­ merkung geschehen sein sollte. Ges.Rev. Pens. 15 S. 162. Auch angenommen von dem O.Tr. I in dem @rf. v. 18. Jan. 1852, Str. Arch. 4 S. 274. Damit der Ehefrau, Dritten gegenüber, das Eigenthum an einem durch den Mann aus eingebrachten baaren Geldern gekauften Pfandbriefe gewahrt werde, muß derselbe im Sinne des §. 240 auf den Namen der Ehefrau außer Kurs gesetzt werden; ohne einen auf demselben in irgend einer Weise gesetzten Vermerk, daß ihr der Pfandbrief gehöre, kann sie, dritten Per­ sonen gegenüber, das Eigenthum auf denselben nicht geltend machen. Erk. des O.Tr. III v. 8. Okt 1856, Entsch. 33 S. 401. Die Ueberschreibung eines während der Ehe erworbenen Kapitals auf den Namen der Ehefrau schließt die Behauptung und deren Beweis, daß die Anschaffungs- (Cessions-) Valuta nicht aus dem Vermögen der Frau, sondern mit den eigenen Mitteln des Ehemannes berichtigt worden, nicht aus; allein die Beweislast regulirt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über dieselbe. Wenn daher z. B. ein Gläubiger des Mannes ein solches Kapital zum Gegenstände seiner Befriedigung macht, so muß er behaupten und folglich beweisen, daß der Erwerb aus den Mitteln des Ehemannes geschehen sei. Erk. des O.Tr. III v. 11. Juli 1860, Str. Arch. 38 S. 167. 48) Der §. 241 ändert das Gemeine Recht ab, nach welchem zufolge einer nicht un­ streitigen Meinung der Frau das Recht zustehen sollte, in gewissen Fällen die mit ihrem Gelde durch ihren Ehemann erkauften Sachen als ihr Eigenthum von ihm abzufordern. Darüber s. m. Glück, Kommentar, 8 S. 167. Die Vorschrift gilt auch in dem Falle, wenn der Besitztitel für beide Eheleute berichtigt worden und die Ehefrau nur Miteigenthümerin zur Hälfte ist. Um so viel wie mehr als die Hälfte des Erwerbspreises aus ihrem Eingebrachten gezahlt worden, ist sie Gläubigerin des Mannes. Umgekehrt kann auch der Mann dasjenige, was die Frau weniger als die Hälfte beigetragen hat, bei der künftigen Auseinandersetzung nach Auflösung der Ehe erstattet verlangen. — Dagegen findet der §. keine Anwendung, wenn dre Eheftau selbst aus ihrem Eingebrachten ein Darlehn gegeben hat. Erk. des O.Tr. IV v. 10. Jan. 1856, Str. Arch. 19 S. 246. 49) Hat nach der von Eheleuten ausgestellten Korrealschuld- und Hypothekverschreibung der Ehemann allein die vorgeliehenen Gelder empfangen, und hat er hiernächst dieselben in

Ö

10*

148

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 243—247 (Zusatz), §§. 248—251.

§. 243. Sind Capitalien, welche »um Eingebrachten gehören, ohne die Ein« willigung der Frau eingezogen worden68), so muß sie sich deshalb zuvörderst an den Mann halten. §. 244. Kann sie aber von diesem nicht befriedigt werden, so ist sie von dem vorigen Schuldner, welcher ohne ihre Einwilligung51) gezahlt hat, Entschädigung zu fordern, wohl befugt. §. 245. Gerichtliche Angelegenheiten, welche die Substanz des Eingebrachten betreffen, kann der Mann nur mit Zuziehung der Frau betreiben. §. 246. Doch hat er in den gehörigen Orts näher bestimmten Fällen die rechtliche Vermuthung, von der Frau bevollmächtigt zu sein, für sich. (Th. 1. Tit. 13. Abschn. 1.) ’teJ’eüme" 8- 247. Ueber die eingebrachten Mobilien62) hat der Mann die freie Berb^^dfügUNgb«). lenen bitten.

seinen alleinigen Nutzen verwendet, die Ehefrau aber für diese Schuld mit ihrem eingebrachten Grundstücke Hypothek bestellt und später dieselbe bei dem Verkaufe ihres Grundstücks in Ab­ rechnung auf das Kaufgeld übernommen, so kann sie deren Betrag als zu ihrem Eingebrachten gehörig bei dem über das Vermögen ihres Ehemannes ausgebrochenen Konkurse (gemäß §. 80 Abs 2 der preuß. Konk.Ordn.) liquidiren. Erk. des OTr. IV v. 14. Febr. 1854, Str. Arch. 12 S. 143. H. Der §. 242 hat jetzt nur noch eine beschränkte Anwendung, vergl. Anm. 68 zu §. 259 d. T. 50) Nämlich von dem Ehemanne. Hat ein unberechtigter Dritter die Einziehung unter­ nommen, so muß dieser hauptsächlich aus der fremden Geschäftsführung aufkommen. Für einen solchen Fall hat das O.Tr. folgenden angesehen. Jemand gab zwei zum Eingebrachten seiner Ehefrau gehörige, auf deren Vor- und Geburtsnamen „Auguste Harnisch" lautende Seehandlungsobligationen über 180 Thlr. einer Person, welche nach Berlin reifte, mit dem Auftrage, den Betrag nebst Zinsen dafür bei der Seehandlung zu erheben und ihm zu überbringen. Die Beauftragte erhob das Geld, quittirte darüber mit Unterzeichnung des Namens der Gläubiger in „Auguste Harnisch" und überbrachte das Geld dem Auftraggeber. Die Auguste Harnisch verklagte nach dem Tode ihres Mannes den Erheber wegen Zahlung auf Grund eines ihr durch eine unerlaubte Handlung zugefügten Schadens. L.R. I. 6 §§. 25, 51. Der Appellations­ richter wies sie auf Grund der §§. 243 , 244 d. T. zur Zeit ab. Dieses Urtel vernichtete das O Tr. I wegen Verletzung der §§. 243, 244, behauptend: der Erheber des Geldes sei ein nicht beauftragter Geschäftsführer der Frau gewesen und müsse ihr als solcher hauptsächlich auskommen. Erk. v. 7. Mai 1860, Entsch. 43 S. 187 u. Str. Arch. 38 S. 24. Das ist überraschend, weil dem Thatbestände widersprechend. Geschäftsbesorger ohne Auftrag mag der Ehemann gewesen sein, aber der Erheber war Niemands negotiorum gestor, er war und wollte nur sein des Ehemanns ausdrücklich Bevollmächtigter, weiter nichts; wie der Ehemann in Betreff des aufge­ tragenen Geschäfts zu seiner Frau stand, ging den Beauftragten nichts an. H. R.G. III H.S. v. 18. Febr. 1880, Gruchot 24 S. 837: der §. 243 setzt voraus, daß die Ehefrau nicht minderjährig ist. 61) Wenn die Einwilligung auch nur mündlich ertheilt ist, so schließt sie die Entschädigungs­ forderung doch vermöge der exceptio doli aus. Der Anspruch ist auch an sich erst dann zulässig, wenn die Frau dem Manne die Verwaltung ihres Eingebrachten entzogen und es sich darauf gezeigt hat, daß er außer Stande, ihr das Ihrige herauszugeben. 52) Des baaren Geldes und der auf den Inhaber lautenden Papiere geschieht nicht Er­ wähnung. Man hat daher unter Mobilien alles zu verstehen, was die Frau dem Manne außer Grundstücken, Gerechtigkeiten und auf ihren Namen geschriebenen Kapitalien ein bringt, woraus denn folgt, daß dem Manne über baares Geld und auf den Inhaber lautende Geldpapiere, wenn diese nicht auf den Namen der Frau außer Kurs gesetzt sind, freie Verfügung zufteht. Von baarem Gelde versteht es sich ohnehin von selbst, da der Mann Eigenthümer davon durch die Vermischung wird. Hinsichtlich der kurshabenden Papiere folgt es aus dem §. 233. Damit harmonirt auch Suarez, welcher auf das Monitum: es müsse hinzugefügt werden, daß die Veräußerung von lettres au porteur zwar rücksichtlich des Dritten gültig sei, der Frau aber ihre Rechte zur Wiedererlangung oder Entschädigung gegen den Mann vorbehalten blieben. — bemerkte, daß dieser Zusatz überflüssig sei (Ges.Rev. Pens. 15 S. 160, 164), woraus zu schließen, daß er den Zusatz für eine sich von selbst verstehende Sache gehalten hat. — H. Der Ehewaim ist auf Grund des ihm am Eingebrachten seiner Ehefrau zustehenden Verwaltungs- und Reßbrauchrechtes nicht befugt, ihrem Vormunde die Rechnungslegung über die vor der Berheiratbung

149

Von dem Vermögen der Eheleute. 24.

Verordnung über die Rechte der Ehefrau auf ihre

bilien gegen die Gläubiger des Mannes. Wir rc. :c.

eingebrachten Mo­

Vom 7. April 1838. (GS. S. 255.)

Da einige Gerichte aus der Vorschrift des §. 247. Tit. 1. Th. II. des Allgemeinen

Landrechts, in Verbindung mit dem §. 77. Tit. 24. Th. I. der Allgemeinen Gerichtsordnung die irrthümliche Folgerung hergeleitet haben, daß den Gläubigern des Ehemannes die Befugniß zu­ stehe, int Wege der gegen ihn zuvollstreckenden Exekution aus den eingebrachten Mobilien der

Ehefrau ihre Befriedigung zu suchen; so verordnen Wir auf den Antrag Unseres Staatsministeriums; und nach erforderten Gutachten Unseres Staatsraths, was folgt: §. 1.

Die in dem §. 247. Tit. 1. Th. II. des Allgemeinen Landrechts dem Ehemanne bei­

gelegte freie Verfügung über die von der Ehefrau eingebrachten Mobilien ist als eine Erweiterung der, demselben in dem §. 205. daselbst ertheilten Berwaltungsrechte anzusehen und lediglich an

seine Person gebunden.

§. 2.

Haben die Gläubiger des Mannes nicht schon durch Handlungen seiner freien Ver­

fügung ein dingliches Recht an den eingebrachten Mobilien erworben, so ist die Frau ihre Eigen-

thumSrechte an den eingebrachten Mobilien, wenn diese im Wege einer gegen den Mann ver­

hängten Exekution in Beschlag genommen worden, durch eine Jnterventionsklage zu verfolgen befugt. §. 3.

Die in dem §. 257. daselbst den Gläubigern des Mannes ertheilte Befugniß findet

auf die eingebrachten Mobilien keine Anwendung.

§. 248. Ueber die vorbehaltenen Mobilien ist er nur mit Bewilligung der Frau zu verfügen berechtigt. §. 249. Einseitige Verfügungen des Mannes über solche Mobilien, welche zu den gesetzlich vorbehaltenen gehören (§. 206.), sind nichtig"). §. 250. Dagegen hat, in Ansehung der nur durch Vertrag vorbehaltenen, und von dem Manne einseitig veräußerten Mobilien, die Frau nur in so weit ein Rückforderungsrecht, als dasselbe jedem Eigenthümer gegen einen dritten Besitzer zusteht. (Th. 1. Tit. 15.) §. 251. Was einmal zum eingebrachten oder vorbehaltenen Vermögen aus- Alterung gesetzt worden, behält diese Eigenschaft, so lange nicht ein Anderes durch aus- dun» »K drückliche ^) Verträge bestimmt wird. lr8gegeführte Verwaltung ihres Vermögens einseitig gültig zu erlassen, Erk. des O.Tr. I v. 4. Ian. 1874, Entsch. 71 S. 63, weil der Mann nur über die Mobilien, baaren Gelder und Inhaber­ papiere die freie Verfügung habe, nicht aber über Rechte und ein Verzicht auf diese eine Dis­ position über die Substanz sei. Indeflen gehören Forderungen an sich zu den beweglichen Sachen (I. 2 §. 7) und der §. 233 entzieht nur die dort charakterisirten Forderungsrechte der Frau der freien Verfügung des Ehemannes. 63) Der §. 247 hatte einen bis auf die Verordnung v. 7. April 1838 lebhaft fortgeführten Streit veranlaßt. H. Bergl. darüber Ergänzungen 2. Aufl. 3 S. 74; Ges.Rev. a. a. O. S. 165; Bornemann 5 S. 95. 54) H. Nicht die Vorschrift, daß die einseitige Verfügung nichtig ist, sondern der Gegensatz zu §. 250 ergiebt, daß die Frau bei der Rückforderung der veräußerten Mobilien nicht zur Ein­ lösung (I 15 8§. 25 u. 26) verpflichtet sein soll. Man ist offenbar davon ausgegangen, daß nur solche Mobilien, welchen man es gleich ansehen könne, daß sie der Frau gehören, gesetzlicher Vorbehalt derselben sind. Diese Voraussetzung trifft aber höchstens für denjenigen zu, welcher solche Sachen direkt vom Ehemanne, nicht aber für den, welcher sie aus dritter oder vierter Hand erworben hat. Dernburg 3 S. 86 Anm. 19. ist der Ansicht, daß man aus §. 249 nicht mehr herauslesen kann, als daß der Erwerber die Vermuthung des redlichen Erwerbes nicht für sich hat und in der Regel keine Rechte auf Erstattung des ausgelegten Kaufpreises geltend machen kann. Aber ein Prinzip, wonach die Ausnahmen zu bestimmen sind, giebt er nicht an. 55) Richt durch die bloße Aushändiguna an den Mann oder durch thatsächliche Verwendung zur Bezahlung der Schulden des Mannes. Die Forderung, welche die Frau hierdurch an den Mann erwirbt, ist vorbehaltenes Vermögen. Zu vergl. Erk. des O.Tr. v. 18. März 1806, Simon, Rechtsspr. 1 S. 197. 56) Diese Verträge müssen in der §§. 198—201 vorgeschriebenen Form abgeschloffen werden, weil die Frau tn beiden Fällen Verpflichtungen gegen den Mann übernimmt, welche ihr nicht von Rechtswegen obliegen. Es wird jedoch zweifelhaft gefunden. — Wenn aber Ein­ gebrachtes der Ehefrau an einen Dritten cedirt wird, so wird durch die Session die Ratur dieses

ISO

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 252—257.

§. 252. Solche Verträge können jedoch einem Dritten in seinen auf der­ gleichen Vermögen bereits erworbenen Rechten ”) nicht schädlich sein. §. 253. Auch kann die Natur des gesetzlich vorbehaltenen Vermögens durch dergleichen Verträge, zum Nachtheil68) eines Dritten, nicht geändert werden. Sr»»'»!^, §• 254. Wenn der Mann Grundstücke besitzt, so kann die Frau, auch ohne m engt- besondere Einwilligung desselben *•), die wegen ihres Eingebrachten ihr zukommenden dÄlL-ir-Rechte in dem Hypothekenbuche vermerken lassen80). §. 255. Außer diesem Falleei) kann die Frau besondere Sicherheitsbestellung, wegen ihres Eingebrachten, von dem Manne nur alsdann fordern88), wenn sich Umstände ereignen, welche die wahrscheinliche Besorgniß eines bevorstehenden Ver­ lustes begründen88).

Vermögens verändert, indem mit der (Session die Beibehaltung der Natur des Eingebrachten und die Fortdauer der dem Manne daran zustehenden maritalischen Rechte nicht vereinbar ist. Erk. des O.Tr. HI v. 24. Mai und 7. Juni 1861, Str. Arch. 41 S. 306. 67) Auf was für Rechte dies geht, ist nicht zu wiffen. Sind dingliche Rechte, z. B. Pfandrechte, welche die Frau auf vorbehaltene Vermögensstücke, die sie jetzt in Eingebrachtes verwandeln will, gemeint, so versteht es sich nach dem Grundsätze: res transit cum suo jure et onore, von selbst, was auch gegen den Entwurf normirt worden war und wozu Suarez schwieg. Ges.Rev. Pens. 15 S. 171. Hat man persönliche Rechte im Sinne gehabt, so ist nicht findbar, wie dieselben eine absolute Geltung gegen den redlichen Ehegatten, welcher durch die Veränderung erwirbt, sollen haben können. Ist an die Gläubiger deffen, der durch die Veränderung verliert, gedacht, so paßt der Ausdruck „auf dergleichen Vermögen bereits er­ worbene Rechte" nicht. Die Bestimmung erscheint somit in allen Beziehungen überflüssig oder unwirksam58) Wie man sich diesen zu denken habe, ist gleichfalls schwer zu sagen. Vielleicht hat man gedacht, es könne ein Dritter die Verbindlichkeit haben, die Frau fortwährend zu bekleiden; und es solle verhindert werden, daß die Frau die ihr angeschafften Kleider ihrem Manne als Eingebrachtes überliefere, wodurch das Bedürfniß neuer Kleider zum Nachtheile jenes Dritten erzeugt werden würde. Sehr gewiß ein seltener Fall. 69) Wenn nur die Summe oder die Gegenstände des Eingebrachten feststehen. Die Fest­ stellung muß in Ermangelung eines Anerkenntnisses durch richterliches Erkenntniß erfolgen. Vgl. die Anm. 63 Abs. 2. 60) H. Jedoch nach Art. XII des Ges. betr. die Einführung der Konk.Ordn. v. 8. Mai 1855 (G.S. S. 317) —, welcher noch maßgebend ist, s. Ausführungsges. z. D. Konk.Ordn. v. 6. März 1879 §. 4 (G.S. S. 109) — nur innerhalb eines Jahres nach dem Beginn der Ver­ waltung des Mannes, bez. nach der Erwerbung der Grundstücke durch denselben. Diese Frist läuft für jedes Grundstück besonders, und es steht die Versäumung derselben für das eine der rechtzeitig nachgesuchten Eintragung auf das andere nicht entgegen, Erk. des O Tr. III v. 14. Juli 1871, Str. Arch. 82 S. 275. — Der Erwerber eines vom Ehemanne für die Rück­ gewähr des Eingebrachten der Eheftau zur Hypothek gesetzten Grundstückes kann das letztere nicht durch Zahlung von dieser Hypothek befreien, wenn keiner der Fälle vorliegt, in welchen der Frau das Eingebrachte zurückzugewähren ist, Erk. des O.Tr. III v. 16. Juni 1873, Entsch. 70 S. 68. — Hat der Mann auch freiwillig die Jllatenpost innerhalb der Frist auf sein Grundstück eintragen lasten, so ist die Ehefrau doch vor der Anfechtungsklage der Gläubigerschaft ihres Mannes geschützt, Erk. des O.Tr. IV v. 14. Juni 1870, Entsch. 64 S. 360, s. auch IV v. 20. Dez. 1861, Str. Arch. 43 S. 299. 61) Außer dem Falle der Sicherheitsbestellung ist die Frau auch zu dem Zwecke, ein Anerkenntniß der Höhe ihres Eingebrachten zu erlangen, in stehender Ehe zur Klage gegen den Ehemann befugt. Pr. 811 des O.Tr. I v. 1. Febr. 1840, Präj.Samml. 1 S. 140. 62) H. Also dann nicht, wenn der Mann ihr den Unterhalt versagt, Erk. des O Tr. I v. 6. Sept. 1872, Entsch. 68 S. 27 u. Str. Arch. 86 S. 102. Vergl. §§. 711 ff. d. T. 63) Wenn gegen einen Beamten Gehaltsabzüge extra Hirt worden sind, ihm aber die zur Ernährung seiner Familie nöthigen Mittel bleiben, so hat die Frau das Recht, die Sicherstellung der Jllaten durch deren Herbeischaffung aus den Gehaltsabzügen zu verlangen; den Gläubigern des Mannes aber bleiben ihre Rechte an dem Nießbrauch ihrer Jllaten, wenn solche erst voll­ ständig konstituirt worden, vorbehalten. Pr. des O.Tr. v. 28. März 1826, Simon, Rechtsspr. 2 S. 282. Die Befugniß der Frau, unter den Voraussetzungen der §§. 255—258 Sicherstellung zu verlangen, ist durch die preuß. Konk.Ordn. von 1855 §. 103 Nr. 4 und das Einführungsges. v.

Bon dem Vermögen der Eheleute.

151

§. 256. So lange der Mann seiner Frau, und den mit ihr erzeugten Kindern, den nach Verhältniß ihres Standes nothwendigen Unterhalt gewährt, ist die Frau ihm die Verwaltung und den Nießbrauch des Eingebrachten zu entziehen nicht be­ rechtigt 64). §. 257. Die, auch einseitigen, Gläubiger eines Mannes sind daher befugt, sich an diesen Nießbrauch zu halten e5).

8. Mai 1855 Art. VII u. XII nicht aufgehoben (dagegen Seifert in Gruchot 10 S. 469); der Art. XII bezieht sich nur auf den der Frau im §. 254 gegebenen, in der Ausübung lediglich ihrem Belieben anheim gegebenen Titel zum Pfandrechte. Erk. des O Tr. I V v. 27. März 1860, Entsch. 43 S. 435, H. wiederholt im Erk. I v. 31. März 1876, Gruchot 20 S. 545. Diese besondere Sicherheit kann auch durch Hypothek bestellt werden. Erk. deff. Sen. v. 20. Dez. 1861, Str. Arch. 43 S. 302. H. Der §. 255 verlangt keineswegs, daß die Frau nachweise, der Ehemann besitze nicht mehr so viel Aktiv-Vermögen, um damit allen seinen Schuldverbindlich­ keiten gerecht werden zu können; und es ist auch unerheblich, ob der Grund der Unsicherheit des Ehemannes schon zur Zeit der Jllation des Vermögens vorgelegen hat oder erst später ein­ getreten ist, Erk. des O.Tr. I V v. 8. Juni 1871, Str. Arch. 82 S. 190. — Ist die Verpflich­ tung des Mannes nach §. 255 begründet, so kann er die Sicherheit auch ohne desfallsiges Auf­ fordern der Frau bestellen, und es ist gleichgültig, ob die eine wahrscheinliche Besorgmß eines bevorstehenden Verlustes begründenden Umstände sich erst nach erfogter Eheschließung ereignet haben, Erk. des O.Tr. 111 v. 11. Juli 1873, Entsch. 70 S. 177. 64) H. R.G. IV v. 12 Jan. 1880, Gruchot 21 S. 1023: Die Ehefrau hat ihrerseits, wenn sie dem Manne das Recht auf den Nießbrauch entziehen will, das betreffende Unvermögen des Mannes zu beweisen. Für die Bestimmung desjenigen, was nothwendig ist, kann es nur auf die bisherigen, obwaltenden Berhältniffe der Eheleute ankommen. Vgl. auch Anm. 38 Satz 2 zu §. 232 d. T. 65) Doch nur so weit der Nießbrauch nach einer von dem Gläubiger vorzulegenden Berech­ nung nicht erforderlich ist, um die Ansprüche zu erfüllen, die der Ehefrau nach §. 256 zustehen. Wird die Berechnung von der Frau angefochten, so ist darüber prozeßordnungsmäßig zu ver­ fahren und zu entscheiden. K O. v. 7. Dez. 1833 und R. v. 22. Nov. 1834, Jahrb. 44 S. 349. Diesen Grundsatz spricht auch das O.Tr. in dem Pr. 5 (ohne Datum), Pr.Samml 1 S. 140, aus: „Wenn der Gläubiger — der wegen einer rechtskräftig erstrittenen Forderung auf den seinem Schuldner an dem Vermögen seiner Ehefrau zustehenden Nießbrauch, namentlich auf die Zinsen eines zum Eingebrachten der Frau gehörigen, auf ihren Namen hypothekarisch eingetragenen Kapitals, behufs seiner Beftiedrgung durch ein gerichtliches Dekret angewiesen worden rst — im Wege des Prozesses zur Einziehung der ihm überwiesenen Zinsen eines solchen Jllatenkapitals schreitet, ist die Eheftau seines Schuldners rn demselben Verfahren zu interveniren und auszuführen befugt, daß ihr Ehemann die ihm gesetzlich obliegende Pflicht zu ihrer standesmäßigen Unterhaltung nicht mehr zu erfüllen vermöge, und hierauf den Antrag zu gründen: daß der auf den Nießbrauch ihres Mannes eindringende Gläubiger den zu ihrem standesmäßigen Unterhalte erforderlichen Theil der Zinsen des Jllatenkapitals ihr überlasten müsse, und nur den Ueberrest zu seiner Befriedigung in Anspruch nehmen könne." (H. Vgl.

auch Erk. des O.Tr. III v. 23. Mai 1873, Str. Arch. 90 S. 200.) Auch auf Rückstände an Zinsen und Einkünften findet dies Anwendung. In Beziehung darauf hat das O.Tr. IV folgendes Pr. 2407 v. 4. Nov. 1852 eintragen lasten: „1) Die Befugniß des Gläubigers eines Ehemannes, sich an den ehemännlichen Nießbrauch am eingebrachten Vermögen der Eheftau zu halten, ist an die Bedingung geknüpft, daß der Eheftau und den mit chr erzeugten Kindern der standesmäßige, nothwendige Unterhalt nicht verkümmert wird; die Eheftau ist daher be­ rechtigt, in so weit den zu diesem Unterhalte erforderlichen Theil der dem maritalischen Rieß­ brauche unterworfenen Einkünfte des eingebrachten Vermögens dem ehemännlichen Gläubiger zu entziehen. 2) Rückständige Einkünfte find davon nicht schlechthin ausgeschloffen, vielmehr rst die Frage: ob Rückstände zum standesmäßigen nothwendigen Unterhalte erforderlich sind, in jedem einzelnen Falle, nach den vorwaltenden besonderen Umständen zu beurtheilen." (Entsch. 24 S. 111.) Der Fall betraf rückständige Zinsen von einem eingebrachten Kapitale, die der Gläu­ biger hatte in Beschlag nehmen lasten. Das Gleiche gilt von Früchten eines der Eheftau ge­ hörigen Landguts. Erk. des O.Tr. HI v. 12. Juni 1863, Erttsch. 50 S. 244. H. Erk. deS O.Tr. IV v. 6. Nov. 1873, Entsch. 71 S. 52: Der Gläubiger, welcher fich an den seinem Schuldner zustehenden Nießbrauch vom Eingebrachten der Eheftau halten will, hat seinerseits nicht nachzuweisen, daß der Ehemann fähig rst, seine Familie zu unterhalten, vielmehr muß die Eheftau, welche ihrem Ehemanne und desten Gläubigern den Nießbrauch entziehen will, ihrer­ seits darthun, daß ihr Ehemann nicht im Stande ist, seine Familie zu unterhalten.

152

Zweiter Theil.

Erster Xitel.

§§. 268—268.

§. 268. Wenn aber der Mann diese Verbindlichkeit (§. 256.) nicht mehr zu erfüllen vermögend ist: so kann die Frau ihr Eingebrachtes iurürfforbmi66 * *), *67* *und allenfalls87) auf Eröffnung des Concurses über das Vermögen des Mannes an­ tragen. §. 259. In welcher Ordnung die Frau aus der Masse befriedigt werden müsse, wird in der Goncur3otbnung68)69bestimmt. §. 260. Aufgehobenfl9). §. 261 70). Die Verwaltung und Nutzung des aus dem Concurse 71) geret­ teten Eingebrachten fällt an die Frau zurück. Lus Mobilien (§. 247) findet die Vorschrift des §. 257 überhaupt keine Anwendung. §. 3 der B. v. 7. April 1888 (Zus. 24 zu §. 247). H. Vgl. auch R.Konk.Ordn. §. 1 Abs. 2, wonach der Nießbrauch des Ehemannes zur KonkurSmaffe gehört, aber der Unterhalt des Gemeinschuldners, seiner Ehefrau und Kinder auS dem ersteren vorweg zu bestreiten ist. 66) Bon dieser Befugniß kann die Ehefrau keinen Gebrauch machen, wenn ihr der noth­ wendige, standesmäßige Unterhalt gewährt wird, sei es von ihrem Ehemanne oder von einem Anderen (dem Gläubiger des Mannes). Pr. 75 des O.Tr. I v. 9. Sept. 1834, Präj.Samml. 1 S. 140. Die über daS Vermögen des Mannes, wenngleich auf Antrag anderer Gläubiger, erfolgte Eröffnung des Konkurses ersetzt den sonst zur Begründung der Klage auf Rückforderung ihres Eingebrachten von der Frau zu führenden Nachweis, daß der Mann ihr den nach Verhältniß ihres Standes nothwendigen Unterhalt zu gewähren nicht mehr im Stande sei. Erst wenn der Mann seinerseits sodann darthut, daß er wieder zu befferen Bermögensumständen gelangt ist, kann er fordern, daß ihm die Verwaltung und der Nießbrauch des Eingebrachten zurückgegeben werde. Erk. des O.Tr. I v. 13. Juli 1855, Str. Arch. 18 S. 104. — Daß der Ehemann durch erfolgte Prodigalitätserklärung ipso jure seine Rechte auf das Vermögen seiner Frau verlöre, daß Diese Rechte an die Frau dadurch zurückfielen, und daß Letztere daher nur selbst und für sich ihre Forderungen einziehen könne, wie das Ratiborer Appellationsgericht erkannt hat, — davon weiß die Rechtsgeschichte nichts. Vgl. Erk. des O.Tr. III v. 10. April 1863, Str. Arch. 49 S. 160. H. Vgl. Anm. 64 zu %. 256 d. T. u. R.G I H.S. v. 2. Jan. 1880, Entsch. 1 S. 136 u. Gruchot 24 S. 1024: Bei der Beurtheilung der Frage, ob der Mann die in §. 258 er­ wähnte Verbindlichkeit erfüllen kann, sind die Revenüen des Eingebrachten der Frau mit in Rechnung zu ziehen. 67) Schon dieser Ausdruck zeigt, daß der Antrag auf Konkurseröffnung nicht Bedingung der Zurückforderung sein sollte. Dafür hat sich auch das O.Tr. IV erklärt durch das Pr. 2089 v. 4. Jan. 1849: „Die der Ehefrau beigelegte Befugniß, ihr Eingebrachtes -urück-ufordern, findet auch ohne den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über daS Vermögen des Mannes Anwendung, und ist von dem Betrage ihres Eingebrachten, oder sonstigen Vermögens und deffen Einkünften nicht abhängig." Entsch. 17 S. 293. Diese Entscheidung setzt den Fall voraus, daß die Eheftau, bevor noch Die Gläubiger des Mannes auf das eingebrachte Vermögen An­ spruch erhoben haben, von der ihr im §. 258 zugestandenen Befugniß Gebrauch gemacht; da­ durch wird daS vormals eingebrachte Vermögen dem vorbehaltenen Vermögen gleichgestellt, folg­ lich können nachher die Gläubiger deS Mannes die Einkünfte des demselben vorher entzogenen Vermögens nicht mehr -um Gegenstände ihrer Befriedigung machen. Ist dagegen die Eheftau mit ihrem Ansprüche auf Aufhebung des ehemännlichen Nießbrauchs erst zu einer Zeit hervoretreten, in welcher die Gläubiger des Mannes den Nießbrauch bereits in Anspruch genommen atten, so kann dasjenige, was in dieser Beziehung zwischen der Frau und dem Manne fest­ gesetzt resp, entschieden wird, für die Gläubiger nicht unbedingt für bindend erachtet werden. Dann kommt es darauf an: wie viel mit Einschluß deffen, was der Mann hat und erwirbt, von den Revenüen des Eingebrachten, nach Abzug des standesmäßig nothdürftigen Unterhalts der Frau und Kinder, übrig bleibt. Dieser Ueberschuß ist Gegenstand der Befriedigung der Gläu­ biger des Mannes. Bgl. Erk. des O.Tr. III v. 9. Mär- 1860, Entsch. 42 S. 214 u. Str. Arch. 86 S. 304. 68) H. Im Gegensatz zu §§. 80 , 88—94 der preuß. Konk.Ordn. hat die R.Konk.Lrdn. v. 10. Febr. 1877 §§. 64 ff. jedes Borrecht beseitigt. UebergangSbestimmungen finden sich in §. 13 deS EinführungSges. dazu und im preuß. Ausführungsqes. v. 6. März 1879 §§. 18 ff. 69) H. Durch EinführungSges. z. C.P.O. §. 14 Nr. 2. Der §. lautete: Zum Beweise der geschehenen Einbringung ist, gegen die Gläubiger des Mannes, die Quittung desselben allein nicht hinreichend.

«

Von dem Vermögen der Eheleute.

153

§. 262. Doch muß aus den Einkünften desselben der nöthige Unterhalt des Mannes, nebst der Verpflegung und Erziehung der mit ihm erzeugten Kinder, so weit diese Einkünfte dazu erforderlich und hinreichend find ’*), besorgt werden. §. 263. Die Verwaltung der Frau ist in diesem Falle eben den Ein­ schränkungen von Seiten des Mannes unterworfen, welche sonst bei der Verwaltung des Mannes von Seiten der Frau statt findens. (§. 232. sqq.) §. 264. Wenn der Mann wieder zu besseren Bermögensumständen gelangt, so kann er fordem, daß ihm die Verwaltung und der Nießbrauch des Eingebrachten zurückgegebeu werden. §. 265. Doch hat die Frau ein Recht zum Widerspruche, wenn der erste Ver­ mögensverfall des Mannes durch seine nachlässige oder verschwenderische Wirth­ schaft entstanden ist. §§. 266 bis 268. Aufgehoben ’4). 70) H. Die §§. 261—266 find durch bad Einführungsges. z. Konk.Ordn. v. 8. Mai 1855 Art. VIII aufrechterhalten; vgl. jedoch folgende Anm. 71) Oder aus dem Exekutionsverfahren. Anm. 65. — Bal. preuß. KonkOrdn. g. 93, wodurch die §§. 261, 262 erheblich abgeändert werden. Nach diesen tritt die Ehefrau in die Verwaltung und Nutznießung ihres Vermögens, sobald sie dieses aus der Konkursmasse erhalten kann, was bei Gegenständen, welche noch vorhanden, find und der Vindikation unterliegen, nicht lange währt; und alsdann muß der Mann seinen Unterhalt aus den Erträgen mtt erhalten, nach §. 262. Der eit g. 93 aber ordnet, indem er einer anderen Meinung unter den gemeinrechttichen Schriftstellern folgt, als welche die Vers, des L.R. hier angenommen haben (m. s. darüber Koch, Recht der Forderungen, 2. Aust., Bd. I g. 58 a. E.), an, daß die Gläubiger­ schaft an Stelle des Mannes in die Verwaltung und Nutznießung, so lange solche während des Konkurses dauert, tritt, und daß der Frau der standesmäßige Unterhalt daraus für sie und ihre Kinder, und auch für den Mann, gereicht werden solle. Sie erhält mithin erst bei der Beendigung des Konkurses die Verwaltung und Nutzung, wenn sie nicht wegen Unzulänglichkeit des Unterhalts schon ftüher auf Grund der g§. 256, 268 d. T. die Entziehung der Verwaltung und Nutznießung durchsetzen kann. In Folge davon wird also dem Manne der Unterhalt, welchen er nach §. 262 mit haben soll, jetzt während des Konkurses entzogen. H. g. 1 der R. Konk.Ordn. entspricht dem 8. 93 der preuß., jedoch mit der Ausnahme, daß auch der Mann dm angemeffenen Unterhalt beanspruchen kann. Die Bestimmung deS g. 261 findet auch auf ein von der Frau nach Eröffnung des Kon­ kurses erworbenes, die rechtliche Natur des Eingebrachten annehmmdes Grundstück Anwmdung. Erk. des O.Tr. I v. 13. Juli 1856, Str. Arch. 18 S. 104. 72) Die Substanz braucht mithin die Frau nicht angreifen zu lassen. Das ist folgerichtig. Die Frau hat keine civilrechtliche Verbindlichkeit zur Alimenttrung des verarmten ManneS; hier hat lediglich das Sitten- und LiebeSgesetz seine Herrschaft. Aus den §§. 174 und 435 läßt sich eine solche civilrechtliche Verbindlichkeit nicht begründen. Deshalb kann auch ein Gläubiger deS Mannes die Alimente, welche er für den zum Schuldarreste gebrachtm Schuldner hergegeben hat, aus der Substanz des Vermögens der Frau gar nicht, und aus dm Einkünften des Gingebrachtm, nur so weit solche nach Bestreitung der Bedürfniffe für Frau und Kinder reichen, er­ stattet verlangen. Zu vgl. R. des J.M. v. 17. Dez. 1838, Jahrb. 42 S. 450. Renten gehören, wie Penfionm, zu dm laufenden Einkünften. Anm. 40 äu g. 283 d. T. 73) Steht der Mann unter Vormundschaft (wegm Gemüthskrankhett oder Verschwendung), so konkurrirt in allen solchm Fällm der Vormund des Mannes. R. v. 21. Mai 1821, Jahrb. 17 S. 262. Die Ehefrau, welcher währmd der Ehe Verwaltung und Nießbrauch an dem eingebrachtm Vermögen durch richterliche Entscheidung, insbesondere durch ein Interimistikum im EbescheidungSprozefse, überlaffen wordm, ist nicht berechtigt, ohne Konsens deS Ehemannes über oie Subfttmz der ihrer Verwaltung übergebmm Grundstücke zu verfügm. Erk. deS O.Tr. HI v. 23. April 1852, Str. Arch. 6 S. 121. 74) GinführungSges. v. 8. Mai 1855 Art. VIII, G.S. S. 318. Die gg. 266—268 lauteten: g. 266. Soweit dem in EoneurS verfallmm Ehemanne, durch Gesetze oder Verträge, ein Erbrecht auf das Eingebrachte, dessen Entziehung nicht von dem Willm der Frau abhängt, versichert ist, kann die Frau die Herausgabe defseüen nur gegm bestellte hinlängliche Sicherhett fordem. §. 267. Kann sie diese nicht leisten: so muß sie sich damit begnügm, daß ein zu ihrer Befrie-

154

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 269-289.

§. 269. Die Rechte, welche der Frau, zur Sicherheit ihres Eingebrachten, in dem Vermögen des Mannes zukommen, gebühren ihr auch wegen der vom dem Manne versprochenen 75), aber noch nicht ausgezahlten Morgengabe. 88- 270 und 271. Beseitigt "). 8- 272. Eine Entsagung der Frau auf ihre gesetzmäßigen Vorrechte in dem Vermögen des Mannes, ist nicht anders, als wenn sie gerichtlich erklärt toirb77), gültig. 8- 273. Aufgehoben 78). 8- 274. Dagegen verliert die Frau ihr Vorrecht, und steht allen anderen Gläubigern des Mannes nach 79), wenn sie in dessen Abwesenheit sein Vermögen übel verwaltet und dadurch zu seinem Verfalle Anlaß gegeben hat. 8- 275. Jngleichen, wenn der Mann durch sie zu einer verschwenderischen Lebensart verleitet worden. Born Erd8- 276. Aeltern, Verwandte und Freunde, welche den Eheleuten etwas aus schatze«-. digung hinreichendes Capital, bis zur Trennung der Ehe, in der Masse zurückbleibe; und sie bis zu diesem Erfolge nur die Zinsen davon erhalte. §. 268. Hat die Frau, vor oder bei Schließung der Ehe, durch einen an sich rechts­ beständigen Vertrag sich die Befugniß vorbehalten, auch über diesen Theil ihres Vermögens, bei einem über den Mann ausbrechenden Concurse, nach Gutbefinden zu verfügen: so ist sie den­ selben weder in der Masse zurückzulassen, noch Sicherheit dafür zu bestellen verpflichtet. 75) Anm. 7 zu 8. 207 d. T. 76) Durch §. 80 der preuß. Konk.Ordn. Die §§. lauteten: §. 270. Auch wegen des vor­ behaltenen und nicht mehr in Natur vorhandenen Vermögens, dessen Besitz und Verwaltung der Mann in stehender Ehe überkommen hat, gebührt der Frau, zu ihrer Sicherheit, ein in der Concursordnung näher bestimmtes Vorrecht vor anderen Gläubigern. §. 271. Hat sie aber dem Manne zinsbare Darlehne aus ihrem vorbehaltenen Vermögen gemacht, so wird ihr Rang unter den übrigen Gläubigern lediglich nach der Beschaffenheit der sich ausdrücklich vorbedungenen Sicherheit beurtheilt. 77) Unter Zuziehuna eines Beistandes. §§. 198—201. 78) H. Lautete: Begiebt sich eine Frau ihres gesetzlichen Vorrechtes zu Gunsten eines Gläubigers ihres Mannes; so muß, das Eigenthum mag im Hypothekenbuch vermerkt sein oder nicht, die bei Bürgschaften vorgeschriebene Verwarnung hinzukommen. (Th. 1. Tit. 14. §. 229. 230.) 79) H. Die Konk.Ordn. v. 8. Mai 1865 übergeht diesen Fall, und hat damit indirekt den Grundsatz, daß die Frau in dem vorausgesetzten Falle allen anderen Gläubigern nachgeht, aufgehoben, weil die Konk.Ordn. die gesammten Rechte der Frau im Konkurse regelt, und die­ selbe nicht (§. 84) unter den post omnes stehenden Gläubigern erwähnt. Außer dem Falle des Konkurses kann die Frau, welche von dem Borwurfe der üblen Wirthschaft oder der Verleitung zur Verschwendung getroffen wird, ihr Eingebrachtes auch in dem Falle des §. 258 d. T. von dem Manne nicht zurückfordern. 80) Das Institut des Erbschatzes ist von den Berf. des L.R. neu erfunden aber todt ge­ blieben; kein Mensch macht davon Gebrauch, zum Beweise, daß Rechtsinstitute sich nicht machen lassen. Die Erfindung wurde in dem gedr. Entwürfe Th. I Abth. 1 S. 65 mit folaender Be­ merkung anempfohlen: „Bei der Lehre vom Erbschatze ist eigentlich nichts neu, als ver Name. Er ist ein zu Gunsten" einer gewissen Ehe, und der daraus zu erwartenden Kinder, bestelltes Fideikommiß. Diesem eine gesetzliche Form zu ertheilen, war um deswillen nothwendig, weil der Fall häufig vorkommen kann, wo Aeltern oder andere Personen angehenden Eheleuten etwas, zur Unterstützung bei den Lasten des Ehestandes, und zur künftigen Versorgung der Kinder zu­ wenden; dabei aber versichert sein wollen, daß diese ihre Absicht, durch verschwenderische oder unbesonnene Dispositionen der Eheleute nicht vereitelt werde. Da nun überdem die Römische Lehre von der dos aus überwiegenden Gründen nicht beibehalten werden kann: so mußte der­ selben eine andere gesetzliche Einrichtung, mittelst welcher jene Absicht erreicht werden kann, substituirt werden." — v. Grolmann und Schlosser hatten zwar Ausstellungen gegen die neue Erfindung gemacht, von Suarez ist aber das Institut in den Vorträgen über die Schlußrevision des G.B., wie folgt, in Schutz genommen worden: „Der Zweck bei der Einführung des Erbschatzes ist, den Aeltern, welche ihre Töchter bei deren Berheirathung mit einem beträchtlichen Vermögen aussteuern, ein Mittel an die Hand zu geben, wie sie wenigstens einen Theil desselben -um Besten der ehelichen Sozietät und der daraus zu erzeugenden Kinder konservirea, und en Verlust durch die Verschwendungen oder unbesonnenen Unternehmungen des Ehemannes er stellen können. Der Erbschatz ist also eigentlich ein Fideikommiß, welches zum Besten der

S

Bon dem Vermögen der Eheleute.

155

ihrem eigenen Vermögen zuwenden, sind berechtigt, Bedingungen festzusetzen, unter welchen die Eheleute dasselbe besitzen und genießen sollen. §. 277. Verordnen sie, daß dergleichen Zuwendung zum Besten der aus dieser Ehe erzeugten Kinder aufbewahrt werden solle, so heißt dieses ein Erbschatz. §. 278. Verwandte und Fremde können Alles, was sie den Eheleuten zuwen­ den, zum Erbschatze bestellen. §. 279. Aeltern haben gleiche Befugniß: jedoch mit Ausschluß der Mobiliar­ ausstattung und mit Vorbehalt des Rechts der Kinder wegen ihres Pflichttheils. §. 280. Ein Erbschatz kann nur in einer gewisien bestimmten Summe bestellt werden. §. 281. Die Bestellung selbst muß allemal schriftlich geschehen. §. 282. Will der Besteller des Erbschatzes demselben eine besondere Sicherheit auf Grundstücke oder ausstehende Capitalien verschaffen, so muß deren Regulirung gerichtlich erfolgen. §. 283. Wird die zum Erbschatze bestellte Summe auf ein Grundstück ange­ wiesen, so muß der Richter dafür sorgen81), daß sie in das Hypothekenbuch einge­ tragen, und die Eigenschaft des Erbschatzes dabei vermerkt werde. §. 284. Wird ein Capital zum Äbschatze bestellt, so muß diese Bestimmung

auf dem Instrumente, und wenn dasselbe eingetragen ist, auch im Hypothekenbuche bemerkt, und dem Schuldner davon Nachricht ertheilt werden. §. 285. Wo die über den Erbschatz ausgestellten Instrumente verwahrt werden sollen, hängt von dem Willen des Bestellers ab. §. 286. Hat dieser sich nicht erklärt, so gebührt die Verwahrung der Instru­ mente demjenigen, welchem der Nießbrauch des Erbschatzes zukömmt. §. 287. So lange die Ehe, für welche der Erbschatz ausgesetzt worden, besteht, gebührt die Verwaltung und der Nießbrauch dem Manne; in so fern nicht der Be­ steller ein Anderes ausdrücklich verordnet hat. §. 288. Nach getrennter Ehe fällt der Nießbrauch dem überlebenden oder unschuldigen Ehegatten zu. (§. 541. sqq.) §. 289. Auch das Eigenthum fällt demselben anheim, wenn aus der Ehe, für welche der Erbschatz bestimmt war, keine Kinder vorhanden find. ehelichen Sozietät und der daraus zu erzeugenden Kinder gestiftet worden. ES behält diese Qualität, so lange die Ehe dauert. Soluto matrimonio sind entweder Kinder vorhanden, oder nicht. Sind keine Kinder vorhanden, so erlangt der überlebende oder unschuldige Ehegatte das voll« freie Eigenthum. Sind Kinder vorhanden, so geht auf diese das Eigenthum über, und der überlebende oder unschuldige Ehegatte behält ad dies vitae den Usumfructum. Stirbt auch dieser, so hört der Erbschatz ganz auf, und wird ein freies Eigenthum der Kinder. Di« speciellen Vorschriften sind darauf gearbeitet: a) daß zwar der Erbschatz für diejenigen, zu deren Besten er ausgesetzt ist, konservirt; dabei aber b) daS dazu gewidmete Objekt dem' Commercio so wenig als möglich entzogen und darüber, so weit es ealva conservatione der Rechte der Substituten geschehen kann, frei« DiSpoition gelaffen; auch >as Publikum gegen alle Gefährdungen, welche aus der unbekannten Erbschatzqualität entstehen könnten, sicher gestellt werde. Da nun auch die Bestellung eines Erbschatzes überhaupt bloß Juris permissivi ist, und Nie­ mand dergleichen zu konstituiren gezwungen wird, so dient diese ganz« Theorie nur zur Er­ gänzung der bisherigen Gesetze und enthält nur eine nähere Modifikation der schon de jure communi einem jeden Vater zukommende Befugniß, zum Besten seiner Kinder und Enkel Fideikommiffe und fideikommiffarisch« Snbstitutiones zu errichten. Merkwürdig ist eS übrigens, daß unter 63 Monenten, welche Erinnerungen über de« Entwurf bei Gesetzbuches eingereicht haben,

S

nur zwei find, welche sich gegen den Erbschatz erklären." (Jahrb. 41 6. 118.) 81) Der Richter (d. h. das Amtsgericht) muß hiernach von Amtswegen die nöthigen Ein­ tragungen verfügen, beziehungsweise durch Requifition des Grundhuch-AmteS veranlassen. H. S. Turnau bei Gruchot 20 S. 781.

166

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 290—310.

§. 290. Sind aber Kinder vorhanden, so erlangen diese das Eigenthum nach den im folgenden Titel enthaltenen Bestimmungen. §. ‘291. Der zum Mißbrauche berechtigte Ehegatte hat, wegen der Verwaltung des Erbschatzes, nur eben die Rechte, welche einem Ehemanne in Ansehung der ein­ gebrachten Capitalien seiner ^rou beigelegt sind. §. 292. Nur unter denjenigen Umständen, unter welchen ein solches Capital von dem Ehemanne, auch ohne den Willen der Frau, eingezogen werden kann, ist der Meßbraucher des Erbschatzes zu desien Einziehung berechtigt 8e). 8- 293. War aber der Erbschatz nach §. 282. sqq. gerichtlich versichert, so muß auch die Einziehung gerichtlich geschehen, und die dafür anderweit zu bestellende Sicherheit gerichtlich regulirt werden. §. 294. So lange der Besteller noch am Leben ist, kann derselbe, mit Zu­ ziehung **) der Eheleute, die Eigenschaft des Erbschatzes wieder aufheben, und dem­ selben die Eigenschaft des eingebrachten oder vorbchaltenen Vermögens beilegen. §. 295. Ein gänzlicher Widerruf des Erbschatzes aber kann nur von den Gläu­ bigern deS Bestellers, und nur unter eben den Umständen erfolgen, unter welchen eine Schenkung Schulden halber widerrufen werden kann. (Th. l.Tit. 11.81129. sqq.) 8- 296. Ist die zum Erbschatze ausgesetzte Summe dem Ehemanne ohne be­ sondere Sicherheit anvertraut worden, so kann er zur Bestellung einer solchen Sicherheit nur in dem Falle, wo er dergleichen für das Eingebrachte zu leisten verpflichtet ist, angehalten werden. 8- 297. Doch gilt, wegen Eintragung eines solchen Erbschatzes auf die Grundftücte des Ehemannes, eben das, was wegen der Eintragung des Eingebrachten verorbnet ist. (§. 254. 255.) 8- 298. Nach dem Tode des Bestellers kann die Substanz des Erbschatzes, auch mit Einwilligung beider Eheleute, nicht veräußert, verpfändet, oder fönst geschmälert werden 84 82).*83 86 8- 299. Doch können die Eheleute, wenn sie unter einander einig sind, die Hälfte des Erbschatzes zur Ausstattung der Kinder verwenden. 8- 300. Wenn aus der Ehe, für welche der Erbschatz bestellt worden, keine Kinder vorhanden, auch nach dem Lause der Natur, wegen hohen Alters beider Ehe­ leute, keine mehr zu erwarten sind: so kann der Erbschatz mit ihrer gemeinschaftlichen Bewilligung aufgehoben werden. 8- 301. In allen Fällen, wo nach dem Abgänge des Bestellers eine Ver­ änderung mit dem Erbschatze vorgenommen werden soll, muß der Richter die alsdann vorhandenen großjährigen Kinder, oder einen den Minderjährigen zu bestellenden Curator zuziehen. 8. 30*2. Ist die Substanz des Erbschatzes keinem der beiden Eheleute in die Hände gegeben, sondern bei einem Dritten auf sein Grundstück oder Capital ange­ wiesen worden; so kann derselbe bei einem über das Vermögen Eines oder beider Eheleute entstehenden Concurse nicht zur Masse gezogen werden. 8- 303. Hat aber der Gememschuldner den Erbschatz in Händen gehabt, so gebührt demselben, wenn nicht eine besiere Sicherheit ausdrücklich bestellt ist, das Vorrecht, welches die Gesetze dem Eingebrachten beilegen88).

eben

82) In den Fällen, wo bei dem Eingebrachten die Bewilligung der Frau erforderlich ist, wird auch wohl bei dem Erbschatze die Frau dazu berufen sein sollen. 83) D. h. mit Zustimmung; denn wenn sie bloß zugezoyen werden sollten, ihr Widerspruch aber nicht beachtet werden müßte, so bedürfte es auch der Zuziehung nicht. 84) Nämlich nicht ohne Zustimmung der Kinder. Sind diese damit einverstanden, so giebt es keinen zum Widersprüche Berechtigten. Bergl. § 801. 86) H. S. Anm. 68 zu §. 259 d. T.

Bon dem Vermögen der Eheleute.

157

§. 304. Reicht die Masse zur Bezahlung des Eingebrachten und des Erbschatzes zugleich nicht hin, so wird der Ueberrest unter beide, nach Verhältniß ihres Be­ trages, vertheilt. §. 305. Sogleich, als über das Vermögen des Verwalter- und Nießbrauchers eines Erbschatzes Concurs entsteht, und der Richter von dem Dasein einer solchen Stiftung Nachricht erhält, muß er von Amtswegen dafür sorgen, daß dem Erbschatze **) ein Curator bestellt werde. §. 306. Dieser Curator überkömmt sodann die.Verwaltung des Erbschatzes. §. 307. Die Einkünfte aber müssen nach der Verordnung des Bestellers, und in beten Ermangelung, nach den Vorschriften der Gesetze, zur Tragung der Lasten des Ehestandes, besonders zum Unterhalte und zur Erziehung der Kinder, verwendet werden. §. 308. Bleibt sodann von den Einkünften noch etwas übrig, so gehört es den Gläubigern des in Concurs verfallenen Nießbrauchers. §. 309. Auch an die Substanz können diese Gläubiger sich halten, sobald die­ selbe in der Folge dem Gemeinschuldner als freies Eigenthum anheimfällt. §. 310. Geschenke unter Eheleuten sind, wie unter Fremden, gültig87). so« e*» ------------------------

86) Nicht der Sache, sondern den berechtigten (bereits vorhandenen oder noch ungeborenen) Personen sollte der Kurator bestellt werden. 87) Gültig, das soll heißen zulässig. Zu vergl. Anm. zu I. 11 §. 1063. In wie fern sie gültig, hängt von der Beobachtung der für die Verträge unter Eheleuten, wodurch die Frau zum Vortheile des Mannes belastet wird, in den LZ. 198—201 vorgeschriebenen Form ab. S. Anm. 37 Satz 2 zu §. 198. Es war aber vor Allem nothwendig, die Schenkungen unter Eheleuten für zulässig zu erklären, denn sie waren bis dahin positiv verboten. Als Entstehunasgrund des Verbots ist in neuerer Zeit (Burchardi, Possessio civilis etc., im Archiv für d. civilist. Praxis 20 S. 14 ff., in der Zugabe) die rechtliche Natur der alten strengen Ehe wieder hervorgehoben, indem in dieser Ehe die Frau vermögenslos war und insbesondere als alieni iuris keine possessio civilis haben konnte, woraus oas Verbot der Schenkung unter den in trenaer Ehe lebenden Eheleuten entstanden und in die freie Ehe mit herübergenommen worden ein soll. v. Savigny (Recht des Besitzes, 6. Aust., Einl. S. LXVI) bezeichnet diese Ableitung des Verbots als neu. Aber Suarez trägt diese Lehre in den Schlußverhandlungen vor, wo er sagt: „Der Grund, warum Schenkungen unter Eheleuten de jure Komano erst ganz verboten waren, und in der Folge, so lange der schenkende Ehegatte lebte, widerrufen werden konnten, berührte darin: 1) weil de jure Komano antiquo die Frau gegen den Mann in dem Verhältniffe einer filiae familias stand, und also mit ihm pro una persona geachtet wurde; Niemand aber sich selbst etwas schenken kann; 2) weil jure noviori die Ehetrennungen bei den Römern so äußerst leicht und willkürlich waren; und man daher besorgte, daß, wenn ein Ehegatte den anderen durch abgelockte Schenkungen ausgezogen hätte, dann aber sich scheiden ließe, der andere Ehegatte in gänzlicher Armuth zurückbleiben möchte. Beide Gründe paffen nicht mehr auf unser Zeitalter, und da durch die allgemeinen Gesetze über die Schenkungen gegen Uebereilungen und übertriebene Freigebigkeiten hinlängliche Vorsorge getroffen worden ist, so hat man nicht nöthig, Eheleute in solchen Erweisungen von Liebe und Zuneigung mehr, als Andere, einzuschränren. Nur zur Verhütung von Schenkungen, die in fraudem creditorum geschehen, waren noch einige Maßregeln erforderlich." Jahrb. 41 S. 114. In einer Anm. im gedr. Entw. Th. I Abth. 1 S. 68 wird der Grund, warum nach R. R. Schenkungen unter Eheleuten ungültig waren, einestheils in der Leichtigkeit der Ehescheidungen bei den Römern und der damit verknüpften Besorgniß, daß eigennützige Ehemänner den Leichtsinn der Frauen mißbrauchen, sie durch abgelockte Schenkungen um das Ihrige bringen, oder auch, aus Unwillen über die Weigerung der Frau, ihr den Scheidebrief geben möchten, anderentheils in der Besorgniß der Römer gefunden, daß die Schenkungen unter Eheleuten als Prätext zu Simulationen nnd Verkürzungen der Gläubiger eines unordentlichen, verschuldeten Ehemannes gemißbraucht werden möchten. Der erste von diesen Gründen falle bei uns weg, der zweite aber finde noch Anwendung; hiernach seien die §§. 211—216 eingerichtet. Aus welcher Quelle Suarez die Mittheilung aus der Röm. Rechtsgeschichte geschöpft hat, habe ich nicht ermittelt. Daß fie ungeschichtlich ist, ergiebt sich schon daraus, daß bei der in manum conventio daS Verbot undenkbar ist, weil daS, was für sich unmöglich, nicht verboten zu werden braucht; daß die Leichttgkeit der Scheidungen nach der angeblichen Besorgniß der Römer doch nur daS Verbot der Schenkungen der Frau an den Mann, aber nicht umgekehrt, rechtfertigen würde; und daß es gegen die zuletzt hervorgehobenen

hin gen luttei Eheleuten.

158

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 311—320.

§. 311. Auch der Widerruf ist nur unter solchen Umständen zulässiz, unter welchen auch ein fremder Geschemgeber dazu berechtigt sein würde. §. 312. Ausgehoben "). »nh. 8- 74. Aufgehoben«). §. 313. Erhellet aber, daß die Schenkung zu einer Zeit geschehen, wo der schenkende Ehegatte noch nicht über sein Vermögen verschuldet war: so findet der Widerruf nur in so fern statt, als die geschenkte Sache noch in dem Vermögen des beschenkten Ehegatten vorhanden ist; oder dieser im Besitze eines durch die Schenkung erlangten Vortheils sich noch wirklich befindet ®°). §. 314. Was der Mann der Frau zum standesmäßigen Unterhalte an Kleidern, oder anderen Sachen gegeben hat, wird ein freies Eigenthum derselben §. 315. Dergleichen Zuwendungen können auch von den Gläubigern des

Bon den Schulde« b< Eheleute.

Mannes, unter dem Vorwande einer Schenkung, nicht widerrufen werden. §. 3IG. Bei demjenigen hingegen, was die Frau an Juwelen, Gold, Silber, oder sonst zur Bracht, von dem Manne erhalten hat, gilt bei einer erfolgenden Ab­ sonderung des Vermögens die Vermuthung, daß ihr solches nur geliehen worden. §. 317. Kann die Schenkung erwiesen werden, so gilt auch von solchen Effec­ ten °2) alles das, was von Schenkungen unter Eheleuten überhaupt verordnet ist. §. 318. Das vorbehaltene Vermögen kann die Frau, auch ohne Bewilligung des Mannes, mit Schulden belasten. §. 319. Doch muß der, welcher einer Ehefrau auf ihr vorbehaltenes Vermögen Credit giebt, wenn er seine Befriedigung währendes) der Ehe fordern will, dasselbe durch Emttagung in das Hypothekenbuch, oder durch Uebergabe des Obligations­ instruments, oder der beweglichen Sache, sich besonders versichern lassen94).

Betrügereien gegen die Gläubiger andere wirksame Rechtsmittel gab. Das nicht auf einem Prinzipe, sondern auf sittlichen Ansichten beruhende Verbot bezweckt die Erhaltung der sittlichen Reinheit der Ehe (L. 1 D. de don. inter vir. et uxor. XXIV, 1) und hat einen streng posi­ tiven Charakter, v. Savigny, System 8 S. 335. Die Gründe der Berf. rechtfertigen also die Aufhebung des Verbots alle nicht. 88) H. Beseitigt durch R.Konk.Ordn. §. 25 Nr. 2. Der §. lautete: Doch können Schenkungen eines in Concurs verfallenen Ehegatten, die auf einer bloßen Freigebigkeit beruhen, ohne Unterschied der Zeit, wann sie gemacht worden, von den Gläubigern desielben widerrufen werden. 89) H. Durch Einführungsgesetz v. 8. Mai 1855 Art. II und KonkOrdn. §. 103 Nr. 3. Dadurch war der §. 312 wieder hergestellt worden, welcher aber durch die R.Konk.Ordn. (s. vor. »nm.) von Neuem beseitigt ist. Der §. 74 des Anh. lautete: „Der Ausdruck: ohne Unterschied der Zeit, bezieht sich nur aus den §. 1129—1132. Tit. 11. Th 1. des Landrechts, aber nicht auf den §. 1133. eben daselbst, und es können daher die Gläubiger auch die unter Eheleuten gemachten Geschenke nicht widerrufen, wofern sie früher als drei Jahre vor eröffnetem Concurse rechtsgültig erfolgt sind." 90) Der Entwurf hatte statt: „oder dieser im Besitze eines durch die Schenkung erlangten Vortheils sich noch wirklich befindet", die Worte: „oder dieser dadurch noch wirklich reicher ist". Suarez bemerkte in der rev. mon.: „Es wird auf Weglassung der Worte: „oder dieser rc." angetrogen, weil es gar zu schwer sei, in concretro zu bestimmen, wenn Jemand durch das Geschenk noch reicher sei. Allein durch die im Sachenrechte Tit. 13 232, 233 gegebenen Bestimmungen wird der Zweifel wohl in den meisten Fällen gehoben werden. Allenfalls könnte man statt der monirten Worte setzen: „oder dieser im Besitze eines durch die Schenkung erlangten Vortheils sich noch wirklich befindet". Jahrb. 52 S. 44. Es ist also ganz dasselbe gemeint, was an anderen Stellen mit jenen Worten ausgedrückt ist. H. Vergl. §. 30 der R.Konk.Ord. 91) Vergl. §. 206. 92) Vergl Anm. zu I. 2. §. 13. 93) Nach Auflösung der Ehe kommt der §. 619 d. T. zur Anwendung. Zu vergl. die folg. Anm. 94) „Die Nothwendigkeit der Eintragung oder Uebergabe bei Schulden der Ehefrau bezieht sich bloß auf den im §. 318 angegebenen Fall, wenn die Schulden auf das vorbehaltene Ver-

Lon hem Vermögen der Eheleute.

159

8- 320, In Ansehung des eingebrachten Vermögens sind alte95) von der mögen derselben ohne Bewilligung des Ehemannes kontrahirt sind." Pr. 342 des O.Tr. I v. 18? Sept 1837. H. Die Beschränkung cessirt, d. h. der Vorbehalt der Frau haftet dem Gläubiger unein­ geschränkt, wenn der Ehemann das Recht der Einwilligung zur Belastung des vorbehaltenen Vermögens allgemein aufgegeben und die Ehefrau zur freien selbstständigen Verfügung ohne seine Zuziehung generell berechtigt hat. Erk. des O.Tr. IV v. 19. Okt. 1871, Str. Arch. 84

S. 74; denn die Einschränkung des §. 319 ist lediglich im Jntereffe des Ehemannes, nicht im öffentlichen Jntereffe festgesetzt. TL Wenn L d. Erk. des O.Tr. IV v. 4. Dez. 1866, Entsch. 57 S. 339, Str. Arch. 64 S. 321, ausgesprochen wird, daß die in Bezug auf ihr vorbehaltenes Vermögen wechselfähige Ehefrau sich auf die mit der rechtlichen Natur wechselrechtlicher Verbindlichkeiten unvereinbare Vorschrift des §. 319 nicht berufen kann, so mag das zwar dem Berkehrsbedürfnifle entsprechen, indeffen da die Wechselordnung für die Wechselfähigkeit die civilrechtliche Lertragsfähigkeit ent­ scheiden läßt, so bleibt der §. 319 auch für Wechselverbindlichkeiten maßgebend, s. P. Hinschius, Zeitschr. f. Gesetzgebung Bd. 1 S. 721. 95) H. Darunter sind alle vertragsmäßig von der Frau eingegangenen Verpflichtungen, auch Wechselverbindlichkeiten begriffen, R.O.H.G. III v. 17. Febr. 1875, Entsch. d. R.O.H.G. 19, 205. R.G. V v. 3. Febr. 1881, Gruchot 26 S. 118. Dieses „alle" bezieht sich zwar nicht auf die aus unerlaubten Handlungen entstandenen Verbindlichkeiten; dennoch aber ist zu behaupten, daß der Ehemann der Tilgung aus dem Eingebrachten zu widersprechen berechtigt ist. Tas alte R. v. 25. Jan. 1796 (Rabe 3 S. 250) will das Gegentheil, weil von der allgemeinen Regel des §. 27 I. 6 hier keine Ausnahme gemacht werde, vielmehr der Mann sogar verpflichtet sei, die Kosten in Jnjuriensachen und bei Kriminal­ untersuchungen gegen die Frau ex propriis zu tragen, §§. 190, 191; und weil in dem völlig gleichen Falle des väterlichen Nießbrauchs von dem nicht freien Vermögen der Kinder der Ersatz eines durch unerlaubte Handlungen der Kinder Jemandem zugefügten Schadens auch aus dem nichtfteien Vermögen, des väterlichen Nießbrauchs ungeachtet, erfolgen solle, IL 2. §. 203 Die Gründe sind unzutreffend. Die angerufene allgemeine Verordnung des §. 27 I. 6 sagt ausdrücklich nur, daß der Schade aus dem Vermögen desjenigen, welcher den Schaden angerichtet hat, ersetzt werden solle; also nicht aus dem Vermögen eines unschuldigen Anderen. Von dem Eingebrachten ist aber der Nießbrauch in dem Vermögen eines Anderen, folglich kann von der Substanz nicht» genommen werden, ohne das Vermögen dieses Anderen anzugreifen. Die persönliche Verbindlich­ keit des Mannes, die Frau in Jnjurienprozeffen und Kriminaluntersuchungen auf seine Kosten zu vertheidigen, beweiset nicht das Mindeste, weil der Mann gerade dafür, daß er diese zum Unterhalte der Frau gehörige Last trägt, den Nießbrauch des Eingebrachten seiner Frau hat. Von der Bestimmung des |. 203 II. 2, bezüglich auf das nichtfteie Vermögen der Kinder, ist

wegen Ungleichheit der Fälle eine analoge Anwendung unzulässig. Denn einestheils ist das Verhältniß zwischen Vater und Kind nach Entstehung und Inhalt ein anderes, als das auf lästigem Vertrag beruhende zwischen Mann und Frau (§. 339 und Anm. 21 dazu), und anderentheils trägt der Erzeuger und Erzieher eines ungezogenen Kindes eine moralische Mitschuld an dessen unerlaubten Handlungen Darauf gründet sich eben die anomale Bestimmung des §. 203. Der Entwurf verordnete das Gegentheil, daß der Damnifikat warten müsse, bis das nicht freie Vermögen des Kindes von dem Nießbrauche des Vaters frei werde. Allein die hiergegen ge­ richteten Monita hatten die Umänderung in die Vorschrift des §. 203 zur Folge, in Erwägung, daß, unter Anderem, „leicht Fehler bei der Erziehung untergelaufen sein können, wenngleich solche nicht immer auszumitteln sind". Borne mann, System 2 S. 184. Bei dem ehemännlichen Nießbrauche ist die allgemeine Regel des §. 72 I. 21 nicht abgeändert. In den Gründen des Pr. 2726 v. Juni 1862, welches das gütergemeinschaftliche Vermögen für Entschädigungen aus unerlaubten Handlungen der Ehefrau für verhaftet erklärt (siehe Anm. 51 zu §. 389 d. T.), wird bezüglich meiner obigen Ausführung gesagt: „Das von Koch aus dem 72 I. 21: „„Nach eingeräumtem Nießbrauche aber kann der Eigenthümer durch neue persön­ liche oder Realschulden das Recht und den Genuß des Nießbrauchers nicht schmälern"", ent­ nommene Gegenargument beweist indessen zu viel und erscheint schon deshalb nicht zutreffend. Ganz abgesehen davon, daß der §. 72 doch keine ausnahmslose Regel aufftellt, §. 73, sowie davon: ob derselbe dann wirklich auch auf das Verhältniß der Eheleute zu einander unbedingt Anwendung findet; so bieten die §§. 176 u. 203 II. 2 eine weit näher liegende und passendere Analogie dar. Wie das L.R. im Eherechte das vorbehaltene und eingebrachte Vermögen der Frau unterscheidet, so stellt dasselbe Th. II Tit. 2 Abschn. 3 das freie und das nichtfteie Ver­ mögen der Kinder gegenüber. Auf die Analogie der diesfallsigen Bestimmungen hinstchtlich des maritalischen und des väterlichen Nießbrauchs ist schon öfter hingewiesen worden, und eS muß daher auch hier gestattet sein, auf die allegirten §§. 176 u. 203 zu rekurriren." Entsch. 47

160

Zweiter Theil.

Frau während der Ehe, nichtig,7).

Erster Titel.

§§. 390—335.

ohne Bewilligung'*) des Mannes,

gemachten Schulden

S. 388 XL Str. Arch. 46 S. 132. Durch diese Widerlegung werden die angeführten Gründe -ar nicht berührt. Zuerst ist die Behauptung, daß das aus dem §. 72 L 21 entnommene Gegenargument zu viel beweise und schon deshalb nicht zutreffend erscheme, eine beweislose Behauptung. Hier­ nächst enthält die Fragstellung: ob die Regel deS §. 72 auf das Verhältniß der Eheleute unbe­ dingt Anwendung finde, eben nur eine unbeantwortet gelassene Frage, beweist also auch nichts. Endlich aber ist die Analogie der §§. 167 u. 205 als eine zulässige durchaus zu bestreiten. Diese Stellen gründen eine Ausnahme bei dem väterlichen Nießbrauche und diese Ausnahme wird ganz speciell auS dem besonderen Verhältnisse zwischen Vater und Kind, insbesondere auch durch eine dem Vater vielleicht zur Last fallende verwahrloste Erziehung, gerecktfertigt, was auf Eheleute ganz und gar nicht paßt. Ueberdies ist es ein feststehender Rechtsgrurwsatz, daß positive Ausnahmen keine analoge Anwendung leiden. B. Hinsichtlich der vorstehend erörterten Kontroverse ist zunächst festzuhalten, daß der §. 320 die Haftung der Frau für Delikte an und für sich nicht ausschlxeßt, denn derselbe bezieht sich nur auf Rechtshandlungen derselben. Ihr vorbehalteneS Vermögen haftet also unbeschränkt. Dagegen treffen die Ausführungen Koch's in so fern das richtige, als die Frau den Nießbrauch des Mannes ebenso wenig durch unerlaubte Handlungen schmälern kann, wie der Eigenthümer den von ihm einem andern an seinem Ver­ mögen bestellten Usüfruktus. Der Berechtigte wird indeffen dadurch nicht gehindert, gegen die Frau zu klagen, und Exekutionen, bez. Arrestbeschlüffe auszubringen, welche das maritalische Nießbrauchsrecht ungeschmälert lasten, ihn selbst aber für den Fall der Beendigung deffelben sicher stellen (vgl. auch Korn in Behrend und Dahn, Zeitschr. 7 S. 602, 603). 96) „Die zur Gültigkeit der Schuld einer Ehefrau erforderliche Bewilligung des Mannes bedarf, auch bei Gegenständen über 50 Thlr., nicht unbedingt, und namentlich nicht bei Darlehen, der schriftlichen Form." Pl.Beschl. (Pr. 1842) des O.Tr. v. 1. März 1847, Entsch. 14 S. 33; J.M.Bl. S. 155; H. wiederholt im Erk. deS HI. Sen. v. 27. Jan. 1871, Str. Arch. 80 S. 276. Dieser Rechtssah kann auf den Fall nicht ausgedehnt werden, wo ein wegen mangelnden Konsenses nichtiges Rechtsgeschäft der Ehefrau und eine, erst nachträglich zu demselben erklärte, Ge­ nehmigung des Ehemannes vorliegt. In diesexn Falle kann der Formmangel der Letzteren durch die Form des Rechtsgeschäfts der Ehefrau eben deshalb nicht gedeckt werden, weil dieses Rechts­ geschäft nichtig, also rechtlich nicht vorhanden ist. Erk. des O.Tr. IV v. 7. Sept. 1865, Str. Arch. 60 S. 149. Bergl. Anm. 10 Abs. 2 zu §. 329. H. Erk. des R.O H.G. R. v. 7. März 1871: Die Einwilligung des Ehemannes zu Handelsgeschäften der Ehefrau bedarf zur Gültigkeit nicht einer schriftlichen Abfassung oder anderer Förmlichkeiten, nicht einmal ausdrücklicher Erklärung, Entsch. d. R.O.H.G. R. 2, 97; Stegemann, Rechtsspr. 1, 311. Erk. best. II v. 25. Nov. 1871: Wenn ein Ehemann zu einen gewissen Kreis von Handelsgeschäften die erforderliche Bewilligung ertheilt hat, so bedarf es zur Rechtsbeständigkeit einzelner in diesen Kreis fallender Akte der Frau keiner besonderen oder nochmaligen Genehmigung des Ehexnannes, vergl. Entsch. 4 S. 162; Stegemann 4 5. 365. 97) Die Meinungen darüber: ob die Obligation nur in Beziehung auf den Mann, wegen seines Nießbrauchs (relativ), oder absolut nichtig sei, dergestalt, daß sie auch nicht nach Auflösung der Ehe gegen die Frau geltend gemacht werden kann, widersprechen sich. Das im L.R. ange­ nommene System der Güterreckte und die zwar nirgend ausgesprochene, aber doch überall voraus­ gesetzte ehemännliche Vormundschaft über die Frauen führen nothwendig zur absoluten Ungültig­ keit von derselben Art, in welcher die von handlungsunfähigen Personen unternommenen Rechts­ geschäfte überhaupt keine gültige Verbindlichkeit für den Unfähigen erzeugen. Die ältere Praxis des ObertribunalS widersprach sich. M. s. die beiden Rechtsfälle in Hoffmann's Repertorium, 3 S. 373 u. 378. Die neuere Praxis ist entschieden für die absolute Ungültigkeit. Pr. v. 6. April 1825, Simon, Rechtsspr. 2 S. 262 xxnd Pr. 67 II S. von 1834 (Präj.Samml. 1 S. 141): „Aus Darlehnsverträgen, welche voxx einer Eheftau ohne Einwilligung des Ehemannes xxicht ausdrücklich auf vorbehaltenes Vermögen geschlossen wurden, kann auch soluto matrimonio nicht geklagt werden, sondern es ist die Klage nur ex versione in rem zulässig. Auf Grund der §6. 210, 230 II. 1 und 334 des L.R. und des daxnit korrespondirenden §. 319 des Entwurfs zum Gesetzbuche, endlich der in den Motiven zuxn neuesten Entwürfe des Titels ad 241 ange­ führten Materialien." (H. Erk. des O.Tr. IV v. 29. Sept. 1874, Entsch 73 S. 63: Ein ohne Zustimmung des Ehemannes von einer Eheftau geschlossener und realisirter Kauf ist nicht zu Recht beständig; ebenso R.G. I H. v. 16. Mai 1882, Gruchot 27 S. 450, Annal. 6 S. 160, für Darlehen). „Eine märkische Ehefrau kann zwar, auch ohne Zuziehung und Einwilligung ihres Ehemannes, persönliche Verbindlichkeiten, namentlich Schuldverpflichtungen xnit der rechtlichen Wirkung gültig eingehen, daß diese nach getrennter Ehe gegen sie und ihr Verxnögexx geltend

Von dem Vermögen der Eheleute.

161

§. 321. Hat jedoch die Krau zu gewöhnlichen Haushaltungsgeschäften oder Nothdurften^ Waaren oder Sachen**) auf Borg genommen"), so muß der Mann dergleichen Schuld als die (einige anerkennen 10°). §. 322. Hat eine Frau dergleichen Schulden gemacht, ob ihr gleich von dem Mann das nöthige Geld zur Besorgung der Wirthschaft eingehändigt worden: so ist der Mann berechtigt, aus ihrem vorbehaltenen, und in dessen Ermangelung, aus der Substanz des eingebrachten Vermögens, Ersatz zu fordern. 8- 323. Kann oder willer dieses nicht, so steht ihm frei, zur Verhütung künftiger Schulden dieser Art, richterliche Hülfe *) durch öffentliche Bekanntmachung*) nachzusuchen. §. 324. Hat die Frau Sachen oder Gelder erborgt, und zum gemeinschaftlichen Besten beider Eheleute nützlich verwendet: so wird dadurch die Schuld verbindlich*). (§. 322. 323.)5). §. 325. Hat eine Frau, welcher von dem Manne ein Theil seines Gewerbes übertragen worden, während seiner Abwesenheit, zum Betriebe desselben Schulden gemacht; so sind dieselben gültig*); wenngleich weder die Verwendung geschehen, noch der gehoffte Nutzen daraus erfolgt ist. gemacht werden dürfen, keineswegs aber ist sie befugt, in stehender Ehe, ohne Einwilligung des Ehemannes, Veräußerungsverträge über das eingebrachte Vermögen mit jener Wirkung zu schließen, vielmehr sind solche einseitig eingegangene Verträge ungültig." Pr. 2522 des O.Tr. I v. 29. Mai 1854, Entsch. 29 S. 137 u. Str. Arch. 13 S. 140. Dieser inkonsequente Satz wird auf das Erbschasts-Ed. v. 30. April 1765 Abth. 11 §§. 4 u. 7 gebaut. H. Bergl. auch Korn in Behrend u. Dahn, Ztschr. 7 S. 588. 98) H. Hierher gehört nicht die Anschaffung von Sachen zum Retablissement der durch Brand zerstörten Wirthschaftssachen, R.G. I H.S. v. 31. März 1881, Gruchot 26 S. 1008. 99) Gelder sind hier mit Vorbehalt nicht mit genannt; auf solche findet nur der §. 324 Anwendung nach den von Bornemann 5 S. 106 mitgetheilten Materialien. Auch zu vergl. Sinnt. 8 zu §. 326. 100) Die Frau wird nicht Mitschuldnerin. Das Märkische Provinzialrecht weicht von dieser, dem Gemeinen Rechte, wonach gleichfalls der Ehemann die Lasten der Ehe zu tragen hat, entsprechenden Vorschrift des L.R. nicht ab. Erk. des O.Tr. IV v. 4. Febr. 1864, Str. Arch. 56 S. 26. H. Für den ersteren Satz auch IV v. 4. Jan. 1877, Entsch. 79 S. 25, Str. Arch. 97 S. 106. 1) Diese Maßregel steht ihm also frei, auch wenn er durch das Vermögen der Frau gedeckt ist. Der Mann kann sich mithin gegen die Entziehung seines ehemännlichen Nießbrauchs durch das richterliche Verbot sichern. Er kann aber, nach Umständen, auch auf Prodigalitätserklärung antragen. . 2) Privathülfe, d. h. Privatverbot ist unwirksam; der Richter muß zuvörderst die Noth­ wendigkeit der Maßregel feststellen. Dies erhellet aus den Materialien, indem auf den Vortrag der betreffenden Monita konkludirt wurde: „Der Mann kann sich wegen solcher Verschwendung an die Jllata der Frau halten ; kann oder will er das nicht, so muß er richterliche Hülfe, suchen." Ges.Rev. Pens. 15 S. 205. Ueber die Form dieser richterlichen Hülfe fehlen die Vorschriften. Es scheint, daß nicht ein förmlicher Prozeß in der Absicht gelegen, vielmehr nur eine Kognition und Bekanntmachung des Bormundschaftsgerichts gemeint gewesen ist, wie im Falle des §. 239. 3) Die Art derselben ist dem Befinden des Richters überlaffen. 4) Für wen? Auf dieses Monitum antwortete Suarez in der rev. mon., daß es von den Umständen abhänge: ob der Mann die Schuld aus seinem eigenen oder dem Vermögen der Frau bezahlen müsse, und daß es zur Auseinandersetzung gehöre, wem eine solche Schuld zur Last falle. Ges.Rev. Pens. 16 e. 206. Die Antwort ist ausweichend. Die Frage ist: wer dem Dritten gegenüber haste. Die Antwort darauf ist: der Mann und nur der Mann. Denn die Frau hat sich für ihre Person durch Vertrag (durch das Rechtsgeschäft), ohne deS ManneEinwilligung, nicht verbindlich machen können, und durch die versio in rem kann nur der Ge­ schäftsherr, d. i. der Mann, verbindlich gemacht worden sein. §. 328. 5) Das Allegat muß heißen: „§§. 321. 322". Augenschein und R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 60 S. 475. 6) Für den Mann nämlich, und zwar vermöge seiner Einwilligung, welche in der Uebertragung des Gewerbes enthalten ist. §. 328. Hat die Frau schlecht gewirthschastet und ihm Koch, Allgemeines Landrecht. III. 8. Aufl.

11

162

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 326—336.

§. 326. Hat der Mann sich entfernt, ohne wegen des Unterhaltes feiner Familie, ober des Betriebes feines Gewerbes, hinreichende Verfügungen zu treffen, so muß er diejenigen Schulden, welche die Frau zu solchem Behufe hat aufnehmen müssen ’), als die feinigen anerkennen"). §. 327. Ein Gleiches findet statt, wenn der Mann durch eine anhaltmde Krankheit völlig außer Stand gefetzt wird, wegen Unterhaltung der Hauswirthfchaft, oder zum Betnebe feines Gewerbes, die nöthigen Verfügungen zu treffen. §. 328. In vorstehend benannten Fällen (§. 321—327.) ist der Gläubiger, wegen der von der Frau gemachten Schuld, sich an den Mann') zu halten wohl befugt. §. 329. Auch wegen einer solchen Schuld der Frau, in welche der Mann nur eingewilligt") hat, wird feine Person und Vermögen dem Gläubiger verhaftet"). geschadet, so ist sie dafür dem Manne, bei der dereinstigen Auseinandersetzung, nach Beschaffen­ heit des Falles, verantwortlich, aber gegen den Dritten erwächst ihm daraus kein Einwand. 7) Unter diesem „Schulden aufnehmen" ist die specielle Art des Schuldenmachens durch Borgen von Sachen, Geldern und Waaren gemeint, nicht aber aeht der Ausdruck auch auf den Ber­ kaus von Sachen, oder auf Verträge überhaupt, welche die Ehefrau für den Mann, beziehungsweise für die Gütergemeinschaft eingeht. Erk. des O.Tr. IV v. 26. Ott. 1865, Str. Arch. 61 S. 169. — Wenn der Mann jahrelang im Zuchthause saß, ohne während dieser Zeit für den Unterhalt von Frau und Kindern -u sorgen, so muß die Frau für berechtigt erachtet werden, nicht bloß Schulden zu machen, sondern auch die vorhandenen Geldmittel und ausstehende Forderungen des Mannes zu ihrem und chrer Kinder Unterhalt zu verwenden. Erk. des O.Tr. III v. 24. Nov. 1865, Str. Arch. 61 S. 259. 8) Die Bestimmung kann nicht analog angewendet werden auf den Fall, wenn umgekehrt die Frau sich eigenmächtig von dem Manne entfernt und zu ihrem Unterhalte Schulden ge­ macht hat. 9) Nicht auch an die Frau. (EL So auch Erk. des O.Tr. VI v 4. Jan. 1877, Entsch. 79 S. 25, Str. Arch. 97 S. 106.) Die Frau kontrahirt hier als gesetzliche Stellvertreterin des Mannes, so lange der Mann die ihm dagegen gebotene Hülfe (§. 323) nicht anwendet. Oben »nm. 4 ju §. 324. - H. Das Erk. des O.Tr. HI v. 8. Nov. 1869, Str. Arch. 76 S. 193, hat aber angenommen, daß in den Fällen der §§. 326 u. 327 nicht allein der Ehemann, sondern auch die Ehefrau hafte, indem mit Rücksicht auf das Anm. 100 zu §. 321 mitgetheilte Präjudikat bemerkt wird, daß im Gegensatz zu den Fällen der §§. 321—324 die Absicht des §. 326 vereitelt werden, die Frau kreditlos bleiben würde, wenn man die Frau nur als im Namen des Mannes kontrahirende Bevollmächtigte betrachten wollte. Dies paßt aber nicht aus §. 327, und ferner­ betrachtet eben das Gesetz in den völlig gleichgestellten Fällen der §§. 321—327 die Frau als Bevollmächtigte des Mannes. 10) Ueber die Form der Einwilligung : Anm. 96 zu §. 320 d. T. (H. Da auch still­ schweigende Einwilligung genügt, so tritt die Verpflichtung auch ein, wenn beide Eheleute gemeinschaftlich Handwerker-Arbeiten bestellen, R.G. I H. v. 23. März 1881, Gruchot 25 S. 1022.) Schon durch die bloße Mitunterschrift des Schuldscheins der Frau seitens des Mannes, als ehelichen Beistandes, konsentirt er und wird dadurch aus diesem Gesetze (nicht etwa aus dem Rechtsgeschäfte der Frau, in das er durch den bloßen Konsens nicht eingetreten ist,) für die Schuld verbindlich. Zu vgl. Entsck. des O.Tr. IV 20 S. 249 und Erk v. 7. Jan. 1817, Simon's Rechtsspr. 1 S. 309, EL der Mann haftet solidarisch neben der Frau, O.Tr. III v. 27. Juni 1862, Str. Arch. 46 S. 166 ; R.O.H.G. I v. 16. Okt. 1878, Entsch. 24 S. 360. Die Einwilliguna muß vor und bei der Eingehung der Schuld erklärt worden sein; ein späteres Zahlungsversprechen stellt sich als Uebernahme einer fremden Schuld dar. Erk. des O.Tr. IV v. 17. Sept. 1861, Str. Arch. 43 S. 75. Auch für die Verbindlichkeit seiner Ehefrau aus einem Wechsel-Accepte, welches er nach Ausweis des Wechsels genehmigt hat, haftet der Ehemann dem Gläubiger, doch nicht wechselmäßig. Erk. des O.Tr. IV v. 10. Sept. 1863, Entsch. 50 S. 248. H. Ebenso Erk. des R.O.H.G. S. II v. 17. Febr. 1875, Entsch. des R.O.H.G. 19 S. 205. Vergl. Anm. 96 zu §. 320. 11) „Die Verhaftung des Ehemannes für kontrahirte Schulden der Ehefrau ist auf solche Schulden, welche die Frau schon vor der Ehe gemacht hat, nicht auszudehnen." Pr. 1368 des O.Tr. III v. 25 Nov. 1843, Präj.Samml. 1 S. 141. „Die Vorschrift des §. 329 ist nicht allein auf Darlehns-, Waaren- oder ähnliche Geld­ schulden der Frau, sondern auch aus Verbindlichkeiten anderer Art zu beziehen, welche fir die Frau aus lästigen, mit Konsens des Mannes geschlossenen Verträgen hervorgehen. — Diese

Von dem Vermögen der Eheleute.

163

§. 330. Ausgenommen ist der Fall, wenn der Mann, bei n)a Ertheilung seines Konsenses, sich gegen die Selbfthaftnng ausdrücklich verwahrt hat. §. 331. Alsdann aber muß der Mann, vermöge seiner Einwilligung, geschehen lassen, daß der Gläubiger seine Befriedigung gegen die Frau, allenfalls auch durch persönlichen Arrest") derselben nachsuche. §. 332. Hat der Gläubiger, wegen der von der Frau gemachten Schuld, sich ein Unterpfandsrecht in dem Vermögen der Frau bestellen lassen; so ist ihm, der von dem Manne ertheilten Einwilligung ungeachtet, doch nur das Vermögen der Frau verhaftet13 * *).14 * * 15 * * 16 * * * * * 12 §. 333. In allen Fällen, wo der Mann, bloß wegen seiner ertheilten Ein­ willigung, eine Schuld der Frau bezahlen muß, findet die Verordnung des §. 322. Anwendung "). §. 334. Ist eine Schuld der Frau, wegen ermangelnder Einwilligung des Mannes, ganz ungültig"): so kann der Gläubiger nur dasjenige zurückfordern, was von den gegebenen Sachen oder Geldern erweislich noch vorhanden"), oder nützlich verwendet 17)18ist. (Th. 1. Tit. 13. Abschn. 3.) §. 335. Die Schulden einer Frau, die für sich ein eigenes Gewerbe treibt, welches seiner Beschaffenheit nach, Credit und Verlag erfordert, bedürfen in keinem Falle der Genehmigung des Mannes. §. 336. Vielmehr können die Gläubiger einer solchen Eheftau die Execution in ihr bereitestes Vermögen, so wie gegen ihre Person, nachsuchen"). Vorschrift gehört nicht zu denen, welche in der Mark Brandenburg suspendirt sind." Pr. 2360 des O.Tr. v. 23. Febr. 1852, Entsch. 22 S. 347 u. Str. Arch. 5 S. 46. In dem Erk. IV v. 6. Mai 1856, Str. Arch. 21 S. 168, sagt dass, wieder das Gegentheil in Beziehung auf die Kurmark, — H. und zwar mit Recht, vgl. Korn a. a. O. S. 605 (Anm. 97 zu §. 320). — Die der Wechselunterschrift einer Ehefrau noch mit dem Beisatze „als ehelicher Beistand" himugefüate Namensunterschrift des Ehemannes begründet nicht die Uebernahme einer Wechselverbmdlichkeit deffelben. Erk. des O.Tr. v. 3. April 1860, Siebenhaar rc., Arch. 10 S. 215. 11 a) Er muß, wenn er den Konsens schriftlich ertheilt, in derselben Urkunde, vor deren Aushändigung, seine Verwahrung vermerken, und wenn er den Konsens durch bloße Mitunterschrift des Schuldscheins seiner Frau als deren Beistand giebt (Anm. 10), muß er sofort bei­ fügen, daß er nicht persönlich hasten wolle. 12) H. So weit dieser jetzt noch zulässig ist. 13) Dieser Fall ist also eine zweite Ausnahme (die erste enthält der §. 330) von der Regel des §. 329. 14) Vorausgesetzt, daß die Frau weder in seinem Auftrage, noch ohne Auftrag das Ge­ schäft des Mannes besorgt hatte. Denn hätte z. B. die Frau auf Verlangen deS Mannes ein Darlehn auf ihren Namen ausgenommen und der Mann, dem Darlehnsgeber gegenüber, nichts weiter gethan, als darin gewilliget, und wäre das gegebene Geld der Frau durch Zufall ent­ kommen: so wäre der Mann auch bloß wegen seiner ertheilten Einwilligung dem Dritten ver­ haftet. Dennoch würde er sehr gewiß von der Frau keinen Ersatz zu fordern haben. Der Mann ist zwar, dem Gläubiger gegenüber, in der Regel Mitschuldner, in dem Berhältnifle zwischen Mann und Frau aber ist die Frau die eigentliche Schuldnerin, nicht der Mann. Diese Regel gilt auch von den ohne besondere Genehmigung des Mannes gemachten Schulden einer Frau, die für sich ein eigenes, Kredit und Vorlagen forderndes, Gewerbe treibt. Erk. des O.Tr. III v. 27. Juni 1862, Str. Arch. 46 S. 167. 15) Anm. 97 zu §. 320 d. T. 16) Diese Klage (Bindikation, oder Bereicherungsklage) geht gegen die Person, hinter welcher sich die Sachen oder Gelder zur Zeit der Klageanbringung befinden, also auch gegen die Frau, wenn sie solche hinter sich hat. 17) Mit dieser Klage kann nur gegen den Ehemann verfahren werden; sie setzt daher voraus, daß die Frau das Empfangene in den Nutzen deS Mannes verwendet hat. In ihren eigenen Nutzen kann die Frau als Unfähige nicht verwenden; könnte sie das, so würde die direkte Klage aus dem Rechtsgeschäfte selbst zulässig, d. h. die Schuld würde nicht ungültig sein. Gegen sie ist also die Vindikation oder die Bereicherungsklage rechtlich möglich. Zu vergl. die Anm. zu I. 13. §. 274 18) Die §§. 335 und 336 gehören, nach der Meinung des I M., nicht zu den in der

Zwetter Theil.

164

Erster Titel.

§§. 337—345.

8- 337. Auch der Mann ist ihnen verhaftet"), wenn die Frau die Einkünfte eines solchen besonderen Gewerbes sich nicht ausdrücklich Vorbehalten hat. §. 338. Hat die Frau vor der Heirath Schulden gehabt, so sind die Gläubiger, sich deshalb an ihre Person und Vermögen50) ohne Einschränkung zu halten, wohl befugt. §. 339. Wird durch solche Schulden, welche die Frau dem Manne verschwiegen hatte, deren Eingebrachtes vermindert, so kann er den Ersatz dieses Abganges aus dem vorbehaltenen Vermögen fordern 21). §. 340. Ein Gleiches findet statt, wenn die Frau dem Manne wisientlich 22) fremde Sachen als ihre eigenen eingebracht hat, und dieselben demnächst, während der Ehe, wieder herausgegeben werden müssen. »m «arg§. 341. Aufgehoben"). «rtrau** §. 342. Soll für die zum Besten eines Fremden geleistete Bürgschaft auch das Eingebrachte der Ehefrau hasten, so ist dazu 24) die Einwilligung des Mannes nothwendig. §. 343. und 344. Aufgehoben.25) Anh. §. 75.

Aufgehoben").

Mark suspendirten Stellen. R. v. 5. März 1798, Rabe 5 S. 54. Ein Gutachten des O.Tr. v. 9. Jan. 1781 hielt dafür, daß von der Regel, daß eine Frau wegen ohne Einwilligung des Mannes kontrahirter Schulden nicht in Anspruch genommen werden könne, nur der Fall eine Ausnahme mache, wenn die Frau kündbare Handlung treibe, oder bei ihres Mannes lang­ wieriger Abwesenheit in usum rei familiaris kontrahirt habe. Rabe 1 Abth. 1 S. 463. Diese Auslegung erklärt jenes R. v. 5. März 1798 für zu eng. 19) Wegen seiner Einwilligung in den Gewerbebetrieb, worin auch die Einwilligung in die damit verbundenen Schulden enthalten ist. Der §. 337 wird durch den Art. 8 des H.G.B. nicht berührt. Einf.Ges. v. 24. Juni 1861 Art. 19. 20) An das Vermögen kann sich auch der Ehemann, wegen vorehelicher Forderungen an die Frau, in stehender Ehe halten. Anm. 34 z. §. 231. 21) Rach dem Grundsätze über Gewährleistung; die Einbringung enthält ein lästiges Rechtsgeschäft. Daher kann aus einem erst nach der Einbringung entstehenden Rechtsgrunde dem Manne an seinem wohlerworbenen Rechte nichts entzogen werden. 22) Das Erforderns des Dolus ist nicht grundsatzwidrig. Denn das eingebrachte Ver­ mögen ist ein Inbegriff von Sachen und Rechten (universitas Juris), den der Mann in Bausch und Bogen erhält. Dabei gilt als Grundsatz, daß der Uebertragende nicht die einzelnen in dem Inbegriffe befindlichen Sachen oder Gerechtsame zu vertreten hat. Zu vergl. I. 11 §§. 484, 485. Es muß also ein besonderer Grund vorhanden sein, wenn der Mann Ersatz für einzelne ihm entzogene Gegenstände zu fordern berechtigt sein soll; und ein solcher Grund ist der Dolus, sowie das Versprechen. 23) Lautete: Alles, was die Gesetze bei den Bürgschaften einer Frauensperson überhaupt erfordern, muß auch bei den Verbürgungen einer Ehefrau beobachtet werden. (Th. 1. Tit. 14. §. 221. sqq.) Vgl. Zusatz zu §. 220. Tit. 14. Th. 1. 24) Aus dieser Bestimmung darf nicht geschloffen werden, daß, wenn der Gläubiger, bei welchem Bürgschaft geleistet wird, nicht befugt sein soll, sich an das Eingebrachte während der Ehe zu halten, alsdann die Einwilligung des Mannes zur Verbürgung der Frau nicht erforderlich fei. Daraus würde ein Widerspruch mit dem Prinzip des §. 320 entstehen. Es soll aber hin­ sichtlich der Bürgschaften der Ehefrau kein anderer Grundsatz gelten als in Ansehung der Verbindlichmachung derselben überhaupt. Die Einwilligung des Mannes zur Verbürgung der Frau ist nur in dem Falle entbehrlich, wenn die Frau mit vorbehaltenem Vermögen einsteheu will. Darauf geht der §. 341. Will aber die Frau persönlich haften, so kommt der Grundsatz des §. 320 auch bei Bürgschaften zur Anwendung: und soll der Gläubiger das Eingebrachte auch noch während der Ehe angreisen dürfen: „so ist dazu die Einwilligung des Mannes noth­ wendig", d. h. der Mann darf sich nicht auf seine Erlaubniß zur Verbürgung der Frau, unter Verwahrung gegen seine persönliche Haftung, beschränken, sondern er muß erklären, daß er sich die Befriedigung des Gläubigers aus dem Eingebrachten gefallen lasse. 25) Lauteten: §. 343. In allen Fällen, wo die Frau, während der Ehe, Bürgschaft für den Mann leisten, seine Schulden übernehmen, oder zum Besten seiner Gläubiger sich ihrer Vor­ rechte begeben will, muß die Handlung nicht nur gerichtlich, sondern auch mit Zuziehung eines ihr bestellten rechtskundigen Beistandes erfolgen. — Anh. §. 75. An Orten, wo keine rechts-

Von der Gemeinschaft der enkaeberS, oder auf den Namen beider Eheleute geschrieben finb8T), kann er ohne Bewilligung88) der Frau nicht aufkündigen88) oder einziehen40).

Erbe des Erstverstorbenen angesehen. Dr. des O.Tr. I v. 11. Sept. 1848, Rechtsf. 4 S. 339. Ueber die lübische eheliche Gütergemeinschaft vergl. Anm. 2 lit. d zu §. 345 d. T. H. Ueber die Belastung mit Grundschulden vergl. Anm. 38 zu §. 232 d. TZur Bestellung des Vorkaufsrechts an dem zur ehelichen Gütergemeinschaft gehörigen Grundstücke bedarf der Ehemann der Genehmigung der Eheftau. Erk. des O.Tr. 111 v. 11. Mai 1868, Str. Arch. 71 S. 167. H. Der in Gütergemeinschaft lebende Ehemann ist nicht befugt, ohne Zuziehung der Ehe­ frau auf eine höhere Entschädigung, als durch Resolut der Verwaltungsbehörde bewilligt worden, für ein expropriirtes Grundstück zu verzichten. Auf diesen Fall findet vielmehr §. 378 Anwendung. Erk. d. O.Tr. III v. 18. Mai 1863, Entsch. 49 S. 182 ; Str. Arch. 49 S. 207. Auf Grund eines nur vom Ehemanne abgegebenen Anerkenntniffes darf gegen die mit­ verklagte Eheftau in einem Prozesse, der das Eigenthum eines zur ehelichen Gütergemeinschaft gehörenden Grundstücks betrifft, eine Agnitoria nicht abgefaßt werden, Erk. des O.Tr. I v. 18. Sept. 1863, Entsch. 50 S. 258; kommen dagegen in einem derartigen Prozefie Er­ klärungen nicht vor, welche eine Veräußerung in sich schließen, so ist der Mann zur alleinigen Führung des Prozeffes l^itimirt, es sei denn, daß das Grundstück zum Eingebrachten der Frau gehört. Erk. des O.Tr. I v. 6. Nov. 1863 (a. a. O. S. 263), s. auch I. 1 §. 23 A.G O. Der gütergemeinschastliche Ehegatte ist einen Prozeß in Betreff eines zum gütergemeinschastlichen Vermögen gehörigen, aber nicht von der Eheftau eingebrachten Grundstücks allein zu führen befugt, aber nicht, behufs Beendigung eines solchen mit dem Gegentheile einen Ver­ gleich einzugehen, mittelst deffen er das betr. Grundstück ganz oder theilweise veräußert. Erk. des O.Tr. Ü v. 13. Dez. 1870, Str. Arch. 80 S. 170. H. Zur Auflassung seitens des allein eingetragenen Ehemanns bedarf es nicht der vor­ gängigen Einschreibung des Miteigenthums der Eheftau und der Gütergemeinschaft, wohl aber ihre Veräußerungsgenehmigung, Johow Jahrb. 7 S. 153, s. auch gegen 4 S. 68 a. a. O. Johow, Jahrb. des Kammer-Ger. 1 S. 62 u. Dernburg 3 S. 108 Note 3. H. Ueber die Wirkung der von dem Ehemanne dennoch einseitig, ohne Einwilligung der Frau unternommenen Veräußerung oder Belastung sind die Meinungen verschieden. Nach einer Meinung soll das Geschäft hinsichtlich des ideellen An­ theils des Mannes gültig sein, so das O.Tr. II Erk. v. 27. Jan. 1838, Pr. 437 (Entsch. 3 S. 242). Wenngleich allerdings der Ehemann Miteigenthum an der in der Gemeinschaft be­ findlichen Sache hat, so ist doch seine Dispositionsbefugniß auch über die im §. 378 bezeichneten Sachen hinsichtlich seines Antheils zu Gunsten der Frau beschränkt, s. Anm. 21 zu §. 361 d. T. Demgemäß ist die Veräußerung, bez. die Belastung überhaupt nichtig, so Koch in den früheren Auflagen, welcher diese Ansicht damit motivirt: „Der Mann steht in so weit, als ihm der §. 378 die Verfügung gebietet, einem Handlungsunfähigen gleich, der ohne Vollwort seines Aufsehers gehandelt hat; er steht hierin unter Quasivormundschaft der Frau. Das Geschäft ist aus diesem Grunde auch für seine Person wirkungslos und er selbst kann das hingegebene Grundstück vindiziren oder auf Löschung der bestellten Hypothek mit Erfolg klagen." S. auch Borne mann, Syst. 5 S. 139; Förster a. a. O. S. 546; Dernburg 3 S. IN Note 11, ferner Schl. Arch. 4 S. 41 und Gruchot 9 S. 45. Dieselbe Ansicht hat das O.Tr. III Erk. v. 18. Juni 1852 und v. 15. Nov. 1858, Str. Arch. 7 S. 31 und 31 S. 145, jetzt auch das R G. IV v. 6. Juni 1882, Gruchot 26 S. 1005 vertreten. — Durch nachträgliche Genehmigung der Eheftau konvaleszirt aber die einseitig vom Ehemann vorgenommene Veräußerung. Erk. des O Tr. III v. 23. Febr. 1872, Entsch. 67 S. 92. Die hier u. A. gegebene Begründung, daß der Ehemann sich bei solchen einseitigen Dispositionen in der Lage eines seine Vollmacht über­ schreitenden Bevollmächtigten befindet, ist unzutreffend, da der Ehemann nun und nimmermehr Mandatar seiner Frau ist, vielmehr die Verwaltungs und Vertretungsbefugniß kraft eigenen Rechtes hat. S. auch Behrend u. Dahn, Zeitschr. 7 S. 133. 37) Mögen die Kapitalien im Hypothekenbuche eingetragen oder nicht eingetragen sein, gleichviel, ob die beiden Eheleuten zustehenden Kapitalien zu dem gemeinschaftlichen Erwerbe der beiden Eheleute gehören oder nicht. Erk. des O.Tr. IV v. 25. Okt. 1853, Str. Nrch. 12 S. 31, wo die Ueberschrift unrichtig, III v. 7. März 1879, Entsch. 83 S. 54. H. Der §. 379 findet auch auf einen im Hypothekenbuche nicht eingetragenen Kaufgelderbetrag Anwendung, wenn der Kaufvertrag, die Schuldurkunde, auf den Namen beider Eheleute lautet und darin nicht fest­ gesetzt worden ist, daß das Kaufgeld an den Ehemaiin allein gezahlt werden soll, Erk. des O.Tr. III v. 4. Jan. 1869 und 17. März 1871, Entsch. 61 S. 146 und Str. Arch. 81 S. 233. H. Nach dem Erk. des O.Tr. III v. 26. Juni 1868 ist der in einem Kaufverträge auf

Von der Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten.

181

§. 380. Außerdem gelten alle von dem Manne, in Ansehung des gemeinschaft­ lichen Vermögens, auch einseitig getroffenen Verfügungen"); und dies Vermögen haftet für alle während") der Ehe von ihm gemachten Schulden43). den Namen beider verkaufenden Eheleute geschriebene Anspruch, aus der vom Käufer in Ab­ rechnung auf das Kaufgeld übernommenen Verpflichtung den Verkäufer von einer bestimmten Geldschuld zu befreien (Liberations-Anspruch), zu den Kapitalien zu zählen, über welche der in Gütergemeinschaft lebende Ehemann ohne Bewilligung der Ehefrau nach §. 379 d. T. nicht ver­ fügen darf. (Entsch. 60 L. 119.) Das erscheint nicht richtig, denn Kapitalien sind nur solche Forderungen, die auf eine bestimmte Geldsumme gehen (s. Behrend, Zeitschr. 3 S. 569). 38) Ueber deren Form: Pl.Beschl. des O.Tr., Pr. 1095, in der Anm. 41 zu 233. 39) Die Kündigung eines solchen gemeinschaftlichen Kapitals in der Gütergemeinschaft lebender Eheleute ist hiernach der Einziehung gleichgestellt. Wenn der Schuldner aber bei einer durch den Ehemann allein und ohne Nachweis der Ermächtigung dazu erfolgenden Kündigung diesen Nachweis nicht fordert, gegen die Kündigung nichts erinnert, und sich darauf herausstellt, daß die Ehefrau mit der Einziehung einverstanden, so kann er gegen die Klage nicht vorschützen, daß ihm die Einwilligung der Ehefrau bei der Kündigung nicht nachgewiesen sei. Erk. des O.Tr. IH v. 25. Okt. 1858, Entsch. 39 S. 180. Hat der Ehemann die Einwilligung der Frau zur Aufkündigung und Einziehung erhalten, so wird er dadurch doch nicht berechtigt, auch rücksichtlich der Frau einen Vergleich über die einzuziehende Summe mit dem Schuldner zu schließen, oder ihm einen Theil der Schuld zu erlassen. Erk. dess. S. v. 6. Febr. 1852, Str. Arch. 6 S. 22. 40) Wenn es aber doch geschehen ist und die Frau in die Löschung nicht willigen will, so ist der Ehemann das Empfangene zurückzuzahlen schuldig. Mit dieser Schuld hat er das gemein­ schaftliche Vermögen gültig belastet (§. 380), folglich kann die Frau der Kondiktion aus dem §. 379 keinen Einwand entgegensetzen. Erk. des O.Tr. I v 20. April 1859, Entsch. 41 S. 197. Hat der Ehemann ein gemeinschaftliches Kapital cedirt, so berechtigt die noch nicht erfolgte Genehmigung der Frau weder den Cessionar zum Rücktritte von dem Vertrage, noch einen Gläubiger des Ehemannes zur Anfechtung der Gültigkeit der 'Session. Erk. des O.Tr. I v. 26. Febr. 1856, Str. Arch. 20 S. 209. H. Wohl aber kann derjenige, welchem eine auf den Namen beider in Gütergemeinschaft lebender Eheleute geschriebene Forderung richterlich über­ eignet worden, dem Schuldner, der eine an den Ehemann allein geleistete Zahlung einwendet, den Mangel der Genehmigung der Ehefrau entgegensetzen. Erk. des O.Tr. III v. 8. Okt. 1875, Entsch. 75 S. 281. H. Die Fassung des §. 379 gegenüber der des §. 233 d. T. führt dahin, das Verbot des §. 379 auf solche Dispositionen des Mannes zu beschränken, welche unmittelbar und ihrem Ziele nach auf Realisirung oder Entäußerung des Kapitals gerichtet sind. Ist das Verwerthen, das Abhandenbringen des Kapitals nicht der direkte Gegenstand des Rechtsgeschäfts, sondern die sekundäre Folge einer von dem Manne in den Grenzen seiner Befugnisse vorgenommenen Handlung, so leidet auch 379 keine Anwendung. Deshalb kann in dem Falle, daß Eheleute aus einem über ein gütergemeinschaftliches Grundstück von ihnen abgeschlossenen Kaufverträge Kaufgelder zu fordern, auch erstritten haben, der Ehemann aber demnächst ohne Einwilligung der Frau die Aushebung des noch nicht erfüllten Kaufvertrages mit dem Käufer vereinbart und der Kaufgeldersorderung entsagt, den Eheleuten der Einwand des Vergleichs, bez. Erlasses ent­ gegengesetzt werden ; der Vergleich, bez. Erlaß ist wegen Mangels der Zustimmung der Frau nicht ungültig. Erk. des O.Tr. III v. 4. Jan. 1869, Entsch. 61 S. 143. 41) „Durch die Befugniß des Ehemannes zur Verfügung über das gemeinschaftliche Ver­ mögen wird die Zulässigkeit einer von der Ehefrau, wegen Simulation der von dem Ehemann einseitig getroffenen Verfügung, gegen diesen und den vorgeblichen Gläubiger anzustellenden Klage nicht ausgeschlossen." Pr. 551 des O.Tr. I von 1838, Pr.Samml. 1 S. 144. — Dieses Präjudiz ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Simulation in der Weise vollsührt wird, daß der Ehemann sich verklagen läßt, und so durch Anerkenntniß seine Berurtheilung, durch Agnitionsbescheid, zur Zahlung einer fingirten Schuld hei beigeführt. Erk. des O.Tr. HI v. 13. März 1867, Entsch. 59 S. 166. H. Der Ehemann ist bei bestehender Gütergemeinschaft berechtigt, die Grundstücke über die Dauer der Ehe hinaus zu vermiethen. Erk. des O.Tr. III v. 31. Jan. 1873, Entsch. 68 S. 379 u. Str. Arch. 88 S. 85. — So weit der Ehemann einseitige Verpflichtungen eingehen kann, ist er auch berechtigt darüber vollstreckbare Urkunden, C.P.O. §§. 702,705, auszupellen, und die Frau kann eine solche Erklärung nur anfechten, wenn dieselbe dazu abgegeben ist, um die Nothwendigkeit ihrer Einwilligung zur Verpfändung von Grundstücken zu umgehen, R.G. V v. 22. Juni 1881, Gruchot 26 S. 701. H. Der Ehemann kann ohne Zuziehung der Ehefrau über Kapitalien, die auf dem ge-

182

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 381—389.

§. 381. Auch Schenkungen des Mannes aus dem gemeinschaftlichen Vermögen kann die Frau der Regel nach nur in so weit anfechten, als ihr, wenn sie die Schen­ kung selbst gemacht hätte, der Widerruf nach den Gesetzen verstattet sein würbe44 * *).45 * 42 43 §. 3d2. In so fern aber der Mann durch Schenkungen, die aus bloßer Frei­ gebigkeit herrühren, das gemeinschaftliche Vermögen, ohne Einwilligung der Frau, dergestalt erschöpft hätte, daß nach getrennter Ehe die Frau nicht so viel, als sie in die Gemeinschaft gebracht hat, zurückerhalten könnte: so ist die Frau berechtigt, dergleichen Schenkungen in so weit zu widerrufen"), als es zur Ergänzung des Fehlenden nothwendig ist. §. 383. Einseitige Schenkungen des Mannes, welche die Frau nach vorstehen­ den Grundsätzen hätte widerrufen können, werden, wenn kein Widerruf erfolgt, bei der Auseinandersetzung unter den Eheleuten, auf den Antheil des Mannes gerechnet. §. 384. Geldstrafen, in welche der Mann veruttheilt wird, ingleichen die ihm

meinschastlichen Grundstück eingetragen sind, in Folge der auf seinen alleinigen Namen ausge­ stellten Quittung weiter durch Session oder Löschungsantrag verfügen, I o h o w Jahrb. 7 S. 236 und Johow, Jahrb. d. Kammer-Ger. 3 S. 177. 42) Wegen der vorehelichen Schulden folgen die Bestimmungen §§. 391 ff. 43) Das gemeinschaftliche Vermögen von Eheleuten, welche in der Gütergemeinschaft leben, haftet den Gläubigern gegenüber auch für Schulden, welche von dem Manne nach Anmeldung der, die Trennung herbeisührenden, Ehescheidungsklage zu seinem ausschließlichen Vortheile gemacht sind. Die §§. 790, 811, 820 d. T. beziehen sich nur aus das Verhältniß der geschiedenen Ehe­ leute unter sich; die Rechte der Gläubiger aber werden nach der ausdrücklichen Vorschrift des §. 757 d. T. dadurch nicht betroffen. Pr. 704 des O.Tr. 111 v. 24. Juni 1839, Präj.Samml. 1 S. 158 ; Jur. Wochenschrift 1840 S. 179 und J.M Bl. 1851 S. 284. — H. Für die im §. 380 bezeichneten Schulden können die Gläubiger auch den im Wege der Exekution zu realsirenden Pfandtitel auf Hütergemeinschaftliche Grundstücke gewinnen, für die nach beendigter Ehe kontrahirten Verbindlichkeiten einen solchen Pfandtitel nur dann, wenn alle interessirenden Theile einen solchen bestellen oder im Wege der Exekution gegen sich zur Existenz gelangen lassen. Mit dem Augenblick der rechtskräftigen Scheidung der Ehe erlischt das Verwaltungsrecht des Ehe­ mannes dergestalt, daß seine späteren Gläubiger sich an die gemeinschaftliche Masse nicht mehr halten können. Erk. des O.Tr. III v. 18. Nov. 1872, Str. Arch. 87 S. 55. Für die nach getrennter Ehe entstandenen Schulden des Ehemannes können dessen Gläubiger an ein von der Ehefrau in die Gemeinschaft gebrachtes, ihr wieder zugesallenes Grundstück sich um deswillen nicht halten, weil der Vermerk über das Bestehen der Gütergemeinschaft noch im Hypotheken­ buche eingetragen steht. Erk. des O.Tr. 111 v. 29. Nov. 1873, Entsch. 68 S. 169, mit der Zahl 1872 u. bei Striethorst 87 S. 123. Bei obwaltender ehelicher Gütergemeinschaft kann wegen einseitiger Schulden des Ehe­ mannes die Subhastation des ganzen zum gemeinschaftlichen Vermögen gehörigen Grundstücks nachgesucht werden, auch dann, wenn das Urtel nicht gegen die Frau gerichtet ist. Pr. 803 des O.Tr. II v. 23. Dez. 1839, (H. Erk. III v. 5. März 1877, Str. Arch. 97 S. 174). Dadurch ist das einer entgegengesetzten Meinung angehörige R. des J.M. v. 6. Nov. 1835, sowie der einer Mittelmeinung angehörige Besch, dess. v. 10. Sept. 1836 (Jahrb. 46 S. 483 u. 48 S. 208) beseitigt. H. Auch für die vom Ehemanne eingegangenen Wechselverpflichtungen haftet das güter­ gemeinschaftliche Vermögen, Erk. des R.O.H.G. R. III v. 8. Okt. 1874, Entsch. des R.O.H.G. 14 S. 233. H. Persönlich über das gütergemeinschaftliche Vermögen hinaus hastet aber die Ehefrau nicht, O.Tr. IV v. 9. Juli 1857, Entsch. 34 S. 245. H. Jin Fall der Konkurseröffnung über das Vermögen des Ehemannes gehört das gütergemeinschaftliche Vermögen als solches nicht zur Konkursmasse des Ehemannes, vielmehr nur der nach Absonderung des Antheils der Ehefrau für denselben festgestellte Antheil (R.Konk.Ord. 1, 14, 44). Daher kann der Konkursver­ walter eine auf den Namen der Frau geschriebene Forderung gegen den Schuldner nicht zur Zahlung an die Konkursmasse einklagen. R.G. IV v. 5. April 1883, Entsch. 8 S. 102.

44) Hiernach ist die ältere Entsch. der W.Ä. v. 22. Juli 1790 (Rabe 13 S. 202), wonach die Schenkungen in fraudem uxoris verboten waren, reprobirt. Zu vergl. die Entsch. der G.K. v. 25. Okt. 1788, Rabe 1 Abth. 7 S. 742. 45) Der Widerruf kann noch während der Ehe, sobald das Minus eingetreten, geschehen.

Von bet Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten.

183

zur Last fallenden Kosten einer gegen ihn verhängten Untersuchung, können aus dem gemeinschaftlichen Vermögen beigetrieben werden. §. 385. Doch müssen dergleichen Geldstrafen, so wie die Jnquisitionskosten, bei erfolgender Aufhebung der Gemeinschaft, auf den Antheil des Mannes ange­ rechnet werden. §. 386. Grundstücke und Gerechtigkeiten, welche die Frau in die Gemeinschaft gebracht hat, können wegen einseitiger Schulden des Mannes, die derselbe, bei er­ folgender Auseinandersetzung, auf seinen Antheil sich anrechnen lassen müßte, nur alsdann angegriffen werden, wenn das übrige gemeinschaftliche Vermögen zu deren Bezahlung nicht hinreicht"). §. 387. Hat die Frau gegen eine vorhabende Verfügung des Mannes dem­ jenigen, mit welchem sie vollzogen werden soll, ihren Widerspruch ausdrücklich gc» äußert 4 7); so muß die Ergänzung ihrer Einwilligung durch den Richter abgewartet werden "). §. 388. In allen Fällen, wo die Frau ihre Einwilligung ticrfagt49 46)47 , kann * selbige von dem vormundschaftlichen Gericht ergänzt werden, wenn sich nach vor­ hergegangener Untersuchung findet, daß die Verfügung des Mannes nach den Um­ ständen nothwendig, oder dem Interesse der Frau unnachtheilig sei. §. 389. Schulden einer in der Gütergemeinschaft lebenden Frau sind nur in den §. 322. 325. bis 328.50) bestimmten Fällen gültig, und in Ansehung des gemein­ schaftlichen Vermögens verbindlich51). 46) Diese Bestimmung macht eine Ausnahme von dem Grundsätze des §. 380. 47) Der Frau steht nämlich frei, auch gegen solche Verfügungen des Mannes, zu welchen ihre Einwilligung nicht erforderlich ist, Widerspruch zu erheben Dre Bestimmung ist durch das Monitum, daß der Frau gegen Verfügungen über die nicht auf ihren Namen geschriebenen Kapitalien, wo der Mann den Konsens der Frau nicht brauche, wenigstens das Recht eines Widerspruches beizulegen sein würde, veranlaßt worden. Suarez trat bet und dehnte es aus alle Verfügungen aus, mit dem Zusatze: daß der Richter den Grund oder Ungrund des Wider­ spruchs untersuchen und bewandten Umständen nach suppliren solle. Ges.Rev. Pens. 15 S. 260. Die mündliche Form des Widerspruchs genügt. Vergl. das in der folgenden Rote ange­ führte Erk. § 48) Auch die Praxis ist darin einverstanden, daß der §. 387 auf Verfügungen des Mannes über die Substanz und das Eigenthum der gütergemeinschaftlichen Grundstücke nicht beschränkt, sondern allgemein von allen vermögensrechtlichen Verfügungen des Ehemannes zu verstehen sei, daß mithin bei erfolgtem Widerspruche der Ehefrau die Verfügung des Ehemannes bis zur Ergänzung der Einwilligung derselben durch den Bormundschaftsrichter unwirksam sei. Erk. des O.Tr. 111 v. 17. März 1865, Entsch. 53 S. 157. 49) Und wo die Einwilligung nöthig ist. Diese Vorschrift bezieht sich auf den §. 378. 50) Das Allegat muß heißen: „§§. 321, 324—327", wie der Augenschein zeigt. M. s. auch das Druckfehlerverzeichniß v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 2. 475. H. Vergl. auch R.G. I H. v. 18. Febr. 1881, Entsch. 4 S. 238. 51) Für die Entschädigungsansprüche aus einem Verbrechen der Ehefrau hastet weder nach dem L R. noch nach dem Lübifchcn Rechte das gütergemeinschaftliche Vermögen der Eheleute. Erk. des O.Tr. I v. 27. Mai 1861, Str. Arch. 41 S. 267. Bei nochmaliger Erwägung hat indessen ders. 2. beschlossen, die in dem vorgedachten Revisionsurtheile aufgestellten Grundsätze aufzugeben und sich den Ausführungen des Gesetzrevisors (Pens. 14 S. 167 und Pens. 15 S. 204) und Bornemann' s (System 2 S. 185 und 5 S. 106) anzuschließen und diesem gemäß in dem vorgelegenen neuen Falle zu erkennen, ohne die Sache zuvor zur Entscheidung der streitig gewordenen Rechtsfrage an das Plenum zu bringen, G. v. 7. Mai 1857 §. 5 Nr. 1, G S. S. 294. Als neuen Rechtssatz hat dieser Senat nun festgestellt: Auch für Entschädigungs­ ansprüche aus unerlaubten Handlungen der Frau haftet nach dem L.R. bei obwaltender Güter­ gemeinschaft das gemeinschaftliche Vermögen der Eheleute. Pr. 2726 v. 2. Juni 1862, Entsch. 47 S. 238 und Str. Arch. 46 S. 142. Der neue Satz ist unrichtig, er verletzt die Rechte des schuldlosen Ehemannes und ist juristisch unlogisch, indem die Frau das, was sie durch rechtliche Handlungen zu thun nicht vermag, nämlich die Gütergemeinschaft zu belasten, durch Berbrechen in vollem Maße soll thun können. Es giebt keinen Rechtsgrund, aus welchem ein solcher Satz sich nachweisen und folgern ließe.

184

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 390—392.

§. 390. Doch gilt wegen der Geldstrafen, in welche die Frau verurtheilt worden, und wegen der Kosten einer gegen sie verhängten Untersuchung, eben das, was in Ansehung des Mannes §. 385. verordnet ist. §. 391. Auch solche Schulden beider Ehegatten, welche schon vor vollzogener Seirath gemacht worden, werden der Regel nach dergestalt gemeinschaftlich, daß die laubiger sich deswegen an das gemeinschaftliche Vermögen halten können 5-). §. 392. Hat jedoch ein Ehegatte mehr Schulden als Vermögen in die Ge­ meinschaft gebracht, so kann der andere53 * *)54 *innerhalb * 55 * * * 52 zweier Jahre, nach vollzogener Ehe, auf die Absonderung M) des Vermögens antragen 5ö). H. Der in dem Pr 2726 ausgestellte Satz, welcher auch der im deutschen Privatrecht rezipirten Ansicht entspricht, ist mit diesen Ausführungen Koch' s nicht widerlegt. Bei denselben ist übersetzen, daß die Handlungsfähigkeit der Ehefrau nur in Bezug auf Rechtshandlungen ge­ mindert ist, und daß die Entschädigungsforderungen gegen die Frau mit vollem Rechte den Geldstrafen (f. §§ 390 u. 385 d. T.) in der juristischen Behandlung gleichgestellt werden können, vergl. auch Gruchot, 7 S. 239 und Förste r, Pr. R. S. 549, s. auch die Mittheilungen im Erk. d. R.G. III v. 10. Okt. 1882, Entsch. 7 S. 158. 52) Der Satz war kontrovers. G es te r ding, Thesaurus Juris Lubecensis, Tom. I p. 287. Mevius, Decis. P. III dec. 13, 138. Idem, ad jus Lubec. Lib. II Tit. 5 art. 6. Ist bereits vor der Heirath ein exekutorischer Titel erlangt, so kann derselbe nach Voll­ ziehung der Ehe ohne neue Klage in das gemeinschaftliche Vermögen durch Exekution und Subhastation vollstreckt werden. AG O. I. 24 §. 7 und Besch, des J.M. v. 19. Okt. 1838 (Jahrb. 52 S. 494). — In der Münsterschen Gütergemeinschaft ist der überlebende Ehegatte voreheliche Schulden des Verstorbenen, in welche er nicht gewilligt hat, zu tragen nicht schuldig und kann daher, falls die Ehe eine kinderlose war, auf unbedingte Zahlung derselben nicht belangt werden, sei es auch, daß er die im Adjektum von 1607 freigestellte Güterseparation noch nicht vorgenommen hat. Pr. 2495 des O.Tr. IV v. 22. Dez. 1853, Entsch. 27 S. 465. Forderungen aus Wechseln, welche der eine Ehegatte vor Eingehung der gütergemeinschaft­ lichen Ehe ausgestellt, acceptirt oder indossirt hat, können nach vollzogener Ehe gegen den anderen Ehegatten, welcher den Wechsel nicht mit unterzeichnet hat, im Wechsel prozefie nicht eingeklagt werden. Erk. des O.Tr. IV v. 6. Dez. 1856, Entsch. 34 S. 193. — Der Rechtssatz hat keinen praktischen Nutzen, wenn er nicht auch in Beziehung auf den Ehegatten, welcher vor Eingehung der Ehe den Wechsel unterzeichnet rc. hat, gilt. Tenn alsdann kann dieser, wie in dem vor­ gelegenen Rechtsfalle auch geschehen war, mit der Wechselklage belangt werden, und wenn das Urtel in das nun gemeinschaftliche Vermögen vollstreckt wird, bleibt der andere Ehegatte doch ungehört. S. zu II. 2. §. 251. 53) Das nach §. 392 innerhalb zweier Jahre nach vollzogener Ehe einem Ehegatten zustehende Recht, auf Absonderung des Vermögens anzutragen, geht bei einem innerhalb dieser zwei Jahre eintretenden Todesfälle sowohl aktiv auf die Erben des einen, als passiv auf die Erben des anderen Ehegatten über. Pr. 2754 des O.Tr. III v. 10. Juli 1868, Entsch. 60 S. 158, Str. Arch. 72 S. 59. S. Anm. 58 zu §. 395 d. T. 54) Diese Absonderung ist von der im 8. 417 gestatteten Aushebung ganz ver­ schieden, denn sie hebet die G.G. nicht völlig auf (§. 394), sondern scheidet nur die vorehelichen Schulden aus. R. v. 8. Juli 1815, Jahrb. 6 S. 179. M. s. jedoch das Pr. des O.Tr. 1957 in der Anm. 57 zu §. 394. 55) „Diese Vorschrift findet auch bei der im Minden-Ravensbergischen geltenden communio bonorum statt." Pr. 613 des O.Tr. I v. 1. Febr. 1839, Präj.Sarnml. 1 S. 144 und v. 14. Juli 1852, Entsch. 23 S. 393. An Orten, wo Lübisches Recht gilt, steht die Befugniß aus dem §. 392, und zwar mit der im Lübischen Statut Lib. I Tit. 5 Art. 11 enthaltenen Maßgabe, nur der unbeerbten Ehefrau zu, und in jedem Falle ist eine gerichtliche Verlautbarung und gerichtliche Bekanntmachung er­ forderlich. Gutachten der G.K. v. 22. Okt. 1800 Nr. III, Rabe 6 S. 332. Mit der Geburt eines Kindes aber kommt das Vermögen wieder in seine frühere Lage zurück und die Sache wird so angesehen, als wenn die Ehe von Anfang an beerbt gewesen wäre. Die Sonderung hat den Gläubigern gegenüber keine rechtlichen Folgen, sobald die Ehe durch die Geburt eines Kindes nachträglich eine beerbten wird. Erk. des O.Tr. III v. 25. Febr. 1867, Entsch. 58 S. 270, Str. Arch. 65 S. 352. DaS Ob.Tr. hat, nachdem vorher das Gegentheil ausgesprochen worden war, durch einen mittelst R. des J.M. v. 8. Dez. 1837 mitgetheilten Plenarbeschluß (ohne Datum) angenommen

Von der Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten.

185

a) daß in dem Falle des §. 392 h. t. lediglich der Antrag auf Absonderung des Ver­ mögens an die zweijährige Frist gebunden ist, und mithin auch dieser zur Befreiung des Ehe­ gatten von den, vor der Ehe entstandenen Schulden des andern Theils, und zum Eintritte der im §. 393 h. t. angegebenen Wirkungen genügt, wenn auch die Absonderung selbst erst später vollendet worden ist, und b) daß zur Rechtsgültigkeit einer solchen Absonderung, weil sie bloß auf die vor der Ehe kontrahirten Schulden sich bezieht, die im §. 422 h. t. und in dem G. v. 20. März 1837 §. 4 bei Aufhebung der Güter- oder Erwerbs-G. für die Zukunft vorgeschriebene Bekanntmachung nicht mehr erforderlich ist. Jahrb. 51 S. 141. Das Iustizministerium hat jedoch dabei bestimmt, daß die Bekanntmachung, wenn sie auch nicht als wesentlich zu betrachten, dennoch im Jntereffe der dabei betheiligten, vor der Ehe vorhandenen Gläubiger und deren Rechtsnachfolger nicht zu unterlassen sei, damit insbesondere kein Dritter sich bestimmen lasse, eine Forderung durch Cession zu erwerben, welche er für eine in die G.G. fallende Schuld hält, während ihm dafür das gemeinschaftliche Vermögen der Ehe­ leute nicht haftet. Jahrb. a. a. O. Für die Absonderung schreibt der J.M. in der V. v. 26. Okt. 1838 (Jahrb. 52 S. 461) folgendes Verfahren vor: 1. Wenn ein in Gütergemeinschaft lebender Ehegatte auf die gerichtliche Absonderung seines Vermögens antragen will, so muß er sich mit seinem Gesuche bei seinem kompetenten persönlichen Gerichtsstände melden, und ein richtiges und vollständiges Vermögensverzeichniß, so weit er ein solches aufzustellen vermag, beibringen.

8 2. Der Richter muß ihn sodann I. über sein Gesuch näher vernehmen, II. das übergebene Vermögensverzeichniß mit ihm durchgehen und berichtigen, wobei er sich nach den Vorschriften der A G.O. I. 47 §§. 48—50 zu achten hat, und III. ihn über die Folgen der Unrichtigkeit belehren. §. 3. In dem Vermögensverzeichnisse muß angegeben sein: A. das Aktivvermögen nach folgenden Rubriken: 1) dasjenige, was jeder Ehegatte in die Ehe gebracht hat, 2) das während der Ehe von jedem Ehegatten durch Erbschaften, Bermächttriffe, Geschenke oder bloße Glücksfälle erlangte, 3) das etwa sonst noch vorhandene Vermögen; B. das Passivvermögen nach folgenden Rubriken: 1) die Schulden, welche jeder Ehegatte in die Ehe gebracht hat, und 2) die während der Ehe kontrahirten, in so fern nämlich der Provokant es für zweck­ mäßig findet, das Vermögensverzeichniß auf die sub 2 gedachten zu erstrecken.

Was das A kt i v vermög en anlangt, so sind die zweite und dritte Rubrik deshalb nöthig, weil der Antrag auf Absonderung in Beziehung auf die vorehelichen Schulden eine aänzliche Absonderung bewirkt, und die diesfällige Auseinandersetzung nach den Grundsätzen ves §. 755 a. st. O. erfolgt, wonach also auch das zur zweiten Rubrik gehörige Vermögen eines jeden Ehe­ gatten und die Hälfte des in der dritten Rubrik aufzuführenden den vorehelichen Schulden dieses Ehegatten verhaftet ist. 8- 4. Sobald der Antrag solchergestalt vollständig substantiirt ist, erfolgt die Vorladung deö anderen Ehegatten, zur Abschließung des Absonderungsverttages, eventuell zur Angabe der Gründe, weshalb er dieser Absonderung widerspricht, unter der Verwarnung, daß bei seinem Ausbleiben der Provokant zum Wege Rechtens verwiesen werden solle.

5. Wenn der Provokat im Termine erscheint, und einräumt, daß er mehr Schulden als Vermögen in die Ehe gebracht habe, so ist das ausgestellte Vermögensverzeichniß mit ihm genau durchzugehen, und nötigenfalls zu ergänzen, die Absonderungsurkunde aufzunehmen und derselben das von beiden Theilen anerkannte Vermögensverzeichniß beizuhesten. §. 6. Dieses Vermögensverzeichniß dient bei etwa künftig entstehenden Streitigkeiten als Grundlage. Würde in der Folge bei Gelegenheit von Ansprüchen, welche die Gläubiger gegen einen oder den anderen Ehegatten, oder gegen beide im Rechtswege geltend machen, von jenen behauptet, daß das Berzeichniß unrichtig sei, daß ihnen das gemeinschaftliche Vermögen verhaftet sei 2c, so muß eine solche Behauptung zwischen den Gläubigern und dem betheiligten Ehegatten im Prozesse erörtert werden, der Richter aber, welcher die Absonderungsurkunde aufnimmt, hat nur die Angaben beider Eheleute zu beachten, und sich weder um deren Richtigkeit, noch um das Anerkenntniß der Gläubiger zu bekümmern; es sei denn, daß ihm notorisch unrichttge That­ sachen vorgetragen wurden, wobei die Schranken, in welchen er sich zu halten hat, durch 88 bis 33 II. 2 der Gerichtsordnung bestimmt angegeben sind. §. 7. Wenn dagegen

186

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 393—395.

§. 393. Alsdann können die Gläubiger, deren Forderungen vor der Heirath entstanden sind, nur an das abgesonderte Vermögen ihres eigentlichen Schuldners sich halten M). §. 394. Den während der Ehe gemachten Schulden hingegen bleibt auch in diesem Falle das gemeinschaftliche Vermögen verhaftet. der erscheinende Ehegatte der Angabe des Provokanten widerspricht, oder der Provokat im Termine ausbleibt, so ist in beiden Fallen der Provokant zum Wege Rechtens zu verweisen; doch kann auch im ersteren Falle, wenn beide Theile damit einverstanden sind, im Termine die Frage: ob vie Voraussetzung des §. 392 vorhanden sei, und mithin die Absonderung des Ver­ mögens auf den Antrag des Provokanten in Beziehung auf die vorehelichen Schulden er­ folgen müsse, sofort zur Instruktion gezogen werden. §. 8. Für den Fall des §. 5 ist daher die Angelegenheit als eine Handlung der frei­ willigen Gerichtsbarkeit, in den Fällen des §. 7 aber als em Auseinandersetzungsprozeß zu be­ handeln Die Kosten der Absonderung, als eines Aktes der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sind zwar nicht als Prozeßkosten zu erachten, und es finden daher der §. 187 II. 1 des Landrechts und die §§. 82 sq. I. 21 des Landrechts nicht auf sie Anwendung, wohl aber sind dergleichen Kosten als solche Abgaben und Lasten zu betrachten, auf welche die §§. 87 und 88 1. c. an­ wendbar sind. Auch im Falle des §. 88 1. c. muß der Ehemann dem Gerichte gegenüber jeden­ falls die Kosten vor schieß en. Selbst in dem Falle, wenn zugleich mit dem Anträge auf Absonderung beide Ehegatten durch Vertrag dem abgesonderten Vermögen der Ehefrau die Eigenschaft des vorbehaltenen Vermögens beilegen, sind die Kosten, nach den vorher entwickelten allgemeinen Grundsätzen, dem Ehemanne zur Last zu legen, wenigstens hat der Ehemann dem Gerichte gegenüber die Pflicht zum Vorschüsse, da ein dergleichen Vertrag nur auf sein Verhältniß zur Ehefrau, nicht auf das­ jenige zum Gerichte, einen Einfluß haben kann. Kommt es zwischen den Ehegatten über den Antrag auf Vermögensabsonderung zum wirklichen Prozesse, so bleibt die Entscheidung auch über die Kosten des Verfahrens dem er­ kennenden Richter vorbehalten. Des einstweiligen Vorschusses der Kosten aber kann sich der Ehemann, auch wenn die Frau als Extrahentin und resp. Klägerin aufgetreten ist, bei der Be­ stimmung des §. 187 d. T. nicht entbrechen." So weit die Vorschrift des J.M. über das Ver­ fahren. Was den Kostenpunkt und die Beziehung des §. 187 betrifft, so s. die Anm. 27 zu §. 187. 56) „Eine, wegen einer vorehelichen Schuld des Ehemannes, innerhalb des zweijährigen Zeitraums nach vollzogener Ehe, für den Gläubiger im Wege der Exekution erfolgte hypothe­ karische Eintragung seiner Forderung auf ein von der Ehefrau in die Ehe gebrachtes Grund­ stück, dessen Besitztrtel aus deren Namen mit dem Vermerke berichtigt worden ist, „daß sie mit ihrem Ehemanne in Gemeinschaft der Güter lebe", begründet gegen die Ehefrau, welche inner­ halb zweier Jahre nach vollzogener Ehe auf Absonderung des Vermögens angetragen hat, und demnächst zu derselben durch rechtskräftiges Erkenntniß verstattet worden ist, auch dann kein Hypothekenrecht, wenn im Hypothekenbuche weder der Tag der Schließung der Ehe, noch ihr Antrag auf Vermögensabsonderung, noch ein sonstiger Vorbehalt für sie vermerkt worden ist." Pr. 2628 des O.Tr. IV v. 19. Juni 1855, Entsch. 30 S. 455. H. Dagegen Roloff in d. Arnsberger Monatschr. 1 S. 216. Der eine Ehegatte ist für die Valuta des von dem anderen Ehegatten über eine vor­ eheliche Schuld während der Ehe ausgestellten Wechsels mit seinem hiernächst nach gesetzlicher Vorschrift abgesonderten Vermögen nicht verhaftet. Erk. des O.Tr. IV v. 1. Mai 1855, Str. Arch. 17 S. 146. 57) Ob das „während der Ehe" sich auf die ganze Dauer der Ehe, oder nur auf die Zeit zwischen der Vollziehung der Ehe und der Absonderung beziehe, das ist die Frage. Tie §§. 392—395 sind erst später eingeschobene Zusätze, als Modifikationen des §. 391. Suarez sagt mit Beziehung darauf in der rev. nion.: „Gegen diese Vorschrift wird erinnert, daß dazu kein eigentlicher Grund vorhanden sei, außer wenn der verschuldete Ehegatte dem anderen seine geringen Vermögensumstände dolose verschwiegen habe. Ta aber der Dolus so schwer zu er­ weisen ist, so würde dadurch demjenigen Ehegatten, welcher einen Verschuldeten heirathet, und durch deffen debita autcnuptialia um alles das Seinige gebracht wird, sehr wenig prospizirt sein. Es ist nicht abzusehcn, wer bei dieser Festsetzung etwas verliere. Tie creditores des obaerati bleiben in der Lage, wie sie vor der Heirath waren; ihnen entgeht bloß die Hoffnung,

Bon der Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten.

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§. 395. Ist die zweijährige Frist verstrichen 68): so kann selbst dem verschulaus dem Vermögen eines Tritten, auf welches sie bei Gebung ihres Kredits gar nicht gesehen haben können, bezahlt zu werden. Ter conjux obaeratus selbst leidet auch kein damnum positivum. und hat immer noch Vortheil genug von der geschlossenen reichen Partie: der Mann, durch den ihm verbleibenden usum fructum von dem Vermögen der reichen Frau; die Frau dadurch, daß sie der reiche Mann standesmäßig ernähren muß. Uebrigens versteht es sich von selbst, daß die innerhalb des biennii kontrahirten Schulden gemeinschaftlich sind." Jahrb. 41 S. 45. Der Schluß dieser Bemerkung deutet an, daß nur an die Gemeinschaftlichkeit der in der Zwischenzeit entstandenen ehelichen Schulden gedacht worden sei, indem nach der Absonde­ rung diese nach allen Richtungen wirksam sein werde. Tie Materialien geben darüber nicht Ausschluß. Es waren verschiedene Vorschläge gemacht worden, und als Konklusum darauf ist vermertt: „Regel ist, auch die debita antenuptialia werden gemeine. Excipe casum, wenn tempore initi matrimonii der eine Ehegatte schon mehr Schulden als Vermögen gehabt hat. Alsdann kann der andere Ehegatte innerhalb zwei Jahren a tempore initi matnmonii auf Separation provoziren. Läßt sie das biennium verstreichen, so kann sie auch wegen solcher Schulden den Erben des Mannes nichts anrechnen." Bornemann 5 S. 133. Die Auslegung ist daher auf den Wortsinn und auf die rechtliche Natur der Güterabsonderung verwiesen. Beide führen unabweisbar zur Beschränkung des §. 394 auf die bis zur Separatton in der Ehe bereits entstandenen Schulden. Denn das liegt in dem passiven Ausdrucke: „gemachten Schulden", und folgt aus der Ausschließung der Gütergemeinschaft durch die Separatton, wodurch eben Jedem die rechtliche Möglichkeit genommen ist, oas Vermögen des Anderen mit Schulden zu belasten. Nur versteht sich nach den landrechtlichen Grundsätzen, daß von dem Vorgänge das Publikum in Kenntniß gesetzt werden muß. Diese Auslegung hat das O.Tr. I V zu der feinigen gemacht, nach dem Pr. 1957 v. 19. Nov. 1847: „Eine beim Vorhandensein ehelicher Güter­ gemeinschaft und vorehelicher Ueberschuldung des einen Ehegatten von dem anderen innerhalb zweier Jahre nach vollzogener Ehe in Antrag gebrachte und «erfolgte, auch gehörig bekannt ge­ machte Vermögensabsonderung steht, auch wenn außer der Absonderung die Aufhebung der Gütergemeinschaft nicht ausdrücklich vereinbart worden, nicht nur den vorehelichen Gläubigern des überlebenden Theils, sondern auch denjenigen Gläubigern desselben, deren Forderungen nach der Bekanntmachung der Absonderung ihren Ursprung genommen haben, entgegen." Entsch. 16 S. 226; Rechtsfälle 3 S. 144. Vergl. auch 8- 410. Nur das Verhältniß zwischen den Eheleuten bei der Auseinandersetzung nach Auflösung der Ehe wird durch die bloße Ab­ sonderung der eingebrachten Güter ohne Aufhebung der Gemeinschaft nicht geändert, d. h. der Ueberschuldete kann die Hälfte des Vermögens des Anderen als ihm gehörig fordern, nur darf er seine Schulden nicht einwerfen. Und auch der Erwerb bleibt gemeinschaftlich. Das ent­ stehende Verhältniß wird ganz eigenthümlich, anders als man es gedacht hat. H. In dem Erk. des O.Tr. I v. 1. März 1872, Entsch. 67 S. 103, Str. Arch. 83 S. 325, ist ausgesprochen, daß die nach 8- 392 vorgenommene Vermögens-Absonderung nicht nothwendig und von selbst auch die Aufhebung der bis dahin gesetzlich bestandenen Gütergemein­ schaft für die Ehegatten zur Folge hat. 58) Ist die Frist aber noch nicht verstrichen, wenn die Ehe durch den Tod getrennt wird: so ist an dem allgemeinen Grundsätze, wonach Vermögensrechte in der Regel auf die Erben übergehen, nichts geändert. Folglich können die Erben des unverschuldeten Ehegatten gegen den Verschuldeten, sowie der Verschuldete gegen die Erben und Gläubiger des Verschuldeten, von dem Separationsrechte Gebrauch machen. Die Meinungen sind darüber verschieden. Nach einer Meinung soll das Separationsrecht ein jus personalissimum der Eheleute und zwar auf die Dauer der Ehe sein. Dies ist nicht einzuräumen; es ist ein reines Vermögensrecht und das wirkende Rechtsprinzip ist die Restitution, welche hier gegen den nachtheiligen Gütergemein­ schafts-Kontrakt dem Bevortheilten innerhalb einer zweijährigen Frist gegeben ist. Dies ist auch von dem O.Tr. anerkannt und als Rechtsgrundsatz festgestellt durch das Pr. 2754, Anm. 53 zu §. 392 d. T. ü. Derselben Ansicht: Förster, pr. Pr.R. 3 S. 550 u. Dernburg 3 S. 115. H. Die Ansicht Koch's und des O.Tr. unterliegt erheblichen Bedenken. Es ist aller­ dings richtig, daß die einzelnen Befugnisse vermögensrechtlicher Natur, welche auf Grundlage der Ehe und des die einzelne Ehe beherrschenden Güterrechts entstanden sind, auf die Erben übergehen. Damit ist aber noch nicht erwiesen, und darum handelt es sich gerade, daß letztere befugt sind, die Grundlage des aesammten ehelichen Güterrechts beider Ehegatten zu beseitigen. Das dem nicht verschuldeten Ehegatten gewährte Separationsrecht trägt den Charakter eines beneficium in integrum restitutionis. In so fern hat es allerdings einen vermögensrechtlichen Charakter. Aber andererseits kommt auch das innige persönliche Verhältniß, welches zwischen den Ehegatten obwaltet, in Frage. Daher kann die Reguliruna ihrer gegenseitigen vermögens­ rechtlichen Verhältnisse nur den letzteren selbst persönlich überlassen, nicht aber Dritten die Befugniß zugestanden werden, sich vielleicht mit dem Willen des Ehegatten in Widerspruch zu

188

werte».

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 396-413.

beten Ehegatten, oder dessen Erben, bei der Anseinandersetzung, wegen der vor der Ehe gemachten Schnlden nichts angerechnet werden. §• 396. Ist in den Verträgen, Provinzialgesetzen, oder (Statuten, nur eine Gemeinschaft des Erwerbes festgesetzt, so erstreckt sich diese der Regel nach auf den gesummten 6V) Erwerb beider Eheleute. §. 397. Gleich bei dem Einkitte in diese Gemeinschaft soll über das Ver­ mögen eines jeden der Ehegatten ein Verzeichniß ausgenommen werden. §. 398. In diesem Verzeichnisse sind sowohl bewegliche als unbewegliche Sachen, znm Behufe einer künftigen Auseinandersetzung, zu einem gewissen Werthe anzuschlagen. §. 399. Das Verzeichniß soll gerichtlich beglaubigt, oder doch von beiden Eheleuten, mit Zuziehung eines rechtskundigen Beistandes von Seiten der Frau, unterschrieben werden. §. 400. Von Allem, was in diesem Verzeichnisse nicht angegeben, und doch wirklich vorhanden ist, wird vermuthet'"'), daß es zum Erwerbe gehöre. §. 401. Ist kein Verzeichniß ausgenommen worden, so gilt diese Vermuthung von Allem, was bei der Auseinandersetzung vorhanden ist. §. 402. Erbschaften und Vermächtnisse, welche einem der Ehegatten zufallen, gehören nicht zu der Gemeinschaft des Erwerbes. §. 403. Ein Gleiches gilt von Geschenken, die auf einer bloßen ei) Freigebig­ keit beruhen. §. 404. Alle anderen Glücksfälle, die sich nach eingegangener Gemeinschaft er­ eignen, gehören ohne Ausnahme") zum Erwerbe. §. 405. Auch werden von allen Stücken, die an sich zur Gemeinschaft nicht gehören, die Nutzungen dennoch zum gemeinschaftlichen Erwerbe gezogen. §. 406. Durch die Gemeinschaft des Erwerbes wird kein Ehegatte zur Be­ sehen. Hätt« z. B. eine reiche Frau einen völlig verschuldeten Mann geheirathet, aber absichtlich von ihrem Separationsrecht keinen Gebrauch gemacht, so könnte nach der bekämpften Ansicht ihre Absicht, falls sie nur einige Zeit vor Ablauf der zwei Jahre verstorben wäre, durch ihre Erben völlig vereitelt werden. Wie soll der Fall entschieden werden, wo die Frau einem ent­ fernten Verwandten einen geringen Theil ihres Vermögens hinterlassen, im Uebrigen aber den verschuldeten Mann zum Erben eingesetzt hat? Da endlich noch in Bettacht kommt, daß das Gesetz keine Veranlaffung hat, die Erben zu schützen, wenn der Ehegatte ihnen das Recht durch Berstreichenlassen der zweijährigen Frist entziehen kann, so wird man sich gegen die Annahme eines aktiven Ueberganges des Separationsrechtes auf den Erben des Ehegatten erklären milffeit. Dagegen erscheint es zutteffend, wenn sich das O.Tr. für den passiven Uebergang, d. h. die Befugniß des überlebenden Ehegatten, das Separationsrecht gegen die Erben des ver­ schuldeten Theiles geltend zu machen, entschieden hat, weil diesem durch den zufälligen Umstand des früher emgetretenen Todes sein Recht nicht entzogen werden kann. 59) Auf den gesammten, und zwar ohne Unterschied: ob das betreffende Vermögens­ stück von beiden Eheleuten gemeinschaftlich, oder allein von dem Manne oder der Frau erworben ist, mit Ausnahme der 88. 402, 403 bezeichneten Gegenstände. Erk. des O.Tr. III v. 18. Jan. 1856, Str. Arch. 19 S. 289. Rach der im Fürstenthume Siegen zur Anwendung kommenden, in der RassauKatzenellenbogenschen Landesordnung von 1616 sanktionirten Errungenschaftsgemeinschaft sondert sich bei Trennung der Ehe das von beiden Theilen Eingebrachte, wenn man von der Statutarportion und den sonstigen Vortheilen des Ueberlebenden absieht, wieder aus, und die Erkoberung, d. h. alles dasjenige, was während der Ehe erworben wird, ohne zum Sondergute zu gehören, fällt nach gleichen Theilen dem Ueberlebenden und den Erben des verstorbenen Ehegatten anheim. Erk. des O.Tr. o. 19. Rov 1838, Ulrich, Arch. 6 S. 247. — Zu vergl. das dieselbe Gemeinschaft betreffende Erk. des O.Tr. v. 28. Jan. 1848, Rechtsf. 3 S. 313. 60) Der Gegenbeweis ist mithin zulässig, sowohl seitens des betheiligten Ehegatten als deffen Gläubigers. 61) Also werden nur reine Schenkungen Sondergut. 62) Mthin auch Lotterie- und andere Spielgewinne. Daran ist bei der sehr deutlichen und bestimmten Fassung aus einem gültigen Grunde nicht zu zweifeln.

Don der Gemeinschaft der Güter unter Eheleuten.

189

zahlung der besonderen Schulden des anderen aus der «Substanz seines Vermögens verpflichtet6:l). §. 407. Der gemeinschaftliche Erwerb hingegen kann von den Gläubigern des Mannes, ohne Unterschied, ob die Schulden vor oder nach der Heirath entstanden sind, angegriffen werden. §. 408. Auch die Gläubiger der Frau können an den Erwerb sich halten, wenn ihre Forderungen nach §. 389. gültig, oder noch vor der Heirath entstanden sind. §. 409. Wird durch die besonderen Gläubiger des einen Ehegatten der gemein­ schaftliche Erwerb geschwächt, so kann der andere Ersatz aus dem eigenthümlichen Vermögen des Ersteren fordern. §. 410. Hat der verschuldete Ehegatte kein eigenthümliches Vermögen in die Ehe gebracht: so kann der andere, binnen zwei Jahren nach cingegangener Ge­ meinschaft, auf die Absonderung des Erwerbes, jedoch nur in Ansehung der Zu­ kunft*^), antragen. 8. 411. Außer vorstehenden Bestimmungen (§. 402 — 410.) gilt, wegen der Rechte und Pflichten der Eheleute bei einer Gemeinschaft des Erwerbes, eben das, was wegen der Gemeinschaft der Güter überhaupt §. 378 •*)—388. verordnet ist. §. 412. Die Gemeinschaft der Güter, oder des Erwerbes, kann durch Verträge «u,sch««vor der Heirath ausgeschlossen werden. §. 413. Während der Ehe hingegen findet die Aufhebung einer solchen auf *>cr ,j£Peln' Provinzialgesetze oder Statuten sich gründenden Gemeinschaft, auch mit Bewilligung

Theil erklärt worden24),25 so erfolgt, wenn keine Gütergemeinschaft vorgewaltet hat, ,Wi, «rdie Auseinandersetzung wegen des Vermögens überall nach den bei der Trennung der Ehe durch den Tod vorgeschriebenen Grundsätzen. §. 767. Alle Begünstigungen, welche das Gesetz dem überlebenden Ehegatten mtiÄn. beilegt, genießt in dem Falle der Unschuldige2»). LUÄ« §. 768. Nur in dem Falle des §. 572. 573. tritt, an die Stelle der von Berufen», den Erben der Frau zu bestimmenden, eine'gerichtlich aufzunehmende Taxe. gäbe erworbenes Grundstück in die Ehe gebracht habe und also berechtigt sei, dasselbe als ein Jllatum zurückzunehmen, der Besitz desselben zur Zeit der Eheschließung und nicht erst der in die Ehe fallende Zeitpunkt des Abschlusses eines formgemäßen Vertrages über jene Erwerbung entscheidend. Erk. des O.Tr. II v. 4. April 1862, Entsch. 47 S. 263.

18) Statt 669 ist „661" zu lesen. R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 475. 19) Also auch die Frau für den armen hülflosen Mann. S. Anm. 15 zu §. 174 d. T. 20) Dies wollten auch diejenigen Juristen, welche wegen dieses Grundes die Ehetrennung für gerechtfertigt hielten, dem gesunden Ehegatten zur Pflicht gemacht wissen. S. Leyser, meditat. ad Pand. sp. 315., 1 u. 2; Pufendorf observ. jur. univ. T. I. Abth. 160; Pozz über Ehescheidung, Abth. 6. S. 216. 21) Und vorzeitig; denn ein nach den; Laufe der Natur mit den Jahren einttetendes Un­ vermögen ist nicht gemeint. Anm. 37 zu §. 696 d. T. 22) Das Allegat soll, wie der Augenschein zeigt, „696, 697" heißen. Jahrb. 50 S. 475.

R. v. 29. Dez. 1837,

23) Die verschiedenen Uebergänge des Eigenthums in den Fällen der §§. 761—764 vermitteln sich alle von selbst (ipso jure); es kommt nur auf die Feststellung deS Zeitpunktes in jedem einzelnen Falle an. 24) D. h. ist dem Einen ein Uebergewicht der Schuld, im Gegensatze der Gleichschuldig­ erklärung, zur Last gelegt worden. Anm. 3 zu §. 739. 25) Diesem steht hierin der weniger Schuldige gleich. Bor. Anm. — Vgl. §§. 570 ff. d. T.

264

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 769—784.

§. 769. Der Nießbrauch des Mannes in dem Eingebrachten der Frau endigt sich allemal mit dem Tage, da das ScheidungSurtel publicirt worden2e). §. 770. Hat der schuldige Theil die Rechtskraft des Urtels durch ungegründete Rechtsmittel aufgehalten, so kann er daraus niemals einen Vortheil ziehen. §. 771. Es wird also der Zeitpunkt der Scheidung, so weit es ihm nach­ theilig ist, auf den Tag des in den folgenden Instanzen bestätigten ersten Scheidungsurtels zurück gerechnet22). §. 772. Ist der Mann für den schuldigen Theil erklärt: so hängt es von der Wahl der Frau ab, die Verwaltung des eingebrachten Grundstücks, bis zum Ab­ lauft des Wirthschastsjahres, selbst zu übernehmen, oder die Bestellung eines gemein­ schaftlichen Verwalters auf Kosten des Mannes zu suchen. §. 773. Der unschuldige Theil behält die empfangenen Brautgeschenke, und kann die gegebenen, in so fern sie noch vorhanden sind, zurückfordern. §. 774. Der unschuldige Mann behält die versprochene22) Morgengabe, und kaun die wirllich schon gegebene von dem Vermögm der Frau als eine Schuld abziehen. §. 775. Auch die während der Ehe gemachten Schenkungen kann der un­ schuldige Theil, wegen der von dem schuldigen begangenen Undankbarkeit, wider­ rufen. (Th. 1. Tit. 11. §. 1151. sqq.) §. 776. Die zur Hochzeit, oder sonst, während der Ehe, von einem Dritten gemachten Schenkungen werden, wenn sie nicht Einem Theil ausdrücklich zuge­ wendet, oder ihrer Beschaffenheit nach zu seinem alleinigen Gebrauche bestimmt sind, als gemeinschaftlich angesehen. §. 777. Wegen verwendeter Hochzeitskosten findet in keinem Falle ein gegen­ seitiger Anspruch statt. §. 778. Ist ein von einem Dritten bestellter Erbschatz vorhanden: so bleibt der Nießbrauch davon dem unschuldigen Theil, und das Eigenthum fällt den aus der geschiedenen Ehe erzeugten Kindern zu. §. 779. Der unschuldige Theil kann sich nicht entbrechen, von den Einkünften 26) Mit demselben Tage hört aber auch die Verbindlichkeit des Mannes zum Unterhalte der Frau auf, mithin fällt die fernere Zahlung der durch ein Interimistikum während der Dauer des Scheidungsprozesses feftgefe|ten Alimente weg. Zu vergl. R. v. 2. Sept. 1833, Jahrb. 42 S. 134. Das gilt namentlich in dem Falle, wenn der Prozeß bloß wegen der Ehescheidungs­ strafe oder eines anderen Nebenpunktes durch die noch übrigen Instanzen fortgesetzt wird, wäh­ rend gegen den Ausspruch der Scheidung kein Rechtsmittel eingelegt worden ist. 27) Die §§. 769—771 haben es lediglich mit der Feststellung des Tages zu thun, an welchem der eheliche Nießbrauch ein Ende mmmt, sowie der §. 614. Vergl. §. 784. Was aber die Auseinandersetzung betrifft, so kommen, wie der §. 766 deutlich vorschrerbt, die Grundsätze bet §§. 616 ff. auch hier zur Anwendung, so weit hier keine Abweichungen besonders angeordnet sind. Die Bestimmungen der §§. 770, 771 sind auf die ehelich« oder uneheliche Geburt des von der geschiedenen Frau geborenen Kindes einflußlos. Vergl. Pr. 2354 in Anm. 26. H. Die §§. 770 u. 771 sind in der Mark Brandenburg nicht suspendirt, Erk. des O.Tr. I v. 19. März 1852, Entsch. 22 S. 367; Str. Arch. 6 S. 114. H. Die §§. 770, 771 gelten auch noch jetzt als Specialvorschriften des materiellen Rechts gegenüber dem §. 645 d. C.P O. (s. Anm. 96 zu L. 731 d. T.), s. auch Förster-Eccius 1 S. 309 Note 7 u. Dernburg 3. Aufl. 1 S. 303 Note 7. Offen bleibt jetzt auch noch di« schon früher streitige Frage, ob die Zurückdatirung auf den Tag der Publikation oder den der Zustellung^ des erstinstanzlichen Urtheils (so Pr. 2354 des O.Tr. I v. 19. März 1852, Entsch. 22 S. 367, Str. Arch. 5 S. 114) zu erfolgen hat. Für das letztere Dernburg a. a. O. S. 301; für das erstere Förster-Eccius a. a. O. S. 307 Rote 5. Vgl. auch noch das Erk. des O.Tr. III v. 9. Olt. 1871, Entsch. 66 S. 140, Str. Arch. 84 S. 39: Wenn in einem Ehescheidungsprozeff« auf einen nothwendigen Eid erkannt und dieses Erkenntniß demnächst auf Scheidung pürifizirt worden ist, so ist der Tag der Rechtskraft des Scheidungsurtheils der der Publikation des durch Eid bedingten Erkenntnisses, nicht der Tag der Purifikatoria. 28) Zu vergl. §. 207 d. T. und die Anm. 7 dazu.

Bon Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch.

265

des Erbschatzes einen verhältnißmäßigen Beitrag zur Erziehung und Verpflegung der Kinoer zu leisten; in so fern29)30 diese 31 Kosten von dem schuldigen ganz oder zum Theil nicht aufgebracht werden können. §. 780. Sind keine Kinder vorhanden, und der Besteller des Erbschatzes ist noch am Leben: so kann dieser frei darüber verfügen. §. 781. Ist der Besteller verstorben, so fällt Eigenthum und Nießbrauch des Erbschatzes dem unschuldigen Ehegatten anheim. §. 782. Ist aber der Erbschatz nach §. 764. 765. zu Gunsten des schuldigen Theils bestellt worden; so können die Erben des Bestellers das Eigenthum zurück­ fordern ; und der unschuldige Ehegatte behält nur den Nießbrauch auf Lebenslang. §. 783. Wenn nun nach obigen Vorschriften das Vermögen der beiden se.»)«bstndung schiedenen Eheleute von einander abgesondert worden, so ist der schuldige Ehegatte schArUm den unschuldigen, wegen der künftigen Erbfolge, aus seinem Vermögen80) abzufinden schuldig. §. 784. Es wird alsdann angenommen, als ob der schuldige Theil an dem Tage des publieirten und rechtskräftig gewordenen Scheidungsurtels (§. 769. 770. 771.) gestorben wäreS1). 29) Durch diese Bedingung wird in dem unbedingten Ansprüche der Kinder an ihre Aeltern nichts geändert; sie bezieht sich lediglich auf das Verhältniß der geschiedenen Eheleute zu einander.

30) Dieses besteht, bei vorhanden gewesener Gütergemeinschaft, aus dem, was er nach §. 765 aus sein Eingebrachtes zurückerhält, und aus der ihm zufallenden Hälfte der etwaigen Ernrngenschast, nach Abzug sämmtlicher Schulden. Die Feststellung erfolgt im Absonderungsverfahren. 31) Von diesem Zeitpunkte ab hat der Schuldige, nach dem Erk. des O.Tr. I v. 31. Rai 1861, Entsch. 46 S. 207; Str. Arch. 42 S. 93, auch Zögerungszinsen von der Ehescheidungs­ strafe zu leisten, selbst in dem Falle, wenn in der letzten Instanz das in der früheren ergangene ScheidungSurtel, so weit es die Trennung der Ehe auSspricht, bestätigt, hingegen die Schuldfrage zur anderweiten Erörterung in die erste Instanz zurückgewiesen, und dann in dem neuen Instanzen­ zuge schließlich derselbe Ehegatte wiederum für den schuldigen Theil erklärt und in die Scherdungsstrafe verurtheilt ist; weil der Unschuldige die Abfindung mit dem Zeitpunkte des fingirten Todes des Schuldigen gesetzlich zu beanspruchen habe, und dieser Tag als der durch das Gesetz bestimmte Fälligkeitstermin der Abfindung anzusehen sei, und mit demselben daher, nach I. 16, §. 67 der Lauf der Zögerungszinsen seinen Anfang nehme. Die Ansicht des Bell., daß der Verzug erst mit dem Zeichunkte der Festsetzung der Summe der Forderung eintrete, soll hier, wo eS sich um die rechtlichen Folgen der Verletzung des Ehebündniffes dem unschuldigen Theile gegenüber handle, eine völlig grundlose sein. — Die völlige Grundlosigkeit möchte aber wohl dieser Wider­ legung nachzusagen sein. Denn nicht ZögerungSzinsen, sondern die Ehescheidungsstrafe ist Folge der Verletzung des Ehebündniffes; Grund der Zögerungszinsen ist allein Zögerung mit der Höhlung, die Zahlung aber ist nicht thunlich, so lange das Quantum der. Schuld nicht ausgennttelt ist. Ueberhaupt ist die hier geschehene Anwendung der Grundsätze von Zögerungszinsen auf die Ehe­ scheidungsstrafe nicht zulässig, weil nicht paffend. Die Ehescheidungsstrafe besteht in der Quote eines Vermögens, gleich dem Pflichttheile, wenn er nicht in emer bestimmten Sache oder Summe hinterlassen ist. So wenig der Pflichttheilsberechtigte in solchem Falle Höaerunaszinsen von seinem noch unermittelten Pflichttheile seit dem Todestage seines Erblassers fordern rann, ebenso wenig bent unschuldigen Ehegatten Zögerungszinsen von der ihm gebührenden Ehescheidungsstrafe em fingirten Todestage des Schuldigen zu. Dadurch entgeht ihm durchaus nicht der Bortheil der ihm bis zur Ausmittelung vorenthaltenen Benutzung der Ehescheidungsstrafe, für welche Be­ nutzung ihm das O.Tr. durch Zögerungszinsen Ersatz verschaffen will (S. 212 a. a. D.); wenn nur die Ausmittelung ihre richtige Grundlage hat. Diese Grundlage besteht aus zwei Faktoren, gerade so wie bei der Ausmittelung jenes Pflichttheils, nämlich aus dem Bestände oeS Ver­ mögens, wie er sich durch ein Inventarium an dem wirNichen, beziehungsweise fingirten Todes­ tage darstellt, und aus den Einkünften, welche zwischen diesem Todestage und dem Tage der AuSmittelung (Theilung) davon ausgenommen sind und durch Rechnungslegung ermittelt werden. Von diesem Theilungstaqe an laufen dann, wenn nicht sofort Zahlung erfolgt, ZögerungSzinsen von der ausgemittelten &umme. Das allein ist das Richtige. H. So auch Förster 3 S. 683 Note 25, dagegen Dernbürg 3 S. 63. Bei der Auseinandersetzung geschiedener Ehegatten, behufs Ermittelung und Feststellung desjenigen Vermögens des schuldigen Theiles, von welchem dem Unschuldigen ein Viertel,

K

266

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 786—803.

8- 785. Sind über die künftige Erbfolge keine Verträge vorhanden, und ist die Ehe wegen der §. 748. benannten groben Vergehungen getrennt worden, so besteht die Abfindung des Unschuldigen in dem vierten Theil von dem Vermögen des Schuldigen. §. 786. Sind aber nur minder schwere Vergehungen die Ursache der Schei­ dung gewesen, so wird die Abfindung auf den sechsten'*) Theil bestimmt. §. 787. Lehne, Fideicommifie, und was sonst der freien Veräußerung des schuldigen Theils nicht unterworfen") ist, kommt bei der Berechnung seines Ver­ mögens, zum Behufe der zu bestimmenden Abfindung, nicht mit in Anschlag. §. 788. Mobilien, Grundstücke und Gerechtigkeiten, wenn keine gültige Vereinbarung über ihren Werth Platz greift, werden nur nach einer gerichtlich aufzu­ nehmenden Taxe gerechnet. §. 789. Es kann also auch der schuldige Theil zum Verkaufe solcher Bermögensstücke, bloß um den Werth derselben auszumitteln, niemals gezwungen werden.

§. 790. Bon dem Vermögen des schuldigen Theils werden nur solche Schulden abgerechnet, die zur Zeit der angemeldeten Scheidungsklage schon vor­ handen waren"). 8. 791. Was der unschuldige Theil aus dem Erbschatze erhält, kann ihm auf seine Abfindung niemals, und in keinem Falle, angerechnet werden. §. 792. Ist die künftige Erbfolge durch Verträge bestimmt, so erhält der unschuldige Theil in der Regel alles das, was ihm darin, auf den Todesfall des schuldigen, verschrieben worden. §. 793. Sind die nach den Verträgen dem Unschuldigen zukommenden Vor­ theile geringer, als die gesetzliche Abfindung, so kann derselbe diese letztere, statt der Abfindung aus den Verträgen, wählen. §. 794. Sind aber Kinder aus dieser Ehe vorhanden, so kann der unschuldige Theil nur die geringere vertragsmäßige Abfindung fordern. §. 795. Ist die vertragsmäßige Abfindung des unschuldigen Theils stärker, als die gesetzliche; und es sind aus der getrennten Ehe Kinder vorhanden: so muß der unschuldige mit der gesetzlichen Abfindung sich begnügen: §. 796. Sind keine Kinder vorhanden, so kann zwar der unschuldige Theil an den Vertrag fich halten. §. 797. Doch kann auch alsdann dem Schuldigen niemals mehr, als höchstens die Hälfte von der Substanz, oder dem Nießbrauche seines Vermögens, genommen werden. ziehungsweise ein sechstel, als Abfindung und Ehescheidungsstrafe gebührt, kommen suspensiv bedingte, bloß eventuelle Ansprüche des Schuldigen auf künftige Hebungen nicht mit in Betracht, wenn dieselben dem Berechtigten nur auf seine Lebenszeit zustehen. Erk. des O.Tr. I v. 29. Nov. 1887, Entsch. 69 S. 197. — Bergl. ferner Anm. 36 zu §. 799 d. T. 32) Ist neu. Borher galt nach dem Ehesch.Ed. §§. 47 und 61 durchgängig die Röm. Quart. Suarez ging davon aus Billigkeitsgründen ab. (Ges.Rev. Pens. 15 S. 436.) 33) Das ist alles dasjenige Bermögensrechtlich«, was mit dem Tode erlischt, oder nicht zur Erbschaft gehört. H. Dem für den unschuldigen Theil erklärten Ehegatten steht ein Recht auf Abfindung aus dem, dem für schuldig erklärten Ehegatten gebührenden lebenslänglichen Nießbrauch an einer Erbschaft, selbst wenn letzterer die Rechte eines Fiduziarerben hat, nicht zu. Er kann deshalb auch nicht als Abfindung von den Rießbrauchs-Revenuen eine Rate des kapitalifirten Betrages derselben oder jeder einzelnen Zahlung beanspruchen. Erk. des O.Tr. I v. 27. Rov. 1867, Str. Arch. 68 S. 91. 34) Die erst später von dem Schuldigen veranlaßten Schulden ohne Unterschied bleiben ihm zur Last, ohne daß sie bei Ausmittelung der von dem eigenthümlichen Vermögen zu ent­ richtenden Abfindung des Unschuldigen (§. 783) abgerechnet werden. Dadurch geschieht indeß den Gläubigern kein Eintrag. Diese können sich, bei vorhanden gewesener Gütergemeinschaft, immer an das Ganze halten. Anm. 43 zu §. 380.

Von Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch.

267

§. 798. Statt der Abfindung, welche nach obigen Vorschriften dem unschul­ digen Theil aus Verträgen oder Gesetzen zukommt, kann die Frau standesmäßige Verpflegung, bis an ihren Tod, aus den Mitteln des schuldigen Mannes fordern 85). §. 799. Diesen standesmäßigen Unterhalt müssen die Gerichte, nach Ver­ hältniß88) des Gewerbes oder Verdienstes, oder der sonstigen Einkünfte des schuldigen Ehemannes, bestimmen. §. 800. Jedem Theil steht frei, zum Behufe dieser näheren Bestimmung, einen Standes- oder Zunftgenossen des Mannes vorzuschlagen, und zwischen dem Gutachten derselben giebt der Befund des Richters den Ausschlag. §. 801. Die Einkünfte des zurückgenommenen eigenthümlichen Vermögens8?) der Frau, ingleichen der ihr etwa zugefallene Nießbrauch eines Erbschatzes, werden ihr auf die ausgemittelten Verpflegungsgelder angerechnet. §. 802. Der Mann ist verbunden, die der Frau zu reichenden Verpflegungs­ gelder aus seinem bereitesten Vermögen anzuweisen, und zu versichern 88). §. 803. Bei verbesserten88) Bermögensumständen des Mannes kann zwar

35) „Die für unschuldig erklärte Ehefrau verliert dadurch, daß sie in dem Ehescheidungsprozeffe auf Verurtheilung des Mannes in die Abtretung einer Quote seines Vermögens ange­ tragen hat, und daß diesem Anträge entsprechend erkannt worden, noch nicht das Recht, statt dieser Abfindung standesmäßige Verpflegung ju fordern; sie kann diese Verpflegung auch dem­ nächst noch fordern, und ihr nicht entgegengesetzt werden, daß ihr die Abfindung rechtskräftig zugesprochen ist." Pr. 687 des O.Tr. I v. 7. Juni 1839, Präj.S. 1 S. 157. Mit Berufung aus das Reglement für die allgemeine Wittwenverpflegungs-Anstalt ist be­ hauptet worden, der Mann könne, vor jeder Alimentenzahlung, den Nachweis fordern, daß die geschiedene Frau noch lebe, und (wenn dies ausbedungen) noch unverheirathet sei. Diese Befugniß spricht ihm ein Bescheid des I M. v. 16. Aug. 1814 ab, weil Veränderungen nicht ver­ muthet werden und die Befugniß der allgemeinen Wittwenkaffe auf dem besonderen Statut derselben und auf den Rezeptionsbedingungen beruhe. (Jahrb. 8 S. 268.) Dieses Reglement ist freilich nicht maßgebend, aber ebenso wenig kann jener Mangel einer Vermuthung für Ver­ änderungen in jedem Falle entscheiden; darauf hin müßte ein ewiges Leben der Frau angenommen werden. Es kommt auf die Beschaffenheit und die Umstände jedes einzelnen Falles an. Der Antrag der geschiedenen, für unschuldig erklärten Ehefrau auf Verpflegung ist durch die Absonderung des gemeinschaftlich gewesenen Vermögens bedingt. Erk. des O.Tr. I v. 23. Jan. 1851, Str. Arch. 2 S. 289. 36) Und zwar nach dem zur Zeit der Auseinandersetzung mit der geschiedenen Frau statt­ findenden Berhältniffe. Zu vergl. das Pr. des O.Tr. 361 in der Anm. 89, und Entsch. 13 S. 316, wo die „Zeit der Zuerkennung" als die entscheidende bezeichnet wird. H. Ferner Erk. deff. Sen. v. 4. Febr. 1870, Str. Arch. 77 S. 225: Die Abfindung des unschuldigen Ehe­ gatten ist nach dem Zustande, in welchem sich das Vermögen des schuldigen zur Zeit deS publizirtdn und rechtskräftig gewordenen Scheidungsurtheils befindet, auch dann zu berechnen, wenn die Frau standesgemäße Verpflegung bis an ihren Tod fordert. An Veränderungen, welche später im Vermögen des Schuldigen eintreten, interessirt der Unschuldige nicht. S. auch Anm. 40 zu 8. 803 d. T. 37) „Unter diesen Einkünften des zurückgenommenen Vermögens der Frau find nur die Einkünfte des i n f e r i r t gewesenen, nicht aber die des vorbehaltenen Vermögens zu verstehen; die letzteren find daher auf die von dem schuldigen Ehemanne der Frau statt der Ehescheidungs­ strafe zu verabreichenden Alimente nicht anzurechnen." Pr. 1168 des O.Tr. I v. 29. Juni 1842, Präj.S. 1 S. 158. H. Wohl aber hat sich die Eheftau darauf eine ihr zustehende Wittwenpension anrechnen zu taffen, R.G. IV v. 16. Mai 1881, Gruchot 26 S. 432 (und nochmals daselbst S. 1011). 38) Zur Sicherstellung kann, in Ermangelung anderer Mittel, die Frau auch verlangen, daß durch Gehaltsabzüge ein Kautionskapital im gerichttichen Depositorio angesammelt werde. 39) Was darunter zu verstehen, ist zweifelhaft. Wenn später der Mann neue Erwerbungen durch Erbschaft, Schenkung u. bergt macht, so ist der Fall sicher ein solcher, für welchen vie Vorschrift gegeben ist. Aber wenn die Vermögensumstände des Mannes zur Zeit der Ausein­ andersetzung so sind, daß nur Einschränkungen auf dem Vermögen lasten, die jedenfalls künftig wegfallen müssen; so fragt sich: ob die Frau auch in diesem Falle keine Erhöhung der Alimente zu fordern berechtigt ist. Allerdings. Die Lage der Sache ist die, daß schon bei der Ausein­ andersetzung selbst der sicher eintretende Fall des Wegfalls der Einschränkungen hätte berücksichtigt

268

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 804-812.

die Frau keine Erhöhung40 * *),* * wohl * * * * *aber * * eine bessere Versicherung ihrer Verpflegungs­ gelder fordern. §. 804. UebrigenS kann die geschiedene Frau, wenn sie einmal Verpflegungs­ gelder gewählt bat, davon in der Regel nicht wieder abgehen, und die gesetz- oder vertragsmäßige Abfindung fordern. §. 805. Dagegen behält sie aber auch die Berpflegungsgelder, wenn sie gleich zu einer anderen Ehe schreitet. §. 806. Nur in dem Falle, wenn bei dem Ableben des Mannes so wenig Vermögen vorhanden ist, daß die Berpflegungsgelder mehr als die Hälfte von dem Ertrage des Nachlasses ausmachen 4’), hat tue Frau die Wahl: ob sie sich eine Heruntersetzung bis auf die Hälfte gefallen lassen, oder aus der Substanz des Nachlasses die gesetzliche Abfindung Ein- für allemal fordern wolle. §. 807. Bei dieser Abfindung wird der Betrag des bei der Scheidung vor­ handen gewesenen Vermögens, oder der des Nachlasses, je nachdem der eine oder der andere geringer ist, zum Grunde genommen. §. 808. Dagegen aber dürfen auch der Frau die bis zum Tode des ge­ schiedenen Mannes genossenen Verpflegungsgelder auf ihre Abfindung nicht an­ gerechnet werden. §. 809. Ist der unschuldige Ehemann wegen Alters, Krankheit, oder anderer Unglücksfälle, sich seinen Unterhalt selbst zu veroienen nicht im Stande42): so kann er, statt der aus dem Vermögen der schuldigen Frau ihm gebührenden Abfindung, stanoesmäßige Verpflegung wählen. §. 810. Solchenfalls gilt für ihn Alles, was zum Besten43) der unschuldigen Ehefrau vorstehend verordnet ist. und nur bis dahin ein vorläufiger geringerer Betrag der Alimente hätte ausgesetzt werden sollen, so daß das unbeschränkte Vermögen zur Grundlage bei Ausmessung der Alimente ge­ nommen, bis zur Aufhebung der Einschränkung aber em Minderbetrag angewiesen worden wäre. Wenn die Sache nicht so reaulitt worden ist, so hindert das nicht die nachttägliche Regulirung bei Eintritt des Falles. Das ist auch die Praxis des O.Tr. I nach dem Pr. 361 v. 31. Ott. 1837: „Die Ehefrau ist nur dann auf die gewählten Verpflegungsgelder statt Ab­ findung beschränk, wenn der Ehemann in der Zukunst Vermögen oder Einkommen erwirbt, auf welches er zur Zeit der Auseinandersetzung mit der geschiedenen Ehefrau noch gar keinen An­ spruch bat. Das Gesetz kommt daher nicht zur Anwendung, wenn auf dem schon im Eigen thume des Mannes befindlichen Vermögen Einschränkungen haften, welche ihrer Natur nach vor­ übergehend sind und in der Folge fortfallen müssen." (Präj.S. 1 S. 158.) 40) Aber auch keine Verminderung bei verschlimmerten Vermögensumständen. Das meint

auch der J.M. in einem Bescheide v. 26. März 1834 (Erg. ad h. §.). „Die unter dem Versprechen der Ehe Geschwächte, welcher die Rechte einer geschiedenen für den unschuldigen Theil erklärten Ehestau zugesprochen, und statt der Ehescheidungsstrafe lebenslängliche Alimente gegen den Schwängerer zuerkannt worden sind, hat nicht das Recht, auf Erhöhung der Alimente anzutragen, wenn der Schwängerer zu befferen Vermögensum­ ständen gelangt." Pr. 1753 des O.Tr. I v. 29. Mai 1846, Entsch. 13 S. 310. Das Pr. ist Segen die Anwendung des §. 1075 d. T. auf diesen Fall gerichtet, und gehört seit Erscheinen es Ges. v. 24. April 18&1 (Zus. zu §. 1119 d. T.) der Rechtsgeschichte an. Jede nach dem Tage des rechtsttästigen Scheidungsurtheils in dem Vermögen des un­ schuldigen Ehegatten sich ergebende Aenderung ist ohne Einfluß auf die Höhe der m einem be­ sonderen Prozeffe beanttagten Festsetzung der Alimente. Erk. des O.Tr. I v. 24. Nov. 1862, Str. Arch. 46 S. 330. Vergl. auch Anm. 36 zu §. 799 d. T. 41) Wie z. B. dann öfter, wo nicht gewöhnlich, vorkommt, wenn der geschiedene Mann Fideikommißbesitzer war. 42) Außerdem nicht, wenn auch die Frau keinen Groschen Kapitalsvermögen, wohl aber viele Tausende jährlicher Einkünfte (etwa als Sängerin oder Tänzerin) hätte. Die gegen den Satz (aus dem Ehesch.Ed. §. 55) eingegangenen Monita wurden durch die Bemerkung beseitigt: „Der Unterschied ist wohl klar. Der Mann muß die Frau ernähren, nicht die Frau den Rann." (Ges.Rev. Pens. 15 S. 444.) Der Ausspruch ist unzutteffend, wenn eine weltberühmte Bühnen­ künstlerin einen armen Schlucker heirathet. 43) Und auch zum Nachtheil, daß sie nicht Erhöhung fordern und auch von der Wahl

Von Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch.

269

8- 811. Hat unter den geschiedenen Eheleuten eine Gemeinschaft aller Güter vorgewaltet 44); so kann der unschuldige Theil wählen45): ob er die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens fordern, oder auf Absonderung der Güter antragen wolle46). 8- 812. Wählt -CT letzteres, so erfolgt die Absonderung nach den 8- 755—758. ertheilten Vorschriften "). nicht abgehen kann. Diese Bestimmungen sind erst spater hinzugekommen. Vorher paßte daS „zum Besten"; nachdem aber die zum Nachtheil der Frau gereichenden Bestimmungen hinzu­ gekommen waren, hätte hiernach die Fassung des §. 810 geändert werden sollen. Es ist aus Unachtsamkeit unterblieben. (Ges.Rev. Pens. 15 S. 445.) 44) Ein rechtskräftig gewordenes Ehescheidungsurtel enthielt in dem Tenor die Bestimmung: daß der Ehemann für den überwiegend schuldigen Theil zu erachten und die Ehefrau für berechtigt zu erklären, bei der „nach gütergemernschaftlichen Grundsätzen zu bewirken­ den" Bermögensauseinandersetzung, im Falle gewählter Güterabsonderung den vietten Theil des abgesonderten Vermögens des Ehemannes als Abfindung zu fordern. Man hatte über die Verwaltung der Gütergemeinschaft nicht gestritten. Bei der Auseinandersetzung ergab sich, daß die geschiedenen Eheleute nicht in Gütergemeinschaft gelebt hatten, und nun wurde unter ihnen die Frage streitig: ob die in einem Ehescheidungserkenntnifse enthaltene Bestimmung, daß die eine Partei für berechtigt zu erklären, bei der, nach gütergemeinschaftlichen Grund­ sätzen zu bewirkenden, Vermögensauseinandersetzung rc. Abfindung zu fordern, unter allen Umständen die volle Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung habe, und ob sie für das nach­ folgende Auseinandersetzungs-Verfahren stets und unbedingt dergestalt maßgebend sei, daß die Vermögensauseinandersetzung auch dann nach jenem Grundsätze erfolgen müsse, wenn später er­ mittelt werde, daß unter den gewesenen Eheleuten in der That keine Gütergemeinschaft ob­ gewaltet habe? Die beiden Jnstanzgerichte erkannten widersprechend, das O.Tr. I verneinte, mit dem Appellationsgerichte, die Frage, weil die Eheleute über ihre Gütterverhältniffe nicht gestritten hätten und das Ehegericht keine Veranlassung gehabt habe, darüber ein Urtel zu fällen, das Scheidungsurtel darüber auch keinesweges etwas positw bestimme, sondern dieser Grundsätze nur nebenher in einem Zwischensätze erwähne. @rt. v. 18. Ott. 1867, Entsch. 59 S. 909. — Der Fall ist für die Rechtsentwickelung nicht lehrend; er ist ein vereinzeltes Bei­ spiel gedankenloser Urtelsfaffung einerseits und geschickter Abhülfe mittelst der Jnterpretationskunst andererseits. 45) Ein jus variandi hat der Wahlberechtigte nicht; er ist also an die in verbindender Form getroffene Wahl gebunden. Ueber drese Form vergl. Koch, das Recht der Forderungen, §. 6 Rr. II a. E. (2. A., 1 S. 42). 46) In der Zwischenzeit von Auflösung der Ehe bis zur Auseinandersetzung sind beide Eheleute für gleichberechtigte Miteigenthümer einer universitas juris anzusehen, doch so, daß die noch vorhandenen eingebrachten Stücke ipso jure als das Sondereigenthum des Einbringen­ den zu erachten sind. Der Rechtsfall, welcher in den Rechtsf. 2 S. 54 mitgetheilt wird, berührt die Frage nicht. Vergl. Anm. 6 zu 743 d. T. 47) Nach G. R. ist man uneins darüber: ob die Ehescheidungsstrafen überhaupt und ins­ besondere da noch Anwendung finden, wo Gütergemeinschaft unter Eheleuten besteht. Die Ges.Komm. hat schon den 7. Sept. 1781 eine sich auf die Gütergemeinschaft nach Lübischem Rechte beziehende Entscheidung der Frage dahin gegeben: daß der unschuldigen Eheftau die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens, mit sich von selbst verstehender Einwerfung ihrer illatorum, herauszugeben; oder, wenn sie lieber ihre Jllata zurückfordern wollte, ihr dieselben nebst dem vierten Theile des übrigen zur Zeit der Trennung der Ehe vorhandenen Vermögens auszukehren; in beiden Fällen jedoch der Eheftau von dem, loco poenae divortii erhaltenen, ihr eigenes Vermögen übersteigenden lucro nur der ususfructus ad dies vitae zustehe. (Rabe 1 Abth. 6 S. 528.) Uebereinstimmend damit ist die Entsch. der Ges.Komm. v. 12. Juni 1782, welche sich auf den Fall eines unschuldigen Ehemannes bezieht und zugleich die Frage für den Fall, wenn die Ehe unbeerbt geblieben, dahin entscheidet: daß dem Ehemanne nach seiner Wahl entweder die per pactum in casum mortis bestimmten lucra, oder die Hälfte des Ver­ mögens seiner Frau gebühre. (Rabe 1 Abth. 7 S. 152.) Gleichlautend ist die Entsch. ders. GestKomm. v. 19. Juli 1782, betreffend eine Stettinsche Eheftau. (Ebd. S. 160.) Durch diese Entscheidungen erhielt eine Mittelmeinung Ausdruck. Denn von den beiden extremen Meinungen wollte die eine Theilung der Gesammtmaffe nach Quoten, wie es das Statut für den Fall der Trennung durch den Tod vorschreibt, und demnächstige Ausfolgung der römischen EhescheidunaSstrafe von der Quote des Schuldigen an den Unschuldigen; dre andere hingegen forderte Auflösung der Masse in ihre ursprünglichen Bestandtheile (Zurücknahme der Jllaten) und Theilung der etwanigen Errungenschaft, unter Einräumung der demnächst dem Unschuldigen

B. Wenn Güterge­ meinschaft voraewaltet hat.

Zweiter Theil.

270 Anh. §. 82.

Erster Titel.

Der gemeinschaftliche Erwerb

§§. 813—-822.

wird

nach den Grundsätzen des

§. 82&

getheilt").

§. 813. Aus dem solchergestalt ausgemittelten besonderen Vermögen des schuldigen

von dem Bermögenstheile des Schuldigen zuzutheilenden Ehescheidungsstrafe nach den Grund­ sätzen des R. R. Die Berf. des L.R. haben den Mittelweg beibehalten und die entsprechende Bestimmung in den §§. 811 u. 812 getroffen. Daraus ist eine andere irrige Meinung durch Mißverständniß veranlaßt worden, daß die unschuldige Eheftau, nach ihrer Wahl, unbedingt ihre JUaten von dem schuldigen Ehemanne zurückfordern dürfe. Hiergegen tritt das Pr. 1952 des O.Tr. I v. 20. Dez. 1843 auf: „Hat unter den geschiedenen Eheleuten Gemeinschaft der Güter obgewaltet, und wählt die unschuldige Eheftau die Absonderung, so muß sie den Anspruch auf Zurücknahme ihres in die Ehe gebrachten Vermögens, durch Auflegung emes Inventars von dem zur Zeit der rechtskräftig erfolgten Ehescheidung vorhanden gewesenen gemeinschaft­ lichen Vermögen, oder durch Provotatton gegen den Ehemann auf Vorlegung eines solchen In­ ventars begründen. Ohne solches ist die Klage auf Herausgabe des eingebrachten Vermögens ebenso wenig für substantiirt zu erachten, wie der Anspruch auf, dem Bettage nach bestimmte, Verpstegungsgelder aus den Mitteln des schuldigen Ehemannes statt der Abfindung", Entsch. 16 S. 233, Rechtfälle 3 S. 245. Ist dieser Vorbedingung genügt, so ist der Ehemann der Frau das aus der ungeteilten Masse des gütergemeinschastlichen Vermögens ausgeschiedene Sondereigenthum (das Eingebrachte) herauszugeben unbedingt verpflichtet; eine Kautionsforderung auf Grund des §. 181 L 14 steht ihm gar nicht in Bezug auf diese Verpflichtung, die dadurch etwa bedingt wäre, zu, und wenn er eine Berechttgung dazu wegen der noch unbezahlten ge­ meinschaftlichen Schulden vermöge des §. 149 I. 17 in Anspruch nehmen mitt, so muß er die­ selbe begründen durch den Nachweis der Voraussetzungen des §. 147, nämlich, daß die Gemein­ schaft schon getheilt sei und daß nach dem Theilungsvertrage die Eheftau dre Berichtigung der Schulden übernommen habe. Erk. dess. Sen. v. 11. Jan. 1864, Entsch. 50 S. 300 ; Str. Arch. 52 S. 195. Bei der Auseinandersetzung wird allerdings der Grundsatz, daß jeder Theil sein in die Ehe ge­ brachtes oder während derselben erlangtes Vermögen zurücknimmt und das Uebrige getheilt wird (§§. 812, 755), zum Grunde gelegt. Keineswegs aber wird durch diese Vorschrift der eine Ehegatte derechttgt, schon vor Beendigung des Auseinandersetzungsverfahrens einzelne, unbestritten von ihm eingebrachte und noch vorhandene Gegenstände aus diesem Grunde zurückzufordern und sie als solche Sachen zu betrachten, die eben, weil sie in die Ehe von ihm eingebracht worden, gar nicht als Gegenstände der Theilung anzusehen seien, sondern von jedem beider Theile vorweg genommen würden. Auch die Verwaltung eines Grundstücks kann vorher nicht beansprucht werden; der 772 findet nur auf den Fall Anwendung, wenn die Eheleute in getrennten Güterverhältnissen gelebt haben und es sich nur noch um die Revenüen des letzten Jahres handelt. Tas O.Tv. hat stets den Grundsatz aufrecht erhalten, daß nur im Wege des Aus­ einandersetzungsverfahrens festgestellt werden könne, ob und welche Gegenstände ein geschiedener Ehegatte von dem anderen zu fordern berechtigt sei. Hierdurch wird bei schlechter Wirthschaft ein Sequestrationsverfahren nicht ausgeschlossen. Erk. des O.Tr. I v. 30. Mai 1862, Str. Arch. 46 S. 123. — Vergl. auch Anm. 54 Abs. 2 zu §. 818 d. T. H. Der Grundbuchrichter, welchem keine Kognition darüber zusteht, ob der Rückfall ein­ gebrachter Grundstücke in das Sondereigenthum des unschuldigen Gatten sich unmittelbar in Folge der rechtsttästigen Scheidung und kraft seiner Erklärung, Güterabsonderung zu verlangen vollzieht, kann entsprechende Eintragungen nur auf Grund der zwischen den Parteien ver­ einbarten oder durch Erkenntniß festgestellten Ergebnisse der Auseinandersetzung bezüglich der gütergemeinschastlichen Grundstücke bewirken, Johow, Jahrb. d. Kammerger. 3 S. 123. Seit dem L.R. sind nur dessen Vorschriften über die Aushebung der Gütergemeinschaft nach Lüb. R. und nach der Pommerschen Bauerordnung v. 30. Dez. 1764 im Falle der Ehe­ scheidung maßgebend. R. v. 23. Dez. 1840, J.M.Bl. 1841 S. 12. In der Mark gilt noch die Entsch. der Ges.Komm. v. 21. Aug. 1792: daß 1. eine für schuldig erklärte Ehefrau befugt, dem unschuldigen Manne, dessen Schulden sein eigenes Ver­ mögen übersteigen, bloß die Hälfte ihres Vermögens zu überlassen; 2. daß bei der Ausmittelung des Vermögens des schuldigen Ehegatten nur aus das, was alsdann noch wirklich vorhanden, Rücksicht zu nehmen; zu dem noch vorhandenen aber auch dasjenige zu rechnen, was der schuldige Gatte während der Ehe zum Ankäufe von Grundstücken auf seinen Namen, oder sonst auf eine nützliche noch fortdauernde Art verwendet hat. (Rabe 2 S. 367.) 48) Aus der schon vor der Einführung des L.R. veranlaßten Entsch. der Ges.Komm. v. 26. Juni 1794, Rabe 2 S. 649. Dieser Anhangsparagraph ist überflüssig, denn seine Bestim­ mung ist schon im §. 812 enthalten. Vergl. Entsch. 40 S. 183.

Bon Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch.

271

Theils gebührt dem unschuldigen eben die Abfindung, welche er, außer dem Falle der Gütergemeinschaft, zu fordern hat. §. 814. Wählt der unschuldige Theil die Hälfte des gemeinschaftlichen Ver­ mögens, so kann er, außer derselben, weiter keine besondere Abfindung fordern. §. 815. Doch erhält, bei der Theilung, der Unschuldige die §. 639.") be­ stimmten Effecten zum »orau§60 * *).61 * * 64 §. 816. Wegen der übrigen Effecten hat er eben die Wahl, welche §. 648. 649. und 650.il) dem überlebenden Ehegatten vorbehalten ist. §. 817. Sind Grundstücke und Gerechtigkeiten in dem zu theilenden gemein­ schaftlichen Vermögen vorhanden; so muß der Werth derselben, wenn keine gütliche6e) Vereinbarung statt findet, nach einer gerichtlich aufzunehmenden Taxe in Anschlag gebracht werden. §. 818. Alsdann hat der unschuldige Theil die Wahl"): ob er diese Güter für die Taxe annehmen, oder dem schuldigen überlassen rootie54). §. 819. Auch steht dem unschuldigen Theil frei, auf eine Privatversteigerung zwischen ihm und dem schuldigen anzutragen. §. 820. Nur solche Schulden, welche vor angemeldeter Scheidungsklage ent­ standen sind, können, zur Last des unschuldigen Theils, von dem gemeinschaftlichen Vermögen abgezogen werben6$). §. 821. Haben die Eheleute nur in einer Gemeinschaft des Erwerbes gelebt, so geschieht die Absonderung des eigenthümlichen Vermögens beider Theile nach der Vorschrift §. 662. sqq. §. 822. Der Erwerb wird getheilt, und die dem schuldigen Ehegatten zu-

49) Der §. 640 ist gemeint. Bergt. R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 60 S. 476, und Erk. des O.Tr. I v. 3. Dez. 1866, Str. Arch. 64 S. 319. 60) Der §. 816 verhält sich zu der Bestimmung des §. 814 wie eine Ausnahme zur Regel. Nimmt bei der Auseinandersetzung geschiedener Eheleüte der unschuldige Theil auf Grund deS §. 816 die im §. 640 bestimmten Effekten zum Voraus in Anspruch, so liegt eS auch ihm ob, diejenigen thatsächlichen Boraussetzungen darzuthun, durch welche die Anwendung der Regel deS 8. 814 ausgeschlossen und die Ausnahme des §. 815 gerechtfertigt werden soll, nämlich die Be­ stimmung zum eigenen persönlichen, d. h. ausschließlichen Gebrauche; gemeinschaftlicher Gebrauch z. M von Betten, worin die Eheleute zusammen geschlafen haben, begründet die Ausnahme nicht. Erk. v. 3. Dez. 1866 (s. Anm. 49). 61) Das Allegat ist ein Druckfehler, es muß heißen: §§. 649, 650, 661. Bergl. die amtliche Ausg. des L.R. vom I. 1855 und Entsch. 40 S. 186. 52) In der Ausgabe von 1832 steht statt „gütliche" der Druckfehler „gültige". 53) S. die «nm. 45 zu §. 811. 64) Wenn der geschiedene unschuldige Mann die Hälfte des gemeinschaftlichen Bermögens gewählt hat (8. 811), aber vor erfolgter Auseinandersetzung ein gütergemeinschastliches Grund­ stück ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verkauft, so kann keiner der beiden geschiedenen Ehegatten oder deren Erben den Beräußerungsvertrag als unverbindlich anfechten; der Beräußerer nicht, weil er dem anderen Kontrahenten Gewähr leisten und sein Besprechen halten muß; der andere schuldige Ehegatte nicht, weil er auf das Grundstück selbst gar keinen Anspruch hat, vielmehr nur die Einwerfung des Taxpreises fordern kann. Erk. des O.Tr. I v. 22. Sept. 1858, Str. Arch. 30 S. 253. Das hier im 8.818 dem unschuldigen Theile eingeräumte Wahlrecht gebührt demselben nur dann, wenn er die Hälfte des gemeinschaftlichen Bermögens fordert, nicht aber auch dann, wenn er auf Absonderung des Vermögens anträgt. Erk. des O.Tr. I v. 10. Jan. 1859, Entsch. 40 S. 176, H. und o. 12. Mai 1862, Str. Arch. 46 S. 220, vgl. auch Voigt, preuß. Anwaltszeitg. 1863 S. 246. 55) Bergl. Anm. 43 zu §. 380. — Die Bestimmung des §. 820 bezieht sich nur auf das Berhältniß der geschiedenen Eheleute unter einander, berührt aber nicht die im §. 880 d. T. festgesetzten Rechte der Gläubiger. Erk. des O.Tr. III (Pr. 704) v. 24. Juni 1839, Präj.S. 1 S. 168; J.M.Bl. 1851 S. 284; I Erk. v. 28. Roo. 1859, Entsch. 42 S. 246 und v. 3. Dez. 1866 (s. Anm. 49).

272

Zweiter Theil.

Erster Titel.

§§. 823—827.

fallende Hälfte wird dem Vermögen beigerechnet, gesetzliche Abfindung gebüljrtöe).

woraus

dem

unschuldigen die

c. «ctb b« §. 823. Kann der schuldige Ehegatte dem unschuldigen weder Abfindung, noch sSSiJJr Berpflegungsgelder gewähren: so soll Ersterer für die Vergehungen, wodurch er zur Scheidung Anlaß gegeben hat, nach Verhältniß der Größe und Schwere derselben, und nach Bewandniß der übrigen vorkommenden Umstände, mit Gefängniß oder Strafarbeit auf vierzehn Taae bis drei Monate belegt tocrbcn67). «erträ-e §. 824. Außergerichtliche Verträge, wodurch der unschuldige Ehegatte -er fiuduug.^ nach den Gesetzen ihm zukommenden Abfindung sich begiebt68), sind für denselben

unverbindlich. §. 825. Verträge hingegen, wodurch die Abfindung, zur Vermeidung von Weitläufigkeiten und Prozessen, auf gewisse Summxn oder Sachen bestimmt worden, find, so wie andere Verträge unter Eheleuten69), gültig.

56) Die Theilung des gemeinschaftlichen Erwerbes muß, da für dieselbe keine besonderen Bestimmungen gegeben find, nach den Bestimmungen erfolgen, welche schlechthin für die Theilung gemeinschaftlicher Sachen in den §§. 87—90 I. 17 vorhanden find. Danach ist beim Mangel anderweitiger Bereinigung jeder Jntereffent berechtigt, auf den öffentlichen Verkauf anzutragen. Erk. des O.Tr. I v. 12. Mai 1862, Str. Arch. 45 S. 231. 57) Nämlich auf den Antrag des unschuldigen Theiles. Diese Strafe ist eine Privatgenugthuung und hat mit den öffentlichen Strafen der fleischlichen Berbrechen, insbesondere des Ehe­ bruchs, gar nichts gemein. Der Antrag auf die hier bestimmte Ehescheidungsstrafe muß schon im Scheidungsprozesse (H. jetzt in dem sich daran anschließenden Verfahren wegen der ver­ mögensrechtlichen Folgen, s. Anm. 9 zu §. 745 d. T.) gemacht werden, und kann es auch, da der andere Ehegatte wohl missen wird, ob der Schuldige leistungsfähig ist, oder nicht. Die Strafe ist und bleibt eine Ehescheidungsstrafe, auf welche nur das Ehegericht (H. jetzt das Civilgericht, vor welchem das vermögensrechtliche Verfahren schwebt) zu erkennen kompetent ist. Das ist auch die Meinung der Verf. gewesen. Denn v. Grolmann bemerkt bei der Bevorwortung des Vorschlags: Die Moralität der Vergehungen müßte genau untersucht werden. Dies könne der Ehescheidungsrichter am besten thun, welchem auch nicht unbekannt sei (?), ob der Schuldige etwas im Vermögen habe, oder nicht. (Ges.Rev. rens. 15 S. 446.) Hieraus ergiebt sich zu­ gleich, daß, wenn auf Bermögensstrafen angetragen und erkannt worden ist, hinterher keine Um­ wandlung derselben in Freiheitsstrafen stattfinden kann, vielmehr nur die Exekutionsmittel an­ zuwenden sind. 58) Nur der gänzliche Verzicht ist in außergerichtlicher Form wirkungslos, nicht ein Ver­ gleich über die Abfindung. §. 825. 59) Dabei ist also noch das Bestehen der Ehe vorausgesetzt. Ist die Ehe rechtskräftig ge­ schieden, so ist volle Vertragsfreiheit zwischen den ehemaligen Eheleuten eingetreten, mithin können die Formen, welche für Verträge zwischen Eheleuten in stehender Ehe vorgeschrieben sind, nicht mehr angewendet werden. Der Sinn der §§. 824—826 ist dunkel; man scheint den EheprozeßZustand, d. h. die Zeit vorausgesetzt zu haben, wo die Eheleute mit ihrer Trennung umgehen. In Frage gekommen: ob schon in den Ehepakten Verabredung über die Abfindung des unschuldigen Theils für den Fall einer Ehescheidung getroffen werden könne. Schon die Redak­ toren des L.R. waren de lege ferenda nicht einerlei Meinung. Die Stettiner Regierung hatte in ihren Erinnerungen gegen den Entwurf darauf angetragen, Verträge über die Abfindung, weil durch dergleichen Verträge hin und wieder die Einwilligung in die Scheidung erkauft würde, nur dann gelten zu lassen, wenn sie nach rechtskräftiger Scheidung, oder im Ehescheidungs-

prozeffe vor dem instruirenden Richter geschloffen worden. Suarez erwiderte bei der rev. mon. darauf: „Daß Privatabkommen über die Abfindung ungültia sein sollen, scheint mir be­ denklich. Quaeritur, ob, wenn in pactis dotalibua in casiim divortii etwas verabredet ist, solches gelte? Puto quod sie." — Hierauf gründet eine Meinung die Gültigkeit einer solchen Verabredung. Bornemann, Syst. 5 S. 223. Nach dem Wortlaute des §. 824 hat jedoch Suarez' Meinung in ihrem ersten Theile, betreffend dre Privatabkommen, keinen Beifall erhalten, und über die Ehepakten ist wegen der fraglichen Verabredung keine ausdrückliche Bestimmung getroffen; die §§. 825, 826 setzen Eheleute voraus und nähern sich in ihrer Fassung dem Anträge der Stettiner Regierung. (S. Abs. 1 a. E.) Aus allgemeinen Gründen ist der Meinung des O.Tr., welches dergleichen in Voraus getroffene Verabredungen für solche, deren GeaenslLno die Ehrbarkeit beleidigt (also für pacta contra bonos mores). erklärt, beizustimmen. Der dadurch begründete Rechtssatz ist durch das Pr. 2580 I v. 13. Dez. 1854 festgestellt und lautet: „Die

Von Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch.

273

§. 826. Doch können auch durch solche Verträge weder die Gläubiger, noch die aus der Ehe erzeugten Kinder, an ihren Rechten verkürzt werden. §. 827. Die Erben des beleidigten60) Ehegatten find befugt, die Scheidungs- «echte der klage oi), zum Behufe der Auseinandersetzung62) des Vermögens, zu verfolgen •*), *rten‘ in so fern der Erblasser erst nach fruchtlos angestelltem Sühneversuche 64) gestorben ist66). in einem gerichtlich geschloffenen Ehegelöbniß- und Erbvertrage für den Fall, daß die zu schließende Ehe künftig wiederum durch richterlichen Ausspruch getrennt und dabei einer der Ehegatten für den schuldigen Theil erklärt werden sollte, über den Bettag der dann dem unschuldigen Theile aus dem Vermögen des Schuldigen zu leistenden Abfindung int Voraus getroffenen Verab­ redungen find unzuläsfig und rechtsunverbindlich." (Entsch. 29 S. 373, Str. Arch. 14 S. 341.) 60) Ob die Privationsstrafen auch von den Erben des unschuldigen und gegen die Erben des schuldigen Ehegatten geltend gemacht werden können, ist gemeinrechtlich nach verschiedenen Richtungen sehr streitig. Die vielfach auseinandergehenden Meinungen und die reiche Ltteratur darüber zahlt Glück, Erläuterung der Pandekten, Th. 27 S. 71—95, ausführlich auf. Er bringt die verschiedenen Meinungen in drei Klassen. Änige, wie z. B. Lauterbach, Coll,

theor.-pract. Fand. P. II Lib. 24 tit. 3 §. 20; Leyser, Medit. ad Fand. Sp. 579 med. 27; Struoen, rechtliche Bedenken, Th. 3 Bed. 105; Ernst Chr. Westphal, rechtliche Abhandlung von dem Anfall des Heirathsguts bei der Trennung der Ehe (Halle 1779), §. 13 Note u u. v. A., verneinen die Frage. Andere, z. B. J. H. Boehm er, Jus eccles. Protest. P. IV lib. 4 tit 20 §§. 25—28; Pufendorf, Obs. jur. univ. Tom. III obs. 122; v. Löhr, civilistische Be­ merkungen §. 5; im Archiv für d. civilistische Praxis, Bd. VII (Heidelberg 1824) S. 270 u. A., behaupten solche wegen Aufhebung des alten Judicium de moribus. Die dritte Klaffe entscheidet die Frage nach Distinktionen auf verschiedene Art. Ein Theil unterscheidet, ob die BermÜgenSstrafen durch eine Klage, oder durch eine Einrede geltend gemacht werden, und lassen nur die zweite zu. Andere machen den Unterschied: ob der Unschuldige oder Schuldige starb, noch ehe die Ehe getrennt wurde. In jenem Falle unterschieden sie weiter: ob der Verstorbene noch bei seinen Lebzeiten auf irgend eine Weise gerügt hatte, oder ob er dazu keine Miene gemacht hatte. Im letzten Falle sprechen sie den Schuldigen von Klage und Einrede frei; in dem ersten Falle sollten die Erben des Unschuldigen den Schuldigen mit der Einrede des begangenen GhevergehenS abweisen können, wenn er auf Herausgabe des Heirathsguts u. s. w. klagte; und eben so könnte dann, wenn der Schuldige vor der Scheidung gestorben, der Unschuldige dem aus Herausgabe des Heirathsguts klagenden Erben des Schuldigen die Einrede der verletzten ehelichen Treue entgegensetzen. Dies ist die Meinung, an welche die Bestimmungen der §§. 827 ff. entfernt erinnern. Vertreten wurde sie u. A. von Bardili, De divortio ex causa desertionie (Tub. 1673) §§. 66 sqq.; Harpprecht, Concil. XXVII nr. 39 sqq.; Kapfe, Diss. de effectu divortii quoad bona, §. 19. Die dritte Gruppe besteht aus denjenigen, welche zwischen dem römischen und kanonischen Rechte unterscheiden. 61) H. Die §§. 827 ff. sind durch die C.P.O. als materiellrechtliche Borschristen nicht berührt, nur stellt sich jetzt die Sache dahin (s. Anm. 9 zu §. 745 d. T.), daß die Erben den Ehescheidungsprozeß nur hinsichtlich der Schuldfrage fortsetzen können und auf Grund des in demselben ergangenen Erkenntnisses die vermögensrechtlichen Ansprüche in einem besonderen Prozeß geltend zu machen haben, s. auch Peters a. a. O. S. 71. 62) Auch die Erben des für schuldig erklärten Ehegatten, wenn dieser vor der Rechtskraft des ihn für schuldig erklärenden Urtels stirbt, können behufs der Auseinandersetzung das zulässige Rechtsmittel einlegen, und wenn das darauf ergehende und rechtsttäftig werdende Urtel auSspricht, daß keiner der geschiedenen Ehegatten für den überwiegend schuldigen Theil zu erklären, so wird zum Zwecke der Auseinandersetzung fingirt, daß der Verstorbene noch lebe, d. h. die Auseinandersetzung erfolgt nicht nach den bei Trennung der Ehe durchdenTod vorgeschriebenen Grundsätzen, sondern nach denjenigen, welche im Falle der Trennung durch Richterspkuch gelten, mithin nach den Vorschriften der §§. 751 ff. Erk. des O.Tr. I v. 6. Jan. 1857, Entsch. 34 S. 236. H. Das Recht, auch den Erben des schuldig erklätten Gatten zuzusprechen, steht im direkten Widerspruch mit dem Wortlaut des §. 827, welcher wohl Rechtsungleichhett beabsichtigt hat. Deshalb kann man nicht mit Peters a. a. O. S. 72 die Entscheidung des O.Tr. durch die Berufung auf Gewährung der Rechtsgleichheit rechtfertigen. 63) Also nur von der Auseinandersetzung, nicht von der Ehescheidungsstrafe redet dieses Gesetz. Vergl. 8. 830. Die Praxis hat angenommen, daß dasselbe auch m den Landestheilen gilt, wo die drei ersten Titel dieses Theils des L.R. suspendirt sind. R. v. 8. Ott. und 8. Dez. 1798, Rabe 5 S. 220, 250, und Pr. des O.Tr. v. 29. Aug. 1801, Stengel 12 S. 231. 64) Das O.Tr. I hat nach dem Pr. 87 v. 27. April 1835 angenommen: a) DeS fehlenden Sühneversuchs ungeachtet kann der Ehescheidungsprozeß von den Erben des verstorbenen Ehe-

Koch, Allgemeines Landrecht. III. 8. Aufl.

18

274

Zweiter Theil.

Erster Titel. §§. 828-850.

§. 828. Auch können sie selbst auf die Herausgabe des gesammten Ver­ mögens*^) ihres Erblasiers klagen, wenn der überlebende Ehegatte beit Tod des Erblassers verursacht, oder ihn durch gewaltsame Mittel zu klagen verhindert hat. §. 829. In beiden Fällen §. 827. 828. muß die Absonderung des Vermögens nach dm Vorschriften §. 766. sqq. erfolgen; und der schuldige Ehegatte verliert alle Vortheile, die er sonst aus dem Nachlasse des Verstorbenen zu erwarten hatte. §. 830. Dagegen können die Erben des unschuldigen Theils eine Absindung aus dem Vermögen des schuldigm nur alsdann fordern, wenn dieselbe dem Erblafier bei seinem Leben bereits zuerkannt war; und das Urtel, vor oder nach seinem Tode, rechtskräftig, oder in den folgenden Instanzen bestätigt wird. Z. 831. Doch bleibt, bei vorgewalteter Gütergemeinschaft, auch den Erben deS unschuldigen Theils, in allen Fällen, die dem Erblasier nach §. 811. zuge­ standene Wahl Vorbehalten. §. 832. Ist statt der Abfindung auf standesmäßige Verpflegungsgelder erkannt, so können die Erben nur die bis zum Ableben des Erblasiers etwa verbliebenen Mckstände fordern. §. 833. Stirbt der schuldige Ehegatte vor rechtskräftig entschiedenem Prozesie • so sind alle von ihm hinterlassenen letztwilligen Verordnungen, so weit dieselben auf Schmälerung des dem unschuldigen aus Gesetzen oder Verttägen zukommenden Erbtheils abzielen, unkräftig*'). §. 834. Was bei Ehescheidungen wegen Erziehung, Verpflegung und Ver­ sorgung der Kinder statt finde, ist im folgenden Titel vorgeschrieben. Üeullter Abschnitt.

See der Ehe zur liefen Hand'). Die Brandenburgische Konstitution von Verlöbniß- und Ehesachen v. 15. Dez. 1694 §. 13 (C. C. M. Th. I Abth. II Nr. 85 S. 117 und Rabe 13 S. 7) verbot diese Ehen, wenn nicht landesherrlicher Konsens dazu nachgesucht und ertheilt worden, widrigenfalls die Ehe eine voll­

gültige sein und die conditio adjecta ad morganaticam keinen effectum Juris haben sollte.

eegrtff.

§. 835. Ehen zur linken Hand unterscheiden sich von anderen Ehen bloß darin, daß die Frau durch selbige nicht alle Standes- und Familienrechte erlangt, welche die Gesetze einer wirklichen Ehefrau beilegen.

gatten fortgesetzt werden, wenn nur der ernstliche Wille desselben, die Ehe nicht fortsetzen zu wollen, konstitt. (Präj.S. 1 S. 159.) H. Zustimmend auch Förster 4 S. 266 Rote 31. Peters a. a. O. S. 70 macht mit Recht hiergegen geltend, daß das L.R. die Ernstlichkeit des Willens erst durch die sruchtlos angestellte Sühne als festgestellt gelten lasten will. 65) Wenn der eine Ehetheil ohn« gesetzmäßigen Grund wegen unüberwindlicher Abneigung die Scheidung verlangt und der Richter dieselbe in Folge der Einwilligung des Beklagten ausspricht, aber keinen der Eheleute für den überwiegend schuldigen Theil erklärt, demnächst aber der schuldlos beklagte Theil stirbt, ehe das Erkenntniß rechtskräftig geworden, so kann der Kläger di« Klage mit der Wirkung des §. 35 der B. v. 28. Juni 1844 nicht mehr zurücknehmen, um sich das durch das ungerechtfertigte Repudium eingebüßte Erbrecht wieder zu verschaffen. Erk. des O.Tr. I v. 18. Sept. 1863, Entsch. 51 S. 244. Berat. Koch, Erbrecht, §. 5. 66) Auf Grund der Indignität zur Beerbung des Verstorbenen: das Erbrecht wird dem Ueberlebenden in diesem Falle von dem Gesetze abgesprochen. §. 829. 67) Das vertragsmäßige oder gesetzliche Erbrecht bleibt mithin dem überlebenden unschul­ digen Ehegatten ungeschmälert. Mehr kann er aber auch nicht fordern; es steht ihm namentlich nicht no vo- b«i §. 139. Den aus Verbrechen der Kinder entstehenden Schaden darf der

SmÜiSVater

aus eigenem Vermögen der Regel nach nicht vertreten68). Handlungen 8- 140. Er muß ihn aber vertreten, wenn er die unerlaubte Handlung verder Sinder, anlaßt, oder das Kind durch sein Beispiel dazu verleitet hat69). §. 141. Aus einer nacb der That erklärten Billigung derselben entsteht gegen den Vater die Vermuthung, oaß er sie veranlaßt habe. §. 142. Auch hastet der Vater für den entstandenen Schaden, wenn er den­ selben nicht verhütet hat, da es doch in seinem Vermögen gestanden hätte 60). 53) Zu den Schulden von ursprünglicher Ungültigkeit zählen nicht die Schuld­ verbindlichkeiten, welche aus der nützlichen Verwendung entspringen (§. 133): für diese ist ein Anerkenntniß in öffentlicher Form (§. 137) nicht nöthig. Erk. des O.Tr. IV v. 5. Jan. 1865, Str. Arch. 56 S. 264. Veryl. Anm. zu I. 13 §. 274. 54) Soll heißen „gültig", wie auch im G.B. und in den älteren Ausg. des L.R. steht. R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 476. 55) Es ist ein Notarius, nicht ein Rechtsanwalt, gemeint, denn man hat nach den Mate­ rialien die öffentliche Form vorschreiben wollen (Ges.Rev. Pens. 15 S. 62), um vorausdatirte Anerkenntnisse zu verhindern. Aus der nämlichen Absicht hätte man diese Form auch für die bevormundet gewesenen Personen (I. 5 §§. 37, 38) vorschreiben müssen; der Mangel der Ueber­ einstimmung dieser Vorschriften mit den hier gegebenen ist zufällig ; ein Grund dazu ist nicht vorhanden. Man hat versucht, diese nicht stimmenden Vorschriften dadurch in Einklang zu bringen, daß man die §§. 136, 137 d. T. auf die Anerkenntnisse solcher Emanzipirter bezogen hat, welche noch minderjährig sind. Diese Beziehung ist jedoch von dem höchsten Gerichtshöfe zurückgewiesen worden; dieser hat als Rechtsgrundsatz ausgesprochen, daß der §. 137 d. T. sich nicht lediglich auf solche Kinder beziehe, welche während ihrer Minderjährigkeit der väterlichen Gewalt entlassen sind und vor erlangter Großjährigkeit ein Anerkenntniß ausgestellt haben. Erk. des O.Tr. IV v. 26. Sept. 1857, Str. Arch. 26 S. 201. H. Mit Rücksicht auf tj. 3 des Ges. v. 12. Juli 1875 (Zus. 8, zu I. 4 §§. 20—22) erscheint es zweifelhaft, ob die Vorschrift des 137 über die Form des Anerkenntnisses noch in Geltung ist. Dafür Löwenstein, Vorm. Ordn. 2. Aust. S. 169; Hesse, Vorm.Ordn. S. 312. Für das Gegentheil Dernburg, Bormundsckastsrecht 2. Aust. S. 111 Anm. 12 u. preuß. Pr.R. 3 S. 155 Note 21. Der Tendenz des Gesetzes, das Recht der Monarchie zu unifiziren, entspricht die Beseitigung der Formvorschrift, wenngleich nicht verkannt werden kann, daß eine darauf bezügliche Absicht des Gesetzgebers nicht klar zum Ausdruck gebracht worden ist. H. Ein in Beziehung auf ein absolutes Handelsgeschäft abgegebenes Schuldbekenntniß steht auch in Betracht der Spezialvorschriften in §§. 136, 137 unter dem formbefreienden Ein­ puffe des Art. 317 des H.G.B. Erk. des O.Tr. IV v. 23. Mai 1876, Entsch. 77 S. 295, Str. Arch. 96 S. 121. 56) Nämlich von dem großjährigen Kinde, H. vgl. auch Erk. des O.Tr. III v. 26. Juni 1874, Entsch. 72 S. 253. Wäre etwa der Vater der Zahlende, so versteht sich die rechtliche Unmöglichkeit der Rückforderung von selbst. 57) Der Satz ist aus dem R. R. über das 8.0. Maced. ausgenommen (L. 9 §§. 4, 5; L. 10 D. de 8.0. Maced. XIV, 6), paßt aber nicht zur Theorie des L R. Denn das 8.0. Maced. setzt völlig handlungsfähige Personen voraus und nimmt nur dem Gläubiger zur Strafe (ob poenum creditorum) die Klage aus einem Gelddarlehn. Das L.R. aber behandelt die unter väterlicher Gewalt stehenden Personen, außer in Geschäften mit dem Vater selbst, wie vandlungsunfäbige. Der §. 138 muß daher als eine zufällige Ausnahme von der Regel 1. 16 §. 170 angesehen werden. 58) H. Vgl. aber Forstdiebstahlsgesetz v. 15. April 1878 §§. 11, 12 (G.S. S. 222) und Feld- und Forstpolizeigesetz v. 1. April 1880 §. 5 (Zus. 5 zu I. 14 §. 457). 59) Dann haftet er als Mitschuldiger dem Beschädigten hauptsächlich und solidarisch.

Rechte und Wichten der Steuern.

Loil dem Vermögen der Kinder.

341

§. 143. Ferner alsdann, wenn er den Unterricht, die Erziehung, und die Auf­ sicht über die Kinder gröblich vernachlässigt hat60 61). §. 144. In den Fällen des §. 140—142. haftet auch die Mutter für den aus dem Verbrechen des Kindes entstandenen Schaden. §. 145. Ein Gleiches findet auch in dem Falle des §. 143. statt, wenn, nach dem Abgänge des Vaters, die Erziehung des Kindes der Mutter überlassen gewesen. §. 14b. Das Kind selbst bleibt zum Schadensersätze verhaftet, wenn es eigenthümliches Vermögen hat, ober nach ausgehobener väterlicher Gewalt dazu gelangt.

Dritter Abschnitt. Von dem eigenthümlichen Vermögen der Kinder').

§. 147. Das eigenthümliche Vermögen der Kinder, welches dem väterlichen war «u t*m Nießbrauch? nicht unterworfen ist, wird ihr freies Vermögen genannt. §. 148. Zum freien Vermögen der Kinder gehört Alles, was dieselben, außerhalb des Betriebes der väterlichen Geschäfte, durch Fleiß und Geschicklichkeit erwerben *). §. 149. Desgleichen dasjenige, was sie in Kriegs- oder Civildiensten vor sich bringen, oder bei Gelegenheit derselben, von ihren Aeltern oder Anderen, zur Aus­ rüstung oder Beihülfe erhalten. §. 150. Auch Lehne, die den Kindern verliehen, oder wozu dieselben in die Gesammtehand mit ausgenommen worden, werden, sobald sie zum Besitze gelangen, in Beziehung auf den Vater, ihrem freien Vermögen beigerechnets). §. 151. Ferner die Belohnungen ihres Fleißes und chrer Geschicklichkeit, die ihnen von den Aeltern, oder auch von Anderen, ertheilt worden. §. 152. Alle Geschenke4) und Vermächtnisse, die ihnen aus Erkenntlichkeit für geleistete Dienste, oder für erwiesene Gefälligkeiten zufließen. §. 153. Alles, was sie von demjenigen ersparen, was ihnen von den Aeltern zu ihrem Unterhalte außer dem väterlichen Hause, oder sonst zu ihren Ausgaben, angewiesen worden. §. 154. Endlich Alles, was ihnen von Aeltern, Verwandten oder Freunden unter der ausdrücklichen6) Bestimmung, daß es dem väterlichen Nießbrauche nicht unterworfen sein solle, zugewendet wird. 60) Auch in den Füllen der §§. 141, 142 tritt Solidarität ein. 61) Dieser Fall kann nach allgemeinen Grundsätzen nur subsidiarische Haftung begründen. 1) Zur Rechtfertigung der neuen Theorie des L.R. über das Vermögen der Kinder sagt Suarez in den Vorträgen zur Schlußrevision: „Daß die mancherlei Römischen Eintheilungen des Peculii in Militare et Paganum, Castrense et Quasi-Castreuse, Profectitium et Adventitium, welche heut zu Tage kaum einen doktrinellen Nutzen mehr haben, übergangen, und dagegen die Sache durch die Distinktion zwischen freiem und nichtfreiem Vermögen stmplifizirt worden, wird wohl kaum einer Vertheidigung bedürfen. — Uebrigens ist es der Zweck bei der Bearbeitung dieser Materie gewesen, daß auf der einen Seite für die Konservatron des Ver­ mögens der Kinder möglichst gesorgt, aus der anderen auch der Vater in seiner Administration nicht zu sehr eingeschränkt und mit unnöthigen Kautionsbestellungen onerirt werden soll. Die darin vorkommenden neuen Sätze gründen sich entweder auf schon vorhandene Landesgesetze, z. E. §§. 179—188, oder sie sind zur näheren Bestimmung derselben und zur Verhütung einer gänzlichen Vereitelung des Zwecks nothwendig, z. E. §§. 189—200. Vorschriften, die gegen das bisherig« gemeine Recht wären, habe ich darin nicht bemerken können." (Jahrb. 41 S. 136.) H. In der Mark Brandenburg ist dieser Abschnitt nicht suspendirt, O.Tr. I v. 18. Febr. 1859, Entsch. 40 S. 270, insbesondere auch nicht §. 155, O.Tr. I v. 31. März 1879, a. a. D. 83 S. 221. 2) Das dem Kinde als Entschädigung für eine demselben zugefügte Verletzung von dem Beschädiger gezahlte Kapital hat nicht die Natur des freien Vermögens. Erk. deS O.Tr. I v. 10. Juli 1862, Str. Arch. 45 S. 311. 3) Paßt nicht mehr zur heutigen Berfaffung. 4) Reine Schenkungen nicht; nur belohnende. §. 156.

342

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 155—168.

8- 155. Nur Verwandte in auffteigender Linie, die den Kindern einen Pstichttheil zu verlassen schuldig sind, können den Vater von dem Nießbrauche desselben nicht ausschließen *). wa-zuthrem §. 156. Alles Andere, was den Kindern durch bloßes Schenkungen, Erbsmndflcn schäften, Vermächtnisse, oder Glücksfälle zukommt, gehört zu ihrem nicht freien Vermögen *). §. 157. Auch die Pathengeschenke *) werden dem nicht freien Vermögen der Kinder beigerechnet10). 8- 158. Ueber das freie Vermögen haben die Kinder eben die Rechte, die der Kinder, einem nicht unter väterlicher Gewalt stehenden Menschen") über sein Eigenthum de» freien zukoMMeN 12).

«erwögen».

§ 159. Wenn sie noch minderjährig, oder sonst ihren Sachen selbst vor­ zustehen unfähig sind, so gebührt dem Vater die vormundschaftliche Verwaltung desselben18).

5) Der Fall, wo Jemand den Kindern eines Anderen ein Kapital zugewendet und die Zinsen davon der Mutter ad dies vitae legirt, ist keine ausdrückliche Ausschließung, sondern mit eine Aufschiebung des väterlichen Meßbrauchs. Wenn daher die Mutter vor dem Anfalle des Vermächtnisses verstorben ist, so tritt der Nießbrauch des Vaters sofort ein. Der Fall ist als ein zweifelhafter besprochen worden, hat jedoch kein juristisches Interesse; er ist von der Art, daß selbst dann, wenn die Mutter den Anfall erlebt hätte, das Bermächtniß immer unter die Verwaltung und den Nießbrauch des Vaters, beziehlich des Mannes, fallen würde, da die Zinsen nicht für ein vorbehaltenes Vermögensstück der Frau erklärt worden waren. 6) Die geschiedene Ehefrau soll ihren geschiedenen Ehemann von dem gesetzlichen Nießbrauche des ihren gemeinschaftlichen Kindern zu hinterlassenden Pflichttheils nicht ausschließen. Erk. des O.Tr. I v. 3. März 1852, Str. Arch. 4 S. 368. H. Vgl. auch Anm. 1 zu diesem Abschnitt. 7) D. h. reine Schenkungen, im Gegensatze von belohnenden. §. 152. 8) Auch die Abdikate der aus der Gütergemeinschaft abgeschichteten Kinder in MindenRavensberg und im Fürstenthume Paderborn gehören zum nichtfreien Vermögen und sind dem Nießbrauche des Vaters, so lange die väterliche Gewalt dauert, unterworfen. Erk. des O.Tr. I v. 7. April 1856, Entsch. 32 S. 114. 9) Gilt gleichfalls für die königlichen Pathengeschenke für den siebenten Sohn. K.O. v. 7. Aug. 1821, v. Kamptz, Annal. 5 S. 626. 10) Diese Bestimmung ist überflüssig. Denn das nichtsreie Vermögen der Kinder ist die Regel und das freie ist eine Ausnahme; die Ausnahmen müsse« ausdrücklich gemacht werden. Daher gehört zum freien Vermögen nichts, was nicht in dem Verzeichniffe §§. 148—154 zu finden ist Es ist mithin keine Frage, daß z. B. die Ausstattung oder Abfindung einer ge­ schwängerten, unter väterlicher Gewalt stehenden Frauensperson; angefallene Fideikommisse; der Nießbrauch oder das Miteigenthum am Eingebrachten der Ehefrau des Haussohnes, der durch die bloße Heirath keinesweges aus der väterlichen Gewalt geht, — zum nichtfreien Vermögen gehören. H. Vgl. Erk. des O.Tr. I v. 13. Febr. 1863, Str. Arch. 49 S. 82 u. Anm. 2 zu §. 148 d. T Andererseits besteht aber keine Vermuthung dafür, daß das Vermögen eines volljährigen Hauskindes zu dessen nichtfreiem Vermögen zu rechnen sei, O T. I V v. 7. Dez. 1869, Str. Arch. 77 S. 98. Das ist richtig, diese Präsumtion ist aber überflüssig, da die §§. 148—154 die Fälle freien Vermögens erschöpfen. 11) Es versteht sich, daß hier der Ausdruck „Menschen" für Person gebraucht ist. 12) Der Vater ist daher nicht berechtigt, in Prozessen den unter seiner väterlichen Gewalt stehenden Sohn auch rücksichtlich deffen freien Vermögens selbstständig zu vertreten, und genügt daher die bloß an ihn geschehene Vorladung des beklagten volljährigen Sohnes nicht. A.G.O. I. 1 §. 15. Erk. des O.Tr. I v. 5. März 1852, Str. Arch. 4 S. 372. H. Vgl. jetzt auch §. 51 d. C.P.O. 13) H. In wie weit die Vorm.Ordn. auf den §. 159 eingewirkt hat, ist streitig. Die eine Ansicht gebt dahin: der Vater gilt als Pfleger des Kindes. Durch §. 102 d. Vorm.Ordn. find die §8. 990—993 IL 18 aufgehoben, weil sie die Art der vormundschaftlichen Verwaltung regeln, also in dem Bormundschaftsrecht ihren Grund haben, nicht aber die §§. 984—989 a. a. O. Denn diese verhalten sich über die Bedingungen, unter welchen dem Vater die Verwaltung bleibt und wie andererseits für dieselbe Sorge zu treffen ist. An Stelle von M- 990—993 treten die §§. 35, 57,59, 60 d. Vorm.Ordn., s. auch §. 91 daselbst. Vgl. Dernburg, Vormundschaftsrecht 2. Aufl. S. 181;

Von dem Vermögen der Kinder.

343

§. 160. Doch steht es bei dem, welcher dergleichen Vermögen den Kindern, unter Lebendigen, oder von Todes wegen zuwendet, zu bestimmen: ob die Ver­ waltung dem Vater, oder einem Dritten anvertraut"), und wie dieselbe geführt werden solle. §. 161. Die Nutzungen dieses freien Vermögens kann der Vater zur Ver­ pflegung und Erziehung der Kinder, so weit sie dazu nach dem Ermessen des vormundschaftlichen Gerichts 16) erforderlich sind, mit verwendenie). §. 162. So weit diese Nutzungen hierzu nicht gebraucht werden, wachsen sie der Vermögenssubstanz zu. §. 163. Nach erlangter Großjährigkeit, oder wegfallenden anderweitigen Gründen einer vormundschaftlichen Verwaltung, können die Kinder über ihr freies Vermögen eben so, als wenn sie nicht mehr unter väterlicher Gewalt wären, verfügen. §. 164. Doch müssen sie auch alsdann die Einkünfte dieses Vermögens zu ihrem eigenen Unterhalte, so weit dieselben dazu hinreichen"), auf Verlangen des Vaters vorzüglich anwenden. §. 165. Alle Verträge, die sie nach erlangter Großjährigkeit in Ansehung ihres freien Vermögens schließen, sind auch ohne Beitritt des Vaters gültig"). §. 166. Doch muß der, welcher einem noch unter väterlicher Gewalt stehenden, obwohl großjährigen Kinde auf sein freies Vermögen Credit geben will, sich das­ selbe durch Eintragung in das Hypothekenbuch1#), oder durch Uebergabe des Ob­ ligations-Instruments^^), oder der verpfändeten beweglichen Sache, besonders ver­ sichern lassen S1). §. 167. Der Ersatz des von einem Kinde durch unerlaubte Handlungen ver­ ursachten Schadens muß hauptsächlich aus dessen freiem Vermögen erfolgen. §. 168. Von dem nicht freien Vermögen der Kinder gebührt dem Vater, so n, 3« An­ lange die väterliche Gewalt dauert, die Verwaltung und der Nießbrauch 2e). nwHeun QemBfftiil.

---------------------Verwaltung Boas b- Gruchot 20 S. 768; Wunsch a. a. O. 21 S. 278; Neumann, Bonn Ordn. S. 180; desselben. Löwenstein, Vorm.Ordn. 2. Ausl. S. 141; die andere allein konsequente Ansicht, s. FörsterEccius 4. S. 159 und auch Dernburg Pr R. 3. S. 159 hält den §. 169 für aufgehoben und erachtet, da die Vorm.Ordn. keine gesetzliche Pflegschaft kennt, die Bestellung eines Pflegers für das Kind erforderlich. Das von dem minderjährigen Kinde in einem mit Genehmigung des Vaters betriebenen Geschäfte Erworbene kann auch beim Widerspruch des Vaters von dem Schuldner gültig an das Kind gezahlt werden, vgl. § 6 des Ges. v. 12. Juli 1875 (Zus. 7 zu I. 4 §§. 20—22), Johow, Jahrb. d. App.Ger. 7 S. 332. 14) Bis solches geschehen, haftet der Vater für das geringste Versehen. Tit. 18 §. 986. 15) H. Muß jetzt mit Rücksicht auf §. 37 der Vorm.Ordn. (s. Anm. 13 zu §. 169) heißen: „nach eigenem Ermessen." Neumann, Vorm.Ordn. S. 182; Boas b. Gruchot 21 S. 770. 16) Wenn sie dazu nicht ausreichen, darf von der Substanz nichts genommen werden; denn die Verbindlichkeit des Vaters zur Erziehung und Verpflegung des Kinves ist nicht subsi­ diarisch. Vergl. 164. Dies ist aus dem zuletzt gedachten Grunde auch nicht durch §. 37 der Vorm.Ordn. beseitigt, Neumann a. a. O. S. 182. 17) Was dazu fehlt, muß der Vater hergeben. Vor. Anm. 18) Diese Vertraasfähigkeit ist als Ausnahme von der Regel aufzufaflen. Wer sich also auf diese Vertragsfähigkeit berufen will, muß behaupten und beweisen, daß das betroffene Kind freies Vermögen besitze und daß in Ansehung deflelben die Rechtshandlung vorgenommen worden. Erk. des O.Tr. IV v. 27. Juni 1863, Str. Arch. 50 S. 163. 19) H. Als Hypothek oder Grundschuld, denn diese bietet dieselbe dingliche Versicherung wie die Hypothek. 20) Ueber die verpfändete Forderung. Ist kein Dokument vorhanden, so kann die Ver­ pfändung der Forderung nicht vor sich geben. 21) Die Wirkung einer solchen Verschuldung des freien Vermögens ist daher nur eine gültige Pfandbestelluna, ohne persönliche Verbindlichkeit; denn so weit die Schuld das freie Vermögen übersteigt, ist sie, wenn die väterliche Einwilligung fehlt, ungültig. Erk. des O.Tr. IV v. 30. April 1868, Str. Arch. 70 S. 336.

344

Zweiter Theil.

8- 169.

Zweiter Titel.

Ausstehende Capitalien *3)

§. 169.

der Kinder kann der Vater nach Gut-

22) Die zu treffenden Maßregeln zur Sicherung der Kinder sind in den folgenden §§. hauptsächlich nach den Vorschlägen von Suarez bestimmt worden, v. Grolmann wollte die Väter einer vollständigen Sicherheitsbestellung, wo aber diese nicht ohne Zerrüttung deS Haus­ standes ausführbar, einer sehr ins Einzelne gehenden Beaufsichttgung in der Wirthschaft und im Gewerbe durch eine den Kindern bestellte Kura unterwerfen; und wenn eine schlechte Wirth­ schaft oder ein Rückwärtsgehen sich zeigte, schlechterdings Sicherheitsbestellung fordern. Er wollte also den Vater eigentlich noch schlimmer behandeln als einen fremden Nießbraucher, der doch in der Regel nicht schuldig ist, eine cautio usufructuaria zu bestellen. Suarez widersprach diesem Rigorismus und verwies auf seine Anm. zu §. 143 des gedr. Entw. Th. I Abth. 1 S. 181, wo er zur Rechtfertigung seiner Grundsätze sagt: „Es kommt hier darauf an, die nöthige Vorsorge des Staats für die Sicherheit des Vermögens der Unmündigen mit der Pflicht zu vereinigen, nach welcher er seine Bürger nicht mit unnöthigen Hindernissen und Einschränkungen in dem Betriebe ihrer Nahrung und ihres Gewerbes belasten muß. Die Sicherstellung der Maternarum setzt Väter, die ein weitläufiges Verkehr treiben, besonders Kaufleute, wenn sie ihrer häuslichen Umstände wegen, oft selbst um der Kinder willen, zur zweiten Ehe schretten wollen, oft in die größte Verlegenheit. Die Schwierigkeiten, welche bei solchen Gelegenheiten den Vätern gemacht zu werden pflegen, sind im Grunde Folgen des vormaligen odii secundarum nuptiarum, und wahre Ehehindernifse. Der Vater hat doch immer die Vermuthung für sich, daß er seine Kinder nicht um das Ihrige bringen werde. Das Gesetz sorgt dafür, daß nicht leicht andere Schulden, selbst nicht die Forderungen der zweiten Frau, dem mütterlichen Ver­ mögen der Kinder vorspringen können. Nur wenn der Vater dem Fisko verhaftet ist, oder wenn er Immobilien besitze, durch deren gerichtlich eingetragene Verpfändung er der zweiten Frau, oder auch einem anderen Gläubiger, vorzügliche Sicherheit zum Nachtheile der Kinder verschaffen könnte, muß für Letztere, wie in den §§. 138, (139, 179—187) geschehen ist, besonders gesorgt werden." — „Diese Gründemeint Suarez, „habe Herr v. Grolmann nicht widerlegt. Die bloße Besorgniß, daß hier und da ein liederlicher oder unvorsichtiger Vater das Vermögen seiner Kinder durchbringen möchte, sei noch nicht hinreichend, alle Väter der Last der Kautions­ bestellung, wie Herr v. Grolmann wolle, zu unterwerfen, oder dem Vater einen solchen Auf­ seher, als Herr v. Grolmann event, vorschlage, an die Seite zu setzen und demselben, er sei ein Verwandter oder Fremder, mit einer so schweren Vertretungsverbindlichkeit zu oneriren." (Ges.Rev. a. a. SD. S. 75.) 11. §. 168 ist durch §. 95 d. Vorm.Ordn. aufrecht erhalten. Bei der in verschiedenem Sinne beantworteten Frage: ob der Vater eine seinem Kinde angefallene Erbschaft mit oder ohne Vorbehalt anzunehmen, oder ganz auszuschlaqen, ohne Er­ mächtigung des Vormundschaftsgerichts befugt sei, ist zu unterscheiden: ob die Erbschaft dem freun oder dem nichtsreien Vermögen zuwachsen soll. In dem ersten Falle ist der Vater an die Leitung des Vormundschaftsgerichts gebunden (II. 18 §£. 984 ff.), in dem anderen ist er selbst­ ständiger Vertreter seines Kindes und kann rechtsgültig erklären was er will; er kann selbst durch Versäumung der Fristen sein Kind in gewisse Vermögensnachtheile versetzen. So hat z. B. das O.Tr. I nach dem Pr. 2372 v. 28. April 1852 den folgerechten Rechtssatz angenommen, daß ein Vater durch Versäumung der Fristen zur Einreichung des Inventars von einer, seinem minderjährigen Kinde angesallenen, zu dessen nicht frei em Vermögen gehörenden Erbschaft, daffelbe der Rechtswohlthat verlustig macht. (Entsch. 23 S. 63, Str. Arch. 5 S. 204.) H. Auch das RG. IV v. 3. April 1882, Gruchot 26 S. 1042 erachtet eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes weder zur Entsagung noch zum vorbehaltlosen Antritt einer zum nicht­ freien Vermögen des Kindes gehörigen Erbschaft erforderlich. Gegen diese Ansicht und dafür, daß der Vater in keinem Falle der Ermächtigung des Vormundschaftsgerichtes bedarf, s. aber Schütz, Jur. Wochenschrift 1841 @.101; Arndts u. Leonhardt, Vormundschaftsrecht S. 132, 133. Mit Rücksicht auf das Anm. 13 zu §. 159 d. T. über die Anwendbarkeit der neuen Vorm.Ordn. Bemerkte kommt jetzt, so weit es sich um eine zum freien Vermögen gehörige Erbschaft handelt, der §. 42 Nr. 14 daselbst zur Anwendung, wonach es nur zur Entsagung, nicht »ur Anttetung der Erbschaft einer Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf. Vgl. auch Löwenstein, Vorm.Ordn. 2. Aufl. S. 70, 141; Neumann S. 88 verlangt eine solche allerdings auch für die Erbschaftsantretung. Ein Inventarium von dem nichtfreien Vermögen der Kinder braucht der Vater nicht ein­ zureichen. K.O. v. 19. Aug. 1809, Rabe 10 S. 149, H. auch nicht vom freien Vermögen, §. 35 Abs. 2 der Vorm.Ordn. Das Nießbrauchsrecht des Vaters an dem Vermögen der Kinder erstreckt sich nicht auf das den Letzteren von einem Dritten zur Nothdurft eingeräumte Wohnungsrecht, und gehört mithin das Äquivalent für das nicht gewährte Wohnungsrecht zur Substanz des Vermögens der Kinder. Erk. des O.Tr. III v. 10. Okt. 1853, Str. Arch. 10 S. 205. — S. auch Anm. 3 zu §. 62 d. T.

Von dem Verrrrögen der Linder.

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befinden einziehen, anderweitig belegen, oder auch sich selbst zum Schuldner der Kinder dafür bestellen; in so fern nicht ein solches Capital den Kindern zur Sicher­ heit besonders verschrieben") oder die Verwaltung des Vaters darüber durch be­ sondere Gesetze oder rechtsgültige Willenserklärungen eingeschränkt ist25). H. Der Vater kann Namens seiner in väterlicher Gewalt stehenden Kinder einen Vortheil erwerben, der diesen von den Aeltern zugewendet wird, und bedarf es nicht einer besonderen Vertretung der Kinder oder einer ausdrücklichen Annahme seitens derselben. Erk. des O-Tr. IV v. 15. März 1870, Str. Arch. 78 S. 102. Der Vater, welcher als Verwalter und Nießbraucher des durch Erbschaft auf seine Kinder gefallenen Vermögens eine zu diesem Vermögen gehörige Pachtung fortsetzt, ist persönlich zur Bezahlung des Pachtzinses verpflichtet. Erk. des O.Tr. ÜI v. 24. Jan. 1870, Entsch. 62 S. 156, s. aber dagegen P. Hinschius in Behr end's Zeitschr. 5 S. 288. 23) Vergl. II. 1 §. 379 und die Anm. dazu. 24) Was als „ein solches den Kindern zur Sicherheit besonders verschriebenes Kapital" anzusehen sei, ist verschieden aufgefaßt worden. Die Meinungsverschiedenheiten betreffen die zwei Fragen: ob überhaupt H y p o t h e k e n kapitalien, die auf den Namen der Kinder ausstehen, darunter zu verstehen und: ob darunter nur solche, die bei Dritten ausstehen, oder auch solche Hypotheken zu verstehen, die der Vater selbst seinen Kindern bestellt hat. Betreffs der ersten Frage ist davon auszugehen, daß dem Vater im Allgemeinen eine größere Befugniß hinsichtlich des Kapitalsvermögens beigeleqt ist, als sonst dem Verwalter und Nießbraucher zusteht, indem der §. 169 den Grundsatz feststellt, daß der Vater Kapitalien der Kinder nach Gutbefinden einziehen rc. könne. Dabei ist kein Unterschied -wischen verbrieften und unverbriesten, versicherten und unversicherten Forderungen gemacht; es versteht sich mithin, daß auch Hypothekenforderungen als solche im Allgemeinen von dieser Befugniß nicht ausgenommen sind. Gleichwohl ist dies von einer Seite behauptet worden, wegen der ftaglichen Einschrän­ kung: wenn ein solches Kapital den Kindern zur Sicherheit besonders verschrieben ist. Dies ist aber nicht gleichbedeutend mit „Hypothekenkapitalien" überhaupt, welche den Kindern gehören (H. also z. B. auch nicht eine Hypothek über rückständige Kaufgelder, welche Aeltern oder Großältern den Descendenten als künftiges Erbtheil überweisen, Johow, Jahrb. d. Kammerger. 2 S. 134 u. 3 S. 162): es ist ein Kapital gemeint, welches, damit eS den Kindern unverändert verbleibe, ihnen nicht bloß zustehen, d. h. auf ihren Namen lauten, sondern ihnen außerdem zur Sicherheit noch besonders verschrieben, d. h. ihnen in einer besonderen Erklärung desjenigen, von welchem es herkommt, als ihr bestimmtes Eigenthum zu ihrer speziellen Sicherheit bestellt sein soll. Ein solches Kapital braucht nicht einmal eine Hypothekenpost zu sein. Wenn z. B. ein Testator einem Hauskinde eine Summe vermacht und dazu eine auf den Namen lautende bestimmte Aktie der Schlesischen Feuerversicherungs-Gesellschaft anweiset mit der Ver­ ordnung, daß dieselbe zur Sicherheit des Kindes auf deffen Namen umgeschrieben werden solle, und dieses wirklich geschieht; so ist dieselbe ein solches Kapital, über welches der Vater nicht verfügen kann. Wenn dagegen der Vater aus dem Vermögen seines Kindes ein Darlehn auf Hypothek giebt und die Verschreibung als über ein aus dem Vermögen des Kindes gegebenes Darlehn eingetragen wird, so hindert dies den Vater nicht, darüber nach Gutbefinden zu ver­ fügen. In diesem Sinne entscheidet auch der I M. in dem R. v. 26. Juli 1814, Jahrb. 8 S. 270, und v. 7. Febr. 1840, J.M.Bl. S. 71. Auch das O.Tr. IV ist dieser Auslegung bei­ getreten. Erk. v. 1. Sept. 1859, Entsch. 41 S. 240. Die andere Frage ist veranlaßt durch die zur Geltung gebrachte Meinung des OTr. II v. 9. Juli 1836: daß der §. 169 auf Fälle, wo der Vater selbst für das Vermögen seiner Kinder Sicherheit bestellt habe, gar nicht anwendbar sei, dies Gesetz vielmehr unter „ausstehenden

Kapitalien" nur solche verstehe, die im Zeitpunkte des Beginnens der väterlichen Ver­ waltung schon — also bei einem Dritten — ausstehen. Entsch. 1 S. 106. Diese Meinung findet schon an der rechtlichen Unmöglichkeit ein Hinderniß, daß der Vater, wenn er im ver­ tragsmäßigen Wege seinen Kindern eine besondere Sicherheit bestellt hat, dieselbe einseitig zurück­ nehmen kann; sie ist aber auch sonst nicht haltbar und von dem Plenum aus überzeugenden Gründen reprobirt durch den Pl.Beschl. (Pr. 1806) v. 11. Dez. 1846: „Unter den Kapitalien der Kinder, über welche die Verwaltung des Vaters gesetzlich eingeschränkt ist, deraestalt, daß er darüber nicht einseitig disponiren kann, sind auch solche zu verstehen, für welche vom Vater selbst den Kindern besondere Sicherheit (Spezialhypothek) bestellt worden." Entsch. 14 S. 60; AM.Bl. 1847 S. 62. H. Auch Grundschulden, welche der Vater für seine Kinder auf seinem Grundstück hat eintragen lassen, gehören hierher, falls er sich nicht die eigene fteie Verfügung dabei vorbehalten hat, Johow, Jahrb. d. Kammerger. 2 S. 138. Andererseits vergl. O.Tr. IV v. 10. Juli 1862, Str. Arch. 45 S. 313: Ein auf dem Grundstücke des Vaters für einen Dritten eingetragenes und hiernächst von dem Vater mittelst

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Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 170-176.

§. 170. Bei anderen *26) Bermögensstücken muß der Vater, so lange die Kinder noch minderjährig find, zu allen Veränderungen der Substanz, die ein Nießbraucher nicht ohne den Eigenthümer vornehmen kann, die Einwilligung des vormundschaft­ lichen Gerichts27) einholen (Th. 1. Tit. 21. Abschn. 1.) Session für seinen Sohn erworbenes Kapital ist, auch nach erfolgter Eintragung dieser Session, nicht ohne weiteres für ein dem Kinde ausdrücklich verschriebenes Kapital zu erachten. H. Johow, Jahrb. d. App.Ger. 6 S. 172: Kapitalien, welche der Vater für seine dem­ nächst von den Kindern beerbte Ehefrau zur Sicherung ihres Eingebrachten auf ein ihm damals gehörig gewesenes Grundstück hat eintragen lasten, sind nicht den Kindern besonders zur Sicher­ heit verschriebene Kapitalien. Verschieden hiervon ist die zur Ungebühr in die zweite Frage eingemengte dritte Frage, in welchen Fällen der Vater Sicherheit für das Vermögen seiner Kinder zu stellen verpflichtet sei, sowie ferner die vierte Frage: in wie fern der Vater verlangen könne, daß die von ihm durch Eintragung bestellte Sicherheit bis auf die Hälfte des Werths des Grundstücks -urücktreten müsse. Wo es auf jene (dritte) Frage (von der hier gar nicht die Rede ist) ankommt, da ist die Entschei­ dung aus den §§. 179 ff. zu treffen; wo aber der letzte Fall vorliegt, da zieht eben der Vater nicht einseitig nach Willkür die bereits bestellte Sicherheit wieder ein, sondern er fordert die Einwilligung des anderen Theils (des Vormundschastsgerichts) mit Rücksicht auf die Vorschriften §. 188 d. T. und II. 18 427, 428. 25) Die Dokumente über solche Kapitalien, welche hiernach der freien Verfügung des Vaters entzogen sind, sollten im Depofitorium des Vormundschaftsgerichts verwahrt werden. Hinsichtlich der Kautionsdokumente, die der LZater bei der Wiederverheirathung zur Sicherung des Ver­ mögens seiner Kinder ausgestellt hat, sowie hinsichtlich der Hypothekeninstrumente über das auf die Grundstücke des Vaters eingetragene Vermögen der Kinder, bestimmt dies auch der IM in den Vers. v. 25. April 1833, Jahrb. 41 S. 496, und v. 31. Ott. 1834, Jahrb. 44 S. 351. H. Die Borm Ordn. hat aber die gerichtliche Deposition der den Pflegebefohlenen gehörigen Dokumente beseitigt. Vgl. Neumann, Vormundschaftsordn. S. 187. Solche Dokumente sind dem Vater auszuhändigen, Brettner b. Gruchot 20 S. 703; Wundsch a. a. O. 21 S. 285. A. M. Neumann, Vormundschaftsordn. S. 188. H. Was die Verfügung über die der Disposition des Vaters entzogenen Kapitalien betrifft, so wird für eine solche dem Kinde ein Pfleger nach §. 86 d. Vorm.Ordn. bestellt werden müssen, — hierzu kann paffender Weise der frühere Theilungs-Pfleger genommen werden, — weil der Vater im Fälle des §. 169 nicht selbst handeln kann und das Vormundschaftsgericht dazu ebenso wenig, vielmehr nur zur Genehmigung der Handlungen der Vertreter von Pflegebefohlenen befugt ist, vgl. Wundsch a. a. O. S. 282, Neumann a. a. O. S. 190 (A. M. Dernburg a. a. O. S. 262, Löwenstein a. a. O. S. 142). Einer Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts bedarf es zu den betreffenden Akten des Pflegers nicht. Vorm.Ö. §§. 41, 91. Für die Stellung des letzteren sind §§. 39, 51 a. a. O. maßgebend. H. Eine Konsequenz der hier vertretenen Ansicht ist es, daß zur Herbeiführung der Löschung solcher Kapitalien die Löschungsbewilligung des Pflegers genügt, Johow, Jahrb. d. App.Ger. 6 S. 201. 26) Hinsichtlich der Mobilien und Effekten finden sich besondere Bestimmungen in den §§. 279-286 d. T. H. In den Fällen des §. 170 ist die Bestellung eines Pflegers nicht nothwendig, hier handelt der Vater unter Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, vgl. Förfter-Eccius 4. S. 162. N. 20. 27) Diese Einwilligung des Gerichts setzt natürlich eine gehörige Prüfuna des Geschäfts voraus, wozu dem Gerichte die erforderlichen Nachrichten vorgelegt werden müssen. Bei Ver­ käufen muß z. B. nachgewiesen werden, daß der Kaufpreis dem Werthe angemessen sei. Ein förmliches Verfahren zur Schöpfung der Ueberzeugung findet nicht statt; es ist dem Ermessen des Richters überlassen, wie er sich überzeugen wolle; wenn er aber eine gerichtliche Taxe ver­ langt, kann ihm darin nicht widersprochen werden. R. d. J.M. v. 12. Aug. 1838, Jahrb. 52 S. 155. Zu vergl. das R- v. 21. Mai 1819, Jahrb. 13 S. 252. 28) Eine Bestätigung des vom Vater des minderjährigen Kindes Namens desselben ab­ geschlossenen Vertrages durch die vormundschaftliche Behörde ist nur dann erforderlich, wenn es sich um Rechte oder Sachen des Kindes handelt, bei denen ein Nießbrauch des Vaters eintritt. Pr. 2349 des O.Tr. I v. 13. Febr. 1852, Entsch. 22 S. 371. Sie ist aber erforderlich bei Ver­ trägen über die Veräußerung eines Grundstücks seiner minderjährigen Kinder, welches ihnen bereits erworben ist, in allen Fällen, mag es zum freien oder nichtfteien Vermögen derselben gehören. §§. 550, 989 , 990 11. 18. Erk. desf. III v. 10. Okt. 1860, Str. Arch. 39 S. 89. H. Auch jetzt noch maßgebend mit Rücksicht auf §. 170 d. T. für das nichtfreie Vermögen, für das freie mit Rücksicht auf §. 42 Nr. 5 d. Vorm.Ordn (Amu. 13 zu 159 d. T.). — Bei der Anwendung des §. 170 ist nicht schon die Eigenschaft.eines Inbegriffs (z. B. einer Erbschaft), sondern nur die

Bon dem Vermögen der Kinder.

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§. 171. Das muß besonders geschehen, wenn Grundstücke, oder Gerechtigkeiten, während der Minderjährigkeit der Kinder veräußert, verpfändet, oder mit anderen bleibenden Reallasten belegt werden sollen *•). §. 172. Das Gericht darf die Einwilligung nicht versagen, wenn der Vater die Nothwendigkeit der Verpfändung oder Veräußerung, oder einen den Kindern daraus entstehenden erheblichen Nutzen nachweist80). §. 173. Außer dieser Einwilligung sind zur Gültigkeit des Geschäftes keine weitere Förmlichkeiten erforderlich8*). §. 174. geschieht jedoch eine solche Veräußerung bloß des Nutzens wegen: so muß das gelösete Kaufgeld entweder anderweitig zu Grundstücken auf den Namen der Kinder verwendet; oder auf Hypothek angelegt; oder von dem Vater besondere Caution dafür bestellt werden82). §. 175. So weit ein Nießbraucher zur Begründung einer Meliorations­ forderung der Einwilligung des Eigenthümers bedarf, muß der Vater minderjähriger Kinder, wenn er dergleichen Vergütung künftig verlangen will, um die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts zu den vorzunehmenden Berbesierungen sich be­ werben. §. 176. Zur Sicherheit des Vermögens, welches auf die Kinder von der Mutter gediehen ist, behalten die Kinder in den Gütern des Vaters eben das VorBeschaffenheit und das Wesen der einzelnen Stücke dieses Inbegriffs (z. B. ob sie Grund­ stücke oder etwas anderes find) maßgebend. Ein unter den Erben geschloffener Erbvergleich, durch welchen der unter väterlicher Gewalt stehende, von seinem Vater vertretene minderjährige Erbe verpflichtet wird, eine auf der Erbschaft lastende Geldrente zu zahlen, bedarf der vormund­ schaftlichen Bestätigung nicht. Erk. des O.Tr. 1. v. 8. Febr. 1864, Str. Arch 52 S. 241 und Entsch. 62 S. 172. 29) Ein Vater, welcher für sein minderjähriges Kind Grundstücke ankaust und in dem Kaufkontrakte für rückständig bleibendes Kaufgeld mit den angekausten Grundstücken Hypothek bestellt, bedarf hierzu der Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichtes nicht. Erk. des O.Tr. III v. 8. April 1867, Entsch. 68 S. 298, Str. Arch. 67 S. 148. H. Zur Veräußerung gehört auch die Auflassung. Wenn aber derselben ein Beräußerungsgeschäft zu Grunde liegt, welches der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht bedurfte, z. B. wenn der Vater auf Grund eines von dem Erblasser seiner Kinder geschloffenen Beräußerungsgeschäftes aufläßt, so ist eine ober­ vormundschaftliche Genehmigung auch zur Auflassung nicht erforderlich, Johow, Jahrb. d. Kammerger. 3 S. 106. Nach den Grundsätzen der Münsterschen ehelichen Gütergemeinschaft ist der überlebende Ehegatte, der mit den Kindern in Gemeinschaft bleibt, befugt, auch Grundstücke, die zu der Ge­ meinschaft gehören, unter Lebendigen einseitig — ohne Zustimmung der Kinder zu veräußern. Pl.Beschl. (Dr. 1426) des O.Tr. v. 9. April 1834, Entsch. 10 S. 282. Nicht so bei einer nach den Grundsätzen der Lübischen Gütergemeinschaft. Bei dieser kann die Veräußerung und Verpfändung von Grundstücken nur mit Einwilligung des Vormundschafts­ gerichts (oder der großjährigen Kinder) erfolgen. Ist der Mann der überlebende, so kommen die Vorschriften der §§. 171, 172 zur Anwendung; ist es die Frau, so muß nach den Vor­ schriften II. 18 §§. 660 ff. verfahren werden. R. d. J.M. v. 21. Okt. 1839, J.M.Bl. S. 360. Zu vergl. R v. 2. Juni 1812, Jahrb. 1 S. 61. 30) Das geschieht durch Vorlegung von gerichtlichen Taxen, von Pacht- und Miethskontrakten, Wirtschaftsrechnungen, Gutachten z. B. über die bevorstehenden nothwendigen Ver­ wendungen in ein baufälliges Gebäude, zu dessen Verkaufe sich Gelegenheit bietet, u. dergl. 31) Hiermit hat man namentlich die Subhastation als wesentliche Förmlichkeit erlassen wollen. Die Gerichte find daher weder befugt noch verpflichtet, auf dieselbe zu bestehen. In diesem Sinne hat das J.M. sich mehrmals ausgesprochen, namentlich in den Beschl. v. 21. Mai 1819, Jahrb. 13 S. 252, v. 6. Juli 1819, Jahrb. 14 S. 7, v. 13. Okt. 1839, J.M.Bl. S. 353. H. Bergl. jetzt §. 44 d. Borm.Ordn. Die 88- 170—173 finden bei der Schicht und Theilung zwischen dem überlebenden Ehe­ manne und den mit seiner verstorbenen, mit ihm in Gütergemeinschaft gelebt habenden Ehefrau erzeugten Kindern keine Anwendung. Erk. des O.Tr. I v. 20. Jan. 1864, Str. Arch. 12 S. 74. 32) Um solche Verwendung oder Anlegung zu sichern, muß das Bormundschaftsgericht in seiner Einwilligung die Bedingung machen, daß der Käufer das Kaufgeld ad depositum zahle. H. Das Letztere ist jetzt durch die Vorm.Ordn. beseitigt.

848

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 177—187.

red)t88), welches der Mutter, wegen ihres Eingebrachten, in dem Vermögen des Mannes zustand. (Tit. 1. §. 254. sqq.) §. 177. Auch wegen des übrigen8*) nicht freien, gesetzlich der Ver­ waltung des Vaters unterworfenen Vermögens haben die Kinder in den Gütern des Vaters ein Vorrecht —36) von der Zeit an, da der Vater das Vermögen der Kinder an sich genommen hat. §. 178. Außer diesem gesetzlichen Vorrechte ist der Vater, besondere Sicherheit für das seiner Verwaltung anvertraute Vermögen der Kinder zu bestellen, in der Regel nicht schuldig. §. 179. Nur alsdann kann dem Vater37) dergleichen besondere Sicherstellung cherh!it bc'- abgefordert werden, wenn er auf Behandlung oder Jndult gegen seine Gläubiger anträgt; wenn Sequestration seiner Grundstücke, oder Auspfändung seiner Mobilien verhängt, oder Wechjelexecution gegen ihn vollstreckt wird; oder wenn er sonst offenbar in Verfall seines Vermögens zu gerathen anfängt38). 8- 180. Ferner, wenn er wegen eines Amtes, einer Casse oder Pachtuug, dem Fiscus oder einer anderen mit fiscalischen Rechten versehenen Anstalt verhaftet ist; oder dergleichen Amt, Casse oder Pachtung38) auch erst nachher, da er das Ver­ mögen der Kinder schon erhalten hat, übernimmt. §. 181. Desgleichen alsdann, wenn er zu der Zeit, da das Vermögen der Kinder in seine Verwaltung gelangt, schon in den Diensten einer anderen öffentlichen Anstalt steht, welcher die Gesetze das Vorrecht der vierten Classe in den Gütern ihrer Caffenbedienten und Administratoren einräumen. 33) Nämlich das Vorrecht im Falle der Kollision mit anderen Gläubigern. Die Befugniß der Ehefrau, ohne Einwilligung des Mannes eine Hypothek zu nehmen (II. 1 §. 254), ist ein Recht gegen den Mann, kein Vorrecht; denn ein Vorrecht hat immer seine Beziehung gegen Dritte: gegen den Schuldner bedarf man keines Vorrechts. Die fragliche Befugniß steht daher den Kindern nicht zu. §§. 178 und 179. H. Die R.Konk Oron. gewährt den Kindern ein Vorrecht an Stelle 5, s. H. 54 Nr. 5, so weit das Vermögen der Verwaltung des Vaters kraft Gesetzes untersteht. (S. d. folg. Anm.) 34) Z. B. von Anderen ererbten; auch für den Fall, wenn der Vater die Erbschaft seines Kindes gar nicht in Besitz, sondern dafür ein Aequivalent genommen hat; denn dieses gehört den Kindern. Erk. des O.T. IV v. 18. Juni 1847, Rechtsf/ 1 S. 279. 35) H. R.Konk.Ordn. §. 54 Nr. 5 (auch preuß. Ausführungsges. dazu v. 6. März 1879 8 8). Der Worlaut des §. 177 war: „Auch wegen des übrigen nicht freien Vermögens haben die Kinder in den Gütern des Vaters das Vorrecht der vierten Classe von der Zeit an, da der Vater das Vermögen der Kinder an sich genommen hat." 36) H. Vgl. hierzu Beling b. Gruchot 22 S. 248. 37) Nicht auch dessen Erben; die durch den §. 179 gegründete Verbindlichkeit ist eine höchst persönliche und vererbt sich nicht. Erk. des O.Tr. I v. 18. Okt. 1858, Str. Arch. 31 S. 67. 38) Um so mehr also, wenn er für einen Verschwender erklärt worden ist. „Wenn die eheliche Gütergemeinschaft durch den Tod der Frau aufgelöst worden, steht nach landrechtlichen Grundsätzen, wie dem Kurator der minderjährigen Kinder, so nicht minder auch den großjährigen Kindern die Befugniß zu, von dem Vater die Auseinandersetzung zu fordern, wenn er in Verfall seines Vermögens zu gerathen anfängt. II. 18. §§. 35, 36, 414 — Aber im Bereiche der Pommerschen Bauernordnung v. 30. Dez. 1764 kann der überlebende Vater, so lange er nicht zur anderweiten Ehe schreitet, selbst dann nicht zur Auseinandersetzung mit den Kindern angehalten werden, wenn er sonst nach Vorschrift der allgemeinen Gesetze für das Ver­ mögen der Kinder Sicherheit zu bestellen verbunden sein würde." Pr. 1766 des O.Tr. I v. 6. Aug. 1846, Entsch. 13 S. 409. Die einmal bestellte Sicherheit kann nicht wieder zurückgefordert werden, nachdem die Ver­ mögensumstände sich gebessert haben (Anm. 24); wenn aber die Verbesserung der Umftänbe noch vor der Sicherheitsbestellung eintritt, so ist damit der Rechtsgrund, solche zu fordern, weg­ gefallen. 39) H. Die Bestimmungen der §§. 180, 181, sowie der Anh. §§. 86 u. 87 sind obsolet, da ihre Voraussetzung, daß der Fiskus und andere mit fiskalischen Vorrechten ausgestattete Anstalten ein Vorrecht im Konkurse haben, nicht mehr zutrifft. Die RKonk.Ordn. §. 54 kennt ein solches nicht mehr.

Don dem Vermögen der Kinder.

An h. §. 86. Unter Amt ist eine solche Bedienung -u verstehen, Beamte Gelder oder andere Vermögensstücke des Fiscus oder einer anderen lichen Anstalt zur Administration oder Aufbewahrung übers ommt40). § 87. Diese gesetzlichen Vorschriften find keineswegs auf Andere, bediente und Administratores zu sein, Gelder des Fiscus oder einer andern

349 vermöge deren der privilegirten öffent­ die, ohne Caffenprivilegirten Anstalt

in die Hände bekommen können, zu cgtenbircn41).42 §. 88. Es bedarf der gesetzlichen Sicherstellung nicht, einmal, wenn die Mutter den Vater durch ein Testament von derselben befreit48), anderntheils, wenn der Fiscus, durch eine von dem Vater bestimmt geleistete Caution 43), aus den vorher mit diesem statt gefundenen Verhältniffen heraustritt44).45 46 *

§. 182. Kann oder will der Vater in allen diesen Fällen keine Sicherheit leisten, so muß ihm die Verwaltung des Vermögens der Kinder genommen, und einem besonderen Curator, unter näherer Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts, übertragen werden. §. 183. Nur alsdann kann das Gericht") dem Vater, in den Fällen des §. 180. 181., die besondere Sicherstellung erlassen, wenn erhellet, daß er sonst die Bedienung nicht erlangen oder behalten könnte; und er gleichwohl ohne dieselbe, den Unterhalt und die Erziehung der Kinder gehörig zu besorgen, außer Stande sein würde. §. 184. Doch muß ein solcher Vater dem vormundschaftlichen Gericht ein Attest seiner vorgesetzten Behörde über den richtigen Befund der Casse und Rechnung alljährig vorlegen. §.185. Unterläßt er dieses: so muß nach der Vorschrift §. 182. wider ihn ver­ fahren werden. §. 186. In wie fern eine Amtscaution, welche für den Vater aus dem den Kindern ^gefallenen Vermögen bestellt ist, während der Minderjährigkeit der Kinder stehen gelasien, oder aus dem Vermögen derselben neu bestellt werden könne, ist nach den für einen ähnlichen Fall in dem Titel von Vormundschaften vorge­ schriebenen Grundsätzen zu bestimmen. (Tit. 18. Abkchn. 8.) §. 187. Schreitet ein Vater, welcher liegende Gründe oder Gerechtigkeiten be­ sitzt "), zur anderweitigen Verehelichung, so muß er das Vermögen der Kinder aus voriger Ehe auf diese Grundstücke eintragen lassen 40) Aus dem R. v. 22. Sept. 1794, Rabe 2 S. 698. 41) Aus dem R. v. 9. Ott. 1797, Rabe 4 S. 403. 42) Und sie den Kindern mehr als den Pflichttheil nachläßt. Außerdem würde die Be­ freiung des Vaters von der gesetzlichen Sicherstellung eine Beschränkung des Pflichttheils sein, welche sich die Kinder nicht brauchen gefallen zu lasten. Zu vergl. II. 18. §. 681 und R. v. 31. Ott. 1801, Rabe 6 S. 650. 43) H. In Betreff dieses Theils des §. gilt das Anm. 39 zu §. 180 d. T. Bemerkte. 44) Aus dem R. v. 23. Juni 1800, Rabe 6 S. 153. 45) H. Vgl. Anm. 39 zu §. 180 d. T. 46) H. Der Vater muß diese also schon in dem gedachten Zeitpuntt besitzen. Erwirbt er sie erst nachher, so findet der §. keine Anwendung, Beling b. Gruchot 12 S. 256. 46») Diese Eintragung hat den Zweck, zu verhindern, daß die zweite Ehefrau mit ihrem Eingebrachten den Kindern erster Ehe durch eine Eintragung ihrer Jllaten vorspringen könne. Anm. 22 zu §. 168. Danach entscheidet sich die Frage: m wie fern der Vater, wenn er später sein mit der besonderen Kautton (§. 188) belastetes Grundstück verkauft, verlangen tarnt, daß der Kurator und das Bormundschaftsgericht in die Löschung derselben willige. Das R. v. 24. Juli 1786, welches von der einmal gewonnenen Sicherheit, weil sie ein jus quaesitum, nichts nachgeben will, Rabe 1 Abth. 7 S. 624, kommt, als dem alten Rechte angehörig, nicht mehr in Betracht, wie der J.M. in dem R. v. 25. Sept. 1809, Rabe 10 S. 158, auch auSspricht. Ein anderes R. v. 22. Febr. 1802 entscheidet, daß, wenn das Grundstück bereits veränßert sei, bevor die materna darauf eingetragen worden, auf die Eintragung nicht bestanden werden könne, indem die Sache in der Lage sei, als wenn der Vater mit Grundstücken nicht

850

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 187—197.

angeseffen. Rabe 7 S. 68. Diese anzuerkennende Entscheidung berührt unsere Frage nicht. Aber schon ein älterer Besch, des I M. v. 16. Aug. 1806 spricht aus, daß in dem gedachten Falle die Löschung der Kaution unbedingt bewilligt werden müsse, indem der §. 187 zwar die ohne Nachtheil des Baters sich darbietende Gelegenheit zur Sicherstelluntz wahrnehme, aber keineswegeS dabei beabfichtige, den Bater in seinen Verfügungen einzuschränken, oder ihm solche -u erschweren. Rabe 8 S. 645. Später ist die Frage im J.M. einer neuen Prüfung unter­ worfen worden, welche das Resultat ergeben hat, daß der §. 187 die Frage nicht entscheide, vielmehr eine Lücke lasse, welche nur im Wege der Gesetzgebung ausgefüllt werden könne; daß der Mm.Lerk. v. 16. Aug. 1806 (welche den Mangel ergänze) keine gesetzliche Kraft beizulegen sei, und daß folglich die Bormundschaftsgerichte nicht befugt seien, den Vater von der einmal

bestellten Sicherheit zu entbinden, ihm das Kautionsinstrument zurückzugeben und in die Löschung zu willigen. Drese Grundsätze find durch eine nicht publizirte K.O. v. 23. März 1829 genehmigt. R. deS J.M. v. 27. April 1829, Jahrb. 33 S. 339. Dieselben folgen jedoch daraus, daß der S}. 187 die Frage nicht entscheidet, nicht, und dem Zwecke der Bestimmung des §. 187 widerprechen sie in gleicher Weise, wie fie in ihren Folgen das Recht des Baters verletzen. Was dieses betrifft, )o kommt die Sache durch den Verkauf des Grundstücks in die Lage, daß die Summe, welche der Bater hinter fich und sicher gestellt hatte, in ein bei einem Dritten aus­ stehendes Kapital verwandelt wird, welches freilich ein solches ist, worüber der Vater, nach g. 169, nicht ohne Einwilligung des Bormundschaftsgerichts verfügen kann. Deshalb ist derselbe, wie auch das O.Tr. in einem Erk. v. 30. April 1835, Centralbl. 1837 Sp. 709 entschieden hat, zwar nicht befugt, die Dost einseitig einzuziehen und löschen zu lassen (Anm. 24). Doch folgt daraus nicht, daß ihm die Einwilligung der Bormundschaftsbehörde dazu jedenfalls verweigert werden müßte. Aus dem Wesen der Sicherstellung als einer vormundschaftlichen Kaution (§. 188) folgt es mcht. Denn aus dieser Kaution ist ein, bei einem Dritten ausstehendes Kapital ge­ worden, d. h der Bater ist, ohne dazu verpflichtet gewesen zu sein, und ohne seinen Willen dahin gekommen, daß er das Vermögen seiner Kinder herausgeben soll, wenn ihm die Lö­ schung nicht bewilligt wird. Der Fall muß nun wenigstens nach der Bestimmung des §. 483 Tit. 18 beurtheilt werden. Dabei macht der Umstand, daß das Eingebrachte der Mutter der Kinder bereits eingetragen war, und in dieser Beschaffenheit auf die Kinder vererbt worden ist, keinen Unterschied, auch nicht wegen der Bestimmung des §. 176, der sich auf das Verhältniß der Kinder zum Vater nicht bezieht. Anm. 33. H. Gegen Koch aber Dernburg 3 S. 172. Man bezieht den §. 187 nur auf dasjenige Vermögen, welches die Kinder bei Eingehung der neuen Ehe des Vaters bereits haben, nicht auch auf das, was sie erst nachher erwerben. R. v. 8. Dez. 1823, Jahrb. 22 S. 170. In dem Besch, v. 11. Dez. 1840 beschränkt der J.M. eben­ falls die Verpflichtung des Bormundschaftsgerichts wegen Sicherstellung des Vermögens der Kinder bei anderweittger Verheirathung des Vaters auf das bei der Auseinandersetzung er­ mittelte Vermögen. J.M.Bl. 1841 S. 40. Aber nicht lediglich auf das „mütterliche" Vermögen darf die Verpflichtung beschränkt werden, vielmehr muß die Sicherstellung geschehen für das sämmtliche alsdann vorhandene Vermögen ohne Unterschied des Ursprungs. Denn Absicht und Zweck des §. 187 ist nicht auf das von der Mutter ererbte Vermögen gerichtet gewesen, vielmehr hat man den im Entw. §. 139 (§. 187 d. T.) gebrauchten Ausdruck „mütterliche" unterdrückt. Derselben Ansicht Dernburg 3 S. 170 Note 10. H. Aber das Vermögen „aus voriger Ehe" kann kein anderes als das mütterliche sein, s. Förster-Eccius pr. Pr.R. 4. S. 165 N. 36, Beling a. a. O. S. 260.

Die Befteiung des Vaters von aller Sicherstellung für das Muttertheil der Kinder durch das mütterliche Testament (Anh. §. 88) gilt auch im Falle der Wiederverheirathung, voraus­ gesetzt, daß den Kindern mehr als der Pflichttheil zugewendet ist. R. v. 31. Okt. 1801, Rabe 6 S. 650; R. v. 7. April 1812. (Erg. ad h. §.) — Der §. 187 d. T. und der §. 35 II. 18 verden von einer Seite als von publizistischer Natur und von zwingender, einer Abänderung durch Privatversügung nicht unterliegender Kraft gehalten. Das O.Tr. I hat diese Fraße dahin­ gestellt sein laffen, weil in dem Streitfälle die Vorschriften gegenstandslos waren: die Kinder hatten noch kein Vermögen. Erk. des O.Tr. I v. 27. Juni 1862, Entsch. 48 S. 208. In dem Erk. v. 27. März 1865 erklärt sich ders. Sen. gegen diese Meinung. Diese Vorschrift — saat ders. — enthalte nur eine subsidiäre Regel des Gesetzes, von welcher abzuweichen dem Erblasser, der das Vermögen den Kindern zugewendet hat, freistehe ; nur der Pflichttheil dürfe nicht mit Be­ dingungen oder anderen Beschränkungen belastet werden (§. 398 d. T.). — Ob der Bater durch das Testament der Mutter nur hinsichts des ungeteilten Nachlasses während der Dauer der Gemeinschaft, oder auch nach erfolgter Theilung in Ansehung des Muttererbes seines Kindes von der Kautionsleistung befreit sei : diese Frage sei eine thatsächliche, die aus dem Inhalte des Testaments durch dessen Interpretation entschieden werden müsse. Str. Arch. 58 S. 241. Die Sicherstellung durch Eintragung mit den Rechten einer bloßen vormundschaftlichen Kaution ist zur Begünstigung des Vaters nachgelassen. Will der Vater eine andere Sicherheit

Bon dem Vermögen der Kinder.

351

Anh. §. 894 * 7*).* * *So * lange der Vater nicht wieder heirathet, genügt es, wenn in der Be­ stätigung des Auseinandersetzungs-Rezesses, oder in dem Atteste darüber ausdrücklich notirt wird, daß der Vater für das Vermögen der Kinder noch keine Sicherheit bestellt hat. Der Geistliche, welcher eine solche Ehe durch Pryclamation und Trauung vollziehen soll48),49 ist 50 schuldig, dem

vormundschaftlichen Gerichte davon in Zeiten Anzeige zu machen.

§. 188. Diese Eintragung hat jedoch nur eben die Rechte, wie eine ein­ getragene vormundschaftliche Kaution4®). §. 189. Sind die Kinder großjährig, und auch sonst ihren eigenen Sachen «er für diese vorzustehen fähig, so können dieselben, auch wenn sie noch unter väterlicher Gewalt sind, in den Fällen des §. 179. 180. 181. 187. aus die von dem Vater zu leistende Sicherheit selbst antragcn 60). §. 190. Außer ihnen hat alsdann Niemand ein Recht, sich in diese Angelegen­ heit zu mischen. §. 191. Sind aber diese Kinder noch minderjährig, oder sonst unfähig, ihren Sachen selbst vorzustehen: so muß der bei der Auseinandersetzung mit dem Vater ihnen zugeordnete Kurator für die Bestellung der Sicherheit, nach näherer An­ weisung des Vormundschastsrechts sorgen. §. 192. Ist den Kindern noch kein Kurator bestellt, so muß das vormund­ schaftliche Gericht für dessen Anordnung von Amtswegen sorgen, sobald der Fall, wo es einer besonderen Sicherheit bedarf, zu seiner Wissenschaft gelangt. §. 193. Zu einer desfalls dem Gerichte zu machenden Anzeige ist besonders die Mutter, und in deren Ermangelung derjenige befugt, welchem nächst dem Vater das Erbrecht zusteht. §. 194. Ist dieser selbst noch minderjährig, so tritt der nächste nach ihm an seine ©teile61). 88- 195. 196. Fallen weg 8- 197. Auch diejenigen, welche Jemandem ein Amt übertragen, wodurch daVermögen desselben einem gesetzmäßigen Vorrecht unterworfen wird, sollen schuldig sein, dem ordentlichen persönlichen Gerichtsstände des Beamten, sogleich nach seiner Einführung, davon Nachricht zu geben.

durch Deposttion von geeigneten Pfändern (Papieren) bestellen, so kann ihm das nicht verwehrt werden. Zu vgl. Anm. 25 zu §. 169. H. Bergl. auch zu §. 187 Boas bei Gruchot 20 S. 774. H. Nur die Eintraguna einer Hypothek, nicht einer Grundschuld kann verlangt werden, weil eS keine gesetzliche Titel für Grundschulden giebt. 47) Aus dem R. v. 9. Okt. 1797, Rabe 4 S. 311. Die Vorschriften des §. 187 und des Anh. §. 89 gelten auch da, wo die drei ersten Titel suspendirt find, R. v. 6. Nov. 1806, Rabe 8 S. 403. 48) H. Muß jetzt heißen: der Standesbeamte, welcher das Aufgebot zu erfassen hat, s. §§. 42, 45, 69 des Reichspersonenstandesgesetzes. (Zus. 11 zu II. 1 §. 145.) 49) H. Die näheren Bestimmungen darüber find in II. 18 88. 427, 428 festgesetzt. In so weit sie die Kaution des Vaters betreffen, können sie durch die Borm.Ordn. §. 102 mcht für aufgehoben erachtet werden, Gruchot 20 S. 24; Beling a. a. O. 21 S. 266; Dernburg S S. 171 Rote 17.; Förster-Eccius 4. S. 167. A. M. Boas a. a. O. 20, 773, 774 u. Reu­ mann, Borm.Ordn. S. 185. 50) Ueberhaupt können großjährige Kinder unter väterlicher Gewalt, ohne Zuziehung eines Kurators , mit ihrem Vater rechtsbeständig kontrahiren und in dem Kontrakte Lasten und Ver­ bindlichkeiten übernehmen. Die §§. 28 , 29 II. 18 stehen nicht entgegen. Erk. des O.Tr. v. 7. Aug. 1828, Simon und v. Strampf, Rechtsspr. 2 S. 257. S. auch Anm. 54 zu §. 201 d. T. 61) Sein Vormund hat die Obliegenheit nicht. 62) Die fiskalischen Bedienten (FiSkäle), für welche diese §§. Vorschriften geben, find nicht mehr vorhanden und auch nicht durch andere ersetzt. Der Wortlaut ist:

352

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 198—910.

§. 198. Ist dieses von ihnen vorsätzlich, oder aus grobem Versehen unter­ lassen worden, so bleiben sie den Kindern, wegen des daraus entstehenden Nach­ theils, verantwortlich86). 8- 199. HauptsächlichM) aber muß jeder Vater, welcher Vermögen von seinen Kindern in Händen hat, sobald der Fall eintritt, wo er nach den Gesetzen besondere Sicherheit dafür zu bestellen verbunden ist, es dem vormundschaftlichen Gerichte selbst anzeigen. §. 200. Ein Vater, der diese Pflicht mit Vorsatz verabsäumt, wird seines Nießbrauchs verlustig. mk der §. 201. So lange Kinder noch unter väterlicher Gewalt sind, können sie über anf?bungbH ihr nicht freies Vermögen, ohne Beitritt und Einwilligung des Vaters, unter «ermähn». Lebendigen keine gültige Verfügung treffen85). §. 202. Vielmehr gilt von den Verträgen und Schulden auch solcher Kinder eben daS, was in Ansehung der noch unter väterlicher Gewalt stehenden Kinder überhaupt §. 124. sqq. verordnet ist86). §. 203. Haben Kinder durch unerlaubte Handlungen Jemandem Schaden zu­ gefügt, so muß der Ersatz, in Ermangelung eines freien Vermögens, aus dem nicht freien, so weit dasselbe hinreicht, sofort67) erfolgen. Säen wef §• 204. So lange der Vater der Kinder standesmäßigen Unterhalt und Er' dwnche. ziehung besorgt88), hängt die Verwendung der Einkünfte ihres nicht freien Ver­

mögens lediglich von seinem Gutbesinden ab. §. 195. Auch den fiskalischen Behörden liegt ob, sobald ein Fall der für das Vermögen minderjabriger Kinder von deren Vater zu leistenden Sicherheit zu ihrer Kenntniß gelangt, dem vormundschaftlichen Gerichte davon Anzeige zu machen. 196. Wird durch diese Anzeige das Vermögen der Kinder von der Gefahr eines besorglichen Verlustes gerettet, so soll aus den Nutzungen desselben dem fiscalischen Bedienten eine verhältnißmäßige Belohnung seiner Wachsamkeit angewiesen werden. 53) Bezieht sich nur auf die int §. 197 gedachten Behörden. Denn die Verwandten sind nur befugt, nicht schuldig. §. 193. 54) Alle anderen (§§. 193—197) also nur subsidiarisch. 55) Vergl. oben tz. 125 und die Anm. 41 dazu. — Ob ein großjähriges Kind zu einem Vertrage mit seinem Vater in Betreff des nichtfreien Vermögens einen Kurator haben müsse, ist widersprechend beantwortet worden. Der J.M. hat in seiner Meinung gewechselt. R. v. 26. Sept. 1829 und v. 21. März 1826 (Erg. ad h. §.). Das O.Tr. I hat den Rechtssatz an­ genommen: „Großjährige, noch unter väterlicher Gewalt stehende Kinder bedürfen, sobald ihre geistigen Anlagen keine Bevormundung erheischen, zu Verträgen, die sie mit ihrem Vater selbst eingehen, keines Kurators." Pr. 1641 v. 30. Okt. 1845, Präj.S. 1 S. 166. Der Grund, daß in diesem Falle die Einwilligung des Vaters in dem Vertrage selbst liege, ist zutreffend. H. Eben so hat IV am 15..April 1858, Str. Arch. 28 S. 250, u. I v. 16. Juni 1865 (betr. eines vom großjährigen Hauskinde über eine Vergütung für seinen Unterhalt mit dem Vater geschloffenen Abkommens, Anw.Zeit. 1865 S. 781) entschieden. S. auch Anm. 50 zu §. 189 d. T. H. Um sein Grundstück gültig an eine großjährige, noch unverheirathete Tochter verkaufen zu können, braucht der Vater diese nicht vorher der väterlichen Gewalt zu entlasten, s. Heim­ lich bei Gruchot 16 S. 879. 56) Anm. 42 zu §. 125 d. T. 57) Sofort, d. h. ohne das Ende des väterlichen Nießbrauchs abzuwarten. Zu vergl. Anm. 95 zu II. 1. §. 320. 58) Der väterliche Nießbrauch ist hiernach bedingt, dergestalt, daß mit dem Wegfalle der Bedingung der Nießbrauch ipso jure aufhört, und die Kinder berechtigt sind, den Gläubigern des Vaters die Einkünfte ihres Vermögens streitig zu machen, ohne daß sie vorher gegen den Vater ein richterliches Urtel auszuwirken hätten, daß ihm die Verwaltung und der Nießbrauch zu entziehen sei. Die Theorie ist dem ehemännlichen Nießbrauche nachgebildet. Anfangs, im gedr. Entw. §§. 146 und 147, war die umgekehrte Lehre vorgeschlagen: der Meßbrauch war nicht bedingt durch Besorgung der Erziehung und des Unterhalts der Kinder, sondern den Kindern sollten nur die Mittel dazu vor den Gläubigern des Vaters vorbehalten bleiben. Das hatte Widerspruch gefunden und Suarez fand die Monita erheblich. Er sagte in der rev. mon.: „Aus eben den Gründen, aus welchen im Titel von der Ehe angenommen worden, daß, wenn

Bon dem Vermögen der Kinder.

Bon Aufhebung der väterlichen Gewalt.

353

§. 205. Auch seine eigenen Gläubiger können aus diesen Einkünften ihre Befriedigung suchen. §. 206. Wenn aber der Vater in Concurs verfällt, oder sonst5e) außer Stand kommt, die Kinder standesmäßig zu verpflegen und zu erziehen, so verliert er die Verwaltung und den Nießbrauch ihres nicht fteien Vermögens *°). §. 207. Beides fällt den Kindern anheim, in so fern dieselben großjährig, und sonst ihren Sachen selbst vorzustehen fähig sind. §. 208. Außerdem muß den Kindern ein Curator bestellt, und durch diesen ihr nicht fteies Vermögen, unter Aufsicht des vormundschaftlichen Gerichts, zum Besten der Kinder verwaltet werden. §. 209. Doch ist der Vater, die benöthigte Unterstützung zu seinem Unter­ halte auS den Einkünften dieses Vermögens zu fordern, in jedem Falle wohl befugt.

Vierter Abschnitt. Bv« Aufhebnug der väterliche» Gewalt').

§. 210.

Wenn ein Sohn nach erlangter Großjährigkeit eine eigene, von den *«»»««

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lichenGewatt

der Mann entweder in Konkurs oder doch in so derangirte Umstände verfällt, daß er ben »SiffiSni standesmäßiaen Unterhalt der Frau nicht mehr besorgen kann, alsdann adminietratio et ususfr. *e!ch«; maritalis zessire und die Frau berechtigt sei, ihr Vermögen in eigene Administration und Nutz­ nießung zu übernehmen, bloß gegen die Verbindlichkeit, den Mann auS den Einkünften zu unter­ stützen; aus eben diesen Gründen muß auch hier m. v. angenommen werden, daß im gleichen Falle der Vater Verwaltung und Nießbrauch von dem nichtfreien Vermögen der Kinder verli«e, denselben, wenn sie noch minderjährig sind, ein Kurator bestellt, durch diesen daS Vermögen administrirt und die Revenüen princip. zur Verpflegung und Edukation der Kinder verwendet werden müssen. Wenn aber alsvann von diesen Revenüen noch etwas übrig bliebe, so ist zwar unbedenklich, daß davon der Vater, wenn er sich selbst zu ernähren nicht im Stande ist, unter­ stützt werden müffe. Ob aber außerdem der Ueberschuß den Kindern bleibe, oder dem Vater modo seinen creditöribus zu verabfolgen sei, möchte zweifelhaft scheinen. Ich würde aber daS erstere annehmen, weil doch im Grunde die Creditores gar kein Recht auf daS Ver­ mögen der Kinder haben, und die ratio, warum dem Vater der uausfructos freigelegt ist, oasu substrato hinwegfällt." (Ges.Rev. Pens. 16 S. 111.) Der Verlust des väterlichen Nießbrauches erfolgt mit dem Eintritte der faktischen Voraus­ setzungen von Rechtswegen, eS bedarf dazu eines Rechtsaktes nicht. Entsteht darüber: ob die Rechtsänderung eingetreten sei oder nicht. Streit, so muß darüber freilich erkannt werden, ein Solches Erkenntniß ist jedoch nur deklaratorischer Natur, und es ist weder diese- Erkenntniß noch üe Bestellung des Kurators, wodurch der Nießbrauch verloren geht. Bergl. Erk. de- O.Tr. HI v. 13. April 1863, Str. Arch. 49 S. 154. L. Johow, Jahrb. d. Kammeraer. 3 S. 63. 59) „Der Verlust des Nießbrauchs an dem nichtfteien Vermögen der Kinder trifft, außer dem Falle des Konkurses, den Vater alsdann nicht, wenn die Kinder aus den Einkünften ihregedachten eigenen Vermögens standesmäßig verpflegt und erzogen werden können." Pr. 1740 des O.Tr. I v. 23. April 1846, Präj.S. 1 S. 166. 60) Auf immer. (H. Johow, Jahrb. d. Kammerger. 3 S. 66, und damit auch in Betreff des nach beendetem Konkurse ihnen zugefallenen Vermögens, dagegen Johow, Jahrb. d. App.Ger. 7 S. 94, und Dernburg 3S. 167, s. aber Anm. * am erst gedachten Orte.) ES ist ohne Einfluß, daß das formelle Konkursverfahren in Folge eines mit den Gläubigern getroffenen Abkommen- wieder aufgehoben ist; auch findet der Recht-satz des §. 264 II. 1, betreffend den Nießbrauch des Ein­ gebrachten der Eheftau, hier keine analoge Anwendung. Erk. des O.Tr. I v. 2. März 1867, Entsch. 36 S. 29; Str. Arch. 23 S. 328. H. Eine solche Anwendung will dagegen Dern­ burg a. a. O. gemacht wissen. 1) Der erste Entwurf enthielt über diesen Theil des Recht- eine ganz neu erfundene Theorie. Die väterliche Gewalt sollte nicht durch den Au-gang aus dem väterlichen Hause (per separatem oeconomiam), sondern nur durch ausdrückliche Emanzipation austören; und wegen de-Nießbrauchund der Verwaltung de- Kindervermögens, sowie wegen der Ausstattung waren eigenthümliche Bestimmungen vorgeschlagen. Diese- System fand Widerspruch und Suarez sagte: „Meiner Meinung nach ist der Satz, daß per separatem oeconomiam bei den Sühnen, durch 8er* heirathung bei den Töchtern die väterliche Gewalt nicht aufhüren soll, allerdings sehr bedenklich. WaS die Söhne betrifft, so kann man sich unmöglich entbrechen, dieselben in so weit, al- sie Noch, Allgemeines Landrecht. IIL 8. Aufl.

23

354

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 210—212.

em eigenes Gewerbe treiben, oder eine Bedienung verwalten, als homines sui Juris zu be­ trachten; und dies ist auch wirklich verordnet. Nun muß es aber nothwendig zu Unordnungen, Ungewißheiten und Prozessen Anlaß geben, wenn ein und eben derselbe Mensch in einem Berhältmffe sui iuris unb in einem anderen sub aliena potestate steht. Bei den Töchtern ist die Kollision zwischen den Rechten des Mannes und denen des Vaters noch auffallender. Ich sehe auch de» Vortheil nicht, den es dem gemeinen Besten bringen kann, wenn man die Dauer der väterlichen Gewalt so sehr verlängert und die Kinder nöthigt, die Entlastung davon durch einen Prozeß zu erstreiten. Daß der Konsens des Vaters bei der Verheiratung auch großjähriger Kinder nothwendig sei, dch auch sub patr. pot. Kinder den Heitern Respekt leisten und in wichtigen Angelegenheiten ihren Rath einholen müssen, daß sie parentem inopem zu ernähren schuldig sind, genügt m. s., um dasjenige Band zwischen Heitern und Kindern aufrecht zu er­ halten, an deffen Befestigung dem Wohle der Familien und des Staates gelegen ist. Ich würde daher folgende Theorie annehmen: Sobald der Sohn mit Einwilligung des Vaters ein eigenes Gewerbe anfängt oder ein Amt übernimmt, von deffen Einkünften er eine eigene Wirthschaft unterhalten kann, hört die väterliche Gewalt auf. So lange der Sohn noch minderjährig ist, kann er wider des Vaters Willen keine besondere Wirthschaft anstellen, nach erlangter Volljährigkeit aber kann der Vater diese Einwilligung nicht ohne erhebliche Gründe versagen, worüber dem Sohne rechtliches Gehör zu verstatten. Sobald eine Tochter heirathet, hört die väterliche Gewalt auf." Hiernach wurde in dem gedr. Entw. die Theorie geändert. Aber noch vor der Mittheilung an die Gesetzkommission wurde dafür der jetzige Text auf den Rand gesetzt, zu deffen Begründung Suarez in der rev. mon. bemerkt: „Da der Sicherheit des Verkehrs im Publico ausnehmend daran gäegen ist, daß die Zeichen, woran man erkennen kann: ob ein Mensch, deffen Vater noch lebt, eui Juris oder noch sub p. p. sei, sicher und so viel als möglich in die Augen fallend be­ stimmt werden, so hat man angenommen, daß ein majorenner Sohn aufhöre, filius familias zu sein: 1. wenn er separatem oeconomiam anstellt (§. 210); 2. wenn er, auch ohne separatem oeconomiam zu haben, ein eigenes Gewerbe treibt, oder ein öffentliches Amt bekleidet. Dabei werden die Fragen aufgeworfen: a) Ob, wenn der Sohn -war übrigens separatem oeconomiam hat, der Vater ihm aber den Tisch giebt, der Sohn dennoch pro homine sui Juris zu achten sei? b) Ob, wenn der Sohn zwar ein öffentliches Amt bekleidet, womit aber keine Besoldung verknüpft ist, und er dabei im väterlichen Hause lebt, dennoch anzunehmen sei, daß er nicht mehr unter väterlicher Gewalt stehe? Ad a. wird eS die Sicherheit des Publici wohl unumgänglich nothwendig machen, streng bei dem Grundsätze stehen zu bleiben, daß jeder Mensch, welcher großjährig ist und eigene Wirthschaft führt, pro homine sui Juris zu achten sei, ohne darauf zu sehen, ob ihm der Vater den Tisch gebe, und ob er dafür Kostgeld erhält, oder nicht; als um welches alles das Publicum sich un­ möglich bekümmern kann. Daher würde post §. 107 zu inseriren sein: Bloße fortwährende Unterstützung der Heitern, durch Gebung des Tisches oder sonst, macht dabei keinen Unterschied. Ad b. dürste wohl nicht gesagt werden können, daß der Sohn, welcher ein öffentliches Amt bekleidet, womit aber gar keine Besoldung verknüpft ist, z. E. ein Referendarius, und der dabei noch in der Aeltern Hause lebt, pro homine sui Juris zu achten sei. Es würde daher post §. 209 SV 212) zu inseriren sein: Ist jedoch das Amt mit keiner festen Besoldung oder anderen die telle derselben vertretenden Einkünften verknüpft, und lebt der damit bekleidete Sohn noch in des Vaters Hause, so kann nicht angenommen werden, daß derselbe der väterlichen Gewalt entlaffen sei." (Jahrb. 62 S. 52.) Dieser Vorschlag ist dann in die Bestimmung, welche der §. 212 b enthält, umgewandelt worden. In den Schlußvorträgen giebt Suarez über die neue Theorie folgenden Aufschluß: „Da die Störn. Emanzipation bei uns schon längst obsolet geworden ist, so beruht unsere heutige Lehre von der Aufhebung der väterlichen Gewalt auf bloßen Gewohnheitsrechten und rezipirten Meinungen der Rechtslehrer. Diese sind zum Theil sehr schwankend und ungewiß, und diese Ungewißheit kann auf der einen Seite den Kindern, so wie aus der anderen Seite den Dritten, die mit ihnen Verträge schließen, oft sehr nachtheilig und gefährlich werden. So sagt z. E. jedes Compendium: Institut io separat ae oeconomiae sei ein modus tollendi etc. mw doch kann in Casus concreto theils oft darüber gestritten werden, was eigentlich separate oeconomia sei, theils trifft der Satz selbst offenbar nicht zu. Der minorenne Referendarius, der in Berlin, der minorenne Offizier, der in Garnison lebt, hat separat, oeconom., und steht doch wohl noch unter väterlicher Gewalt. Ist er majorenn, muß aber noch vom Vater in seinem auSwärngen Wohnorte ernährt werden, so ist die Sache sehr zweifelhaft. Der majorenne Rath, der, weil er noch unverheirathet ist, bei seinem Vater im Hause lebt und an seinen Tisch geht, hat nicht

Von Aufhebung der väterlichen Gewalt.

355

Aeltern abgesonderte-) Wirthschaft errichtet ^), so geht er dadurch aus der väter­ lichen Gewalt^). §. 211. Wenn der Vater ihn seiner Gewalt noch nicht entlassen will, so muß er seinen Widerspruch gerichtlich anzeigend, und Gründe dazu beibringen, welche hinreichen, den Sohn für einen Verschwender erklären zu lassen. §. 212. a) Wenn ein großjähriger Sohn ein eigenes Gewerbes treibt, oder separatem oeconomiam, und ist doch gewiß ein homo sui Juris. Auch über Aemter und Würden, welche denselben von der väterlichen Gewalt befreien, oder nicht? wird viel gestritten. Das Gesetzbuch mußte also über diese so sehr praktische Materie eine neue Theorie bilden, der man den Vorwurf nicht wird machen können, daß sie von bisherigen allgemein rezipirten Rechten (dergleichen wir gar nicht haben) abgehe, und bei deren Beurtheilung es also bloß auf Nützlichkeit, Zweckmäßigkeit und Zusammenhang mit dem übrigen Rechtssyfteme ankommt. I. Ist der Sohn majorenn, so muß man die Aufhebung der väterlichen Gewalt möglichst begünstigen. Ein 24jähriger Mensch muß für fähig geachtet werden, seine Handlungen selbst zu dirigiren, und braucht nicht mehr den ihm in der Regel stets lästigen, das PublÜum aber in vielen Fällen genirenden Kappzaum der väterlichen Gewalt. Daher sind separate oeconomia, Amt, eigenes Gewerbe, ohne Unterschied und Einschränkung, für modus tollend! etc. erklärt, §§. 210—213. II. Ein noch minorenner Sohn muß, um seines eigenen Besten willen, der väterlichen Gewalt nicht zu früh entlassen werden, daher finden bei ihm nur zwei modi tollend! etc. statt: 1. Ausdrückliche Erklärung des Vaters §$. 214—217. Daß diese nicht vor dem 20. Jahre ertheilt werden kann, folgt daraus, daß ein Pupille nur in diesem Alter verdatn aetatis erhalten kann. 2. Durch Anstellung eines besonderen Gewerbes für eigene Rechnung. §. 218. Dies war nothwendig, weil das Publikum bei einem Menschen, der öffentlrch ein bürgerlicheGewerbe treibt, wegen ferner Facultatis disponendi sicher fern muß, und sich nicht in jedem Falle erst erkundigen kann: ob er auch noch sub etc. stehe, oder nicht? UebrigenS muß man eS dabei freilich auf das Judicium paternum ankommen lasten, ob der Vater glaubt, daß dem Sohne, seines noch minderjährigen Alters ungeachtet, die Direktion über sich selbst frei gegeben werden könne. III. Bei der Tochter erfolgt die Entlastung aus der väterlichen Gewalt nur 1. durch Heirath; 2. durch ausdrückliche Erklärung des Vaters. Ein Mädchen, deren Vater noch lebt, kann, wenn sie auch majorenn ist, doch mit Wohl­ anständigkeit keine besondere Wirthschaft anstellen. Daß dergleichen Personen eigenes besondereGewerbe treiben, ist ungewöhnlich. Geschieht es ja, so muß der Vater doch darein einwilligen; und dann kann er sie auch seiner Gewalt ausdrücklich entlasten." (Jahrb. 41 S. 136—138.) 2) Der dem großjährigen Sohne von seinem Bater übertragene Mitbesitz nebst Berwaltung des väterlichen Gutes hebt die väterliche Gewalt nicht auf, well diesem Mitbesitze und dieser Verwaltung das wesentliche Merkmal des Gewerbebetriebes für eigene Rechnung fehlt. Erk. des O.Tr. IV v. 9. März 1858, Str. Arch. 29 S. 208. 3) Durch die bloße Erwerbung des Bürgerrechts von einem unter väterlicher Gewalt stehenden großjährigen Sohne wird die väterliche Gewalt nicht aufgehoben. Pr. 1053 des O.Tr. LU v. 23. Ott. 1841, Entsch. 7 S. 139. S. Anm. 7 Abs. 3. 4) Das Erk. des O Tr. IV v. 26. Sept. 1867, Str. Arch. 68 S. 193, spricht aus: Ein allgemeiner Rechtssatz dahin, daß dem Kläger, welcher behauptet, daß der Verklagte der väter­ lichen Gewalt entlassen sei, die Beweislast obliege, kann nicht anerkannt werden; es kommt hierbei immer auf die Lage der einzelnen Sache an. Namentlich kann die ganze Lebensstellung eineoßjährigen Menschen, dessen Vater noch lebt, das Aushören der väterlichen Gewalt in sich ließen und deshalb den Verklagten beweispflichtig in Betreff deren Fortdauer machen. Ägl. ferner IV v. 22. Sept. 1857, Str. Arch. 27 S. 56, wo angenommen wird, es könne von einem Großjährigen, welcher int Geschäftsverkehr sich als selbstständiger Mensch gerire, nicht vorausgesetzt werden, daß er noch unter väterlicher Gewalt stehe, daher habe er die Thatsachen anzugeben und darzuthun, welche seine Selbstständigkeit ausschließen oder ftüher ausgeschloffen haben. 5) Anm. 9 zu §. 213. 6) Ein Gewerbe für eigene Rechnung, wenn auch der Sohn dabei noch vom Later unterstützt wird (8. 212 b), selbst wenn er ohne solche Unterstützung nicht bestehen kann. Zu vergl. Entsch. des O.Tr. III v. 27. Aug 1847, Recht-f. 2 S. 149. Em Geselle aber, welcher bei einem Reist« arbeitet, ohne einen eigenen Hausstand zu haben, treibt kein eigenes Gewerbe im Sinne oe§. 212, gesetzt auch, daß er vom Vater gar keine Unterstützung erbtelte. Dagegen muß ein großläbriger Sohn, welcher sich dem Gesindedienste für beständig gewidmet hat, al- selbstständig an­ gesehen werden. „Als „„eigenes Gewerbe"" des großjährtgen Sohne-, durch welche- die väter»

S

29*

356

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 212, 213.

em öffentliches Amt bekleidet7), so ist er für entlasten aus der väterlichen Gewalt anzusehen. licke Gewalt aufhört, ist es anzusehen, wenn der Sohn sich einer fortwährenden gleichartigen, gesetzlich erlaubten Beschäftigung gewidmet hat, durch welche er außerhalb des väterlichen Hauses seinen Unterhalt ohne väterliche Unterstützung erwirbt." Pr. 2348 des O.Tr. I v. 4. Febr. 1862, Entsch. 22 S. 378. In dem Falle, auf welchen das Pr. sich bezieht, und der zwei großjährige Söhne betraf, «ar der eine Provisor in einer Apotheke, der andere Pfarramts-Kandidat und Hau-lehrer. H. Die väterliche Gewalt hört ebenfalls auf, wenn der volljährige Sohn, selbst bei seinem Bater die Stellung eines Handwerksgehülfen einnimmt, ihm für diese aber vertragsmäßig Unter­ kommen, Kost und Lohn zugesichert ist, Erk. des O.H.G. II v. 20. Jan. 1872, Entsch. des R.O.H.G. 4 S. 388, Stegemann, Rechtspr. 6 S. 264, nicht minder, wenn dem Sohn die Verwaltung eines Gutes vom Vater übertragen wird und der erstere dort seinen ständigen Aufenthalt, entfernt vom Wohnsitze des Balers nimmt, Erk. deff. Sen. v. 21. Okt. 1871, Entsch. des R.O.H.G. 3 S. 364, Stegemann a. a. O.4 S. 157, und H. v. 25. April 1874, Entsch. des R.O.H.G. 13 S. 178. Ein großjähriger Sohn, welcher mit Bewilligung seines Vaters als Oekonomie-Jnspektor gegen ein JahreSgehalt von 100—120 Thlr. konditionirt und sich davon standesmäßig ernährt, ist dadurch aus der väterlichen Gewalt entlassen. Erk. des O.Tr. IV v. 16. Juni 1865, Str. Arch. 68 S. 348. Die zufolge mündlichen Vertrages erfolgte Beschäftigung in dem Büreau eines Rechtsanwalts als Privatsekretär gegen ein, die Mittel zum Lebensunterhalt gewährendes monatliches Gehalt kann in der Regel als ein die Entlassung aus der väterlichen Gewalt begründendes eigenes Ge­ werbe nicht angesehen «erden. Die Feststellung, daß eine solche Beschäftigung nicht als ein derartige- Gewerbe anzusehen sei, stellt sich als eine rein thatsächliche, mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbare Feststellung dar. Erk. deff. Sen. v. 7. Jan. 1854, Str. Arch. 51 S. 340. H. Als eigener Gewerbebetrieb ist es anzusehen, wenn der Sohn die Stellung eines Hand­ lungsgehülfen mit einem zum Unterhalt ausreichenden Gehalt inne hat, Erk. des O.H.G. I v. 9. Sept. 1873, Entsch. des R.O.H.G 11 S. 58 u. R.G. I H. v. 15. Juni 1880, Gruchot 25 S. 752, aber nicht bloß vorübergehend, ohne die Absicht fernen Lebensunterhalt damit zu er­ werben, eine derartige Stelle anmmmt, R.G. I v. 12. Nov. 1881, Entsch. 6 S. 265. H. Bei der bunten Fülle der Erscheinungen des praktischen Lebens werden hier für einzelne Fälle immer Zweifel bleiben, welche nur durch Aenderung der Gesetzgebung dahin, daß die väter­ liche Gewalt mit erreichter Volljährigkeit aufhört, beseitigt werden können, vergl. dazu Hoff­ mann in Behrend u. Dahn, Zeitschrift 7 S. 292. Durch die nach bestandener Staatsprüfung erhaltene bloße licentia practicandi wird die väterliche Gewalt nicht ohne weiteres aufgehoben. Erk. des O.Tr. IV v. 4. Nov. 1856, Str. Arch. 23 S. 37. „Wenn ein großjähriger Sohn, mit Wissen und ohne Widerspruch seines Vaters, einen Vertrag schließt, wodurch er sich einen eigenen Erwerb begründet, alsdann tritt er, durch die Eingehung des Vertrages selbst, aus der väterlichen Gewalt, ohne daß es einer ausdrücklichen Genehmigung dieses Vertrages seitens des Vaters bedarf." Pr. 2558 des O.Tr. IV v. 19. Okt. 1854, Entsch. 29 S. 148; Str. Arch. 15 S. 139. Der Vertrag bedarf zwar der väterlichen Ge­ nehmigung zu seiner Wirksamkeit, die Genehmigung ist aber in dem Wissen und Stillschweigen de- Vaters enthalten und wird auf den Anfang zurückbezogen. Aus diesem Grunde sind auch die lästigen Bedingungen, welche der Sohn im Vertrage übernommen hat, zu Recht beständig. Der Fall war der, daß der großjährige Sohn als Beamter in den Dienst einer Feuer-Bersicherungsgesellschast getreten war unv in dem Dienstkontrakte sich zu einer Konventionalstrafe von 1000 Thlrn. verbindlich gemacht hatte, wenn er nach Aufhebung des Dienstverhältnisses binnen Jahresfrist bei einer anderen Feuer-Versicherungsgesellschaft in Dienst treten würde. — Vergl. Anm. 9. 7) Der Dienst als Referendarius ist kein öffentliches Amt im Sinne dieses Gesetzes, sondern eine Vorbereitung zum künftigen Staatsdienste. R. v. 20. Sept. 1806, Rabe 8 S. 677. Das war auch Suarez' Meinung. Anm. 1. Die Uebernahme eines unbesoldeten Kommunal-Ehrenamts ist nicht als eine die Aushebung der väterlichen Gewaltkraft des Gesetzes herbeiführende Uebernahme eines öffentlichen Amts im Sinne "des §. 212 a anzusehen. Erk. des O.Tr. IV v. 9. März 1858, Str. Arch. 29 S. 209. Dies wird auch durch die Entstehungsgeschichte des §. 212a bestätigt. Schon zum umgearbeiteten Entwürfe wurde von der Gesetzkommission die Frage aufgeworfen: ob, wenn der Sohn zwar ein öffentliches Amt bekleide, womit aber keine Besoldung verknüpft sei, und er dabei im väterlichen Hause lebe, dennoch anzunehmen sei, daß er nicht mehr unter väterlicher Gewalt stehe. Suarez erwiderte: dies dürfte wohl nicht gesagt werden können, führte dabei den Referendarius, der noch in der Aeltern Hause lebe, namentlich als Beispiel an, und wollte folgenden §. einschalten:

Don Aufhebung der väterlichen Gewalt.

357

§. 212. b) Die fortwährende Unterstützung von Seiten des Vaters, durch Gebung des Tisches und sonst, macht dabei keinen Unterschied. An h. §. 90.

Ein Offizier wird durch Erlangung der Majorennität von der väterlichen

Gewalt nur alsdann befreit, wenn er zu einem solchen Posten avancirt, in welchem er der väter­ lichen Hülfe zu seinem Unterhalte nicht mehr bedarf; welches in dem Falle angenommen werden soll, da er entweder eine Compagnie oder Escadron erhält, oder doch zum Rittmeister oder Capitain ernannt wird, und das mit dieser Charge verknüpfte Gehalt zu genießen hat ®). §. 213. Einem großjährigen Sohne, welcher sich mit seinem Gewerbe ohne weitere Unterstützung des Vaters ernähren kann, ist Letzterer die Anstellung eines solchen Gewerbes zu verstatten und ihn dadurch aus seiner Gewalt zu entlaffen ver­

bunden 9* ). ******8

„Ist jedoch das Amt mit keiner festen Besoldung oder anderen die Stelle derselben vertretenden Ankünften verknüpft, und lebt der damit bekleidete Sohn noch in des Baters Hause, so kann nicht angenommen werden, daß derselbe der väterlichen Gewalt entlaffen sei." Weshalb dieser Vorschlag unberücksichtigt geblieben, ist nicht zu ersehen. Der aedruckte Entwurf §. 164 d. T. enthielt etwas von einem Gewerbe rc., welches der Sohn zu seinem selbst­ ständigen dauernden Unterhalt treibt. Es heißt: „Wenn der Sohn ein eigenes von dem Vater unabhängiges Gewerbe anfängt, durch welches er sich, ohne fernere väterliche Unterstützung, den standesmäßigen Unter­ halt verschaffen kann, so geht er dadurch aus der väterlichen Gewalt." Aber dies mißfiel Suarez in der revis. monitorum. „Denn der Dritte könne nicht untersuchen, ob der Sohn durch sein Gewerbe ohne väterliche Unterstützung standesmäßigen Unterhalt finde." Deshalb wurde (§. 212*») vielmehr bestimmt, daß die fortwährende Unter­ stützung des Baters durch Gebung des Tisches und sonst keinen Unteisschied machen solle. Ges. Rev. Pens. 15, Motive z. Entw. d. T. S. 118 u. 120 ff. — M. s. auch Jahrb. 62 S. 62. Wer ein öffentliches Amt, welches kein Ehrenamt ist, übernimmt, muß deshalb in Ge­ mäßheit des §. 212» für entlaffen aus der väterlichen Gewalt angesehen werden, obschon er eine Besoldung noch nicht bezieht, vielmehr die Subfiftenzmittel von seinem auswärts wohnenden Vater erhält, wie z. B. die nach Zurücklegung der großen Staatsprüfung den Gerichten als un­ besoldete Mitglieder und ohne volles Sttmmrecht überwiesenen Gerichts-Affefforen, die zwar großjährig sinv, deren Väter aber noch leben. (A.G.O. III. 3 §. 62.) Erk. des O.Tr Iv v. 24. 29. Ott. 1861, Entsch. 46 S. 244 u. 252; Str. Arch. 43 S. 165. Durch die Uebernahme des Amtes eines vereideten Stellvettreters des Inhabers der polizeiobrigkeittichen Gewalt ist ein großjähriger Sohn als aus der väterlichen Gewalt entlaffen an­ zusehen. Erk. deff. Sen. v. 5. Febr. 1867, Str. Arch. 65 S. 288. Unteroffiziere und Kapitulanten treten mit erlangter Volljährigkeit aus der väterlichen Gewalt. Besch, des J.M. v. 14. März u. 20. Okt. 1812, Jahrb. 2 S. 170. 8) Aus dem Publ. v. 17. März 1797 Nr. 10, Rabe 4 S. 44. — Die Bestimmung ist eine Ausnahme von der Regel und bezieht sich nur auf attive Offiziere. — H. Es ist auch gleichgültig, ob der Subaltern-Offizier eine abgesonderte Wirthschaft errichtet hat, denn der Anh. §. 90 bildet nicht allein eine Ausnahme zu §. 212, sondern auch zu §. 210, so erkannt vom O.H.G. I v. 10. Ott. 1873, Entsch. des R.O.H.G. 11 S. 177. H. u. I v. 18. Okt. 1878, ebd. 24 S. 136, sowie vom O.Tr. IV v. 20. Dez. 1877, Str. Arch. 98 S. 186. 9) Was für ein Verfahren in diesem Falle und in dem des §. 211 eintreten soll, ist nicht bestimmt. Der Ausgang des Sohnes aus dem väterlichen Hause und die Gründung eines eigenen Hausstandes wird sich in manchen Fällen vielleicht eigenmächttg ausführen laffen, und wenn dies gelingt, so tritt die rechtliche Folge von selbst ein. Auch das O.Tr. I hat ange­ nommen, daß zu der Entlassung eines großjährigen Sohnes aus der väterlichen Gewalt durch den Betrieb eines eigenen Gewerbes das Einverständniß des Baters mit dem Beginn deS Ge­ werbebetriebes, wenn auch nur ein stillschweigendes, nicht erforderlich sei. Erk. v. 24. Jan. 1866, Str. Arch. 58 S. 116. Dies widerspricht dem Pr. 2658 v. 19. Ott. 1854 («nm. 6) nicht, weil es fich in jenem Falle ftagte: ob gewisse Verpflichtungen, die der Sohn in dem Vertrage, durch welchen er den eigenen Gewerbebetrieb begründete, übernommen hatte, für ihn rechtsver­ bindlich seien. — Will der Vater es hindern, so muß er nach §. 211 auf Prodigalitätserklärung gegen den Sohn antragen. Wenn aber dem Sohne von der Orts- und Polizeibehörde die Niederlassung und der Gewerbebetrieb ohne die väterliche Einwilligung nicht gestattet wird; so muß der Sohn sich an das Vormundschaftsgericht wenden, welches causa cognita die väterliche Einwilligung zu ergänzen hat. H. Dagegen wird in der anonymen Abhandlung bei Gruchot 24 S. 346 in Uebereinstimmung mit R.O.H.G. II v. 21. Ott. 1871, Entsch. 8 S. 854 auSzus

358 b^ei-e«

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 214—218.

§. 214. Ein noch minderjähriger Sohn kann vor zurückgeleatem zwanzigsten Jahre, selbst mit Einwilligung des Vaters, der väterlichen Gewalt nicht entlassen werden n). §. 215. Nach zurückgelegtem zwanzigsten Jahre, und bis zur erlangten Voll­ jährigkeit des Sohnes, kann der Vater nicht genöthigt werden, denselben aus seiner Gewalt zu entlassen. §. 216. Wenn aber der Vater in diesem Zeitraume seinen Willen, den Sohn zu entlassen, mit Beistimmung12) des Sohnes, bei dem vormundschaftlichen Gerichte verlautbart, so hat dieses zugleich alle Wirkungen einer Majorennitäts-Erklärung18). führen gesucht, daß die Aufhebung der väterlichen Gewalt nur dann eintrete, wenn der Later von dem Vorhaben des Sohnes Kenntniß erhalten und trotzdem keinen Widerspruch entgegen­ gesetzt hat. 10) H. Nach der BormOrdn. §§. 97, 61 kann die Großjährigkeitserklärung eines in väter­ licher Gewalt stehenden Kindes mit Zustimmung des Vaters unter Einwilligung des letzteren durck das Bormundsckastsgericht nach geführter Sachuntersuchung erfolgen, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat. Ueber die Entlassung aus der väterlichen Gewalt giebt die Vorm.Ordn. keine Bestimmungen. In so weit müssen noch die nachstehenden Vorschriften des L.R. für maßgebend erachtet werden, aber nicht mehr in so weit, als sie Regeln über den Eintritt der Großjährigkeit enthalten und die rechtlichen Folgen der letzteren in Frage kommen. Große bei Gruchot 20 S. 727 ist dagegen der Ansicht, daß die landrechtlichen Be­ stimmungen überhaupt nicht durch die Vorm.Ordn. berührt werden, und die Vorschriften der letzteren nur an Stelle der §§. 715 ff. II. 18 getreten sind. Dabei ist aber Folgendes über­ sehen: 1) daß die Vorm Ordn., wenn sie das in §. 719 II. 18 ausgesprochene Verbot einer Großjährigkeit Pflegebefohlener männlichen Geschlechts vor dem 20. Jahre, eine Altersgrenze, welche auch §. 216 d. T. für Kinder in väterlicher Gewalt festsetzt, beseitigte, dabei im Jntereffe einheitlicher Regelung der Großjährigkeitserklärung zugleich für die Kinder in väterlicher Ge­ walt den Termin von 18 Jahren festsetzen mußte und auch festgesetzt hat, also bewußtermaßen über das Gebiet des Bormundschnftswesens hinausgreift, und 2) daß die §§. 715 ff. II. 18 sich nach der herrschenden Meinung (f. die folgende Anm. 13) nur auf die Fälle beziehen, wo der Bater nicht mehr die väterliche Gewalt über das Kind besitzt, die Vorm.Ordn. aber auch die Fälle trifft, wo das letztere noch in der Gewalt des Vaters steht. Große's Meinung ist übrigens auch ohne Anhänger geblieben, s. die folgenden Anmerkungen. 11) H. Mit Rücksicht auf das in der vorigen Anmerkung Ausgesührte modifizirt sich . 214 dahin: Ein minderjähriger Sohn kann in der vorgedachten Weise nach zurückHelegtem 8. Lebensjahre für großjährig erklärt und dann, da er dadurch die Rechte der Großjährigen erwirbt, wie diese (s. §§. 210 ff. d. T.) der väterlichen Gewalt entlassen werden, s. Boas bei Gruchot 20 S. 760, 761, Neumann, Vorm.Ordn. S. 12, Dernburg 3 S. 143, Förster Eccius 4. S. 170 Note 21. 12) Wenn auch nur mit stillschweigender. Entsch. des O.Tr. 12 S. 326. Zu vergl. L. 5 i. f. C. de emancip. VIII, 49 und Paulus II. 25 §. 5. 13) In den §§. 715 und 716 verordnet das L.R., daß, wenn ein Vater für sein Kind die Majorennitätserklärung nachsucht, das Vormundschaftsgericht prüfen soll: ob Umstände vorhanden, unter welchen das Jntereffe des für volljährig zu erklärenden Kindes mit dem des Vaters in Widerspruch kommen, und also das Kind durch die Majorennitätserklärung Schaden leiden könnte. Darin hat man einen Widerspruch finden wollen, und das hat den Zweifel ver­ anlaßt: ob nicht in dem Falle unseres §. 216, wo der Vater seinen Sohn emanzstnrt, eben die­ selbe Prüfung stattfinden und die Emanzipation, wenn sie Kraft haben soll, seitens des Vor­ mundschaftsgerichts bestätigt werden müsse. Das J.M. hat seine Meinung gewechselt. In dem Besch, v.. 17. Juli 1813 erklärt es die Prüfung für nöthig (Jahrb. 2 S. 15), doch soll es dazu nicht unbedingt der Bestellung eines Kurators bedürfeü. R. v. 4. Jan. 1814, Jahrb. 3 S. 10. Später, in dem Besch, v. 22. Juli 1833, Jahrb. 42 S. 122, äußert es sich in dem entgegengesetzten Sinne; in dem Besch, v. 28. Febr. 1837 (Erg. ad h. §.) erklärt es ganz entschieden die Ein­ lastung des Gerichts auf die Prüfung für unzulässig. Dies ist das Richtige. Beide Stellen des L.R. treffen durchaus nicht zusammen; jede dieser Stellen handelt von einer wesentlich anderen Rechtshandlung. Die §§. 715, 716 II. 18 beziehen sich auf die Beendigung einer be­ stehenden Vormundschaft durch Majorennitätserklärung, und sprechen insbesondere davon, wenn der Vater des Bevormundeten selbst die Aufhebung der Vormundschaft wünscht. Dann soll das Gericht die Umstände wohl prüfen, und mit Recht mag es dazu besonders angewiesen werden; denn wenn ein Vater seine juristische Gewalt über sein Kind verloren hat und das Kind bevor­ mundet werden muß: so muß wohl ein Grund vorhanden gewesen sein, das Interesse des

5

Bon Aufhebung der väterlichen Gewalt. Anh. §. 91.

359

Diese gesetzliche Vorschrift findet bei der Entlaffung von Töchtern keine

analogische Anwendung14 * *).15 ***********

§. 217. Dem Sohne muß ein beglaubigtes Zeugniß darüber von dem vor­ mundschaftlichen Gericht ausgefertigt werben18). §. 218 16).17 Wenn der Vater ausdrücklich oder stillschweigend") einwilligt, daß der noch minderjährige Sohn ein besonderes (Setoerbe18) für eigene Rechnung anfange, so hat dieses") die Wirkung einer ausdrücklich entarten Entlaffung Kindes in der Gewalt des Vaters für gefährdet zu halten. Ganz anders ist der Fall unseres §. 216. Hier besteht die väterliche Gewalt, welche die Einmengung des BormundschaftSgerichtS ausschließt; und es soll die Rechtshandlung bestimmt werden, mittelst welcher der Sohn durch Aufhebung dieser Gewalt soll selbstständig gemacht werden können. WaS dazu erforderlich sei, sagen die §§. 216 u. 217 klar und bestimmt; es ist unzuläsfig, durch Auslegung mehr hinzuzutraaen, als der Gesetzgeber für nöthig erachtet hat, und noch weit unzulässiger, durch analoge Gesetzesanwendungen die den Fall unmrttelbar betreffenden Vorschriften auszuschließen. Für diese Meinung hat sich auch die Praxis des O.Tr. entschieden, nach zwei veröffentlichten Entsckerdungen, welche wesentlich denselben Rechtssatz begründen, nämlich: a) v. 8. Sept. 1843: „Die von einem Vater erklärte Entlaffung seines über zwanzig Jahre alten Sohnes aus der väterlichen Gewalt hat, auch ohne hinzutretende Prüfung und Genehmigung de- BormundschaftSbehörde die Wirkungen einer Majorennitätserklärung." (Entsch. 12 S. 321); und b) v. 3. Juni 1847: „Die unter Beitritt des Sohnes von dem Vater bei dem vormundschaftlichen Gerichte verlaut­ barte Erklärung, seinen über zwanzig Jahre alten Sohn der väterlichen Gewalt entlassen zu wollen, erfordert zu ihrer rechtlichen Wirksamkeit nicht eine hinzutretende Prüfung und GenHmigung der Vormundschastsbehörde, begründet vielmehr auch ohne solche die Wirkung einer Majorennitätserklärung." (Entsch. 18 S. 289.) Die Rechtshandlung der Entlaffung erfordert durchaus keine anderen Förmlichkeiten, als welche hier in den §§. 216 u. 217 vorgeschrieben find, namentlich auch keine Anfrage bei einer höheren Instanz. R. v. 4. Rov. 1817, Jahrb. 10 S. 224. ES versteht sich jedoch, daß daS Gericht sich das erforderliche Alter des Sohnes gesetzmäßig nachweisen lassen muß. Diese Vorschrift gehört übrigens nicht zu den suSpendirten Stellen. Erk. oeS O.Tr. II v. 8. Sept. 1843, Entsch. 12 S. 326, und R. v. 18. April 1796, Rabe 3 S. 332. H. Durch die im §. 216 gedachte Entlaffung aus der väterlichen Gewalt treten aber jetzt mit Rücksicht auf die BormOrdn. (s. Anm. 11) die Wirkungen der Majorennitätserklänmg nicht mehr ein, s. Dernburg, Vormundschaftsrecht 2. Aust. S. 118; Neumann, Bonn.Ordn. S. 11, 12; Brettner u. Boas bei Gruchot 20 S. 14, 761; Löwenstein, Bonn.Ordn. 2. Aust. S. 137; Küntzel bei Johow, Jahrb. d. App.Ger. 5 S. 295, 296, FörsterEcciuS 4. S. 170. 14) Aus dem R. v. 14. März 1796, Rabe 3 S. 408. — „Die bloße MajorennitätSerklärung einer unter väterlicher Gewalt stehenden unverheiracheten Tochter bewirkt noch nicht deren Entlaffung auS der väterlichen Gewalt." Pr. 2409 des O.Tr. IV v. 28. Rov. 1852, Entsch. 24 S. 124; Str. Arch. 7 S. 155. H. Der Gegensatz, den der Anh. §. festsetzt, ist jetzt fortgefallen, s. vor. Anm. 15) Erst von der Insinuation dieser Ausfertigung an tritt die Wirkung ein. Erk. deS O.Tr. v. 25. Febr. 1843, Entsch. 8 S. 384. Die Insinuation sollte deshalb m jedem solchen Falle durch einen Behändigunysschein gehörig festgestellt werden. H. Dies sönnst jetzt nur noch die Entlassung aus der väterlrchen Gewalt, nicht aber die erfolgte GroßjährrgkeitSerklärung konstatiren; f. Anm. 13 a. E. 16) H. Vgl. zu diesem §. Wandersleben bei Gruchot 17 S. 186. 17) Dies geschieht schon dadurch, daß der Vater seinen Sohn wissentlich für eigene Rech­ nung ein besonderes Gewerbe anfangen läßt. Die Anwendung des §. 218 ist also nicht davon abhängig, daß der Vater den ihm bekannt gewordenen selbstständigen Geschäftsbetrieb ves Soh­ nes entweder ausdrücklich, oder durch positive Handlungen oder Aeußerungen genehmigt habe. Erk. des O.Tr. IV v. 15. Dez. 1857, Str. Arch. 26 S. 373. H. Für die Entlaffung eines minderjährigen Haussohnes auS der väterlichen Gewalt durch die ausdrückliche oder stillschweigende Emwilligunß des Vaters zum Anfänge eines be­ sonderen Gewerbes für eigene Rechnung ist es Erfordermß, daß der HauSsohn daS 20. Lebens­ jahr zurüchelegt hat. Erk. des O.Tr. III v. 26. Juni 1874, Entsch. 72 S. 243. 18) Au den Gewerben, deren Betteibung mit Einwilligung des LaterS gleiche Wirkung mit der ausdrücklichen Entlaffung aus der väterlichen Gewalt hat, gehört auch die Uebernahme einer Ackerwirthschaft für eigene Rechnung. Pr. 1661 des O.Tr. III v. 6. Dez. 1846, Entsih. 12 S. 332, und Erk. des IV. Sen. v. 24. Mai 1864 u. v. 24. Jan. 1866, Str. Arch. 54 S. 206 u. 68 S. 117.

360

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 219—228.

§. 219. Durch die Uebernehmung eines öffentlichen Amtes geht ein noch minderjähriger Sohn, auch wenn er zugleich eine besondere Wirthschaft anstellt, doch noch nicht aus der väterlichen Gewalt2'). §. 220. Will ihn aber der Vater derselben entlaffen, so muß er diesen seinen Willen nach Vorschrift §. 216. 217. gerichtlich erklären. 8- 221. So lange der Vater dergleichen Erklärung noch nicht abgegeben hat, ist der Sohn zwar in den Geschäften seines Amtes, nicht aber in seinen Privat­ angelegenheiten, für einen solchen, der nicht mehr unter väterlicher Gewalt steht, zu achte«. §. 222. Tastenbedienungen und Pachtungen, wodurch Jemand dem Fiscus oder einer öffentlichen Anstalt verhaftet wird, sollen einem Minderjährigen, der noch «nter väterlicher Gewalt steht, nicht anders übertragen werden, als wenn er zuvor von dem Vater ausdrücklich und gerichtlich entlaffen worden **). §. 223. Auch daraus, daß der Vater seinem noch minderjährigen Sohne die Errichtung einer besonderen Wirthschaft, aus seinem eigenen, oder dem Vermögen seiner Frau gestattet hat, folgt noch nicht, daß derselbe der väterlichen Gewalt ent­ lasten sei. *

§. 224. Wer also mit einem Minderjährigen, deffen Vater noch am Leben ist, sich einlasten will, muß sich überzeugen, daß derselbe entweder mit Einwilligung de» Vaters em besonderes Gewerbe für eigene Rechnung treibe, oder daß ihn der Vater ausdrücklich entlaffen habe28). Auch die Uebernahme einer Pachtung. Erk. des O.Tr. v. 25. Febr. 1843, Entsch. 8 S. 393. Ferner wenn ein minorenner Sohn mit Einwilligung seines Vaters eine Frau geheirathet hat, welche das Schankgewerbe betreibt, ohne daß sie sich die Einkünfte dieses Gewerbes aus­ drücklich Vorbehalten hat. Erk. des O.Tr. III v. 8. Aug. 1848, Rechtsf. 4 S. 240. Die vorstehend verzeichneten Fälle sind nur Beispiele. Die Frage: ob eine gewisse Stellung als Gewerbebetrieb für eigene Rechnung betrachtet werden kann, ist thatsächlicher Natur. (EL So z. B. ob die Stellung als Geschäftsreisender für ein Handlungshaus als „besonderes Ge­ werbe" im Sinne deS §. 218 anzusehen ist, R.G. V v. 30. Okt. 1880, Gruchot 25 S. 1036). ES kann nicht angenommen werden, daß eine fortdauernde gleichmäßige Beschäftigung, z. B. die Bedienstung eines Kellners, welche den Unterhalt ohne väterliche Unterstützung gewährt, auch wenn sie mcht als ein Gewerbe für eigene Rechnung aufgefaßt werden kann, dem §. 218 unter­ liegt. Erk. des O.Tr. III v. 19. Nov. 1866, Entsch. 57 S. 186. 19) Dieses, d. h. der thatsächliche Anfang des Gewerbes, nicht schon die frühere Einwilliguna deS Balers dazu. Erk. des O.Tr. II v. 7. Dez. 1858, Str. Arch. 31 S. 322. 20) Mithin auch die Wirkung einer Majorennitätseülärung (§. 216), Satz 2 und Erk. des O.Tr. v. 8. Sept. 1834, Jur. Wochenschr. 1846 S. 220. Die §§. 807 u. 808 IL 18 können das nicht zweifelhaft machen, weil sie sich auf ein anderes Rechts- und Zustandsverhältniß be­ zirken. Diejenige Majorennitätserklärung, die in der stillschweigenden oder ausdrücklichen Ent­ lassung aus der väterlichen Gewalt enthalten ist, behält ihre Wirkung, wenn auch nach des LaterS, während der Minderjährigkeit des Sohnes erfolgtem, Tode etwa eine Vormundschaft angeordnet sein sollte. Erk. des O.Tr. v. 25. Febr. 1843, Entsch. 8 S. 393. H. Die Wirkung der Großjährigkeitserklärung ist aber mit dieser Art der Entlassung aus der väterlichen Ge­ walt jetzt nutzt mehr verbunden, s. Anm. 13 a. E. ju §. 216. 21) Dieser Satz paßt nicht zu dem Grundsätze §. 218. Denn die Uebernahme eines Dienste-, welcher seinen Mann ernährt, ist der Anfang eines besonderen Gewerbes für eigene Rechmmg. 22) Auch dies ist eine Borschrist, welche als Ausnahme von der Regel §. 218 zu betrachten ist. Zu vergl. die vor. Anm. und die Anm. 18 Satz 2. 23) Im Handelsrechte fehlt es gänzlich an einer Festsetzung über die Folgen des Betriebs kaufmännischer Geschäfte durch einen minderjährigen unter väterlicher Gewalt stehenden Sohn. Die §§. 477 , 478 II. 8 enthielten nur eine Anwendung des §. 212» d. T. und das H.G.B. schweigt davon ganz. Es kommen deshalb die §§. 218 und 224 d. T. auch bei Uebernehmung kaufmännischer Geschäfte zur Anwendung, weshalb durch den Betrieb der Minderjährige nicht nur auS der väterlichen Gewalt scheidet, sondern in Folge deffen auch als ein Großjähriger zu behandeln ist. Beral. auch Erk. des O.Tr. IV v. 10. Juni 1866, Str. Arch. 21 S. 268. H. Mit Rücksicht auf die Vorm.Ordn. ist jetzt auch nöthig, daß der Vater entweder den Sohn in der durch dieselbe vorgeschriebenen Weise hat für großjährig erklären lassen, oder daß

Bon Aufhebung der väterlichen Gewalt.

361

§. 225. In allen Fällen aber, wo der Sohn eine zuerst ohne väterliche Ein­ willigung oder Entlassung angefangene besondere Wirthschaft, bis nach zurück­ gelegtem vier und zwanzigsten Jahre 24 * *),25 fortgesetzt, ohne daß der Vater seinen Widerspruch gerichtlich erklärt, und ihn zur Wiederaufgebung dieser abgesonderten Wirthschaft wirklich angehalten M26), geht er mit dem Zeitpunkte der erlangten Volljährigkeit zugleich aus der väterlichen Gewalt. §§. 226. 227. Beseitigt2«). §. 228. Wenn eine Tochter, unter ertheilter, oder von dem Richter ergänzter Einwilligung2?) des Vaters, heirathet; so hört die väterliche Gewalt über sie mif28). die Voraussetzungen des §. 5 des Ges. v. 12. Juli 1875 (Zus. 8 zu I. 4 §§. 20—22) vorliegen. Dadurch modifizirt sich nunmehr der Ausspruch in dem cittrten Erk. des O.Tr. 24) H. Muß jetzt mit Rücksicht auf den veränderten Großjährigkeitstermin heißen „ein und zwanzigsten Jahre", s. Zus. 3 zu I. 1 §. 26. 25) Das Verfahren ist mcht bestimmt. Der Vater muß wohl Eigenmacht anwenden und, wenn diese unzureichend ist, die Hülfe der Polizei anrufen dürfen. Der Sohn muß dann, wenn er sich nicht beruhigen will, das Lormundschaftsgericht angehen. 26) Die §§. lauteten: „§. 226. Ein Sohn, welcher während der Minderjährigkeit der väterlichen Gewalt entlaffen worden, kann dennoch seine Grundstücke und Gerechtigkeiten nur mit Vertritt seines Vaters verpfänden und veräußern. §. 227. Sobald aber der Vater seine Einwilligung in solche Verfügungen gerichtlich erklärt, bedarf es weiter keiner Untersuchung oder Genehmigung von Seiten des vormundschaftlichen Gerichts." Sie haben für den Fall, daß nicht gleichzeitig eine Großjährigkeitserklärung erfolgt, keine Bedeutung mehr (s. Anm. 11 au §. 214 d. T.). Wird eine solche aber damit verbunden, so findet §. 98 BormOrdn. Anwendung, welcher den großjährig Erklärten alle Rechte der Großjäh­ rigen beilegt und fie beseitigt. So auch Dernburg 3 S. 144 Rote 20. Bei Großjährigkeits­ erklärung ohne Entlastung aus der väterlichen Gewalt endlich greifen fie überhaupt nicht Platz. 27) „Durch die von einer großjährigen Tochter unter versagter und richterlich nicht er­ gänzter väterlicher Einwilligung eingegangene Ehe wird die väterliche Gewalt über diese Tochter selbst dann nicht aufgehoben, wenn auch der Vater die Ehe innerhalb der gesetzlichen Frist als ungültig nicht angefochten hat," — sagt bad O.Tr. I in dem Pr. 2688 v. 18. Dez. 1854, Entsch. 80 S. 114, Str. Arch. 15 S. 280. Daraus entsteht ein völlig widersinniger Rechtszustand. Die Ehe ist gültig, folglich hat der Mann alle gesetzlich dem Manne -ustehenden Rechte und Gewalt über die Frau; und der Vater hat die väterliche Gewalt, folglich auch die dem Later gesetzlich über die Person des Kindes zuständige Gewalt. Beide, der Vater und der Mann, können mithin über die Person der Frau, beziehlich Tochter verfügen, der Vater kann also auch sein Kind von dem Manne abholen. Wie soll sich das vertragen mit einer gültigen Ehe? Wenn sich das nicht verträgt, so ist der Satz des O.Tr. falsch, und so ist es auch nach dem Ausspruche der §§. 997 u. 998 U. 1, wo die Rechte des Vaters über eine solche ungehorsame Tochter bestimmt find. Daß die väterliche Gewalt über sie, trotz der Gültigkeit der Ehe, fortbestehen solle, sagt kein Gesetz und ist auch praktisch unmöglich. Mit dem Augenblicke, wo die Ehe seitens des widerwilligen Vaters unanfechtbar wird, hört die natürliche Gewalt über die Tochter auf, wenn ein vernunft­ mäßiger Rechtsstand bestehen soll. Durch die Nichtanfechtuna konsentirt der Vater, könnte man sagen; mehr Aehnlichkeit hat jedoch dieser Fall der Eheschließung mit derjenigen alten römischen ^Eheform, welche durch das ununterbrochene eheliche Zusammenleben während eines Jahres voll­ zogen wurde (conventio in manum durch usua): die Gültigkeit der Ehe, und damit zugleich ganz nothwendig das Ende der väterlichen Gewalt tritt ein mit dem Ablaufe der AnfechtungSfrist (Verjährung). fi. Unter Hinweis auf den Wortlaut des 8. 228 erklärt sich Förster-Eccius pr. Pr.R. 4 S. 171 für das O.Tr., indem er bemerkt, daß das Recht des Ehemannes sich nur unbeschadet des väter­ lichen Rechtes geltend machen könne, der Vater also Verwaltung und Nießbrauch deS nichtfreien Vermögens der Tochter behalte. Dagegen tritt Dernburg 3 S. 144 Rote 21 der Ansicht von Koch bei, indem er bemerkt, daß keine Abweichung des Landrechts vom gemeinen Recht zu unterstellen sei und daß daffelbe im §. 228 exemplikativ jede gültige Verheiratung meine. Jeden­ falls kann gegenüber der Vorschrift des Reichsgesetzes v. 6. Febr. 1879 §. 29 (f. Zus 11 zu §. 146 d. T.), wonach die 24 jährige Tochter der Einwilligung deS Vaters nicht mehr bedarf, nicht für diese, wenn sie ohne den väterlichen Konsens heirathet, Fortdauer der väterlichen Gewalt angenommen werden. Der Fall der gesetzlichen Befreiung vom Konsense muß dem deS richterlich ertheilten Konsenses doch gleichgestellt werden. 28) Sie entsteht nicht wieder, wenn auch die Ehe noch während der Minderjährigkeit der Tochter wieder getrennt wird; weil ein aufgelöstes Rechtsverhältniß nicht von selbst wieder entsteht.

bei einer Tochter.

362

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 329—234.

§. 229. Ist sie aber noch minderjährig, so bleiben dem Vater, bis rnr er­ langten Volljährigkeit, alle Rechte nnd Pflichten eines, einer verheiratheten Pflege­ befohlenen, bestellten Sormunbe8ee). (Tit. 18. Abschn. 8.) §. 230. Eine unverheirathete Tochter kann auch wenn sie, großjährig, ist, nicht anders, als durch ausdrückliche Erklärung ***), der väterlichen Gewalt entlasten werden 80). Itaföun1” 8- 231. Nach aufgehobener väterlicher Gewalt ist der Vater schuldig, dem Xä' Kinde das bisher unter seiner Verwaltung gestandene eigenthümliche Vermögen ei«»«»«, desselben, nach den im folgenden Abschnitte vorgeschriebenen Bestimmungen, heraus, zugeben 81). 2) «nistet. §. 232. Söhne, welche eine abgesonderte Wirthschaft anfangen, wüsten zu deren erster Einrichtung, und zur Anschaffung der Geräthschasten, welche zum Be­ triebe ihres Gewerbes unentbehrlich sind, mit einer Ausstattung versehen werden.

29) Die obervormundschaftliche Beaufsichtigung des Vormundschaftsgerichts bleibt jedoch ausgeschloffen; die Bezugnahme auf den Abschn. 8 LL 18 soll nur die Grenzen der Rechte des Vaters und des Ehemannes andeuten. R. v. 2. Aug. 1724, Jahrb. 24 S. 124. H. Hierbei ist es auch nach der VormOrdn. §. 95 verblieben, s. Neumann a. a. O. S. 13. „Diese Vorschrift macht — auch wenn der Ehemann der minorennen Tochter verstorben ist — die Einholung der Genehmigung des vormundschaftlichen Gerichts zu den, das Vermögen der Tochter betreffenden Rechtsgeschäften nicht weiter erforderlich, als solche bei Rindern unter väterlicher Gewalt gesetzlich nothwendig ist" Pr. 1977 des O.Tr. I v. 12. Febr. 1848, Entsch. 15 S. 511; Rechtsf. 3 S. 318. Zu vergl. das R. des J.M. v. 10. Juli 1843, J.M.Bl. S. 181. Daraus folgt, daß der Vertrag, durch welchen in Gütergemeinschaft lebende Eheleute, und zwar die minderjährige Eheftau unter Genehmigung ihres Vaters, ein zur Gütergemeinschaft ge­ höriges Grundstück verkaufen, zu seiner Gültigkeit der vormundschaftlichen Genehmigung bedarf, gemäß des §. 171 d. T. Erk. des O.Tr. III v. 27. Okt. 1862, Str. Arch. 47 S. 112, H. und daß bei getrennten Gütern ebenfalls zu einem von einer solchen Ehefrau mit einem Dritten über ein ihr gehöriges Grundstück geschlossenen Kaufverträge außer dem Beitritt ihres Ehemannes und ihres Vaters eine derartige Genehmigung erforderlich ist, Erk. deff. Sen. v. 15. Juli 1872, Entsch. 67 S. 298. Die nach §. 229 dem Vater über die verheirathete minderjährige Tochter zustehenden, ihre Handlungsfähigkeit beschränkenden vormundschaftlichen Rechte hören auf, wenn das Domizil der verheiratheten Tochter diese Rechte nicht kennt. Einl. §. 23. Erk. des O-Tr. V v. 4. Jan. 1856, Str. Arch. 58 S. 53. 29 a) H. Diese ist aber an keine bestimmte Form gebunden. R.G. I H. v. 6. Mai 1881, Annal. 3 S. 634. 30) Die bloße Großjährigkeitserklärung einer unverheiratheten Tochter hebt die väterliche Gewalt nicht auf. — Daher kann die bloß für großjährig erklärte Tochter über ihr nichtfteies Vermögen ohne väterliche Einwilligung nicht verfügen. S. Anm. 14 zu Anh. §. 91 zu ß. 216 d. T. H. Ob überhaupt die Großjährigkeitserklärung einer minderjährigen, in väterlicher Gewaltbefindlichen Tochter statthaft ist, rote das O.Tr. (s. die citirte Anm.) voraussetzt, erscheint sehr fraglich, dagegen PHiller bei Gruchot 13 S. 441. Jetzt kann aber daran nach §§. 95, 61 der Vorm Ordn. kein Zweifel sein. H. Jedenfalls hat die Entlassung einer minderjährigen Tochter aus der väterlichen Ge­ walt keine Rechtswirkung, R.G. I H. v. 6. Mai 1881, Gruchot 26 S. 433, ebenso Dernburg 3 S. 145. Eben so wemg kommt aber die großjährige Tochter durch Anlegung eines eigenen Haushaltes aus der väterlichen Gewalt, so auch Förster 3 S. 623; Dernburg 3 S. 145; Stölzel, d. Recht der väterlichen Gewalt, Berlin 1874 S. 19. 31) Dies setzt ein bereits abgeschichtetes Vermögen voraus und kann nicht geradezu auf Theilung des gütergemeinschaftlichen Vermögens bezogen werden. Dergl. Vorschriften finden sich im II. 18 §§. 411-413. Erk. des O.Tr. v. 6. Aug. 1816, Entsch. 13 S. 413. Die Zahlungszeit und folglich die Verbindlichkeit des Vaters zur Verzinsung des nach auf­ gehobener väterlicher Gewalt den Kindern herauszugebenden, dem väterlichen Verwaltungs- und Rießbrauchsrechte unterworfen gewesenen, in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Ver­ mögens tritt erst mit dem Ablaufe des Quartals ein, in welchem die väterliche Gewalt ihr Ende erreicht. Erk. des O Tr. I v. 13. Febr. 1863, Entsch. 49 S- 218 und Str. Arch. 49 H. 86.

Bon Aufhebung der väterlichen Gewalt.

363

§. 233. Auch den heirathenden Töchtern gebührt dergleichen Ausstattung, so weit dieselbe zur Hochzeit, und zur ersten Einrichtung des Hauswesens erforderlich ist •*). §. 234. Haben die Kinder eigenes Vermögen, so können die Kosten der Aus­ stattung aus der Substanz desselben genommen werben °).

32. Gegen die schon im gedruckten Entwürfe eingeführte Ausstattungsverbindlichkeit waren Einwendungen erhoben worden, in Beziehung auf welche Suarez in der rev. mon. sagte: „Anlangend hingegen den zweiten Satz der neuen Verordnung: daß der Vater den Bindern eine Ausstattung in subsidium aus seinem eigenen Vermögen zu geben schuldig sei, so halte ich solchen für ebenso billig, als zuttäglich. Wenn das Etablissement des Sohnes oder die Lerheirathung der Tochter volente patre geschieht, so wird ohnehin kein Streit entstehen. Dieser ist nur alsdann denkbar, wenn beides wider des Vaters Willen erfolgt. Nun kann weder eins noch das andere stattfinden, wenn nicht a) der Sohn großjährig ist, und b) der Vater keinen vernünftigen Grund hat, dem Etabliffement oder der Heirath zu widersprechen, und in beiden Fällen ist es doch gewiß nicht unbillig, vielmehr dem Interesse des Staats zur Beförderung der Ehen und des gewerbsamen Fleißes vollkommen gemäß, daß die Gesetze den eigennützigen und kapriziösen Vater zwingen, dasjenige zu thun, was in der That schon in seiner allgemeinen Verbindlichkeit, daß Beste seiner Kinder zu befördern, gegründet ist. Biele neuere Raturrechts­ lehrer, z. B. Schlettwein, eignen sogar den Kindern eine speciem condominii an dem Ver­ mögen der Aeltern zu. Auch de jure romano ist der Vater perfecte obligirt, die Töchter in subsidium ex propriis zu dotiren. Daß die Kinder in ihrer Forderung nicht zu weit gehen und den Vater chikaniren können, dafür ist durch die speziellen Verordnungen gesorgt." (GesRev. Pens. 15 S. 112.) — Bei der Schlußrevifion trägt derselbe zur Rechtfertigung dieser Be­ stimmungen Folgendes vor: „Nach R. R. war ein Vater perfecte verbunden, eine Tochter, die kein eigenes Vermögen hatte, zu dottren. (L. 19 D. de ntu nupt.) Diese Vorschrift soll zwar nach der Meinung einiger Rechtslehrer bei uns in deeuetudinem gekommen sein, und die Eintheilung der Dotis in necessariam et voluntariam nicht ferner stattfinden (Hells, Introd. in Jus Dig. §. 1231). Aber nicht zu gedenken, daß die Dd. darüber bei weitem noch nicht einig sind (Cocceji in Jure Controv. Lib. 23 Tit. 3 qu. 2), so ist die Lehre des R. R. so sehr der Billigkeit und der natürlichen Pflicht einös Vaters gemäß, daß sie m alle Wege bei­ behalten oder wieder hergestellt zu werden verdient. Ebenso sehr in der Natur der väterlichen Pflichten und in der Analogie obiger Gesetze ist eS aber auch gegründet, daß ein Vater seinem Sohne, der entweder mit seiner Bewilligung, oder unter ausdrücklichem Beifall der Gesetze eine eigene Wirthschaft anstellt, das Nöthige zu seiner ersten Einrichtung suppeditiren müffe. UebrigenS ist durch die speziellen Dispositiones, besonders §§. 240 , 241, dafür gesorgt, daß die Kinder

von diesem Gesetze keinen Mißbrauch machen, den Vater chikaniren, oder ihn durch übertriebene Anmuthungen in Verlegenheit setzen können." Jahrb. 41 S. 138—139. Was unter dem Titel der Ausstattung in Rechnung kommen dürfe, ist in einem Falle in Frage gekommen. Das O.Tr. I hat entschieden: Auch baar gezahlte Summen und Gegenstände, die nach der Hochzeit gegeben worden sind, können als Ausstattung gelten und zum Zweck der­ selben gewährt werden; und eben so können auch Reisen zum Zwecke der Anschaffung der Aus­ stattung unternommen sein, und es werden dann unzweifelhaft auch die zu solchen Reisen ver­ wendeten Bettäge den Ausstattungskosten beizuzählen sein. — Der Umfang der Ausstattung einer heirathenden Tochter richtet sich nicht allein nach ihren zeitherigen Lebensbedürfniffen und der Vermögenslage der Aeltern, sondern wesentlich auch nach den Verhältnissen, in welche sie durch ihre Verheiratung tritt. Erk. v. 16. Okt. 1868, Str. Arch. 72 S. 283, 286. 33) Ob dies ohne vorherige ausdrückliche Erklärung des Ausstattenden geschehen könne, ist im widersprechenden Sinne verschieden beantwortet worden. Ein R. v. 24. Dez. 1798 meint, es sei anzunehmen, daß der Vater, wenn er sich nicht anders äußert, vermuthlich aus seinem Vermögen die Ausstattungskosten hergeben wolle. (Rabe 5 S. 261.) Das O.Tr. I hat als Rechtsgrundsatz angenommen: „Der Vater eines ausgestatteten Kindes, welches eigenes Vermögen hat, kann, bei der hinterher erfolgenden Ausantwortung des letzteren, dem Kinde die AuSpattungskosten auch dann noch in Anrechnung bringen, wenn er vor, oder bei Bewirkung der Ausstattung nicht erklärt hat, dieselben aus der Substanz des Vermögens deS Kindes nehmen zu wollen." Pr. 2217 v. 7. Juni 1850, Entsch. 20 S. 284. H. Dagegen Förster-EeciuS 4 S. 172 Note 32; ein Appellattonsurtheil bei Gruchot 3 S. 249; Dernburg 3 S. 139 und auch RG. V v. 6. Dez. 1879, Gruchot 24 S. 1029, und mit Recht, denn §. 234 giebt den Aeltern nur eine Befugniß, aber sie müffen von dieser Gebrauch machen. Das O.Tr. will aber den von ihm angenommenen Grundsatz nicht auf die Mutter, die subsidiarisch in die Stelle des Vaters treten soll (§. 236), angewendet wiffen, „auch dann nicht, wenn der Mutter das eigene Vermögen der Tochter, z. B. als abgeschichtetes Vatererbe, gegen Sicherstellung überlassen worden ist." Pr. deff. Sen. 2396 v. 10. Sept. 1852, Entsch. 24 S. 188,

364

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 235-247.

§. 235. So weit sie kein eigenes, oder kein hinreichendes Vermögen haben, ist der Vater aus dem Seinigen für diese Ausstattung zu soraen verpflichtet. 8. 236. Ist der Vater nicht mehr am Leben; oder selbst unvermögend: so muß die Mutter34), in Ansehung dieser Pflicht, an seine Stelle treten. §. 237. Der Regel nach hängt es lediglich von dem Ermesien der Aeltern ab, wie viel sie zu vorgedachter Ausstattung der Kinder aus ihrem Vermögen her­ geben wollen33). §. 238. Sollten jedoch Aeltern sich dieser ihrer Pflicht dergestalt entziehen Str. Urch. 6 S. 297; (H. wiederholt in Erk. IV v. 13. März 1877 mit dem Hinzufügen, daß das Recht noch viel weniger dem Stiefvater des ausgestatteten Kindes zukomme, Str. Arch. 97 S. 177). Diese Unterscheidung hat keinen Grund. Dieser Grund wird nämlich gesucht in der gänzlichen Verschiedenheit des rechtlichen Verhältnisses einer Mutter von dem Rechtsverhältniffe des ausstattenden Vaters. Denn das Vermögen der Kinder stehe nach dem Tode des BaterS unter vormundschaftlicher Verwaltung; der Mutter stehe an demselben an und für sich kein Recht zu, namentlich kein ususfructue leg-alig. Mit den Grundsätzen über die vormundschaftliche Ver­ waltung des Vermögens der Pflegebefohlenen erscheine es unvereinbar, zum Zwecke der Aus­ stattung der bevormundeten Tochter, der Mutter eine völlig unbeschräntte Disposition über das eigene Vermögen der Tochter einzuräumen (das ist etwas Anderes; eine solche hat auch der Vater nicht), möge immerhin daffelbe gegen Sicherstellung in die Hände der Mutter gekommen sein. Und dennoch wäre das der Fall, wenn man, ungeachtet die Mutter die Regulirung der Ausstattungsangelegenheit an das Bormundschaftsgericht zu bringen versäumt habe, ihr den Ab­ zug der Ausstattungskosten von ihrer Schuld gestatten wollte. Der Vormund und das VormundschastSgericht hätten über den Bettag der Ausstattung eine entscheidende Stimme. Darum müffe die Mutter, wenn sie sich bei der dereinstigen Ausantwortung des eigenen Vermögens der Tochter die Anrechnung der Ausstattungskosten sichern wolle, die Regulirung dieser Ausstattungs­ angelegenbeit vor das Vormundschastsgericht bringen, also diesem gegenüber erklären, die Ausstatttmg solle aus dem Vermögen der Tochter geschehen. — In dieser Ausführung ist keine juristische Schlüssigkeit findbar. Aus der Verschiedenheit der Rechtsverhältniffe des Vaters und der Mutter (zu wem? zum Kinde oder zu dessen Vermögen?) folgt nicht im allermindesten, daß zwar der Vater, nicht aber die Mutter unter gleichen Umständen aus dem dem Kinde schuldigen Kapitale ausstatten dürfe; die Ausstattungsverbindlichkeit ist nicht etwa ein Korrelat des väter­ lichen Verwaltungs- und Nießbrauchsrechts. Der Satz: daß nicht die Mutter den Bettag oder den Umfang bestimmen könne, dieses vielmehr dem Vormunde und dem Vormundschaftsgerichte zustehe, führt logisch gar nicht zur Absprechung des Rechts zum Abzüge von der Schuld, seinem Grunde nach, sondern nur zur Minderung der Summe, wenn „die Ausstattung dem Stande, den Bedürfnissen und den Vermögensverhältniffen der Kurandin nicht entspricht und über diese hinaus dadurch ihr ganzes Vermögen absorbirt." Dadurch ist das rechte Maß gegeben, nicht aber das Recht selbst ganz genommen Die Gründe, auf welchen das Abrechnungsrecht des Vaters nach der eigenen ganz juristisch gehaltenen Ausführung beruht, nämlich daß Schenkung nicht vermuthet werde, wo entgegenstehende Umstände eintreten; daß solche Umstände gerade da eintreten, wo Jemand seinem Gläubiger etwas gegeben hat (Entsch. 20 S. 288), passen aanz genau auch auf die Mutter. — Diese Gründe sind in der jetzt vorliegenden nicht juristischen Ausführung nicht im allergeringsten widerlegt oder auch nur angezweifelt, und sie haben — ab­ gesehen von dem Betrage der fraglichen Kosten — nicht ein Gran weniger Gewicht und Wahrheit bei der schuldnerischen Mutter als bei dem schuldnerischen Vater. H. Gegen diese von Koch bekämpfte verschiedene juristische Behandlung des Vaters und der Mutter auch Förster, pr. Pr.R. 3 S. 627 u. Dernburg a. a. O. Der §. 234 setzt voraus, daß die Kinder bereits zur Zeit ihrer Ausstattung eigenes Ver­ mögen besitzen; die bloße Aussicht auf die künftige Erlangung eigenen Vermögens kommt nicht in Betracht. Erk. des O.Tr. I v. 14. April 1856, Str. Arch. 21 S. 74. Das eigene Vermögen, z. B. eine Erbschaft oder ein Legat, muß bereits angefallen, wenn auch noch nicht ausgeant­ wortet sein. — Der Anspruch des Ausgestatteten auf einen Theil des höheren Kaufpreises, welchen der Ausstattende bei einem künftigen Verkaufe des aus der Theilungsmasse angenom­ menen Grundstücks etwa erlangen möchte, wird nicht als ein solches Vermögen angesehen. Erk. deff. Sen. v. 7. Oki. 1864, Str. Arch. 54 S. 298 u. Entsch. 52 S. 178. Der §. 234 ist für das vom Vater einer n i ch t heirathenden Tochter zur Einrichtung einer Wirtschaft Gegebene nicht maßgebend. Erk. des O.Tr. III v. 26. Juni 1863, Entsch. 50 S. 330. 34) M. s. Anm. 33 Abs. 2. 35) Der Regel nach kann der Vater auch darin nicht eingeschränkt werden, was er zur Ausstattung eines Kindes für erforderlich erachtet und wie weit er dazu das seiner Verwaltung

Bon Aufhebung bet väterlichen Gewalt.

365

wollen, daß sie ihren Kindern gar keine, oder nur eine ganz unzureichende Aus­ stattung bewilligten: so steht den Kindern frei, den Beistand des vormundschaftlichen Gerichts nachzmuchen8e). §. 239. Dieses muß mit Zuziehung zweier der nächsten Verwandten, oder »weier Standes- oder Zunstgenossen des Vaters, billig ermessen: wie viel zur Aus­ stattung des Kindes nach den §. 232. 233. angegebenen Bestimmungen erforderlich sei; und sodann den Vater zur Bewilligung dieser Nothdurft zu vermögen, sich angelegen sein lassen. §. 240. Es muß aber darüber kein Prozeß zugelassen, und am wenigsten der Vater zur Offenlegung seines Vermögenszustandes genöthigt werden. §. 241. Vielmehr, wenn die Aeltern auf Pflicht und Gewissen versichern, daß sie nach ihren Ulnständen, ohne wirklichen Nachtheil für silb und ihre übrigen Kinder, dem Auszustattenden so viel, als das vormundschaftliche Gericht billig gefunden hat, nicht aussetzen können: so müssen dieses Gericht sowohl, als das anszustattende Kind, bei einer solchen Versicherunsi sich beruhigenS7). §. 242. Klnder, die schon einmal ausgestattet sind, haben, unter keinerlei Umständen, das Recht, eine nochmalige Ausstattung zu verlangen. §. 243. Außer der vorbestimmten Ausstattung sind Kinder, vermöge der Ge­ setze, niemals befugt, eine Mitgabe oder Brautschatz von den Aeltern zu fordern. §. 244. Auch wenn die Aeltern eine Mitgabe, ohne weitere Bestimmung einer gewisien Summe oder Sache, versprochen haben, find sie nur zu dieser Ausstattung (§. 232. 233.) verpflichtet. §. 246. Haben sie aber den Kindern einen Brautschatz oder Mitgabe, über die Ausstattung, aus eigener Bewegung wirklich zukommen lasten; so wird tm zweifelhaften Falle vermuthet, daß dieselben aus dem eigenthümlichen Vermögen der Kinder, so weit dasselbe dazu hingereicht hat, genommen worden 88). §. 246. Haben die Kinder kein eigenthümliches Vermögen, so gilt die Ver­ muthung, daß der Brautschatz oder die Mitgabe aus dem Vermögen des Vaters gegeben sei88). §. 247. Ist der Vater nicht mehr am Leben, so wird der Brautschatz oder und Disposition unterworfene Vermögen des Kindes verwenden will oder zu verwenden für nothwendig erachtet. Erk. des O.Tr. I v. 16. Okt. 1868, Str. Arch. 72 S. 286. 86) In der Ausg. von 1832 steht statt „nachzusuchen" der Druckfehler nachsuchen. 87) Das Ende ist also, bei aller Strenge des Anlaufs (Anm. 32), doch die alte Rechtsparömie: wer nicht will, stattet nicht aus. Nur ist di« beliebte Form des Ausgangs um so viel geringer wie die Simulation im Vergleich zur Wahrheit. Die Aeltern, welch« nickt wollen, werden durch die Eindrängung einer fremden Macht zwischen sie und ihr Kind zu oer „Ver­ sicherung" genöthigt, daß sie nicht können. Zum Glück ist diese Partie des Landrechts un­ praktisch. 88) H. Haben die Aeltern sich durch Vertrag verpflichtet, dem heirathenden Kinde eine Mitgift zu geben, so schließt dies die Vermuthung des ß. 245 und die Berechtigung der Aeltern nicht aus, das etwaige eigenthümliche Vermögen des Kindes auf die versprochen« Mtgist anzu­ rechnen. Erk. des D-5Ct. III v. 26. Juni 1872, Str. Arch. 86 S. 290. H. Die Vermuthung der §§. 245 u. 292 d. T. greift nicht nur Platz bei der AuSetnandersetzung deS ausgestatteten Kmdes mit seinen Aeltern oder deren Erben, eS können fick vielmehr auch dritte Personen, z. B. Pfandbesitzer, auf dieselbe berufen. Die Vermuthung ist aber dadurch bedingt, daß die Aeltern, bez. der Vater die Ausstattung aus ihrem eigenen Set» mögen beschafft haben, Erk. des O.Tr. III v. 8. Juni 1876, Entsch. 77 S. 186. 89) Die hier gegründeten Vermuthungen finden ihre Bedeutung bei der Kollation. Bei jeder Erbtheilung ist immer nur dasjenige zu konferiren, waS der KollattonSverpflichtete aus dem Vermögen desjenigen Erblaffers, dessen Berlaffenschast man eben theflt, erhalten hat. H. Die kollationSpflichtigen Zuwendungen, Ausstattung und Mitgabe, welche Kinder von ihren in Gütergemeinschaft lebenden Aeltern erhalten habe«, sind ebenso, wie der Brautschatz, al» aus dem gütergemeinschastlichen Vermögen der letzteren hergegeben anzusehen, ®tf- des O.Tr. I v. 1. Febr. 1876, Entsch. 74 S. 60.

366

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 248—965.

die Mitgabe aus dem Vermögen der Mutter, ohne Beitrag des Stiefvaters, ge> nommen zu sein geachtet, wenngleich Letzterer ausdrücklich darein gewilligt hätte. §. 248. Nur bei der Gemeinschaft aller Güter wird jederzeit vermuthet, daß der den Kindern gegebene, und nicht aus ihrem eigenthümlichen Vermögen geflossene, Brautschatz aus dem gemeinschaftlichen Vermögen genommen wordm. Rechte der 8- 249. Auch nach aufgehobener väterlicher Gewalt sind die Kinder den Aeltern kindliche Ehrerbietung schuldig"). Urwelt, §. 250. Die Pflicht, ihre Einwilligung zu einer Heirath nachzusuchen, wird durch Endigung der väterlichen Gewalt nicht aufgehoben. (Tit. 1. §. 46. 997. (1009.) sqq.) (nionteifeit 8- 251. Auch nach aufgehobener väterlicher Gewalt sind Kinder und Aeltern “‘iditittflr?’ einander wechselseitig zu unterstützen, und Eins das Andere, wenn es sich selbst nicht nnt«. ernähren kann, mit Unterhalt zu versehen schuldig41). fiutnng. § 252. Ist das Unvermögen, sich selbst zu ernähren, durch Krankheit, Unglücks­ fälle, oder sonst unverschuldet entstanden: so sind die Kinder den Aeltern, und diese jenen, anständigen Unterhalt nach ihrem Vermögen zu reichen verbunden. §. 253. Ist aber der hülfsbedürstige Theil durch eigene Schuld verarmt; oder hat er sich gegen den anderen so betrogen, daß dieser ihn zu enterben berechtigt sein würde: so muß er mit dem bloß notdürftigen42) Unterhalte sich begnügen. §. 254. Kinder, die nach aufgehobener väterlicher Gewalt von den Aeltern noch ernährt werden müssen, sind alsdann auch verbunden, den Aeltern in deren Wirthschaft und Gewerbe nach ihren Kräften behülflich zu sein 48. velondere §. 255. Außer den §. 210—230. bestimmten gewöhnlichen Fällen hört die »8teri«we»«'väterllche Gewalt von selbst auf, wenn der Vater wegen grober Verbrechen zu harter walt aufhört. und schmählicher Zuchthaus« oder Festungsarbeit,

zu

zehnjährigem oder lebens«

wierigem Gefängnisse---------- verurtheilt worden44). 40) Ist keine civilrechtliche Obligation und gehört deshalb nicht in das Civilgesetzbuch. 41) Zus. 1 zu %. 63, Anm. 4 zu 8- 63 d. T. u. Anm. zu II. 3 H. 14. Schwregerältern sind zur Alimentation der Schwiegertochter gesetzlich nicht verpflichtet. Erk. des O.Tr. I v. 16. Jan. 1855, Str. Arch. 14 S. 352; Entsch. 29 S. 370. — Auch Stiefältern faben die Alimentationsverbindlichkeit nicht gegen ihre Stiefkinder, weil Schwägerschaft eine olche nicht begründet. Das O.Tr. I hat als Rechtsgrundsatz durch das Pr. 2723 v. 10. Jan. 1862, Entsch. 47 S. 373 feftgestellt: a) Den dazu berechtigten Verwandten einer Ehefrau muß, unter den gesetz­ lichen Voraussetzungen, Unterhalt aus deren Vermögen auch in dem Falle gewährt werden, wenn ihre Hülfsbedürftigkeit erst während der Ehe der Verpflichteten eintritt, b) Es macht keinen Unterschied, ob das Vermögen bei obwaltender Gütergemeinschaft in gemeinschaftlichem, oder bei einer Dotalehe in Eingebrachtem besteht. — Das soll heißen: der Schwiegersohn ist der Verpflichtete, und muß aus dem gütergemeinschaftlichen Vermögen, beziehungsweise aus seinem ehemännlichen Nießbrauchs bezahlen. Eben so Erk. defs. Sen. v. 31. Jan. 1862, Str. Arch. 45 S. 50. Dieser Rechtssatz ist als ein echter nicht anzuerkennen. Seine alleinige Grundlage ist die petitio principii: a) daß die Alimentationsobligation angeboren sei, während doch nur das Berwandtschastsverhältrnß, aus welchem künftig einmal eine solche Obligation möglicherweise entspringen kann, durch die Geburt entsteht; das Kind bringt eine solche perfekte Verbindlichkeit nicht mit auf die Welt; b) daß die fragliche Schuld auf dem Vermögen, welches die Frau dem Manne einbringt, hafte, d. h. eine obligatio rei sei, was auch nur von einer universitas Juris, und zwar bei Uebertragungen unter Lebenden auch nicht unbedingt gilt, keineswegs aber von einer universitas facti gilt. Das Eingebrachte einer Ehefrau ist, wenigstens in der Regel, eine bloße universitas facti; ob sie eine universitas Juris eingebracht habe, ist eine Thatftage; bei der Gütergemeinschaft wird diese die Regel sein. 42) Diesen müssen Verwandte in auf- und absteigender Linie auch verbrecherischen Verwandten im Untersuchungs- und Strafarreste reichen. R. v. 2. Mai 1803, Rabe 7 S. 452. Seitenverwandte haben diese Verbindlichkeit nicht. K.O. v. 20. Okt. 1822 (G.S. S. 216). Zu vgl. Krim.Ordn. §. 604. 43) Anm. 38 zu 121 d. T. 44) Die im Texte noch genannte Strafe der Landesverweisung ist schon nach dem preuß. Str.G.B. von 1851 fortgefallen, (H. eine längere als fünfjährige Gefängnißstrafe aber nach dem

Von Aufhebung der väterlichen

Gewalt.

367

§. 256. Ferner alsdann, wenn er gerichtlich für einen Verschwender erklärt wird4S * *). 46 * * 47 *** §. 257. Auch alsdann, wenn er ohne Vorwisfen des Staats in der Absicht, sich seinen Unterthanspflichten zu entziehen, aus den Königlichen Landen entweicht. §. 258. Endlich, wenn er vorsätzlicher Weise die Kinder hülflos und ohne Aufsicht verlassen hat48). §. 259. In allen diesen Fällen erlangt er die väterliche Gewalt nicht wieder, auch wenn der Grund ihres Verlustes in der Folge gehoben toorben47). * §. 260. Dagegen ruht die väterliche Gewalt, wenn der Vater nur zu bürger­ lichem oder Festungs-Gefängnisse, auf länger als zwei, aber weniger als zehn Jahre, verurtheilt worden48). §. 261. Jngleichen alsdann, wenn der Vater in Raserei oder Blödsinn ver­ fallen ist48). §. 262. Nach ausgestandener Strafe, erhaltener Begnadigung88), oder er­ folgter Wiederherstellung, tritt der Vater wiederum in alle seine Rechte. §. 263. Sind die Kinder zur Zeit der solchergestalt aufgehobenen oder außer Wirkung gesetzten väterlichen Gewalt noch minderjährig, so muß ihnen ein Vormund bestellt werden.

§. 264. Der Nießbrauch ihres Vermögens wird, so weit er zu ihrer Ver­ pflegung und Erziehung, oder zur Unterstützung des Vaters nicht erforderlich ist, der Substanz zugeschlagen. §. 265. Waren die Kinder zu der Zeit, als die väterliche Gewalt außer Wir­ kung gesetzt wurde, bereits großjährig51); oder sind sie es in der Zwischenzeit ge­ worden: so fallen sie nicht mehr unter dieselbe zurück.

R. Str.G.B., s. 16, nur im Falle des §. 74 bis zur Höhe von 10 Jahren möglich). Die väterliche Gewalt entsteht nachher nicht mehr von selbst, nicht einmal durch Begnadigung, wenn diese erst erfolgt, nachdem bereits die Zuchthausstrafe zu bestehen anaefangen worden ist. Unter der Berurtheilung wird selbstverständlich eine rechtskräftige verstanden, was jedoch in Frage gekommen ist. Erk. des O.Tr. III v. 5. Dez. 1851, Str. Arch. 4 S. 145. H. Dergl. auch Johow, Jahrb. d. App.Ger. 2 S. 88. H. Der Verlust tritt auch in Betreff der später geborenen Kinder ein, Johow a. a. O. 6 S. 31. 46) Durch die Aufhebung seiner eigenen Bevormundung nach eingetretener Besserung wird nicht zugleich die Bevormundung seiner Kinder aufgehoben: diese Vormundschaft wird fort­ geführt. Vgl. §. 259. 46) Dieser Zustand muß durch eine Untersuchung des Bormundschaftsberichts und darauf gegründetes Dekret, worin die Nothwendigkeit einer Bevormundung der Kmder ausgesprochen wird, festgestellt werden.

47) H. So z. B. nicht, wenn der vom Vater früher hülflos verlassene Sohn sich später wieder zu demselben begiebt. Ist letzterer noch minderjährig, so wird die Vormundschaft nicht beseitigt, Johow a. a. O. 7 S. 93. 48) Anm. 44 zu §. 255 d. T. 49) H. Vgl. Dorm Ordn. §. 11. Die Einleitung der Vormundschaft setzt nicht voraus, daß der Vater im Entmündigungsverfahren für geisteskrank erklärt worden ist oder das Gericht, bei welchem das Entmündigungsverfahren schwebt, die Anordnung einer früheren Fürsorge für die Kinder für erforderlich erklärt, Johow, Jahrb. d. Kammerger. 2 S. 41; Dernburg 8 S. 146. 60) Nämlich in dem Falle des §. 260, nicht aber in dem des §. 255, H. vgl. auch Jo­ how, Jahrb. d. App.Ger. 7 S. 92.

61) Da in diesem Falle der Zustand, der die Beendigung der väterlichen Gewalt wirkt, nicht so wie im Falle der nothwendig gewordenen Bevormundung der Kinder festgestellt wird, und sonst die Aufhebung der väterlichen Gewalt hier nicht iy die äußere Erscheinung tritt: so muß daS großjährige Kind, wenn es eine Rechtshandlung vollziehen will, jedesmal besonders den Grund seiner Selbstständigkeit nachweisen.

368

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 266—272.

«nichrLn. §. 266. Eingeschränkt wird die väterliche Gewalt in Ansehung der Erziehung, E"s!Kl^wenn der Vater dieselbe vernachlässigt; die Kinder grausam mißhandelt; sie zum

BSsen verleitet - oder ihnen den nöthigen Unterhalt versagt"). (§. 90. 91.) §. 267. Ferner in Ansehung der Verwaltung des Vermögens der Kinder, wenn der Vater die besondere Sicherheit dafür, wozu er aus gesetzlichen Gründen verpflichtet ist, nicht bestellen kann oder will. (§. 179. sqq.) §. 268. Endlich tn Ansehung der Verwaltung und deS Nießbrauchs zugleich, wenn der Vater in Concurs verfällt"), oder sonst die Kinder standeSmäßig zu ernähren und zu erziehen unvermögend wird 66). (§. 204—209.) §. 269. In allen Fällen, da solchergestalt die Rechte der väterlichen Gewalt aufgehoben, außer Wirkung gesetzt, oder eingeschränkt worden (§. 255 — 268.), bleiben der Vater und sein Vermögen zur Erfüllung der damit verbundenen Pflichten dennoch verhaftet. §. 270. Durch den bürgerlichen66) oder natürlichen Tod des Vaters nehmen sowohl die Rechte, als Pflichten der väterlichen Gewalt ein Ende.

Fünfter Abschnitt. Vs« der Erbfolge') der Sinder «nd anderer Verwandte« in absteigender Linie. §. 271. Die Erbfolge in den Nachlaß verstorbener Aeltern wird entweder durch Verträge, oder, in deren Ermangelung, durch letztwillige Verordnungen, oder, wenn auch diese nicht vorhanden sind, durch Statuten oder Provinzialgesetze be­ stimmt. 52) H. Vgl. hierzu auch Zus. 4 zu §. 91 d. T. 53) Versagt, nicht schon dann, wenn der Vater zufällig verarmt und die Mittel nicht zu schaffen vermag. Dann kommt der §. 268 zur Anwendung. 54) H. S. Anm. 60 zu §. 206 d. T. 56) H. S. Anm. 58 Abs. 2 zu tz. 204 d. T. 66) Der bürgerliche Tod ist nur durch Ablegung des Klostergelübdes ausnahmsweise möglich (II. 11 §. 1199), außerdem findet er nicht statt Verf.Urkunde v. 31. Jan. 1850 Art. 10. 1) Das Erbrecht, d. h. der Inbegriff der Regeln, betreffend den Uebergang der herrenlos gewordenen Bermögensmaffe einer Person, als eines Ganzen (Inbegriff von Sachen und Rechten, universitatis Juris), ist nicht als ein organisches Ganze aufaefaßt, vielmehr zerstückt an ver­ schiedenen Stellen, aber doch nicht vollständig, vielmehr mit Uebergehung einzelner Stücke, zu welchen sich keine paffende Stelle finden wollte, im L.R. vorgetragen. (Anm. 1 zu Abschn. 8 Tit. 9 Ty. I.) Hier, im Tit. 2, wird gehandelt von zwei wesentlich verschiedenen Anfallsgründen, nämlich von der Berufung nach dem muthmaßlichen Willen des Erblaffers (successio ab intestato), und von der gegen den Willen des Erblassers (successio contra tabula» s. necessaria, PflichttheilSberechtigung). Das aufgenommene Prinzip ist das römische. Dieses nämlich erkennt ur­ sprünglich als alleiniges Gesetz des Ueberganges einer Bermögensmaffe von dem Verstorbenen auf eine andere Person nur den Willen des Erblassers an: es läßt also den Willen des Eigen-

tbümers noch nach deffen Tode gelten. Ist dieser Wille von dem Lebenden nicht ausgesprochen (Testament), so wird er nach bestimmten Regeln vermuthet (Jntestaterbfolge). Beide Berufungs­ arten sind gleichartig. Ganz das Gegentheil ist das deutsche Pnnzip: dieses erkennt den Willen deS Individuums mcht an, am wenigsten nach dem Tode; nur die allgemeine Rechtsregel gilt absolut und unabänderlich als Titel zur Erbschaft. Das neuere R. R. hat für gewisse einzelne Fälle als Ausnahme von der Regel einen verwandten Delationsgrund ausgenommen, kraft dessen gewiffe Personen, ebenfalls ganz unabhängig von dem Willen des Erblassers, zur Erbschaft berufen werden: dies ist die sog. hereditas necessaria oder successio contra tabula». Auch diesen exceptionellen Berufungsgrund finden wir im L.R. wieder. Zu vgl. die Anm. 2 zu I. 12 §. 1. Den vermuthlichen Willen des Erblassers, wenn nämlich der Verstorbene kein Testament gemacht, d. h. seinen letzten Willen nicht ausdrücklich und förmlich ausgesprochen hat, findet das R. R. nach bestimmten allgemeinen Rechtsregeln, deren allgemeine Grundlage die Blutsverwandtschaft (Kognation) ist. Rechtssatz ist: die Verwandten alle sind folgefähig, aber nicht alle zugleich find zur Erwerbung der Erbschaft berechtigt, vielmehr ist der nächste, und mehrere gleich nahe

369

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

§. 272. Sind in den Statuten oder Provinzialgesetzen keine oder nicht Hin­ reickende Verordnungen enthalten, so soll nach folgenden Vorschriften verfahren weroen2). find zusammen, dazu berufen. Das Näherrecht bestimmt sich nach einer gewissen Rangordnung. Man kennt drei Prinzipe, nach deren einem die Rangordnung möglicherweise geregelt werden kann. Das eine ist die sog. Gradualfolge, wobei bloß auf die Zahl der Zeugungen, die den Erben mit dem Erblasser verbinden, gesehen wird. Das andere ist die sog. Lineal- oder Parentelenfolge, die bloß auf den nächsten gemeinschaftlichen Stammvater des Erben und des Erblaffers sieht. Das dritte, die Lineal-Gradual folge, nimmt zuerst auf die nächste Linie und in dieser auf den nächsten Grad Rücksicht. Die landrechtliche Rangordnung beruht aber auf gar keinem Prinzip, sondern auf einem unbestimmbaren, von vielen Zufälligkeiten ab, hängenden und darum sich bei Jedem anders gestaltenden Gefühle.. Die Verf, des L.R.. waren keineswegs einig über die Rangordnung, aber sie stritten nicht über Prinzipien, fie stritten darüber: wen der Erblasser eigentlich am meisten geliebt haben müsse, namentlich: ob er seine Aeltern oder seine Geschwister mehr geliebt habe. In einer Anm. zum VI. Abschnitte des gedr. Entw. Th. I Abth. 1 S. 217 sagt Suarez darüber: „Das Röm. Recht läßt, bekanntermaßen, Geschwister und deren Kinder mit den Ascendenten zugleich zur Erbschaft zu, allein es verstößt dadurch gegen seinen eigenen Grundsatz. Unstreitig ist' das Band zwischen Aeltern und Kindern, nach der Natur und vermöge wechselseittger Verpflichtungen, enger, als das zwischen Geschwistern. Das Gesetz also, welches bei der Jntestaterbfolge nur den präsumtiven Willen des Erb­ lassers ergänzen soll, muß vermuthen, daß er seine Aeltern mehr als seine Geschwister geliebt habe. Hierauf gründet sich der Schooßfall des gemeinen Sachsenrechts. Rur alsdann, wenn von der einen Linie der Ascendenten Niemand mehr vorhanden ist, tritt eine andere Betrachtung ein. In einem solchen Falle hat z. E. die überlebende Mutter den verstorbenen Vater, und durch ihn, nach dem gewöhnlichen Laufe der Natur, auch seine Ascendenten mit be­ erbt. Da fie nun bei dieser Succession, nach den Verordnungen des ersten Titels, viel mehr begünstigt worden, als fie es nach bisherigem gemeinen Rechte war, so scheint es billig, die Kinder in einem solchen Falle zur Theilnehmung an der Succession ihrer Geschwister zuzulaffen." — Indessen wollten die meisten Monenten solche Gründe doch nicht gelten lassen, indem fie keineswegs zugaben, daß Descendenten ihre Ascendenten mehr liebten als ihre Geschwister. ES erfolgten die allerverschredensten Vorschläge, je nach dem Grunde der Liebe, welchen der Monent für diesen oder jenen Verwandten fühlte. Suarez aber erklärte diese Einwendungen in der rev. inon. alle für unbegründet, „weil die Liebe der Kinder gegen Aeltern viel mehr auf Natur und Pflicht gegründet sei, als der Geschwister unter einander. Bei den entfernteren Ascendenten falle dreier Grund zwar weg, für diese spreche aber, daß der Descendent am Ende durch Be­ erbung seiner leiblichen Aeltern ein von den Großältern herrührendes oder ihrer Erziehung oder Ausstattung zu verdankendes Vermögen überkommen habe. Aus der Famrlie könne das Ver­ mögen, da Brüder und Schwestern gleiche Erbrechte hätten, auf die eine wie die andere Weise gehen." Schließlich kam dann folgende Rangordnung durch Sttmmenmehrheit zu Stande: Zum Ersten: die Abkömmlinge ohne Rücksicht auf die Nähe des Grades; zum Zweiten: Vater und Mutter; zum Dritten: vollbürtige Geschwister und deren Abkömmlinge aus eigenem Rechte; zum Vierten: halbbürtige Geschwister und deren Abkömmlinge aus eigenem Rechte zugleich mit den entfernteren Ascendenten nach der Nähe des Grades; zum Fünften: alle übrigen Verwandten nach der Nähe des Grades. Zur Rechtfertigung derselben schrieb Suarez das in der Anm. 1 zu Absch. 6 mitgetheilte Promemoria. Eine prattisch wichtige Folge ist die nach dem Zeitpuntte, auf welchen bei der Ausfindung des Berufenen nach dieser Rangordnung gesehen werden soll. In dieftr Hinsicht ist der Grund­ satz des Röm. Rechts: daß es jedesmal auf die Zeit ankommt, wo die Erbschaft deferirt wird, also bei dem Vorhandensein eines testamenti destituti auf die Zeit, wo der Testamentserbe die Erbschaft auSschlägt (§§. 6, 1 J. de leg. agnat III, 2; L. 6, 7 D. unde cognati XXXVIII, 8; L. 2 §§. 5, 6; L. 1 §. 1 I). de suis XXXVIII, 16) und in Ermangelung eines Testa­ ments bei der Entsagung des Zuerstberufenen auf die Zeit derselben (L. 1 §. 11; L. 2 §. 22 D. ad 8.6. Trebell. XXXVIII, 17; L. 6 P. unde cognati XXXVIII, 8), — ohne bekannte Gründe — aufgegeben und an dessen Stelle der Grundsatz getreten: daß die Erbschaft mit dem Tode des Erblaffers allen Successionsberechtigten angefallen und ipso jure erworben ist, aber Jedem nur bedingt; dem Nächsten unter der Bedingung: wenn er will und kann; allen Nachstehenden unter der Bedingung: wenn der Vorstehende nicht will oder nicht kann. L 9 8§. 367—370, 406 und Anm. 61 zu §. 406 ebd. Darum wirkt die Annahme der Erb­ schaft m allen Fällen auf den Todestag deS Erblaffers zurück.

Koch, Allgemeine- Landrecht. IIL 8. Aufl.

24

370

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 273-300.

1) «Manko

§. 273. Bor allen Dingen werden Lehne, Fideikommisse und andere Vermögensstücke, in welche nach Gesetzen oder Familienverträgen eine eigene SucreffionSordnung statt findet, von dem Nachlasse abgesondert. (Tit. 1. §. 502—639.) §. 274. Ist ein überlebender Ehegatte vorhanden, so wird demselben sein eigenthümliches Vermögen nach den Vorschriften des ersten Titels verabfolgt. (Tit 1. §. 643. sqq.) ‘bcTtutto1 §• 276. Hat der verstorbene Vater eigenes Vermögen der Kinder zur Veriwmißflt waltung gehabt, so muß jedem Kinde das seinige auS dem Nachlasse, als eine STaJjE?, Schuld, herausgegeben werden.

§. 276. Bei der Absonderung deS eigenen Vermögens der Kinder von dem väterlichen Nachlasse finden überhaicht diejenigen Grundsätze statt, welche im ersten Titel auf den Fall vorgeschrieben sind, wenn die Frau nach dem Tode deS Mannes ihr Vermögen auS desien Nachlaß zurücknimmt. (Tit. 1. §. 643. sqq.) §. 277. DaS eigenthümliche freie Vermögen der Kinder wird dabei dem vor­

behaltenen Vermögen der Frau, und das nicht freie dem eingebrachten gleich geachtet. §. 278. In allen Fällen, wo durch jene Vorschriften der Frau die Wahl ge­ lassen ist, gebührt sie hier dem Kinde. §. 279. Hat der Vater Mobilien2 3)4 *und Effecten des Kindes in seiner Ge­ wahrsam gehabt, so muß das Kind dieselben vollständig zurückerhalten. §. 280. Sind sie in dem Zustande, wie sie der Vater übernommen hat, nicht mehr vorhanden, so muß dem Kinde der wahre Werth, nach dem Zeitpunkte der Uebernehmung, vergütet werden. §. 281. Doch ist der Vater für einen durch Zufall entstandenen Verlust oder Verminderung des Werths so wenig, wie ein anderer Verwahrer ^), zu hasten schuldig. §. 282. Ein mäßiger Gebrauch der Effecten des Kindes, so weit er ohne Ab­ nutzung derselben statt finden kann, ist dem Vater vergönnt. §. 283. Will er sich aber solcher Mobilien, die ohne Abnutzung nicht gebraucht werden können, zu seinem Gebrauche bedienen, so muß er dafür sorgen, daß sie gerichtlich abgeschätzt werden. §. 284. Alsdann hat das Kind, wenn ihm sein Vermögen verabfolgt werden ioll, die Wahl: ob es die Mobilien, so wie sie sind, annehmen, oder den taxirten Werth fordern wolle. §. 285. Hat der Vater keine Taxe aufnehmen kaffen, so müssen dergleichen von ihm gebrauchte Mobilien dem Kinde nach dem Werthe, welchen vollkommen brauchbare Sachen dieser Art zur Zeit der Uebernehmung gehabt haben, vergütet werden. §. 286. Doch darf von solchen Effekten, die zum alleinigen persönlichen Ge­ brauche deS Kindes verwendet worden, der Vater in keinem Falle, weder den Ver­ brauch, noch die Abnutzung vertreten. §. 287. Kosten, welche der Vater auf die Kinder verwendet hat, werden den­ selben auf die Substanz ihres eigenthümlichen Vermögens nicht angerechnet 6).

2) H. Zu beachten find jetzt auch noch die §§. 12 ff. d. Landgüterordnung für die Provinz Westfalen re. v. 30. April 1882, G S. S. 256 und die §§. 10 ff. d. Landgüterordnung für di« Provinz Brandenburg v. 10. Juli 1883, G.S. S. 111. 3) Eine Tautologie: denn Mobilien find unter Effekten begriffen. I. 2 §8. 13 und 18. 4) Die Vorschrift ist regelwidrig und deshalb als Ausnahme zu behandeln; denn der Sätet ist Nießbraucher. §. 168 d. T. Auch die folgenden §§. 282—286 paffen nicht zur all« gemeinen Regel über den Nießbrauch. (I. 21 §§. 174, 176.) Der väterliche Nießbrauch unter­ liegt mithin besonderen eigenthümlichen Bestimmungen.

Po» der Erbfolge in absteigender Linie.

371

§. 288. Selbst bei der eigenthümlichen") Ausstattung findet dergleichen An­ rechnung in der Regel nicht statt. §. 289. Wenn aber der Vater ausdrücklich erklärt hat, daß dergleichen Ver­ wendungen den Kindern aus ihr eigenthümliches Vermögen angerechnet werden sollen; so müssen diese sich die Anrechnung in so weit gefallen lassen, als die Ver­ wendungen den Nießbrauch, welchen der Vater von ihrem Vermögen gehabt hat, übersteigen. §. 290. Es wird aber alsdann eine deutliche, bestimmte, und gewisse, wenn­ gleich nur mündliche, Willenserklärung des Vaters erfordert ’). §. 291. Die bloße Anzeichnung der auf ein Kind verwendeten Kosten ist für eine solche Erklärung nicht zu achten. §. 292. Hat der Vater Kindern, die eigenes Vermögen besitzen, bei ihrer Verheirathung oder anderweitigen Niederlasiung, außer der eigentlichen Ausstattung, einen Brautschatz oder Mitgabe zugewendet; so gilt die rechtliche Vermuthung, daß es aus dem eigenthümlichen Vermögen der Kruder geschehen sei. (§. 245.) §. 293. Dergleichen besondere Mitgabe muß sich also das Kind auf sein Vermögen anrechnen lassen; in so fern nicht der Vater das Gegentheil deutlich und bestimmt erklärt hat. §. 294. Auch der Erbschatz, welcher für die durch den Tod eines der Aeltern getrennte Ehe bestellt worden, muß von dem Nachlasse des Verstorbenen abgesondert

He°* '

werden. §. 295. Das Eigenthum desselben fällt den Abkömmlingen aus dieser Ehe nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu. §. 296. Jeder derselben kann über seinen Antheil, als über sein stetes Eigen­ thum, jedoch mit Vorbehalt des dem letztlebenden Ehegatten zukommenden Nieß­ brauchs, verfügen. (Tit. 1. §. 288. sqq.) §. 297. Haben einige Kinder au- dem Erbschatze eine Ausstattung erhalten, so muß den anderen eben so viel, vor der Theilung, zum Voraus bezahlt werden. (Ebend. §. 299.) §. 298. Reicht noch der") vorhandene Theil des Erbschatzes nicht hin, um die unauSgestatteten Kinder den ausgestatteten gleich zn setzen, so muß daS Fehlende aus dem Vermögen oder Nachlasie des Ausstattenden als eine Schuld ergänzt werden. §. 299. Kann dieses, wegen Unzulänglichkeit des Vermögens oder Nachlasses, nicht geschehen, so müssen die ausgestatteten Kinder, nach Verhältniß deS Empfangenen, so viel zurückgeben, daß ihre Geschwister zur gleichen Theilnahme mit ihnen an dem Erbschatze gelangen können. §. 300. Wenn nun nach obigen Anweisungen (§. 273 bis 299.) von dem Nach-1) «ewt«e lasse des Verstorbenen dasjenige, was zu seiner Erbschaft nicht gehört, abgesondert ersten Gw-------------------bet 6) Weil die Verbindlichkeit des Vaters zur Erziehung und Erhaltung der Kinder eine hauptsächliche und unbedingte ist. 6) Statt eigenthümlichen ist „eigentlichen" zu lesen. R. v. 29. Dez. 1834, Jahrb. SO S. 476. 7) Die Vorschriften der 88- 288—290 beziehen sich nach d. Erk. des O.Tr. I v. 7. Juni 1850 auf den Fall, wenn die Frage über die Anrechnung erst nach dem Tode deS VaterS unter dessen Erben zur Sprache kommt, nicht aber auf das Verhältniß zwischen dem Vater und dem auSaestatteten Kinde, welches schon vorhin im §. 234 u. f. geregelt ist. Entsch. 20 S. 289. H. Erk. des O.Tr. III v. 26. Juni 1863, Entsch. 60 S. 334: Die §§. 287—291 bestä­ tigen, daß eine vom Vater bei seinen Lebzeiten getroffene Bestimmung, eine gewisse Verwendung für sein Kind solle aus dessen eigenem Vermögen gemacht gelten, verbindend ist. 8) Es muß gelesen werden: „reicht der noch". R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 60 S. 476.

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 301-301

worben: so gelangen in das Uebrige seine sämmtlichen au8 einer Ehe zur rechten Hand erzeugten Kinder zur Erbfolge. §. 301. In wie fern der überlebende Ehegatte mit den Kindem zugleich an der Erbschaft Theil nehme, ist im ersten Titel §. 623. 624 verordnet. §. 302. Müder beerben ihre Aeltern zu gleichen Theilen. »W* §. 303. Haben einige Kinder von dem Erblasser, bei dessen Lebenszeit, etwas aatäj&iei. juc Ausstattung erhalten, jo muß jedem der übrigen eben so viel aus der Erbschaft, bet”»«Set-001 deren Theilung, zum Voraus verabfolgt werden. timgoi rmd anberat Au------------------Wendungen.

g) Unter dieser Ueberschrift behandeln die §§. 303—347 die Kollation.

Die Benennung

-zeichnet schon die wesentliche Verschiedenheit der landrechtlichen Kollation von der Röm. Das R. R. fordert von dem Descendenten, welcher miterben will, eine wirkliche Einwerfung des Em­ pfangenen in die Masse, sei es in Natur, oder nach dem Werthe. Deshalb konnte nur auf die Zeit der Einwerfung, nicht des Empfanges, hinsichtlich des Werths gesehen werden. Andernach dem LR. Dieses will eine Ausgleichung. Der begabte Descendent soll nichts einwerfen; es sollen vielmehr die anderen Descendenten ihm erst gleichgestellt werden, bevor zur Theilung geschritten wird, d. h. jeder unbegabte Descendent soll vorweg ebenso viel aus der Erbschaft er. halten, wie der Begabte von dem Erblasser erhalten hat. Deshalb wird hinsichtlich deS Werthe­ auf die Zeit der Begabung gesehen. In einer Note zu §. 251 des gedr. Entw. Th. I Abth. 1 S. 108 wird zur Rechtfertigung der Abweichungen vom R. R. gesagt: „Durch diese Vorschriften wird von der Theorie des Röm. R. abgegangen. Die Querela inofficiosae dotis et donationis streitet wider den eigentlichen Grundsatz eben dieses Rechts, quod viventis nulla eit .hereditaa, sie enthält eine so wenig in der Natur der Sache, als in dem Zwecke des gemeinen Besten wesentlich gegründete Einschränkung der Freiheit, über sein Eigenthum nach Gutbefinden zu diSponiren; sie ist unter dem Scheine der Billigkeit, gegen die nickt ausgestatteten Kinder, äußerst unbillig gegen diejenigen, die schon ausgestattet worden oder oie sich mit solchen verheirathet haben, da diese durch die unvorhergesehene Einwerfung der einmal erhaltenen und verwendeten Mitgabe ohne ihre Schuld in die äußerste Verlegenheit gerathen können. Sie ist endlich die Quelle der weitläufigsten und verderblichsten Prozesse, indem nach der Theorie des Röm. R. ausgemittelt sein muß, daß die Mitbabe rc. schon zur Zeit der Verheirathung) im Derhältniß gegen die damaligen Vermogensumstände der Aeltern, übermäßig gewesen und daß sie, tn der Absicht, die übrigen Kinder zu verkürzen, gegeben worden. Was in dieser Lehre der natürlichen Billigkeit gemäß ist: daß für die möglichste Gleichheit unter den Kindern, sobald die Aeltern weder unter Lebendigen, noch von Todeswegen ein Anderes disponirt haben, durch das Gesetz gesorgt werde; daß um der reichlicheren Versorgung eines Kindes willen die übrigen nicht hülflos gelassen werden, — ist in diesen §§. 242—245 und §. 247 beibehalten." — In den Schlußvorträgen aber rechtfertigt S u a r e z die neue Theorie ausführlicher. Er sagt: „Die Lehre von der Kollation ist sowohl nach dem Römischen Rechte, als nach der Praxis, eine der komplizirtesten. Es wird häufig gestritten, was konferirt werden müsse? wie der Werth des Conferendi zu berechnen sei? in wie fern dabei auf den väterlichen Anschlag Rücksicht zu nehmen oder der wahre Werth aliunde zu eruiren? ob es auf den Werth zur Zeit der geschehenen Aus­ stattung, oder auf den tempore mortis ankomme? rc. Kommt man in das Faktum, so häufen sich die Schwierigkeiten der Ausmittelung der Conferendorum; besonders wenn die Ausstattung oder sonstige Zuwendung schon vor einer langen Reihe von Jahren erfolgt ist. Dies hat viele nähere Bestimmungen nothwendig gemacht. Eigentliche Abweichungen von den bisherigen Ge­ setzen aber kann ich nur drei bemerken: 1) daß die ausgestatteten Kinder in keinem Falle etwas herausgeben dürfen, §. 312. 2) daß die Kollation geschehen muß, auch wenn das Conferendum nicht mehr vorhanden

ist, §. 306. 3) daß die Querela inofficiosae dotis sehr eingeschränkt worden. §§. 337, 338. Ad 1 ist die ganze Lehre von der Kollation eine Anomalie und Abweichung von dem eigenen Grundsätze des Juris Romani: viventis non datur hereditas. So wenig Kinder Schenkungen und Zuwendungen, die der Vater während seiner Lebenszeit, wo er liberrimam facultatem disponendi hatte, bn Fremde gemacht hat, den äußerst seltenen und schwer verklausulirten Fall der donationis inofficiosae ausgenommen, zur Crbschaftsmasse zurückziehen, oder dem Extraneo, selbst wenn er ihr Miterbe geworden ist, anrechnen können, ebenso wenig können sie stricto iure verlangen, daß ihre Geschwister die von dem Vater in vivis erhaltenen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen ad massam bringen sollen. Dazu würden sie höchstenalsdann ein Recht haben, wenn der Vater bei der Zuwendung ausdrücklich erklärt hätte, daß er dem Kinde das Geld oder die Sache nur aus Abschlag seines künftigen Erbtheiles gebe. In­ zwischen beruhet die Kollation an sich auf der Billigkeit und der dieser gemäß unter den Kindern

Bon der Erbfolge in absteigender Linie.

§. 304.

373

Unter Ausstattung wird hier Alles verstanden, was Kinder, bei ihrer

möglich zu beobachtenden Aequalität. Aber diese Billigkeit bleibt, wenn man die Sache genau erwägt, nur dabei stehen, daß ein Kind, welches von dem Vater schon bei seiner Lebenszeit so viel oder gar mehr erhalten hat, als der Erbtheil seiner Geschwister beträgt, diesen dadurch, daß es miterben will, nicht schmälern könne. Hier ist es offenbar billig, daß em solches schon reichlich versorgtes Kind den Rest des väterlichen Nachlasses seinen noch unversorgten Geschwistern über­ lasse. Aber die Billigkeit hört auf und verwandelt sich in eine große Unbilligkeit, wenn daS ausgestattete Kind von dem, was ihm der Vater in vivis gegeben hat, an seine Geschwister herausgeben soll, damit diese ebenso viel erhalten mögen. Dadurch kann die verheirathete Tochter mit ihrer ganzen Familie äußerst derangirt und dem Bettelstäbe nahe gebracht werden. Ein Kaufmann hat z. E. vor 20 Jahren, wo er ein Millionär war, seiner ältesten Tochter 60,000 Thaler mitgegeben. In der Folge ist er um sein Vermögen gekommen, und verläßt nun bei seinem Tode vier noch unversorgte Kinder. Soll nun die verheirathete Tochter diesen 60,000 Thaler herausgeben, ut servetur aequalitas, so kann sie und ihre Familie dadurch leicht ruinirt werden. Daher gestatten auch die Röm. Gesetze einem Kinde, sich der Kollatton durch Abstinirung von dem väterlichen Nachlaffe zu entziehen, und verordnen, quod abstinens ab hereditate collationi non sit obnoxius (1. 9 D. de dot. collat.). Da aber ein solches Kind nicht immer wiffen, noch intra spatium deliberandi erfahren kann, ob der Nachlaß so gering sei, daß seine Accepta mehr, als sein Erbtheil, betragen, so wird es ja wohl das Kürzeste und Natürlichste sein, sogleich das rrincipium zu etabliren, daß das ausgestattete Kind sich die Accepta zwar an­ rechnen lasten müsse, in keinem Falle aber etwas herausgeben dürfe. Ad 2 widerspricht der Satz des Juris Rom., nach welchem das, was tempore mortis patris nicht mehr vorhanden ist, nicht konferirt werden darf, den eigenen Principiis dieses Rechts. Nimmt man einmal an, daß ein Vater das, was er einem Kinde in vivis giebt, demselben auf Abschlag seines künftigen Erbtheils gebe, so kann es darauf, ob das Gegebene noch wirklich vor­ handen sei, oder nicht? weiter nicht ankommen. Denn ist es auch nur per casum verloren ge­ gangen, so muß diesen das Kind als Eigenthümer tragen. Es würde höchst unbillig sein, wenn tn dem ad 1 gegebenen Exempel die vor 20 Jahren ausgestattete Tochter, deren Mann ihre Mtgabe durchgebracht hat, nun noch das geringe Erbtheil ihrer Geschwister in dem übrigen väterlichen Nachlaffe, der vielleicht eben durch ihre so reichliche Ausstattung erschöpft worden, durch ihre Theilnehmung noch schmälern wollte. Das Prinzivium der Gleichheit unter den Kindem, welches doch bei der ganzen Lehre zum Grunde liegen soll, würde damit nicht bestehen können. Man würde auch wegen der Enkel in Verlegenheit sein. Diese müssen, wenn fie zur Succession des Großvaters gelangen, nach dem Jure Rom. und nach dem Gesetzbuchs ebenfalls konferiren. Wenn sie nun der Aeltern Erben nicht geworden sind, so würde nach der Vorschrift des Juris Rom. die Kollatton dessen, was die Aeltern von dem Großvater erhalten haben, nicht stattfinden. Und gleichwohl hat vielleicht ihr Vater die von dem Großvater erhaltene Ausstattung eben durch die Heirath mit ihrer Mutter, durch ihre Erziehung, durch ihr Etablissement zugesetzt. Die Dd. find überdem wegen der Anwendung des Röm. Rechts bei weitem nicht einig. Biele behaupten, daß Species in dotem data allerdings konferirt werden müsse, licet casu perierit; uno daß eine Tochter den erhaltenen Brautschatz zu konferiren schuldig sei, wenn auch derselbe von ihrem Manne durchgebracht worden. (Mueller, Prompt, sub voce Collatio n. 14, 72.). Da nun übrigens dem Vater erlaubt ist, die Kollation zu untersagen, so bleibt demselben noch immer dieser Weg, ein durch wirkliche Unglücksfälle um das Seinige gekommene Kind zu soulagiren, übrig. Auch wird durch die Theorie des Gesetzbuchs eine Menge von Prozeffen darüber: was von den Acceptis noch vorhanden sei, oder nicht? ob das Fehlende culpa vel casu verloren gegangen ? ob das Kind, welches konferiren soll, von dem Veräußerten noch locupletior sei? re. koupirt. Ad 3 ist die Theorie von dem dote inofficiosa eben die, welche de donatione inofficiosa in I. 11 §§. 1113—1116 schon vorgekommen, und auf diese gründet fich insonderhett auch die Borschrist des §. 338 h. t. Die ganze Lehre ist im Röm. Rechte sehr verwickelt, und giebt zu so vielen unglücklichen Prozeffen Anlaß, daß fie gewiß eher eingeschränkt, als ausgedehnt zu werden verdient." Jahrb. 41 S. 169. H. Die Bestimmungen der §§. 303—305 und 327—328 find in der Mark Brandenburg nicht für suspendirt zu erachten, O.Tr. I v. 24. Juni 1860, Str. Arch. 1 S. 68. H. Ob die Kollatton nach dem L R. eben so wie nach gemeinem Recht auch bei der testa­ mentarischen Erbfolge statt hat, ist bestritten. Dafür Ges.Rev.Pens. 15 S. 304; F. HinschiuS in d. jur. Wochenschr. 1836 S. 408; Bornemann 6 S. 184, 186; Dernburg 3 S. 676 Rote 16, und das O.Tr. I Erk. v. 11. Juni 1855, Str. Arch. 17 S. 270. Dagegen Witte, Jntestaterbrecht S. 232, Koch, Erbrecht S. 1010, 1019; Förster, pr. Pr.R. 4 S. 830. Diese letztere Meinung erscheint richttg. Denn wenn auch Suarez einer derartigen Abweichung vom gemeinen Recht nicht erwähnt, so ist doch andererseits die prinzipwidrige Ausdehnung der Kollation auf die testamentarische Erbfolge nirgends im L.R. ausgesprochen, jedenfalls nicht in dem hier

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Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 305—312.

Berheirathung, bei Errichtung einer besonderen Wirthschaft, bei Anstellung eines eige­ nen Gewerbes, oder bei Uebernehmung eines Amtes, von den Aeltern erhalten haben10 * *).11 ******* §. 305. Die Mitgabe der Töchter; ein für sie oder die Söhne aus dem Ver­ mögen der Aeltern bestellter Erbschatz; Ehevermächtniß; Gegenvermächtniß oder Witchum; die Kosten einer dem Kinde zu seiner Versorgung angekauften Präbende, oder andern Rente: die Brautgeschenke; und überhaupt Alles, was von den Aeltern zu dem Ende getzeben worden, damit das Kind in den Stand gesetzt werde, seine Heirath zu vollziehen, oder die abgesonderte Wirthschaft, das Gewerbe oder Amt anzutreten, gehören in diesem Verstände zur Ausstattung"). vielfach angezogenen §. 390 d. T. (s. Anm. dazu). Wer übrigens die Kollation bei der testa­ mentarischen Erbfolge gestattet, kann sie konsequenter Weise auch bei der vertragsmäßigen mcht ausschließen. H. Ferner herrscht hinsichtlich der Kollationspflicht unehelicher Kinder Meinunasverschiedenheit. Während es unzweifelhaft ist, daß eine solche für sie besteht, wenn sie ihre Mutter beerben (f. §§. 647 ff.), wird dasselbe auch von Einzelnen (s. Witte a. a. O. S. 232) in Bezug auf den Nachlaß des Vaters angenommen. Die überwiegende Meinung, s. Bornemann 5 S. 183; Gruchot, Erbrecht 3 S. 26; Förster a. a. O. S. 822; Dernburg 3 S. 674, verneint es, weil es an einer ausdrücklichen Vorschrift fehle und das beschränkte Erbrecht der unehelichen Kinder, als Aequivalent für die Verpflegungspflicht des Erzeugers, wegen mangelnder ratio legis nicht dem Erbrecht ehelicher Kinder gleichgestellt werden könne. 10) Mit der Vorschrift der §§. 303, 304 ist aber keineswegs bestimmt, daß unter allen Umständen und ganz unbedingt Alles konferirt werden muß, was Kinder bei den gedachten Ge­ legenheiten von ihren Aeltern erhalten haben Aus den §§. 303, 304 kann nur als gewöhnliche Regel hergeleitet werden, daß bei der Theilung des väterlichen Nachlasses die den Kindern früher gewährten Ausstattungen auf deren Erbtheil anzurechnen find ; dagegen ist ihnen der Beweis nicht abgeschnitten, daß die Ausstattung unter Umständen gegeben worden, welche die Kollattonspflicht ausschließen. Erk. des O.Tr. I v. 9. Nov. 1868, Str. Arch. 73 S. 43, 44.

11) Konferirt oder, nach der Theorie des L.R., angerechnet werden muß Alles, was der Erblasser dem Descedenten auf Abschlag der künftigen Erbschaft gegeben hat. Die Anwendung dieses Grundsatzes hat Schwierigkeit, wenn es an einer ausdrücklich erklärten Absicht des Gebers fehlt. Man ist dann aus Willensauslegung angewiesen, wobei nach Justinian'S Vorschrift

die Regel leiten soll, daß Alles, was auf den Pflichttheil angerechnet werden kann, eingeworfen werden muß. (L. 20 pr. C. de collat. VI, 20.) Aus den dahin gehörigen Fällen hat man als gemeinrechtlichen Grundsatz gefunden: daß alles das, was der Geber, veranlaßt das künftige Erbtheil vorauszugeben, in der Absicht, daß es als Kapital erhalten werde, gegeben hat, einzu­ werfen. Doch ist darüber Meinungsverschiedenheit. Keineswegs aber ist der Grundsatz: daß ein Descendent Alles zu konferiren verbunden, was er von dem zu beerbenden Ascendenten bei dessen Lebzeiten unentgeltlich als freie Gabe, ohne dessen Schuldner geworden zu sein, em­ pfangen hat, als ein in Deutschland gemeinrechtlicher zu betrachten. Pr. 2332 des O.Tr. I v. 8. Dez. 1861, Entsch. 22 S. 41. Die Verf. des L.R. haben diese ungewisse Bestimmung der zur Kollation geeigneten Gegenstände zu beseitigen beabsichttgt (Anm. 8), und die Zahl der letzteren vereinfacht. Das L.R. kennt nur drei Arten solcher Zuwendungen: a) diejenigen, deren Anrechnung der Ascendent letztwillig verordnet hat (§§. 386, 386); b) die Ausstattungen (§§. 303—305); c) gewisse Schenkungen §§. 327-329). Selbstverständlich gehören nicht Schulden des Descendenten an den Ascendenten zu den „Zu­ wendungen", welche konferirt werden müssen, d. h. im Sinne des L.R. auf das Erbtheil ange­ rechnet werden können und folgeweise nicht bezahlt zu werden brauchen, wenn der Schuldner nicht miterben will. Es ist aber doch darüber gestritten worden und das O.Tr. hat es für er­ heblich genug gehalten, den Satz zu veröffentlichen: „Das Kausgeld, welches ein Kind für ein vom Later äckauftes Grundstück diesem schuldig geblieben ist, bildet nach des Vaters Tode eine ausstehende Forderung seines Nachlasses, nicht aber ein Konferendum des Kindes." Erk. des O.Tr. I v. 31. Dez. 1851, Entsch. 22 S. 385. Die §§. 304 und 305 beschäftigen sich mit der näheren Bestimmung des Begriffes der Ausstattung, die hier in einem sehr weiten Sinne genommen ist. Der g. 305 zählt nur Bei­ spiele auf; in einzelnen zweifelhaften Fällen entscheidet lediglich das richterliche Ermessen nach Bewandtniß der Umstände. Hochzeitskosten imb Ausrichtung gehören allerdings mit zur Aus­ stattung, man ist darüber jedoch nicht einverstanden. Als zweifelhafte Fälle werden aud den

Materialien folgende mitgetheilt: Zur Kollation geeignet hat Suarez gehalten: das Gegen­ vermächtniß oder Witthum, welches die Aeltern des bereits von ihnen etablirten Sohnes, der

Lon der Erbfolge in absteigender Linie.

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§. 306. Ob dergleichen Ausstattung noch vorhanden sei, oder nicht, macht bei der Erbtheilung in der Regel keinen Unterschied. (§. 347.) 8- 307. Zinsen oder andere Nutzungen aber kommen dabei niemals**) in Anrechnung. 8- 308. Eine durch schriftlichen Vertrag versprochene, aber noch nicht wirklich gegebene Ausstattung wird als Schuld von dem Nachlasse abgezogen"). Unb hat übrigens mit der wirklich gegebenen gleiche Rechte "). 8- 309. Sind mehrere Kinder ausgestattet, und haben sie dazu nicht gleich viel erhalten, so können die weniger begünstigten das zur völligen Ausgleichung Erforderliche aus der Erbschaft voraus verlangen. 8- 310. Wird die Erbschaft durch diese Ausgleichung der entweder noch gar nicht, oder minder reichlich ausgestatteten Kinder mit den reichlicher versorgten er­ schöpft, so bleiben Letztere von der Theilung ausgeschlossen. 8. 311. Die übrigen entweder noch gar nicht, oder minder reichlich versorgten Kinder theilen sich alsdann in die Erbschaft dergestalt, daß unter ihnen die mög­ lichste Gleichheit16) beobachtet werde. 8- 312. Die von dem Erblasser bei seiner Lebenszeit ausgestatteten Kinder dürfen von dem Erhaltenen an ihre Geschwister niemals etwas herausgeben16). nachher heirathet, für ihn der Frau bestellen ; die arrha sponsalitia, die das Kind von den Aeltern erhalten hat; Bestallungskosten für ein dem Sohne übertragenes Amt (welche jetzt bis auf den Stempel wegfallen): die Kosten für das Doktordiplom. (H. O.Tr. I v. 5. März 1877, Str. Arch. 99 @. 144: Das dem Haussohne behufs Uebernahme einer Pachtung vom Vater verschriebene Kapital ist als Ausstattung im Sinne der §§. 304, 305 anzusehen.) Richt dazu geeignet: die väterliche Unterstützung zur Haushaltung. (Bornemann 6 S. 271.) Rach einer Entscheidung der Ges.Komm. v. 10. Mai 1785 auch nicht die Zulagen, welche ein Offizier in der Garnison von den Aeltern erhalten bat. (Rabe 1 Abth. 7 S. 454.) Das gilt auch nach den Grundsätzen des L.R. — Ein dem Kmde in dem Gute des Vaters von demselben bestelltes Ausgedinge gehört nicht zu den nach 8. 305 zu konferirenden Präbenden und anderen Renten. Erk. des O.Tr. I v. 24. Juni 1850, Str. Arch. 1 S. 68.

12) Niemals, also auch nicht aus der Zeit nach dem Tode des ErblafferS. Die Be­ stimmung ist deutlich und auch dem Prinzipe des L.R. entsprechend, wonach lediglich auf die Zeit der Begabung, nicht aber auf die der Kollatton, hinfichttich der Werthsbestimmung, gesehen werden soll. Anm. 9 Satz 2. Darin liegt eben eine bedeutende Abweichung des LR. von dem R. R. Daher ist die entgegengesetzte Meinung, welche in einer Entsch. des Kammergerichts von 1834 vertreten wird (Jur. Wochenschr. 1836 S. 394), ohne alle juristische Begründung.

13) Diese Vorschrift gestattet keine analoge Anwendung auf die dritte, der Kollatton unter­ worfene, Gattung von Zuwendungen. Anm. 11 Satz 2 lit. c. 14) Die aus der Erbschaft zu erhebende Ausstattung wird als ein Konferendum behandelt, mithin den Empfänger von aller ferneren Theilnahme aus, wenn die Ausstattung mehr n Erbtheil beträgt, oder vielmehr, wenn nichts übrig bleibt, nachdem die Uebrigen eine gleiche Ausstattung vorweg genommen haben. §. 310.

K

15) Die Herstellung der möglichsten Gleichheit wird, wenn mehrere Kinder ungleich auSgestattet find, auf dem Wege erreicht, daß zuerst die Unausaestatteten so viel erhalten, wie der am geringsten Ausgestattete, deiNnächst alle diese dem zunächst bester Ausgestatteten gleichgemacht werden und so fort, bis Alle dem am reichlichsten Ausgestatteten gleichstehen. H. Wenn z. B. der Erblasser 6 Kinder hinterläßt und die zu vertheilende Erbmasse 10,000 Thlx. beträgt, von den Kindern aber A. 2000 Thlr., B. 1600 Thlr., C. 1000 Thlr. als Ausstattung, D. und S. nichts erhalten haben, so nehmen diese beiden zunächst je 1000 Thlr. für sich vorweg, sodann bekommen sie jeder einzeln und C. 500, endlich noch alle mit Ausnahme des A. je 600 Thlr. ES find also im Ganzen 5500 Thlr. zur Ausgleichung vorweggenommen, der Rest von 4600 Thlr. wird dann in 5 Theile (ä 900 Thlr.) getheUt. — Betrüge dagegen in dem gewählten Beispiele die Erbmasse nur 4500 Thlr., so würden zunächst die je 1000 Thlr. für D. und E-, dann die weiteren je 600 Thlr. für diese und C. vorweggenommen werden können; um alle 8 £nten und den B. aber dem A. gleichzustellen, bedarf es nun noch einer Summe von 2000 Es find aber nur noch vorhanden 1000 Thlr. Diese theilen bie Bier unter sich und A. nichts. 16) „Es ist unzulässig, von einem Miterben, welcher von dem Erblasser schon zu dessen

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Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 313—326.

§. 313. Ist jedoch in dem Nachlaste des verstorbenen Vaters nicht so viel vorhanden, daß die noch unversorgten Kinder die §. 232. 233. beschriebene nothdürstige Ausstattung daraus erhalten können, so müssen ihre versorgten Geschwister das daran Fehlende ergänzen. §. 314. Sind mehrere ausgestattete Geschwister vorhanden, so mästen sie zu dieser Ausstattung der noch unversorgten, nach Verhältniß des Empfangenen, beitragen. §. 315. Doch kann keinem derselben ein höherer Beitrag, als ein Drittel der selbst erhaltenen Ausstattung, abgefordert werden"). §. 316. Dieser, den unversorgten Geschwistern von den ausgestatteten zu leistende Beitrag muß zwar sogleich bei der Erbtheilung ausgemittelt und festgesetzt werden; §. 317. Doch bleibt derselbe bei denjenigen, die ihn zu leisten haben, so lange ohne Verzinsung stehen, bis der Fall, wo die unversorgten Geschwister wirklich ausgestattet werden sollen, eintritt. §. 318. Aufgehoben"). §. 319. Stirbt das unausgestattete Kind, ehe es der Ausstattung wirklich bedarf, so fällt der ausgesetzte Beittag in das Vermögen desjenigen, der zu desten Leistung verbunden war, zurück"). §. 320. Ein Gleiches findet statt, wenn das unversorgte Kind, durch Erbschäften oder andere Glücksfälle, sich in solchen Umständen befindet, oder auch nach deS Vaters Tode darein versetzt wird, daß es zu seiner nothdürftigen Ausstattung eines Beittages der Geschwister nicht bedarf. §. 321. Dagegen müssen aber auch Geschwister, die bei des Vaters Lebens­ zeit versorgt worden, die Kosten der nothdürftigen Erziehung und Verpflegung ihrer noch unerzogenen, von dem Vater hülflos zurückgelassenen Geschwister übernehmen 20). Lebzeiten höher ausgestattet worden, als sein Erbtheil betragen hätte, und der deshalb von der Theilnahme an der Erbschaft ausgeschlossen bleibt, — zu fordern, daß er das Ueberhobene bei der hiernächstigen Theilung des Nachlasses des Letztlebenden der Aeltern ein­ werfe." Pr. 1468 b des O.Tr. I v. 28. Juni 1844, Entsch. 10 S. 191. Das R. R. führt zu demselben praktischen Ergebnisse. Denn nur derjenige Descendent braucht einzuwerfen, welcher miterben will. Wer also bereits mehr erhalten hat, als er erwarten kann, braucht nur die Erbschaft nicht anzutreten. In so fern gilt also die Bestimmung auch da, wo die drei ersten Titel suspendirt sind. 17) Da das Gesetz davon ausgeht, daß jedes Kind wenigstens die notdürftige Ausstattung erhalten soll, so kann es nicht wollen, daß die bereits, aber nur mit dem Nothdürftigen, Aus­ gestatteten weniger als das Notdürftige Haden und behalten sollen, damit die noch Unaus­ gestatteten das Rothdürftige erhalten. Die hier angeordnete Herausgabe kann sich daher nur auf das beziehen, was die Ausgestatteten über das Nothdürstige hinaus erhalten, so daß dieser Ueberfluß das Höchste ist, was ihnen abgefordert werden kann. Nach diesem Ueberstusse be­ stimmt sich der verhältnipmäßige Beitrag eines jeden Ausgestatteten in der Art, daß dieser Bei­ ttag gleichwohl ein Drittel der ganzen erhaltenen Ausstattung nicht übersteigen bars. Wenn z. B. von 5 Kindern drei ausgestattet und zwei noch unversorgt sind, das Nothdürstige 100 beträgt und von den Ausgestatteten das eine 100, das andere 150, das dritte 200 zur Ausstattung erhallen hat; so müßten sie für die Unversorgten 200 ausbringen. Dazu hätten beizutragen: der Eine nichts, der Andere */s seiner Ausstattung mit 50 Thlrn.; der Dritte gleichfalls mit 66 Thlrn. 20 Sgr. Die Unausgestatteten müssen sich daher mit 110 Thlrn. 20 Sgr. be­ gnügen. 18) Einf.Ges. v. 8. Mai 1855 Art. II und preuß. Konk.Ordn. §§. 72—82. Der §. 318 gab den unausgestatteten Kindern in dem Vermögen der ausgestatteten das Vorrecht der fünften Klasse, welches die A.G.O. im Tit. 50 nicht mit aufzählte und welches als unpraktisch schon durch die preuß. Konk.Ordn. abgeschasst ist. Er lautete: §. 318. Bis dahin haben die un­ ausgestatteten Kinder zur Sicherheit dieses Beitrages, in dem Vermögen der ausgestatteten das Vorrecht der fünften Klaffe vom Tage der erfolgten Erbtheilung. 19) Die Schuld ist mithin eine bedingte. Ueber das Nähere in. Erbrecht §. 8 Nr. 5 lit. a, dd u. §. 102 No. IV.

Bon der Erbfolge in absteigender Lime.

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§. 322. Doch tritt die §. 313. sqq. bestimmte Verbindlichkeit der versorgten Geschwister zur Erziehung, Verpflegung and Ausstattung der noctj unversorgten nur tn so fern ein, als diese dergleichen Unterstützung auch von der Mutter nicht er­ halten können. (§. 236. sqq.) §. 323. Die §. 303. beschriebene Ausgleichung wegen der Ausstattung geschieht m»r zwischen den Kindern20 21) unter sich, und geht den miterbenden überlebenden Ehegatten nichts an. §. 324. Dieser nimmt also den ihm zukommenden Erbtheil aus der Masse, ehe noch die Ausgleichungssummen für die unausgestatteten Kinder davon abgezogen werden. §. 325. Dagegen kann aber auch der überlebende Ehegatte den ausgestatteten Kindern niemals etwas anrechnen, noch von ihnen zurückfordern. §. 326. Hat jedoch ein in der Gütergemeinschaft lebender Ehemann seine Kinder auS früheren Ehen, während einer folgenden, ohne Einwilligung der Ehe­ frau reichlich ausgestattet; und beträgt, nach seinem Abgänge, das gemnnschastliche Vermögen nicht so viel, daß die Ehefrau wenigstens das, was sie in die Gemein­ schaft gebracht hat, zurückerhalten kann: so müssen ihr die ausgestatteten Kinder daS Fehlende so weit, und in dem Berhältnifle ersetzen, wie sie mehr22), als die eigentliche Nothdurft, zur Ausstattung erhalten haben. 20) Hiernach wird wesentlich dieselbe Obligatton, welche 1L 3 §. 15 gegründet worden ist, nur näher bestimmt: diese Bestimmung gehürt nicht in die Lehre der Kollation.

21) Darunter werden hier Descendenten überhaupt verstanden. Den Gegensatz macht nicht allein der miterbende überlebende Ehegatte, sondern jeder zum Mtterben berufene Fremde oder Verwandte, der kein Descendent des Erblassers ist. Dieser Röm. Rechtsgrundsatz ist hier in dem Satze: nur zwischen den Kindern ausgenommen. H. O.Tr. I o. 17. Mai 1878, Entsch. 82 S. 24: Die Tochter hat bei der Thellung des mütterlichen Nachlasses mit' dem Hinterbliebenen Wittwer fich nicht auf ihren Erbtheil die AuSstattung anrechnen zu lasten, die st« zu ihrer Berheirathung von der Mutter aus deren Vermögen erhallen hat. H. Krantz (Gruchot 3 S. 225) führt aus, daß, wenn unter Eheleuten Gütergemein­ schaft stattgefunden hat, 1J bei der Auseinandersetzung zwischen den Ueberlebenden von ihnen und den Kindern des Verstorbenen die den Letzteren aus dem güteraemeinschastlichen Vermögen ohne Vorbehalt gegebenen Ausstattungen dem Hinterbliebenen gemeinschaftlichen Vermögen hinzu«rechnet und von der so gebildeten Theilungsmaffe dem überlebenden Ehegatten die Hälfte als {ei* Theil überwiesen, während die andere Hälfte unter den Kindern dergestalt vertheilt wird, daß von den Erbtheilen der ausgestatteten Kinder der Betrag ihrer Ausstattung in Abzug kommt. — 2) Findet sich dabei, daß einzelne Kinder mehr als ihren Erbtheil als Ausstattung erhalten haben, so wird dasjenige, was sie überhoben haben, dem überlebenden Ehegatten abgezogen. — 3) Dem überlebenden Ehegatten muß indessen die Hälfte des wirklich vorhandenen Vermögens frei bleiben. Dem gegenüber sind aber unter Vertheidigung der früheren auf §§. 323, 325, 326, 367 d. X u. §§. 637—639 II. 1 gegründeten Praxis von Kleine (Hinschrus, Zeitschr. 2 S. 338) unter Zustimmung von Gerhard (Gruchot 13 S. 421) die Sätze ausreichend begründet Worden, daß die Zuwendungen aus gütergemeinschastlichem Vermögen, welche überhaupt der Kollation unterliegen, in ihrem vollen Betrage in den nach Maßgabe der §§. 635 ff. Ü. 1 kon-

stttuirten Nachlaß desjenigen Ascendenten und Erblassers konferirt werden, welcher nach der Hingabe zuerst verstirbt, sowie daß der überlebende Ehegatte von der Kollation nie berührt »ird, vielmehr nur das Rückforderungsrecht §. 326 d. T. hat. Vergl. auch Erk. deS O.Tr. I v. 1. Febr. 1875 (Entsch. 74 S. 60): Kollationspflichtige Zuwendungen — Ausstattung, Mitgabe, Brautschatz — sind, wenn die älterlichen Ehegatten in Gütergemeinschaft gelebt haben, vehusS Ausgleichung zwischen den ausgestatteten mit den nicht oder weniger ausgestatteten Kindern schon bei Theilung des Nachlasses deS erstverstorbenen Ehegatten — des Vetters oder Nt Mutter — zum vollen Werthbetrage, nicht aber hierbei zur einen Hälfte dieses Betrages «ch zur andern Hälfte erst bei Theilung des künftigen Nachlasses des überlebenden auf die .«-gestatteten Kinder in Anrechnung zu bringen. Gegen Krantz auch Dernburg 3 S. 676. Ueber die Streitftage, ob, wenn der Nachlaß des Erstverstorbenen der Aeltern zur völligen Ausgleichung der Zuwendungen nicht hinreicht, deren überschießender Betrag bei der Theilung deS Nachlasses des Letziverstorbenen der Aeltern in Anrechnung kommt, vergl. die Citate.

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Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 326—341.

§. 327. Alles, waS von der Ausstattung der Kinder, und der deshalb unter ihnen zu treffenden Gleichheit vorstehend §. 303. sqq. verordnet ist, gilt auch in Ansehung der denselben von dem Erblasser gemachten Geschenke23). §. 328. Doch ist dieses nur auf solche Schenkungen24) zu deuten, die in Grundstücken, Gerechtigkeiten oder ausstehenden Capitalien2*) bestanden haben2*). §. 329. Auf alles Uebrige, was außer der Ausstattung, von den vorgeschriebenen22) Schenkungen, ein und anderes Kind von den Aeltern, bei deren Lebens­ zeit erhalten hat, wird bei der Theilung des Nachlasies, nach den Regeln der gesetz­ lichen Abfolge, keine Rücksicht genommen. §. 330. Doch haben, wegen des Widerrufs übermäßiger Schenkungen, die andern Kinder, so wie der überlebende Ehegatte, gegen das beschenkte Kind eben die Rechte, wie gegen einen Fremden. (Th. 1. Tit. 11. §. 1091. sqq.) •«"Mte §. 331. Der Betrag desjenigen, was einige Kinder bei des Erblassers Lebens«■eei** zeit von ihm erhalten haben, und den übrigen Kindern, nach28) vorstehenden Grund» Betraa* die­ ser «rrAßitt-_____________ fangen und

22) Dieses Mehr ist, der Stiefmutter gegenüber, Freigebigkeit. Diese Bestimmung ist daher keine Ausnahme von dem Grundsätze des 8. 323 zu Gunsten der zweiten Frau, sondern eine Anwendung des Grundsatzes II. 1 §. 382. Man streitet jedoch darüber. 23) Zur Rechtfertigung dieser und der folgenden Bestimmung sagt Suarez: „Ad 8» — sehe ich nicht ab, warum die Kinder sich bloß die Ausstattung, und nicht auch die donationes simplices anrechnen lasten sollen. Der Grund bei beiden ist eben derselbe. Ein Kind soll nicht so sehr vor dem anderen avantagirt werden. Vermuthlich hat man die Weitläufigkeiten ver­ meiden wollen, welche aus der Anrechnung solcher einzelnen Sachen entstehen möchten. Allein auch bei Eruirung des Werths der Ausstattung werden solche Weitläufigkeiten entstehen, und doch hat man bei diesen die Beobachtung der Gleichheit unter den Kindern über jede Besorgnis prälaviren lasten. Wenn ein Vater einem noch unausgestatteten Kinde liegende Gründe, Kaprtalien und ansehnliche Geldsummen schenkt, so ist es ebenso billig, daß dasselbe sich solche bei der Absonderung anrechnen laste, als eine vielleicht nicht so beträchtliche Ausstattung." Die „ansehnlichen Geldsummen" wurden jedoch bei der Umarbeitung des gedr. Entw. weggelaffen. (Ges.Rev. Pens. 15 S. 295.) 24) Und auch nur auf reine Schenkungen (donationes simplices, wie auch die L. 20 pr. C. de collat. VI, 20 verordnet), nicht auf andere, namentlich nicht auf remuneratorische Schenkungen. Erk. des O.Tr. I v. 19. Juni 1843, Jur. Wochenschr. 1843 S. 767. (H. So auch Dernburg 3S. 679, dagegen mit Unrecht Gruchot, Erbrecht 3 S. 39.) — Gin von den Aeltern einem Kinde unter dem Vorbehalte der Abrechnung auf das künftige Erbtheil ge­ gebenes Darlehn ist nicht für eine kollationspflichtige Schenkung zu erachten und braucht erst nach dem Tode der Aeltern zurückgezahlt zu werden. Erk. des O.Tr. I v. 24. Sept. 1852, Str. Arch. 6 S. 331. 25) „Der Ausdruck: „„ausstehende Kapitalien"" begreift auch die auf jeden Inhaber lautenden Staatspapiere unter sich." Pr. 1317a des O.Tr. I v. 19. Juni 1842, Jur. Wochenschr. 1843 S. 717. Bankgiro-Anweisungen sind ausstehenden Kapitalien im Sinne des §. 328 nicht gleich zu achten und daher auch bei der Erbtheilung unter den Kindern nicht zu konseriren. Erk. deff. Sen. v. 12. Jan. 1857, Entsch. 34 S. 245. Gegebenes baares Geld gehört nicht zu den zu konferirenden Kapitalien, Erk. dest. Sen. v. 24. Juni 1850, Str. Arch. 1 S. 68. Eben so hält ders. Sen. den unentgeltlichen Erlaß einer Hypothekenschuld des Sohnes, von Seiten seines Vaters, nicht für ein geschenktes Kapital im Sinne des §. 328, welches der Sohn zu konseriren verpflichtet wäre. Erk. v. 12. Okt. 1860, Entsch. 44 S. 182. Die Gründe über­ zeugen nicht. Dagegen auch Kleine in Hinschius, Zeitschrift 2, 144, u. Dernburg 3 S. 679. H. Für das O.Tr. Förster, pr. Pr.R. 4 S. 325. 26) „In der Mark Brandenburg sind die Vorschriften der §§. 327, 328 in Beziehung auf reine Schenkungen (donationes simplices) nicht für suspendirt zu achten." Pr. 1317 b des O.Tr. I v. 19. Juni 1843, Jur. Wochenschr. 1843 S. 717. Denn der Rechtssatz ist für einen gemeinrechtlichen anzusehen. Bergl. auch Anm. 9 zu §. 303. 27) Statt „von den vorgeschriebenen" ist zu lesen: „und den vor beschriebenen". R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 59 S. 476. Die fehlerhafte Lesart findet sich erst in den jüngeren Ausgaben : das G.B. hat die richtige. 28) Die Ausgabe von 1832 hat statt „nach" den Druckfehler „noch".

Son der Erbfolge in absteigender Linie.

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sächen, aus dem Nachlasse zum voraus gebührt, soll nach folgenden Regeln be. M»»t werden. §. 332. Sind baare Gelder oder au-stehende Capitalien gegeben worden, so ist deren eigentlicher Betrag auszumitteln *•). §. 333. Sind Grundstücke oder Gerechtigkeiten, ohne Bestimmung eines Werthes, gqaeben worden, so muß der Werth, welchen sie zur Zeit der Zuwendung gehabt h«en, nach dem damaligen Ertrage derselben ausgemittelt werden80). §. 334. Kann dieser Ertrag, auS Mangel an Nachrichten, nicht mit hinläng­ licher Zuverlässigkeit bestimmt werden, so dient der ehemalige Erwerbungspreis, für welchen der Erblaffer das Grundstück oder die Gerechtigkeit an sich gebracht hat, z«n Maaßstabe. §. 335. Doch bleibt den Parteien der Nachweis offen, daß und um wie viel daS Grundstück, während der Besitzzeit des Erblassers, bis zur Zuwendung an daS dumit ausgestattete oder beschenkte Kind, an seiner Substanz verbessert oder ver­ ringert worden. §. 336. Hat der Erblaffer, bei der Zuwendung des Grundstücks oder der Gerechtigkeit, einen gewiffen Werth bestimmt, so muß dieser zur Richtschnur an­ genommen werden. §. 337. Auf diese31 * *)* 33 *Angabe * * 30 der Parteien, daß dieser Werth zu hoch oder zu niedrig sei, ist in der Regel keine Rücksicht zu nehmen. §. 338. Ist jedoch der angeschlagene Werth dergestalt offenbar zu niedrig, daß der wahre Werth, zur Zeit der Zuwendung, den Anschlag um mehr als dre Hälfte 88) übersteigt, so muß das ausgestattete Kind sich die Hälfte des eigentlichen Werthes statt des Anschlages anrechnen lassen. §. 339. Sobald daher die übrigen Kinder eine erhebliche Abweichung des an­ geschlagenen von dem wirklichen Werthe einigermaßen bescheinigen können, find sie auf die Ausmittelung des letzteren, nach den Vorschriften §. 333—335., anzutragen

wohl befugt. . §. 340. Ein Kind, welches ein Grundstück, oder eine Gerechtigkeit für einen von dem Erblasser bestimmten Werth einmal übernommen hat, kann diese Be­ stimmung unter dem Vorwande, daß sie zu hoch sei, niemals anfechten8S). §. 341. Hat aber der Erblaffer den Werth, nach der Uebernehmung» bloß ein­ seitig 84) bestimmt, so ist das Kind auf die Ausmittelung des wahren Werthe-, zur Zeit der Uebernehmung, anzutragen berechtigt. 99) Son kurshabenden Geldpapieren bestimmt sich der Betrag nach dem Tageskurse zur Zeit des Empfanges. Andere auf den Namen ausstehende Forderungen werden nach dem Neun­ werthe genommen, es wäre denn, daß die Einziehung alsbald nach dem Empfange begonnen und gehörig betrieben worden wäre und dabei sich ein Ausfall ergeben hätte. Dann kann nur die erhobene Summe angerechnet werden. Wird die Einziehung verzögert und es ereignet sich dann ein Ausfall, so kommen die §§. 434, 436 I. 11 zur Anwendung. 30) Ist eine Ertragstaxe auS jener Zeit vorhanden, so bedarf «S keiner andern Ausmittelung, doch mit Vorbehalt der Einwendungen gegen di« Taxe, wenn der Begabte zu derselben nicht zugezwgen worden ist. 31) Statt „diese" muß es „die" heißen. G.B. und R. v. 99. Dez. 1837, Jahrb. 60 S. 476. 39) Bon dem wahren Werthe nämlich, wodurch mehr als das Doppelte des Anschlags dargestelt wird. Wer die Hälfte auf den Anschlag bezieht, behauptet, daß der Begabte noch weniger alS ven Anschlag geben darf. Z. B. der Anschlag beträgt 1000, der wahre Werth 1600 (über die Hälfte des Anschlags mehr); folglich müßte der Begabte sich mit 800 befreien können. Das wäre widersinnig. Die Vorschrift bezweckt den Vortheil der übrigen Kinder; diese können fordern, daß, wenn der Anschlag 1000, der wahre Werth aber 9900 beträgt, der Begabte 1100 sich anrrchnan fassen muß. 33) Diese Bestimmung bezieht sich auf den UebertragungSakt, worin z. B. der Vater sagt, daß et daS Grundstück, welches er auf 1000 veranschlage, dem Sohne schenke, und der Sohn sich damiü einverstanden erklärt.

380

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 343-363.

§. 342. Alsdann hat das ausgestattete Kind die Wahl: ob es daS Grund­ stück für den ausgemittelten Werth behalten, und sich denselben anrrchnen lassen, oder ob es das Grundstück selbst zur Masse zurückgeben, und alsdann mit seinen Geschwistern gleich theilen wolle. §. 343. Wählt es das Letztere, so muß es die seit der Uebernahme ent­ standenen Verringerungen, gleich einem redlichen Besitzer, zur Masse vergüten. §. 344. Verbesserungen kann es gegen solche Verringerungen nur compensiren; nicht aber Ersatz aus der Masie fordern. §. 345. Sind Mobilien zur Ausstattung gegeben worden, und der Erblafser hat den Werth derselben zum Behufe der Anrechnung bestimmt, so dient dieser Anschlag zur alleinigen Richtschnur. §. 346. Ist keine solche Bestimmung des Erblassers vorhanden, so muß der Werth nur so, wie er zur Zeit der Erbtheilung wirklich ist, angeschlagen werden. §. 347. Auf Stücke, die durch den Gebrauch oder sonst, ohne eigenes grobes Versehen des ausgestatteten Kindes, vernichtet oder verloren worden, wird bei der Anrechnung der Ausstattungen keine Rücksicht genommen 86). ertMw'Sr §• 348. Enkel und Abkömmlinge weiterer Grade gelangen zur Erbfolge nach eefcf unb den Linien, in welchen sie von dem Erblasser abftammen. §• 349. Sind also Kinder des ersten Grades, und Enkel oder Urenkel von anderen vor dem Erblasser verstorbenen88) Kindern vorhanden, so müssen so viel Theile gemacht werden, als Linien sind, die von dem Erblasser unmittelbar ent­ springen. §. 350. Ein Gleiches muß geschehen, wenn gar keine Kinder ersten Grades, sondern nur noch lauter Abkömmlinge weiterer Grade vorhanden sind. §. 351. So wie in den ganzen Nachlaß die unmittelbar von dem Erblasser entspringenden Hauptlinien succediren, so succediren die unter einer Hauptlinie stehenden Unterlinien in den Antheil dieser Hauptlinie. §. 352. So oft daher in einer Linie der nähere Descendent nicht Erbe sein kann, oder will, fällt sein Erbrecht auf die von ihm abstammenden weiteren Descen­ denten 37 34).35 36 34) Durch eine Erklärung unter Lebendigen. Geschieht es bei der testamentarischen Ein­ setzung, so muß der Begabte es sich gefallen lasten (§. 385), oder die testamentarische Erbschaft ausschlagen und den Pmchttheil fordern, wo er dann die Ausmittelung des wahren Werths ver­ langen oder auch das Grundstück zurückgeben kann. §. 342. 35) Die §§. 346 und 347 enthaltens hinsichtlich der Zeit, auf welche bei der Werthbestimmung behufs der Anrechnung gesehen werden soll, eine Anomalie (Anm. 9 Satz 2) und sind lediglich auf Mobilien zu beschränken. Sie sind durch die Bemerkung von Suarez veranlaßt, „daß offenbar keine billige Gleichheit vorhanden sei, wenn man den ausgestatteten Kindern die vor 10 Jahren erhaltenen Möbel nach dem damaligen Werthe anrechnen, und also den unausgestatteten Kindern, die im väterlichen Hause gelebt und das väterliche Mobiliar mitgebraucht haben, so viel geben wollte, daß sie sich diese Sachen neu anschaffen können." (Bornemann 6 S. 177.) 36) Hierin ist der sonst nicht ausgesprochene Rechtsgrundsatz enthalten, daß in jeder Linie der dem Grade nach Nähere die hinter ihm stehenden weiteren Descendenten, der Sohn also den Enkel, der Enkel den Urenkel u. s. w., ausschließt. Eine Ausnahme führt der §. 352 ein. Folg. Anm. 37) Der Grundsatz ist neu und willkürlich. Das R. R. kennt diese Berufung nicht, hat vielmehr den Grundsatz, daß der weitere Abkömmling in einer Linie nur dann erbfolgefähig ist, wenn zwischen ihm und dem Erblasser kein Näherer steht; nur in die Stelle des praedefuncti parentia kann der Entferntere treten. (H. S. dagegen, daß dieser Grundsatz neu sein soll, Gruchot, Erbrecht 3 S. 60.) Bei diesem neuen Grundsätze ist die Frage: ob der Entferntere proprio jure oder jure repraesentationie in die Stelle des Näheren tritt, von praktischer Wichtigkeit. Könnte der Ent­ ferntere proprio jure seinen Theil fordern, so dürste ein reichlich ausgestattetes Kind, welches nicht mehr zu erwarten hat, nur der Erbschaft entsagen, um sein Kind zu einem erklecklichen großälterlichen Erbtheile, zum Nachtheile der übrigen unausgestatteten Kinder des Erblassers,

Bon der Erbfolge in absteigender Linie.

381

§. 353. Enkel gelangen also zur Erbfolge der Großältern, auch wenn sie ihrer vorher verstorbenen Aeltern Erben nicht geworden sind. §. 354. Nicht weniger alsdann, wenn ihre Aeltern von den Großältern ent­ erbt worden sind. §. 355. Jngleichen alsdann, wenn ihre Aeltern der Erbschaft der Großältern entsagt haben. §. 356. Wie weit ein Kind der Erbschaft seiner Aeltem zum Nachtheil seiner Gläubiger entsagen könne, ist nach den allgemeinen Grundsätzen von Entsagungen zu beurtheilen. (Th. 1. Tit. 16. Abschn. 7.) §. 357. Haben Kinder über ihr Erbrecht auf den Nachlaß der Aeltern, durch einen mit den Aeltem selbst, oder auch mit Anderen geschlossenen Vertrag verfügt; so können, in so fern sie selbst den Erbanfall erleben, ihre Abkömmlinge dergleichen Vertrag nicht anfechten. §. 358. Sind aber die Kinder, welche dergleichen Vertrag geschlosien haben, vor wirklich eingetretenem Erbanfalle verstorben, so sind deren Descendenten nur so weit, als sie ihrer Aeltern Erben geworden, an den Vertrag gebunden8S). §. 359. In allen Fällen, wo nach den §. 303. sqq. vorgeschriebenen Grund­ sätzen, eine Ausgleichung unter den Kindem ersten Grades wegen der Ausstattungen und Geschenke erfolgen müßte, muß dieselbe auch unter den Linien geschehen; wenngleich in einer oder der andern Linie nur entferntere Abkömmlinge zur Erb­ folge gelangen. §. 360. So müssen, z. B., Enkel, die den Großvater unmittelbar beerben, die Ausstattung, die ihr Vater erhalten hat, von desien Geschwistern sich anrechnen fassen. §. 361. Dagegen sind aber auch, umgekehrt, Enkel von einem unausgestatteten Kinde, ihres Vaters ausgestatteten Geschwistern das, was diese von dem Erblasser erhalten haben, anzurechnen wohl befugt. > §. 362. Bei dieser Ausgleichung unter den Linien macht es keinen Unter­ schied: ob die zur Succession gelangenden Abkömmlinge weiterer Grade ihrer un­ mittelbaren Aeltern Erben geworden sind, oder nicht88). §. 363. Was Enkel oder Abkömmlinge weiterer Grade, während der Lebenszeit88) ihrer unmittelbaren Aeltem, von den Großältern erhalten haben, kann

zu verhelfen. Die Verfasser haben die Frage mit Vorbedacht nicht ausdrücklich entschieden, sondern die Entscheidung den Rechtsgelehrten überlassen. (Ges.Rev. Pens. 16 S. 298.) Die Frage ist keine bloße Schulfrage. Die Praxis nimmt als unzweifelhaft an, daß der Gesetzgeber überall von den Grundsätzen des Repräsentativsystems, oder aber von der Absicht ausgegangen ist, daß Enkel und weitere Abkömmlinge in jeder Beziehung ganz in die Stell« ihrer verstorbenen Aeltern treten, und ein Mehreres, als was diesen gebührt haben würde, niemals in Anspruch nehmen dürfen. (Entsch. deS O.Tr. 17 S. 311.) Dieses Grundprinzip ist ein nothwendiges und in der That auch zur Anwendung gebracht. §§. 359 ff. 38) Der Satz harmonirt nicht mit dem §. 363. Das Erbrecht, welches Enkeln aus eigenem Rechte zusteht und nicht durch ihren unmittelbaren ParenS auf sie tranSmittirt worden ist, kann ihnen durch Vertrag des Letzteren nicht entzogen werden; die Verbindlichkeit aus einem solchen Vertrage ist passive nicht vererblich. 89) Diese Bestimmungen (§§. 369—362) sind auch für die Ausgleichung beim Pflichtthelle der Enkel maßgebend. Erk. des O.Tr. I v. 16. Mai 1857, Str. Arch. 26 S. 113. — Enkel, welche ihre Großmutter unmittelbar beerben, dem Nachlasse ihrer Aeltern indeß entsagt haben, müssen zwar die Ausstattung und die Geschenke, welche ihre Aeltern einzuwerfen verpflichtet ge­ wesen wären, nicht aber deren Schulden gegen die Erblasserin sich anrechnen lasten. Erk. deff. Sen. v. 29. Sept. 1861, Str. Arch. 2 S. 383. 40) Darauf kommt es an. In diesem Falle fehlt die wesentlich erforderliche Voraussetzung der Kollation, dich die Zuwendung auf Abschlag der künftigen Erbschaft gemacht worden fei; dem» der Enkel kann in der Siegel nicht Erbe werden, so lange der Sohn da ist; und ob eine

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Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 364—378.

weder den Aeltern, noch ihnen selbst, bei der Theilung mit den anderen Linien, angerechnet41) werden. §. 364. Haben aber Großältern, nach dem Tode ihrer Kinder, einem von selbigen hinterlassenen Enkel eine Ausstattung, oder ein nach §. 328. der Anrechnung überhaupt unterworfenes Geschenk zugewendet, so wird dasselbe der Linie, wozu der AuSgestattete oder Beschenkte gehört, allerdings angerechnet §. 365. Unter Den Therlnehmern in einer und derselben Linie geschieht die AuSaleichung eben so, als wenn der begünstigte Enkel die Ausstattung oder daS Geschenk von seinen unmittelbaren Aeltern erhalten hätte48). *) Erbfolge §. 366. Hat der Erblaffer in der Gütergemeinschaft gelebt, so finden, wegen Smrabdta der AuSeinandnsetzung, zwischen den hinterlassenen Ehegatten und den Kindern,

«iSitoQft ^ie Vorschriften des ersten Titels §. 635. sqq. Anwendung"). §. 367. In demjenigen, was nach diesen Vorschriften der Nachlaß des Ver­ storbenen auSmacht, erben dessen Abkömmlinge") eben so, als vorstehend wegen der gesetzlichen Erbfolge nach gemeinem Rechte verordnet ist. §. 368. Doch steht den Aeltern ftei, die Kinder schon bei ihrer Lebenszeit wegen des Erbrechtes an den künftigen Nachlaß abzufinden").

Ausnahme eintreten werde, läßt sich nicht voraus wissen. Die Verordnung dieses §. ist daher folgerichtig, eben so wie die des folg. 8- 364. 41) Die Ausgabe von 1832 hat den Druckfehler: „angerecht". 42) Zu vergl. die Anm. 40. 43) H. Der Erblaffer A. hinterläßt einen lebenden Sohn C., und von seinem vorverstorbenen Sohn B. 2 Enkel a u. b, von einem zweiten voro erstorben en Sohn D. 3 Enkel c, d, e. Dem Emel a hat er nach dem Tode seines Sohnes B. 1000 Ausstattung gegeben. Beträgt nun der Nachlaß von A. 12,000, so nehmen C. 1000, die Enkel von D., also c, d, e zusammen, ebenfalls 1000 vorweg. Die verbleibende Theilungsmaffe von 10,000 repartirt sich auf C. zu %, auf c, d, e zu % und ferner auf a u. b zu Vs a 3333'/g. Damit ist dieAusgleichung unter den Linien vollzogen. Es haben sich aber nun noch a u. b auszugleichen. Bon den 3333 % nimmt b zunächst 1000 vorweg, und theilt den Rest von 2333', mit a, so daß dieser nur 1666% erhält. Weitere Beispiele bei Gruchot, Erbrecht 3 S. 74. 44) Zur Rechtfertigung sagt Suarez in den Schlußvorträgen: „Von dieser Erbfolge ex commumone bonorum, die hauptsächlich nach Grundsätzen des Juris Lubecensis reaulirt ist, gilt überhaupt Alles, was von der Gemeinschaft der Güter und Eheleute ad. Tit. I Sect. VI gesagt worden. Da die Provinzialgesetze über diese Materie so äußert verschieden sind, so kann

hier nur eine Regel ausgestellt und die nöthig gefundenen Abweichungen müssen den Provinzial­ gesetzbüchern überlassen werden." (Jahrb. 41 S. 142.) Nach den Grundsätzen der Paderborner ehelichen Gütergemeinschaft ist der freiwilligen Abschichtung eines Kinves von dem gütergemeinschaftlichen Vermögen beider Aeltern, seitens des überlebenden Ehegatten, während die übrigen Kinder unabgeschichtet mit ihm in der fortgesetzten Gütergemeinschaft verbleiben, im Zweifel die Wirkung beizulegen, daß die nicht abgeschichteten Geschwister dieses abgeschichtete Kind von den weiteren Ansprüchen an die gütergemeinschaftliche, zur Theilung gekommene Masse auch dann völlia ausschließen, wenn der Schichtaeber ohne weitere Disposition verstorben ist. Erk. des O.Tr. I v. 11. Juni 1860, Entsch. 43 S. 219. 45) Darunter können Kinder aus verschiedenen Ehen, sowie auch uneheliche, verstanden werden. In wie fern diese alle zusammen berufen sind, bleibt hier aanz unentschieden. 46) Wenn nämlich eine Einigung darüber zwischen ihnen und den Kindern stattfindet. Denn die Meinung, daß die Kinder gezwungen seien, eine Abgüterung anzunehmen, ist unhaltbar. Durchgesetzt werden könnte dies nur mittels eines Richterspruchs über Theilunasgrundsätze, und die Theilung des Vermögens eines Lebenden kennt das Gesetz nicht. Deshalb ist der Satz dieses 6. 368 keineswegs nichtssagend, sondern eine Anwendung des sich sonst gar nicht von selbst ver­ stehenden Grundsatzes, daß man sich über die Erbschaft eines Lebenden verständigen darf, — auf den Pflichttheilsberechtigten. Der Abgefundene entsagt durch das Abkommen wesentlich der künftigen Erbschaft gegen Ver­ geltung; er wird also nicht Erbe, und damit sind die Fragen: ob er den Erbschaftsgläubigern oder Leaatarien haste, von selbst beantwortet. Die Abfindung ist auch keine Schenkung ; sie ist ein lästiges Geschäft unter Lebenden und daher nicht wie eine Schenkung widerruflich oder sonst anfechtbar, abgesehen von formellen Mängeln und von betrüglicher Verkürzung der Gläubiger. Auch den Pflichttheilsberechtigten ist kein Rechts-

Bon der Erbfolge in absteigender Linie.

383

§. 369. Dergleichen Abfindung muß aber durch einen förmlichen Erbvertrag47) festgefetzt werden. 8- 370. Der Regel nach erstreckt sich die Abfindung nur auf den Nachlaß desjenigen von beiden nettem, welcher zuerst verstirbt48). §. 371. Sie geht aber auf Alles, was dieser zuerst Versterbende an freiem Vermögen hinterläßt; es mag in die Gemeinschaft gekommen sein, oder nicht. §. 372. In der Regel wird angenommen, daß die Abfindung nur zu Gunsten des überlebenden Ehegatten geschehen sei. §. 373. Stirbt also eins von den abfindenden Aeltern, so kann das ab­ gefundene Kind an den Nachlaß defielben gar keinen Ansprnch machen. §. 374. Vielmehr verbleibt dasjenige, was ihm etwa noch von diesem Rachlaste, nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, zukommen würde, dem Hebet» lebenden der Aeltern "). §. 376. Stirbt aber auch dieser, so beerbt ihn das abgefundene Kind eben­ so, als wenn gar keine Abfindung geschehen wäre. §. 376. Sind alsdann abgefundene und unabgefundene Kinder vorhanden, so geschieht zwischen denselben die Ausgleichung, wegen der Abfindung der ersteren, und der aus dem Nachlaste des erstverstorbenen Ehegatten erhaltenen Erbtheile der letzteren nach eben den Regeln, welche §. 303. sqq. wegen der Ausstattungen vor­ geschrieben find. ß. 377. Soll durch einen solchen Abfindungsvertrag ein Kind von dem Nach­ laste beider Aeltern, auch zu Gunsten seiner übrigen Geschwister, oder eines Dritten8"), ausgeschlossen werden, so ist der Vertrag nach den wegen der Erb­ verträge zwischen Aeltern und Kindern überhaupt vorgeschriebenen Gmndsätzen zu beurtheilen81). §. 378. Von vorstehenden Gesetzen über die Erbfolge der Kinder und weiteren ») «tffotae Abkömmlinge (§. 300 bis 376.) können die Aeltern durch letztwillige Verordnungen untenan»’ abweichen6S).

___________ mittel gegeben; analoge Anwendungen der querela inoff. don. auf diesen Fall sind deshalb nicht statthaft, weil eben die Ähnlichkeit fehlt. 47) Nämlich durch einen renunziativen. Denn es wird eben von der Berzichtleistung auf das künftige Erbrecht, um eine gegenwättige Abfindung dafür, gehandelt. 48) Dieses setzt voraus, daß der Abgefundene beide Aeltern zu beerben berechttgt ist. Das ist jedoch kein Erforderniß bei der Abfindung ; es können auch Kinder des einen der Ehegatten, namentlich einaebrachte uneheliche Kinder der Frau, abgefunden werden. Auf diesen Fall paßt der §. nicht. Denn wenn in diesem Falle der Mann zuerst stirbt, so kommt der Wittwe (Mutter des abgefundenen unehelichen Kindes) die Abfindung weiter nicht zu Statten. 49) Anm. 20 zu II. 1 §. 644. 50) Namentlich des zweiten Ehegatten des Ueberlebenden der Aeltern. 51) §§. 481 ff. Diejenigen, welche durch Vertrag berufen werden sollen, mit Ausschließung deS Abgefundenen, müssen als Kontrahenten Mitwirken ; außerdem entsteht ihnen kein Recht weder auf die Erbschaft, noch auf die Ausschließung des Abgefundenen davon. Welche Formen zu beobachten, muß der besondere Fall, in Berücksichtigung der Vorschriften §§. 481 ff., ergeben. Pr. 2613 des O.Tr. I v. 15. März 1856, Entsch. 30 S. 150: 1. Wo bei der allgemeinen ehelichen Gütergemeinschaft der Grundsatz gilt, daß die abgeschichteten Kinder aus einer ausgelösten Ehe, beim Tode deS überlebenden Ehegatten, kein Erbrecht in dessen, zu einer ferneren Ehe und Gütergemeinschaft übergegangenes Vermögen haben, so fern ein überlebender Ehegatte oder Descen­ denten auS dieser ferneren Ehe vorhanden sind, tritt diese Wirkung der sog. Todtheilung, in Ermangelung besonderer Vorschriften, nicht von selbst mit Ängehung der ferneren Ehe, sondern nur in Folge der förmlichen Schichtung ein. 2. Derselbe Grundsich findet nur dann Anwendung,

wenn in der ferneren Ehe die Gütergemeinschaft und zwar auch noch beim Tode deS überlebenden Ehegatten bestand. 52) Wegen der Kollation bei testamentar. Erbfolge vgl. Anm. 9 vorletzten Absatz zu §. 303 d. T. L Erk. des O.Tr. I v. 10. Dez. 1869, Str. Arch. 76 S. 324: Die käuflichen Guts­ überlassungen von Aeltern an Kinder, wobei dasjenige Kind, welchem das Gut und Vermögen

flau

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Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 379—385.

§. 379. Soll dadurch den Kindern und weiteren Abkömmlingen ihr Erbrecht genommen werden 58), so muß dergleichen letztwillige Verordnung mit allen gesetz­ lichen Erforderniffen eines gültigen Testaments") versehen sein. (§. 431.) §. 380 a. Betrifft hingegen die Verordnung nur die Grundsätze, oder die Art der Theilung unter den Kindernö5): so ist es genug, wenn sie nur von dem Erblaffer eigenhändig geschrieben und unterschrieben, oder vor einem Justizcommissario und zweien Zeugen mündlich zum Protocoll erklärt worden. §. 380 b. Auch ist es zur Gültigkeit einer solchen Verordnung unter den Kindern hinreichend, wenn der Erblasser eine zwar nicht von ihm selbst geschriebene, aber doch auf allen Blättern88) und am Schluffe unterschriebene Disposition, vor einem Justizcommiffario87) und zweien Zeugen, als die seinige, unter der ausdrück-

Lei Lebzeiten des parens abgetreten wird, zu Abfindungen an die anderen Kinder hinsichtlich ihres AntheUs, resp, in Anrechnung auf denselben verpflichtet wird, deren Höhe und Umfang der parens nach dem Werthe des Guts und sonstigen Umständen bestimmt und mit dem Uebernehmer vereinbart, sind als Verträge unter Lebenden anzusehen (also nicht nach §§. 378 ff. zu beurtheilen).

53) Darunter wird, wie das Allegat §. 431 ergiebt, verstanden, daß den Kindern ihr Pflichttheil genommen, geschmälert oder belastet werden soll. Wenn daher in der hier (§. 380a) nachgelassenen Form angeordnet worden ist, daß, wenn das eine oder andere der als Erben anerkannten Kinder mit den voraeschriebenen Grundsätzen der Theilung nicht zufrieden sein sollte, ihm die Forderung des Pflichttheils freigestellt sei ; so kann diese Verordnung wegen Mangels der Form eines wirklichen Testaments nicht angefochten werden. Vergl. Erk. des O.Tr. I v. 7. Nov. 1859, Entsch. 42 S. 253. Die in der Form einer privilegirten Disposition abgefaßte letztwillige Verordnung des Ueberlebenden der Aeltern unter seinen Kindern kann wegen Mangels der Testamentsform nur dann angefochten werden, wenn dieselbe bezweckt, den Kindern ihren Pflichttheil zu nehmen, zu schmälern oder zu belasten. Liegt dieser Zweck nicht vor, so kann nur auf Ergänzung des Pflichttheils geklagt werden. Erk. defl. Sen. v. 5. Dez. 1860, Str. Arch. 39 S. 270. Vergl. Erk. deff. Sen. v. 13. Okt. 1865, Entsch. 55 S. 100, Str. Arch. 61 S. 119.

64) Die fragliche letztwillige Verordnung soll in ihrer äußeren Form mit denselben Förmlich­ keiten, welche für Testamente vorgeschrieben sind, versehen sein; es ist aber nicht gesagt, daß dieselbe nur ein Testament sein dürfe und nicht auch ein Erbvertrag, bei dessen Errichtung das verletzte Kind als Mitkontrahent nicht mitgewirkt hat, sein könne. Daraus, daß der in einem Erbvertrage begünstigte Dritte nicht als Mitkontrahent gilt, vielmehr daraus nur, wie aus einer letztwilligen Verfügung, Rechte herleiten kann (I. 12 §. 646), ist nichts für die Ungültigkeit des Erbvertrages bezüglich des Notherben zu folgern; es folgt daraus vielmehr nur, daß derselbe wegen seiner Verletzung im Pflichttheil, auch dieser letztwilligen Disposition als solcher gegenüber, nur auf Ergänzung seines Pflichttheils antragen kann. Erk. des O.Tr. I v. 3. Jan. 1866, Str. Arch. 63 S. 36. H. Eine divisio parentis inter liberos in einer nickt förmlichen letztwilliaen Verordnung kann das Recht des Ehegatten auf die Jntestatportion nicht schmälern, Erk. des O.Tr. I v. 2. Febr. 1874, Str. Arch. 91 S. 77.

55) Die Berufung ab intestato wird hier also vorausgesetzt: es ist mithin nur von der sog. divisio parentum inter liberos die Rede. Eine privilegirte Form eines eigentlichen Testa­ ments der Aeltern (testamentum parentum inter liberos), wovon nicht hier bei Gelegenheit der Jntestaterbfolge, sondern im Titel von Testamenten würde haben gehandelt werden müssen, kennt das L.R. nicht. Soll also auch nur eine theilweise Entziehung des gesetzlichen Erbrechts (Schmälerung des Pflichtteils) eintreten ; so muß ein Testament in ordentlicher Form gemacht werden. Vgl. auch Koch, Erbrecht §. 61 Nr. VIII S. 617—628. H. Die Quoten der Erbtheile kann der Testator in dieser Form nicht festsetzen, vielmehr nur eine quantitative Vertheilung der Nachlaßstücke bestimmen und darüber Anordnungen treffen, was Jedem auf sein Erbtheil angerechnet werden soll, Gruchot, Erbrecht 3 S. 84. Zulässig ist es aber, die Theilung unter den Kindern in der Art anzuvrdnen, daß eins derselben den ganzen Nachlaß als Universalsuccessor oder Universalerbe erhält und die andern Kinder von ihm mit bestimmten Summen und Leistungen wegen ihres Erbtheils abgefunden werden sollen, daß also solchergestalt jenem gegenüber die übrigen Geschwister nach I. 12 §. 263 nur als Legatarien zu betrachten sind, Erk. des O.Tr. I v. 7. Nov. 1862, Str. Arch. 48 S. 56. 56) Wenn auch nur auf einer Seite eines jeden Blattes. 57) H. Jetzt: Notar.

Bon der Erbfolge in absteigender Linie.

385

Lchen Versicherung, sie vorher durchgelesen zu haben, anerkennt, und dies Anerkeintniß unter dem Original gehörig verzeichnet wird M). §. 380. c. Ist in diesem Falle (§. 380. b.) der Verordnende aus dem Bauer­ oder gemeinen Bürgerstande, so muß der Justizcommissarius sich vergewissern, daß derselbe Geschriebenes lesen könne; und wie solches geschehen, in der aufzuuchmenden Registratur mit bemerken. §. 380. d. Doch schadet die Unterlassung dieses Vermerks der Gültigkeit der Berordnung nichts, wenn nur die Fähigkeit deS Verordnenden, Geschriebenes zu lesen, auf andere Art nachgewiesen werden kann M). §. 381. Ist in einer solchen ohne die Förmlichkeiten eines eigentlichen Testa­ ments abgefaßten letztwilligen Verordnung (§. 380. a. 380. b.), zu Gunsten des über­ lebenden Ehegatten, oder auch eines Dritten, etwas verfügt, so wird dasselbe für nicht geschrieben angesehen. §. 382. Die Verordnung selbst aber bleibt, so weit sie die Kinder betrifft, dennoch bei Kräften. §. 383. Aeltern können durch letztwillige, entweder in der Form eines wirk­ lichen Testaments, oder auch einer privilegirten Disposition unter Kindern abgefaßte Verordnungen ihren Nachlaß unter die Kinder ungleich vertheilen. §. 384. Sie können verfügen, daß die noch Unausgestatteten vor den AuSgestatteten weniger, als die Ausstattungen oder Schenkungen der Letzteren betragen, oder auch gar nichts zum Voraus nehmen sollen60 * *).59 §. 385. Sie können bestimmen: wie hoch die Ausstattungen oder Schenkungen, die einige Kinder von ihnen erhalten haben, bei der Theilung mit den übrigen angerechnet werden sollen 61). 68) Der Notarius hat bei der Aufnahme dieses Aktes die Vorschriften der Notariats­ ordnung zu beobachten. 59) Suarez bemerkt zu den §§. 380 bis 380 in der rev. mon.: „Es find hier zwei modi privilegiati, eine dispositionem inter liberos zu errichten, vorgeschrieben: 1. nuncupative, coram notario et duobus testibus; 2. in scriptis, wo jedoch die Disposition ein holographum des Erblassers sein muß. Bei dem letzteren modo wird erinnert, daß es wohl auch fiir hinlänglich zu achten sei, wenn nur die Disposition von dem Erblasser auf allen Seiten unterschrieben worden, falls auch der Text selbst kein holographum wäre. Allein dies scheint bedenklich, da es so viel Leute giebt, die nur ihren Namen, weiter aber nützts, schreiben, und auch kein Geschriebenes lesen können; denen mithin eine solche Disposition leicht untergeschoben, und das Falsum dabei um so schwerer entdeckt werden kann, als aus bloßen Unterschriften nicht einmal comparatio litterarum stattfindet. Dagegen könnte man diesen beiden modia privilegiatis noch einen dritten beifügen, 3. wenn der Erblasser eine zwar nicht von ihm selbst ge­ schriebene, aber doch auf allen Blättern unterschriebene Disposition vor einem Notario und zwei Zeugen als die seinige, unter der Versicherung, daß er solche gelbst durchgelesen habe, anerkennt, und dies Anerkenntniß unter dem Originale gehörig verzeichnet wird. Doch würde in diesem Falle der Notarius sich vorher versichern müssen, daß der Disponent wirklich schreiben und Ge­ schriebenes lesen könne." (Jahrb. 52 S. 52.) Diesem Vorschläge entsprechend find die 8§. 380 biS 380 gefaßt. — Es versteht sich, daß die dispositio parentum inter liberos auch in der gewöhnlichen (gerichtlichen) Testamentsform errichtet werden kann. — Auch widerstreitet es nicht ihrem Wesen, daß sie mit einem anderen Rechtsgeschäfte verbunden wird. Erk. des O.Tr. I

v. 17. März 1852, Str. Arch. 6 S. 68. H. Durch Kodizille in der Form des Anh. 35 zu I. 12 8. 163 kann die divisio paren­ tum inter liberos nicht geändert werden, Erk. des O.Tr. I v. 28. Jan. 1876, Entsch. 76 6. 387, Str. Arch. 95 S. 175. 60) D. h. im Sinne des Gem. R.: sie können die Begabten von der Eimoerfung aus­ schließen. Wo die drei ersten Titel suspendirt sind, bedarf es zu-solcher Erklärung gar keiner Form, nicht einmal der schriftlichen, aber die Erklärung selbst muß vorhanden, d. h. der Mlle muß mit Worten ausgedrückt worden sein, zufolge der Rov. c. 6. Unter den Röm. EivUisten ist zwar darüber Streit, für uns entscheidet aber der §. VII des Publ.Pat. v. 5. Febr. 1794. Zu veral. Erk. des O.Tr. v. 19. Juni 1843, Jur. Wochenschr. 1843 S. 765. 61) Wenn nämlich kein Werth bei der Ausstattung oder Schenkung bestimmt worden ist

Koch, Allgemeines Landrecht. UL

8. Aufl.

25

886

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 386—391.

8- 386. Sie können eins oder das andere von den Kindern verpflichten, sich auch solche von ihnen erhaltene Gelder oder Sacken, oder auf sie verwendete Kosten, auf ihren Erbtherl anrechnen zu lassen, auf welche sonst bei der gesetzliche« Erbfolge keine Rücksicht genommen totrb62). (§. 329.) §. 387. Wenn jedoch die Aeltern dergleichen Anrechnung (§. 385. 386.) ver­ ordnen : so müssen sie den Betrag entweder in der Disposition selbst, oder durch Bezug auf eine von ihnen anderswo geschehene Anzeichnung, hinlänglich bestimmen. §. 388. Ermangelt diese Bestimmung, so wird der Befehl der Anrechnung selbst für nicht geschrieben geachtet. §. 389. Auch durch letztwillige Verordnungen können Aeltern ein Kind nicht verpflichten, etwas von demjenigen, was dasselbe einmal von ihnen eigenthümlich erhalten hat, wieder heraus zu geben68). §. 390. Was in der letztwilligen Verordnung der Aeltern nicht bestimmt ist *4), muß nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge beurtheilt werden, vom Pflicht§. 391. Alles, was vorstehend §. 383. sqq. von der Befugniß der Aeltern, (§§. 340, 341) und keine Verletzung im Pflichttheile stattfindet. H. Kleine in Hinschius, Zertschr. 2 S. 682 hält den §. 385, auch dann anwendbar, wenn vorher ein Werth bestimmt war. 62) In so weit die im Testamente behauptete Begabung von dem Kinde bestritten wird, muß fie bewiesen werden. Die Beweislast hat berjenige, welcher dabei interesfirt, daß die An­ rechnung geschehe. Ist aber die Anrechnung einer bestimmten Summe in einem Testamente be­ fehlend verordnet, so muß dies als eine Belastung zum Vortheile der übrigen Kinder angesehen werden, und der solchergestalt Beschwerte muß entweder die Erbschaft aus dem Testamente so, wie fie ihm geboten wird, annehmen, oder er muß sie ausschlagen und den Pflichttheil fordern, wo er dann den Empfang mit Erfolg bestreiten kann. Der Form der divisio parentum inter liberos bedarf es nicht, wenn bei der Begabung die Anrechnung ausbedungen und auf diese Bedingung die Gabe angenommen worden ist. In diesem Falle ist ein Innominatkontrakt zu Stande gekommen, welcher von dem Empfänger ge­ halten und erfüllt werden muß. H. Kleine (a. a. O. S. 577) verlangt, abgesehen von den Fällen, wo das Gesetz selbst eine Ausnahme macht (s. §. 336 d. T.), für Anordnungen über die Kollation stets die Form der divisio parentum inter liberos. Derselben Ansicht wie Koch dagegen Gruchot, Erbrecht 3 S. 92 ff. Die in einem förmlichen Testamente über die Theilung des Nachlasses unter den Kindern und die Anrechnung der Vorausempsänger aus deren Erbtheile enthaltenen Verfügungen können von den Aeltern gültig durch eine den Formen des §. 380 entsprechende Disposition aufgehoben werden, Gruchot a. a. O. S. 99. 63) Deswegen kann ein solches Kind aber doch durch das Gesetz verpflichtet sein, unter gewiffen Voraussetzungen auf Grund des Empfanges etwas zu leisten, wie namentlich nach §. 313, der mit §. 389 keineswegs zusammentrifft. 64) H. D. h in Bezug auf die Theilung und die in derselben im Allgemeinen angeord­ nete Kollation. Es läßt sich aber nicht aus diesem §. folgern, daß, wenn die Kollatton nicht voraeschrieben ist, diese auch bei der testamentarischen Erbfolge eintreten soll, s. auch Anm. 9 vorletzten Abs. zu §. 303. 65) Die Lehre von der successio contra tabulas ist neu gestaltet. In einer Anm. z. gedr. Entw. Th. I Abth. 1 S. 207 wird darüber gesagt: „Bei der Lehre vom Pflichttheile wird von den Dispositionen des Röm. R. hin und wieder abgegangen. Der Pflichtteil selbst gründet sich nicht aus das Naturrecht. Nach diesem erstreckt sich die selbst unvollkommene Pflicht der Aeltern nicht weiter, als ihre Kinder zu erziehen und in den Stand zu setzen, daß sie für ihren Unterhalt selbst sorgen können. Inzwischen ist diese Lehre in allen Königl. Staaten, selbst da, wo sonst die Provinzialgesetze am meisten abweichen, angenommen; sie enthält nichts, was der natürlichen Billigkeit oder dem Endzwecke des gemeinen Besten zuwider wäre, und es werden dadurch der bei uns wenigstens ebenso sehr, als bei den Römern, zu verhütenden Erbschleicherei Grenzen gesetzt. Man hat sie also zwar beibehalten, dabei aber die Befugniß der Aeltern, ihre Kinder in der Disposition über den Pflichttheil zu ihrem eigenen und ihrer Nachkömmlinge Besten einzuschränken, mehr erweitert und dagegen den Betrag desselben allgemein auf die Hälfte der Jntestatportion bestimmt; da die Anzahl der Kinder an und für sich in dem Verhältniffe der Aeltern gegen sie nichts ändert und also auch keinen hinreichenden Grund, den Betrag des Pflichttheils verschieden festzusetzen, enthalten kann." — Hiervon ist man jedoch abgegangen.

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

387

wie der §. 392 zeigt. Suarez rechtfertigt die neue Theorie in den Schlußvorträgen wie folgt: „Die Lehre des R. R. von der Legitima und von Exheredationen ist durch die unendliche Menge von Distinktionen zwischen den Fällen, wenn der, welchem eine Legitima gebührt, übergangen, oder wenn er ausdrücklich enterbt worden; wenn die Enterbung mit oder ohne Anführung einer Ursache geschehen; wenn die angeführte Ursache gesetzmäßig ist, oder nicht; wenn sie wahr oder falsch befunden wird; wenn der Testator die Legitima mittelst einer förmlichen Einsetzung oder ohne dieselbe hinterlassen hat; wenn die Legitima vollständig oder in einem unzureichenden Betrage bestimmt ist, zu einer der komplizirtesten im ganzen Röm. Rechtssysteme geworden; zumalen es in allen diesen Fällen wiederum einen großen Unterschied macht: ob der, in dessen letztwilliger Verordnung eine solche Disposition getroffen ist, zu den Ascendenten, Descendenten oder Geschwistern gehöre. Gleichwohl gründen sich alle diese Distinktionen und die davon ab­ hangenden zum Theil sehr wichtigen praktischen Folgen entweder auf Ueberbleibsel der alten jurisprudentiae formulariae, oder auf Hypothesen der Stoischen Philosophie, oder gar auf bloße Fiktionen, wie z. B. bei der Querela inofficiosi, welche ganz auf der Voraussetzung beruht, daß ein Vater, welcher seinem Kinde den ihm gebührenden Pflichttheil ohne rechtmäßigen Grund entzieht, in diesem Augenblicke von Sinnen gewesen sei. Ebenso wenig kann der Grundsatz des Röm. R., daß, wenn ein Vater auch nur eins seiner Kinder übergangen oder demselben die Legitimam nicht titulo institutionis honorabili hinterlassen, oder dasselbe aus einer nicht gesetz­ mäßigen oder nicht gegründeten Ursache enterbt hat, alsdann das ganze Testament, oder doch die ganze Erbeseinsetzung auch in Ansehung der übrigen Kinder und Aeltern über den Haufen falle, nach den Regeln eines vernunftmäßigen Räsonnements vertheidigt werden, da ja offenbar nicht folgt: daß, weil der eine Theil der testamentarischen Verordnung nicht gelten kann, um deswillen auch alle übrigen, worin nichts Gesetzwidriges enthalten ist, ungültig sein müßten, und da, wenn man diese Vorschrift als eine Strafe für die Übertretung des Gesetzes ansehen will, diese Strafe nicht den Uebertreter, sondern die ganz unschuldigen Miterben und Legatarien treffen würde. Es war also nothwendig, diese verwickelte Theorie, die schon zu so vielen weit­ läufigen und verderblichen Prozessen Anlaß gegeben hat, zu simplifiziren und auf einfache, dem gesunden Menschenverstände einleuchtende Grundsätze zurück zu bringen. Das Ges.B. hat daher angenommen: daß Aeltern ihren Kindern, und Kinder, die ohne Descendenz versterben, ihren Aeltern die Legitimam zu hinterlassen schuldig sind; daß sie ihnen dieselbe nur aus den im Gesetze ausdrücklich bestimmten Ursachen entziehen oder schmälern können; daß, wenn die gesetz­ mäßigen Ursachen nicht vorhanden sind, derjenige, welchem die Legitima gebührt, dieselbe aus dem Nachlasse vollständig erhalten müsse; daß aber auch in diesem Falle das Testament in allen übrigen Stücken seine Gültigkeit behalte und zu befolgen sei. Auf diese Art ist das Recht des­ jenigen, welchem die Gesetze eine Legitimam beilegen, mit der unstreitigen Befugniß eines jeden Testatoris, über den Rest seines Vermögens nach Gutfinden zu disponiren, vereinigt worden. Nun giebt es in dieser Theorie des Ges.B. noch einige einzelne Abweichungen von den Vorschriften des Röm. R., die einer näheren Erörterung zu bedürfen scheinen. 1. Das Quantum der Legitimae ist gegen die Vorschrift des Juris Romani verändert. Nach diesem ist der Pflichttheil Va der Erbschaft, wenn nur vier oder weniger Kinder, und die Hälfte, wenn mehr als vier Kinder vorhanden sind. Nach dem Ges.B., §. 392, ist Legitima ein Drittel bei einem oder zwei, die Hälfte, bei drei oder vier, und a/8 bei mehr als vier Kindern. Das Quantum legitimae ist nicht immer dasselbe gewesen. Vor dem Kaiser Justinian war die Legitima ohne Rücksicht auf die Anzahl der Kinder überhaupt ein Viertel. Justinian setzte die Quoten auf i/9 und die Hälfte, je nachdem mehr oder weniger Kinder da sind; weil natürlich die Erbportionen, wovon die Legitima partem quotam ausmacht, sich immer mehr verkleinern, je mehr Kinder dergleichen Portionen zu erhalten haben, und es also billig ist, daß danach die Quoten sich vergrößern müssen. Von diesem richtigen Grundsätze ist das Ges.B. aus- und nur noch einen Schritt weiter gegangen, indem es bei ein oder zwei Kindern */z, bei drei oder vier die Hälfte, und bei mehr als vier Kindern 2/s angenommen hat. Man hat dabei zugleich die Absicht gehabt, durch diese Abweichung vom Jure Romano einen Mittelsatz zu etabliren, in welchem vielleicht diejenigen Provinzen, in deren besonderen Gesetzen die Legitima anders bestimmt ist, wie z. B. in Preußen, wo sie gar 3/4 ausmacht, sich vereinigen würden. Die Absicht, warum die Gesetze den Kindern die Legitimam konservirt wissen wollen, ist doch unstreitig die: damit Kinder, die nach der Natur und der darauf gegründeten Jntestaterbfolge den ganzen Nachlaß ihrer Aeltern zu erwarten haben, dieser Hoffnung nicht ohne erheblichen Grund, aus bloßer Willkür oder Eigensinn des Vaters verlustig gehen, wenigstens so viel davon erhalten mögen, als nöthig ist, um in dem Stande, zu welchem sie geboren, in der Lebensart, dem Berufe oder Gewerbe, in welche sie durch Erziehung oder väterliche Bestimmung gesetzt worden, einige Unterstützung ihres weiteren Fortkommens zu finden. Darin liegt es, daß die Legitima nicht zu niedrig bestimmt werden müsse. Wenn die Tochter eines Adligen, der 50,000 Thlr. Kapital und 5 Kinder verläßt, statt der 10,000 Thlr., die sie ab intestato zu er25*

388

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 392, 393.

über ihr Vermögen unter den Kindern nach Willkühr zu verfügen, festgesetzt ist, versteht sich jedoch mit Vorbehalt des den Äinbern6e) zukommenden Pflichttheils §. 392. Der Pflichttheil ist, wenn nur Ein oder nur zwei Kinder vorhanden find, Ein Drittel; wenn drei oder vier Kinder vorhanden sind, die Hälfte, und wenn mehr als vier Kinder vorhanden sind, zwei Drittel desjenigen, was jedes Kind zum Erbtbeil erhalten haben würde, wenn die gesetzliche Erbfolge statt gefunden hätte68 * *).* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * 66 67 «arten hatte, nur •/, mit 6666% erhält, so ist sie schon schlimm genug, aber doch etwas bester daran, als wenn sie de Jure Romano nur 5000 Thlr. erhalten hätte. 2. Durch die sogenannte Cautelam Socini konnten Aeltern ihre Kinder in der Disposition über den Pflichttheil einschränken, wenn sie ihnen mehr als die Legitim am hinterließen. Dem Kinde aber steht frei, dies mehrere Erbtheil fahren zu lasten und die bloße Le^itimam, ohne die verordnete Einschränkung, zu wählen. Hiervon ist das Gesetzbuch, §. 430, darin abgegangen, daß, wenn Aeltern einem Kinde sein volles Erbtheil verkästen, dabei aber verfügen, daß selbiges für die Enkel erhalten werden solle, das Kind sich dieser Verordnung unterwerfen müsse und statt dessen den Pflichttheil nicht wählen könne. Diese Abweichung scheint durch die offenbare Billigkeit gerechtfertigt zu werden. Bei einer solchen Disposition liegt kein Haß oder Widerwille gegen das Kind, keine natürliche Begünstigung eines Fremden zu dessen Nachtheile, sondern höchstens nur ein Mißttauen in die Oekonomie und Sorgfalt des Kindes bei der Konservation deS ihm zugefallenen Vermögens zum Grunde. Ein Vater, der seinem eigenen Kinde 20,000 Thlr. von dem großväterlichen Vermögen entziehen und dieselben einem Fremden zukommen lassen wollte, bloß um mit diesem Opfer sich die freie Disposition wegen der übrigen 10,000 Thlr. zu erkaufen, würde durch diese Handlung selbst das Mißtrauen des Testatoris gegen seine Wirt­ schaftlichkeit oder gegen seine Zuneigung für sein eigenes Kind nur allzu sehr rechtfertigen, und verdient nicht, daß er dabei durch die Gesetze unterstützt werde. 3. Nach R. R. mußte die Querela inofficiosi testamenti innerhalb fünf Jahren anaestellt werden ; die Querela nullitatis aber, dauerte 30 Jahre. Im Ges.B. §. 440 ist die Frist zur Anstellung der Klage, wegen Enterbung, überhaupt auf 2 Jahre, nachdem der Enterbte Kenntniß davon erhalten hat, eingeschränkt. Der Grund der Abweichung liegt darin: weil einestheilS derjenige, welcher weiß, daß er enterbt worden, keine vernünftige Ursache haben kann, mit An­ stellung seiner Klage 5 oder gar 30 Jahre zu zögern, und weil anderentheils aus solcher Zögerung den übrigen Interessenten großer Nachtheil erwächst, indem sie über den Nachlaß nicht mit Sicherheit disponiren, sich mcht theilen, die Legate nicht berichtigen können rc., so lange sie noch nicht wissen: ob nicht vielleicht der Enterbte das Testament anfechten und durch ein erhaltenes obsiegliches Urtel eine gänzliche Veränderung in der Lage der Sache bewirken werde." (Jahrb. 41 S. 1633 H. Ueber das preußische Recht vgl. G. Fr. Gärtner, das Notherbenrecht in seiner Bedeutung und nach seinen Folgen im Allgemeinen Landrecht (unvollendet) in Simon'S Zeit­ schrift für wissenschaftliche Bearbeitung des preußischen Rechts 2 S. 392 u. flg.; Koch, preußisches Erbrecht §§. 44 flg. S. 447 u. flg.; G ruch o t, preuß. Erbrecht 3 S. 101; Zitelmann, die Natur des Pflichttheilsrechts und der Pflichttheilsklage nach preuß. Recht bei Gruchot 20 S. 321, und insbesondere M. Schultzenstein, Beiträge zur Lehre vom Pflichttheilsrecht, 2. Ausg. Berlin 1883. 66) Darunter werden hier alle ehelichen Abkömmlinge, welche zur unmittelbaren Erbfolge berufen sind, verstanden. Ohne Grund ist den Enkeln der Pflichttheil bestritten worden. (Jahrb. 13 S. 325.) Die §§. 348 und 437 gewähren den Enkeln das gleiche Recht wie den unmittelbaren Kindern. Das hat auch das O.Tr. I ausgesprochen in dem, sich auf die Descendenten eines unehelichen Kindes beziehenden Pr. 2273 v. 19. Febr. 1851, Entsch. 20 S. 310, unten in der Anm. zu §. 656 d. T., welches auf einer analogen Anwendung „dessen Rechts auf den Pflicht­ theU —, welches §§. 348, 391 den Abkömmlingen eines ehelichen Kindes gewähren", beruht; und in dem Pr. 2057 (Anm. 68 zu §. 392) ist der Grundsatz als ein unstreitiger angewendet. 67) Vgl. Anm. 92 zu §. 431 d. T. Hinsichtlich des westfäl. Prov.R. nach der Münsterschen Pol.Ordn. s. das Pr. 1818 in der Anm. 2 lit. e zu 8. 345 Tit. 1. 68) H. Zu Grunoe zu legen ist für die Frage, wer berechtigt ist, die Zeit des Todes, da mit dieser der Pflichttheilsanspruch erwächst. Das ist auch unstreitig, s. Schultzenstein a. a. O. S. 163. „Bei der Berechnung des Pflichtteils für Enkel und weitere Abkömmlinge sind die in den betteffenden Gesetzen in Betreff der Kinder getroffenen Bestimmungen in der Weise maßgebend, daß die Enkel und weiteren Abkömmlinge, ohne Rücksicht auf ihre Anzadl, niemals eine arößere Quote als Pflichttheil in Anspruch nehmen, als diejenige, welche ihrem verstorbenen Ascendenten als einem Kinde des Erblassers gebührt haben würde." Pr. 2057 des O.Tr. I v.

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

389

§. 393. Nur den wirklichen Betrag der erhaltenen Ausstattung, und der §. 328. beschriebenen Geschenke, ist ein Kind sich auf diesen Pflichttheil anrechnen zu lassen schuldiges). (§. 331. sqq.)

30. Okt. 1848, Entsch. 17 S. 305. H. Ueber die Begründung des an sich richtigen Präj. s. Förster, pr. Pr.R. 4 S. 62. H. Hinterläßt A. einen Sohn B. und 4 Enkel a, b, c, d eines vorverstorbenen Sohnes C., so ist der Pflichttheil dieser ein Drittel, nicht etwa Zweidrittel ihrer Jntestatportion; sind aber 4 Söhne und 1 Enkel eines verstorbenen Sohnes vorhanden, so beträgt der Pflichttheil des Letzteren Zweidrittel. H. Für die Berechnung des Pflichttheils ist das Vermögen des Erblassers zur Zeit des Todes zu Grunde zu legen. Spätere Zugänge, Abgänge kommen dabei nicht in Betracht. Diese berühren den Pflichttheilsberechtigten, abgesehen von dem Falle, in welchem er zum Erben eingesetzt ist, nicht, Schultzenstein a. a. O. S. 163 u. Dernburg 3 S. 552. Der Notherbe ist nicht berechtigt, Verzugszinsen von seinem Erbtheile zu fordern. Pr. 2620 des O.Tr. I v. 4. April 1855, Str. Arch. 16 S. 316; Entsch. 31 S. 30. H. So vom Stand­ punkt der Erbrechtstheorie (s. Anm. 93 zu g. 432 d. T.) aus. Betrachtet man dagegen den Pflichttheilsberechtigten als Forderungsberechtigten (s. a. a. O.), so ist dem eingesetzten Erben die Ueberlegungsfrist frei zu lassen (I. 9 §. 386), außerdem aber auch eine angemessene Frist zu gewähren, um die als Pflichttheil zu zahlende Summe aus dem Nachlaß flüssig zu machen, Schultzenstein S. 183 u. Dernburg 3 S. 572. Wenn der Verpflichtete darüber hinaus mit Entrichtung des Pflichttheils zögert, wird der Pflichttheilsberechtigte wie jeder andere Gläubiger Verzugszinsen fordern können. 69) Wenn ein auf den Pflichttheil Berufener mit ausgestatteten oder beschenken Geschwistern zusammentrifft, so kann er behufs Berechnung seines Pflichttheils die Einwerfung, d. h. Hinzu­ rechnung des Werths der Ausstattungen und Geschenke fordern, weil er sonst nicht seinen vollen Pflichttheil, in Vergleich mit den Zuwendungen und Erbtheilen der Uebrigen, erhalten würde. Bei Berechnung des Pflichttheils macht die neue Theorie von der Kollation Schwierigkeiten, zumal wenn der Pflichttheilserbe gleichfalls eine Ausstattung erhalten hat, welche er sich an­ rechnen lassen soll (g. 393). Dann giebt die Anrechnung kein richtiges Resultat, vielmehr muß man dann zur gemeinrechtlichen Einwerfung zurückkehren, um zunächst die richtige Gesammtsumme zu finden, von welcher der Pflichttheil gegeben werden muß, auf den das Empfangene dann anzurechnen ist. Zu vergl. das Erk. des O.Tr. I v. 12. Okt. 1848, Archiv f. Rechtsf. 4 S. 397. Das hier hingestellte Prinzip ist durch das Pr. 2620 dess. Sen. v. 4. April 1855, wie folgt, festgestellt: „Der Pflichttheil ist, wenn der Pflichttheilsberechtigte, oder die anderen Kinder, oder beide Theile Ausstattungen erhalten haben, und der Nachlaß zur vollständigen Ausgleichung der Ausstattungen ausreicht, so zu berechnen, als ob die kollationsfähigen Gegenstände, welche das eine oder das andere Kind empfangen hat, noch im Nachlasse vorhanden wären, und auf den dergestalt ermittelten Pflichttheil sind die Ausstattungen, und Alles, was auf den Sterbe­ fall zugewendet worden, oder sonst zu konferiren ist, in Anrechnung zu bringen." Entsch. 31 S. 30; Str. Arch. 16 S. 316. Gemeint ist damit, was ich vorhin dargelegt habe, wie die Gründe ergeben, aber die Fassung ist unzutreffend. Denn nicht bloß in dem Falle, wenn der Nachlaß zur Ausgleichung ausreicht,, ist die Einwerfung erforderlich, im Gegentheile: in diesem Falle ist es im Resultate ganz einerlei, ob das Ausgleichungsverfahren oder die Kollation ange­ wendet wird. Dagegen ist die Ausgleichung unmöglich und nur die Kollation anwendbar, wenn der Nachlaß zur vollständigen Ausgleichung der Ausstattungen nicht ausreicht. H. Der Ansicht des O.Tr. und Koch's sind auch Gruchot, Erbrecht 3 S. 131; Förster, pr. Pr.R. 4 S. 67; Dernburg 3 S. 557. Danach ist also folgende Berechnung aufzustellen, wenn A. 40,000 Thlr. und vier Kinder a, b, c, ä, von denen a und b je 1000 Thlr. Aus­ stattung empfangen haben und a nur den Pflichttheil erhalten soll, hinterläßt. Zu 40,000 sind hinzuzurechnen 2000 (Ausstattungen für a und b), macht 42,000, davon beträgt die Jntestat­ portion des a ein Viertel, 10,500, sein Pflichttheil die Hälfte dieser letzteren Summe, d. h. 5250. Auf diesen hat »er sich seine Ausstattung von 1000 anrechnen zu lassen und erhält dem­ nach 4250. EL Der Gesetzrevisor (Pens. 15 Mot. S. 306, 307) — vergl. auch Gerhard in Hinschius, Zeitschr. 2 S. 648 — davon ausgehend, daß die landrechtliche Kollation nur Aus­ gleichung, nicht Einwerfung sei, will, daß die Anrechnung auf den Pflichttheil durch die zunächst vorzunehmende Ausgleichung bewirkt werden müsse. Demnach sind (s. das vorhin angeführte Beispiel) von den 40,000 für die nicht ausgestatteten Kinder c und d je 1000 vorwegzunehmen. Es verbleiben also 38,000, davon beträgt der Pflichttheil ein Achtel, mithin 4750. Die erhaltene Ausstattung soll darauf nicht angerechnet werden, weil schon die Ausgleichung mit den unaus­ gestatteten Kindern erfolgt ist. Dies erscheint aber deshalb unrichtig, weil die Ausgleichung

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Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 394—405.

8- 394. Durch andere Anrechnungen können die Aeltern denselben nicht schmälern7o). §. 395. Hat jedoch der Erblasser für einen seiner Abkömmlinge Schulden, zu deren Anerkennung er nach den Gesetzen nicht verpflichtet war, dennoch bezahlt, so ist er das Gezahlte demselben auch auf seinen Pflichttheil anzurechnen wohl befugt71). §. 396. Alles was einem Kinde auf den Sterbefall, es sei unter welchem Namen es wolle, von den Aeltern zugewendet wird, ist auf den Pflichttheil anzu­ rechnen 7t). noch nicht Anrechnung auf den Pflichttheil ist, H. so auch Schultzenstein a. a. O. S. 118 Rote 3. H. Spangenberg endlich (bei Gruchot 17 S. 383; die Abhandlung ist auch be­ sonders unter dem Titel: Kalkulatorische und rechtliche Bedenken aegen die Anwmdbarkeit der Einwurf-Methode bei Berechnung des Pflichttheils, Glogau 1872, erschienen) will erst eben so wie der Gesetz-Revisor die Ausgleichung, demnächst die Berechnung des Pflichttheils von der verminderten Masse vorgenommen wissen, er hält aber den Pflichttheilsberechttgten für verbunden, fich auf den so berechneten Pflichttheil die Ausstattung anrechnen zu lassen, d. h. es würde in dem vorstehenden Beispiel der Pflichttheil 4750 — 1000, mithin 3750 betragen. Diese letztere Methode ist m. E. die richtige, denn keine Vorschrift ves Landrechts berechttgt, die für die Jntestaterbfolge aufgegebene römische Einwerfungsmethode hier bei der Berechnung des Pflichttheils anzuwenden; des näheren vergl. Gerhard a. a. O. S. 657 und Spangenberg a. a. O. S. 409ff. „Bei Berechnung des gesetzlichen Erbtheils behufs Feststellung des Pflichttheils eines Kindes müssen alle die gesetzliche Erbfolge ausschließenden oder beschränkenden Verfügungen für den Todesfall unberücksichtigt bleiben, und ohne weitere Erörterung, ob die eine oder andere der­ selben dem Pflichttheilserben zum Vortheile gereichen würde; es muß jener Berechnung lediglich die gesetzliche Erbfolge zum Grunde gelegt werden. Daß zu solchen, diese gesetzliche Erbfolge abändernden Verfügungen auch Verträge der Eheleute gehören, so fern dem Ueberlebenden für den Todesfall des anderen Ehegatten gewisse Rechte und Vortheile ein­ geräumt werden, kann nicht zweifelhaft sein, solche Eheverträge sind dann auch Erbverträge. Ist der überlebende Ehegatte durch einen Erbvertrag abgefunden, so ist er von der Theilnahme an der Erbschaft nicht ausgeschlossen, es wird in dem Falle des §. 392 bei Ermittelung des gesetzlichen Erbtheils der Kinder der Erbvertrag als nicht vorhanden angesehen und der über­ lebende Ehegatte als gesetzlicher Erbe mitgezählt." Erk. des O.Tr. I v. 21. Juni 1867, Str. Arch. 66 S. 342, 345 und Entsch. 58 S. 308. Im Erfurter Gebiet ist die Churmainzische Verordnung v. 1704, so weit sie den Pflichttheil der Kinder betrifft, seit Einführung des L.R. im Erfurter Gebiete außer Kraft gesetzt. Erk. des O.Tr. I v. 5. Nov. 1851, Entsch. 22 S. 109. 70) Der Pflichttheilserbe ist an die Bestimmung des Erblaffers, daß er sich alles bei deffen Lebzeiten von demselben Empfangene anrechnen lassen solle, nur in so fern gebunden, als die Gesetze eine solche Anrechnung verordnen und das Empfangene als Vorauszahlungen auf den Pflichttheil ebenfalls angesehen wissen wollen, daher nicht an eine Bestimmung, daß er die Kosten der Erziehung, Verpflegung und Equipirung seiner Kinder aus eigenen Mitteln zu be­ streiten habe, so weit die Revenüen des eigenthümlichen freien Vermögens der Kinder dazu aus­ reichen, Erk. des O.Tr. I v. 17. Sept. 1851, Str. Arch. 2 S. 350. 71) Befugt, der Erblasser kann die Anrechnung vorschreiben; wenn er das nicht thut, so können die Miterben die Anrechnung nicht fordern, so auch Erk. des O.Tr. I v. 15. Mai 1857, Str. Arch. 25 S. 113. Die Verordnung macht aus guten Gründen keinen Unterschied zwischen gülttgen und ungültigen Schulden, man darf sie also auch nicht auf gültige Schulden beschränken. Die Ehre des Namens, zu deren Erhaltung mancher Vater ungültige Schulden bezahlt und bezahlen muß, ist ein hinlänglich gewichtiges Motiv, gewisse Schulden zü tilgen und den Sohn durch Anrechnung derselben zu strafen. — Auch Enkel, welche die Großältern unmittelbar be­ erben, müssen sich eben das auf den Pflichttheil anrechnen lassen, was der Verstorbene ihrer Aeltern, wenn er Erbe seiner Aeltern geworden wäre, sich hätte anrechnen lassen ttüffen. Es macht keinen Unterschied, wenn die Enkel nur Benefizialerben ihrer Aeltern geworden sind, s. das cit. Erk. 72) Wenn ein Pflichttheilsberechtigter mit einem bloßen Legate oder sonst mit einer be­ stimmten Summe bedacht wird, so ist er als wahrer Erbe gleichwohl berechtigt, ton dem im Besitze der Erbschaft befindlichen Erben die Vorlegung eines eidlich zu bestärkenden Jrventariums zu verlangen, um prüfen zu können, daß er im Pflichttheile nicht verkürzt sei. Zu vergl. der

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

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§. 397. Gerade, Niftel, Heergeräthe, Lehne, Fideicommisse, und überhaupt Alles, was die Kinder nicht von den Aeltern, sondern nur durch die Aeltern er­ halten, ist darunter nicht mitbegriffen. §. 398. Der Pflichttheil kann mit Bedingungen oder anderen Einschrän­ kungen 'nicht belastet werden. §. 399. Doch sollen die Aeltern zur gänzlichen Enterbung eines Kindes be-Von der Entrechtigt sein: 1) wenn dasselbe des Hochverrats, oder des Lasters der beleidigten crblllt0Majestät gegen die Person des Oberhauptes^) im Staate, schuldig erkannt worden; §. 400. 2) Wenn es Einem der leiblichen oder Stief-Aeltern 75 * *) * *nach * * * *dem * * * * * * * * * * 73 74 Leben getrachtet hat; §. 401. 3) Wenn es Einen der leiblichen Aeltern eines Verbrechens, auf welches eine härtere als Geld- oder bloße bürgerliche Gefängnißstrafe verordnet ist, wider besseres Wissen, fälschlich in Gerichten angeschuldigt hat; §. 402. 4) Wenn es sich an Einem der leiblichen Aeltern mit Thätlichkeiten, außer dem Falle einer wirklichen Nothwehr, vergriffen hat; §. 403. 5) Wenn es die Ehre des Erblassers 76) mit groben Schmähungen 77) angetastet hat. §. 404. Ob die §. 400—403. beschriebenen Beleidigungen den Aeltern von dem Kinde unmittelbar, oder durch Andere7^) zugefügt worden, macht keinen Unterschied. • §. 405. 6) Wenn Kinder mit dem anderen Theile der leiblichen oder StiefAeltern blutschänderischen oder ehebrecherischen Umgang gepflogen 79) haben; Besch, des J.M. v. 4. Mai 1840, J.M.Bl. S. 155. Dort wird noch gesagt, daß der Pflichttheils­ erbe eine Exnexuation gegen die Ansprüche der Erbschaftsgläubiger nicht fordern könne, weil mit den Letztern nicht er, sondern nur die Erben im Rechtsverhältnisse ständen. Der Ausspruch ist zweifelhaft, der Grund aber nicht. Es ist von dem Willen des Testators völlig unabhängig: ob der Notherbe wahrer Erbe oder nur Legatar sein solle, der Erblasser hat gar keine Macht, jenem die Erbesqualität zu nehmen und ihn zum Legatar zu machen: der Notherbe ist eben Erbe wider den Willen des Erblassers, nur muß er sich Alles, was er von dem Erblasser, unter was für einem Titel immer, erhält, anrechnen lassen. Vergl. Anm. 93 zu §. 432 u. Anm 96 zu §. 433. Das O.Tr. I hat die gewöhnliche Meinung als geltenden Rechtsgrundsatz anerkannt: Der auf den Pflichttheil, .als einen bestimmten Theil des Nachlasses, eingesetzte Pflichttheilserbe gilt als Erbe im gesetzlichen Sinne; der Pflichttheilsberechtigte, welchem der Pflichttheil in einer bestimmten Sache oder Summe ausgesetzt ist, ist als Legatar anzusehen. Erk. v. 28. April 1864, Str. Arch. 54 S. 123. Der zweite Theil ist nicht ganz unbedingt richtig. Vergl. Anm. 93 zu §. 432 u. Anm. 96 zu §. 433. Ein Legat kann sich nicht vergrößern, ein Pflichttheil kann es möglicherweise durch Zuwachs, wenn eins der mehreren Kinder (§. 392) die Erbschaft ausschlägt und nun die zum Pflichttheil ausgesetzte Summe unzulänglich ist. H. Diese Ausführungen Koch's, welchen nicht beigetreten werden kann, hängen mit der von ihm zu Unrecht vertheidigten Erbrechtstheorie zu sammen, s. die eit. Anm. 93. 73) H. Z. B. einer Substitution, R.G. IV v. 17. Nov. 1879, Gruchot 24 S. 499, Annal. 1 S. 105. 74) Nicht auch, im Falle einer Regentschaft wegen Minderjährigkeit des Oberhauptes, gegen die Person des Regenten. 75) Auf uneheliche Kinder beschränkt sich die Anwendung dahin, daß nur die Mutter wegen eines Attentats gegen ihre Person, nicht auch wegen eines gegen ihren Ehemann (I. 1 §. 44) zur Enterbung berechtigt ist. Ob auch ein Attentat gegen den natürlichen Vater als Enterbungs­ ursache für die Mutter gilt, kann bezweifelt werden, da der Vater doch immer ungewiß ist. Doch läßt sich die Bejahung durch die Fassung des Gesetzes begründen, wenn der Vater gehörig ausgemittelt ist. H. So auch Gruchot, Erbrecht S. 157 u. Dernburg 3 S. 559. 76) Dieser Enterbungsgrund ist nur dem unmittelbar Beleidigten, nicht auch dem anderen Parens gegeben. Erk. des O.Tr. I v. 9. Dez. 1864, Entsch. 54 S. 211. Vergl. Koch, Erb­ recht §. 49 Nr. II. 1 S. 508. 77) Grobe Schmähungen sind als bloße Thatsachen nach erfolgter Beweisaufnahme durch Befinden des Richters festzustellen; durch Nechtsgrundsätze und deren Anwendung lassen sie sich nicht herausbringen. 78) Bezieht sich auf die intellektuelle Urheberschaft.

392

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 406—422.

8 406. 7) Wenn daS Kind durch grobe79 80) Verbrechen dem Erblasser einen beträchtlichen Theil seines Vermögens entzogen hat81).82 83 84 §. 407. Für oeträchtlich wird ein solcher Schade angesehen, wenn er wenig» stens den Betrag des dem Kinde sonst zukommenden Pflichttheils erreicht8^. §. 408. 8) Wenn das Kind den Erblasser, als derselbe nothleidend gewesen, nicht hat unterstützen wollen8S). §. 409. 9) Wenn es, bei erhaltener ehrbarer Erziehung, durch grobe Laster, schändliche Aufführung, oder durch die Wahl einer niederträchtigen Lebensart, sich bei seinen Standesgenossen öffentlich entehrt hat"). §. 410. Nur aus diesen §. 399—409. angeführten, nicht aber aus anderen, wenn auch denselben gleich oder ähnlich scheinenden, Ursachen kann die gänzliche Enterbung eines Kindes statt finden85). §. 411. Aus eben diesen Ursachen können die Seltern dem Kinde den Pflicht» theil schmälern. §. 412. Daß Aeltern ein Kind, welches ohne ihre ertheilte, oder von dem Richter ergänzte Nnwilligung heirathet, bis auf die Hälfte des Pflichttheils ent» erben können, ist im ersten Titel §. 996. 998. 1000. verordnet. §. 413. ®in Gleiches findet statt, wenn ein Kind durch unehelichen Beischlaf die Nnwilligung der Aeltern in seine Heirath86) erzwingen wollen. 79) Das Gepflogenhaben setzt Willensfreiheit voraus, schließt mithin die verbrecherische Nöthigung und Verführung aus. H. Hierher gehört auch der ehebrecherische Umgang der un­ ehelichen Tochter der Mutter mit dem Ehemanne der letzteren, THümmel, Errichtung des letzten Willens nach preuß. Recht S. 148; Gruchot, Erbrecht 3 S. 160. 80) Zu vergl. II. 1 §. 704. 81) Z. B. wenn es den Aeltern die Gebäude anzündet. Die Entwendung eines be­ deutenden Kaffenbestandes würde kein „grobes Verbrechen" sein. Der Gedanke ist nicht klar. Die siebente Enterbungsursache der Nov. 115 c. 3, an welche man vielleicht gedacht hat, ist, wenn es den Aeltern durch Anzeige bei Gericht beträchtlichen Schaden zugefügt hat. Dem hier ge­ nannten Mittel (delatio) ist „grobe Verbrechen" substituirt. Durch Begehung derselben gegen Dritte kann den Aeltern schwerlich beträchtlicher Schaden zugefügt werden, da die Aettern für den Schaden, welchen das zurechnungsfähige Kind anrichtet, in der Regel nicht einstehen. H. Suarez giebt in der revisio momtorum zu diesem §. das Beispiel: „wenn der Sohn dem Vater die Kasse bestiehlt und ihn dadurch um das Amt bringt", Borne mann 6 S. 193, was allerdings auch unter §. 409 fallen würde. 82) Ein geringerer Schaden ist gar keine Enterbungsursache, folglich kann er dem Kinde auch nicht auf den Pflichttheil angerechnet werden. 83) Das Wollen ist der Gegensatz vorn Können. Die Aufforderung ist immer erforderlich; das Nothleiden ist eine Thatsache, die der Verpflichtete nicht wissen kann oder zu wissen nicht schuldig ist. H. Wenn er sie aber wußte, so kann der Fall auch so gestaltet sein, daß eine Auf­ forderung entbehrlich erscheint. 84) Hiernach ist aus der Nov. 114 die 4te (wenn das Kind mit Giftmischen als Gift­ mischer verkehrt), die 10 te (wenn das Kind honetter Leute wider den Willen der Aeltern unter die Arenarien und Pantomimen sdie infam roaren] geht), und die 11 te (wenn die Tochter oder Enkelin bei ehrbarer Erziehung sich der Unzucht ergiebt), ausgeschieden. Ob die öffentliche Ent­ ehrung bei den Standesaenosien durch eins der bezeichneten Mittel stattgefunden habe, ist wie eine Thatsache durch Befinden des Richters festzustellen. Zutreffend sagt Suarez in der rev. mon., daß auch nicht jedes grobe Verbrechen eine gerechte Enterbungsursache sein könne. Seinen Gegner im Duell tobten, sei ein grobes Verbrechen, aber nicht eine gerechte Ursache der Enterbung. Es komme nicht aus ein einzelnes Verbrechen an, sondern auf solche Lerderbniß der Sitte und Lebensart, die einen niederträchtigen und malitiösen Charakter bezeichnet. (Ges.Rev. Pens. 16 S. 310.) H. Wenn z. B. ein Offizier kassirt worden, ein Mädchen öffentliche Dirne geworden ist. Voraussetzung ist aber, daß die betreffende Person eine ehrbare Erziehung erhalten hat. Daher kann sie das Gegentheil im Falle ihrer Enterbung geltend machen. 85) H. Es ist aber nicht nöthig, daß der Enterbende die Ursache der Enterbung genau mit denselben Worten bezeichnet, deren sich das Gesetz bedient, vielmehr kommt es allein auf die Gesetzmäßigkeit des Enterbungsgrundes an, Erk. des O.Tr. I v. 18. März 1870, Entsch. 63 S. 231; Str. Arch. 77 S. 382. 86) Nach dem R. des J.M. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 476, soll hier hinter „Heirath"

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

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§. 414. Die in einem Testamente geschehene Enterbung besteht so lange, als der Erblasser dies Testament nicht widerrufen, oder seinen Willen, die Enterbung wieder aufzuheben, nicht deutlich erklärt hat. §. 415. Dergleichen Erklärung muß, in Ansehung der äußern Form, wenig­ stens mit den bei einer letztwilligen Verordnung unter Kindern §. 380. vorge­ schriebenen Erfordernissen versehen sein. §. 416. Die bloße Versöhnung mit dem Kinde, so wie dessen Wiederaufnehmung in das väterliche Haus, ist für einen Widerruf der Enterbung noch nicht zu achten. §. 417. Ein rechtmäßig enterbtes Kind wird bei Berechnung des Pflicht­ theils der übrigen mitgezählt. §. 418. Aus eben den Gründen, warum Aeltern ihren Kindern den Pflicht­ theil zu nehmen oder zu schmälern berechtigt sind, können sie auch denselben mit Bedingungen belasten, oder die Verfügung des Kindes darüber sowohl unter Lebendigen, als von Todes wegen, einschränken. §. 419. Außerdem können Aeltern die Kinder in der Verfügung über den Von der EntPflichttheil 87) alsdann einschränken, wenn das Kind dergestalt in Schulden t)er= guStb^t sunken ist, daß durch selbige sein Pflichttheil ganz, oder doch so weit, daß ihm davon der nöthige Unterhalt nicht übrig bliebe, verzehrt werden würde. §. 420. Ferner alsdann, wenn das Kind sich einer unordentlichen und ver­ schwenderischen Wirthschaft schuldig gemacht hat. §. 421. Endlich, wenn ein Kind, wegen Wahn- oder Blödsinnes, seinen Sachen selbst vorzustehen, unfähig ist. §. 422. In allen Fällen aber muß die gesetzmäßige Ursache der Einschränkung ausdrücklich angeführt sein88). ein „hat" eingeschaltet werden. Das ist nicht nothwendig. Der Mangel des „hat", der sich schon im G.B. findet, ist weder ein Redaktions-, noch ein Druckfehler; die Unterdrückung des Hülfsworts ist in Sätzen wie der vorliegende nicht ungebräuchlich. So sagt z. B. das O.Tr. sehr sprachrichtig in Entsch. 15 S. 315: — „einig, daß die dem Kl. ausgesetzte Rente eine weit größere Rente gewährt, als der Kl. zu genießen erwarten konnte, wenn er bloß den Pflicht­ theil erhalten sollen." 87) Der Pflichttheil muß mindestens hinterlassen werden. Das schließt aber nicht aus, daß dem in guter Absicht Beschränkten noch ein höherer Betrag als gerade der Pflichttheil zu­ gewendet werden darf, d. h. die beschränkende Verordnung nimmt dadurch, daß mehr als der Pflichttheil zugewendet worden ist, keinen anderen rechtlichen Charakter an, wenn sonst die Er­ fordernisse der Enterbung aus guter Absicht (§§. 422 ff.) beobachtet worden sind, namentlich kann dem Beschränkten alsdann nicht ein Wahlrecht, wie es der §. 430 auf den dort voraus­ gesetzten Fall einräumt, zugestanden werden, Erk. des O.Tr. I v. 27. Juni 1856, Entsch. 33 S. 97. 88) Das L.R. schließt sich dem G. R., wie es über die exheredatio bona mente aufgefaßt wird, an und nennt die Beschränkung im Pflichttheile, wovon hier in den §§. 419 ff. gehandelt wird, auch Enterbung aus guter Absicht. (§. 515.) Man versteht darunter eine, das eigene Beste des Enterbten'bezweckende Enterbung, und hält sie wegen Verschuldung, Verschwendung und Gemüthskrankheit für zulässig, welche drei Gründe das L.R. ausgenommen hat, unter Be­ stätigung des Satzes, daß auch eine solche Enterbung nur ex causa justa et adjecta gültig ge­ schehen kann. Sie muß aber, wenn sie geschehen soll, bestimmt ausgesprochen werden. Darauf gründet sich das Erk. des O.Tr. v. 22. Febr. 1847: „Die Befugniß eines pflichttheilsberechtigten Kindes, an die Stelle dessen, was ihm im älterlichen Testamente ausgesetzt worden, den Pflicht­ theil zu verlangen, wird dadurch allein noch nicht ausgeschlossen, daß der Inhalt des Testaments entnehmen läßt, der Testator habe eine Enterbung aus guter Absicht anzuordnen im Sinne ge­ habt." Entsch. 15 S. 304. H. Die Voraussetzungen der Enterbung aus guter Absicht müssen zur Zeit des Todes des Erblassers vorliegen, sonst ist die Enterbung a. g. A. unstatthaft, s. Ges.Rev. Pens. 16 S. 313. Die Frage: wer bei der Enterbung aus guter Absicht die Beweislast in Ansehung der an­ geführten Ursache habe, entscheidet weder das R. R. noch das L.R., auch sind die Rechtsgelehrten

394

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 423—431.

8- 423. AuS einer solchen gesetzmäßigen Ursache können Aeltern dem Lände die Verfügung unter Lebendigen, auch in Ansehung des Pflichttheils, gänflich untersagen. §. 424. Sie können verordnen, daß die gegenwärtigen und künftigen Gläu­ biger des Kindes sich an die Substanz des Erbtheils zu halten nicht berechtigt sein sollen. §. 425. Sie können aber dem Kinde den Nießbrauch des Pflichttheils nicht entziehen. §. 426. Auch können sie dasselbe in der Verfügung auf den Todesfall, in Ansehung des Pflichttheils, nur zum Besten seiner Abkömmlinge einschränken. §. 427. Doch können sie ihm, wenn es ohne Kinder versterben sollte, seine Geschwister, und deren Abkömmlinge, auch im Pflichttheil substituiren. §. 428. Wenn Aeltern ihre Kinder solchergestalt in der Verfügung über ihren Antheil eingeschräntt haben: so muß der Richter 89 * *) * dergleichen *** Einschränkungen auf die unbeweglichen Güter einttagen lassen; dieselben öffentlich bekannt machen; auch nach Befinden der Umstände dem Kinde einen Curator bestellen. §. 429. Auf den nach §. 425. dem Kinde verbleibenden Nießbrauch können die Gläubiger deffelben nur in so fern Anspruch machen, als er es zum nothdürfttgen Unterhalte des Kindes nicht erforderlich ist90). aus der Zeit des L.R. darüber in Zweifel. Glück, Kommentar 7 S. 264. Das O.Tr. I hat eine Rechtsvermuthung gegen den Enterbten angenommen und diesem den Gegenbeweis zugemuthet. Erk. v. 27. Juni 1856, Entsch. 33 S. 104, Str. Arch. 21 S. 328. H. Eine solche Vermuthung hat aber keinen gesetzlichen Anhalt und daher muß der eingesetzte Erbe den Grund beweisen, s. Gruchot, Erbrecht 3 S. 184; Korsch, pr. Anw.Zeit. 1862 S. 230; Förster pr. Pr.R. 4 S. 81 Note 179; Dernburg 3 S. 573. 89) Der Erbschaftsrichter. Dieser muß die erforderlichen Requisitionen an das Grundbuch­ amt um Eintragung und, wenn es einer Bevormundung bedarf, die erforderliche Mittheilung an den persönlichen Richter des betroffenen Erben behufs Einleitung der Pflegschaft erlassen. H. S. hierzu auch Johow, Jahrb. d. App.Ger. 5 S. 143. Die Eintragung gehört übrigens in die Abtheilung II des Grundbuch-Blattes, §.11 des Ges. v. 5. Mar 1872 (Zus. zu I. 10 §. 20) und §.11 der Grund.Ordn. Vgl. auch Turn au b. Gruchot 20 S. 781. 90) Diese Ausschließung ist außer dem Falle einer rechtlich begründeten und gültigen Ent­ erbung aus guter Absicht nicht zulässig, ausgenommen hinsichtlich dessen, was über den Betrag des Pflichttheils hinterlaffen wird. Denn ein Erblasser, der weder den Erben noch deren Gläu­ bigern irgendwie verpflichtet ist, kann gültiger Weise bestimmen, daß die eingesetzten Erben weder direkt noch indirekt durch kontrahirte Schulden, seiner Absicht zuwider, über das Erbrecht ver­ fügen, dasselbe belasten und durch ihre Handlungen, seinem Zwecke entgegen, nicht zu der eigenen Sustentation, sondern zu anderen Bestimmungen verwenden. Daher kann der Testator be­ stimmen, daß die nicht abgehobenen, jährlich zur Theilung zu bringenden Revenüenantheile, sowie das Rutzungs- und Stiftungsrecht selbst, dem Arrestschlage und der Exekution seitens der Gläu­ biger der Erben nicht unterworfen sein sollen. Erk. des O.Tr. III v. 6. Juli 1859, Str. Arch. 36 S. 30. Ueber die Frage: ob den Aeltern eines aus guter Absicht enterbten Kindes, welchem nicht bloß der Nießbrauch seines Pflichttheils, sondern der Nießbrauch seines ganzen Erbtheils hinter­ laffen ist, die Befugniß zustehe, die Gläubiger des Kindes davon gänzlich auszuschließen, ent­ halten die §§. 425, 429 keine Bestimmung. Diese Paragraphen sind daher durch die Bejahung der Frage in dem vorgelegenen Falle nicht verletzt worden. Erk. des O.Tr. I v. 15. Sept. 1862, Entsch. 48 S. 237. H. Gegen diese Entscheidung haben sich erklärt Koch, Erbrecht S. 516; Gruchot, Erbrecht 3 S. 186; Förster, pr. Pr.R. 4 S. 74. Dafür P. HinschiuS, pr. Anw.Zeit. 1863 S. 327 u. Dernburg 3 S. 564. Das O.Tr. I ist auch bei seiner Auffassung verblieben, s. Erk. v. 17. Juni 1872, Str. Arch. 85 S. 249. Das R.G. I H. v. 10. Febr. 1880, Entsch. 1 S. 175, hat die Frage nicht entschieden, sich vielmehr nur dahin aus­ gesprochen, daß eine Verordnung des Erblassers, daß die Gläubiger nicht befugt sein sollen, den Erbtheil zum Gegenstände der Befriedigung zu machen, ohne gleichzeitige Einschränkung des Erben in seinem Verfügungsrecht über den Erbtheil, den Gläubigern gegenüber keine Wirkung habe. Vgl. übrigens über die zuletztaedachte Frage auch O.Tr. I v. 21. Juni 1878, Entsch. 82 S. 104, welches von der Auffassung oes R.G. abweicht. Wenn das Kind den nothdürfttgen Unterhalt, wenngleich nur aus anderen Einkünften be-

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

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§. 430. Verlassen Aeltern einem Kinde sein volles Erbtheil: verfügen aber dabei, daß selbiges für die Enkel erhalten werden soll: so muß das Kind sich dieser Verordnung unterwerfen, und kann statt dessen den Pflichttheil nicht wählen91). . §. 431. Alle letztwilligen Verfügungen, wodurch den Kindern ihr Pflichttheil genommen, geschmälert, oder belastet werden soll92), müssen, bei Strafe der Nichtig­ keit, in der Form eines wirklichen Testaments abgefaßt sein; und die Form einer privilegirten Disposition unter Kindern ist dazu nicht hinreichend 92 a).

zieht, die durch gültige Verordnung des Vaters von den Ansprüchen der Gläubiger ausgeschlossen sind, so kann der Nießbrauch des Pflichttheils desselben von den Gläubigern in Anspruch ge­ nommen werden, Erk. des O.Tr. I v. 21. Jan. 1861, Entsch. 45 S. 221. Zinsenrückstände eines zum nothdürftigen Unterhalte des Schuldners bestimmten Kapitals unterliegen grundsätzlich keiner anderen Beurtheilung als die laufenden Zinsen und bedarf es daher seitens des Schuldners dem Exekutionsantrage des Gläubigers gegenüber nicht des Be­ weises, daß er über die Zinsrückstände zur Deckung von Vorschüssen zum Zwecke seines Unter­ halts bereits anderweit verfügt habe. Erk. des O.Tr. IV v. 8. Nov. 1853, Str. Arch. 10 S. 287. 91) Dieser Satz ist dem gemeinen Rechte ganz unbekannt und an sich eine Anomalie gegen das Prinzip des Zwangserbenrechts. Etwas Aehnliches im R. R. ist die Erbeseinsetzung sub cautela Socini, d. h. eine Einsetzung auf einen nach der Meinung des Testators größeren oder vortheilhafteren Erbtheil als den Pflichttheil, unter Beschränkungen und Belastungen. Diese muß der Eingesetzte sich gefallen lassen, wenn er die Erbschaft annimmt. Aber er ist nicht ver­ pflichtet, sie anzunehmen; er kann sie ausschlagen und contra tabulas succediren, d. h. seinen Pflichttheil fordern. Eine solche Verfügung des Erblassers und eine solche Wahl des Eingesetzten ist zwar auch nach dem L.R. zulässig, die letztere aber nicht unbedingt, sondern nur dann, wenn nicht das volle Erbtheil verlassen ist. In neuerer Zeit ist in Frage gekommen: ob nach dem L.R. ein Pflichttheilsberechtigter, welchem mehr als sein Pflichttheil zugedacht ist, aber unter Beschränkungen, seinen Pflichttheil unbeschrävkt, und darüber hinaus auch noch das Plus mit der aufgelegten Beschränkung fordern dürste. Diese Frage wird bejaht von Gruchot, Erbrecht 3 S. 144 und Brüning in Hinschins, Zeitschr. 1 S. 757; richtiger Weise verneint vom O.Tr. I Erk. v. 15. April 1864,^ Entsch. 52 S. 164; Gerhardt bei Gruchot 13 S. 406. Auch Brüning ist später auf diese Seite getreten, s. Hinschius, Zeitschr. 2 S. 617. H. Für die zukünftigen Enkel ist nöthigenfalls ein Pfleger zu bestellen, welcher eventuell die Kautionsbestellung seitens des Fiduziars zu betreiben hat, Johow, Jahrb. d. App.Ger. 7 S. 83. 92) Vergl. Anm. 53 zu §. 379. 93a) Die Nichtigkeit trifft nur die Verfügung, wodurch der Pflichttheil entzogen oder ge­ schmälert wird; in allen anderen Stücken bleibt die formell gültige letztwillige Verordnung bei Kräften. S. auch Pr. 1650 des O.Tr. v. 20. Nov. 1845: „Wenn in einer an sich formell gül­ tigen dispositio parentum Inter liberos ein Kind in seinem Pflichttheile geschmälert oder belastet worden ist, so besteht die rechtliche Folge nicht darin, daß die ganze letztwillige Ver­ fügung nichtig wird, sondern nur darin, daß die darin enthaltene Verfügung, soweit als solche den Pflichttheil schmälert oder belastet, außer Kraft tritt; das gravirte Kind darf mithin in solchem Falle nicht die Ausantwortung seines vollen gesetzlichen Erbtheils, sondern nur die Er­ gänzung des Pflichttheils verlangen."' Ulrich, Arch. 12" S. 236. Die Frage hätte sollen durch das Plenum entschieden werden, denn in der Entscheidung v. 27. Sept. 1841 war gerade das Gegentheil ausgesprochen, a. a. O. S. 235. (H. Vgl. auch S chultz enst ein, Beiträge zur Lehre vom Pflichttheilsrecht. 2. Ausg. Berlin 1883 ©.'79), s. auch Anm. 54 zu §. 379 d. T. (H. Mit dem eit. Pr. stimmen aber O.Tr I v. 7. Nov. 1859, Entsch. 42 S. 256 u. v. 5. Dez. 1860, Str. Arch. 39 S. 279 nicht überein, welche das Anfechtungsrecht wegen Mangels der Testamentsform davon abhängig machen, daß die Disposition bezwecke, den Kindern ihren Pflichttheil zu nehmen oder zu schmälern.) Wenn jedoch der im Pflichttheile Verletzte mehr­ erhalten muß, als ihm in der privilegirten Disposition zugedacht ist, so kann es unmöglich bei der darin vorgeschriebenen Vertheilung bleiben, vielmehr muß nothwendig sich auch diese ändern. H. Aus dieser Vorschrift folgt, daß die in einem formell gültigen Testamente ausgesprochene Pflichttheilsverletzung nicht ipso jure oder absolut nichtig ist.

896

Rechtliche Folnen einet

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§. 482.

§. 432. Behauptet ein in seinem Pflichttheil enterbtes, verkürztes, oder

nribergefefr

ffllh erbotn eKer 93) In der Bestimmung der rechtlichen Folgen der gesetzwidrigen Enterbung oder UeberUebers aehung find die Berf. des L.R. von den Grundsätzen des R. R. bedeutend abgewichen. Sie gehung"). sagen darüber in einer Anm. zum gedr. Entwürfe Th. I Abth. 1 S. 211: „Die hier folgenden Dispositionen weichen hin Und wieder von den Vorschriften des römischen Rechts ab. Rach diesem, und nach der gemeinen Meinung seiner Ausleger ist, wenn ein Kind übergangen, oder ohne gesetzmäßige Ursache enterbt worden, das ganze Testament unkrästig; und ist die Enterbung aus einer zwar gesetzmäßigen, aber in Fakta nicht gegründeten Ursache geschehen, so wird wenigstens die ganze Erbeseinsetzung aufgehoben. Diese Dispositionen haben in der Natur der Sache keinen Grund. Daraus, daß Äeltern den Kindern ihren Pflichttheil nicht sollen entziehen können, folgt offenbar nur soviel, daß, wenn sie solches dennoch thun, die Dispositton, so weit sie gesetz­ widrig ist, ungültig sei, und also den verkürzten Kindern zu dem, was das Gesetz ihnen anweist, verhalfen werden müsse. Nicht aber folgt daraus eine Nichtigkeit der Verordnung, so weit sie dem Gesetze nicht zuwider ist. Noch weniger läßt es sich aus der Natur der Sache herleiten, daß um deswillen, weil in der Person des Erben eine Veränderung vorgefallen, die im Testa­ mente enthaltenen Vermächtniffe rc. unkrästig werden müßten. Nur so viel kann das Gesetz mit Grund vermuthen, daß der Erblaffer, wenn er sich den Fall einer Schwächung der Maffe durch den von dem enterbten Kinde hinweg zu nehmenden Pflichttheil gedacht hätte, den Testaments­ erben mit Legaten und anderen Abgaben weniger belastet haben würde; woraus folgt, daß die Abfindung des Kindes mit seinem Pflichttheile nicht den Erben allein, sondern auch die Legatarien, nach Verhältniß ihrer Theilnehmung an der Masse, treffen müsse. Nur in den Fällen der §§. 329 u. 331 (§§. 444, 450, 454), wo der Erblaffer die Existenz eines Kindes, zur Zeit des errichteten Testaments, nicht gewußt hat, läßt sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestimmen: was er gethan haben würde, wenn ihm solches bekannt gewesen wäre. Hier bleibt also nur der Ausweg übrig, die Disposition ganz aufzuheben, und die gesetzliche Erbfolge ein­ treten zu lassen." Man hat indeß doch nicht die Aufhebung verfügt, sondern willkürliche Bestim­ mungen in den §§. 444 u. f. getroffen. Zu vergl. Anm. 13 zu II. 1 §. 633. H. Die rechtliche Natur des Pflichttheilrechts ist eine der Hauptkontroversen des preu­ ßischen Erbrechts. Im Landrechte fehlt es an jeder ausdrücklichen Bestimmung darüber. Ebenso wenig läßt sich darüber etwas Entscheidendes aus den Materialien entnehmen, und auch der Sprachgebrauch des Landrechts ist ein so schwankender, daß er gleichfalls zur Entscheidung der Kontroverse nicht verwerthet werden kann (vgl. über Alles Schultzenstein (Anm. 65 zu §.391 d. T.) S. 90, 98. Aus diesen Umständen erklärt es sich auch, daß von denselben Schriftstellern verschiedene Meinungen vertreten worden sind, und daß das frühere O.Tr. ebenfalls vielfach geschwankt hat. Eingehend ist die Streitfrage zuerst von Gärtner (s. cit. Anm.) behandelt worden. Derselbe nimmt an, daß der Pflichttheilsberechtigte in allen Fällen ein vom Willen des Erblassers unabhängiges, nothwendiges Jntestaterbrecht in Höhe seiner Pflichttheilsquote und eine Erbschastsklage habe, dieses Erbrecht ihm aber nicht unmittelbar durch den Tod des Erblassers, sondern erst durch ein seinen Anspruch gegen das Testament als begründet anerkennendes Urtheil deferirt werde, und bis zu diesem Uriel sein Recht sich nur als ein Anspruch auf Theilnahme am Nachlaß, nur als ein Forderungsrecht darstelle, welches erst in Folge des Urtheils die Natur eines dinglichen Rechtes annehme. Diese Ansicht hat jetzt keine Anhänger mehr (s. dagegen Koch, Erbrecht S. 454 ff., und Zitelmann, cit. Anm., S. 330). Jetzt kommen wesentlich noch drei Meinungen in Betracht (vgl. Schultzenstein S. 60 ff., 257 ff.).

a) Die Erbrechtstheorie. Nach dieser Theorie ist der Pflichttheilserbe immer Jntestaterbe, nothwendiger Erbe wider Willen des Testators, ob er übergangen, im Testamente zum Erben eingesetzt oder mit Legaten bedacht ist, und der Erblasser kann ihn dieser Qualität nur durch eine gesetzliche Enterbung entkleiden, so K o ch, s. Anm. 72 zu §. 396 d. T. u. Anm. 96 zu §. 433 d. T, B ornemann, Syst. 6 S. 6, 117, 186, 199, Förster pr. Pr.R. 4 S. 55, ferner O.Tr. I Erk. v. 4. April 1855, Pr. 2620, Entsch. 31 S. 40, Str. Arch. 16 S. 323, u. v. 15. Mai 1857, Str. Arch. 25 S. 112, v. 1. Dez. 1862, Entsch. 49 S. 213, v. 15. April 1864, a. a. O. 52 S. 164 u. v. 22. Jan. 1876, Str. Arch. 99 S. 2. Bon diesem nothwendigen Jntestaterbrecht, dessen Voraussetzung die Annahme ist, daß die über den Pflichttheil bestimmende Verfügung des Erblassers ipso jure nichtig ist, werden aber von den Anhängern der Erbrechtstheorie einzelne Ausnahmen statuirt, so vom O.Tr. I v. 23. Jan. 1852, Str. Arch. 4 S. 284, Entsch. 22 S. 247; v. 9. Okt. 1854, Str. Arch. 15 S. 87; v. 23. Juni 1856, a. a. O. 21 S. 303, Entsch. 33 S. 53; v. 28. April 1864, Str. Arch. 54 S. 123, u. v. 29. Jan. 1872, Str. Arch. 83 S. 303, für den Fall, daß dem Pflichttheilsberechtigten letztwillig bestimmte Summen oder Sachen zugewendet sind, und zwar dahin, daß derselbe in Höhe dieser Zuwendung als Legatar betrachtet wird. Ferner von Koch, Erbrecht S. 458, 459, dahin, daß der im Testament eingesetzte Pflichttheils­ berechtigte nicht als gesetzlicher, sondern testamentarischer Erbe zu betrachten sei, sodann weiter von demselben, preuß. Privatrecht 3. Ausl. 2 S. 829, dahin, daß der Pflichttheilsberechtigte,

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

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welcher mit einer Summe bedacht sei, als Legatar, eben so auch wegen dessen, was ihm zur Er­ gänzung seiner Abfindung fehle, ein Forderungsrecht habe, dagegen wenn er aber als Erbe berufen sei, insoweit als Erbe, wegen dessen, was er aber dabei weniger erhalte, als ihm gebühre, gleichfalls als Forderungsberechtigter zu betrachten sei. Im wesentlichen übereinstimmend hier­ mit Gruchot 3 S. 454. b) Die Anfechtungstheorie, vertreten von Zitelmann. Auch diese beruht auf der Annahme, daß der Pflichttheil ein Jntestaterbtheil sei. Aber bei vollständiger Uebergehung, ungesetzlicher Enterbung und Verkürzung ist die letztwillige Verfügung ipso jure nicht nichtig, vielmehr muß der Pflichttheilsberechtigte, um Erbe werden zu können, dieselbe erst anfechten. Dagegen wird der Pflichttheilsberechtigte, welcher durch Erbeseinsetzung oder durch Legat seinen vollen Pflichttheil erhält, als eingesetzter Erbe, bez. Legatar betrachtet, weil es sowohl dem einen wie dem anderen an einer Berechtigung zur Anfechtung fehlt. c) Die Theorie des Forderungsrechts, vertreten von Temme, Lehrb. d. preuß. Civilrechts, Ausg. 2 S. 221; Gruchot, Erbrecht 3 S. 122, 202; Schultzenstein S. 104 ff.; Dernburg 3 S. 539 ff., 570; O-Tr. I Erk. v. 17. Sept. 1851, Str. Arch. 2 S. 354, u. v. 22. Mai 1854, Entsch, 28 S. 95, in denen allerdings gleichzeitig auch von einem Erbrecht ge­ sprochen wird, und endlich vom R.G. II H. v. 26. Sept. 1881, Entsch. 6 S. 247. Nach dieser Auffassung hat der Berechtigte nur einen Anspruch auf ein der Höhe des Pflichttheils entspre­ chendes Werthquantum, und dieses hat er im Falle der Verletzung seines Pflichttheilsrechts aus dem Nachlasse zu fordern. Die Theorie des Forderungsrechts, welche früher in höchst dürftiger Weise begründet worden ist, hat neuerdings in dem Buche von Schultzenstein eine eingehende Vertheidigung gefunden. Die Ausführungen desselben erscheinen überzeugend, und der Herausgeber, welcher ursprünglich ein Anhänger der Forderungstheorie gewesen, preuß. Anw.Zeit. 1866 S. 792, 793, dieselbe aber in den früheren Ausgaben dieses Kommentars hat fallen lassen, kehrt daher zu seiner früheren Ansicht zurück. Die positiven Gründe, welche Schultzenstein für diese Theorie geltend macht, sind im wesentlichen folgende: 1. Die naturrechtliche Schule und die Redaktoren des Landrechts (vgl. Anm. 65 zu §. 391 d. T.) hätten dem Pflichttheilsrechte die innere Berechtigung abgesprochen und es nur aus rein äußeren Gründen, um den Kindern wenigstens einige Unterstützung zum weiteren Fortkommen aus dem älterlichen Nachlasse zu sichern, beibehalten. Mit dieser 'Auffassung sei die Natur des Forderungsrechts, welches dem Berechtigten einen Vermögenswerth aus dem Nachlasse verschaffe, allein vereinbar. Die Gewährung eines Jntestaterbrechts belaste dagegen den Berechtigten zweckwidriger Weise mit den Pflichten eines Erben, gewähre ihm auch überflüssiger Weise ein Recht zur Theilnahme an Sachen und Rechten, welchen, wie Erbbegräbnisse, Patronate, kein Ver­ mögenswerth zukomme (a. a. O. S. 19). — 2. Schon zur Zeit des Landrechts habe man im gemeinen Rechte dem Pflichttheil die Eigenschaft eines Erbtheils abgesprochen und ihn auch schon für eine Schuld des Nachlasses erklärt. Daher habe es für die Redaktoren nahe gelegen, die damals allgemein als actio personalis aufgefaßte actio suppletoria auf alle Pflichttheilsver­ letzungen auszudehnen, also dem Pflichttheil den Charakter eines bloßen obligatorischen Rechts zu geben, a. a. O. S. 107. — 3. Aus §§. 393—397 d. T. ergebe sich, daß der Pflichttheil durch Zuwendung einzelner Vermögensstücke, also von ausreichenden Quanten, hinterlassen werden könne und unzureichende Quantitäten auf den Pflichttheil anzurechnen seien. Dasjenige aber, was durch Quanten hinterlassen werden könne und worauf Quanten angerechnet werden sollen, müsse begriffsmäßig ebenfalls ein Quantum sein. Daraus folge, daß der Pflichttheil nur in einem Quantum bestehen könne. Wäre dagegen das Pflichttheilsrecht ein Erbrecht, so würde der Pflichttheil nicht bloß dem Werthe nach, sondern auch dem Objekte nach ein Bruchtheil des Nachlasses und dem Ganzen gleichartiges sein, also die Natur der Erbschaft selbst haben, a. a. O. S. 114. — 4. Nach §§. 434 u. 435 d. T. hätten auch die Legatarien in gewissen Fällen subsidiär zum Pflichttheil mit beizutragen. Wie den ihnen ausgesetzten Vermächtnissen die Schulden vor­ gingen, so auch der Pflichttheil, und das führe wieder auf ein Forderungsrecht. Bei einem etwaigen Erbrechte des Pflichttheilsberechtigten stehe der letztere nicht dem eingesetzten Erben, als Vertreter des Nachlasses, gegenüber, sondern er nehme selbst neben diesem an der Repräsen­ tation der Erbschaft Theil, und die Erbeseinsetzungen und Legate fielen dann unter denselben Gesichtspunkt als gleichmäßig sein Pflichttheilsrecht verletzende Verfügungen, so daß die Stel­ lung der eingesetzten Erben und Legatare gegenüber dem Berechtigten keine verschiedene sein könne, a. a. O S. 128. — 5. Es sei unzweifelhaft, daß auch nach L.N. nur von einem Pflicht­ theil gesprochen werden könne, wenn vorher die Schulden abgezogen seien und diese nicht die Aktiva überstiegen, derselbe erstrecke sich also nur auf den schuldenfreien Theil des Nachlasses. Auch deswegen könne er nur ein Quantum sein. Wäre er ein Erbtheil, so könnte er bei Unzu­ länglichkeit des Nachlasses nicht fortfallen, weil es auch eine Erbschaft und Erben gäbe, wenn die Passiva die Aktiva überstiegen. Ueberdies sei es nicht streitig, daß, wenn der Erbe nach Anordnung des Erblassers von dem einen Betrage des Nachlasses einem Dritten eine Quote

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Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§. 432.

herausgeben solle, dieser letztere Legatar, nicht Erbe sei. Gerade so liege die Sache beim Pflicht­ theil, nur daß an Stelle des Testators das Gesetz die Herausgabe anordne und der Berechtigte daher nicht die Stelle eines Legatars, sondern eines Gläubigers einnehme, a. a. O- S. 132. Ferner hebt Schultzenstein zu Gunsten des Forderungsrechts hervor: 1. Daß die beiden anderen Theorien mit dem System und dem Prinzip des landrechtlichen Erbrechts in Widerspruch ständen. Das L.R. habe nicht als obersten Grundsatz die Erbfolge der Verwandten und ein gegen den Willen des Erblaffers bestehendes Erbrecht derselben, sondern das System der freien Verfügung des Erblassers angenommen, a. a. O. S. 135. Ferner erkenne es für die Erbfolge nur einen Grund, den Willen des Erblaffers, bei testamentarischer und vertragsmäßiger den ausdrücklichen, bei der Jntestaterbfolge den vermutheten, an (f. Anm. 1 zu Abschn. 5 d. T.). Ein etwaiges Erbrecht des Pflichttheilsberechtigten könne aber nur auf der Thatsache der Bluts­ verwandtschaft (bez. der Ehe) beruhen. Ein solches würde das Prinzip des Landrechts durch­ brechen, und es sei unmöglich, daß die Redaktoren, wenn sie dem Pflichttheilsberechtigten hätten ein Erbrecht beilegen wollen, es vollkommen unterlassen hatten, dieses besondern Erbrechts zu gedenken, a. a. O. S. 141. Weiter trete sowohl die Erbrechts- und Anfechtungstheorie 2. in Widerspruch mit dem Recht des Erblaffers, über einzelne Nachlaßsachen durch Legat zu verfügen, denn als Erbe würde der Pflichttheilsberechtigte in Höhe seiner Quote ein den Anordnungen des Testators entrücktes Miteigenthum an allen Nachlahsachen erlangen, und in so weit würden die Legate nichtig, bez. anfechtbar sein, a. a. O. S. 143, ferner 3. in Widerspruch mit den Vor­ schriften über die Jnventarisirung des Nachlasses, weil der Pflichttheilsberechtigte als Erbe auch seinerseits rechtzeitig ein Inventar aufzumachen hätte und, obwohl ihn das Gesetz begünstigen wolle, bei versäumter Errichtung als Erbe ohne Vorbehalt in die Lage kommen könne, noch mit seinem Vermögen für die Schulden des Erblaffers zu haften, a. a. O. S. 147. 4. Endlich seien die beiden anderen Theorien auch nicht mit den Vorschriften über das Miteigenthum der Erben am Nachlasse vereinbar. Wäre der Pflichttheilsberechtigte Miterbe, so mühte er auch, wie die sonstigen Milerben, an den Vermehrungen und Verminderungen des Nachlaffes Theil haben, a. a. O. S. 148. Schließlich ist, worauf Schultzenstein weiter hinweist a. a. Q S. 158, nur bei der Annahme des Forderungsrechts die verwickelte Theorie, wie Suarez sagt (Anm. 65 zu §.391), simplifizirt und auf einfache, dem gesunden Menschenverstände einleuchtende Grundsätze zurück­ gebracht. Des näheren ist noch Folgendes zu bemerken: 1. Von der Regel, daß das Pstichttheilsrecht Forderungsrecht ist, tritt eine Ausnahme ein, wenn der Erblaffer den Berechtigten zum Erben eingesetzt oder ihm den Pflichttheil in Legaten hinterlassen hat. Denn bei ausreichenden Zuwendungen dieser Art kommt das Pflichttheilsrecht nicht zur Existenz, wenn diese aber nicht genügend sind, tritt es auf das Fehlende als Forde­ rungsrecht ein (diese Auffassung hat auch das O.Tr. I v. 3. Jan. 1852, Entsch. 22 S. 247, u. v. 9. Okt. 1854, Str. Arch. 15 S. 86), eine Behandlung des Rechts, welche bei den beiden übrigen Theorien nicht möglich ist, weil nach diesen der Berechtigte in allen Fällen, auch in so weit er vom Testator eingesetzt ist, wider Willen desselben Jntestaterbe werden muß, s. auch O.Tr. I v. 4. April 1855, Entsch. 31 S. 42, u. v. 1. Juli 1859, Str. Arch. 34 S. 124. Eine weitere Ausnahme kommt sodann für den Fall vor, daß die Pflichttheilsverletzung durch Belastung erfolgt ist. Hier geht das Recht zwar auf Anfechtung, aber dasselbe ist gleichfalls ein persönliches Recht wie das Forderungsrecht und dient dazu, das Quantum des Berechtigten von der Last frei zu machen, a. a. O. S. 153, 156. 2. Jeder einzelne von mehreren berechtigten Notherben klagt seinen Pflichttheil für sich ein. Will er sein Recht nicht verfolgen oder hat er es durch Verjährung verloren (f. §. 440 d. T.), so akkreszirt sein Theil nicht den andern Notherben, sondern verbleibt den Testa­ mentserben. Lei der Theorie des Forderungsrechts kann darüber kein Zweifel sein, s. auch Gruchot, Erbrecht 3 S.214, u. Dernburg 3 S. 547 Note 5. Aber auch vom Standpunkt der anderen Theorien wird die Frage verneint, weil nach L.R. die Durchführung der Klage nicht die Jntestaterbfolge in vollem Umfange an Stelle der testamentarischen setze (§. 431 d. T.), s. Förster a. a. O. S. 80. 3. In Betreff der Passivlegitimation hat das O.Tr. I im Erk. v. 14. März 1874, Entsch. 64 S. 187; Str. Arch. 78 S. 80, sich dahin ausgesprochen, daß die Klage nur gegen denjenigen Platz greift, der dem Pflichttheilsberechtigten sein Recht vorenthält, resp, bestreitet; ob sie aber gegen sämmtliche Erben, resp, sämmtliche übrigen Miterben, oder ob sie gegen einzelne derselben oder gegen dritte bei der Erbschaft als Miterben nicht Betheiligte gerichtet werden muß, sei nach der Verschiedenheit der-einzelnen Fälle und Klageanträge zu beurtheilen. Tas ist theils unrichtig, theils nicht präzise genug. Vielmehr hat der Pflichttheilsberechtigte, da er Forderungsberechtigter ist, seine Klage der Regel nach gegen den eingesetzten Erben und, wenn mehrere Erben eingesetzt find, mit Rücksicht auf I. 17 §§. 127 ff., gegen alle zu richten, selbst dann, wenn etwa die Lega­ tare (s. §. 434 d. T.) mit zu seiner Abfindung beizutragen haben, Schultzenstein S. 170, 171; Dernburg 3 S. 571 (das letztere nehmen auch die Anhänger der Erbrechts- und An-

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

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sonst belastetes Kind, daß ihm ein solcher Nachtheil aus einer nicht gesetzmäßigen, oder nicht gegründeten Ursache zugefügt worden, so muß demselben rechtliches Gehör darüber verstattet toerben94). fechtungstheorie an, s. Koch, Erbrecht S. 468; Förster 4 S. 82; Zitelmann S. 373). Mit dem bloßen Besitzer pro possessore oder pro berede (so Koch a. a. O. S. 467 vom Stand­ punkt der Erbrechtstheorie) hat der Pflichttheilsberechtigte nicht (selbst nicht im Falle des §. 435, s. »nm. dazu) zu streiten. Anders liegt die Sache: 1. wenn der Pflichttheil nur zu Gunsten anderer Personen, z. B. eines Legatars oder Miterben, belastet ist. Hier hat die auf Anfechtung der Belastung gehende Klage nur Sinn und Zweck, wenn fie gegen den Begünstigten gerichtet wird. Gegen den Erben als solchen kann sie nicht erhoben werden, weil derselbe in dieser seiner Eigenschaft das Recht des Klägers gar nicht verletzt, so auch O.Tr. I v. 30. Sept. 1861, Str. Arch. 43 S. 135,u. v. 14. März 1870, a. a. O. 78 S. 80 u. Entsch. 64 S. 196, vgl. Schultzenstein a. a. O. S. 168, während Zitelmann S. 373 die Klage gegen die Erben als kumulattve nicht für ausgeschloflen erklärt. 2. Wenn es in dem Testamente an einer Erbeinsetzung fehlt, aber dem Pflichttheilsberechtigten, welcher unter dieser Voraussetzung als Jntestaterbe ein­ tritt, sein Pflichttheil durch übermäßige Legate verkürzt oder ganz entzogen ist, kann die Klage ebenfalls nur gegen die Legatare gerichtet werden, denn hier stehen diese dem Berechtigten allein als Verpflichtete gegenüber, Schultzenstein 429 S. 171; Dernburg 3 S. 572 (über den Fall des §. 435 d T. s. zu diesem §.). Hat der Erblasser zugleich einen Testamentsexekutor ernannt, so ändett dies an der Pasfivlegittmation an sich nichts, denn der Pflichttheilsberechtigte braucht sich eben so wie die Erbschafts­ gläubiger nicht einen andern Schuldner, als den durch das Gesetz bestimmten^ entgegenstellen zu lassen. P. Hinschius, preuß. Anw.Zeit. v. 1866 S. 795, 796, und Schultzenstein S. 174. Gegen den Exekutor kann aber der Berechttgte dann klagen, wenn er zwar auf den Pflichttheil eingesetzt, aber den Dispositionen des Vollstreckers unterworfen ist, denn hier handelt es sich um Beseitigung dieser Beschränkung. Des weiteren s. darüber die cit. Schriftsteller. 4. Was die Uebertragbarkeit des Pflichttheilsrechts betrifft, so wird die Vererblichkeit deffelben allgemein anerkannt, Gruchot 3 S. 212; Förster pr. Pr.R. 4 S. 80; Zitelmann S. 371; Schultzenstein S. 184; Dernburg 3 S. 570; O.Tr. I v. 16. Dez. 1861, Str. Arch. 43 S. 276, u. v. 16. April 1866, Entsch. 56 S. 255; R.G. IV v 17. Nov. 1879, Gruchot 24 S. 479, Annal. 1 S. 105; eben so die Uebertragbarkeit durch Cession, Förster a. a. O.; Zitelmann S. 369; Schultzenstein S. 185; Dernburg a. a. O.; O.Tr. I v. 1. Dez. 1862, Entsch. 49 S. 215, Str. Arch. 46 S. 341. Anlangend die weitere Frage, ob das Pflichttheils­ recht Gegenstand einer exekutivischen Ueberweisung und Uedereignung sei, und die damit zu­ sammenhängende Frage, ob der Konkursverwalter berechtigt ist, das Pflichttheilsrecht des Kridars ohne und gegen deflen Willen geltend zu machen, so herrscht Streit. Für die Verneinung: O.Tr. I v. 1. Dez. 1862 (s. vorhin), v. 23. Okt. 1874, Str. Arch. 92 S. 316, v. 16. April u. 18. Juni 1866, Entsch. 56 S. 250 u. 63 ©.241; Hanow i. d. Ger.Zeit. N. F. v. 1867 S. 78; Bauer bei Behrend u. Dahn, Zeitschr. 7 S. 39; Förster pr. Pr.R 4 S. 50; Dernburg 3 S. 570; Zitelmann S. 370; für die Bejahung R. Koch, Ger.Zeit. 1864 S.43,1866S. 102,1867 S. 322 u. Anwalt.Zeit. 1866 S. 638; Paris, Ger.Zeit. 1865 S. 71; Gruchot 3 S. 213; Schultzenstein S. 187, 269. Selbst vom Standpunkt der Forderungstheorie wird man sich für die Verneinung entscheiden müssen, so lange der Pflichttheilsberechttgte sich noch nicht für die An­ fechtung des Testamentes erklärt hat. Allerdings wird behauptet, daß das Pflichttheilsrecht als Forderungsrecht existent werde, ohne daß es einer Erklärung des Berechtigten, es haben zu wollen, bedürfe, und daß sein Wille erst in Betracht komme, wenn es sich um Ausübung des Rechts handelt. Dies ist indessen nicht richtig. Das Fordevungsrecht wird dem Pflichttheilsberechtigten mit dem Tode des Erblassers wohl deferirt, ihm aber nicht wider seinen Willen aufgezwunaen. Er erwirbt es erst definitiv durch seine Erklärung. Das ergiebt sich daraus, daß alle Verfügungen des Testaments an sich gültig find, also die Pflichttheilsschuld nicht ohne wetteres mit dem Tode des Nachlassers als Erbschaftsschuld, welche der Erbe zahlen müßte und selbst wider Willen des Pflichttheilsberechtigten zu deponiren berechtigt wäre, vorhanden ist. Auch müßte von diesem Standpunkt aus die Anerkennung des Testaments (§. 434) Erlaß der PflichttheUsschuld, nicht Ablehnung des Erwerbes des Pflichttheilsrechts sein. Vgl. auch O.Tr. 1 v. 23. Ott. 1874, Str. Arch 92 S. 319. Bei der Abgabe der Erwerbserklärung kommen aber die besonderen Beziehungen des Pflichttheilsberechtigten zum Erblaffer und sittliche Mottve in Betracht. Sie kann daher nur persönlich von dem ersteren, nicht aber im Widerspruch mit seinen Entschlüssen an einen Anderen abgegeben werden. Daß der §. 749 d. C.P.O. auf die Gntscheivung der Kontroverse einflußlos ist, ist die allgemeine Meinung, Schultzenstein S. 271, Dernburg 3 S, 5 ff. Anm. 6, Koch u. Struckmann Kommentar 4. Aufl. S. 814. 94) Um über die Frage: wem hier die Beweislast obliege, ob dem Enterbten gegen die Behauptung im Testamente, oder dem Erben zur Bewahrheitung der Enterbungsursache, inS

Zweiter Theil.

400

§. 433.

Zweiter Titel.

§§. 433, 434.

Findet der Richter die Beschwerde gegründet: so muß dem Kinde

sein Pflichttheil aus der Erbschaft 06) verabfolgt, oder ergänzt ••), oder die darauf gelegte Last oder Einschränkung durch Urtel und Recht für aufgehoben erklärt werden. Klare zu kommen, darf man nur davon ausgehen, daß das Zwangserbrecht ganz unabhängig von dem Willen deS Testators ist. Wollte man also der bloßen Anaabe deS Testators be­ weisende Kraft beilegen, so würde das eben so sein, als wenn man die Zuwendung deS BflichttheilS seinem guten Willen überließe; er dürste nur sagen: ich gebe ihm nichts, er hat muh ge­ schlagen. Das Gegentheil zu beweisen ist unmöglich, seltene Fälle ausgenommen. Wer also ein Interesse dabei hat, daß das Zwangsrecht wegfalle, der muß eine gesetzmäßige Ursache, außer dem Wulen deS Erblassers, nachweisen. So auch das O.Tr. für diesen Fall in dem Anm. 88 Abs. 3 zu tz. 422 cit. Erk. 95) D. t dasjenige, was dem Erblasser eigenthümlich gehörte, nicht etwa das, worüber er verfügt hat. Wenn z. B. der überlebende Ehegatte, welcher die Gütergemeinschaft mit seinen Kindern fortsetzt, nicht bloß über seine Hälfte vorbehaltlich des Pflichttheils der Kinder, sondern auch über die andere, den Kindern zustehende Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens letzt­ willig verfügt; so können die Kinder zwar nicht diese ganze Verfügung anfechten, wohl aber können fie ihr Recht auf Absonderung des ihnen gebührenden Nachlasses vorab geltend machen (II. 1 d. 637), und sodann von dem übngen Theile (von der eigentlichen Erbschaft) den Pflichttheil fordern. O.Tr. I v. 5. Dez. 1860, Str. Arch. 39 S. 270. 96) Es ist Meinungsverschiedenheit darüber: wie ein Pflichttheilsberechtigter, welcher ver­ letzt worden, die Ausschichtung seines gesetzlichen Erbtheils zu fordern berechtigt sei. Schon die GesKomm. hat auf die Anfragen: 1. ob der Verletzte sich mit der Bezahlung einer Summe nach einer ausgenommen Taxe begnügen müsse, oder ob er verlangen könne, daß rhm das Pflicht­ theil in Natur, mithin V* oder l/a des ganzen Nachlasses zugesprochen, und wenn es zur Theilung kommt, dieser Nachlaß entweder unter den Erben verlizittrt oder öffentlich subhastirt werde? 2. ob, wenn das Kind für ein taxirtes Grundstück mehr (sogar ultra alterum tantum) als die Taxe beträgt, zu zahlen sich erbietet, auf das Gebot geachtet werden könne? — geantwortet: ad 1, daß der verletzte Pflichttheilsberechtigte Subhastatton des Grundstücks, Versteigerung der Mobilien, oder Lizitation unter den Miterben nicht verlangen könne, sondern es der Wahl des Begünstigten zu überlassen sei: ob derselbe die Taxe erfüllen, oder Subhastation verlangen wolle; ad 2, daß dieses auch alsdann stattfinde, wenn das Kind über die Taxe, selbst über das alterum tantum zu geben sich erbiete. Entscheidung v. 13. März 1798, Rabe 5 S. 71. Die Entsch. verstößt gegen die, auch sonst vielfach verkannte, Bedeutung des Zwangserbrechts. Der Pflichttheilserbe ist unter allen Umständen, mag er, und das, was ihm zugewendet wird, im Testamente genannt werden, wie immer, wahrer Erbe, ja er und nur er ist der allereiaentlichste von keines Menschen Willkür abhängige Erbe; die Testamentserben sind nur heredis loco. Er ist daher an sich wohl befugt, Naturaltheilung zu begehren. Nur paßt dazu nicht in allen Fällen die auf Kosten der Natur der Sachen— Suarez wähnte umgekehrt, das R. R. verstände sich nicht auf die Natur seiner eigenen Institutionen (Anm. 93) — neu erfundene Theorie des L.R.;

namentlich tritt damit in Kollision der Satz des §. 436. Wenn nun das Testament über einzelne Gegenstände, z. B. Grundstücke, besondere Verfügungen trifft, diese einer gewissen Person zu­ wendet und dergl.; so muß freilich ein Ausweg gefunden werden, der solche Verfügungen schont;

und dazu bedient man sich der künstlichen Werthermittelung (Taxe), was schon das R. v. 13. Ott. 1794, Rabe 2 S. 706, als eine Vorschrift des bisherigen gemeinen Rechts, als auch des L.R. im Allgemeinen, bezeichnet, worin beizustimmen ist, indem das gemeine Recht bei der actio auppletoria des Pflichttheilserben auf den arbitratus boni viri verweiset. Wenn aber der­ gleichen besondere Verfügungen nicht vorhanden sind, wenn z. B. der Testator verordnet hat: A. B. und C. sollen meine Erben sein; mein Sohn D. erhält nichts weiter als seinen Pflichttheil, — alsdann muß dem Rechte der Zwangserben vollständige Rechnung getragen werden. Das ist auch unstreitig. §. 164 des Anh. zu II. 18 §. 574. Das O.Tr. 1 sagt jedoch, daß auch derjenige Rotherbe, der nur im Allgemeinen auf seinen Pflichttheil eingesetzt ist, schließlich immer nur eine bestimmte Summe aus dem Nachlasse erhalte, ohne jedoch diesen Satz zu beweisen. Erk. v. 21. Mai 1858, Str. Arch. 30 S. 43. Nicht unstreitig ist jener Fall, wenn das Testa­ ment über einzelne Stücke, namentlich Grundstücke, besondere Verfügungen enthält. Nicht ohne sachlichen Grund, aber im Widerspruch mit der positiven Vorschrift §. 436, ist behauptet worden, daß dergleichen Verfügungen dem Zwangserben gegenüber als nicht vorhanden angesehen werden müssen. In Beziehung darauf hat das O.Tr. I den Satz hingestellt: „Der überlebende Ehe­ gatte, welcher durch Testament des Erstverstorbenen in der ihm als Pflichttheil gebührenden Erbportion verletzt zu sein behauptet, ist weder nach den Vorschriften des L.R., noch nach denen des märkischen Provinzialrechts berechttgt, behufs der Ermittelung deS Pflichttheils die Sub­ hastation eines zum Nachlasse deSTestators gehörigen, von Letzterem einem der Erben zum

Von der Erbfolge in absteigender Linie.

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§. 434. Zur Entrichtung oder Ergänzung des einem solchen Kinde zu­ kommenden Pflichttheils müssen die übrigen Erben und Legatarien, nach Verhältniß ihrer Portionen, beitragen ö7). ausschließlichen Eigenthume im Testamente überwiesenen Grundstücks zu ver­ langen, sondern muß sich begnügen, daß ein solches Grundstück nach dem Betrage einer auf­ zunehmenden Taxe zur Anrechnung gebracht wird." Erk. v. 3. Jan. 1852, Entsch. 22 6. 243; Str. Arch. 4 S. 281. Den Grundsatz hat nach märkischem Prov.R. schon das Pr. 2047 (Anm. 46 zu §. 497 Tit. 1) festgestellt. Er ist in dem Erk. dess. Sen. v. 23. Juni 1856 wiederholt, und sogar in einem Falle zur Anwendung gebracht, wo der Erwerb des Eigenthums der Grund­ stücke, worüber der Testator besonders verfügt hatte, noch suspensiv bedingt war. Entsch. 33 S. 39; Str. Arch. 21 S. 291. Die Entscheidung des Falles, wo dem Zwangserben eine bestimmte Summe im Testamente angewiesen worden, ist in demselben Sinne, zum Nachtheile dieses Erben, getroffen im §. 164 des Anh. zu II. 18 §. 574, weil derselbe dann nur Legatar sein soll. Bergl. Erk. des O.Tr. I v. 12. Okt. 1848, Str. Arch. 4 S. 397, u. Erk. dess. Sen. v. 29. Jan. 1872, wonach der Pflichttheüsberechtigte, welchem nur bestimmte Sachen oder Summen zugewendet sind, nicht behust Berechnung der Höhe des Pflichtteils die öffentliche Veräußerung der Nachlaßsachen verlangen kann, sondern sich begnügen muß, daß der Werth des Nachlasies durch aufzunehmende Taxen bestimmt werde, Str. Arch. 83 S. 297. H. Die vorstehenden Ausführungen Koch's hängen mit der von ihm vertretenen Erb­ rechtstheorie (s. Anm. 93 zu §. 432 d. T.) zusammen. Wenn der Pflichttheilsberechtigte nur ein Forderungsrecht hat, so kann er nur Ausmittelung des Nachlasses durch Taxation, nicht aber Auktion und Subhastation verlangen. Der Anh. §. 164 zu II. 18 8. 574 läßt allerdings die Subhastation zu, wenn der Pflichttheil ohne Bestimmung einer gewissen Summe verschrieben ist, hat aber hier den Fall im Auge, daß der Pflichttheilsberechtigte zum Erben eingesetzt ist, also einen Fall, bei welchem auch die Forderungstheorie die Erbesqualität desselben anerkennt, s. die cit. Anm. 93, vgl. Schultzenstein S. 165; Dernburg 3 S. 566, 569; R.G. IV v. 1. Dez. 1879, Gruchot 24 S. 1032, Annal. 1 S. 436. Wenn das O.Tr. I v. 22. Jan. 1876, Str. Arch. 99 S. 1, ausgesprochen hat, daß der Pflichttheilsberechtigte sich zur Ausmittelung !eines Pflichttheils zwar mit der Aufnahme der Taxe begnügen müsse, sich aber auch anderereitS aus Verlangen der Erben die Subhastation der Grundstücke gefallen lassen müsse, so ist das legiere unrichtig. Der dafür cit. Anh. §. 164 zu II. 18 §. 574 ergiebt nichts, im Uebrigen kann die Ausmilteluna des Pflichttheils nur eine einheitliche sein. Das O.Tr. verwechselt über­ dies auch die beiden Zwecke, welchen die Ermittelung des Werthes des Nachlasses dienen kann, nämlich den, festzustellen, ob eine Pflichttheilsverletzung vorliegt, und den, die Auseinander­ setzung -wischen dem Pflichttheilsberechtigten und den Erben herbeizuführen, vgl. Schultzen­ stein a. a. O. S. 262 u. S. 85, s. übrigens auch das cit. Erk. des R.G. 97) Die §§. 434 und 435 beziehen sich bloß auf das Verhältniß der Erben und Legatarien unter einander und gehen den Pflichttherlserben nichts an. Es steht nicht in der Macht deS Testators, ihm vorzuschreiben, von wem er seinen Pflichttheil einfordern soll: dies würde eine Beschränkung seines von dem Willen des Testators völlig unabhängigen Rechts sein. Der Pflichttheilsberechttgte hat seine Portion aus der Erbschaft unmittelbar zu nehmen. Aus der Anm. von Suarez zum gedr. Entw. (Anm. 94) erhellet auch, daß auf diesen Fall der §. 334 1. 12 keine Anwendung findet. Das O.Tr. I hat jedoch, ohne von der Erklärung von Suarez weiter Notiz zu nehmen, den §. 334 für die entscheidende Regel erklärt und in dem §. 434 d. T. eine bloße Wiederholung der Bestimmung jenes §. 334 gefunden, in welcher Wiederholung zwar die Worte: „falls der Nachlaß nicht zureicht" hinter dem Worte „müssen" hätten eingeschaltet werden sollen, hieraus jedoch nicht folge, daß zum Pflichttheile die Legatarien unbedingt beizutragen haben. Pr. 2541 v. 22. Mai 1854, Entsch. 28 S. 86, 93, und Erk. 0.-15. Febr. 1866, Str. Arch. 19 S. 355, so auch Förster pr. Pr.R. 4 S. 347 Anm. 74. Die entgegengesetzte Ansicht, daß der §. 434 d. T. dem §. 334 I. 12 vorgeht, also die Legatare unbedingt zum Beitrag verbunden sind, vertreten außer Koch, s. auch defien Erbrecht S. 427, Bornemann6S. 199; Gruchot, Erbrecht 1 S. 606; Förster a. a. O. S. 82 Anm. 182 (also sich selbst widersprechend), Zitelmann a. a. O. S. 372. Dagegen stellt Dernburg 3 S. 678 Alles auf die vermuthliche Jntenttdn des Erblassers und nimmt als Regel an, daß der Erblasser den Legatar bei den Vor­ theilen und Nachtheilen, welche sich in Folge der Konstituirung der Erbmasse herausstellen, nicht behelligen wolle, daß also der Legatar durch die Geltendmachung von PflichttheilSansprüchen gegen den Erben nicht berührt werde, bemerkt aber weiter, daß die Umstände so angethan sein könnten, daß man nach der präsumtiven Absicht des Erblassers eine Reduktion anzunÄhmen habe, well es offensichtlich sei, daß er selbst die Vermächtnisse reduzirt hätte, wenn der Fond, aus dem sie zu entrichten wären, eine Verkürzung erlitten hätte. Daß oiese. Regel und Ausnahme in Koch, Allgemeines Landrecht. HL 8. Aufl.

26

402

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 435-440.

§. 435. Hat aber der Erblaffer den dem enterbten 98 * *)99 * *Kinde 100 * * * * * entzogenen * * * * * * * * * *Erb********** theil einem der Miterben oder Legatarien ausdrücklich beschieden, so muß dieser allein das zur Ungebühr enterbte Kind abfinden ee). §. 436. In allen anderen die Enterbung 10°) nicht betreffenden Stücken bleibt die letztwillige Verordnung bei Kräften *). §. 437. Was im Vorstehenden von Enterbung der Kinder verordnet ist, gilt auch von Enkeln und anderen Abkömmlingen weiterer Grade, in so weit denselben ein gesetzmäßige- Erbrecht zusteht.

einem völlig unbestimmten Verhältniß bezeichnende Ansicht nicht eine dem Sinne des einen oder anderen g. entsprechende Auffassung ist, bedarf keiner Widerlegung. Schultzenstein endlich G. 129 erklärt den §. 434 für den generellen §., mit welchem man alle möglichen Fälle der Pflichttheilsverletzung habe umfaffen wollen, den §. 334 aber auf den Fall anwendbar, in welchem der Erblaffer einen Erben ernannt habe, so daß also die prinzipale Beitragspflicht der Legatare dann eintritt, wenn der Testator ohne Einsetzung eines Erben den Pflichttheil des Berechtigten durch Legate geschmälert hat. Es dürste sich aber §. 434 mit §. 334 I. 12 dahin vereinigen lassen, daß der erstere nur angeben will, wer überhaupt beitragspflichtig sein kann, und der letz^re

die Beitragspflicht zwischen den Erben und den Legatarien näher regulirt. Der §. 434 würde dann bedeuten, daß die Erben, bez. die Legatarien, wenn sie beitragspflichtig sind, nach Maßgabe ihrer Zuwendungen beizutragen haben. ' 98) In diesem Falle und wenn der belastete Pflichttheil im Besitze des Legatars sich befindet, ist die Pflichttheilsklage nicht gegen die Testamentserben, sondern geien diesen Legatar zu richten. Gruchot 3S. 211; O.Tr. I v. 30. Sept. 1861, Str. Arch. 43 S. 134. H. Dagegen Förster«. a.O. S. 82, weil der g. 435 eben so wie der §. 434 nur das Verhältniß der Erben und Legatarien in Betreff der Herbeischaffung des Pflichttheils betreffe, nicht aber die Passiv-Legitimation regele. Die Klage ist also gegen den oder die Erben zu richten; so auch Zitelmann a. a. O. S. 373, Schultzenstein S. 170, 266. Tas O.Tr. I hat aber in dem Erk. v. 14. März 1870, Entsch. 64 S. 195; Str. Arch. 78 S. 79, an seiner Auffassung festgehalten, und Dernburg 3 S. 572 ist ihm beigetreten. Der Wortlaut spricht indessen für die entgegengesetzte Ansicht, daß auch ij. 435 nur von dem inneren Verhältniß zwischen Erben und Legatarien handelt. Das ergiebt eine Anknüpfung durch das Wort: „aber" an den von demselben Verhältniß sprechenden 8. 434. Ebenso wenig ist der materielle Grund Dernburg's zutreffend, daß derErblaffer den Pflicht­ theil in beliebiger Form zuwenden könne, und daher der Pflichttheilsberechtigte sich auch gefallen lassen müßte, daß der Erblaffer durch seine Verfügung ihm den Legatar als Verpflichteten gegenüber­ stelle. Dieser Schluß von der Hinterlassung des vollen Pflichttheils, wobei der Erblasser machen kann was er will, auf die Verletzung des Rechtes des Notherben ist aber unstatthaft. Im letzteren Fall wird der Notherbe kraft Gesetzes Nachlatzgläubiger unv der Erblasser hat nicht das Recht, rhm einen anderen als den durch das Gesetz bestimmten Schuldner zu substituiren, s. Schultzen­ stein S. 266. 99) H. Was die Voraussetzung der im §. 435 festgesetzten ausschließlichen Abfindungspflicht der Miterben oder deS Legatars betrifft, so wird diese vorliegen, wenn der Erblasser bei völliger Enterbung des Berechtigten durch ausdrückliche Bestimmung den Jntestaterbtheil des Pflichttheilsberechtiaten, welchen dieser ohne letztwillige Verfügung erhalten haben würde, einem der Miterben oder Legatarien zugewiesen, S ch u l tz e n st e i n S. 96, oder wenn bei einer solchen Enterbung ein Legat mit der Beschränkung hinterlassen ist, daß beim Obsiegen des PflichttheilSerben derselbe auf den Pflichttheil gesetzt sein und das Legat zur Entrichtung desselben verwendet werden soll, Förster 4 S. 82.

100) M. s. Anm. 4 zu §. 440. 1) Beral. §. 432 und Anm. 93. H. Daß unter dem Ausdruck: „Enterbung" nicht bloß die völlige Entziehung jedes Erbthells, sondern auch die übrigen im §. 432 d. T. gedachten Verkürzungen und Belastungen zu verstehen sind, hat merkwürdiger Weise erst durch das O.Tr. I Erk. v. 23. Juni 1856, Entsch. 33 S. 39; Str. Arch. 21 S. 291, festgestellt werden müssen. In der Mark müssen, der hier zur Anwendung kommenden Vorschrift der Nov. 115 c. 3 u. 4 zufolge, Notherben immer wirklich zu Erben berufen werden, widrigenfalls das betreffende Testament in Beziehung auf die Erbeseinsetzung ungültig ist, und der nicht gehörig eingesetzte Rotherbe sich nicht mit einer Ergänzung des Pflichttheils zu begnügen braucht. Die Form der ErbeSeinsetzung selbst aber wird nach den Vorschriften der nicht suspendirten §§. 4 und 45 I. 12 beurtheilt. Pr. 1656 des O.Tr. I v. 4. Dez. 1845, Entsch. 12 S. 419, s. auch Erk. dess. Sen. v. 24. Rov. 1852, Str. Arch. 7 S. 159.

Bon der Erbfolge in absteigender Linie.

403

§. 438. Wenn der Enterbte das Testament einmal ausdrücklich anerkannt hat, kann er dasselbe in der Folge nicht mehr anfechten *). §. 439. Die bloße Annahme eines im Testament ausgesetzten VermächtmfseS ist für ein solches Anerkenntniß noch nicht zu achtest *). §. 440. Wenn der Enterbte die Verfügung der Aeltern zwei Jahre lang, nachdem er Kenntniß davon erhalten 52),3 4 gerichtlich nicht angefochten hat, so ist seine Befugniß dazu durch Verjährung erloschen6). 2) Vorausgesetzt, daß der Anerkennende seine Verletzung und sein Recht kannte, wie es zur Bündigkeit eines jeden Anerkenntnisses erforderlich ist (H. und daß die Erklärung schriftlich und dem Erben gegenüber erfolgt ist, s. Gruchot, Erbr. S. 228; Förster a. a. O. S. 84. Eben so fordert das O.Tr. I i. Erk. v. 5. Juni 1874 ein ausdrückliches Anerkenntniß, Str. Arch. 91 S. 279), und erklärt, daß ein solches nicht vorliege, wenn der Pflichttheilsberechtigte als Testaments­ erbe Legale ausbezahlt habe. Es macht aber keinen Unterschied, ob der Enterbte selbst, oder, im Falle seiner Dispositionsunfähigkeit, sein gesetzlicher Vertreter das Anerkenntniß gegeben hat. H. §. 438 findet selbstverständlich auch Anwendung, wenn der Notherbe nur im Pflichttheil verkürzt ist, s. auch Erk. des O.Tr. I v. 1. Juli 1859, Str. Arch. 34 S. 121. Die Klage aus dem Testamente, welche sich darauf stützt, daß die darin enthaltene Substitution eine gemeine und nicht eine fideikommiflarrsche sei und deshalb eine Jntestatsuccession eintteten müsse, ist keine solche Anerkennung des Testaments, welche die Klage auf Ergänzung des Pflicht­ teils ausschließt. Erk. des O.Tr. v. 13. März 1830, Ulrich, Arch. 1 S. 278. 3) Anm. zu I. 12 §. 612. 4) Nach dem Wortlaute bezieht sich dieses Gesetz und die dadurch vorgeschriebene kurze Verjährung nur auf die Querela inoff. testamenti (Anm. 6 zu §. 440 d. X.), nicht auf die davon spezifisch verschiedene Ergänzungsklage (actio suppletoria s. expletoria, condictio ex L. 30 0. de inoff. teatam.), welche nach G. R. 30 Jahre dauett; doch ist dies nicht unstreitig. Der Gedanke der Verfasser ist unklar; man hat beide Klagen nicht unterschieden. Das Pr. 251 de» O.Tr. I v. 29. Mai 1847 (Präj.S. 1 S. 169): „Die Erlöschung der Ansprüche de» Kinde» bezieht sich nicht auf den Fall, wenn eine bloße, durch das Testament nicht ersichtliche Schmälerung der Legitime behauptet wird", betrifft die Ergänzungsklage, doch schließt es die rweijiwriae Ver­ jährung der Jnoffiziositätsklage nicht grundsätzlich, sondern wegen eines thatsächlichen UmpandeS

in dem Falle, auf welchen es sich bezieht, aus. Derselbe Sen. hat auch in dem Erk. v. 26. Mai 1853, Str. Arch. 9 S. 186, bemerkt, daß das Pr. nicht dahin gehe, daß eine zweijährige Ver­ jährung in dem beregten Falle nicht Platz greife, d. h. es bezieht sich die zweijährige Verjährung de» §. 440 auch auf die Ergänzungsklage. H. Damit steht im Einklang das Erk. des IV. Sen. v. 11. Nov. 1873: §. 440 bezieht sich nicht lediglich auf das Anfechtungsrecht gänzlich enterbter Kinder, ist vielmehr für die Geltend­ machung des Pflichttheilsanspruchs sowohl des vollständig mit oder ohne angegebenen Grund enterbten und des übergegangenen, als des unzureichend bedachten Pfiichttheilsberechtigten (und zwar des letztern auch im Falle, daß ihm im älterlichen Testament zunächst ein bestimmtes Erbtheil

oder Vermächtnis, und im Falle der Unzuftiedenheit der Pflichttheil zugewendet worden) gegeben. — Nach I. 9 8. 513 L.R. ist es Sache des im Pflichttheil Verletzten, nachzuweisen, daß und wann er nach Publikation des Testaments von einer dadurch bewirkten Verletzung des Pflicht­ theils hat unterrichtet werden können (Str. Arch. 90 S. 278). Vgl. übrigens zu dem ersten Theile des Erk. auch Anm. 1 zu §. 436 u. das Erk. des I. Sen. v. 1. Juli 1859, Str. Arch. 34 S. 121, und zu dem letzten Theil Anm. 6 Abs. 3. Der $. 440 bezieht sich aber nur auf die Klage wegen Verfolgung des ganzodertheilweise entzogenen Pflichttheils; die Vorschrift kann dagegen nicht dem Ansprüche auf Verfolgung eines Miteigenthums entgegengesetzt werden, welches gegen das Testament und gegen den Nachlaß geltend gemacht wird. Erk. des O.Tr. I v. 17. Sept. 1860, Str. Arch. 39 S. 61; Entfch. 44 S. 189. H. Wenn der Testator verordnet hat, daß der Pflichttheilsberechttgte, „wenn er den Pflichtcheil beanspruchen werde", solchen nicht in Natur, sondern nur nach gerichtlicher Taxe von dem Erben zu fordern berechtigt sein solle, so kann der Klage des Berechttgten auf diesen Pflichttheil nicht die Einrede der Verjährung der Klage auf Anfechtung des Testaments aus $§. 44Ö u. 616 d. T. «tgegengesetzt werden, Erk. des O.Tr. 1 v. 9. Nov. 1853, Str. Arch. 11 S. 318, weil ein solcher nicht präterirt sei, und aus dem Testamente, nicht gegen daffelbe einen Anspruch erhebe. Die Klage auf den den Kindern nach den Grundsätzen der Paderbornschen Gütergemein­ schaft von dem überlebenden Gatten zu hinterlassenden Schichttheil ist der Verjährung des 8. 440 Wcht unterworfen, Erk. deff. Sen. v. 13. Ott. 1865, Entsch. 56 S. 101; H. eben so wenig die auf den Schichttheil des Münsterschen Statutenrechtes, I v. 30. Ott. 1863, Entsch. 60 S. 269. 26*

404

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 441—450.

§. 441. Haben Aeltern ein Kind zwar enterbt, aber gar keine Ursache der Enterbung, oder einen nicht gesetzmäßigen Grund angeführt, so finden die Vor­ schriften §. 432—436. Anwendung75).6 §. 442. Eben das gilt, wenn ein Kind oder Enkel in der letzten WillensVerordnung ganz mit StillsHweigen übergangen worden8).9 10 §. 443. Ist aber ein im Testamente eingesetztes Kind vor dem Erblasser ver­ storben, so treten dessen Abkömmlinge ganz an seine Stelle, wenn auch ihrer im Testamente nicht ausdrücklich gedacht wäre ’). §. 444. Wenn erhellet, daß die Uebergehung eines Kindes oder Enkels nur daher rühre, weil der Erblasser das Dasein desselben nicht gewußt *°); oder selbiges 5) In dem Falle, wenn, in Münsterscher Gütergemeinschaft lebende, Eheleute mittelst ge­ meinschaftlichen Testaments verordnet haben, wie sich nach ihrem beiderseitigen Ableben ihr Nachlaß auf ihre Kinder vererben ioll, kann der Pflichttheil noch binnen zwei Jahren nach dem Tode des Letztlebenden der Testatoren, und zwar aus dem Nachlasse beider Aeltern, ge­ fordert werden, wennaleich seit der Publikation des Testaments nach dem Tode des zuerst Ver­ storbenen über zwei Jahre verstrichen sind. Erk. des O.Tr. I v. 15. März 1861, Entsch. 46 S. 228. H. S. dagegen R. Koch, Ger.Zeit. 1862 S. 159. 6) Dies ist die Verjährung der Jnoffiziositätsklage überhaupt, ohne Unterschied der Fälle. „Die im §. 440 vorgeschriebene zweijährige Verjährung findet auch dann Anwendung, wenn die Aeltern ein Kind zwar enterbt, aber gar keine Ursache der Enterbung, oder einen nicht gesetz­ mäßigen Grund angeführt, oder das Kind in der letzten Willensordnung ganz mit Stillschweigen übergangen haben." Pr. 2400 des O.Tr. I v. 12. Ott. 1852, Entsch. 24 S. 129. Der §. 440 findet also auch auf den Fall des §. 441 Anwendung. H. Bei Enterbung oder Uebergehung, bei Beschränkung des Pflichtteils auf eine geringere als die gesetzliche Quote, oder bei einer Belastung derselben genügt die Kenntniß der verletzenden Verfügung für den Anfang der Verjährung. Wenn aber diese die Verletzung allein nicht er­ kennen läßt, muß nach den Umständen des einzelnen Falles ermessen werden, wann der Zeitpuntt der Kenntniß eingetreten ist. S. R.G. IV v. 3. Okt. 1881, Gruchot 26. S. 1012 s. auch Anm. 4 Abs. 2 zu diesem §.; Förster, pr. Pr.R. 4 S. 86 u. Dernburg 3 S. 574. Unterbrochen wird die Verjährung nur durch den Gebrauch der Pflichttheils- oder Jnofstziofitätsklage selbst, d. h. durch die Klage, wodurch ein Uebergangener den Pflichttheil, oder em Verkürzter die Ergänzung des Pflichttheils fordert, oder wodurch die Gültigkeit des Testaments überhaupt angefochten wird. Eme auf das Testament gestützte Klage, wodurch keine Anfech­ tung des Testaments ausgeführt wird, unterbricht die Verjährung nicht, wenngleich die dadurch ausgewirkte Entscheidung vorbereitend für die Pflichttheilsklage war. Erk. des O.Tr. v. 13. März 1830, Ulrich, Arch. 1 S. 282. Ob der Antrag auf gerichtliche Regulirung des Nachlafles die Verjährung unterbreche, ist im Allgemeinen nicht zu bestimmen. Wenn der Anspruch des Klä­ gers von der Beschaffenheit ist, daß er bei dieser Regulirung nothwendig zur Sprache kommen muß, so unterbricht ein solcher Antrag, mag er ausgehen von welchem Erbinteressenten er will, die Verjährung jener Klage allerdings. Erk. des O.Tr. I v. 24. Aug. 1848, Rechtsf. 4 S. 273. Auch ist, so hat man angenommen, die (H. früher zulässige, jetzt beseitigte) Anmeldung der Klage nicht geeignet, das Anfechtungsrecht zu erhalten, vielmehr bedarf es der wirklichen An­ fechtung des Testaments durch Anbringung der Klage selbst innerhalb der Frist. Erk. deff. Sen. v. 14. Sept. 1860, Str. Arch. 38 S. 220. Nach Ablauf der zweijährigen Frist ist der im älterlichen Testamente auf einen bestimmten Erbtheil oder für den Fall seiner Unzufriedenheit mit demselben auf den Pflichttheil eingesetzte Notherbe nicht mehr berechtigt, statt des ihm zunächst ausgesetzten Erbtheils den Pflichttheil zu verlangen. Erk. deff. Sen. v. 25. Mai 1853, Str. Arch. 9 S. 186. Bemerkt werden mag hier, daß das Appellationsgericht zu Münster die zweijährige Ver­ jährung des 8. 440 nicht für eine Klageverjährung (praescriptio, exceptio temporalis), sondern für eine Präklusiv- oder Erklärungsftift hält. Die Ges Rev., Motive zu Tit. 9 Th. I im Pens. 13 S. 117, erklärt die Frist des §. 440 für eine Klageverjährung (exceptio temporalis). Bergl. den Anh. S. 199 ebb. Nr. 46, eben so das O.Tr. I im Erk. v. 30. Sept. 1861, Str. Arch. 43 S. 136, v. 14. März 1870, Entsch. 64 S. 215 u. Str. Arch. 78 S. 98, (H. u. v. 22. Okt. 1875, Entsch. 75 S. 289), in Uebereinstimmung mit der Doktrin, s. Förster, pr. Pr.R. 4 S. 86. 7) Auch der §. 440. Vgl. vor. Anm. 8) S. Anm. 1 zu §. 436. 9) Anm. zu I. 12 8. 277. 10) Z. B. bei Nachgeborenen, die mehrere Monate nach dem Tode des Vaters geboren wurden.

Don der Erbfolge in absteigender Linie.

405

aus Irrthum für todt gehalten habe"): so muß der Uebergangene aus dem Nach­ lasse so viel erhalten, als im Testamente dem am mindesten begünstigten Erben ausgesetzt'") worden"). §. 445. Ist nur ein Erbe, oder sind mehrere zu gleichen Theilen eingesetzt; so muß der Uebergangene so viel als jeder der Eingesetzten erhalten. §. 446. Ist dem am wenigsten Begünstigten weniger beschieden, als der Pflichttheil des Uebergangenen ausmachen würde, so muß Letzterer den Pflichttheil erhalten. 8- 447. Zu dieser Abfindung des Uebergangenen müssen die eingesetzten Erben und Legatarien, nach Vorschrift §. 434., beitragen "). §. 448. Auch der minder Begünstigte, welchem der Uebergangene gleich gesetzt werden soll, kann sich diesem Beitrage, nach Verhältniß seiner Erbquote, nicht entziehm "). §. 449. In allen anderen Stücken bleibt auch eine solche letzte Willensver­ ordnung (§. 444.) bei Kräften. §. 450. Ist jedoch der aus Irrthum Uebergangene nach errichtetem Testa­ mente zurückgekehrt; oder sonst dem Erblasser das Dasein oder Leben desselben erweislich bekannt geworden; und hat der Erblasser nach diesem Zeitpunkte ein Jahr verstreichen lassen, ohne in Ansehung seiner etwas zu verfiigen: so verliert das Testament seine Kraft"). 11) Vergl. I. 4 §. 160, und L. 28 D. de inoff. tertamento (V, 2). 12) Die Meinung, nach welcher diese Vorschrift nicht nach dem Wortsinne, sondern in dem Sinne des 269 1 12 zu verstehen, ist für die richtige zu halten. Die Absicht ist lediglich dahin gegangen, dem Uebergangenen ein Erbtheil zu verschaffen, wodurch er dem am mindesten Begünstigten (H. nach der Reduktion, welche sein Zutritt nöthig macht,) gleichgestellt würde. Das ergeben auch die §§. 445 u. 448 und entspricht zugleich dem R. R., dessen Grund­ satz es ist, welcher hier Aufnahme gefunden hat und darin besteht, daß der Posthumus, wenn die Abänderung des Testaments nicht mehr thunlich war, schlechthin unter die Zahl der Testa­ mentserben tritt, indem man vermuthet, der Testator habe seine sämmtlichen Kinder einsetzen wollen. Die Meinung wird auch von dem O.Tr. I in dem Erk. v. 27. Ott. 1868 vertreten, Entsch. 39 S. 216. In demselben Erk. wird ausgeführt und entschieden, daß der Uebergangene die reine Erbquote des am mindesten begünstigten Erben, ohne die Beschränkungen, welche diesem etwa mit Rücksicht auf seine persönlichen Verhältnisse aufgelegt worden sind, erhalten müsse. 13) „Soll der Uebergangene nach dieser und der Vorschrift deS §. 455 aus dem Nachlasse, vorbehaltlich des Pflichttheils, nur so viel, als der im Testamente am mindesten begünstigte Erbe, erhalten, so darf bei der, nach diesem Grundsätze anzulegenden Erbtheilung kein Unter­ schied gemacht werden, je nachdem die eingesetzten Erben ebenfalls Kinder des Testators, oder andere Personen sind , vielmehr hat das übergangene Kind immer nur Gleichstellung mit dem am mindesten begünstigten Testamentserben, mag dieser die Mutter, oder eine ganz ftemde Person sein, zu fordern. Pr. 2425 des O.Tr. I v. 7. Jan. 1853, Entsch. 24 S. 362. Rach röm. Rechte ist in dem vorausgesetzten Falle die Erbeinsetzung ungültig, nur die Legate bleiben bestehen. L. 28 D. de inoff. testam. (V, 2). — M. vergl. I. 4 §. 160 und I. 12 §. 577. Der §. 444 kommt im praktischen Erfolg mit dem R. R. ziemlich überein, wenn die eingesetzten Erben alle Kinder oder Enkel des Testators sind, sonst nicht. H. Gegen die Auffassung, daß der Hinzuttetende Erbe sei, s. O.Tr. I Abs. 1, Förster 4 pr. Pr.R. S. 18 Anm. 157 einerseits, andererseits Dernbura 3 S.'578, welcher ihm nur ein Forderungsrecht auf die entsprechende Summe gewährt, endlich Schultz en stein a. a. O. S. 75, welcher den Pflichttheilsberechtigten in Höhe des dem mindestbetzünstigten Ausgesetzten als Testameittserben, so weit aber sein Pflichttheil dadurch nicht gedeckt wird, als Forderungsberechtigten behandelt wiffen will. Zu der letzteren Unterscheidung liegt keine Nöthigung vor, und da vas L.R. hier den Hinzutretenden wesentlich dem Pflichttheilsberechtigten glerchstellt, wird man sich für die Meinung Dernburg's entscheiden müssen. 14) Unbeschadet des Pflichttheils der Eingesetzten. Wer also nicht mehr als seinen Pflicht­ theil erhält, trägt nichts bei. 16) In so weit ihm sein Pflichttheil nicht geschmälert wird. 16) In allen Stücken (H. vorausgesetzt, daß der Notherbe sein Recht wirklich geltend macht.

§. 451. Es wird also in einem solchen Falle den Kindern die gesetzliche Erb­ folge eröffnet. §. 452. Wird ein Abwesender, welcher im Testament übergangen worden, erst nach erfolgtem Erbanfalle, weil der eigentliche Zeitpunkt seines Ablebens nicht ansgemittelt werden kann, durch Urtel und Recht für todt erklärt: fo kann, wegen dieser später erfolgten Todeserklärung, doch noch nicht angenommen werden, daß er,den Erbanfall erlebt habe. §. 453. Vielmehr muß die Befugniß seiner etwanigen Erben, auf den Nachlaß des Testators aus dem §. 444. Anspruch zu machen, lediglich nach der Vorschrift des ersten Theils Titel 1. §. 38. beurtheilt werden. §. 454. Werden dem Erblasser, nach errichtetem Testamente, Kinder oder Enkel, die rur unmittelbaren Erbfolge berechtigt sind, geboren; und er verstirbt nach Verlauf Eines Jahres, ohne in Ansehung ihrer etwas verfügt zu haben"): fo finden die Vorschriften §. 450. 451. Anwendung **). §. 455. Ist aber der Erblasser vor Ablauf Eines Jahres nach der Geburt eines solchen Kindes oder Enkels verstorben, so bleibt es bei den Vorschriften §. 444-449. §. 456. Hat Jemand, nach errichtetem Testamente, einen Anderen förmlich an Kindesstatt angenommen *•), ohne wegen der Erbfolge desselben etwas verfügt zu haben, so verliert das Testament *°) eben dadurch feine Kraft. SratStei §• 457. Nur in einem einzigen Falle sind Aeltern schuldig, ihren Kindern, au« gewt. noch bei Lebenszeiten, einen Pflichttheil auszusetzen. deurn Ehen. § 458. Wenn nämlich bei Ehescheidungen Einer von den Aeltern für den schuldigen Theil erklärt wird, so muß er den aus solcher Ehe erzeugten Kindern so viel aussetzen, als ihr Pflichttheil betragen haben würde, wenn die Ehe durch seinen Tod wäre getrennt worden21). §. 459. Bei der Berechnung dieses Pflichttheils kommt das Vermögen des Schuldigen, nur nach Abzug der dem Unschuldigen daraus gebührenden Abfindung, in Anschlag. §. 460. Findet sich bei der Scheidung, daß beide Aeltern in gleichem Grade schuldig sind, so muß den Kindern ihr Pflichttheil aus beider Verniögen angewiesen werden. also nicht eo ipso, f. Voigt, Anw Zeit. 1865 S. 400, Ternburg 3 S. 578). Für diesen Fall der Lieblosiglert ist also der Röm. Rechtsgrundsatz beibehalten. Zu vergl. Anm. zu II. 1 §. 633. (H. Das Testament wird also als nichtig behandelt und Jntestaterbfolge eröffnet.) Warum? Die Gründe sind nicht bekannt. 17) Und erleben sie den Erbanfall. II. 1 §. 443. H. Hat der Testator in Ansehung seiner nachgeborenen Kinder nachträglich verfügt, so kann von dem Eintritte der rechtlichen folgen der Uebergehuna (§§. 454, 455) nicht die Rede sein, es handelt sich dann lediglich darum, in wie weit diese das frühere Testament ergänzenden oder abändernden Verfügungen zu Recht bestehen, Erk. des O.Tr. I v. 4. Juli 1870, Str. Arch. 79 S. 131. 18) Anm. 13 zu II. 1 §. 633. — Zu vergl. Anm. zu I. 12 §. 648 und Anm. 40 zu II. 1 493. 19) Der Fall, wenn Jemand einen Anderen legitimirt, ist übergangen. Ohne Zweifel steht derselbe unter der Bestimmung des §. 454. 20) Nicht aber ein vorher errichtetes Kodizill, denn aus Kodizille paßt das hier angewendete Prinzip der Jnoffiziosität nicht. Anm. 13 zu II. 1 §. 633. Auf Erbverträge findet das Prinzip dann Anwendung, wenn beide Kontrahenten adoptiren, nicht aber dann, wenn nur einer ohne Einwilligung des andern adoptirt. §. 676 d. T. 21) Zur Rechtfertigung dieses neugeschaffenen Rechts sagt eine Rote zum gebt. Entw. Th. I Abth. 1 S. 214: „Gegen Kinder, deren Aeltern von einander geschieden worden, entsteht in den Gemüthern eines der Aeltern, und gemeiniglich beider. Kaltsinn und Abneigung. Dies kann die Aeltern, besonders im Falle einer anderweitigen Heirath und daraus erzeugter Kinder, nur all­ zuleicht disponiren, den Kindern aus der getrennten Ehe ihr Vermögen zu entfremden, und solches entweder dem zweiten Ehegatten, oder den mit selbigem erzeugten Kindern, oder gar

Bon der Erbfolge in absteigender Linie. Anh. §. 92.

407

Auf einen den Kindern aus dem Vermögen schuldig befundener Ehegatten

auszusetzenden Pflichttheil soll nur alsdann erkannt werden, wenn der unschuldige Theil, oder

der den Kindern zu bestellende Vormund ausdrücklich darauf anträgt, und behauptet, /mch im

Leugnungsfalle bescheinigt, daß der schuldige Ehegatte sich der Verschwendung des Vermögen­ verdächtig gemacht hat.

Dieser Antrag kann auch nach rechtskräftig getrennt« Ehe nachgeholt werden, wenn ein für den schuldigen Theil erklärter Ehegatte überführt wird, daß er sein Vermögen zu ver­ schwenden anfange.

Wird dies erwiesen, so wird bei Berechnung des Pflichttheils, sowohl in

Ansehung des Betrages des Vermögens, als in Ansehung der Zahl der Kinder, auf den Zeitpunkt gesehen, wo die Beruttheilung des schuldigen Ehegatten zur Aussetzung des PflichttheUS der Kinder vom Richter durch ein deshalb abzufaffendes Erkenntniß nachgehott wird'-). §. 461. Dieser den Kindern ausgesetzte Pflichttheil wird das wahre Eigen­ thum derselben. §. 462. Doch bleibt demjenigen, aus dessen Vermögen der Aussatz geschehen ist, die Verwaltung und der Nießbrauch davon auf Lebenslang. §. 463. Sicherheit darf er dafür nur in denjenigen Fällen leisten, wo ein Vater dergleichen für das eigenthümliche Vermögen der Kinder zu bestellen schuldig ist 98). §. 464. Ist keine besondere Sicherheit bestellt worden, so haben die Krnder deshalb in dem Vermögen des Aussetzenden eben das Vorrecht, was ihnen die Gesetze, wegen ihres eigenthümlichen nicht freien Vermögens, in den Gütern deS VaterS beilegen9i). §. 465. So lange derjenige, aus dessen Vermögen der Pstichttheil auSaefetzt worden, noch am Leben ist, können die Kinder, weder unter Lebendigen, noch von TodeS wegen, darüber verfügen. §. 466. Doch vererben sie denselben auf ihre Abkömmlinge, nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. §. 467. Stirbt ein solches Kind ohne erbfähige Abkömmlinge"), so wächst der Pflichttheil seinen vollbürtigen Geschwistern und deren Abkömmlingen zu. §. 468. Sind dergleichen Geschwister oder Geschwister-Kinder nicht vorhanden: io fällt derselbe in das Vermögen des Aussetzenden zurück; und der andere Theil Der geschiedenen Aeltern hat darauf keinen Anspruch. §. 469. Geht ein noch nicht ausgestattetes Kind, welchem der Pflichttheil auS!gesetzt worden, aus der väterlichen Gewalt, und errichtet eine besondere Wirthschaft: o kann es die Ausantwortung der ausgesetzten Summe, statt der ihm sonst ge­ bührenden Ausstattung, fordern96). §. 470. Alsdann erlangt es darüber ein uneingeschränktes Eigenthum.

einem Fremden zuzuwenden. Diese Besorgniß, die vielleicht an sich noch nicht dringend genug sein würde, eine Ausnahme von der Regel: quod viventis null» eit hereditas, zu rechtfertigen, wird es bei dem schuldigen Theile dadurch, weil die von selbiaem gegebene Ursache aut Schei­ dung allemal einen gereiften Grad des Verderbniftes im moralischen Charakter voraussetzt. Hier muß also der Staat für die Abwendung eines solchen, den Kindern aus der Schuld der Aeltern bevorstehenden Nachtheils sorgen." 22) Aus der C.V. v. 30. Dez. 1798 Abschn. HI §§. 2 u. 3, Äa6e 6 £>. 266. H. Rach d. C.P.O. §. 575 kann jetzt die Klage auf Aussetzung des PflichttheUS nicht mehr mit der Ehe­ scheidungsklage verbunden werden, s. II. 1 §. 745 Anm. 9. 28) Der Vater muß mithin den Pstichttheil auch auf seine Grundstücke einttagen lasten, wenn er sich wieder verheirathet. Der 8. 463 ist auch von der Mutter zu verstHen, denn eS ist von demjenigen Theile der Aeltern dre Rede, der zur Aussetzung deS Pflichttheils verurthellt worden ist. R. v. 24. Nov. 1794, Rabe 2 S. 726. 24) 8. 177. d. T. 26) Und vor Errichtung eine- eigenen Hausstandes. (8. 470.) 26) In diesem Falle ist mithin der Vater, wenn der Pflichttheil von der Mutter hat aus­ gesetzt werden müssen, von der Ausstattung befreit.

408

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 471—486.

§. 471. Durch die vorläufige Aussetzung des Pflichttheils werden die Kinder von der künftigen Erbfolge der geschiedenen Aeltern nicht ausgeschlofien. §. 472. Ist bet, welcher ihnen den Pflichttheil hat aussetzen müssen, ohne letztwillige Verordnung gestorben, so haben sie in seinem Nachlasse ein volles gesetz­ liches Erbrecht, gleich jedem anderen Verwandten in absteigender Linie. 8- 473. Auch ihnen ist ein solcher Erblafier, wenn er letztwillig verfügen will, wenigstens den Pflichttheil aus seinem vorhandenen Vermögen zu hinterlaffen ver­ bunden. §. 474. Den bei der Scheidung ausgesetzten Pflichttheil nehmen sie aus seinem Nachlafie gleich einer Schuld"). §. 475. Nur in dem einzigen Falle, wenn Halbgeschwister vorhanden find, welche der Aussetzende aus einer anderen Ehe erzeugt hat, müssen sie sich diesen ersten Pflichttheil eben so, wie oben wegen der Ausstattung verordnet ist, anrechnen lassen. §. 476. Sind zur Zeit der Scheidung die Kinder aus der zu ttennenden Ehe bereits volljährig, so bleibt es ihnen überlassen, in wie fern sie von der Befugnip, auf die Aussetzung des Pfiichttheils anzutragen, gegen den schuldigm Theil der Aeltern Gebrauch machen wollen. §. 477. Sind aber die Kinder noch minderjährig, so muß der in dem ScheidungSprozesse ihnen zu bestellende") Curator für die Ausmittelung, und erforder­ lichen Falls auch für die Sicherstellung dieses Pflichttheils sorgen. ß. 478. Ist der Bettag des Pflichttheils durch ein Abkommen zwischen dem schuldigen und unschuldigen Theil der Aeltern festgesetzt worden, so muß in der Regel der Curator sich dabei beruhigen. §. 479. Eben das findet statt , wenn beide schuldige Theile dergleichen Be­ stimmung, in Ansehung ihres beiderseitigen Vermögens, unter sich festgesetzt haben; und jeder Theil erbötig ist, die Richtigkeit derselben, sowohl in Ansehung seines eigenen, als in Ansehung seiner Wissenschaft von dem Vermögen des Anderen, an Eldesstatt zu bestärken. » §. 480. Doch muß, in beiden Fällen, der Curator mit dem Anträge auf nähere Ausmittelung des Pflichttheils gehört werden, wenn er erhebliche Gründe des Verdachts, daß die Kinder durch die Bestimmung der Aeltern darin verkürzt worden, anführen und bescheinigen kann. Anh. §. 93. Der Sicherstellung bedarf es nicht mehr, wenn die geschiedenen Eheleute einander wieder heirathen w). e) Erbfolge der Descen­ dent« aus Verträgen.

§. 481.

Auch durch Verträge kann die Erbfolge der Kinder bestimmt werden80).

27) Und zwar mit dem ihnen gebührenden Vorrechte gegen die übrigen Nachlaßglaubiger. Denn fie sind dieserhalb nicht Erben, sondern Gläubiger. H. Dagegen hat das O.Tr. I am 19. Okt. 1860, Str. Arch. 38 S. 322, ausgesprochen, daß der Pflichttheilsberechttgte, der Fassung des §. 474 ungeachtet, nicht als Gläubiger den Erben und dem Erblasser gegenüber zu betrachten sei. 281 Nicht unbedingt, sondern nur in den Fällen, welche der §. 290 des Anh. z. A.G.O. (I. 40 §. 32) bezeichnet, nämlich wenn beide Ehegatten oder auch nur Einer sich der Ver­ schwendung des Vermögens oder der Vernachlässigung der Erziehung ihrer Kinder verdächtig machen, wird den minorennen Kindern ein Kurator bestellt. Vergl. §. 92 des Anh. zu §. 460. Unmittelbar kann die Vorschrift auch in diesen Fällen bei der heutigen Gerichtsverfassung nicht mehr ausgeführt werden, sondern das Ehegericht kann nur die Akten dem Vormundschaftsgerichte zur Kenntnißnahme vorlegen laffen. 29) Aus dem R. v. 10. Nov. 1800, Rabe 6 S. 346. Alle Wirkungen aus dem Scheidungsurtel werden durch die Wiedereingehung der Ehe aufgehoben. 30) Ueber den Pl.Beschl. des O.Tr. v. 25. Aug. 1846, wonach, wenn ein Vater in dem mit einem seiner Kinder abgeschlossenen Gutsüberlassungsvertrage seinen anderen Kindern Ab-

Son der Erbfolge in absteigend« Linie.

409

§. 482. Dergleichen Verträge, welche die Aeltern unter sich, oder mit einem Dritten geschlossen haben, müsien die Kinder sich gefallen lassen; in so fern sie dadurch in dem aus dem künftigen Nachlasse der Aeltern ihnen gebührenden Pflicht­ theil nicht verkürzt werden. §. 483. Auch mit den Kindern selbst können Aeltern dergleichen Erbverttäge schließen. §. 484. Doch können Verträge, wodurch ein Kind von dem Nachlasse der Aeltern ganz ausgeschlossen, oder im Pflichttheile verkürzt werden sott81), nur mit volljährigen, der väterlichen Gewalt entlassenen Kindern, und nur vor deren ordent­ lichen Gerichten geschlossen werden88). §. 485. Ist aber der Vertrag solchergestalt geschlossen worden, so kann das

findungen ausgesetzt hat, der Gutsannehmer dem die Abfindung einklagenden Kinde nicht ent­ gegensetzen kann, daß er dem Vertrage nicht beigetreten sei, s. die Anm. 79 Abs. 2 zu I. 5 §. 75. H. Dgl. auch Anm. zu I. 12 §. 649.

31) Nämlich nach der Absicht der Paciszenten. Wird dem Entsagenden eine, mit dem gegenwärtigen Vermögen des Parens nicht in Verhältniß stehende Abfindung für die gänzliche Entsagung seines Erbrechts auf den fünftigen Nachlaß des Parens gegeben; so ist die hier vor­ geschriebene Sonn, bei Strafe der Nichtigkerl, zu beobachten, und der zufällige Umstand, daß die gegebene Abfindung in der That höher ist als der Betrag des Pflichttheils, wie er fich zur Zeit des Todes des bis dahin vielleicht zurückgekommenen Parens ergiebt, macht den nichtigen Ver­ trag nicht gültig. Wohlbegründet ist daher das Pr. 1076 des O.Tr. I v. 29. Nov. 1841: a) Verträge zwischen Aeltern und Kindern, durch welche Letztere vom Nachlasse der Aeltern ganz ausgeschlossen oder im Pflichttheile verkürzt werden sollen, können nur mit volljährigen, der väterlichen Gewalt entlassenen Kindern, und nur vor deren ordentlichen Gerichten geschloffen werden, obne Unterschied, ob den Kindern durch den Verttag eine Abfindung, statt deS künf­ tigen Erbtheils, ausgesetzt wird, oder nicht, b) Ist hiergegen gefehlt worden, so tritt für daS von der Erbschaft ausgeschlossene oder im Pfltchttheile verkürzte Kind, wenn es an einer rechtsaültigen letztwilligen Verordnung der Aeltern fehlt, die gesetzliche Erbfolge in deren Verlaffenschast ein, und die Beschränkung des Kindes auf den Pflichttheil findet nicht statt. Entsch. 7 S. 237, wiederholt u. 15. Febr. 1858, Str. Arch. 29 S- 98. Man hat gesagt: der Vater könne ja sofort, wenn das Kind gegen eine den Pslichttheil erfüllende Abfindung nicht entsagen wolle, ein dasselbe auf den Pflichttheil setzendes Testament errichten. Aber wer will denn vorauSwiffen, daß die bewilligte Abfindung den Pflichttheil aus oer dereinstigen Erbschaft erfülle? Die Voraussetzung ist ja, daß die Intention dahin gehe, der Entsagende solle nach dem dermaligen Vermögenszustande verkürzt werden. Der Einwurf paßt also nicht. Wie es künftig sein wird, ist ungewiß und läßt fich nicht wissen.

H. O.Tr. Strassen. II v. 9. Mai 1878, Entsch. 82 S. 239: Ein Gutsüberlaffungsvertrag zwischen Ascendenten und Descendenten, mittelst dessen dem Erwerber ein bestimmter Bettag des Ueberlaffungspreises als sein dereinstiger Erbtheil in Zahlung angerechnet ist und in welchem der Erwerber sich danach wegen seines zukünfttgen älterlichen Erbtheils für abgefunden erklärt hat, bedarf nicht des Abschlusses vor den ordentlichen Gerichten. H. Dagegen führt Krantz bei Gruchot 3 S. 65 ff. aus, daß, wenn gegen §. 484 ver­ stoßen worden, das Geschäft aber mit den Förmlichkeiten eines Erbverttages geschloffen, die Zustimmung des Kindes zwar als nicht vorhanden zu bettachten, der Wille des abflndenden Parens aber als einseitige Verfügung von Todeswegen auftecht erhalten werde, also oaS Kind nicht zur gesetzlichen Erbfolge gelange, sondern nur den Pflichttheil zu beanspruchen habe, auf den der Bettag der Abfindung in Anrechnung zu bringen sei. S. indessen gegen diese Annahme Dernbura 3 S. 487 Note 12. Ein solcher gesetzlicher Miterbe, der in einem Vertrage mit dem künftigen Erblasser der künftigen Erbschaft desselben entsagt, verliert dadurch seine Erbesqualität aus dem Gesetze (daS künftige Erbrecht als Pflichterbe) gänzlich, und ist daher, wenn er auch nicht nach eingettetenem Erbfalle innerhalb der gesetzmäßigen Frist die Erbschaft auSgeschlagen hat, den Legatarien und Rachlaßgläubigern nicht verhaftet. Ihm ist die fragliche Erbschaft gar nicht angefallen, und er hat also solche auch nicht auszuschlagen (§. 488). Vergl. Erk. deS O.Tr. I v. 2. Nov. 1866, Entsch. 57 S. 45.

32) Ohne Unterschied: ob die Entsagung gegen Abfindung, oder unter Unsständen erfolgt, wo das entsagende Kiud schon von dem Parens Zuwendungen erhalten hatte, die es auf feinen Erbtheil fich anrechnen lassen müßte. Vergl. die vor. Anm. 81. — Der §. 484 ist in der

410 •

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 486-491.

Kind denselben unter keinerlei Vorwande, auch nicht wegen veränderter Bermvgensumstände der Aeltern, weiter anfechten. §. 486. Sind aber die andern Kinder, oder der Ehegatte, oder zu wessen Gunsten sonst der Vertrag geschlossen worden, vor dem (Eintritte des Mbanfalls abgegangen; und hat auch der den Vertrag schließende Theil der Aeltern keine letzte Willensverordnung hinterlassen88): so gelangt das vorhin ausgeschlossene Kind den­ noch zur gesetzlichen Erbfolge. §. 487. Verwandte in der aufsteigenden und Seiten-Linie können daher ein solches Kind von dem Nachlasse der Aeltern nur in so fern ausschließen, als der Vertrag mit demselben ausdrücklich zu ihren Gunsten errichtet worden. §. 488. Kinder, die ihrem Erbrechte durch einen gültigen Vertrag entsagt haben, werden bei Berechnung des Pflichttheils der übrigen mitgezählt **).

Sechster Abschnitt.

8»b der Erbfolge der Aeltrr« >«d anderer Berwandte» in anfsteigender Linie'), ertfotet bei

§. 489.

In Ermangelung

der Verwandten 'absteigender Linie gelangen die

ersten«"», leiblichen Aeltern des Verstorbenen, mit Ausschließung seiner Geschwister, zur gesetz***. lichen Erbfolge.

Mark Brandenburg nicht suSpendirt. Srk. des O.Tr. I v. 16. Febr. 1858, Str. Arch. 29 S. 101. 33) Hat er aber eine letztwillige Verordnung hinterlassen und ist das ausgeschlossene Kind übergangen oder nicht gehörig, d. i. mit dem Pflichttheile, honorirt, so succedirt dasselbe contra tabulas nach den allgemeinen Grundsätzen. Denn der Testamentserbe hat aus jenem erloschenen Entsagungsvertrage kein Recht; der Erblasser selbst hatte für seine Person auch daraus kein Recht und konnte ein solches nicht übertragen. S. auch Koch, Erbrecht S. 887. 34) Nämlich bei der Frage: wie hoch der Pflichttheil der übrigen Kinder zu bestimmen, nicht aber bei der Frage: wie die auf die Pflichttheilsberechtigten fallende Quote der Verlassen­ schaft zu vertheilen sei. Hierbei zählt der Entsagende (oder Enterbte) nicht pnt. Dies folgt aus dem Mangel einer Bestimmung darüber: wer den auf ihn fallenden Theil erhalten soll. H. Vgl. Anm. 13 Abs. 2 zu II. 1 §. 633. Die mit der Wirkung der sog. Todtheilung abgeschichteten Kinder werden bei der Berech­ nung des Pflichttheils der aus einer weiteren Ehe ihres Parens herstammenden Kinder nicht mitgezählt. Erk. des O.Tr. I v. 1. März 1858, Entsch. 38 S. 208. Darin folgt dasselbe der bestrittenen Meinung derjenigen Rechtsgelehrten, welche das durch eine deutsche Grund- und Todtheilung abgefundene Kind für verstorben angesehen wissen wollen. M. s. hiergegen Koch, Erbrecht S. 881, u. Dernburg 3 S. 549. 1) Außer dem, was in der Anm. zum gedr. Entw. Th. I Abth. 1 S. 217 (Anm. 1 zum vor. Abschn.) gesagt ist, trägt Suarez zur Rechtfertigung der neugestalteten AscendentenErbfolge in einem besonderen Promemoria vor: Bei der Erbfolge der Verwandten in auf­ steigender Linie weiche das Gesetzbuch vom Röm. Rechte darin ab: 1. daß Vater und Mutter die Geschwister ganz auSschließen; 2. daß dagegen Großältern und weitere Grade der auf­ steigenden Linie von vollbürtigen Geschwistern ausgeschlossen werden; 3. daß dergleichen ent­ fernte Verwandte in aufsteigender Linie nur mit Halbgeschwistern zugleich zur Succesfion ge­ langen; wohingegen de jure Komano die Geschwister in allen Fällen mit den Ascendenten zugleich suceedirem Die erste jener Abweichungen, vermöge welcher die leiblichen Aeltern die Geschwister aus­ schließen, ist leicht zu rechtfertigen. Sie gründet sich in der weit stärkeren natürlichen Liebe, mit welcher Kinder ihren Aeltern vor den Geschwistern zuaethan sind, in den ungleich bindenderen Pflichten der Dankbarkeit, welche Kinder ihren Aeltern schuldig sind, denen sie ihr Dasein, ihre Erziehung, die Unterstützung, durch welche sie das hinterlassene Vermögen haben erwerben können, in der Regel verdanken. Sie gründet sich darin: daß dies Vermögen, welches jetzt den Aeltern zufällt, nach deren Aussterben vermöge des natürlichen und gewöhnlichen Laufes der Dinae doch wieder an deren Kinder, d. h. an die Geschwister des jetzigen Erblassers gelangt, und also denselben nicht für immer entzogen wird. Sie hat endlich die Uebereinstimmung mit dem

Bon der Erbfolge in aufsteigend« Linie.

411

§. 490. Sind beide Leitern noch am Leben, so erben dieselben zu gleichen Theilen. §. 491. Ist nur noch Einer von den Eltern vorhanden, so überkommt der­ selbe den ganzen Nachlaß2). Deutschen Rechte und mit den noch jetzt geltenden Gesetzen der vielen Provinzen für sich, in welchen, wie z. E. in Schlesien, das Jus Saxonicum commune und der m selbigem gegrididete Schooßfall recipirt ist. Wenig« einleuchtend find die Gründe der zweiten Abweichung, vermöge d«en vollbürtige Geschwist« die Großältern und andere entferntere Ascendenten ausschließen; sind ab« nichtsdesto wenig« sehr erheblich. Denn 1. hat das ältere Röm. Recht selbst den Geschwistern den Borzug gegeben, und «st Justinian hat in seinen Novellen, worin er in so vielen Stücken das viel vernünftig«e Jus civile anti^uum verdorben, die Ascendenten zur Mitbeerbung gerufen. 2. Die Verbindung unter Geschwistern, die gewöhnlich mit einander erzogen ««den und die ersten Jahre ihres Lebens unter einem Dache in der engsten Vertraulichkeit zubringen, scheint viel genau« und inniger, als mit entfernten Ascendenten, von welchen die Enkel und Urenkel in d« Regel in ein« Ehrfurcht gebietenden Entfernung gehalten w«den und nur selten einzelne Wohlthaten genießen. Bon dem, was c aus dem Nachlasse des a erbt, fällt in der Folge nur die Hälfte an b, und die andere Hälfte an d, der zu ein« ganz ftemden Familie gehört.

3. D« Theil des Vermögens, welchen dergleichen entfernte Ascendenten «den, geht auS der eigentlichen Familie des Kblafsers pro maxima parte heraus, und wird in kurzer Zeit (da solche Ascendenten gewöhnlich schon hochbejahrte Leute sind) an Extraneos übertragen. Run ist es doch aber der voluntati praesumtae des Erblassers, als dem ganzen Fundament der Intestat-Erbfolge gemäß, daß « nicht bloß in dem ersten und unmittelbaren, sondern auch in dem nächstfolgenden so nahe bevorstehenden und vorauszusehenden Palle, sein Vermögen lieb« ganz seinem leiblichen Bruder und dessen Kindern, als and«en wert entfernten, zu einer hn Grunde ganz ftemden Familie gehörenden Seitenverwandten, werde gönnen wollen. 4. AuS der Konkurrenz des Ascendenten mit den Geschwistern und d«en Kindern entehen eine Menge streitig« und verwickelter Fälle, die zu vielen Prozessen Anlaß geben können, tryk, de Succ. ab intest. Diss. II Cap. I §§. 28—32. Nun ist es aber allerdings ein Nebenzweck der neu«en Gesetzgebung gewesen, Dispositiones der älteren Gesetze, welche eine Quelle häufiger und verwickelt« Prozesse sein können, wenn nicht überwiegende Gründe deren Beibehaltung nothwendig machten, zu corrigiren und aufzuheben. (Jahrb. 41 S. 166.) Die Grundsätze von der Erbfolge d« Ascendenten finden auch im Minden-RavenSbergschen Anwendung, weil die dort ftüh« geltenden Gesetze über die Erbfolge der Geschwist« und Lettern mit Einführung d« französischen Gesetze außer Kraft gesetzt, und auch durch die B. v. 8. Jan. 1816 nicht wird« eingeführt worden sind. Pr. 436 deS O.Tr. I. v. 19. Febr. 1838, PrH.Samml. 1 S. 169. — Auch der Grundsatz des Münst«schen Provinzialrechtes: daß, wenn ein noch nicht als abgeschichtetes Kind unverheirathet ohne letzttvillige Verordnung mit dem Tode abgeht, das nachgelassene Vermögen desselben seinen Geschwistern mit Ausschluß deS Ueberlebenden d« Lettern zu gut kommt, — ist als lediglich der Erbfolge angehörend, und mit der ehelichen Gütergemeinschaft nicht in nothwendig« Verbindung stehend, durch diese Verordnung nutzt wieder hergestellt. Es kommt vielmehr gegenwärttg dabei die Vorschrift des LR. IL 8 §. 489 seq. zur Anwendung. Pr. 1498 deff. Sen. v. 18. Ott. 1844, Entsch. 11 S. 440. 2) Ohne Unterschied des Ursprungs des Vermögens. B«gl. §. 499. Die Frage: ob diese Grundsätze auch auf den ursprünglich unehelichen Vater, dessen Kinde die Rechte der ehelichen Geburt in Gemäßheit des §. 592 beigeleat sind, Anwendung finden, kann feit dem Gesetz v. 24. April 1854 (Zusatz 28 zu II. 1 §. 1119) nicht mehr vorkommen.

§

412

Zweiter Theil.

Zweiter Titel.

§§. 498—510.

traben”” §• ^b2. Ist Keiner von den Aeltern mehr am Leben, so werden die weiteren * ltn" Verwandtm in aufsteigender Linie von den vorhandenen vollbürtigen Geschwistem

des Erblassers und deren Abkömmlingen ausgeschlossen. §. 493. Hinterläßt der Verstorbene nur halbbürtige Geschwister, oder davon Abkömmlinge, so gelangen diese, mit den aufsteigenden Verwandten weiterer Grade, zugleich zur Erbfolge. §. 494. Die Halbgeschwister und deren Descendenten nehmen alsdann die eine, und die Verwandten in aufsteigender Linie die andere Hälfte des Nachlaßes. §. 495. Hinterläßt der Verstorbene gar keine Geschwister, noch deren Descen­ denten; so beerben ihn die Verwandten in auffteigender Linie allein, mit Aus­ schließung aller übrigen Seitenverwandten. §. 496. In welcher Ordnung Geschwister und Geschwister-Kinder unter sich dem Verstorbenen folgen, ist im dritten Titel vorgeschrieben. §. 497. Unter den Verwandten in aufstngender Linie, sie mögen allein oder mit Halbgeschwistern zugleich zur Erbfolge gelangen, schließt allemal oer dem Grade nach nähere den entfernteren aus. §. 498. Sind mehrere gleich nahe Verwandte in aufsteigender Linie vor­ handen, so erben dieselben die Portion dieser Linie8) zu gleichen Theilen. §. 499. Bei der ganzen Erbfolge in aussteigender Linie, und bei der Theilung des Nachlasses unter väterlichen und mütterlichen Verwandten, macht es keinen Unterschied: woher und von welcher Seite das Vermögen dem verstorbenen Kinde zugefallen fei3 4).* §. 500. Die Kinder sind berechtigt, diese gesetzliche Erbfolge der Verwandten een ter Ätn> in aufsteigender Linie durch ein mit den gehörigen Erfordernissen versehenes Testament *“■ zu ändern. Sxtucen! §• 501. Doch können sie, auch durch eine solche letztwillige Verordnung, den Knien. Aeltern und übrigen durch das Gesetz zur Erbfolge berufenen Ascendenten den Pflichttheil nicht entziehen 6). §. 502. Der Pflichttheil ist bei jedem Verwandten in aufsteigender Linie, ohne Unterschied der Zahl, die Hälfte des ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zukommenden Antheils. * §. 503. Diesen Pflichttheil können die Kinder nicht schmälern, noch durch Be­ dingungen einschränken, oder mit Lasten beschweren. §. 504. Hinterläßt der Verstorbene zwar Verwandte in absteigender Linie, die er aber aus einer wahren und gesetzmäßigen Ursache enterbt hat: so muß er

3) Also in der aufsteigenden Linie. In dieser wird allemal nach der Rähe des Grades (§. 497) und bei gleicher Nähe zu gleichen Theilen (§. 498), folglich nicht in lineas, sondern in capita succedirt. 4) Nach altpolnischem Rechte ward ein Adliger, der weder Aelteni noch Geschwister, oder deren Kinder nachgelassen hatte, von den weiteren Seitenverwandten der väterlichen oder mütter­ lichen Seite dergestalt beerbt, daß an jede dieser beiden Linien zurückfiel, was aus derselben hergekommen war. Nach welchem Prinzip aber in jeder Linie succedirt werden sollte, darüber fehlte es an besonderen Bestimmungen für das eigentliche Polen. Das jus terrestre nobilitatis Pruseiae correctum kann, wenngleich dessen Titel de successionibus in der Trembickischen Sammlung polnischer Gesetze mit abgedruckt ist, nicht außerhalb der Grenzen von Polmsch Preußen als Gesetz gelten, weil es nur ein für die Provinz gegebenes Gesetz ist; und eS muß daher in so weit, — also in Beziehung auf die Erbfolgeordnung in jeder Linie, auf das römische Recht als subsidiäres zurückgegangen werden. Pr. 8.30 des O.Tr. I v. 25. Febr. 1840, Entsch. 6 S. 63. 6) In dem Herzogthume Westfalen gilt ein Vertrag unter Eheleuten, daß bei kinderloser Eh« das ganze Vermögen dem Längstlebenden zufallen solle, nur mit Vorbehalt des Pslichttheils der Aeltern. Nov. 115 Kap. 4. Erk. des O.Tr. I v. 1. April 1848, Entsch. 16 S. 476.

Von der Erbfolge in aufsteigender Linie.

413

denjenigen Ascendenten, welche das Gesetz, in Ermangelung der Abkömmlinge, zur Erbfolge ruft, den Pflichttheil verlassen. §. 505. Haben aber die Abkömmlinge der Verstorbenen sich ihres Erbrechts begeben, so können, wenn diese den Erbanfall erleben, die Ascendenten einen Pflicht­ theil nur in so weit fordern, als die Entsagung ausdrücklich zu ihren Gunsten ge­ schehen ist6). §. 506. Kinder können ihre Leitern und weitere Ascendenten auch im Pflicht- fraggny* theil enterben: 1) wenn dieselben des Hochverraths, oder des Lasters der beleidigten u*). «m Errich§. 27. Familienstiftungen zu machen, ist * jeher Einwohner des Staats in so Ämuüm- weit berechtigt, als er überhaupt über sein Vermögen schalten kann.

stiftungen.

§ 28. Dergleichen Familienstiftungen können durch Verträge, durch einseitige Verfügungen unter Lebendigen 10) und durch letzte Willensverordnungen errichtet werden. §. 29. Diese Stiftungsurkunden sollen künftig allemal vor dem ordentlichen persönlichen Richter'?) des Stifters verlautbart, und demselben zur Bestätigung vorgelegt werden. §. 30. Diese Verlautbarung muß, wenn sie der Stifter nicht selbst schon bei seiner Lebenszeit bewirkt, durch den Vorsteher der zum Genusse der Stiftung be­ rufenen Fannlie besorgt toerben18). jedesmaliger Veräußerung des Gutes, das Vorkaufsrecht haben und das Gut für eine bestimmte Summe anzunehmen berechtigt sein sollen, ist kein Familienfideikommiß, und bedarf daher auch zur Rechtsgültigkeit der früher nach Schlesischem Provinzialrechte bei Familienfideikommissen nothwendigen landesherrlichen Bestätigung nicht. Erk. des O.Tr. v. 23. Okt. 1837, Schles. Arch. 2 S. 174. Eine Familienfideikommiß-Stiftung enthält auch die Anordnung des Testators nicht, daß einer seiner Söhne das Gut ausschließlich für einen gewissen zur Nachlaßmasse einzu­ werfenden Preis eigenthümlich übernehmen, daß dasselbe sodann bei seinen Kindern und seiner Familie blerben solle, und daher nicht an einen Fremden überlassen, vielmehr nur an einen der Geschwister des Uebernehmers für denselben Preis wieder abgetreten werden könne. Erk. des O.Tr. v. 4. Okt. 1854, Str. Arch. 15 S. 65. — Zur Errichtung eines eigentlichen Familien fideikommisses im engern Sinne ist vielmehr nach dem L.R. erforderlich, daß das Eigenthum des Guts der Familie als solcher übertragen, bestimmten Familienmitgliedern ein unbedingtes Recht auf die Succession, und dem Besitzer nur die Rechte eines nutzbaren Eigenthümers eingeräumt werden. §§. 72, 73. (Ebd.) — Nach Gemeinem Deutschen Rechte genügt zur An­ ordnung eines Familienfideikommisses die Erklärung des Testators, daß gewisse Güter beständig bei seiner Familie bleiben sollen. (Ebd. S. 60.) 13) Eine Auslegungsregel, entsprechend dem Grundsätze, daß im Zweifel das Mindere angenommen wird. H. Bergl. Hinschius a. a. O. S. 114. Die Veräußerung des Kapitals ist in dem gedachten Falle unbeschränkt, wenn nur die dadurch zugewendeten Hebungen gesichert bleiben. Anm. 10. 14) Die Unablöslichkeit auch solcher Gülten ist durch das Gesetz, betr. die Ablösung der Reallasten, v. 2. März 1850 aufgehoben. 15) Das kann er auch bei stattfindender Ablöslichkeit nicht; er hat nur die Wahl zwischen Aufkündigung des Kapitals oder Fortzahlung der ursprünglich festgesetzten Zinsen. 16) H. Ueber die Form ist zwar nichts bestimmt; daß die schriftliche nothwendig ist, ergiebt sich aber daraus, daß die Stiftungsurkunde verlautbart werden muß. 17) An dessen Stelle war bei Familien-Fideikommissen das Appellations Gericht des Be­ zirks gesetzt. Ges. v. 5. März 1855 ß. 1 und Anm. 10 dazu. S. Zus. 6 zu 63 d. T. H. Jetzt kommt für Familienstiftungen in Betracht §. 29 d. Auss.Ges. z. G.V.G. v. 24. April 1878: „Die den Gerichten zustehende Verwaltung oder Beaufsichtigung von Stiftungen liegt.den Amtsgerichten ob. Durch den Justizminister kann das Landgericht oder das Oberlandesgericht mit der Verwaltung oder Beaufsichtigung beauftragt werden." Vgl. Turn au, Justiz-Verfassung in Preußen 1 S. 206. 18) Bei Stiftung eines Familienfideikommisses durch Testament ist der Vorsteher der dazu berufenen Familie (§§. 10 ff. d. T.) schuldig, die Errichtung der Stiftungsurkunde zu betreiben und die Bestätigung nachzufuchen. Bergl. Koch, Erbrecht S. 1076.

Von Familienstiftungen.

461

§. 31. Der Richter ist schuldig, nach näherer Anweisung der Gesetze, welche die gerichtliche Verfahrungsart in nicht streitigen Rechtsangelegenheiten vorschrejben, daraus zu sehen, daß dergleichen Urkunden deutlich und bestimmt gefaßt, auch künftigen Zweifeln und Prozessen möglichst vorgebeugt werde. §. 32. So lange die Stiftungsurkunde nicht gerichtlich verlautbart ,e) worden, soll keine Klage2ft) daraus angenommen werden. §. 33. Wird aber die Gültigkeit der Urkunde selbst, vor oder nach Verlaut­ barung, angefochten, so muß darüber rechtliches Gehör verstattet roerben21). Tie Vorschrift des 30 kann nur als eine Verpflichtung des Vorstehers, die Ver­ lautbarung zu besorgen, nicht aber dahin aufgesaßt werden, daß dieser unter allen Umstän­ den und selbst gegen den ausgesprochenen Willen des Stifters der zur Verlautbarung allein Berechtigte sei, und daß also, wenn das zur Bestätigung einer Familienstiftung kompetente Ge­ richt die Vornahme der Verlautbarung durch eine andere Person für zulässig oder geboten erachtet, ohne Unterschied der Fälle die Stiftung, der vom kompetenten Richter erfolgten Bestätigung ungeachtet, rechtsungültig sei. Erk. des O.Tr. I v. 15. April 1864, Entsch. 51 S. 268; Str. Arch. 52 S. 255. 19) Und bestätigt Unter der Verlautbarung ist auch die Bestätigung zu verstehen. Diese Vorschrift findet auch auf Familienfideikommisse Anwendung. §§. 62, 63. O.Tr. I v. 9. Mai 1853 u. 111 v. 10. März 1862, Str. Arch. 10 S. 62 u. 45 S. 113.

H. Die Bestätigung hat nicht die Kraft, irgend welche Rechte Dritter zu beseitigen, sie ist nur eine Maßregel, welche die offenbar ungültige Errichtung verhindern soll, aber der Natur der Sache nach das positive Vorhandensein aller Erfordernisse, also den vollgültigen Bestand nicht feststellen kann, P. H i n s ch i u s a. a. O. S. 388, 433. Andererseits tritt aber die Stiftung mit der Bestätigung ins Leben (ebenso wie auch das Familienfideikommiß, O.Tr. I v. 26. Mai . 1879, Entsch. 83 S. 224). Bei einseitiger Errichtung inter vivos kann also der Stifter selbst, so fern er sich nicht Abänderungen in der Stistungsurkunde vorbehalten hat, seine Schöpfung nicht rückgängig machen. Das Eigenthum der der Stiftung gewidmeten Vermögensstücke geht ebenfalls in diesem Augenblick ohne weiteres, also namentlich ohne Tradition über; der Erwerb ist an eine gewisse Begebenheit geknüpft, f. §. 4 1. 9, s. P. Hinschius a. a. O. S. 385, 401, 417, 422; Förster Eccius 4 S. 264. Dernburg 3. Ausl. 1 S. 922 meint, daß Bestätigung und Genehmigung den Stiftungsakt von seiner Errichtung ab ex tune bekräftigen. Aus §. 32 kann aber doch nicht hergeleitet werden, daß mit der Stistungsurkunde das Familienfideikommiß vom Gesetzgeber schon an sich für existent und nur für wirkungslos erachtet werde. Darüber, daß auch in dem Falle, wo die Familienstiftung in einem Vertrage errichtet ist, der die Stiftung schaffende Rechtsakt ein einseitiger ist, s. P. Hinschius a. a. O. S. 389, nur hat hier der Mtkontrahent ein Recht auf die Errichtung. Die Stistungsurkunde ist genügend, wenn 1. das zum Stiftungszwecke gewidmete Vermögen ausreichend bestimmt ist, und 2. eine Festsetzung getroffen ist, welche Mitglieder der Familie hebungsberechtigt sein sollen, oder es wenigstens möglich ist, die §§. 35 ff. d. T. heranzuziehen. Ist die Bestellung eines Organs für die Stiftung bei Lebzeiten durch vorgängige Verhandlungen mit dem Stifter vor der Bestätigung nicht mehr zu erreichen, z. B. bei einer letztwillig errichteten Stiftung, so ist dies durch Familienschluß zu schaffen, s. P. Hinschius a. a. O. S. 404, 405. Ueber die Frage, in wie weit der Stifter sich selbst Abänderungen der Stistungsurkunde bei einseitiger Errichtung unter Lebenden vorbehalten kann, s. a. a. O. S. 405 ff. 20) Wenn durch die Stistungsurkunde über eine Familienstistung, welche neben dem Interesse einer bestimmten Familie zugleich einen öffentlichen Zweck im Auge hat, Privatrechte begründet oder aus derselben hergeleitet, von der Stistungs- (Verwaltungs-) Behörde aber nicht anerkannt werden, so ist der darüber entstehende Streit — so fern nicht etwa von dem Stifter eine besondere Anordnung hinsichtlich der Kompetenz getroffen ist — nicht von der Stiftungsbehbrde, sondern von den Gerichten zu entscheiden. Erk. des Komp.Gerichtsh. v. 7. März 1857, J.M.Bl. S. 298. II. Eine Klage auf Verlautbarung der Stiftungsurkunde gegen den Vorsteher ist durch §. 32 nicht ausgeschlossen, s. 8- 30 d. T. Dazu legitimirt ist jedes zur Stiftung berechtigte Familien­ glied, s. P. Hinschius a. a. O. S. 436 ff. 21) Ist die Stiftung durch die erfolgte Bestätigung der Stistungsurkunde seitens des kompetenten Richters einmal als juristische Person ins Leben getreten (Zus. 2 zu tz. 38 d. T.), so besteht sie auch so lange fort, bis sie für ungültig erklärt worden ist, oder sonst rechtliche Existenz zu haben aufgehört hat, und bis dahin ist der, von der mit der Verwaltung und Oberausficht der Stiftung betrauten Behörde bestellte Kurator derselben zu ihrer Verwaltung ebenso aktiv wie passiv legitimirt. — Der Umstand, daß Streit unter den Parteien darüber obwaltet, aus welchen Gegenständen nach der letztwilligen Verordnung des Stifters die Stiftung bestehen

Zweiter Theil.

462

Vierter Titel.

§§. 34, 35 (Zusatz)—38.

»echte und

§. 34. Die wegen einer solchen Stiftung den Familienmitgliedern zukommenden Rechte und Pflichten sind lediglich nach dem Inhalte der Stistungsurkunde zu be"bSci” summen82). u §. 35. Bei entstehendem Streite: in welcher Ordnung die Familienmitglieder zum Genusse der Stiftung gelangen sollen, gilt die Vermuthung, daß der Stifter auf die Regeln der gesetzlichen Erbfolge, in Beziehung auf den gemeinschaftlichen Stammvater der berufenen Familie, Rücksicht genommen habe2S). 1.

Allerhöchste Kabinetsorder vom 4ten September 1830., über denNach-

weis der Ahnen bei Familienstiftungen und Familien-Fideikommissen. (G.S.

S. 129.)

Zur Verhütung rechtlicher Streitigkeiten über Familienstiftungen und Familien-Fideikommisse,

für welche das Erforderniß der adlichen Geburt der Ehegattin des zum Genusse berechtigten Faunlienmitgliedes durch die Süstungsurkunde vorgeschrieben ist, setze Ich hierdurch fest: daß der

Nachweis von vier adlichen Ahnen jederzeit als ausreichend angenommen werden soll, sobald

die Stiftungs-Urkunde, ohne eine bestimmte Anzahl nachzuweisender Ahnen namhaft zu machen,

den Ausdruck vollbürtig, oder ritterbürtig, gebraucht hat.

Ueberall dagegen, wo die

Stistungsurkunde die Anzahl der erforderlichen Ahnen vorschreibt, hat es bei derselben sein

Verbleiben

§. 36. Hat der Stifter eine gewisse namentlich bezeichnete Familie zum Ge­ nusse der Stiftung berufen, so sind diejenigen, welche den Familiennamen nicht führen, lvenn sie gleich sonst zur Verwandtschaft gehören, dennoch für ausgeschlossen zu achten. §. 37. Hat aber der Stifter in allgemeinen Ausdrücken zum Besten seiner Verwandten, Nachkommen u. s. w. verordnet, so nehmen auch Verwandte weiblichen Geschlechts, und die durch selbige ru der Familie gehören, an der Stiftung Theil. §. 38. Die Sorge für die Beobachtung der Stistungsurkunde, und für die Aufrechterhaltung der daraus der Familie zukommenden Rechte, liegt, wenn der Stifter mchts Besonderes darüber festgesetzt hat, dem Vorsteher der Familie '") hauptsächlich ob '"). solle, steht der sofortigen rechtlichen Existenz der Stiftung und der Aktivlegitimation des Kurators der Stiftung nicht entgegen. Erk. des O.Tr. I v. 15. April 1864, Entsch. 51 S. 268, Str. Arch. 52 S. 361. H. Wegen Klagen auf Ungültigkeitserklärung von Stiftungen, welche nicht dem Willen des Stifters gemäß errichtet sind, s. P. Hinschius a. a. O. S. 449 ff. 22) Wenn der Genuß gewiffer Vortheile, z. B. von Studien-Stipendien, zu einem bestimmten Zwecke bewilligt wird, und der Stipendiat sich selbst außer Stand setzt, den Zweck zu erfüllen, wie z. B. wenn ihm wegen verbotener Studentenverbindungen die Fortsetzung der Studien unter­ sagt wird, so kann er auf den Genuß ferner keinen Anspruch machen. Schr. des J.M. v. 1. Mai 1835 (Erg. ad h. §.). Es kommt jedoch hauptsächlich auf den Inhalt der Stiftungsurkunde an. Denn bei"älteren Stiftungen hat kein Stifter auf den Gedanken kommen können, daß es einem Menschenkinde verboten werden könnte, ein Gelehrter zu werden. Das ist eine Erfindung des modernen Polizeistaats. Es ist daher zu erwägen, was für solchen gar nicht vorgesehenen Fall zu thun sei. Hat der Stifter im Sinne gehabt, das Stipendium zur gelehrten Ausbildung zu bestimmen, ohne ein bestimmtes Fach der Wissenschaften vorzuschreiben, so ist es gewiß im Smne des Stifters, das Familienglied, welchen: das Fortstudiren auf der Universität untersagt wird, im Genusse des Stipendiums zu lassen, wenn es auf anderem Wege seine Ausbildung zu einem praktischen Lebensberuse fortsetzt. 23) Bei Stiftspräbenden adelicher Familien soll, nach Recht und Herkommen des deutschen Adels, zufolge einer schiedsrichterlichen Entscheidung v. 22. März 1836, der erstgeborenen Linie der Vorzug vor der jüngeren gebühren, und dieser Grundsatz zur Anwendung kommen müssen, wenn keine besonderen abändernden Bestimmungen vorhanden. (Ulrich, Arch. 3 S. 139.) Wo das L.R. gilt, kann dieses Herkommen die Vorschrift des §. 35 nicht außer Kraft setzen. Auf Familienfideikommisse findet der §. 35 keine Anwendung. Erk. des O.Tr. vom I. 1839, Ulrich, Arch. 11 S. 213. 24) Der Senior der Familie ist berechtigt, als Vertreter derselben gegen den Administrator der Iamilienstistung wegen grober Amtsvernachlässigung auf Amisentsetzung zu klagen, in so weit

Bon Familienstistungen.

463

die Stistungsurkunde keine entgegengesetzte Bestimmung enthält. Er bekleidet ein Ehrenrecht im Sinne des §. 1 der B. v. 14. Dez. 1833. Erk. des O.Tr. I v. 9. Febr. 1852, Str. Arch. 6 S. 32. 25) In wie fern eine Oberaufsicht des Staats über Familienstistungen }U konkurriren habe, ist im Allgemeinen durch kein Gesetz bestimmt. Allgemeine Vorschriften darüber giebt eine Ministerialverfügung v. 6. Aug. 1798, Rabe 5 S. 117. Dieselben sind jedoch theils nicht überall anwendbar, theils nicht erschöpfend. Man beabsichtigte deshalb den Erlaß einer allgemeinen Verordnung zur Feststellung der Grenzen der Aufsicht und Einwirkung auf Familienstistungen. Cirk.B. v. 20. Juli 1841, J.M.Bl. S. 241. Durch K.O. v. 9. Nov. 1843 wurde das Staatsministerium beauftragt, die Frage wegen Ausübung der Oberaufsicht über Familienstistungen überhaupt in besondere Erwägung zu ziehen. Das Ergebniß davon sind einige Berwaltungsvorschristen ge­ wesen, welche in dem nachfolgenden Berichte des Staatsministeriums v. 23. Dez. 1844 und der darauf ergangenen K.O. v. 3. Jan. 1845 enthalten sind. a) Bericht v. 29. Dez. 1844: „Allem Gesagten zufolge haben wir uns über folgende Berwaltungsgrundsätze, die jedoch auch nur als solche zu betrachten und nicht zu legislativen An­ ordnungen angethan sind, geeiniget:

I. Bei allen Stiftungen, und zwar bei den reinen Familienstistungen sowohl, als bei den gemischten, selbst aber auch bei denen, die keine bestimmten Familienintereffen, sondern nur öffentliche Zwecke ins Auge fassen, ist zunächst auf den Willen des Stifters und die von ihm getroffenen Anordnungen Rücksicht zu nehmen. II. Die Behörde oder Korporation, welcher hiernach die Verwaltung einer Stiftung oder die Aufsicht über eine solche Verwaltung überwiesen ist, steht in diesem Betracht unter keiner anderen Oberaufsicht als derjenigen, worunter sie nach den organischen Staatseinrichtungen ohnedies steht. Dabei macht es keinen Unterschied, ob bei den, einet verwaltenden Behörde oder Korpo­ ration überwiesenen Stiftungen gewisse Familien besonders interessirt sind, oder bei den einer Gerichtsbehörde überwiesenen Stiftungen öffentliche Zwecke verfolgt werden. Vielmehr ist im ersten Falle den Familien die Wahrnehmung ihrer Interessen, der betr. Verwaltung gegenüber, zu überlassen, und im anderen Falle die Wahrnehmung des öffentlichen Interesses als den Gerichten anvertraut zu betrachten.

III. Kann die Sache nicht als durch den Willen deS Stifters entschieden betrachtet werden, entweder, weil darüber nichts Bestimmtes vorliegt, oder weil veränderte Reffortverhältniffe eine neue Anordnung nöthig machen, so ist als Grundsatz anzuerkennen, daß die Wahrnehmung jedes öffentlichen Interesses der Verwaltung, die Wahrnehmung des Interesses der Familie, — so fern diese überhaupt als unter einer Aufsicht stehend zu denken, — dem Gerichte Vorbe­ halten bleiben müsse. Treffen Familienintereffen und öffentliche Jntereffen zusammen, wie dies bei allen gemischten Familienstistungen der Fall ist, so kann wegen der mannigfaltigen Verschiedenheit der Fälle keine durchgreifende Regel gegeben werden, sondern die Angelegen­ heit muß in jedem einzelnen Falle, durch ein Benehmen der höchsten Berwaltungschefs mit einander, ihre Erledigung finden. Eure K. Majestät bitten wir rc., diesen Verwaltungsgrundsätzen, als solchen, wonach in vorkommenden Fällen zu verfahren, ohne daß es für jetzt eines Weiteren bedarf, die Allerh. Zustimmung zu ertheilen rc. Im Uebrigen ist nicht unsere Absicht, von Amtswegen rücksichtlich der einmal bestehenden Einrichtungen weiter einzuschreiten, sondern die Angelegenheit in dem Zustande, worin sie sich, befindet, zu belassen, und abzuwarten, bis sich wieder eine Differenz erhebt, welche alsdann nach den vorentwickelten Grundsätzen zu erledigen sein wird. Uebrig geblieben ist uns, auf den Gesetzentwurf wegen der richterlichen Oberaufsicht über Familienstistungen zurückzukommen. Wenn derselbe schon aus dem Grunde Widerspruch gefunden hatte, weil er eine gewisse Ein­ wirkung der Behörden in einer Allgemeinheit vorschreiben mußte, wie sie in dem bestehenden Gesetze nicht angeordnet ist, so liegen nach demjenigen, was über die Reffortverhältniffe gesagt worden, noch andere Momente vor, welche uns bestimmen müssen, davon abzurathen. Dre bei weitem überwiegende Mehrzahl der Familienstiftungen ist nämlich, so weit die Behörden davon Kenntniß erhalten haben, gemischter Natur. Bei diesen gemischten Stiftungen macht unter allen Umständen das konkurrirende öffentliche Jntereffe irgend eine Oberaufsicht und

amtliche Einwirkung nothwendig. Soll nun der Familie in den Fällen, wo sie etwa unter eine mehr als gesetzliche amtliche Einwirkung gestellt worden, eine freiere Bewegung einge­ räumt werden, so tritt wegen des konkurrirenden öffentlichen Interesses sofort eine Spaltung der Gewalten ein, die schon bei der ersten Abstimmung m den Anträgen wegen Zuordnung eines Kurators sich kund gab. Man kann der Familie keine freie Bewegung gestatten, wenn ein öffentliches Interesse bei ihren Einrichtungen auch nur subsidiarisch konkurrirt. Endlich aber ist die durch den 8- 20 des Ges. v. 15. Febr. 1840 getroffene Anordnung, welche jeden­ falls die Familienschlüsse sehr erleichtert, noch so neu, daß die davon zu erwartenden Erfolge

464

Zweiter Theil.

Vierter Titel.

§§. 38 (Zusatz)—44.

2. Allerhöchste Kadinetsorder vom 23. Mai 1845, betreffend die Eigen­ schaft einer Familienstiftung als einer juristischen Person**). (J.M.Bl. S. 179.) Auf den Bericht des Staats-Ministeriums vom 12 tat d. M. erkläre Ich Mich mit der darin ent­ wickelten Anficht einverstanden, daß eine Familienstiftung durch ihre in vorschriftsmäßiger Form erfolgte Einrichtung von selbst, ohne daß es einer besonderen Verleihung bedarf, die Eigenschaft

einer moralischen (juristischen) Person erlangt, und als solche, soweit der Zweck der Stiftung es erfordert. Rechte auf ihren Namen zu erwerben befähigt ist

abzuwarten sein dürften. Da die richterliche Einwirkung, welche im L.R. nicht angeordnet ist, da, wo sie etwa bei reinen Familienstistungen stattfinden sollte, wie oben angeführt, nur durch die Gewalt der Umstände hervorgerusen sein kann, so liegt in einem Familienschluffe jedenfalls ein Mittel, die freiere Bewegung nach innen und nach außen hin möglich zu machen, und wir müssen sehr bevorworten, einem ferneren legislativen Einschreiten für jetzt noch Anstand zu geben. Eure K. Maj. bitten wir daher rc., es bei den über die Ressortverhältnisse gefaßten Beschlüssen einstweilen bewenden zu lassen, und von legislativen weiteren Anordnungen wenigstens für den Augenblick abzusehen." J.M.Bl. 1845 S. 26.

b) K.O. v. 3. Jan. 1845: „Auf den Bericht des Staatsminist. v. 23. v. M. will Ich hierdurch genehmigen, daß von dem Erlaffe einer V. wegen Ausübung der Oberaufsicht über Familienstistungen Abstand ge­ nommen und bei Behandlung der Stiftungen nach dem vom Staatsminist. unter I, II u. III vorgeschlagenen Grundsätzen, als Berwaltungsnormen, verfahren werde. — Mit Abänderungen der, bei den einzelnen Stiftungen gegenwärtig bestehenden Einrichtungen nach Maßgabe dieser Grundsätze ist jedoch nicht sofort von Amtswegen, sondern erst dann vorzuschreiten, wenn sich dazu ein besonderer Anlaß ergiebt." J.M.Bl. 1845 S. 31. Eine andere Frage betrifft die Kompetenz. Das Cirk.R. v. 26. Aug. 1809 hat bei Beran laffung der durch die B. v. 26. Dez. 1808 veränderten Verfassung der Provinzialbehörden ent­ schieden, daß die Oberaufsicht und auch die Verwaltung, in so fern bei letzterer überhaupt eine öffentliche Behörde konkurrirt, der bloßen Familienstistungen, d. h. solcher, welche keine öffent­ lichen Zwecke haben, sondern ihre Bestimmung in den Familiengliedern oder bestimmt genannten Personen begrenzen, auch ferner den Justiz- resp, vormundschaftlichen Behörden gebührt; daß dagegen alle Stiftungen zu öffentlichen Zwecken, als Armenstiftungen, Erziehungs- und Wittwenamtalten, unter die Aufsicht der Regierungen gehören. (Rabe 10 S. 130.) Diese Grundsätze sind auch in dem Gutachten des Staatsministeriums v. 23. Dez. 1844 sub HI beibehalten. Hiernach gehört z. B. die Verwaltung eines Legats zur Erhaltung einer Familiengruft unter die Oberaufsicht der Regierung. R. v. 9. Mai 1834 (Erg. ad h. §.). Die Kompetenz der die Aussicht führenden Vormundschaftsbehörde richtet sich nach dem persönlichen Gerichtsstände des Stifters. Je nachdem derselbe zu Eximirten gehörte, oder nicht, hatte das Pupillenkollegium im ersten Falle die unmittelbare Aufficht und Verwaltung, so weit es derselben bedurfte, im zweiten Falle nur die Oberaufsicht über das Untergericht zu führen. R. des J.M. v. 5. März 1841, J.M.Bl S. 117. Hierin ist durch die Justizorganisation von 1849 nichts geändert. Die V. v. 2. Jan. 1849 bestimmt im §. 25 unter Ziffer 4, daß den Appellationsgerichten die bisher zu ihrer Kompetenz gehörigen Lehns-, Familienfideikommiß- und Familienstiftungs-Sachen, und die Stistungssachen, sofern die Verwaltung in der Stiftungs­ urkunde ausdrücklich dem Obergerichte übertragen ist, verbleiben. Nur darin ist eine Aenderung eingetreten, daß, wenn in der Stiftungsurkunde nichts bestimmt ist, bei neuen Stiftungen der Unterschied zwischen Eximirten und Nichteximirten bei Bestimmung der Kompetenz des Gerichts nach dem persönlichen Gerichtsstände des Stifters wegfällt. H. Vgl. auch Reusch in d. Anw.Ztg. v. 1864 S. 287. Ueber das jetzt geltende Recht vgl. Anm. 17 zu §. 29 d. T. und unten Zus. 6 zu g. 63 dess. Der Oberaufsicht des Staats unterliegen alle Stiftungen ohne Unterschied der Religion des Stifters oder der Berechtigten, namentlich auch die jüdischen. R. des J.M. v. 16. Nov. 1816, Jahrb. 8 S. 242. Das im entgegengesetzten Sinne verfügende R. des J.M. an das Arnsberger Hofgericht v. 4. März 1831, Jahrb. 37 S. 76, gründet sich auf die kurkölnische Judenordnung v. 28. Juli 1700 und beschränkt sich lediglich auf das Herzogthum Westfalen, hat aber durch das Ges. v. 23. Juli 1847 betr. die Verhältnisse der Juden auch dort seine Be­ deutung verloren. Dadurch, daß den bischöflichen Behörden die Verwaltung der Familienstistungen verblieben ist, wird die Oberaufsicht des Staats nicht ausgeschlossen. R. des J.M. v. 27. April 1835 (Erg. ad h. g.) und K.O. v. 26. Aug. 1818, v. Kamptz, Annal. 2 S. 718. H. Vgl. auch jetzt noch Gesetz über die Aufsichtsrechte des Staats bei der Vermögensverwaltung i. d. kath. Diözesen v. 7. Juni 1876 §. 1 Nr. 2.

Bon Familienstiftungen.

§. 39. §. 40.

Aufgehoben Dagegen ist die Erklärung einer undeutlichen,

465 oder die Ergänzung fSuiffe ater

einer mangelhaften Vorschrift dieser Urkunde durch einen solchen einstimmigen Familienschluß zulässig "). §.41. Durch eben dergleichen Schluß können, auch in der Art der Sitberstellung oder Verwendung der Stiftungseinkünfte, die den veränderten Zeitumständen angemessenen Veränderungen getroffen werden-*). §. 42. Zur Abfassung eines solchen Familienschlusses müssen alle Mitglieder zugezogen, und denjenigen, welche wegen minderjährigen Alters oder sonst, ihren Sachen nicht selbst vorstehen können, Vormünder bestellt werden. §. 43. Letzteres muß geschehen, auch wenn die Väter solcher minderjährigen Familienmitglieder noch am Leven sind. §. 44. Wenn neue Familienmitglieder innerhalb des dreihundert zweiten Die Oberaufsicht schließt das Recht und die Pflicht der Behörde in sich, bei Uneinigkeiten unter den Mitgliedern von Familienstiftungen einzuschreiten, wenn ihre Einwirkung angerufen wird. R. des J.M. v. 15. Juni 1837 (Erg. ad h. t.). Die in Folge dessen zu treffende An­ ordnung kann jedoch nur die Natur eines Interimistikums haben, bis durch Familienfchluß oder, wenn es das Recht eines Einzelnen betrifft, durch Richterspruch endgültig entschieden ist. 26) H. Diese K.O. welche nicht durch die Ges.Samml. publizirt ist, hat keine Gesetzes-' kraft, s. P. Hinschius a. a. O. S. 18. Förster a. a. O. 705 erklärt sie für ein Zeugniß der theoretischen Auffassung des preuß. Rechts von der Persönlichkeit der Stiftung. Gesetzlich ist diese Persönlichkeit der Familienstiftung, so weit diese Annahme auch in der preußischen Praxis vertreten ist, nicht anerkannt. Nach der Auffaffung des L.R. ist vielmehr die Familie, als juristische Person gedacht, die Eigentümerin des Familienstiftungsvermögens, s. P. Hinschius a. a. O. S. 19 , 430. Mag diese Anschauung des L.R. auch theoretisch haltlos sein, so lassen sich doch die Stellen des L.R., welche die Familie als berechtigtes Subjekt bezeichnen, nicht so erklären, daß hier an ein Miteigenthum der Familienglieder gedacht ist, so Förster a. n. O. S. 700, weil spätere Abkömmlinge der Familie ebenfalls berechtigt sind und diese mit den gegenwärtig existenten doch nun und nimmermehr in einem Miteigentums-Verhältnisse stehen können. Sich selbst widersprechend in dieser Frage Dernburg, 3. Aufl., denn 1 S. 105 bemerkt er: „Das Landrecht erklärt die Familien in Bezug auf ihnen zustehende Familienstistunaen als juristische Personen", S. 920 aber: „Als Eigentümerin des Stiftungsvermögens ist daher die juristische Person der Stiftung anzusehen." Der hier vertretenen Ansicht auch EcciuS bei Förster 4 Aufl. 4. S. 268. 27) Durch das Ed. v. 9. Ott. 1807 §. 9, Zus. 5 zu 1.18 §. 265. Der §. 39 lautete: „Der wesentliche Inhalt der Stiftungsurkunde kann durch einen auch einstimmigen Schluß der Familie nicht aufgehoben, noch abgeändert werden." Dies ist abaeändert. Der Familienschlufi, durch welchen die Stiftung aufgehoben oder verändert werden soll, braucht nicht schlechterdings ein­ stimmig zu sein, er muß nur den Vorschriften des Ges. v. 16. Febr. 1840 (Zus. 4 zu §. 46) entsprechen. H. Was mit dem letzteren Satze gemeint sein soll, ist unklar. Denn Einstimmig­ keit und Innehaltung der Vorschriften des gedachten Gesetzes sind keine Gegensätze. Die Ein­ stimmigkeit ist durch das Edikt v. 1807 nicht beseitigt. Das Gesetz von 1840 hat daran mit der Ausnahme, daß unter gewissen Umständen eine zustimmende Erklärung der Säumigen finairt wird (§. 1*3), nichts geändert. Die Verwarnung im §. 9 desselben ergiebt, daß es die Ein­ stimmigkeit festhält, denn die Ausschließung des Widerspruchsrechtes zeigt gerade, daß der Präkludirte den Beschluß der Uebrigen hätte unwirksam machen können, s. P. Hinschius a. a.O. S. 454; Förster-Eccius preuß. Pr.R. 4 S. 267 Anm. 23; Dernburg, 3. Aufl. 1 S. 923. Auf fideikommissarische Substitutionen, welche bei der ersten Geschlechtsfolge stehen bleiben, findet die Vorschrift des §. 9 des Ed. v. 9. Okt. 1807 nicht Anwendung. Zu vergl. die Dett. v. 19. Febr. 1812, Zus. zu I. 12 §. 55. 28) Nur die gemeinschaftlichen Rechte der Familienglieder erfordern in ihrer Abänderung oder Durchführung einen Familienfchluß. „Einzelne Familienglieder können ihre Fideikommißanwarterrechte gegen ein anderes Familienglied, ohne vorhergehenden Familienschluß und ohne Bevollmächtigung durch die ganze Familie, auch dann verfolgen, wenn sie ihre Reckte auf ein Gesammtrecht der Familie gründen." Pr. des O.Tr. I v. 25. Nov. 1850, Entsch. 20 S. 312. Ebenso wenig ist es möglich, durch Familienschlüffe bereits erworbene Rechte einzelner In­ teressenten zu beseitigen. R.G. IV v. 22. Dez. 1879, Gruchot 24 S. 1042. 29) Soll ein der Stiftung zustehendes Kapital bloß anderweit untergebracht werden, so bedarf es keines Familienschlusses, die Einwilligung der beiden nächsten Agnaten ist hinreichend. R. des I M. v. 11. Sept. 1820, Iahrb. 15 S. 25, und v. 1. Sept. 1828 (Erg. ad h. §.). Koch, Allgemeines L'andrccht. III.

u. Anfl.

30

Zweiter Theil.

466

Vierter Titel. §§. 44 (Zusatz)-46 (Zusätze).

TageS nach der von ihren Aeltern geschehenen 30)31Vollziehunb 32 33 des Familien­ schlusses geboren werden, so sind in Ansehung ihrer die Vorschriften §. 41. 42.82) zu beobachten. 3. Allerhöchste Kabinetsorder vom Sten September 18SS., die Deklaration

deS tz. 44. Titel 4. Theil II. des Allgemeinen Land rechts betreffend. (G.S. S. 198.) Auf Ihren Bericht vom 14ten v. M. bestimme Ich, zur Beseitigung der, über die Auslegung

des §. 44. Titel 4. Theil II des Allgemeinen Landrechts entstandenen Zweifel: daß unter den hierin genannten, innerhalb des Dreihundert zweiten Tages nach der von ihren Eltern geschehenen

Vollziehung des Familienschlufses gebornen neuen Familiengliedern diejenigen Kinder zu verstehen

find, welche innerhalb jenes Zeitraums von dem Tage angerechnet geboren find, an welchem der Later derselben, und wenn die Mutter bei der Familienstistung für ihre Person betheiligt ist,

auch diese die zustimmende Erklärung über den, den Familienschluß

betreffenden Gegenstand

gerichtlich oder außergerichtlich abgegeben und durch ihre Unterschrift vollzogen haben

§. 45. Später geborene Familienmitglieder müssen den Schluß der Familie schlechterdings anerkennen. §. 46. Dergleichen Familienschlüsse sollen gerichtlich geprüft und bestätigt werden. (§. 29—33.) 4. Gesetz über Familienschlüsse bei Familien-Fideikommissen, Familien­ stiftungen und Lehnen.

Vom 15. Februar 1840.

(GS- S. 20.)

Wir 20. 20. verordnen in Beziehung auf die Errichtung von Familienschlüssen bei Familien-

Fideikommiffen, Familien-Stistungen und Lehnen, nach dem Anträge Unseres Staatsministeriums und nach erfordertem Gutachten Unseres Staatsraths, für sämmtliche Provinzen der Monarchie, in welchen das Allgemeine Landrecht Gesetzeskraft hat, was folgt: milien-

Mc!"

8-1- Zu Rechtsgeschäften, welche die Substanz eines Familien-Fideikommifles betreffen, soro'e öur Aufhebung, Abänderung, Ergänzung oder Erklärung einer Fideikommiß-Stistung ist,

sofern nicht nach dem gegenwärtigen Gesetze Ausnahmen zulässig sind (§. 15.), ein Familienschluß erforderlich. §. 2.

Die Aufnahme, Bestätigung und Ausfertigung des Familienschluffes steht in allen

Fällen dem Fideikommiß-Richter (§. 29. Tit. 4. Theil II. des Allgemeinen Landrechts) zu. §. 3.

Bei der Errichtung eines Familienschlusses (Allgem. Landrecht Theil II. Tit. 4.

88 42—46.) sind nicht allein die im Hypothekenbuche eingetragenen, sondern auch die sonst vorh

andenen") Anwärter zuzuziehen. 8- 4

Der Fideikommiß-Besitzer hat mit seinem Gesuche um die Aufnahme des Familien­

schluffes einen Entwurf zu demselben, und ein möglichst vollständiges und genaues Verzeichniß

der Anwärter einzureichen. 8- 5.

Als berechtigt zur Theilnahme an der Errichtung des Familienschlusses sind anzu­

nehmen :

30) Auch erst außergerichtlichen. Suarez. Jahrb. 41 S. 211. Zu pergl. die K.O. v. 1. Sept. 1835 (Zus. 3). 31) Zur Vollziehung des Familienschlusses wird nicht den nascituris ein Vertreter bestellt, sondern es wird nach der stattgefundenen Vollziehung abgewartet: ob innerhalb des bestimmten Zeitraums Kinder geboren werden, oder nicht. Besch, des IM. v. 18. Sept. 1816 (Erg. ad h. §.). 32) Statt der §§. 41 und 42 sind die §§. 42 und 43 zu allegiren. R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 476. 33) Hierdurch ist der Zweifel erledigt: ob und wie weit es bei Verhandlungen über das Fideikommiß der Zuziehung auch der nicht eingetragenen Familienglieder bedürfe. Man vergl. die sich widersprechenden Besch, des J.M. v. 11. April 1817, Jahrb. 17 S. 14, und v. 14. Juni und 15. Okt. 1832, Jahrb. 39 S. 371 und 40 S. 402. Die „sonst vorhandenen Anwärter" sind sowohl diejenigen, welche dem Richter aus den Akten bekannt sind, als auch die, welche der Besitzer in seinem Gesuche (§. 4) benennt.

467

Bon Familienstistungen.

1) diejenigen Anwärter, welche ihr Sukzessionsrecht entweder dadurch, daß fie im Hypotheken­ buche eingetragen stehen, oder durch andere öffentliche Urkunden nachweisen, und

2) alle die, welche von dem Fideikommiß-Besitzer und denjenigen Anwärtern, die sich in dem

Termin zur Ausnahme des Familienschluffes gemeldet haben, als Mitberechtigte anerkannt werden; dieses Anerkenntniß macht andere Nachweise entbehrlich"). §. 6.

Tritt außerdem Jemand als Berechtigter auf, so ist derselbe aufzufordern, binnen

drei Monaten entweder seine Legitimation beizubringen, oder die erfolgte Anstellung und Ein­

leitung einer Klage gegen diejenigen, welche ihm seine Anerkennung versagen, nachzuweisen; unter der Verwarnung, daß, wenn er auch später seine Legitimation darthun sollte, der ohne seine Zuziehung errichtete Familienschluß für ihn verbindlich sein werde.

Die dreimonatliche Frist beginnt mit dem Tage der Insinuation der Aufforderung.

Die

Bestätigung des Familienschluffes darf erst dann erfolgen, wenn entweder die Frist versäumt, oder über die Legitimation rechtskräftig erkannt worden ist. §. 7.

Der Fideikommißrichter hat zu prüfen"), ob Vermuthungen dafür sprechen, daß,

außer den angezeigten, noch andere Fideikommiß-Berechtigte vorhanden find.

§. 8.

Ergeben sich dergleichen Vermuthungen nicht, oder werden dieselben erledigt, so

genügt zur Feststellung der Legitimation die an Eides Statt abzugebende Versicherung des

Fideikommiß-Besitzers und derjenigen Anwärter, die sich gemeldet haben, daß ihnen keine anderen

Berechtigten, als die bereits namhaft gemachten, bekannt sind.

§. 9.

Werden vorhandene Vermuthungen nicht genügend beseitigt, so sind

1) alle unbekannte, und 2) die zwar ihrer Person nach, es sey aus dem Hypothekenbuche oder sonst, bekannten, ihrem

Leben und Aufenthalte nach aber nicht bekannten Anwärter, letztere durch namentlichen

Aufruf,

zu einem Termin mit der Aufforderung vorzuladen, vor oder in demselben ihre Erklärung über

den zu errichtenden Familienschluß abzugeben; unter der Verwarnung, daß nach Ablauf des Termins der Ausgebliebene mit seinem Widerspruchsrechte werde präkludirt werden"). §. 10.

Der Ediktaltermin ist bei einem Gegenstände über 5000 Rthlr. an Werth, oder,

wenn dieser sich in Gelde nicht schätzen läßt, auf sechs Monate, außerdem auf drei Monate zu bestimmen. In der Ladung muß der Gegenstand des zu errichtenden Familienschluffes genau bezeichnet

werden.

Die Bekanntmachung derselben wird bewirkt: 1) durch einen Aushang an der Gerichtsstelle,

und

2) durch Einrückung in das Amtsblatt und in das Jntelligenzblatt, oder, wenn in dem Be­ zirke des Obergerichts ein Jntelligenzblatt nicht erscheint, in

eine

inländische Zeitung;

außerdem bei Gegenständen über 5000 Rthlr. an Werth auch noch in eine ausländische

Zeitung. Die Einrückung geschieht von Monat zu Monat.

Die Berechnung der sechs- oder drei­

monatlichen Frist beginnt mit dem Tage, an welchem der Aushang angeschlagen worden ist. §. 11.

Nach Ablauf des Termins (§§. 9 und 10) und nach Ableistung des DiligenzeideS

34) Zu vergl. §. 7. Die sich untereinander anerkennenden Berechtigten haben keineswegs ihre Legitimation näher nachzuweisen. Ist auch nur Einer unter den angemeldeten Inter­ essenten legitimirt, so legitimirt deffen Anerkenntniß alle übrigen^ ohne Beibringung von Attesten und sonstigen Dokumenten über die Berwandtschaftsverhältniffe und die Richtigkeit des eingereichten Stammbaums. Besch, des J.M. v. 2. April 1842, J.M.Bl. S. 151. 35) Aus den ihm vorliegenden Verhandlungen und aus den Grund-, LehnS- und Fideikommißakten, wie der J.M. in eben demselben Besch. (Anm. 34) sagt. Der Vortragende muß daher alle diese Akten, so bändereich sie auch sein mögen, durchsetzen. 36) Dieses Aufgebots- und Präklusionsverfahren gehört vor daS ordentliche Gericht Erster Instanz, nicht vor den davon ganz verschiedenen Frdeikommißrichter, welchen daS Ges. v. 5. März 1855 (Zus. 6 zu §. 63) eingeführt hat.

468

Zweiter Theil.

Vierter Titel.

§. 46 (Zusätze).

von Seiten des Besitzer- ist die Präklusion des Ausgebliebenen durch ein Erkenntniß auszu­

sprechen.

§. 12.

Sind nach den Bestimmungen der §§. 42 u. f. Tit. 4. Theil II. des Allgemeinen Land­

rechts von mehreren Lormundschastsgerichten Vormünder zu bestallen, oder mehrere bereits bestallte Vormünder, welche unter verschiedenen Lormundschastsgerichten stehen, -uzuziehen, so soll der

Fideikommiß-Befitzer befugt seyn, darauf anzutragen, daß Einem Bormundschastsgerichte aus­ schließlich die Bestallung Eines Bormundes und die Genehmigung der von demselben oder von den bereits bestallten Vormündern abzugebenden Erklärung übertragen werde.

Die Auswahl des hiermit zu beauftragenden Bormundschastsgerichts

erfolgt durch den

Justizminister. Die Bestimmung eines gemeinsamen vormundschaftlichen Gerichtsstandes findet aber nur

in Beziehung auf solche Pflegebefohlenen statt, welche kein entgegenstehendes, sondern nur ein gemeinsames Jntereffe bei der Sache haben.

8- 13.

Hat ein zuzuziehender Berechtigter auf die von Seilen des Besitzers an ihn er­

gangene Aufforderung seine Erklärung über den zu errichtenden Familienschluß abzugeben Unter­

lasten, so soll der Besitzer befugt seyn, bei dem Fideikommißrichter darauf anzutragen, daß ein solcher Jntereffent, unter Zufertigung des Entwurfs von dem Familienschluffe, zu einem Termin

mit der Warnung vorgeladen werde, daß, wenn er dem Familienschluffe nicht bis zu dem Termin oder in demselben widerspricht,

er für zustimmend werde erachtet werden. Ist diese Vorladung gehörig erfolgt und verweigert der Vorgeladene nicht spätestens in

dem Termin mündlich oder schriftlich seinen Beitritt, so wird es so angesehen, als wenn er ausdrücklich und ohne Vorbehalt dem Entwürfe des Familienschluffes beigetreten wäre.

§. 14.

Die Bestätigung des Familienschlusses erfolgt, wenn den Vorschriften der §§. 3. bis

13. vollständig genügt worden, und auch die in dem §. 44. Tit. 4. Theil II. des Allgemeinen Landrechts und in Unsere Order vom 5. September 1835. bestimmte Frist abgelaufen ist; einer

besonderen Verlautbarung bedarf es nicht. Bei der Bestätigung muß des rechtskräftigen Präklusions-Erkenntnisses (§. 11.) ausdrücklich

Erwähnung geschehen. §. 15.

Eines Familienschluffes (§. 1.) bedarf es nicht:

1) in den Fällen, in welchen derselbe schon nach bestehenden Gesetzen") entbehrlich ist;

2) wenn Verfügungen über das Fideikommiß in Folge einer Rechtsverbindlichkeit getroffen

werden sollen; 3) zu dem Umtausche einzelner Gutsparzellen oder Pertinenzien gegen andere Grundstücke,

in so weit als diese letzteren in der nämlichen Feldmark, wie das Gut, oder doch in einer unmittelbar angrenzenden Feldmark gelegen ftnb M); 4) zur Veräußerung einzelner Gutsparzellen oder Pertinenzien zum Zweck der Erwerbung

anderer, innerhalb der zu 1. bemerkten Grenzen liegenden Grundstücke, insofern dergleichen wirklich erworben und dem Fideikommisse einverleibt werden; 5) zur Ausleihung und Einziehung von Fideikommiß-Kapitalien; zur Nebertragung von Fidei-

kommiß-Kapitalien, ingleichen von Fideikommiß-Stämmen, so weit diese die Eigenschaft eines

Geld-Fideikommiffes haben, auf andere Güter; zur Anlegung von Fideikommiß-Kapitalien

37) H. Vgl. §§. 87 ff., 128 ff. d. T.; ferner die Vorschriften der Gesetze über die guts­ herrlich bäuerlichen Regulirungen, Gemeinheitstheilungen und Reallasten-Ablösungen, s. z. B. Gemeinheits-Theilungs-Ordn. v. 7. Juni 1821 §§. 9, 153; Ges. v. 29. Juni 1835 §. 8; Ges. v. 2. März 1850 betr. die Ablösung der Reallasten §. 110. Hinzu tritt §. 17 des Ges. v. 11. Juni 1874 über die Enteignung von Grundeigenthum (G.S. S. 221). H. Der Beitritt der beiden nächsten rm Grundbuche eingetragenen Anwärter reicht bei Verwandlung einer Fideikommißschuld in landschaftliche Central-Pfandbriefe durch den Fideikommißbesitzer aus, Johow, Jahrh, d. App.Ger. 6 S. 364. 38) H. Vgl. jetzt Ges., betr. die Abänderung des Gesetzes v. 13. April 1841 über den erleichterten Austausch einzelner Parzellen von Grundstücken, v. 27. Juni 1860, G.S. S. 384 und Grundb.Ordn. §. 71.

Von Familienstiftungen. in Grundeigenthum,

469

sofern dieselben nicht nach der Stiftung als Geld-Fideikommisse er­

halten werden müssen; insonderheit auch zur Wiederanlegung der nach Abzug der Schulden

übrig gebliebenen Kaufgelder eines subhastirten Fideikommißgutes zu Fideikommiß.

§. 16.

In allen diesen Fällen (§. 15.) genügt die Zuziehung zweier Anwärter in eben

der Weise, wie es die

§§. 87. u. f. Tit. 4. Theil II des Allgemeinen Landrechts bei Ver­

schuldung der Fideikommißeinkünfte vorschreiben; wo jedoch die bestehenden Gesetze (§. 16. No. 1.)

besondere Vorschriften über das Verfahren enthalten, hat es dabei sein Bewenden. §. 17.

Giebt ein nach §. 16. zuzuziehender Anwärter auf die an ihn ergangene Auf­

forderung keine Erklärung ab, so tritt mit der nach Beschaffenheit der Gegenstände sich er­ gebenden Aenderung das im §. 13. verordnete Verfahren mit den dort bezeichneten Folgen gegen ihn ein. §. 18.

Wenn

in den

Fällen des §. 15. No. 1., 2. und 5. die Anwärter widersprechen,

und die Entscheidung nicht einer besonderen Behörde gesetzlich zusteht, so ist durch Schieds­

richter^") über die Frage zu entscheiden:

ob die beabsichtigte Maßregel zweckmäßig sey und ohne Benachtheiligung der Interessenten ausgeführt werden könne.

Die

Gegner,

sie mögen

Inländer oder Ausländer seyn, sind

Schiedsrichtern Recht zu nehmen.

gehalten,

hierüber bei

Jeder Theil hat deren Einen zu wählen, der Fideikommiß-

Richter aber hat den Obmann zu bestallen.

Zögert ein Theil auf die an ihn ergangene Auf­

forderung länger als vier Wochen mit der Wahl und Benennung eines Schiedsrichters, so fällt

dieselbe dem Fideikommiß-Richter anheim. Das Verfahren richtet sich nach der Allgemeinen Gerichtsordnung Theil I. Titel 2. §§. 167 u. ff.

Gegen den Ausspruch der Schiedsrichter ist kein ordentliches4") Rechtsmittel zulässig41 39). 42 40

§. 19.

Das in den §§. 17. und 18. vorgeschriebene Verfahren soll auch ber der Aufnahme

nothwendiger Darlehne auf die Einkünfte ") des Fideikommisses (§§. 80. u. f. Titel 4. Theil IL

des Allgemeinen Landrechts) zur Anwendung kommen;

insonderheit ist

durch Schiedsrichter

darüber zu entscheiden:

ob der Fall eines nothwendigen Darlehns noch Vorschrift des Allgemeinen Landrechts Theil

II. Titel 4. §. 85. vorhanden sey; auch wie hoch der Betrag eines nothwendigen DarlehnS

festzusetzen, und in welchen Terminen die Rückzahlung zu bewirken sey. §. 20.

Die in den §§. 1. bis 14. enthaltenen Bestimmungen finden auch Anwendung bei n. gamu

Ikn.eitf» hingen.

Familienschlüffen über Familienstiftungen.

Es bedarf jedoch nur der Zuziehung solcher bekannten Familienmitglieder, welche entweder

im Jnlande oder in einem der Deutschen Bundesstaaten wohnhaft sind, oder zur Wahrnehmung ihrer Gerechtsame in Beziehung auf die Stiftungsangelegenheiten Bevollmächtigte im Jnlande

bestellt und zu den Stiftungsakten gehörig legitimirt

haben. In Rücksicht aller übrigen genügt

deren namentlicher Auftuf in der Ediktalladung.

39) Die Bestimmungen dieses Gesetzes über die Entscheidung der bezeichneten Fragen durch Schiedsrichter finden keine Anwendung, wenn es sich um dre Frage handelt: ob eine Verbindlich­ keit überhaupt das Fideikommiß und somit die Anwärter, oder aber nur die Person des zeitigen Besitzers berühre. Erk. des O.Tr. I. v. 30. Okt. 1865, Str. Arch. 61 S. 182. 40) H. Jetzt sind für das Verfahren maßgebend §§. 861 ff. C.P.O., welche einen dem hier 'nten ordentlichen Rechtsmittel gleichstehenden Rechtsbehelf gegen Schiedssprüche Über­ nicht zulaffen. 41) Dre außerordentlichen Rechtsmittel find nicht ausgeschloffen, folglich ist die Nichtigkeits­ beschwerde und, in den dazu geeigneten Fällen, die Nullitätsklage zulässig. H. Das hinsichtlich der Nichtigkeitsbeschwerde Bemerkte erscheint unrichtig, denn weder die A.G.O. noch die L v. 14. Dez. 1833 gestattet dieses Rechtsmittel gegen schiedsrichterliche Aussprüche, s. Pr. 862 deS O.Tr. I v. 24. Okt- 1837, Präj -S. 1 S. 382. 42) Wenn nämlich dieselben über die Besitzzeit des derzeitigen Besitzers hinaus verpfändet werden sollen. Die eigenen Einkünfte kann oer Besitzer willkürlich, ohne Mitwirkung eine­ anderen Fideikommißintereffenten, und auch für andere als nothwendige Darlehen verpfänden. Darin ist dem Besch, des J.M. v. 26. Nov. 1840, J.M.Bl. S. 393, beizustimmen.

K

Zweiter Theil.

470

Vierter Titel.

§§. 46 (Zusätze), 47.

Kommt es dabei auf die im §. 8. erwähnte Versicherung an Eides Statt an, so genügt es,

wenn diese von dem Vorsteher der FamUie (§. 38. Titel 4. Theil IL des Allgemeinen Land­

rechts) abgegeben wird. in. Lehne.

In den Fällen, in welchen nach den bestehenden Gesetzen zu Verfügungen über

§. 21.

Lehne die Errichtung förmlicher Familienschlüffe nothwendig ist, sollen die in dem gegenwärtigen Gesetze §§. 2 bis 14. gegebenen Vorschriften dabei ebenfalls zur Anwendung kommen; der Richter deS LehnS tritt hierbei in die Stelle des Fideikommiß-Richters.

Auch soll bei Lehnen, zu den in

§. 15. Ko. 2 bis 5. dieses Gesetzes erwähnten Verfügungen, die Beobachtung der in den §§. 16.

17 und 18. gegebenen Vorschriften zur Gültigkeit der Verfügung für sämmtliche Lehnberechtigte genügen; gewähren aber die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts Theil I. Titel 18. Abschnitt

1. für einzelne Fälle größere Erleichterungen, so hat es dabei sein Bewenden.

In wie fern die

Einwilligung des Lehnsherrn **) beigebracht werden muß, ist nach den darüber bestehenden Vor­

schriften zu beurtheilen. iv. Lllae-

Ist bei der von Uns Allerhöchstselbst ertheilten Bestätigung einer neu errichteten

§. 22.

stt»«ungcn. Familien- oder Fideikommiß-Stiftung die Zulässigkeit der Abänderung oder Aufhebung derselben '

ausdrücklich ausgeschloffen worden, so behält es auch dabei für die Folge sein Bewenden.

Das gegenwärtige Gesetz hat keine rückwirkende Kraft auf bereits errichtete und

§. 23

gerichtlich bestätigte Familienschlüffe. Alle diesem Gesetze widersprechende Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts, der

§. 24.

Allgemeinen Gerichtsordnung und der späteren allgemeinen Gesetze, sind hierdurch aufgehoben.

Die Vorschriften dieses Gesetzes kommen dagegen nicht zur Anwendung, wenn Provinzialrechte,

Stiftungs- oder Verleihungs-Urkunden oder Beschlüffe der berechtigten Familie ein Andere- be­ stimmen.

5.

Gesetz,

stitutionen

die

Familien-Fideikommisse,

und Familienstiftungen

Grafschaft Glatz betreffend.

fideikommissarischen

Sub­

im Herzogthume Schlesien und in der

Vom 16. Februar 1840.

(G.S. S. 25.)

Wir ic. ic. verordnen auf den Antrag Unseres Staatsministeriums, nach Anhörung Unserer ge­

treuen Stände der Provinz Schlesien und nach erfordertem Gutachten Unseres Staatsraths, was folgt:

§. 1.

Sämmtliche in Unserem Herzogthum Schlesien und in der Grafschaft Glatz beste­

henden provinzialrechtlichen Bestimmungen über die Errichtung von Familienfideikommiffen und Familienstistungen,

und über die Dauer und rechtlichen Wirkungen fideikommiffarischer Substitutionen, namentlich die pragmatische

Sanktion vom 18. November 1706. und die Deklarationen vom

25. Februar 1697. und 22. August 1704., werden hierdurch außer Kraft gesetzt.

An deren Stelle treten fortan die Vorschriften Unseres Allgemeinen Landrechts nebst den,

dieselben abändernden, ergänzenden und erläuternden Bestimmungen. §. 2.

Die Vorschrift der pragmatischen Sanktion vom 30. März 1724., wegen der zur Ver­

schuldung eines Fideikommiffes erforderlichen landesherrlichen Genehmigung, soll auf die in Un­

serem Allgemeinen Landrecht Theil 2. Titel 4. §. 80 u. f. bezeichneten nothwendigen Schulden, mit welchen die Einkünfte des Fideikommiffes belastet werden dürfen, nicht angewendet werden. Dagegen soll in Beziehung auf die Verschuldung der Substanz des Fideikommisses in allen den Fällen, in welchen es zu derselben, nach Maßgabe des unter dem heutigen Tage erlassenen

Gesetzes über Familienschlüsse bei Familien-Fideikommissen, Familienstiftungen und Lehnen, eines

Familienschluffes bedarf, das erwähnte Provinzialgesetz noch ferner in Kraft bleiben. §. 3.

In Berücksichtigung des besonderen Antrages Unserer getreuen Stände der Provinz

Schlesien soll überhaupt im Herzogthum Schlesien und in der Grafschaft Glatz zu allen solchen Verfügungen über Familienfideikommisse und Familienstistungen, zu welchen ein Familienschluß

gesetzlich erforderlich ist, auch noch Unsere Allerhöchste Genehmigung eingeholt werden.

43) Dessen Einwilligung kann nur noch bei Thronlehen und bei feudis extra curtem erforderlich sein. Ges. v. 2. März 1850 §. 2 Nr. 1 (G.S. S. 79).

Von beständigen Familienfideikommissen.

471

Dritter Abschnitt. Bon beständige« Familien-Fideicommisse» ^).

§. 47. Jedem Einwohner des Staats ist erlaubt, in seinem Vermögen nach eignem Gutbefinden Fideicvmmiß-Substitutionen, nach näherer Bestimmung des Titels 1) Das Institut der Familienfideikommisse Bollswirthschaft nachtheilig und den Aufschwung schaffung desselben getraute man sich zwar nicht bed«ttend ein. Die Rechtfertigungsgründe dazu meming zum gedruckten Entwürfe des G.B. Th.

wurde schon von den Sets, des L R. als der der Station hemmend ersannt Bis zur Ab­ zu gehen, aber man schränkte die Anwendung legte Suarez im wesentlichen in einer AnI Abth. 1 S. 260 dem Publikum vor, welche

er bei den Vorträgen zur Schlußrevision in dem nachsolgendeK besonderen Promemoria weiter ausführte: „Die Befugniß, beständige Familienfideikommiffe zu errichten, ist gegen die bisherige aemeine Praxis eingeschränkt worden, indem festgesetzt ist: 1) daß nur praedia ruatica und Kapitalien, nicht aber Häuser, Mobilien und Kostbarkeiten zu solchen Fideckommiffen gewidmet . werden können (§§. 48, 60) ; 2) daß nur ein Gut, welches einem zeitigen Besitzer wenigstens einen reinen Ertrag von 1250 Thlrn. gewährt, und nur ein Kapital von 10,000 Thlrn. und darüber zum Familienfideikommiffe bestellt werden könne (§§. 51—55, §. 59); 3) daß zu einem Fideikommiffe von mehr als 10,0Q0 Thlrn. jährlichen Ertrags die unmittelbare landesherrliche Genehmigung erforderlich sei (§. 56) ; 4) daß nur Personen von Adel (also nicht Bürgerliche, auch wenn sie das Jnkolat haben), aus adelichen Gütern Familienfideikommiffe errichten können. Tit. IX §. 40. Alle diese Einschränkungen gründen sich auf folgende Reflexionen: Allzuviel Familienfideikommiffe sind an und für sich dem Flore eines Staats nicht zuträglich. Sie nehmen die Lebbastigkeit des Verkehrs und der Cirkulation, der sie eine Menge von Objekten entziehen. Sie hindern die möglichst gleiche Verkeilung des Staatsvermügens, und liefern dasselbe zunächst, wenn keine Grenzen gesetzt werden, in die Hände einiger wenigen Fannlien, die das ganze Territorialeigenthum nach und nach an sich ziehen, und dadurch ein Gewicht erlangen, welches am Ende der souveränen Macht im Staate selbst gefährlich werden kann. Sie haben daher Alles wider sich, was wider die Verwendung der Güter im Staate ad manus mortuaa mit Grunde eingewandt wird. Wird dabei die successio Juris civilis beibehalten, so kann ein solches Fideikommiß, wegen der in der Folge so häufig vorkommenden Sertheilunaen und Ab­ findungen, unmöglich lange Bestand haben. Wird ein Majorat, Seniorat oder eine Primogenitur daraus gemacht, so entsteht die auffallende Unbilligkeit, daß ein Mitglied der Familie im Ueber-

fluffe schwimmt, indeß die übrigen mit saurer Mühe kaum den standesmäßigen Unterhalt er­ schwingen können. Philosophisch betrachtet, ist es auch eine große Anomalie, daß es in der Gewalt eines Menschen stehen soll, über das Vermögen, welches er bei seinem Abscheiden zurück­ lassen muß, und worüber ihm der Tod jedes physische Vermögen zu disponiren benimmt, auf viele Generationen unb Jahrhunderte hinaus Gesetze vorzuschreiben. Daher haben schon mehrere neuere Gesetzgeber für nöthig gefunden, der Befugniß, Familienfideikommiffe zu errichten, gewisse Schranken zu setzen. In Schlesien ist schon unter Oesterreichischer Regierung diese Beftrgmß durch die Haugwitzische und Salmsche Sanktion beschränkt Ja, Kaiser Josrwh II. hat sogar schon alle bestehende Fideikommiffe in seinen Staaten aufheben wollen. Ohne so weit ^u gehen, folgt doch aus obigen Betrachtungen so viel: a) daß die Errichtung der Familienfideikommiffe an und für sich eben keine Begünstigung verdiene; b) daß gar zu große Fideikommisse dem Staate nachtheilig sind; c) daß die Stiftung neuer Familienfideikommisse nur in dem emziaen Falle vortheilhaft für den Staat sein könne, wenn es darauf ankommt, adeliche Familien, welche den Heeren des Staats die Anführer liefern müssen, und die nach der einmal bestehenden Ver­ fassung an vielen anderen Orten an Gewerben und Industrie keinen Theil nehmen können, dadurch zu konserviren. Nur liegende Gründe, und höchstens Aktivkapitalien, sind ihrer Natur nach zu Gegenständen immerwährender Fideikommiffe qualifizirt. Mobilien verlieren durch den Gebrauch und durch die Abwechselungen der Mode leicht ihren Werth, und Häuser find zu vielen Unglücksfällen ausgesetzt, so wie der mehrere oder mindere Werth derselben von zu vielen bloß zufälligen Umständen abhängt. Aber auch bei Landgütern von zu niedrigem Ertrage kann der Besitzer die gewöhnlichen Unglücksfälle mit den Revenüen nicht überstehen. Es müßte also dabei entweder das Schuldenmachen erleichtert oder das Gut in seinem Ruin gelassen werden. Letzteres wäre dem gemeinen Besten und Beides dem Zwecke der Familienkonservation zuwider. Folglich schicken sich nur solche Güter zu Fideikommiffen, deren Ertrag hinreichend ist, die Wirth­ schaft selbst bei gewöhnlichen Unglücksfällen in ihrem Bestände und Betriebe zu erhalten. Diefind die Gründe der oben bemerkten Einschränkungen. Rücksichten des gemeinen Wohls recht­ fertigen sie ebenso sehr, als die traurige Erfahrung die schädlichen Folgen der bisherigen ent­ gegengesetzten Prinzipien bestätigt. Bon Klagen über Einschränkungen des Eigenthum- kann dabei gar nicht die Rede sein. Denn mit welchem Grunde kann wohl Jemand au- den Rechten des Eigenthums die Befugniß herleiten, seinen Nachkommen im zehnten und hundertsten Gliede,

472

Zweiter Theil.

Vierter Titel.

§§. 48—55.

von letztwilligen Verordnungen auch zum Besten einer gewissen Familie zu errichten. (Th. 1. Tit. 12. §. 53. sqq.) ja einer ganzen Nachwelt Gesetze vorschreiben zu wollen. In den §§. 80—116 wird bei der Lehre von Verschuldungen der Fideikommiffe von der bisherigen Praxi verschiedentlich abgegangen. Der Grund der Abweichung ist solgender: Ist die Konservativ» der Familien der einzige, wachre und vernünftige Zweck der Fideikommiffe, so müssen die Fälle, wo es erlaubt sein soll, das Fideikommiß mit Schulden zu belasten, auf die unvermeidlichste Nothwendigkeit zur Erkaltung der Substanz, und Abwendung ihres gänzlichen Verfalls, so genau als möglich eingeschräntt werden. Ist aber ein solcher Fall der Nothwendigkeit einmal vorhanden, so muß das Aufnebmen deS erforderlichen Darlehns dem Fideikommißbefitzer durch weitläufige Unterhandlungen^ mit vielen zerstreuten und entfernten Agnaten nicht zu sehr erschwert, noch durch den daraus ent­ standenen Verzug der Hülfe zur Vergrößerung des Schadens selbst Anlaß gegeben werden. Daher werden in den 80—86 die Fälle, wo es erlaubt iß, das Fideikommiß zu verschulden, sehr genau und restriktive bestimmt; dagegen aber in den §§. 87—95 nur die Zuziehung und der Konsens zweier der nächsten Agnaten erfordert." Jahrb. 41 S. 168—171. Die Gesetzgebung des Jahres 1848 hatte in der Richtung der Zeit von 1807 bis 1810 einen weiteren Fortschritt gemacht, indem die okttoyirte Verf.Urk. v. 5. Dez. 1848 Art. 38 und nach ihr auch dre Verf.Urk. v. 31. Jan. 1850 Art. 40 die Stiftung von Familienfideikommiffen untersagte und die Auflösung der vorhandenen durch die Gesetzgebung anordnete. Allein dieser Arttkel der Verf.Urk. ist schon wieder durch ein Gesetz v. 5. Juni 1852 (G.S. S. 319) aufge­ hoben worden. In den Landestheilen, in denen die französische Gesetzgebung eine Zeit lang gegolten hat, «ar durch dieselbe gleichfalls eine Rechtsänderung eingetteten, welche theilweise wieder rückgängig gemacht worden ist. a) In den Landestheilen, welche zu dem ehemaligen Königreiche Westfalen gehört haben, veranlaßte der Art. 896 des Code Napoleon, der die fideikommissarischen Substitutionen ver­ bietet, eine Rechtsunficherheit. Zwei Dekrete des Königs von Westfalen v. 9. Jan. 1808 (Ges.Büll. Nr. 22) und v. 25. März 1809 (Ges.Büll. Nr. 56) treffen Bestimmung wegen der Nachfolge in die bei Einführung des Code Napoleon vorhandenen Fideikommiffe. Die preuß. B. v. 11. März 1818 (Zus. zu §. 265 I. 18) erklärt nur die vor dem 1. Jan. 1815 aufgehobenen Fideikommiffe für freies Eigenthum und bestätigt die Rechte der Anwärter, wenn die Verwand­ lung in freies Eigenthum erst bei zu erwartendem Successionsfalle einzutreten bestimmt war; fie trifft außerdem Besttmmungen über Nachfolge und Rechte der Anwärter, zu welchen Be­ stimmungen noch eine ergänzende B. v. 9. Juni 1827 (zu Tit. 18 a. a. O.) tritt. b) Die Landestheile, welche mit dem französischen Kaiserreiche vereinigt waren, sind theils solche, wo die Dekrete des Konvents v. 25. Okt. und 14 Nov. 1792, durch welche die Fidei­ kommiffe sofort und unbedingt in freies Eigenthum verwandelt wurden, gegolten haben (auf der linken Rheinseite), theils solche (auf der rechten Rheinseite), wo durch die kaiserlichen Dekrete v. 4. Juli 1811 Art. 155 und v. 24. Jan. 1812 (Ges.Büll. Bd. 16 S. 139) die Modifikation erst nach nochmals eingetretenem Successionsfalle verordnet worden ist. Auf diese Gebietstheile bezieht fich die K O. v. 25 Febr. 1826, betr. die Errichtung der Familienfideikommiffe in den Rheinpromnzen (G.S. S. 19). c) In dem ehemaligen Großherzogthume Berg hatte bloß der Code Napoleon gegolten, und man war verschiedener Meinung: ob in Folge dessen die bei der Einführung desselben vor­ handenen Fideikommiffe aufgehört hätten, oder mcht. Diese Rechtsungewißheit wurde durch das Ges. v. 23. März 1828 (G.S. S. 38) dahin beseitigt, daß das im Art. 896 des C. N. enthaltene Verbot der Substitutionen nicht als eine Aufhebung der Fideikommisse zu betrachten sei; jedoch sollten bereits vollzogene Veräußerungen auf den Grund der Fideikommißeigenschaft nicht ange­ fochten werden dürfen und die Anwärter sollten ihre Ansprüche binnen einer Präklusivfrist, die mehrmals verlängert wurde (K.O. v. 28. April 1829, G.S. S. 45; v. 29. März 1831, G.S. S. 44; v. 14. Juli 1833, G.S. S. 83), bei der Hypothekenbehörde anmelden. Eine K.O. v. v. 24. Juli 1832 (G.S. S. 201) dehnte die Vorschrift wegen Unanfechtbarkeit der Veräußerungen auch auf Erbtheilungen aus. Das Ges. v. 23. Aug. 1834 (G.S. S. 167) bestimmte die Rechte der Fideikommißanwarter in denjenigen Theilen der Rheinprovinz, welche bei Auflösung der fremden Herrschaft zum Großherzogthume Berg gehört haben, näher. Zu vergl. das Erk. deü O.Tr. v. 25. März 1833, bett, den Einfluß des französischen Rechts auf die bereits bestehenden Fideikommiffe. Entsch. 1 S. 279. d) In dem ostrheinischen Theile des Regierungsbezirks Koblenz wurden die Fideikommiffe durch die B. v. 25. Juli 1810, bett, die Einführung des C. N., auftecht erhalten. e) Im Herzogthume Westfalen hat sich bei näherer Ermittelung ergeben, daß es bei den Familienfideikommissen der Feststellung der Berhältniffe der Anwärter durch die Gesetzgebung nicht bedurfte. K.O. v. 22. Aug. 1832 (G.S. S. 225).

Von Familienfideikommissen.

473

§. 48. ;3u beständigen Familien Fideicommisfen aber können nur Capitalien «ar zu beund Grundstücke, mit welchen Ackerbau und Viehzucht verbunden ist, gewidmet mtuemMwerden. «ww«? §. 49. Nur freie und keiner grundherrschaftlichen Botmäßigkeit') untenvorfenewerdenkSnue. Grmdstücke können mit einem solchen beständigen Familien - Fideicommisse belegt werden. §. 50. Lehne können zwar in Fideicommisse nicht verwandelt; wohl aber darin eine Successionsordnung, wie bei Fideicommissen, mit Beistimmung sämmtlicher In­ teressenten, eingeführt werden"). §. 51. Ein Landgut, welches zum beständigen Familien-Fideicommiß gewidmet werden soll, muß wenigstens einen reinen Ertrag von zweitausend fünfhundert Thalern, nach einem landüblichen Wirlhschastsanschlage, gewähren^). §. 52. Dieser Ertrag darf weder mit Zinsen von Schuldposten, die auf dem Gute haften, noch mit Abgaben an Familienmitglieder oder Fremde belastet sein. §. 53. Nur mit Prästationen zum Besten der Kinder des jedesmaligen Fldeicommißbesitzers; zur Aufsammlung eines Capitals für künftige Unglücksfälle; oder zur Erweiterung und Verbesserung des Fideicommisses, kann der Ertrag desselben, bis zur Hälfte der gesetzmäßigen Summe, in dem Stiftungsbezirke belegt werden. §. 54. Es muß also, bei jedem künftig zu errichtenden Fideicommisse, dem zeitigen Besitzer wenigstens ein reiner Ertrag von zwölfhundert und fünfzig Thalern zur freien Verwendung übrig bleiben. §. 55. Grundstücke, die schon an und für sich den reinen Ertrag von zwei­ tausend fünfhundert Thalern nicht gewähren, können nur in so fern zu einem be2) Diese grundherrliche Botmäßigkeit bat jetzt überall aufaehört und ist kein Hinderniß mehr in der Belegung eines Grundstücks mit der Ftdeikommißetgenschaft. Es können mithin auch ehemalige bäuerliche Grundstücke zu einem Familienfideikommisse gewidmet werden. Zu vergl. Besch, des I M. v. 23. Juni 1837, welcher sich in demselben Sinne ausspricht. Jahrb. 50 S. 81. H. Bergl. übrigens auch Anm. zu 11. 9 §§. 39 —42. 3) Die Bestimmung hat jetzt nach Aufhebung der Oberlehnsherrlichkeit nur noch in Be­ ziehung auf Thronlehen und feuda extra curtem Bedeutung. „Ist ein Lehn zu einem Familien-Fideikommiffe rechtsgültig gewidmet worden, so überwiegt nach Gemeinem und Sächsischem Rechte die Fideikommißeigenschast dergestalt, daß mit Ausschluß von II F. 45 der Sohn den Allodial- und Lehnsnachlaß des BaterS trennen kann, und wenn er ersteren ausschlägt, für die von seinem Vater gemachten, von ihm selbst nicht bewilligten Schulden mit den Einkünften des Lehns nicht zu haften braucht. Dieser Grundsatz kommt bei früher gestifteten Fideikommissen auch unter der Herrschaft des preußischen Rechts, ungeachtet des §. 50 II. 4 L.R., zur Anwendung. — Nach Gemeinen Rechten muß auch ein Gläubiger deS Fideikommißbesitzers die nicht veröffentlichte Fideikommißeigenschast anerkennen." Pr. 2312 des O.Tr. I v. 13. Okt. 1851. Entsch. 21 S. 257; Str. Arch. 3 S. 137. Nach der Ausführung gilt landrechtlich ein Lehn mit Untheilbarkeit und Jndividualsuccesfion (Primogenitur-, Seniorats-, Majorats- oder Minoratsordnung) für ein reines Lehn und nicht als em theilweise in ein Fideikommiß verwandeltes Gut. — Nach Gemeinem Recht können nicht nur Allodialgüter, sondern auch Lehen, und zwar sowohl vollkommene als auch allodifizirte Lehen, zu Fideikommissen ge­ widmet werden, dergestalt, daß, so weit die Stiftung nichts anderes besagt, die bisherige Lehnsoder Allodialnatur sortwirkt, z. B. wenn die Stiftung nichts über die Succession ordnet, dann bald die Lehns-, bald die Allodialfolge eintritt. Im Allgemeinen gilt dabei die Regel, daß die Belegung eines Lehns mit Fideikonnnißeigenschast den LehnScharakter nur in so weit ändert, als jene wesentliche Natur des Fideikommisses oder sonst eine besondere Anordnung des Stifters es mit sich bringt. Erk. desi. v. 26. Nov. 1866, Str. Arch. 66 S. 203. 4) Nämlich zur Zeit der Verlautbarung und nachgesuchten Bestätigung der Fideikommißstiftung; der Mangel des Vorhandenseins des erforderlichen Reinertrags kann, wenn die Be­ stätigung des Fidelkommisses aus diesem Grunde versagt worden ist, durch eine späterhin etwa eintretende Erhöhung des Gutsertrages nicht gehoben werden. Pr. 2631 des O.Tr. I v. 11. Juni 1855, Entsch. 31 S. 43. H. Für die Umwandlung der Lehne in Fideikommisse ist aber dieser Betrag heruntergesetzt, s. Ges. v. 10. Juni 1856 (für Altvorpommern und Hinterpommern) ß. 1, G.S. S. 554, u. Ges. v. 23. Juli 1875 (für Kurmark, Altmark und Neumark), G.S. S. 537.

474

Zweiter Theil.

Werter Titel.

§§. 56—63 (Zusatz), 64.

ständigen Fidkicommiß gewidmet werden, als damit ein Capital, dessen Nutzung das Fehlende ergänzt, untrennbar verbunden wird. §. 56. Für eben diese Familie soll in Zukunft kein Fideicommiß, welches den reinen Ertrag von zehntausend Thalern übersteigt, ohne besondere landesherr­ liche Genehmigung gestiftet werden"). §. 57. Auch ein nachfolgender Fideicommißbesitzer kann das von seinen Vor­ fahren auf ihn verfällte Fideicommiß über diesen Ertrag nicht vergrößern. §. 58. Sobald aber eine Familie in mehrere neben einander fortlaufende Linien sich theilt, kann für jede dieser Linien ein besonderes Fideicommiß gestiftet werden. §. 59. Zu einem bloßen für sich allein besteheilden Geld-Fideicomniiß ist ein Capitol von zehntausend Thalern hinreichend"). §. 60. Aus bloßen Häusern und Gebäuden, ingleichen aus Mobilien und Kostbarkeiten allein, kann kein beständiges Familien-Fideicommiß errichtet werden. §. 61. Wohl aber können dergleichen Gebäude, Mobilien*) und Kostbarkeiten einem anderen für sich bestehenden Fideicommisie zugeschlagen werden. MH §• 62. Von Errichtung und Verlautbarung der Fideicommiß-Urkunden gilt "ü,en$tiFi' eben das, was in Ansehung der Familienstiftungen verordnet ist. (§. ‘29. sqq.) commifje § 63. Abgeändert durch das nachfolgende Gesetz'). 6.

Gesetz,

die

Kompetenz

kommißsachen betreffend.

der

Gerichtsbehörden

in

Familien-Fidei-

Vom 5. März 1855. (G.S. S. 176.)

Wir rc. verordnen, mit Zustimmung der Kammern, was folgt: §. 1.

Die Appellationsgerichte")

bilden fortan die Fideikommißbehörde für sämmtliche

Familien-Fideikommisse ihres Bezirks.

Sie treten demnach in Bezug auf die Verlautbarung") und Bestätigung zu errichtender

Stiftungs-Urkunden an die Stelle des persönlichen Richters, und haben auch bei Beaufsichtigung der Familien-Fideikommißstiftungen, bei Familienschlüssen und sonstigen Dispositionen über die dem Fideikommiffe gewidmeten Objekte alle Funktionen wahrzunehmen, welche die bestehenden Gesetze dem Fidiekommißrichter zuweisen").

5) Zu vergl. Suarez in der Anm. 1 zu diesem Abschn. 6) „Die eine Belastung des Ertrages eines Grundfideikommisses beschränkenden Bestimmungen in den §§. 52— 54 leiden keine analoge Anwendung auf Geldfideikommifse." Pr. 1936 des O.Tr. I v. 11. Nov. 1847, Rechtsf. 3 S. 117. 7) Die einem Familien-Fideikommisse als Zubehör zugeschlagenen beweglichen Sachen, wenn­ gleich sie nicht zum Landbaue und zur Viehzucht gebraucht werden können, insbesondere eine Bibliothek und Gemäldesammlung, sind nicht bloß Pertinenzien des Fideikommisses, sondern auch Pertinenzstücke des Fideikommißhauptgutes. Erk. des O.Tr. v. I. 1831, Schles. Arch. 2 S. 188. 8) S. Anm. 12 zu §. 23 d. T. H. und Anm. 19, 20 zu §. 32 d. T. 9) Derselbe lautete: „§. 63. Doch muß, wenn das Fideicommiß in einem Grundstücke besteht, die Verlautbarung vor demjenigen Richter geschehen, unter welchem das Grundstück belegen ist." In Folge des Art. 40 der Verf.Urk. v. 31. Jan. 1850, welcher die Errichtung neuer FamilienFideikommiffe untersagt, waren beide §§. 62 u. 63 in Wegfall gekommen. Durch das Ges. v. 5. Juni 1852 (G.S. S. 319) ist dies wieder aufgehoben. Im Falle der Errichtung eines Familien-Fideicommiffes durch einen Vertrag unter Lebendigen kommen bei Berechnung des Pflichttheils des Notherben des inzwischen verstorbenen Sttfters die Gegenstände des Fideikommisses nicht in Anrechnung. Erk. des O.Tr. I v. 9. Mai 1853, Str. Arch. 10 S. 51. 10) An Stelle dieser sind nach Ausf.Ges. z. G.V.G. v. 24. April 1878 §. 49 Nr. 12 die Oberlandesgerichte getreten. 11) Anm. 18 zu §. 30 d. T. 12) Die Bestimmung über die Verwendung der zu Lehen und Fideikommiffen gehörenden Ablösungskapitalien resp, deren Wiederanlegung zu Lehn und Fideikommiß steht lediglich den Auseinandersetzungsbehörden zu. So lange diese Kompetenz der Auseinandersetzunasbehörden dauert, ruht das Aufsichtsrecht der Lehns- und Fideikommißbehörden über Aideikommißkapitalien. Die Lehnshöfe und Fideikommißgerichte können deshalb auf Grund des §. 25 Nr. 4 der V. v.

Don Familienfideikommissen.

§. 2.

475

Demzufolge geht die Bearbeitung sämmtlicher bisher von den Gerichten erster Instanz

bearbeiteter Familien-Fideikommißsachen auf das betreffende Appellationsgericht über. §. 3.

Die Verlautbarung der Familien-Fideikommißstiftungen, denen Grundstücke gewidmet

find, vor dem Richter der Sache findet ferner nicht statt.

Die Fideikommißbehörde (§. 1.) hat

jedoch wegen Eintragung des Fideikommisses beim .Hypothekenbuche **) das nach den bestehenden

Gesetzen Erforderliche von Amtswegen zu veranlassen. §. 4.

Die Aufsichts- und Beschwerde-Instanz für Familien - Fideikommißsachen bildet der

Justizminister.

§. 5.

Das gegenwärtige Gesetz findet Anwendung in denjenigen Landestheilen, in denen

das Allgemeine Landrecht und die Allgemeine Gerichts-Ordnung Gültigkeit haben.

So weit sie dem gegenwärtigen Gesetze zuwiderlaufen, treten die Vorschriften der bisherigen

Gesetze, insbesondere auch der §. 25. Rr. 4. der Verordnung vom 2. Januar 1849., die §§. 62. 63. 29. ff. Titel 4. Theil II. des Allgemeinen Landrechts, der §. 6. Nr. 2. Titel 1. Theil IL

der Allgemeinen Gerichts-Ordnung, außer Kraft ").

§. 64. Dieser muß von Amts wegen dafür sorgen, daß das Fideicommiß auf das dazu gewidmete Grundstück in das Hypothekenbuch eingetragen tocrbc16). 2. Jan. 1849 und §. 1 des Ges. v. 5. März 1855 ein Aufsichtsrecht über diese Kapitalien erst von dem Zeitpunkte an ausüben, in welchem die Auseinandersetzungsbehörde dieselben dem Lehnshofe oder dem Fideikommißgerichte als Lehnsstamm- oder Fideikommißkapitäl überwiesen hat. Demgemäß sind die Ablösungskapitalien und Rentenbriefe, welche den Lehen und Fideikommiflen zustehen, nach §. 10 der V. v. 30. Juni 1834 nach der Wahl der Auseinandersetzungs­ behörde bei dem Gerichte, unter deffen Jurisdiktion das berechtigte oder verpflichtete Gut liegt, zu deponiren, und erst dann zum Depositum des Gerichts erster Instanz am Orte des Lehnshofes oder Fideikommißgerichts zu ziehen, wenn die Auseinandersetzungsbehörde sich ihrer Lerwendungsbefugniß begeben hat. R. v. 20. Mai 1862, J.M.Bl. S. 190. H. Diese Grundsätze werden auch jetzt für die nach §. 37 des Ges. v. 11. Juni 1874 deponirte Expropriationssumme Anwendung finden. 13) S. Anm. 15. 14) Es ist dabei verblieben, daß die Fähigkeit, ein Fideikommiß zu gründen, und die ge­ setzlichen Erfordernisse einer Fideikommißstistung nach den Personalstatuten zu beurtheilen find. Folgerecht unterliegen auch die Schranken, welche die Oberaufsicht des Staates der Ausübung jener der Person beigelegten Macht setzt, falls die Schranken die Einrichtung der Fideikommisse überhaupt, ohne Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Gegenstandes, treffen, der Beur­ theilung der Personalstatuten. Erk. des O.Tr. I v. 8. Mai 1865, Str. Arch. 60 S. 39. 15) Nämlich der Richter der Sache, an dessen Stelle durch das vorstehende Gesetz das App.Gericht des Bezirks gesetzt ist, H. so auch Dernburg 3. Aufl. 1 S. 921; aber nicht dieser Richter, sondern der Richter des persönlichen Gerichtsstandes, vgl. §§. 62, 29 d. T., Gruchot24 S. 799. Bergl. auch §. 74 der Grundb.Ordn.: „Die Eintragung der FamilienfideikommißEigenschaft kann nur auf Ersuchen der Fideikommißbehörde erfolgen." 16) Zu vergl. I. 4 §§. 15-19. H. Die Fideikommiß-Eigenschaft des Gutes wird in Abtheilung II eingetragen; nur wenn ein Geldfideikommiß auf ein Grundstück gelegt wird, erfolgt dies in Abtheilung III, Turnau, die Grundb.Ordn, Paderborn 1874, S. 358. Die Eintragung hat hier nicht die Bedeutung der Erwerbungsart wie bei Hypotheken, sondern die einer öffentlichen Bekanntmachung mit der Fiktion der Wiffenschast, so daß Niemand mit dem Einwande des Nichtwissens gehört wird. Der Eintrag muß jedoch, wenn er diese Wirkung haben soll, sich auf eine richterliche Verfügung gründen, und diese muß mit der Verfügung des Stifters übereinstimmen. Enthält er mehr oder weniger, so kann der Fideikommißbesitzer einem dritten Erwerber oder Hypothekengläubiger nicht entgegensetzen, daß der Dritte nur nach Maßgabe des Inhalts des Hypothekenbuchs seine Erwerbung gemacht habe, d. h. daß der Dritte nicht berechtigt sei, die Unrichtigkeit der Eintragung zu seinem Vortheile geltend zu machen; dem Dritten kann das Erworbene, so weit es nicht das wirkliche Veräußerungsverbot des Stifters dem Verkehre entzogen hat, auf Grund der unrichtigen und deshalb in so fern wirkungslosen Eintragung nicht abgefordert werden, selbst wenn der Erwerber zur Zeit der Erwerbung die Unrichtigkeit des Eintrages nicht wußte; in diesem Falle hat er eine bessere Erwerbung gemacht, als es nach dem unwahren Vermerke den Anschein hatte. Daher hindert die Einttagung der Fideikommißeigenschaft, wenn daS Gut gar nicht zum Fideikommisse besttmmt ist, den Hvpothekengläubiger nicht, sein

Hypothekenrecht gegen Jeden, welcher ihm eine ausschließliche Eigenschaft deS Gutes entgegensetzen will, zu verfolgen. Erk. des O.Tr. III v. 20. April 1849, Str. Arch. 2 S. 79.

w 8>d«i-

§. 65. Auch die zur Zeit der Errichtung des Fideikommisses vorhandenen bekannten Familienmitglieder, welche dazu mitberufen sind, müssen ihre Namen, und die Art ihrer Verwandtschaft mit oem Stifter im Hypothekenbuche 17)18ver­ 19 20 21 merken lassen. §. 66. Ist nach dem Inhalte der Stiftungsurkunde zu vermuthen, daß noch unbekannte Theilnehmer vorhanden sein möchten, so muß der Richter dieselben zur Anmeldung ihrer Gerechtsame, zum Behufe der Eintragung, öffentlich auffordern. §. 67. Auch in der Folge, wenn neue Familienmitglieder entstehen, sind die­ selben, sobald sie aus der väterlichen Gewalt kommen und eine abgesonderte Wirth­ schaft anfangen, sich in der Eigenschaft, als Anwärter zum- Fideikommisse, im Hypothekenbuche vermerken zu laffen schuldig. §. 68. Nur die aus dem Hypothekenbuche bekannten Familienmitglieder ist der Richter bei Verhandlungen über das Fideicommiß zuzuziehen verbunden"). §. 69. Diejenigen, welche sich zur Eintragung nicht gemeldet haben"), müssen sich Alles, was mit den Eingetragenen gerichtlich verhandelt, und von diesen beschlossen worden, ohne alle Widerrede gefallen lassen. §. 70. In allen Fällen, wo ein nicht eingetragenes Mitglied seinen Anspruch auf das Fideicommiß durch eine besondere Legitimation nachweisen muß, ist dasselbe schuldig, auch wenn es in der Hauptsache ein obsiegliches Urtel erhält, alle durch diese Legitimationsführung verursachten Kosten allein zu tragen""). 8- 71. Uebrigens soll künftig, bei Errichtung eines jeden Fideikommisses, von den dazu gehörenden Pertinenz- und Jnventarienstücken ein vollständiges beglaubteS Verzeichnis ausgenommen2'), und ein Exemplar davon bei den Akten des Hypo­ thekenbuchs verwahrt werden22). 8- 72. Dem jedesmaligen Fideicommißbesitzer gebührt das nutzbare Eigenthum des Fideikommisses. 8- 73. Das Obereigenthum befindet sich bei der ganzen Familie2"). 8- 74. Die Rechte und Pflichten des Fideicommißbesihers sind hauptsächlich nach dem Inhalte des Stiftungsbriefes 24),* übrigens aber nach den Vorschriften der Gesetze vom nutzbaren Eigenthum zu beurtheilen26). 17) H. Auf ihren eigenen Antrag. Die Eintragung geschieht in Abtheilung II. 18) Abgeändert durch den §. 3 des Ges. o. 15. Febr. 1840 (Zus. 4 zu §. 46). 19) So wie alle sonst vorhandenen Anwärter, welche sich aus die an sie ergangene gericht­ liche Aufforderung nicht erklären. §§. 3 u. 13 des G. v. 15. Febr. 1840. 20) Die Legitimationsführung geschieht jetzt lediglich nach der Vorschrift der §§. 5 und 6 des G. v. 15. Febr. 1840. Das R. des J.M. v. 31. Dez. 1824, wonach ein Anerkenntniß nicht genügen sollte, Jahrb. 24 S. 259, ist dadurch erledigt. 21) Dabei bedarf es der Zuziehung der Anwärter nicht. Wird bei der Aufnahme des Inventariums unrichtig verfahren, so werden ihnen dadurch ihr« Rechte auf den Fall der künf­ tigen Nachfolge nicht entzogen. Besch, des J.M. v. 6. Sept. 1815 (Erg. ad h. §.). 22) Diese Vorschrift ist nur bei Errichtung neuer Fideikommisse zu beobachten, aber nicht aus bereits bestehende auszudehnen, es wäre denn, daß ein besonderer Grund, z. B. begründete Vermuthung eines stiftungswidrigen Verfahrens der Kuratoren, oder ein Antrag der betheiligten Familie, dazu vorhanden. Besch, des J.M. v. 31. Dez. 1824, Jahrb. 24 S. 259. 23) H. Vgl. Anm. 10 zu §. 21 d. T. Die Art, wie die Eintragung des Familiensideikomniisses im Grundbuch erfolgt ('s. Anm. 16 Abs. 2 zu §. 64 d. T ), läßt sich als Ausfluß der modernen Auffassung des Familienfideikommiffes, die allerdings dem LR. ftemd ist, auffassen, s. Dernburg 3. Aufl. 1 S. 920. Bergl. ferner Anm. 25 zu I. 9 §. 517. — Erk. des O.Tr. I v. 19. Febr. 1872, Entsch. 67 S. 222: Die Familie, nicht der Fideikommißbesitzer ist der Be­ rechtigte im Sinne des §. 23 des Grundsteuer-Entschädigungsgesetzes v. 21. Mai 1861 (G.S. S. 327). 24) Sind durch die Stiftungsurkunde Anwärter der nächsten Linien zum FideikommißKuratorium berufen, so werden sie in dem Falle, daß sie minorenn sind, durch ihr« ordnungs­ mäßig bestellten Pormünder auch in diesem Berufe vertreten, d. h. es werden an ihre Stelle

Bon Familienfideikommissen.

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§. 75. Wenn der Sinn des Stiftungsbriefes nicht klar ist, so muß derselbe jedesmal so gedeutet werden, wie es dem Zwecke der Erhaltung des Fideicommisses bei der Familie am gemäßesten ist. 76. In allen Fällen, wenn bei getheiltem Eigenthum die Einwilligung des Obereiaenthümers zu einer Verfügung erforderlich ist26 * *),* * muß 25 dieselbe bei Fideicommissen durch einen Familienschluß getroffen werden. keine anderen großjährigen Anwärter in das Kuratorium berufen, weil sie nur mittelbar Bertreter der Familie sind, zunächst aber und unmittelbar nur ihre eigenen Rechte wahrzunehmen haben, wozu ganz eigentlich ihre Vormünder bestellt find. Besch, des J.M. v. 18. Mai 1839, J.M.Bl. S. 181. 25) Vgl. zu I. 18. §. 4. H. S. ferner wegen Veräußerungen Ges. betr. die Abänderung des Ges. v. 13. April 1841 über den erleichterten Austausch einzelner Parzellen rc. v. 27. Juni 1860 (G.S. S. 384) und §§. 17 , 37 , 38 , 47 des Ges. v. 11. Juni 1874 über die Enteignung von Grund­ eigenthum (G.S. S. 221). — Hinsichtlich der Benutzung eines Waldes kommen die Vorschriften I. 18 §§. 564, 577 und I. 21 §. 32 zur Anwendung. Erk. des O.Tr. v. 26. April 1861, Entsch. 45 S. 237. 26) Ob und in wie fern zu diesen Fällen die Erbverpachtung gehöre, ist eine in ihren verhängnißvollen Folgen sehr wichttge Frage, an welche sich eine lange Kontroversengeschichte knüpft. Wird der nutzbare Eigenthümer für unbedingt befugt gehalten, das Fideikommißgut zu vererbpachten, so hat er dadurch der Familie das Eigenthum des ganzen Guts für ewige Zetten ent­ ziehen können; denn bekanntlich ist durch das Ablösungsgesetz v. 2. März 1850 §. 2 Nr. 2 die Erbpacht in volles Eigenthum verwandelt worden. Die Zweifel wurzeln in dem Umfange der im §. 5 des Ed. v. 9. Ott. 1807 (G.S. 1 W*ll0 S. 170) ertheilten Befugniß. Der §. 5 lautet: „Jeder Grund-Eigenthümer, auch der Lehns- und der Fideikommiß-Befitzer, ist ohne alle Ein­ schränkung, jedoch mit Vorwissen der Landes-Polizei-Behörde, befugt, nicht blos einzelne Bauernhöfe, Krüge, Mühlen und andere Pertinenzien, sondern auch das Borwerks-Land, ganz oder zum Theil, und in beliebigen Theilen zu vererbpachten, ohne daß dem Lehns Ober Gigenthümer, den Kidei kommiß- und Lehnsfolgern und den ingrossirten Gläubigern aus irgend einem Grunde ein Widerspruch gestattet wird, wenn nur das Erbstands- oder Einkaufs-Geld zur Tilgung deS zuerst ingrossirten Kapttals, oder, bei Lehnen und Fideikommissen, in etwaniger Ermangelung ingrossirter Schulden, zu Lehn oder Fideikommiß verwendet, und, m Rücksicht auf die nicht abgelösten RealRechte der Hypotheken-Gläubiger, von der Landschaftlichen Kredit-Direttion der Provinz, oder von der Landes-Polizer-Behörde attestirt wird, daß die Erbverpachtung ihnen unschädlich sei." Dem­ nächst verordnete das Ed. zur Beförderung der Land-Cultur v. 14. Sept. 1811 (G.S. S. 300) im §. 1: „Zuvörderst heben Wir im Allgemeinen alle Beschränkungen des Grundeigenthums, die aus der bisherigen Verfassung entspringen, hiemit gänzlich auf, und setzen fest: daß jeder Grundbesitzer ohne Ausnahme befugt sem soll, über seine Grundstücke in so fern frei zu ver­ fügen, als nicht Rechte, welche Dritten darauf zustehen, und aus Fideicom­ missen, Majoraten, Lehnsverband, Schuldverpflichtungen, Servituten und dergleichen herrühren, dadurch verletzt werden." Die hieraus entstandenen Zweifel veranlaßten bald umständliche Verhandlungen im Staatsministerium und Staatsrath, welche bis aus den heutigen Tag durch die Gesetzgebung nicht erledigt worden sind. Zuerst wurde auf eine Anftage des damaligen Oberlandesaerichts zu Sold in von dem J.M. im Einverständnisse mit dem Min. des Inn. durch ein Restt. v. 2. Jan. 1811 die Erbverpachtung ganzer Güter für unzulässig erklärt. Demnächst wurde bei Gelegenheit einer Beschwerde über das Kammergericht im I. 1814 jener Grundsatz von dem J.M. selbst wieder in Zweifel gezogen, und dieserhalb von neuem mit dem Min. des Inn. in Kommunikation getreten, worauf die Sache in das Staatsministerium ebracht wurde. Dieses entschied sich für die Auftechthaltung des ausgesprochenen Prinzips, ielt jedoch einige Maßregeln zur Sicherung der Rechte der Agnaten für nothwendig. Eine in diesem Sinne abgefaßte Deklaration wurde von dem Kabinete an den Staatsrath zur Begut­ achtung gewiesen. Lier kam zuerst die Frage zur Diskussion: ob nicht der §. 5 des Ed. v. 9. Ott. 1807 durch §. 1 des Kultured. v. 14. Sept. 1811 aufgehoben sei, indem durch dieses den Grundbesitzern die freie Dispositionsbefugniß nur in so fern, als sie die Rechte der Agnaten nicht verletze, gestattet war. Die Frage wurde aber um deswillen verneint, weil das Kultureditt im §. 1 über die Rechte der Lehns- und Fideikommiß-Jntereffenten selbst nichts bestimmt habe, diese Rechte folglich nach den sonst bestehenden gesetzlichen Vorschriften beurtheilt werden müßten. Die vereinigten Abtheilungen der Justiz und deS Inn. stimmten für die Meinuna, daß nach dem g. 5 deS Ed. v. 9. Ott. 1807 die Erbverpachtung eines ganzen Lehn- oder Fideikommißguts nicht zulässig fei, sondern das Hauptgut außer einzelnen Pertinenzien nur in so weit, alS es

G

478

Zweiter Theil.

Vierter Titel.

§§. 77—81.

§. 77. Wegen Ausnehmung eines solchen Familienschlusses gilt bei Fidei­ kommissen alles das, was bei Familienstiftnngen vorgeschneben ist. (§. 42. sqq.) Gegenstand der Landwirthschast sei, vererbpachtet werden dürfe. Zugleich trugen sie aber darauf an, daß der §. 5 als eine die Rechte der Lehns- und Fideikommiß-Jntereffenten gefährdende Be­ stimmung wieder beschränkt und nur die Erbverpachtung einzelner Stücke, namentlich abgeson­ derter Nebenvorwerke, Bauernhöfe u. s. w. gestattet werde. Zur Sicherung der Agnaten wurde hierbei vorgeschlagen: a) daß der Erbverpachtung eine gerichtliche Taxe zum Grunde gelegt werde, dergestalt, daß das Erbstandsgeld nebst dem mit 4 Prozent zu kapitalisirenden Kanon der Summe der Taxe gleichkomme; b) daß die Hälfte der Taxe als Erbstandsgeld erlegt und dieses wieder zu Lehn oder Fideikommiß verwendet werde; und c) den Agnaten bei künftigem Anfalle der Beweis, daß bei der Taxe ein Fehler zu ihrem Nachtheile vorgefallen sei, vorbehalten bleibe, welchensalls der Erbpächter zur verhältnißmäßigen Erhöhung des Kanons, oder zur Aushebung des Verhältnisses verpflichtet sei. — Ein nach diesen Grundsätzen abgefaßter Gesetz­ entwurf wurde von dem Pleno angenommen, von dem Könige aber, nach der K.O. v. 23. Mai 1818, nicht genehmigt, well der §. 6 des Ed. v. 9. Okt. 1807 mit dem übrigen Inhalte deffelben in zu genauer Verbindung stehe, um abgesondert und einzeln geändert zu werden ; die Inter­ pretation des §. 5 solle vorläufig der gerichtlichen Entscheidung und die nähere Bestimmung im legislativen Wege der künftigen Gesetzrevision vorbehalten bleiben. — Die späteren Gesetzrevi­ soren traten der Ansicht des Min. des Inn. bei, daß es.die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, die Erbverpachtung ganzer Güter zu gestatten. Denn wenn unter Vorwerksland, wie daS Staatsrathsgutachten zugebe, das Hauptgut, so weit es zur Landwirthschast geeignet, verstanden, und also deffen Erbverpachtung für zulässig erachtet werden müsse, wenn ferner außer diesem Hauptbestandtheile andere Pertinenzien vererbpachtet werden könnten, so werde es schwer halten, noch andere Gutstheile namhaft zu machen, welche nicht hätten vererbpachtet werden dürfen, oder welche es verdienten, hiervon ausgeschloffen zu bleiben, in so fern sie es nicht schon gesetzlich seien. Denn die Ehrenrechte, als Patronat und Jurisdiktion, kämen dem Erbpächter emes ganzen Guts niemals zu (II. 11 §. 600; Tit. 17 §. 29). Daß die (seitdem aufgehobene) Jaadgerechtigkeit nicht zu den Pertinenzien zu rechnen sei, deren Erbverpachtung gestattet, lasse jto um so weniger behaupten, als deren Verpachtung gesetzlich gestattet sei (f. 9 §. 180). Die Waldungen auszunehmen, sei kein Grund vorhanden (?), da so wie ein Nießbrauchsrecht auch ein Erbpachtsrecht daran stattfinden könne, und die kleinen Waldungen in der Regel durch die Ver­ bindung mit dem Hauptgute gehörig benutzt werden könnten. So blieben also lediglich die Wohn- und Wirthschaftsgebäude übrig, die getrennt vom artbaren Lande dem Besitzer ohne Nutzen seien (?). Nach der im Staatsraths-Gutachten ausgesprochenen Meinung würde ein be­ deutendes zur Landwirthschaft geeignetes Gut ganz verabpachtet werden können, bei einem minder beträchtlichen aber, mit welchem zufällig einige andere Rechte verbunden seien, würde dies nicht stattfinden können. Dieses würde eine Inkonsequenz enthalten, die man beim Gesetzgeber nicht annehmen könne. Ges.Rev. Pens. 16 Mot. zu §§. 170—175 des Entw. S. 127 ff. — Die Er­ wägung ist nicht erschöpfend und überzeugt deshalb nicht. Es giebt noch manche Theile eineFideikommißgutes, welche getrennt vom artbaren Boden dem Besitzer Nutzen gewähren und nicht Gegenstände der Landwirthschast sind, z. B. Bergbau auf eigenem Grunde und Boden und aueigenem Rechte (ohne Verleihung), Steinbrüche, Wildparke, Fasanerien u. dergl. Doch kann die fragliche Meinung auf sich beruhen, denn die Gesetzrevision hat keinen Erfolg gehabt und jene Meinung hat niemals gesetzliche Anerkennung gefunden. Im Gegentheile, der §. 5 des Ed. v. 9. Okt. 1807 ist, da „m Folge der Vorschriften des Kultured. v. 14. Sept. 1811 §. 2 und der Ablös.Ordn. v. 7. Juni 1821 §. 29 die Ablösung des Erbpachtkanons dahin führen kann, daß ein Lehn- oder Fideikommißgut zum Nachtheile der Lehns- und Fideikommiß-Berechtigten uno gegen deren Willen in ein Geldlehn oder Geldsideikommiß verwandelt wird, diese Folge aber sebst über die Absicht des Ed. v. 9. Okt. 1807, welches die damals noch bestandene Unablöslichkeit des Erbpachtkanons voraussetzt, hinaus geht, die auf dem VII. Provinzial-Landtage versammelt gewesenen Stände der Kur- und Neumark Brandenburg und des MarkgrafthumS Niederlausitz deshalb zum Schutze der Lehns- und Fideikommiß-Berechtigten auf eine Abänderung des 8 5 jenes Edikts angetragen haben, und eine legislative Berathung hierüber bereits eingelellet ist," — durch die K.O. n. 28. Juli 1842 (G S. S. 242) bis auf weitere Berordnung suspendirt worden. Bei dieser Suspension ist es verblieben. Denn für die Zukunft hat die Kontroverse durch die mittelst Ges. v. 2. März 1850 erfolgte Unterdrückung der Besitzform der Erbpacht ihren Abschluß erhalten und die bestehenden Erbpachtsgerechtigkeiten sind in volleEigenthum verwandelt worden. §. 2 Nr. 2 a. a. O. Damit sind jedoch die etwa verletzten Rechte der Agnaten nicht erloschen, vielmehr können dieselben, wenn sie zur Succession gelangen,^ noch immer die Ungültigkeit der Vererbpachtung, ihnen gegenüber, ausführen, wenn sie sich damit durchzukommen getrauen. In so fern lebt also die Kontroverse noch. In dieser Beziehung ist -

Bon Familienfideikommissen.

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§. 78. Wenn aljv mit der Substanz der zum Fideicommissc geividmeten Güter durch Tausch oder sonst, Veränderungen vorgenommen werden sollen, so muß dieses durch einen Familienschluß geschehen-'). 8- 79. Ist dergleichen Schluß nicht zu Stande gekommen, so kann jedes Familienmitglied, welches nicht eingewilligt hat, sobald es zur Succession gelangt, die Handlung anfechten, und aus Versetzung der Sache in den vorigen Stand an­ tragen 98). §. 80. Nur allein bei Ausnehmung nothwendiger 2e) Darlehne auf die Einkünfte infoinerfcit des Fideikommisses ist nicht die Zuziehung aller, sondern bloß gewisser Familien- "!ün?c»Ä!' niitglieder erforderlich. «liSS™§. 81. Für nothwendige Schulden sind diejenigen Summen zu achtel», welche zur Widcrherstellung der durch Unglücksfälle, ingleichen durch Alter, ohne eigenes Verschulden des Besitzers ruinirten, oder in Verfall gerathenen Gebäude aus­ genommen werden müssen.

hervorzuheben, daß das Ges. v. 2. März 1850 §. 2 nur das Obereigenthum des Lehnsherrn und das Eigenthum des Erbverpächters, d. i. nur das nutzbare Eigenthum des Fideikommißbesitzers (§. 72 d. T.), nicht aber das Obereigenthum der Familie (§. 73) aufgehoben hat, so daß also auch im Falle einer gültigen, d. h. für jeden einzelnen Fideikommißfolger gültigen, Erbverpachtung eines Fideikommisses durch den Besitzer der nun Eigenthümer gewordene Erbpächter nur das nutzbare Eigenthum erworben hat. 27) Eine Ausnahme machen die Veränderungen, welche bei den gutsherrlich-bäuerlichen Regulirungen, Gemeinheitstheilungen und Reallasten-Ablösungen, nach Vorschrift der darüber verfügenden Gesetze eintreten. (H. Vgl. Anm. 37 zu §. 15 des Ges. v. 15. Febr. 1840, Zus. 4 zu §. 46 d. T.) Wenn der Fideikommißbesitzer in einer Provokation auf Ablösung einer dem Fideikommiß obliegenden Verpflichtung dieselbe anerkannt hat, so ist das Anerkenntniß ver­ bindlich, auch wenn aus der Erklärung der Entstehungsgrund nicht hervorgeht, Erk. des O.Tr. II v. 10. Okt. 1865, Zeitschr. des Rev.Koll. f. L.K.S. 17 S. 250. H. Erk. des O.Tr. II v. 11. Dez. 1877, Str. Arch. 98 S. 165: Bei Familien-Fideikom­ missen ist zur rechtsverbindlichen Konstituirung einer Servitut, als einer Verfügung über die Substanz, ein Familienschluß erforderlich. H. Dem Grundbuchrichter ist zur Begründung eines Antrages auf Eintragung einer Disposition des Fideikommißbesitzers über die Substanz die Genehmigung des Fioeikommißrichters beizubringen, da dieser letztere, nicht der erste die Zulässigkeit zu prüfen hat, Johow, Jahrb. 6 S. 112. 28) Eine eigenthümliche Anwendung der Restitutionsklage, aber eine sehr verständige, um den Widerspruch zwischen der Reivindikation und dem Rechte des Revokanten auszugleichen. Gemeinrechtlich wird die Reivindikation zur Abforderung des unerlaubterweise veräußerten Guts unter dem Namen der Revokatorienklage angewendet, wodurch der Revokant ohne Verlust zu seinem Eigenthume gelangte, da er dem Besitzer nichts zu erstatten hatte. Rach den Grundsätzen des L.R. aber hat der Bindikant dem redlichen Besitzer, unter Anderem, den Erwerbungspreis zu erstatten, und wenn das hier hätte gelten sollen, so würde dem Revokanten in den meisten Fällen, wenn die Revokation in eine späte Zeit fällt und die Sache durch mehrere Hände im Verlaufe der Jahre gegangen ist, sein Recht zu Wasier geworden sein, weil er dann die Sache hätte bezahlen müssen. Das war mit dem Rechte der Agnaten unvereinbar. Deshalb soll eine Restitution stattfinden, vermöge welcher die Sache auf den Stand zur Zeit der Veräußerung versetzt wird, wodurch der Agnat der Verpflichtung entgeht, dem Besitzer den Erwerbspreis zu erstatten. H. Daß der Revokant Descendent oder Allodial-Erbe des veräußernden Fideikommiß­ besitzers ist, schließt die Klage nicht aus, s. Dernburg 1 S. 925. H. Bei Veräußerungen des Fideikommisses ohne Familienschluß steht den nachfolgenden Anwärtern die Revokationsklage erst im Successionsfalle zu. Erk. des O.Tr. III v. 19. Febr. 1875, Entsch. 74 S. 228, Str. Arch. 93 S. 244. Nach gem. R. sowohl als auch nach L.R. — nach letzterem im Falle ein Familienschluß nicht zu Stande gekommen — kann der Erbe des Fideikommißvorgängers dessen belastende Dispositionen anfechten, Erk. des O.Tr. II v. 11. Dez. 1877, Str. Arch. 98 S. 165. 29) Auf die eigene Besitzzeit kann der Fideikommißbesitzer und der Fideikommißfolger die Rutzuugen des Fideikommisses auch für andere als nothwendige Schulden verpfänden. R. des J.M. v. 26. Nov. 1840, J.M.Bl. S. 393.

480

Zweiter Theil.

Bierter Titel.

§§. 89—96.

§. 82. Doch soll künftig jeder Fideicommißbesitzer schuldig jein, die zum Fideikommisse gehörenden Gebäude in die Feuer-Versicherungs-Gesellschaft aufnehmen zu lassen. §. 83. Ist dies durch seine Schuld unterblieben, so kann er wegen Feuer« schaden, deren Vergütung durch Beiträge der Gesellschaft erfolgt sein würde, die Einkünfte des Fideikommisses, zum Nachtheile künftiger Besitzer, mit Schulden nicht beschweren. §. 84. Dagegen ist ein Fideicommißfolger, welcher die Gebäude von seinen Vorfahren in so schlechten Umständen überkommen hat, daß sie eines neuen Baues oder einer Hauptreparatur bedürfen, die dazu erforderliche Summe auf die Nutzungen deS Fideikommisses aufzunehmen berechtigt*°), wenn das freie Vermögen des Vor­ fahren zum Ersätze derselben nicht hinreicht8I). §. 85. Wenn an dem Fideicommiß-Jnventario überhaupt, oder auch an einzelnen Rubriken desselben, durch Brand, Krieg, Wasierfluthen, oder andere Unglücksfälle, ein solcher Schade entstanden ist, daß derselbe, zu Gelde gerechnet, den vierten Theil der Fideicommiß-Einkünfte, nach einem ungefähren Anschläge, übersteigt: so ist der Besitzer ebenfalls berechtigt, die zur Wiederherstellung des Jnventarii nöthige Summe auf die Nutzungen des Fideikommisses aufzunehmen. §. 86. Wenn das Gut durch Krieg, oder sonst durch höhere Gewalt8’), der­ gestalt verheert worden, daß der Besitzer in einem oder dem anderen Jahre nicht o viel Nutzungen, als zur Abführung der stiftungsmäßigen Prästationen erforderich sind, daraus har ziehen können: so ist er berechtigt, so viel, als zu dieser Ab ührung ermangelt, auf die künftigen Revenüen auszunehmen und zu versichern. §. 87. In allen Fällen, wo das Fideicommiß mit einer neuen Schuld be­ schwert werden soll, müssen bei Regulirung der Sache zwei der Fideicommißanwarter zugezoaen werden 3S). §. 88. Besteht die zum Fideikommisse berufene Familie aus mehreren Linien, so wird die Zuziehung des nächsten Anwärters aus der im Besitze befindlichen, und des Aeltesten aus derjenigen Linie, welche nach ihr die nächste ist, erfordert. §. 89. Ist nur Eine Linie vorhanden, so müssen aus dieser die beiden nächsten Anwärter zugezogen werden.

30) Dies ist auch der Fall, wenn die Gebäude vor dem Anfalle des Fideikommisses abge­ brannt sind und die Versicherung durch Schuld des abgegangenen Besitzers unterblieben ist. Zu vergl der Besch, des J.M. v. 12. Mai 1812, Jahrb. 1 S. 54.

31) Die Retablissementskosten müssen bei der Absonderung des Fideikommiffes von der Erbschaft ausgemittelt werden, wobei es sich zeigen muß, ob die Erbschaft zur Bezahlung aus­ reicht. Ist das zweifelhaft und deswegen ein erbschastlicher LiquidatibnSprozeß oder Konkurs bevorstehend: so muß der Fideikommißbesitzer berechtigt sein, von der ihm durch die Vorschrift dieses §. 84 gegebenen Befugniß Gebrauch zu machen, weil er nicht verpflichtet ist, mit der Wiederherstellung der nothwendigen Gebäude auf den Ausgang des Kreditverfahrens zu warten. Aber es liegt ihm ob, die Forderung in dem Verfahren zu liquidiren und dasjenige, was er darauf aus der Masi« erhält, zur Abtragung der aufgenommenen Schuld zu verwenden. Die Fideikommißberechtigten mögen dieserhalb zu ihrer Sicherheit eine geeignete Kontrole einrichten. 32) Z. B. durch Volksausstände, wie sie das Jahr 1848 brachte. 33) M s. die B. v. 11. März 1818 über die Lehen und Fideikommisse in den jenseits der Elb« gelegenen Provinzen, Zus. 7 zu I. 18 §. 266. Der §. 87 spricht noch immer von dem Falle, wenn nothwendige Schulden aus die Ein­ künfte ausgenommen werden sollen. Soll die Substanz verpsändet werden, so ist ein Familien­ schluß erforderlich.

§. 114.

Nach Gen» R. erstreckt sich, abweichend von den Vorschriften des L.R., die Wirksamkeit des agnatischen Konsenses bei Familienschliissen nicht über die Besitzzeit derjenigen Successoren hinaus, welche den Konsens erhellt haben. Erk. deS O.Tr. I v. 13. Okt. 1851, s. Anm. 3 zu 8 50 d. T.

Bon Familienfideikommissen.

481

§. 90. Unter die zuzuziehenden Fideicommißanwarter sind die Kinder deS Besitzers nicht mitzurechnen 84). §.91. Stehen die zuzuziehenden Anwärter unter Vormundschaft, so müssen sie, auch bei diesem Geschäfte, von ihren Vormündern vertreten werden. §. 92. Sind keine andere Anwärter, außer den Kindern des Fideicommißbesitzers, vorhanden, so ist deren Zuziehung hinreichend **). §. 93. Ihnen muß, wenn sie ihren Sachen mcht selbst vorstehen können, ein besonderer Curator zu diesem Geschäfte bestellt werden. §. 94. Ist überhaupt nur Gn Anwärter vorhanden, so ist dessen Einwilligung hinreichend. §. 95. Ist kein Anwärter bekannt, doch aber auch noch nicht entschieden: ob das Fideicommiß in den Händen des gegenwärtigen Besitzers erlöschen werde; so muß dieser, wenn er ein Varlehn aufnehmen will, bei dem Richter der Sache auf Bestellung eines Curators für das Fideicommiß *"), und auf dessen Zuziehung an­ tragen 87). §. 96. Bei Ausnehmung eines solchen Darlehns sind allemal gewiffe Termine 34) D. b. die Kinder werden nicht berücksichtigt, nicht zugezogen, wie aus der Anm. zum §. 34 des gedr. Entw. Th. I Abth. 1 S. 262 erhellet: „Die Gesetzgebung, welcher an der Unterhaltung und Befestigung der Eintracht in den Familien Alles gelegen ist, muß die Fälle, wo wegen des in Kollision gerathenden Interesses der Aeltern und Kmder Gelegenheit zum Zwiste unter ihnen entstehen, oder wohl gar die Aeltern in eine Art der Abhängigkeit von den Kindern gesetzt werden könnten, möglichst vermeiden. Wo also für die Erreichung deS End­ zwecks der Konservation des Fideikommisses auf andere Art gesorgt werden kann, muß den Kindern eine Beurtheilung des Verfahrens und der Anträge der Aeltern weder überlasten, noch angemuthet werden." 35) Aber auch nothwendig, „weil das Recht der Kinder auf das Fideikommiß von dem Rechte des Vaters ganz unabhängig ist und gleich diesem aus der Wohlthat deS ersten Stifters entspringt." Anm. zu §. 54 des gedr. Entw. S. 267 a. a. O. 36) Ein Fideikommißkurator kommt nur in dem Falle dieses §. 95 und in dem Falle des (H. noch geltenden) §. 30 I. 46 A.G.O. vor; außerdem kann kein Kurator für das Fideikommiß nut rechtlicher Wirkung bestellt werden. Das O.Tr. I sagt in einem Erk. v. 26. April 1861, Entsch. 46 S. 247, das Gegentheil. Demselben erscheinen die genannten beiden Fälle als besondere Anwendung einer allgemeinen Regel, welche sich in dem 8. 49 IL 18 aufgestellt finde und überall da, wo deren Voraussetzung zutreffe, auch die Fideikommißbehörde berechtige, für das Fideikommiß einen Kurator zu bestellen, wenn die be­ kannten Anwärter, zumal dazu ausgefordert, geeignete Anträge behufs Retablirung deS Fidei­ kommisses anzubringen unterlassen; denn das Fideikommiß erscheine mit den unbekannten Fideikommißintereffenten identisch. Hierdurch soll eben die Anwendbarkeit des §. 49 Tit. 18 auf Fideikommisse dargethan werden. Diese Rechtsanwendung überschreitet die Grenzen des richter­ lichen Berufs, sie greift über in den Wirkungskreis deS Gesetzgebers. Wenn dieser eine allge­ meine, von Amtswegen einzuleitende Fideikommißkuratel, auf welche die Konsequenz der Theorie deS O.Tr. führt, gewollt hätte, würde er es wohl gesagt haben. Der 8. 76 d. T. weiset auf den entgegengesetzten Willen hin. Denn die Vertretung deS ObereigenthümerS und die Wah­ rung der Rechte desselben bei Familienfideikommissen kann entweder durch Familienversammlungen und von denselben zu fassende Faminenschlüffe, oder durch eine Fideikommißkuratel geschehen; dies sind verschiedene Systeme. Wo das System der Kuratel angenommen ist, da kennt man keine Familienschlüsse, rote nach österr. bürg. G.B. §§. 630, 634; wo hingegen daS System der Familienschlüffe herrscht, wie im preuß. Rechte, da giebt es keine Fideikommißkuratel. Hiernach entbehrt die ganze Ausführung des Obertribunals deS Bodens. Die beiden vorkommenden Fälle sind in der That singuläre Ausnahmen, aus Zweckmäßigkeitsgründen, weil sich wegen der besonderen Beschaffenheit dieser Fälle mit einem Fideikommißkurator leichter und doch ohne Nachtheil für das Interesse des ObereigenthümerS agiren läßt. H. Beral. auch Förster, preuß. Pr.R. 3 S. 712 Anm. 32 u. Eecius 4. Ausl. 4 S. 276 Note 82; a."M. Dernburg 8. Aust. 1 S. 922 Note 6. 37) Auch hier ist noch immer der Fall vorausgesetzt, daß die Einkünfte für nothwendige Schulden verpfändet werden sollen. Will der einzige bekannte Fideikommißberechtiate (der Be­ sitzer) eine Verfügung über die Substanz treffen, z. B. das Fideikommiß aufheben, so bedarf eS nicht der Bestellung eines Kurators, vielmehr ist ein Fannlienschluß, den der Besitzer gemäß dem Ges. v. 16. Febr. 1840 (Zus. 4 zu §. 46) allein fassen kann, nothwendig. Loch, Allgemeine-Landrecht. ITT. 8. Aufl.

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482

Zweiter Theil.

Vierter Titel.

§§. 97—113.

KU bcfien Rückzahlung, durch Uebereintommen mit den zugezogenen Anwärtern, ober in dessen Ermangelung nach richterlichem Ermessen, zu bestimmen. §. 97. Der Fideicommißbesitzer ist nicht schuldig, höhere Rückzahlung-termine auf Ein Jahr zu übernehmen, als der vierte Theil der gewöhnlichen Einkünfte, nach einem ungefähren Ueberschlage beträgt8S). 8- 98. Dieser Ueberschlag ist jedoch nicht nach der gegenwärtigen etwa ver­ fallenden Beschaffenheit des Gutes, sondern darnach einzurichten, was das Gut, wenn es sich in gewöhnlich gutem Wirthschaftsstande befunden, sonst getragen hat. 8- 99. Dem Besitzer muß aber auch, zur Wiederherstellung des Gutes durch Verwendung der aufzunehmenden Summe, eine verhältnißmäßige Zeit gelassen werden, ehe er mit den Rückzahlungen anzufangen schuldig ist. . 8- 100. Mindere Termine, als das Viertel der gewöhnlichen Einkünfte beträgt, find die zugezogenen Anwärter dem Besitzer zu bewilligen nur in so fern befugt, als das Mdeicommiß dadurch dennoch binnen zehn Jahren von der Schuld wieder befreit werden kann. 8- 101. Die Regulimng eines solchen Darlehnsgeschästes muß allemal gericht­ lich erfolgen. §. 102. Der Richter, unter welchem das Fideicommiß gelegen ist, muß dabei von Amtswegen dabin sehen, daß die vorstehenden Erfordernisse beobachtet werden ’•). 8« 103. Giebt der Gläubiger wegen der bestimmten Rückzahlungstermine fteiwillig Nachsicht, so geschieht es auf seine Gefahr. (Th. 1. Tit. 18. §. 252. 253.) §. 104. Schulden des Fideicommißstifters, mit welchen er selbst das Fidei­ commiß bei dessen Errichtung belastet hat; oder die aus seinem übrigen Vermögen nicht bezahlt werden tönnen40 38), 39 sind als ursprüngliche, die Substanz angehende Fideicommiß-Schulden anzusehen. 38) „Weil es unbillig sein würde, wenn der Fideikommißbesitzer der von den Stifter ihm zugedachten Wohlthat auf mehrere Jahre und vielleicht auf Lebenslang entbehren und solcher­ gestalt die Last einer Schuld, die doch zum Besten der gesammten Familie gemacht worden, allein tragen sollte." Anm. zu §. 39 des gedr. Entw. S. 266 a. a. O. 39) Aber auf die Innehaltung der zur Wiederbezahluna bestimmten Termine hat der Ricktee nicht von Amtswegen zu sehen. R. des J.M. v. 16. Febr. 1814, Jahrb. 3 S. 10. — Auf die bestimmungsmäßige Verwendung des Anlehns zu halten ist Sache der Anwärter. — Der „Richter" ist übrigens jetzt nicht mehr der Realrichter, oen der §. 102 meint, sondern daS betreffende Appellationsgericht. Zus. 6 zu §. 63. 40) Was für Schulden, der Entstehungszeit nach, darunter zu verstehen, ob nur die vor der Errichtung des Fideikommisses, oder auch die später entstandenen: das ist die Frage. Es ist zwischen den verschiedenen Errichtungsarten (8- 28) zu unterscheiden. Ist das Frdeuommiß durch einen förmlichen Vertrag errichtet, so muß die Vorschrift auf die schon alsdann vorhandenen Schulden beschränkt werden, weil es keinen Rechtssatz giebt, oer einem jüngeren Gläubiger einen Anspruch auf Vermögensgegenstände, die der Schuldner besessen, aber schon veräußert hat (§§. 72,73), einzuräumen vermöchte; nur die Einkünfte können, so lange der Stifter für seine Person noch im Genusse bleibt, Gegenstand der Befriedigung sein. — Die Stiftung durch eine einseitige Erkläruna (g. 28) giebt keinem Familienglieds vor Eintritt des ersten Successionsfalles ein Recht. Eine solche Stiftung hat, den Gläubigern gegenüber, nur die Wirkung eines Legats. Wenn also der Berufene mit den Gläubigern des Erblaflers in Kollision kommt, so steht er ihnen nach. Zwar ist noch die Auffassung möglich, daß, wenn der Stifter durch einseitige Erklärung daS Fideikommiß so weit errichtet hat, daß die Stiftung bestätigt und gehörig ins Hypothekenbuch eingetragen worden ist, dieses als ein Vorbehalt bei Eingehung neuer Schulden anzusehen wäre, welchen der Gläubiger, der sich keine besondere und ausdrückliche Verschreibung auf ein solcheneu errichtetes Fideikommiß hat geben lasten, sich gefallen läßt. Aber dieser Rechtsgedanke verstößt dock immer geqen den Rechtsgrundsatz, daß ein Erbe und auch ein Fideikommiflarius aus einer einseitigen Erklärung des Stifters und Erblaflers bei dessen Leben kein Recht erwirbt, und daher den Gläubigern, welche sich aus dem noch im Vermögen ihres Schuldners befindlichen Gegen­ stände der Stiftung befriedigen wollen, nicht entgegentreten kann. Und der Schuldner selbst ist aus eigenem Rechte dazu, auf Grund eines stillschweigenden Vorbehalts, auch nicht befugt, er muß mit aller seiner Habe für seine Schulden auflommen. So gut er selbst den Gegenstand

Von Familienfideikommissen.

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§. 105. Dergleichen Schulden ist der Fideicommißfolger aus den Einkünften zu bezahlen nicht verbunden. §. 106. Hat er sie bezahlt, so findet dabei eben das statt, was wegen der Lehnsschulden verordnet ist. (Th. 1. Tit. 18. §. 292.41 * *) * sqq.) *********************** §. 107. Ein Gleiches gilt auch alsdann, wenn der Fideicommißbesitzer auf die terminlich zurückzuzahlenden Schulden Zahlungen, die erst in die Zeiten seines Nachfolgers treffen würden, zum Voraus geleistet Ijcit42). §. 108. Wegen solcher Schulden, die nach §. "80. sqq. in gewissen Terminen aus den Einkünften wieder abgestoßen werden sollen, kann die Subhastation des Fideicommißgutes selbst niemals erfolgen. §. 109. Vielmehr kann der Gläubiger, wegen solcher zurückbleibenden Zahlungen, nur an die Einkünfte durch den Weg der gerichtlichen Sequestration sich halten. §. 110. Wegen solcher Schulden aber, die nach §. 104. aus der Substanz des Fideicommisses selbst bezahlt werden müssen, kann der Gläubiger, im Verfolge der Execution, auch auf den gerichtlichen Verkauf des Gutes selbst antragen43). §. 111. Was aber von dem Kaufgelde, nach Abzug dieser Schulden, noch übrig bleibt, muß zum Fideicommiß angelegt werden. §. 112. Der Käufer eines solchen Gutes kann also nur in das gerichtliche Depositum mit Sicherheit zahlen. §. 113. Wie die anderweitige Anlegung zum Fideicommisse geschehen solle, muß durch einen Familienschluß angeordnet toerben44). einer Stiftung, auf welche noch Niemand ein Recht erworben hat, veräußern oder belasten könnte, mb auch seine Gläubiger dazu berechtigt. — Geschieht die Stiftung durch letzte Willensverordnung, o ist sie bei Eröffnung der Erbschaft noch nicht vollendet, vielmehr ist sie durch Verlautbarung der Stiftungsurkunde seitens des Vorstehers der Familie (§. 30) und durch richterliche Bestätigung erst noch zu vollziehen. Die Frage ist dann also die: ob die zum Genusse des künftigen (erst noch zu errichtenden) Fideikommisses Berufenen ein Recht haben» den dazu bestimmten Gegenstand aus der Verlassenschaft vor den Gläubigern herauszunehmen und dadurch den unbefriedigt bleibenden Gläubigern zu entziehen ; und diese Frage muß wohl ohne allen Zweifel verneint werden. Wahr­ scheinlich ist es gerade dieser Fall, an welchen die Verfasser bei dem §. 104 gedacht haben; und er ist auch der ursprüngliche und eigentliche Fall der Errichtung eines Fideikommisses überhaupt. H. Der einzige zweifelhafte Fall ist der zweite, der einseitigen Errichtung des Fideikommisses. Derselben Meinung wie Koch scheint auch Förster, preuß. Pr.R. 3 S. 715 zu sein, welcher sagt: „Wenn dagegen der Stifter nach der Errichtung das F.K. noch behält, es also erst bei seinem Tode an den zuerst berufenen Besitzer gelangt und erst dadurch in das Leben tritt, so müssen auch die später vom Stifter gemachten Schulden, welche nicht aus seinem übrigen Vermögen be­ zahlt werden können, als Substanzschulden angesehen werden." (Anders allerdings jetzt Ec eins 4 Aufl. 4. S. 280.) In Koch's Auseinandersetzung ist der eingenommene Standpunkt des Legats ein falscher. Denn in dem vorausgesetzten Falle handelt es sich um ein einseitiges Ge­ schäft inter vivos. Was Förster mit dem: Jnslebentreten des Familien-Fideikommisses meint, ist nicht klar. Wenn das Fideikommiß bestätigt, und eine bestimmte Successionsordnung in der Süftungsurkunde vorgeschrieben ist, so tritt damit das F.K. in das Leben. Der bisherige Stifter ist dann nicht mehr freier Eigenthümer, vielmehr hat er wegen der entgegenstehenden Rechte der Fideikommißfolger nunmehr ein beschränktes Eigenthum. Auf spätere, nachher gemachte Schulden kann sich der g. daher nicht beziehen. Was von P. Hinschius a. a. O. S. 390 ff. für die bindende Kraft der einseitigen Errichtung einer Familienstiftung inter vivos geltend gemacht ist, findet auch auf das Familienfideikommiß Anwendung. Ders. Ans. Dernburg IS. 926 Anm. 10. 41) Statt 292 ist „592" zu lesen. R. des J.M. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 469. Die Erben treten danach an die Stelle und in die Rechte des bezahlten Gläubigers (I. 18 §. 597); es kann mithin der Fideikommißfolger, wenn er selbst Erbe ist, sich aus der Substanz bezahlt machen, wenn es der Gläubiger zu thun berechtigt gewesen sein würde. 42) Dieserhalb kann der Erbe sich nur an die Nutzungen des Fideikommisses halten. §. 108. 43) Wendet der Besitzer die Subhastation durch Bezahlung des Gläubigers ab, so kommt der §. 106 zur Anwendung. Vergl. die Anm. 41. 44) Bis solches geschehen, wird das Geld als eine Fideikommißmasse verwaltet, und die Zinsen werden, wenn und so lange der Besitzer, falls er persönlicher Schuldner ist, noch lebt, zur Wiederherstellung des Fonds zmn Kapital geschlagen.

484

Zweiter Theil.

Vierter Titel.

§§. 114—126.

» §. 114. Ein solcher Familienschluß ist auch alsdann nothwendig, wenn in außerordentlichen Fällen, zur Wiederherstellung eines ruinirten Fideikommisses ein so starker Vorschuß erforderlich ist, daß derselbe aus den bloßen Einkünften nicht zurückgezahlt werden kann. §. 115. Wird durch Versandungen, oder andere dergleichen aus höherer Macht herrührende Unglücksfälle, das Fideicommißgut dergestalt verringert, daß die nach §. 53. auf das Gut gelegten stittungsmäßigen Prästationen daraus nicht mehr ge­ nommen werden können: so müssen diese so weit zurückstehen, als es nothwendig ist, um dem Fideicommißbesitzer den §. 54. ausgemessenen reinen Ertrag zu ge­ währen. §. 116. Doch dauert dieser Nachlaß nur so lange, bis das Gut so weit, als zur Aufbringung der vorigen Prästationen erforderlich ist, wieder hat hergestellt werden können. bet Pro§. 117. Bei Prozessen, welche die Substanz des Fideicommisses betreffen, ist iCffen: zwar der jedesmalige Besitzer die Rechte desselben, auf den Grund einer zu ver­ muthenden Vollmacht, wahrzunehmen befugt unb toulbig45); §. 118. Er muß aber im Fortgänge des Prozesses die nächsten Anwärter, nach obiger Bestimmung (§. 87. sqq.) zuziehen, oder Vollmacht von selbigen bei­ bringen 4Ö). §. 119. Was in einem solchergestalt geführten Prozesse entschieden, oder mit Beitritt der Anwärter durch Vergleich festgesetzt worden4'), daran ist die ganze Familie, und jeder künftige Fideicommißbesitzer aus selbiger gebunden48 46).49 47 §. 120. Alle Prozeß- und andere Gerichts-Kosten ist der Fideicommißbesitzer aus ") den Einkünften ru tragen verpflichtet. §. 121. Ist aber der Besitzer, wider seinen Willen, auf Verlangen der An46) Schuldig, d. h. er muß die Prozeßkosten tragen, ohne an die Familienglieder Ersatz­ ansprüche machen zu können. (§§. 15, 120 und 140.) 46) Für die Grenzregulirungen, Gemeinheitstheilungen, Reallastenablösungen und Regulirungen der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse enthalten die betreffenden Gesetze besondere Vorschriften über dre Vertretung des Lehns- und Fideikommiß berechtigten, vergl. Erk. des O.Tr. II v. 21. Jan. 1862, Entsch. 48 S. 249. Wegen unterbliebener Zuziehung dieser Anwärter kann der Kläger, welcher in seinem Interesse die Substanz und die Fideikommißgemeinschast des Gegenstandes angreift, nicht aus Mangel der Passivlegitimation zur Sache abgewiesen werden. Welche Wirkung und Folge ein bloß mit dem Besitzer des streitigen Fideikommisses verbandelter Prozeß für die nicht zugezogenen An­ wärter oder künftigen Nachfolger hat, kommt dabei nicht in Betracht. Err. des O.Tr. III v. 20. April 1849, Str. Arch. 2 S. 79. — Der Fideikomnnßbesitzer ist zur Anstellung einer Klage über die Substanz des Fideikommisses auch ohne Zuziehung der beiden nächsten Anwärter legitimirt. Der Richter ist daher nicht befugt, die Zuziehung dieser Anwärter von Amtswegen anzuordnen. Erk. defl. Sen. v. 3. Juli 1867, Str. Arch. 26 S. 75. 47) Vorausgesetzt, daß der Vergleich sich auf den streitigen Gegenstand beschränkt. WaS bei Gelegenheit desselben nebenher in der Vergleichshandlung verabredet und festgesetzt wird, ist zum Nachtheile der nicht zugezogenen Anwärter Nicht bindend. Die Transigenten selbst können das Abkommen aus dem Rechte derselben natürlich nicht anfechten. 48) Selbst wenn die Substanz des ganzen Familienfideikommisses in Frage sein sollte: denn die Prozeßführung ist keine Veräußerung. Die öffentliche Bekanntmachung einer Auseinandersetzung erübrigt die besondere Benachrichtigung der entfernteren Theilnehmer, welche bei der Auseinandersetzung zuzuziehen sind, und ein im Hypothekenbuche eingetragener Fideikommißanwarter, welcher sich auf die öffentliche Bekanntmachung nicht, vielmehr erst auf die zum Ueberflusse an ihn erlassene besondere Benachrichtigung gemeldet hat, muß die Auseinandersetzung in der Lage, wie sie bis zu seiner Meldung vorgerückt war, gegen sich gelten lassen. Vergl. zu §. 9 der Gemeinh.Theil.Ordn. (zu I. 17 §. 311). 49) Richt aus den Einkünften, sondern wegen der Einkünfte. Denn der Einwand, daß die Einkünfte bereits erschöpft seien, steht dem Fideikommißbesitzer doch gewiß nicht zu. Vergl. §. 117 und Anm. 46.

Von Familienfideikommissen.

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Wärter, einen Prozeß fortzusetzen genöthigt worden, und geht derselbe demnächst ver­ loren: so fallen diejenigen Kosten, welche seit dem Zeitpunkte, wo der Besitzer sich hat vergleichen oder dem Prozesse entsagen wollen, aufgelaufen sind, den Anwärtern, auf deren Andringen die Sache hat fortgesetzt werden muffen, allein zur Soft *•). §. 122. Einzelne Rechte des Fideicommisses, oder auf dasselbe, können ourch wegen der dreißigjährige Präscription erlöschen, oder gegen das Fideicommiß erworben ecri6^run8werden 50 51).52 53 54 §. 123. Die Eigenschaft des Fideicommisses selbst aber kann durch keine Ver­ jährung verloren gehen 6*). §. 124. Wenn also das Successionsrecht eines zum Fideicommiffe mitberufenen Anwärters durch Verjährung erloschen ist, so steht diese Verjährung ihm und seinen Abkömmlingen, in Ansehung aller übrigen zum Fideicommiffe berechtigten Personen, nicht aber tn Ansehung eines Fremden 63J, entgegen. §. 125. Wenn daher alle übrigen zum Fideicommiffe berufenen Personen ab­ gegangen sind, so kann der durch Verjährung Ausgeschlossene auf den Besitz desselben wiederum Anspruch machen. §. 126. Bei Geldfideicommissen M) schränkt sich das Recht des Besitzers der «o» GeldRegel nach bloß auf die Erhebung und den Genuß der Zinsen ein. fideicomm s50) Das bezieht sich nämlich auf das Verhältniß des Besitzers zu den Anwärtern, nicht auf das der Prozeßparteien zu einander. Der obsiegende Gegner der Fideikommißintereffenten kann sich nach den Grundsätzen der Prozeßordnung über Kostenerstattung an alle feine Gegner halten, ohne daß Einer von diesen ihn an den Andern verweisen darf. 61) Die hier zugelassene Verjährung kann gegen das Fideikommiß, als solches, nur in so weit von Wirksamkeit sein, als sie in einer Weise begonnen hat, wodurch sämmtliche Fideikommißintereflenten gebunden sind. Pr. 2704 des O.Tr. II v. 19. Mai 1869, Gntsch. 41 S. 947; Str. Arch. 33 S. 223. (H. So auch R.G. II H. v. 8. April 1880, Gruchot 24 S. 882.) Der Rechtssatz ist aus der Analogie der Grundsätze vom Rießbrauche (I. 21 §8. 90, 91, 93) völlig gerechtfertigt. Das im Arch. a. a. O in der Rote** vom Herausgeber erhobene Bedenken ist mcht motivirt und dürfte sich schwerlich juristisch begründen lassen. Diesem RechtSgrundsatze steht auch der Pl.Besch. (Pr. 2733) v. 5. Ott. 1866: „Die Verjährung kann gegen den Pfarrer zum Nachtheil der Pfarre sowohl angefangen als fortgesetzt werden" (s. zu 1. 21 §. 91) nicht entgegen, — sagt das O.Tr. II in dem Erk. v. 13. Ott. 1864, Entsch. 63 S. 184; Str. Arch. 64 S. 314. Die Ersitzung einer Grundgerechtiakeit kann gegen ein Fideikommiß an fang en, wenn dem Ersitzenden die Fideikommiß-Eigenschast des dienenden Grundstücks nicht bekannt und solche auch in dem Hypothekenbuche nicht vermertt war. Erk. deff. Sen. v. 19. April 1864, Entsch. 61 S. 278. H. Wenn der Besitzer eines Grundstücks, gegen welches eine Grundaerechtmkeit aus dem Fundamente der erwerbenden Verjährung prätendirt wird, einwendet, daß die Ersitzung durch die Fideikommiß-Eigenschast des Grundstückes ausgeschlossen werde, so liegt ihm der Beweis ob, daß dem Grundstücke, welches dienstbar sein soll, die Eigenschaft eines FamilienfideikommißguteS beiwohnt, und daß diese Eigenschaft bereits bei Beginn der auf Erwerb durch Verjährung ge­ richteten Handlungen entweder im Hypothekenbuche vermertt oder dem Verjährenden bekannt war. — Nur wenn dies dargethan, hat der Prätendent den Nachweis au führen, daß die Ver­ jährung in einer sämmtliche Fideikommiß - Interessenten bindenden Weise begonnen habe, Erk. deff. Sen. v. 18. Nov. 1873, Str. Arch. 90 S. 296. (So auch R.G., s. das Abs. 1 eit. Er­ kenntniß.) Auf derselben Anschauung steht auch das Erk. des III. Sen. v. 15. Ott. 1869, Entsch. 62 S. 44. Bergt, auch zu §§. 122 ff. Rathmann bei Gruchot 14 S. 71. Vgl. übrigenauch I. 9 §. 617 Anm. 25 und §. 576 Anm. 24. 52) H. Vorausgesetzt, daß sie im Grundbuch eingetraaen ist, sonst ist der gutgläubige Erwerber auch ohne Ersitzung nicht verpflichtet, die Eigenschaft anzuerkennen. 53) Vorausgesetzt, daß die Fideikommiß-Eigenschast eingettagen oder dem Fremden be­ kannt ist. 54) Geldfideikommisse sind nach ihrer Natur verzinslich, eS bedarf mithin nicht der AuSLedinauna von Zinsen bei Errichtung eines Geldfideikommifses, um ein damit belastetes Grund­ stück für die landüblichen Zinsen für verpfändet zu erachten. Pr. 1227 deS O.Tr. III v. 2. Dez.

1842, Entsch. 8 S. 337.

486

Zweiter Theil.

Werter Titel.

§§. 127—145.

§. 127. Er ist nicht berechtigt, das Capital selbst eigenmächtig einzuziehen, au Andere abzutreten, zu verpfänden, oder sonst zu belasten. §. 128. Ereignet sich etwas, wodurch die Sicherheit des Capital- bedenklich wird, so muß er, mit Zuziehung der nächsten Anwärter **), nach obiger Bestimmung §. 87. sqq. für besten Einziehung und anderweitige Unterbringung sorgen. §. 129. Ein Gleiches muß geschehen, wenn der Schuldner das Capital auf­ zukündigen berechtigt ist, und wirklich aufkündigt. §. 130. In beiden Fällen muß, wenn die Stiftungs-Urkunde nicht da- Gegen­ theil verordnet, die anderweitige Belegung unter gerichtlicher Aufsicht erfolgen. §. 131. Der Schuldner eines Fideicommißcapitals, der diese Eigenschaft des­ selben weiß, oder zu wiffen schuldig ist M), kann dasselbe nur auf richterlichen Befehl, oder in das gerichtliche Depositum sicher bezahlen57). §. 132. Alle bei solcher Gelegenheit vorfallenden Kosten muß der zeitige Be­ sitzer des Fideicommiffes tragen; und die Substanz des letzteren kann dadurch nie­ mals geschmälert werden. §. 133. Sollen mit dem Fideicommiß-Capital andere Veränderungen **) vor­ genommen, oder Grundstücke patt des Capitals dazu gewidmet werden: so kann solches nur durch einen Familrenschluß geschehen6e).

Vierter Abschnitt. Bo« -er S»ceessi»«Sord«»»g i* Kamil ie»-Fideico»«isse*). BucceffUmfc §. 134. In beit bisher schon, unter ausdrücklicher oder stillschweigender Ges§^?Ahte-nehmigung des Staats errichteten Familien-Fideicornrmsien hat es bei der von dem

Stifter vorgeschriebenen Successionsordnung lediglich sein Bewendens. 66) Ein Familienschluß gehört dazu also nicht. Besch, des J.M. v. 10. Juni 1836 (Erg. ad h. §.). 56) Vermöge der Eintragung: diese wirkt eine Fiktion des Wissens. 67) Zu vergl. §. 112. Mangel der Legitimation ist der Depositionsgrund. H. Statt gerichtliche Depositum muß es jetzt heißen: „öffentliche Hinterlegungsstelle". 68) Andere Veränderung als neue Ausleihung auf Hypothek, deren Sicherheit zu prüfen dem Besitzer und den nächsten Anwärtern zusteht, nne z. B. Anlegung auf Aktienunternehmungen. 69) Wenn nicht der Fall in der Stiftunasurkunde vorgesehen ist. Geldsummen und For­ derungen sind kein geeigneter Gegenstand zu Familienfideikommissen, wegen der WandelbaÄeit der BerkehrSverhältniffe, welchen Geldforderungen unterworfen sind. 1) Eine gemeinrechtliche Successionsordnung in Familienfideikommiffe kann es nicht geben, da da- Institut selbst lediglich den Willensverordnungen anaehört, mithin gewissermaßen ein Gegensatz zur gesetzlichen Folgeordnung ist. Die Vers. des L.R. haben jedoch eine besondere gesetzliche Nachfolgeordnung vorgeschrieben, worüber Suarez in den Schlußvorträgen sagt: „Da die hier vorgeschriebene Succesfionsordnung nur in so «eit stattfindet, als der Stifter nickt anders diSvonirt hat; übrigens aber kein jus commune positivum über den ordinem succedenoi in den verschiedenen Arten der Fideikommiffe vorhanden ist, vielmehr die gegebenen Regeln nur auS dem Begriffe.und den. Schriften der Rechtslehrer, welche diese Materie bearbeitet haben, abstrahirt werden können, so wird es hierüber keiner weiteren Ausführung bedürfen. Nur be­ merke ich, daß 1) ad §. 140 die Stiftung von Senioraten für die Zukunft um deswillen unter­ sagt worden, weil, wenn dergleichen importante Landgüter, als Fideikommisse gewöhnlich sind, stets von einem durch Alter und Schwachheit entkräfteten und in Untüchtigkeil versetzten Besitzer auf den anderen gelangen, die Bewirthschastung und Verbesserung derselben zum Schaden deS Ganzen darunter leide; auch die öfteren Veränderungen der Besitzer der Oekonomie so wenig als den Unterthanen zuttäglich sind; 2) ad §. 141, daß die Verordnung auf den, in dem Promemoria sub J. (Anm. 1 zu Abschn. 1 d. T.) näher ausgeführten Gründen beruhe. Nach der Successionsordnung des Juris civilis müssen nämlich zu oft Theilungen und Bersplitterungen deS Fideikommiffes, oder Abfindungen aus demselben, womit die Substanz belastet wird, vor­ kommen, als daß es möglich sein sollte, ein dergleichen Fideikommiß lange bei der Familie zu behalten, und diese dadurch zu konserviren. Sollen aber einmal Fideikommiffe sein, so ist doch conservatio splendoris familiae die einzige vernünftige Absicht derselben."

Jahrb. 41 S. 1481

Successionsordnung in Familienfideikommisse.

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§. 135. Hat der Stifter verordnet, daß jedesmal der Aelteste aus der Familie »m coue» zur Succession gelangen solle, so heißt die Stiftung ein Seniorat. taM‘

§. 136. Aus Seniorate haben alle männlichen Nachkommen des Stifters An» spruch. §. 137. Es succedirt also bei dem Abgänge des jedesmaligen Besitzers, der Aelteste den Jahren nach3*),2 4 * ohne 6 Rücksicht auf die Linie oder den Grad der Ver­ wandtschaft. §. 138. Machen zwei Familienmitglieder, welche den Jahren nach die gleich ältesten sind, Anspmch; und der genaue Zeitpunkt ihrer Geburt kann nicht auSgemittelt werden: so muß das Loos unter ihnen entscheiden. §. 139. Ist die männliche Nachkommenschaft ganz erloschen, und der Stifter hat auf diesen Fall nichts Ausdrückliches verordnet: so wird das Fideicommiß ein freies Vermögen des letzten Besitzers"). §. 140. In Zukunft sollen Landgüter zu Senioraten nicht mehr gewidmet ggüffi!» werden 8). ubStte «e §. 141. Auch sollen Verordnungen, vermöge welcher ein Landgut sich in einer gUS?“ Familie nur nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge Verfällen würde, künftig nur als fideicommissarische Substitutionen gelten"). (Th. 1. Tit. 12. §. 63. aqq.) §. 142. Ein künftiger Fideicommißstifter muß also eine solche SuccessionsordnuNg bestimmen, nach welcher ein dazu gewidmetes einzelnes Landgut immer nur Einem aus der Familie zu Theil werde. §. 143. Besteht das Fideicommiß aus mehrerm abgesonderten Landgütern: so kann zwar der Stifter eine Theilung derselben unter mehreren Linien, sowohl von Anfang an, als bei künftig vorkommenden SuccessionSfällen anordnen. §. 144. Doch ist dergleichen Anordnung nur in so fern zu Recht beständig, als jeder solcher Antheil, für sich allein, seinem künftigen Besitzer wenigstens de» §. 50.7) sqq. bestimmten reinen gesetzmäßigen Ertrag gewähren kann. §. 145. Verordnet der Stifter, daß zwar der nächste auS der Familie, bcm»m«a|ota. Grade nach, zur Succession gelangen, unter mehreren gleich nahen aber der ältere, den Jahren nach, die jüngeren ausschließen solle: so heißt die Stiftung ein Majorat.

H. Erk. des O.Tr. v. 21/28. Juni 1872, Str. Arch. 90 ©. 4: Die Anordnung einer bestimmten Successionsordnung ist kein wesentliches Erforderniß einer Fideikominißstiftung, weil sie sich aus der Hausverfaflung, eventuell aus dem gemeinen Recht ergänzen läßt. Dies harmonirt nicht ganz mit der anfangs der Anm. aufgestellten Koch'schen Ansicht, daß es eine gemeinrechtliche Successionsordnung nicht gebe, ist aber richtig, denn mangels einer Festsetzung dersellben wird der richtigen Meinung nach gemäß der civilrechtlichen Jntestaterbfolge succedirt, s. Lewis, das Recht des Familienfiveikommiffes, S. 366 ff. Daher ist das Fideikommiß nicht nichtig errichtet, wenn es an einer bestimmten Erbfolge fehlt, so Förster preuß. Pr.R. 3 S. 711 (s. auch noch 4. Ausl. v. Eccius S. 273). Gegen ihn auch Dernburg 3. Ausl. 1 S. 928. 2) In Beziehung auf diese gilt auch noch die Entsch. der Ges.Komm. v. 23. Okt. 1787, lautemd: .Bei Familienfideikommissen, in welchen der Testator eS stillschweigend bei der grmeinten gesetzlichen Erbfolgeordnung (dem ordine succedendi Juris communis) belassen, gelangt der Mr Fideikommißfolge qualifizrrte nächste Erbe des letzten Besitzers, nicht aber derjenige m der FamUie, welcher dem Testator dem Grade nach der Nächste (gradu proximus) ist, zur Succession.' (Rabe 1 Abth. 7 S. 694.) 3) Ueber die Berechnungsart des Alters bei unehelich geborenen aber legitimirten Famil iengsiieoern s. Anm. 14 zu II. 2 §. 598.

4) Nach dem Gemeinen deutschen Rechte streitet hinsichtlich der Succession in bürgerliche Famiilienfideikommisse die Vermuthung gegen die Ausschließung deS WeibersiammeS durch den Manmsstamm. Erk. des O.Tr. I v. 26. Juni 1864, Str. Arch. 14 S. 67. S. auch §. 189 d. T. 6) Aus dem von Suarez in der Anm. 1 angegebenen Grunde. 6) Die Gründe s. m. in der Anm- 1 zu diesem Abschnitte. 7) Der §. 51 ist gemeint.

Zweiter Theil. Siedet Titel. §§. 146—172.

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e* Äbu». §. 146. Ist die Succession zwar ebenfalls nach der Nähe des Grades, jedoch “**"■ dergestalt angeordnet, daß unter mehreren gleich nahen der jüngere den älteren

ausschließt: so wird ein solches Fideicommiß em Minorat genannt. §. 147. Primogenituren heißen solche Fideicommisse, wo die Succession nach Linien mit dem Rechte der Erstgeburt angeordnet ist. §. 148. Bei der Succession in Majorate und Minorate finden die bei den Scnioruten §. 135—139. vorgeschriebenen Regeln ebenfalls Anwendung. eie fingeren Linien immer von den älteren ausgeschlossen werden. §. 166. Hat aber der Stifter zwei oder mehrere Fideicommisse, eines für die «««,»», erstgeborene, und die anderen zum Besten der nachgcborenen Linien errichtet: so ge« mei£cnffl>< langm die Descendenten des Stifters aus der ersten Linie in dem zweiten Fidei» comnifse niemals zur Succession, so lange noch ein anderer von dem Stifter ") entsprossener Mannsstamm vorhanden ist. §. 167. Geht die zweite männliche Linie aus; oder gelangt dieselbe, durch Erlöschung der älteren, zur Succession in dem ersten Fideicommisie: so verfällt das zwei» an die von dem dritten Sohne des Stifters abstammende Linie. §. 168. Nach gleichen Grundsätzen geht die Succession auf die vierte und folgmden von dem Stifter entsprosienen Linien, in so fern dergleichen noch vorHanden sind. §. 169. Sind zuletzt alle von dem Stifter herstammenden männlichen Linien bis luf Eine erloschen: so kommen zwar in dieser beide Fideicommisie zusammen; §. 170. Sind aber in dieser Linie nock zwei oder mehrere Nebenäste vor­ handen: so fällt das zweite Fideicommiß an denjenigen Ast, welcher nicht im Be­ sitze des ersten, jedoch zur Succession in selbiges, nach den Grundsätzen der Prmogenitur, am nächsten ist. §. 171. Dasjenige Mitglied dieses Nebenastes gelangt zur Succession, welches sich unter den übrigen der Erstgeburt, im Verhältniß gegen den Stifter, am nächsten zieht. §. 172. Sind in der noch übrigen Linie keine weitere Abkömmlinge des Stifters mehr vorhanden, als der Besitzer des ersten Fideicommisies, und desien Descendenz, so erhält dieser beide Fideicommisie.

9) Dies« müssen ja nothwendig einer anderen Familie als der des Stifters angeh-ren und können selbstverständlich nicht an dem Fideikommisse der Familie desselben Theil nehmen. 10) Für diesen Fall ist die von Suarez vorgeschlagene Regel angenommen und in den §§. 166—176 durchgesührt: »Wenn in einer Familie mehrere Fideikommisse vorhanden find, so gilt, wenn aus der Stiftungsurkunde nichts anderes deutlich erhellet, überhaupt die Regel, daß diese Fideikommisse, so lange noch mehrere Linien vorhanden sind, nie in Einer Linie, und in derselben Linie, so lange noch mehrere Personen vorhanden find, nie in Einer Person zusammen­ kommen dürfen. Wenn also di« tm Besitze des zweiten Fideikommisses befindlich gewesene Linie aussterbe, so gehe die Succession in dasselbe nicht auf diejenige Linie, in der sich das erste Fideikommiß befinde, sondern auf di« zunächst folgende Linie über." Dabei hat die Ansicht geleitet, daß a) sowohl der Stifter beabsichtigt habe, möglichst eine Bertheilung der der Familie gewidmeten Güter unter die verschiedenen Zweige derselben eintreten zu lassen, und oaß b) auch die Gesetzgebung verhüten müsse, daß eine zu große Bermögensmasse, die abgetheilt mehr Nutzen stifte, m Einer Person und in Einem Hause zusammenkomme. (Ges.Rev. Pens. 16 S. 148.) 11) Der Plural ist ein Fehler, denn es wird in den §§. 166—173 eben der Fall behandelt, daß alle Stiftungen von ebenderselben Person auSgehen.

0

§. 173. Sie bleiben alsdann so lange bei einander, bis wiederum zwei oder mehrere Linien entstehen. §. 174. Geschieht dieses: so bleibt das erste Fideicommiß bei der erstgeborenen Linie, und das zweite verfällt auf die nächste nach ihr. §. 175. Nach eben diesen Grundsätzen ist die Succesfionsordnung zu be­ stimmen, wenn in einer Familie drei oder mehrere von eben demselben Stifter her­ rührende Fideikommisse vorhanden sind. §. 176. Hat der Stifter jeder") von ihm abstammenden Linie ein Fideicommiß hinterlassen: so gelangt, wenn eine dieser Linien erlischt, das für sie gestiftete Fideicommiß an die erstgeborene, oder, wenn auch diese schon erloschen ist, an diejenige Linie, die sich nach ihr der Erstgeburt am nächsten zieht. §. 177. Besteht diese Linie aus mehreren Nebenästen, so finden auch alsdann die Vorschriften §. 170. 171. Anwendung. §. 178. In allen Fällen, da ein Mitglied der Familie ein nach der Successions­ ordnung auf ihn verfälltes Fideicommiß bloß um deswillen nicht erlangen kann, weil er sich schon im Besitze eines anderen befindet, hat derselbe die Wahl: ob er das neu auf ihn verfällte Fideicommiß übernehmen, und dagegen das bisher besesiene abgeben wolle. benetTertf §• 179- Hat für eine schon mit einem Fideicommiß versehene Familie eine tern find"), andere, von dem elften Stifter verschiedene, Person ein besonderes Fideicommiß errichtet: so wird bei der Successionsordnung in dieses auf den ersten Stifter, und das Verhältniß der Personen und Linien gegen denselben, gar keine Rücksicht genommen. §. 180. Sind also die von dem zweiten Stifter zur Succession berufenen Linien erloschen; und es soll, seiner Verordnung zufolge, das Fideicommiß dennoch bei der Familie bleiben: so kommt in dasielbe dasjenige Familienmitglied zur Succession, welches dem letzten Besitzer aus den von dem zweiten Stifter berufenen Linien dem Grade nach am nächsten ist. §. 181. Dabei macht es keinen Unterschied, wenn auch das hiernach zur Suc­ cession in das zweite Fideicommiß gelangende Familienmitglied sich schon im Besitze des von dem ersten Stifter herrührenden Fideicommisses befindet. §. 182. Hat aber der zweite Stifter ausdrücklich erklärt, daß das von ihm errichtete mit dem von dem ersten Stifter herrührenden Fideicommisse niemals zuämmenkommen solle; so ist doch dergleichen Erklärung im zweifelhaften Falle nur o zu deuten, daß die Bereinigung beider Fideicommisse nicht in Einer Person gechehen solle. §. 183. Es kommt daher alsdann, wenn der Nächste dem Grade nach im Besitze des ersten Fideicommisses ist, der Nächste nach ihm zur Succession in das zweite. §. 184. Sind bei dem Abgänge der von dem zweiten Stifter berufenen Linien zwei oder mehrere gleich nahe successionsfähige Verwandte des letzten Be12) In den §§. 166—175 ist der Fall vorausgesetzt, daß 8er nämliche Stifter zwar mehrere Fideikommisse, aber doch nicht so viel, wie Linien von ihm ausgehen, gestiftet hat. Hier, in den §§. 176—178 hingegen ist von dem zweiten Falle Rede; es wird das Prinzip der Primogenitur streng durchgeführt/

13) Dieser Fall war in dem gedruckte^ Entwurf noch nicht vorbedacht. Erst bei dem Bortrage der rev. mon. fiel man darauf, und man bestimmte ad marginem: „Wenn die mehreren Fideikommisse nicht von Einem Fundator sind und die eine Linie ausstirbt, so kommt es an den gradu proximum des letzten Besitzers. Hat der Fundator hinsichts dieses ausgegangenen Fidei­ kommisses disponirt, daß es mit dem anderen nicht Zusammenkommen solle, so versteht sich das: picht in Einer Person." Hieraus sind die §§. 179—187 entstanden. (Ges Rev. ksns. 16 S. 148.)

Succesfionsordnung in Familienfideikommisse.

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sitzers vorhanden; so hängt es von diesem ab: welchem unter ihnen er das zweite Fideicommiß bescheiden wolle. §. 185. Hat er sich darüber nicht erklärt, so muß unter diesen mehreren gleich nahen successionsfähigen Anwärtern das Loos entscheiden"). §. 186. Ist in dem Falle des §. 181.14 15)16nur 17 noch 18 Ein Mitglied der von dem zweiten Stifter berufenen Familie vorhanden: so erlangt zwar derselbe, wenn der Stifter auf diesen Fall nicht ausdrücklich verordnet hat, den Besitz beider Fideicommisie. §. 187. Sobald aber von ihm mehrere successionsfähige Familienmitglieder entspringen, so müssen die Fideicommisse unter selbige nach den obigen Regeln §. 172. 173.") wiederum getheilt werden. §. 188. Wenn zwei oder mehrere von Anfang an abgesonderte Fideicommiffe, in der Folge der Succession, auf Eine Person zusammenfallen, so macht ein den gesetzmäßigen Satz §. 56. übersteigender Ertrag dabei kein Hinderniß. §. 189. Wenn die gesammte männliche Descendenz eines FideicommißstisterS AW«, erlischt; und derselbe zum Besten seiner weiblichen Nachkommen nichts verordnet hat **): so wird das Fideicommiß in den Händen des letzten männlichen Descendenten freies eigenthümliches Vermögen "). 14) Bei mehreren gleich Nahen in derselben Linie sollte, nach dem Prinzip des LR. (§. 170), die Erstgeburt den Vorzug geben; es erhellet nicht, warum hier von dem Grundsätze abgewichen zu sein scheint. Doch kann man die Vorschrift auch von dem Falle verstehen, wenn der genaue Zeitpunkt der Geburt nicht ausgemittelt werden kann. (§. 138.)

15) Statt 181 muß es „180* heißen.

R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 60 S. 476.

16) Statt 172 und 173 ist „170 und 171* zu lesen. (Ebd.) 17) Wenn die Nachkommen überhaupt substituirt sind, so find es auch die weiblichen Nach­ kommen. — Jemand hatte seinen Nachlaß, nach Abzug des Pflichttheils seiner Kinder und eines Vermächtnisses für seine Wittwe, zu einem beständigen Familienfideikommisse gewidmet und darüber für 'den Fall des Abganges seiner Descendenz zu wohlthätigen Zwecken verfügt. Nach Abgang der Kinder ersten Grades entstanden Ansprüche des FiSkuS, welcher meinte, daß die entfernteren Abkömmlinge nicht fideikommiflarifch substituirt seien. Das O.Tr. legte aber die Anordnung dahin aus, daß der Testator nicht bloß seinen Kindern ersten GradeS, sondern auch seinen Enkeln und weiteren Nachkommen fideikommiflarifch habe substituiren wollen, daß daher durch den Ausfall näherer Anwärter die Rechte der entfernteren nicht aufgehoben würden und erst bei dem Aussterben der einzelnen Stämme der Descendenten (Linien) die erledigten Fideikommißantheile dem Fiskus, behufs Verwendung der Revenüen zu wohlthätigen Zwecken, nach der Absicht des Testators, zugesprochen werden müßten. Erk. v. 13. April 1839, Centralbl. 1840 S. 488. Auch diese Auslegung ist noch zu eng. Wenn der Stifter alle seine Nachkommen substituirt har, so können nicht schon die Antheile der einzelnen aussterbenden Stämme zu dem allerletzten Zwecke genommen werden, vielmehr kommt diese alleräußerste Anordnung ctft nach dem AuSsterben der ganzen Familie, d. h. aller Linien, welche von dem Fundator auSgehen, zur Vollziehung. Die Abkömmlinge stehen dem Fundator näher, als das gemeine Wesen; und da seine Anordnung Geltung haben soll, so kann seine Familie auch in den allerentferntesten Graden nicht zurückgesetzt werden; die fideikommiffarische Substitutton der Abkömmlinge ist eine wechselseittge.

18) Das L.R. macht bei der Succession keinen Unterschied zwischen adelichen und bürger­ lichen Fideikommissen. Das Gemeine deutsche Recht aber, so nimmt man an, kennt bei oer Succession in bürgerliche Familienfideikommisse keine Präsumtion für ein Vorzugsrecht des MannSstammes vor dem Weiberstamme. Erk. des O.Tr. I v. 26. Juni 1864, Entsch. 28 S. 342. Der innere Grund soll sein, weil nach Wilda „nicht wohl Erhaltung deS Glanzes der Familie in dem Sinne, den man damit bei dem Adel verbindet, als zu vermuthender Hauptzweck unter­ stellt, und bei der Erklärung der Sttstungsurkunde zu Grunde gelegt werden kann; denn eS würde darin ein Heraustreten aus dem Kreise der Lebenseinrichtungen und selbst der sittlichen Ansichten liegen, wie sie beim Bürgerstand zu herrschen pflegen." Zeitschr. für d. R. 12 (1848) S. 192. Einbildung. Auf Leute bürgerlichen Namens, welche beständige Familienfideikonnniffe in Landgütern errichten können, paßt diese spießbürgerliche Vorstellung ganz und gar nicht; solche Leute denken an den Glanz ihrer Familien und die Erhaltung ihres RamenS ebenso gut

§. 190. Hat aber der Stifter auch die »vcibliche Descendenz zum Fideicommisse berufen, und für dieselbe eine Succesfions-Ordnung bestimmt, so muß dieselbe genau beobachtet werden. §. 191. Hat er keine dergleichen Successions-Ordnung bestimmt, so gelangen, nach dem Tode des letzten ") männlichen Descendenten, die erstgeborene Tochter des­ selben'"), und deren männliche Abkömmlinge, zur Succession. §. 192. Wenn also die älteste Tochter des letzten Besitzers vor oder nach dem Vater mit Tode abgeht, so fällt das Fideicommiß auf ihre Söhne, und deren männliche Descendenten, überall nach der Regel der Erstgeburt. §. 193. Hat sie weder Söhne, noch Enkel von Söhnen, so kommen die Enkel ihrer Töchter, nach der Ordnung der Erstgeburt, zur Succession. §. 194. Ist bei dem Ableben des letzten männlichen Descendenten von dem Stifter, desien älteste Tochter noch am Leben: so gelangt sie zum Besitze des Fideicommisses; auch wenn sie alsdann noch keine successtonsfähige männliche Nachkommen hätte. §. 195. Stirbt sie aber ohne dergleichen Nachkommen zu hinterlasien, so geht die Succession auf die zweite Tochter des letzten Besitzers, und deren männ­ liche Descendenten, nach eben den Regeln über. §. 196. Ein Gleiches findet statt, wenn die älteste Tochter des letzten Be­ sitzers vor dem Vater verstorben ist, und auch bei seinem Ableben noch keine successionsfähige männliche Nachkommen von dieser älteren Tochter vorhanden sind. §. 197. Nach eben den Grundsätzen bestimmt sich das Successionsrecht der dritten und mehrerer folgender Töchter des letzten Besitzers, und ihrer männlichen Descendenten. §. 198. Ist nach diesen Grundsätzen ein durch Weiber von dem ersten Stifter abstammender männlicher Descendent einmal zum Besitze des Fideikommisses gelangt: so fängt mit ihm eine neue Successions-Ordnung an; und nach dem Verhältnisse gegen ihn richtet sich die Fideicommißfolge unter seiner Nachkommenschaft. §. 199. Sind bei dem Ableben des letzten, von dem ersten Stifter herstammenden, männlichen Abkömmlings keine Töchter und keine zur Succession fähige Descendenten derselben vorhanden; oder sterben seine hinterlassenen Töchter insgesammt ohne dergleichen successionsfähige Nachkommenschaft: so geht das Fideicommiß auf die anderen von dem ersten Stister^durch Weiber abstammenden männlichen21 * *) *Descen * * 19 ­20 denten über. und mit gleicher Berechtigung, wie Personen, welche ihren Namen mit „von" anfangen. (H. S. auch LewrS a. a. O. S. 340 ff.) Daß nach neuem Recht ein Familienfideikommiß auch durch Einverständniß der lebenden Interessenten aufgehoben werden kann, ist schon (Anm. 27 zu H. 39) gesagt. Gemeinrechtlich ist das Prinzip streitig. (H. Lewis a. a. O. S. 464 ff.)

19) Muß „letzten" heißen.

20) Also nicht die männlichen Descendenten von der Tochter des Stifters. Dadurch ist die sog. Regredienterbschast ausgeschlossen. Suarez rechtfertigt dies in einer Anm. zum §. 94 d. T. des gedruckten Entwurfs Th. I Abth. 1 S. 275 und sagt: „Es könnte zweifelhaft schemen, ob die männlichen Descendenten von der Tochter des Stifters oder di« von der Tochter des letzten Besitzers vorzüglich zum Fideikommisse gerufen werden sollen. Allein bei Privatsuccessionen, wovon hier nur die Rede, und wo es äußerst selten ist, die Abstammung von dem Stifter ver­ mittelst einer Person weiblichen Geschlechts, durch einen Zwischenraum, vielleicht von mehreren Jahrhunderten, zuverlässig ausforschen und endlich nachweisen zu können, muß die Sorgfalt für Verhütung weitläufiger und inextrikabler Prozesse, das Gesetz bestimmen, den Descendenten von der Tochter des letzten Besitzers den Borzug zu geben."

21) Männlichen. Wie es zu halten, wenn diese fehlen, ist nicht bestimmt. Da für diesen Fall kein Fideikommißnachfolger berufen ist, so muß das Fideikommiß in den Händen des letzten Besitzers freies Eigenthum und folglich ein Bestandtheil seiner Berlaffenschast werden.

Successionsordnung in Familienfideikommisse.

Absonderung des Fideikommisses vom Erbe.

493

§. 200.. Dabei wird wiederum auf die Ordnung der Erstgeburt, im Verhältniß gegen den ersten Stifter oder Erwerber, Rücksicht genommen. §. 201. Es schließt also z. B. die Linie der älteren Töchter des ersten Stifters alle jüngeren Linien, und in dieser älteren Linie der sich am nächsten zur Primogenitur ziehende Nebenast alle übrigen aus. §. 202. Wenn aber, nach dieser Regel, ein durch Weiber von dem ersten Stifter entsprosiener männlicher Descendent einmal zum Besitze des FideicommiffeS gelangt ist, so findet wegen der durch ihn entstehenden neuen Successions-Ordnung die Borschrist des §. 198. ebenfalls Anwendung. §. 203. Bei jedem Anfalle eines Fideicommisses wird, so fern nicht im Bor- «[gemeine stehenden etwas Besonderes ausdrücklich verordnet ist, nach dem Zeitpunkte, wo bttgenföstJS* letzte Besitzer gestorben ist22), bestimmt: wer unter den alsdann vorhandenen Mitgliedern zur Succession der Nächste sei. §. 204. Wenn also auch in einem Minorate derjenige, welcher bei dem Ab­ leben des letzten Besitzers der Jüngste war, das Fideicommiß einmal erhalten hat; und in der Folge ein noch Jüngerer geboren wird, so kann doch dieser Letztere die bereits erworbenen Gerechtsame des nunmehrigen Besitzers nicht weiter anfechten. §. 205. Doch werden in der ganzen Fideicommiß - Succession diejenigen, welche innerhalb des dreihundert und zweiten Tages nach dem Ableben des letzten Besitzers zur Welt kommen, dafür, daß sie in dem Zeitpunkte der eröffneten Suc­ cession schon vorhanden gewesen, angesehen23).

Fünfter Abschnitt. Bo« der A«Seiua«dersetzu»g zwischen de« Fideicom«ißfolger »«d de» Erde« deS letzte» Besitzers.

§. 206. Das nutzbare Eigenthum des Fideicommisses geht in dem Augenblicke, da der bisherige Besitzer verstirbt, auf den Nachfolger über *). §. 207. Diesem müssen die Erben des letzten Besitzers das Fideicommiß so ausantworten, wie dasselbe von dem Güster2*)1auf ihren Erblasser gediehen ist. 22) Ist keine Anwendung des civilrechtlichen Grundsatzes deS L.R. (Anm. 28 zu II. 3 §. 48), vielmehr ein davon abweichendes Nützlichkeitsprinziv, weil das Zurückgehen auf die Zeit des Todes des eigentlichen Erblasiers (Stifters) bei alten Fideikommissen große Schwierigkeiten verursachen würde. H. R.G. IV v. 22. Dez. 1879, Gruchot 24 S. 1040: Ein Verzicht auf das Suceesfionsrecht steht den nachgeborenen successionsfähigen Kindern des Belichtenden nicht entgegen. 23) Bei Erledigung eines Minorats muß daher diese Zeit nach des Erblasiers Tode ab­ gewartet werden, ehe der in dem Zeitpunkte des Todes bereits lebende Jüngste zur Nachfolge gelaffen wird. Das Fideikommiß ist unterdeß durch einen Kurator des unbekannten Nachfolgers zu verwalten. 1) Nothwendig, sonst würde die Sache bis zur Besitznehmung herrenlos sein, da sie für die Erben des letzten Besitzers eine fremde, nicht zur Erbschaft gehörige Sache ist, folglich von ihnen eine Uebergabe im juristischen Sinne nicht geleistet werden kann. Bei einem Minorate geht das Eigenthum auf den bereits vorhandenen Jüngsten sofort sowohl als auf den bereits Empfangenen (nasciturus, §. 205) unter entgegengesetzten Bedingungen über: auf den bereits Lebenden unter der Bedingung nämlich, wenn innerhalb der gesetzlichen Zeit (§. 206) kein Jüngerer lebendig geboren wird, und an den nasciturus unter der Bedingung, wenn er lebendig geboren wird. Das Fideikommiß ist solchergestalt keinen Augenblick ohne Eigenthümer im Sinne des §. 206. H. Insbesondere ist der Eigenthumsübergang unabhängig von der Eintragung des Folgers im Grundbuch, R.G. IV v. 28. Febr. 1881, Entsch. 4 S. 249. H. Die auf einem Fideikommißaute hastenden Revenüen-Hvpotheken sind auf Antrag zu löschen, sobald der Nachweis geführt ist, daß der Fideikommißbesttzer, dessen nutzbares Eigen­ thum damit belastet ist, nicht mehr lebt, ohne daß es der Beibringung von Löschungsbewilligungen und der über die zu löschenden Posten ausgefertigten Hypotheken-Urkunden bedarf, Johow, Iahrb. d. App. Ger. 7 S. 279. Vgl. §. 213 d. T. 2) Stifter, nicht Borbesitzer. Gegen diesen Satz (gedr. Entw. §. 110) hatte man erinnert.

494

Zweiter Theil.

Bierter Titel.

§§. 908—296.

8 208. Besteht das Fideicommiß in liegenden Gründen, so muß daS bei Errichtung desselben aufyenommene Inventarium (§. 71.) vollständig gewährt werden. §. 209. Wegen eines dabei sich ereignenden Mangels oder UeberflusieS gilt Alles, waS wegen der LehnS-Jnventarien verordnet ist. (Th. 1. Tit. 18. §.511. sqq.) §. 210. Es versteht sich von selbst, daß die bei Lehnen wegen Zuziehung und Mitwirkung des Lehnsherrn ertheilten Borschristen ber Fideicommisien keine An­ wendung finden. §. 211. Wegen der bei der Substanz des Fideicommifies sich selbst ereignenden Berbesierungen, oder Verringerungen, finden eben die Vorschriften Anwendung, welche für die Auseinanderfetzung zwischen dem Lehnsfolger und Allodialerben er­ theilt worden"). (Th. 1. Tit. 18. §. 527. sqq.) §. 212. Wegen der Nutzungen des letzten Jahres, ingleichen wegen der noch vorhandenen Früchte, und der noch rückständigen Lasten früherer Jahre, geschieht die Auseinandersetzung zwischen dem Fideicommißfolger, und den Erben des letzten Besitzers, nach den bei der Lehre vom Nießbrauch« ertheilten Vorschriften. (Th. 1. Tit. 21. §. 143. sqq.) §. 213. An Schulden darf der Fideicommißfolger nur diejenigen übernehmen, welche nach Vorschrift §. 104. aus der Substanz, oder nach Vorschrift §. 81. sqq. aus den Einkünften des Fideikommisses zu bezahlen sind. §. 214. Diese letzteren muß er auch alsdann übernehmen, wenn er damals, als das Darlehn gemacht worden, unter die nächsten Anwärter nicht gehört hat, und daher seine Einwilligung nicht erfordert worden. §. 215. Doch ist er nur zur Entrichtung derjenigen Termine verbunden, welche nach den gleich von Anfang festgesetzten Bestimmungen (§. 96.) auf die Jahre seiner Besitzzcit treffen. §. 216. Hat der Gläubiger, wegen der früheren Termine, auf feine Gefahr Nachsicht gegeben (§. 103.), so kann er sich dieserhalb nur an den übrigen Nachlaß halten4* ).* 3 daß der Allodialerbe das Fideikommiß dem Nachfolger nur so, wie der Erblasser es von seinem Borgänger überkommen habe, gewähren könne; denn es fehlte noch die Bestimmung des §. 84

d. T. in ihrer gegenwärtigen Faffung, weshalb es mit der Unmöglichkeit, ein vollständiges In­ ventarium zu gewähren, gerechtfertigt wurde, wenn der Besitzer selbst ein unvollständiges In­ ventarium erhalten habe, der Allodialnachlaß des Vorgängers unzureichend sei und er selbst daS Fideikommiß nicht lange genug besessen habe, um das Fehlende aus den Früchten anzuschaffen. Hierauf erwiderte Suarez in der rev. mon.: „Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen, wird frstzusetzen sein, daß jeder Fideikommißfolger, der von seinem Anteceffor nicht das komplete Inventar, noch Aus dessen Allodialnachlaffe das Fehlende erhalten kann, schuldig sei, solches den nächsten Verwandten anzuzeigen, damit mit deren Zuziehung gerichtlich festgesetzt werden könne, in welcher Zeit der Fideikommißbefitzer das Fehlende ex fructibus zu redintegriren, oder wie fern er dazu ein Darlehn aufzunehmen berechtigt sei, und daß, wenn ein Fideikommistfolger diese gerichtliche Regulirung zu bewirken unterlassen habe, seine Allodialerben sich mit dem Einwande, daß ihr et Masset das Inventar nicht vollständig von seinen Vorfahren überkommen, nicht schützen können." Man verwies deshalb im §. 209, auf die betreffende Stelle des Lehn­ rechts (§§. 520 ff.). Uebrigens versteht es sich von selbst, daß diese Vorschriften nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Stiftungsurkunde für den Fragefall keine Bestimmung enthält. (Ges.Rev. Pens. 16 S. 158.) 3) Findet sich in der Familienstiftung angeordnet, daß auch künftiger Erwerb des Fideikommißbesttzers dem Fideikommisse zuwachsen solle, so versteht sich dies doch nur, nisi acquirens aliter disposuit, und es ist im Zweifel nicht so zu deuten, daß Alles, was von den Nachkommen für die Zukunft erworben wird, für ein naturelles Fideikommiß zu halten ist. Hiernach bedürfte eine Bestimmung, daß die nachfolgenden Besitzer über ihren neuen Erwerb nicht sollten dispo»iren können, sondern ihn nothwendig dem Fideikommisse zuwachsen laffen müßten, als eine

durchaus exorbitante, des strengsten Beweises. Erk. des O.Tr. 1 v. 16. Okt. 1865, Str. Arch. 64 S. 13. 4) Damit ist der Verpfändung des nutzbaren Eigenthums die Dinglichkeit abgesprochen und zu einem bloßen Privilegium gegen die übrigen Personalgläubiger des Besitzers gemacht; denn dem Letzteren gegenüber bedarf eS weder der einen, noch des andern.

Absonderung des Fideikommisses vom Erbe.

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§. 217. Der Termin desjenigen Jahres, in welchem der letzte Besitzer ge­ storben ist, muß aus den Einkünften dieses Jahres berichtigt werden. §. 218. Hat der Fideicommißbesitzer in Fällen, wo er die Ausnehmung eines Darlehns auf die Einkünfte des Fideicommisses zu suchen berechtigt gewesen, solches nicht gethan, sondern die Wiederherstellung aus eignen Mitteln oder durch Privatcredit bewerkstelligt: so können seine Allodialerben dafür keine Vergütung fordern 5 6). §. 219. Auch der Gläubiger, welcher Privatvorschüsse dazu gemacht hat, kann an die dem Fideicommißfolger zukommenden Einkünfte deS Fideicommisses sich nicht halten, wenn er gleich nachweisen könnte, daß das von ihm gegebene Darlehn in das Fideicommiß wirklich verwendet worden. §. 220. Hat hingegen der Fideicommißbesitzer die Wiederherstellung, wegen ob­ waltender Gefahr im Verzüge, zwar aus eigenen Mitteln oder auf Privatcredit bewirkt, aber zugleich den Consens zu Ausnehmung eines Darlehns nachgesucht: so muß der Nachfolger dieses Darlehn anerkennen» wenngleich der Consens erst nach geschehener Verwendung, oder erst nach dem Tode des vorigen Besitzers, ertheilt oder ergänzt worden ist. §. 221. In so weit, als der verstorbene Besitzer, zur Abführung stiftungs­ mäßiger Prästationen, ein Darlehn auf die Einkünfte des Fideicommisses aufzu­ nehmen berechtigt gewesen wäre (§. 86.), ist der neue Besitzer das im Rückstände Verbliebene aus den folgenden Einkünften zu entrichten verbunden. §. 222. Halten sich die Berechtigten wegen solcher Rückstände an den AllodialNachlaß, so können die Erben den Ersatz aus den Fideicommißeinkünsten fordern. §. 223. Doch findet auch in diesem Falle die Vorschrift des §. 561. 562. im Titel von Lehnen Anwendung. §. 224. Andere, als die vorstehend bestimmten Schulden, ist der Nachfolger aus dem Fideicommisse zu bezahlen nicht verbunden; auch wenn er zugleich des vorigen Besitzers Erbe geworden wäre •). §. 225. Vielmehr muß der Gläubiger sich an den übrigen freien Nachlaß7) seines Schuldners lediglich halten. §. 226. Hat jedoch der Fideicommißfolger in eine andere als eigentliche

5) Auch ein bloßer Vorbehalt ist zur Begründung der BergütungSforderung nicht geeignet; nur das im §. 220 bezeichnete Mittel, in dem dabei vorausgesetzten Falle, berechtigt dazu. Aber der §. 218 ist auf die Revenüenschulden zu beschränken. Hat der Besitzer Laste» (Kriegs­ lasten), wofür die Substanz verschuldet werden darf, bestritten, ohne selbst von der Befugniß zur Aufnahme eines Darlehns auf die Substanz Gebrauch zu machen, so geht dieselbe auf seine Erben über. In diesem Sinne versteht auch das O.Tr. dre Bestimmung des §. 218, nach einem Revisionsurtel (ohne Datum) im Centralbl. 1840 Sp. 102 u. 130. 6) Diesen Grundsatz begründet Suarez in der Sinnt, zum §. 119 Th. I Abth. 1 S. 279 des gedruckten Entwurfs wie folgt: „Die Fiktion von der Einheit der Person deS Erblaffers und Erben, welche aus dem Römischen in daS Lehnrecht und auS diesem in di« Lehre von Familienfideikommiffen übergetragen worden, ist der einzige Grund des in praxi hin und wieder angeitommenen Satzes: daß ein Sohn di« Handlungen des Paters auch in Ansehung deSLehnS

und Fideikommisses vertreten müsse, und daß «S ihm sogar nicht einmal freistehe, mit Entsagung des Allodialnachlafses, das Lehn oder Fideikomnnß allein hinweg zu nehmen. Dieser Satz ist dem Endzwecke der Konservation der Familienfideikommisse höchst nachtheilig; er verbreitet Ungewißheit über daS Eigenthum der Dinge (da doch einem künftigen Fideikommißfolger, der kein Descendent ist, daS jus revocandi nicht verschränkt werden kann), und in der Ratur der Sach« liegt nichts, warum nicht der Sohn, welcher sein Recht zum Fideikommtß nicht von dem Bater, sondern von dem ersten Stifter hat, in dieser Qualität für bte Ergänzung des Fideikommisses zu sorgen berechtigt und zugleich in der Qualität als Erbe den dritten Akquirenten aus dem Allodialnachlafse, so weit solcher hinreicht, zu entschädigen verbunden sein sollte." 7) Vorausgesetzt ist natürlich, daß der Fideikommißfolger nicht unbedingter Erb« geworden; denn ist er dies, so hastet er persönlich, folglich kann der Gläubiger fich auch an die Fideikommißeinkünste halten.

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Zweiter Theil. Vierter Titel. §§. 227—960. Fünfter Titel. §§. 1—176 (Zusätze).

Fideicommißschuld ausdrücklich gewilligt: oder sind die Termine, welche der vorige Besitzer entrichten sollen, mit seiner ausdrücklichen Genehmigung verlängert worden: so ist der Gläubiger berechtigt, sich dieserhalb an die Nutzungen des Fideicommisses, so lange sie der Einwilligende genießt, zu halten 8).

Sechster Abschnitt. Ban tze« Räherrechte «es gewiHeeglter. §. 227. Aus der bloßen Familienverbindung entsteht für die Mitglieder der­ selben kein Recht, die ehemals bei der Familie gewesenen Güter von einem Dritten zurückzufordern *). §. 228. Wo also dergleichen Näherrecht durch---------- *2)13 4gültige Familien­ verträge nicht bereits eingeführt ist, soll dasselbe künftig nicht ausgeübt werden. 8- 229. Alle Näherrechte, die bloß am Familienverttäge sich gründen, sollen, bei Verlust der^ " 'VUUltll LVVVI' u *" livtll, uuu^ vtv VI» tyttyllllVUllltyC.il Landrechts, au : sämmtliche Güter, über welche der Berttag sich erstreckt, im Hypothekenbuche ein »etragen werden. ß. 230. In so fern die Ausübuny des Familien-Näherrechts durch besondere Gesetze oder Berttäge nicht anders bestimmt ist, sollen dabei folgende Vorschriften zur Richtschnur dienen. 8- 231. Das Näherrecht erstreckt sich nur auf Güter, die wenigstens schon von zwei Mitgliedern der Familie nach einander, den gegenwärtigen Veräußerer

ungerechnet, besessen worden. 8- 232. Es findet nur statt, wenn die Veräußerung an einen Fremden, nicht aber, wenn sie an ein, obgleich entfernteres, Mitglied der Familie erfolgt"). §. 233. Weibliche Mitglieder der Familie, und deren, obgleich männliche,

Descendenten können oaS Näherrecht nicht ausüben. 8. 234. Unter den männlichen Mitgliedern richtet sich die Befugniß zu dessen Ausübung nach der Ordnung der gesetzlichen Erbfolge. 8- 235. Der nähere Verwandte des Veräußerers schließt also die entferntern aus. 8- 236. Es kommt dabei auf den Zeitpunkt an, wo der Vertrag von beiden Theilen, oder doch von dem Veräußerer, unterschrieben worden*). 8- 237. Unter mehreren gleich nahen Verwandten hat derjenige, welcher sich zuerst bei dem Richter der Sache meldet, den Vorzug. 8) S. Anm. 2 }U I. 18 8 5. 1) Zur Begründung dieses Satzes wird im gedruckten Entwürfe Th. I Abth. 1 zu 8 140 S. 283 angemerkt: „Gegen den Retractum gentilitium finden eben die Gründe statt, aus welchen die Gesetze Familienfideikommisse, der Regel nach, nicht begünstigen. Dies Recht wirkt überdem Ungewißheit und Dunkelheit in dem Eigenthume der Dinge; und ist eine reiche Quelle weitläufiger und verwickelter Prozesse, die theils darüber, ob der Fall seiner Ausübung vor!»anden; theils ob der anmaßliche Retrahent wirklich der nächste dazu berechtigte Verwandte ei; theils über die ihm entgegengesetzte Verjährung; theils über das, was er dem dritten Besitzer zu prästiren und was dagegen dieser von dem Verkäufer und dessen Erben zu fordern habe, entstehen können. Es verdient daher dies Recht mehr eingeschränkt, als ausgedehnt zu werden."

2) Das provinzialgesetzliche und statutarische Näherrecht ist durch das Gesetz v. 2. März 1850 6. 2 Nr. 6 und §. 4 (Zus. 22 zu I. 20 §. 574) aufgehoben, in den alten Provinzen schon durch das Ed. v. 9. Ott. 1807 §. 3. 3) Anders nach Gem. Rechte. 4) Der Grundsatz, daß, wenn in der Einspruchszeit ein Näherer geboren wird, dieser vor­ geht, ist damit verworfen.

Räherrecht auf Aamiliengüter.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und deS Gesindes.

497

§. 238. Melden sich mehrere gleich nahe Verwandte zu gleicher Zeit, so ent­ scheidet unter ihnen das Loos. §. 239. Wenn der, welcher zur Zeit der Vollziehung des Vertrage- der nächste war, vor Ablauf der gesetzmäßigen Verjährungsfrist deS Näherrechts stirbt, so geht die Befugniß zur Ausübung desselben auf seinen gesetzlichen Erben über, auch wenn derselbe dem Grade nach entfernter wäre. §. 240. Uebrigens aber kommt diese Befugniß den Verwandten ans eigenem Rechte zu. §. 241. Es kann also auch der Sohn das Näherrecht ausüben, wenn er seine­ veräußernden Vaters Erbe entweder gar nicht, oder nur im Pflichttheil geworden ist. §. 242. Wenn der nächste Verwandte dieses Recht nicht auSüben kann oder will, so geht selbiges auf den nächsten nach ihm, und so ferner, über. §. 243. Es müssen daher auch entferntere Verwandte innerhalb der gesetz­ mäßigen Verjährungsfrist zur Ausübung des Näherrechts sich melden •). §. 244. Doch muß, ehe dies Recht von ihnen wirklich auSgeübt werden kann, der Ablauf dieser Frist, und ob innerhalb derselben kein Näherer Anspmch mache, abgewartet werden. §. 245. So lange das Gut sich noch in den Händen eines Familiengliedes befindet, bleibt der Familie ihr Näherrecht darauf Vorbehalten. §. 246. Es kann also kein Familienmitglied durch seine bloße Erklärung: daß er da- Gut nur als ein Fremder kaufe, der Familie ihr Näherrecht bei kÄastigen

Veräußerung-fällen benehmen. §. 247. Nur wenn bei der nothwendigen Subhastation eine- solchen Gutes Jemand aus der Familie mitbietet, so geht durch den an ihn erfolgenden Zuschlag, wenn kein anderes Familienmitglied da- Näherrecht dabei anSübt, diese- Recht selbst verloren. §. 248. Wenn aber ein Gut einmal au- der Familie herausaegaugen, und da- Näherrecht durch Bewährung erloschen ist: so lebt letztere- nicht wieder auf, wenngleich in der Folge wieder ein Familienmitglied zum Besitze des Gutes gelangt. §. 249. Hat jedoch der fremde Erwerber eine- solche» Gute- dasselbe, noch

ehe er seinen Besitztitel darauf im Hypothekenbuche eintragen lasten, wieder einem Familienmitgliede übereignet, so wird das Näherrecht nicht für erloschen geachtet.

§. 250. Uebrigens gilt von dem Familien-Näherrechte Alles, was von dem Näherrechte überhaupt verordnet ist. (Th. 1. Tit. 20. Abschn. 3.)

Muster Titel. Von den Rechten und Pflichten der Herrschaften und des SefindeS. §§. 1 bis 176.

L von ge* meinem Ge­ sinde.

Aufgehoben *).

5) Adf nascituri wird bei Ausübung des Näherrechts, welches weiter nichts ist, alS die Befugniß, den Erwerber des Familiengrizndstücks zur Eingehung eines Veräußerun-sgefchästS wider Willen zu zwingen, d. h. einen zweiseitigen Vertrag zu schließen, zu dessen Erfüllung der Berechtigte die Mittel in Bereitschaft haben muß, nicht Rücksicht genommen, weil den Ungeborenen Leine anderen Rechte zukommen, als welche ihnen der §. 12 I. 1 einräumt. Bei den Rechts­ geschäften im bürgerlichen Verkehre zählen die Ungeborenen nicht. Zu vergl. vorige Anm. 1) Die aufgehobenen 1—176 setzten Provinzial- und LoLal-Gesindeordnungen voraus und enthielten daher nur subsidiarische Vorschriften. Mit der Aufhebung der ErbunterthLnigteit wurden jene Partikular-Gesindeordnungen großentheils gegenstandslos; man beabsichtigte daher

Koch, Allgemeines Landrecht. III. 8. Anfl.

82

498

Zweiter Theil.

Fünfter Titel.

§§. 1-176.

eine neue Redaktion derselben und machte den Anfang mit einer schon 1798 von den Landstanden in Antrag gebrachten Gesinde-, Tagelöhner- und Dienstordnung für Ost- und Westpreußen, deren Entwurf 1808 dem Minister v. Stein vorgelegt wurde. Dieser war jedoch der Meinung, daß es nach Emanirung des Edikts v. 9. Okt. 1807 keiner Bestimmungen weiter über Gesinde­ lohn und über Dienste und Tagelöhnerarbeit der Unterthanen bedürfe, sondern den freien Menschen überlaffen werden müsse, wie sie ihre Berträge über Anwendung und Benutzung ihrer Kräfte schließen wollten ; es scheine zu genügen, wenn zu den Bestimmungen des L.R. über das Gesindewesen nur noch das hinzugesetzt werde, was darin den Provinzialrechten vorbehalten sei. Rach diesem Gedanken wurde der Entwurf umgearbeitet, indem man davon ausging, daß mit Aufhebung der Erbunterthätigkeit und des Dienstzwanges die durch den provinziell sehr ver­ schiedenen Charatter dieser Berhältniffe bedingte Nothwendigkeit der Unterscheidung nach den Provinzen weggefallen sei und es fortan nur einer allgemeinen Gesindeordnung im Lande be­ dürfe. Man beschränkte sich hiernach auf eine Umarbeitung der §§. 1—176 d. T. und gab der neuen Faffung den Charakter eines Prinzipalrechts. Die Paragraphen lauteten: l Bon ae§. 1. Das Verhältniß zwischen Herrschaft und Gesinde gründet sich auf einen Vertrag, meinem «e- wodurch der eine Theil zur Leistung gewisser häuslicher Dienste auf eine bestimmte Zeit, so rote nnbc* der andere zu einer dafür zu gebenden bestimmten Belohnung sich verpflichtet.

Wer Gesinde §. 2. In der ehelichen Gesellschaft kommt es dem Manne zu, das nöthige Gesinde zum miethen Gebrauche der Familie zu miethen. rann. r 3. Weibliche Dienstboten kann die Frau annehmen, ohne daß es dazu der ausdrücklichen Einwilligung des Mannes bedarf. §. 4. Doch kann der Mann, wenn ihm das angenommene Gesinde nicht anständig ist, dessen Wegschaffung nach verflossener gesetzmäßiger Dienstzeit, ohne Rücksicht auf die im Contraete bestimmte, verfügen. «er al« §. 6. Wer sich als Gesinde vermiethen will, muß über seine Person frei zu schalten bepnde sich der- rechtigt sein. "kann." JS. 0. Kinder, die unter väterlicher Gewalt stehen, dürfen ohne Einwilligung des Vaters, und Minderjährige ohne Genehmigung ihres Vormundes, sich nicht vermiethen. §. 7. Verheirathete Frauen dürfen nur mit Einwilligung ihrer Männer als Ammen, oder sonst, in Dienste gehen. §. 8. Nur wenn die Einwilligung in den Fällen des §. 6. u. 7. auf eine gewisse Zeit, oder zu einer bestimmten Dienstherrschaft, ausdrücklich eingeschränkt worden, ist die Erneuerung derselben zur Verlängerung der Zeit, oder bei einer Veränderung der Herrschaft, erforderlich. §. 9. Dienstboten, welche schon vermiethet gewesen, müssen bei dem Antritte eines neuen Dienstes die rechtmäßige Verlaffung der vorigen Herrschaft nachweisen. §. 10. Leute, die bisher noch nicht gedient zu haben angeben, müssen durch ein Zeugniß ihrer Obrigkeit darthun, daß bei ihrer Annehmung als Gesinde kein Bedenken obwaltet. §. 11. Hat Jemand mit Verabsäumung der Vorschriften §. 9.10. ein Gesinde angenommen, so muß, wenn ein Anderer, dem ein Recht über die Person oder auf die Dienste des Ange­ nommenen zusteht, sich meldet, der Miethcontract, als ungültig, sofort wieder aufgehoben werden. §. 12. Außerdem hat der Annehmende, durch Uebertretung dieser Vorschriften, eine Geld­ buße von Einem bis zehn Thalern an die Armencasse des Ortes verwirkt.

GesindeMäkler,

§. 13. Niemand darf mit Gesindemäkeln sich abgeben, der nicht dazu von der Obrigkeit des Ortes bestellt und verpflichtet worden. §. 14. Dergleichen Gesindemäkler müssen sich nach den Personen, die durch ihre Ver­ mittelung in Dienste kommen wollen, sorgfältig erkundigen. §. 16. Insonderheit müssen sie nachforschen: ob dieselben, nach den gesetzlichen Vorschriften, sich zu vermiethen berechtigt sind. §. 16. Gesinde, welches schon in Diensten steht, müssen sie unter keinerlei Vorwande zu deren Verlaffung und Annehmung anderer Dienste anreizen. §. 17. Thun sie dieses: so müssen sie dafür das erstemal mit zwei bis fünf Thaler Geld­ oder verhältnißmäßiger Gesängnißstrafe angesehen; im Wiederholungsfälle aber noch außerdem von fernerer Treibung des Mäklergewerbes ausgeschlossen werden. 18. Sie müssen den Herrschaften, die durch ihre Vermittelung Gesinde annehmen wollen, die Eigenschaften der vorgeschlagenen Person getreulich und nach ihrem besten Wissen anzeigen. §. 19. Wenn sie untaugliches oder untreues Gesinde, wider besseres Wissen, als brauchbar oder zuverlässig empfehlen, so müssen sie für den durch dergleichen Gesinde verursachten Schaden selbst hasten. §. 20. Außerdem müssen sie nach Vorschrift §. 17. ernstlich bestraft, und diese Strafe, bei ihrem Unvermögen zum Schadenersätze, allenfalls bis zum Doppelten geschärft werden. §. 21. Die Bestimmung des Maklerlohns bleibt den Polizei- und Gesinde-Ordnungen jedeOrtes Vorbehalten.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

§. 22. 8. 23. §. 24.

499

Zur Annehmung des gemeinen Gesindes bedarf es keines schriftlichen Contracts. Schließung Die Gebung und Annehmung des Methgeldes vertritt die Stelle desselben. Wo der Betrag des Miethgeldes durch besondere Gesetze nicht bestimmt ist, hängt

derselbe von dem Uebereinkommen der Interessenten ab. 8. 25. §. 26.

Das Miethgeld wird der Regel nach auf den Lohn abgerechnet. Auch da, wo dergleichen Abrechnung sonst nicht stattfindet, ist dennoch die Herr­

schaft dazu berechttgt, wenn das Gesinde aus eigener Schuld die verabredete Dienstzeit nicht aushält. 8. 27. Hat sich ein Dienstbote bei mehreren Herrschaften zugleich vermiethet, so gebührt derjenigen, von welcher er das Miethgeld zuerst angenommen hat, der Borzug. §. 28. Die Herrschaft, welche nachstehen muß, oder sich ihres Anspruchs fteiwillig begiebt, kann das Miethgeld und Maklerlohn von dem Dienstboten zurückfordern. §. 29. Auch muß ihr, wenn sie die prüdere Bermiethung nicht gewußt hat, der Dienst­ bote den Schaden ersetzen, welcher daraus entsteht, daß sie ein anderes Gesinde für höheren Loh« miethen muß. §. 30. Die Herrschaft, bei welcher der Dienstbote bleibt, muß auf Verlangen diesen Betrag (§. 28. 29.) von seinem Lohn abziehen, und der anderen Herrschaft zustellen.

§. 31. Außerdem muß der Dienstbote, der sich solchergestalt an mehrere Herrschaften zu­ gleich vermiethet hat, den Betrag des von der zweiten und folgenden erhaltenen Methgeldes, als Strafe, zur Armencaffe des Ortes entrichten. 8. 32. Lohn und Kostgeld des Gesindes, welches besondere Gesetze bestimmen, darf nicht überschritten werden. 8. 33. Verabredungen, welche solchen Gesetzen zuwiderlaufen, sind unverbindlich. §. 34. Weihnachts-, Neujahrs- und andere dergleichen Geschenke kann das Gesinde, auch auf -en Grund eines Versprechens, niemals gerichttich einklagen.

Lohn und Kost.

§. 35. Wo keine gesetzliche Bestimmung vorhanden ist, hängt, dieselbe, sowohl wegen deS Lohmes und Kostgeldes, als wegen der Geschenke, von dem bei Schließung des Methcontracts getrwffenen Uebereinkommen ab. §. 86. In allen Fällen, wo Weihnachts- oder ReujahrSgeschenke, während eine» Dienstjahrss, schon wirklich gegeben worden, kann die Herrschaft dieselben auf den Lohn anrechnen, wenm der Contract im Laufe dieses Jahres durch Schuld des Gesindes wieder aufgehoben wird. 8. 37. Bei männlichen Bedienten ist die Livree ein Theil des Lohnes; und fällt, nach Ablauf der durch Verttag oder Gewohnheit des Ortes bestimmten Zeit, denselben eigen­ thümlich zu. §. 38. Wird außer derselben noch besondere Staatslivree gegeben, so hat auf diese der Bedüente keinen Anspruch. §. 39. Mäntel, Kutscherpelze, und dergleichen, gehören nicht zur ordinairen Livree^

§. 40. Wo die Dauer der Dienstzeit nicht durch besondere Gesetze bestimmt ist, hängt Dauer der diesellbe von der Verabredung der Interessenten ab. Dlenst-elt. §. 41. Ist nichts Besonderes verabredet worden, so wird die Miethe, bei städtischem Ge­ sindes, auf ein Vierteljahr, bei Landgesinde aber auf Ein ganzes Jahr für geschloffen ange­ nommen. §. 42. Die Antrittszeit ist in Ansehung des städttschen Gesindes der zwette Januar, April, Antritt des Julims und October jedes Jahres. Dienstes. §. 43. Bei Landgesinde wird dieselbe, wenn nicht Provinzial-Gesindeordnungen ein Anderes bestimmen, auf den zweiten Januar festgesetzt. §. 44. Bor dem Antrittstage darf das Gesinde den Dienst der vorigen Herrschaft, wider derem 'Willen, nicht verlassen.

§. 45. Nach einmal gegebenem und genommenem Methgelde ist die Herrschaft schuldig, das Gesimde anzunehmen; und letzteres, den Dienst zur bestimmten Zeit anzutreten. 46. Weder der eine noch der andere Theil kann sich davon, durch Ueberlaffung oder Zurüickgabe des Miethgeldes, losmachen. §. 47. Weigert sich die Herrschaft, das Gesinde anzunehmen: so verliert sie das Methgeld„ und muß das Gesinde eben so schadlos halten, wie auf den Fall, wenn das Gesinde unter der Aeit ohne rechtlichen Grund entlassen worden, unten verordnet wird. (§. 160. eqq.)

§. 48. Doch kann die Herrschaft von dem Conttacte, vor Antritt des Dienstes, aus eben den (Gründen abgehen, aus welchen sie berechtigt sein würde, das Gesinde vor Ablauf der Dienst­ zeit iwieder zu entlassen. (§. 116. eqq.) §. 49. Auch ist sie dazu berechtigt, wenn das Gesinde zuerst den Dienst anzutreten sich geweiigert hat.

Zweiter Theil.

500

Fünfter Titel.

§§. 1—176.

8. 60. In beiderlei Fällen kann die Herrschaft das gegebene Miethgeld zurückfordern. §. 51. Weigert fich daS Gesinde, den Dienst anzutreten, so muß es dazu von der Obrigkeit durch Zwang-mittel angehalten werden. §. 62. Verursacht das Gesinde durch beharrliche Weigerung, daß die Herrschaft einen anderen Dienstboten an seine Stelle mit mehreren Kosten annehmen muß, so muß es diesen Schaden ersetzen, und das Miethgeld zurückgeben. 8. 63. Wird das Gesinde durch Zufall, ohne seine Schuld, den Dienst anzutreten ver­ hindert, so muß die Herrschaft mit Zurückgabe des Miethgeldes sich" begnügen. §. 64. Erhält weibliches Gesinde vor dem Antritte der Dienstzeit Gelegenheit zu heirathen, so steht demselben ftei, eine andere taugliche Person, zur Versetzung des Dienstes an seiner statt, zu stellen. §. 65. Ist es dazu nicht im Stande, so muß auch dergleichen Gesinde den Dienst in Städten auf ein Viertel-, und bei Landwirthschasten auf ein halbes Jahr antreten. Pflichte« des 8- 66. Rur zu erlaubten Geschäften können Dienstboten gemiethet werden. Gesindes in §. 67. Gemeines Gesinde, welches nicht ausschließend zu gewissen bestimmten Geschäften Diensten gemiethet worden, muß sich allen häuslichen Verrichtungen nach dem Willen der Herrschaft unter­ ziehen. 8. 58. Allen zur herrschaftlichen Familie gehörenden, oder darin aufgenommenen Personen, ist es diese Dienste zu leisten schuldig.

§. 69. Dem Haupte der Familie kommt es zu, die Art und Ordnung zu bestimmen, in welcher ein jedes Mitglied der Familie die Dienste gebrauchen soll. §. 60. Auch Gesinde, welches zu gewissen Arten der Dienste angenommen ist, muh dennoch, auf Berlarmen der Herrschaft, andere häusliche Verrichtungen mit übernehmen, weiln das dazu bestimmte Rebengesinde durch Krankheit, oder sonst, auf eine Zeitlang daran verhindert wird. §. 61. Wenn unter dem Gesinde Streit entsteht, welcher von ihnen diese oder jene Arbeit nach seiner Bestimmung zu verrichten schuldig sei, so entscheidet allein der Wille der Herrschaft. §. 62. Das Gesinde ist ohne Erlaubniß der Herrschaft nicht berechtigt, sich in den ihm aufgetragenen Geschäften von Anderen vertreten zu lassen. §. 63. Hat das Gesinde der Herrschaft eine untaugliche oder verdächtige Person zu seiner Vertretung wiffentlich vorgeschlagen, so muß es für den durch selbige verursachten Schaden hasten. §. 64. Das Gesinde ist schuldig, seine Dienste treu* fleißig und aufmerksam zu ver­ richten.

§. 65. Fügt es der Herrschaft vorsätzlich, oder aus grobem oder mäßigem Versehen Schaden zu, so muß es denselben ersetzen. §. 66. Wegen geringer Versehen ist ein Dienstbote nur alsdann zum Schadensersätze ver­ pflichtet, wenn er wider den ausdrücklichen Befehl der Herrschaft gehandelt hat. §. 67. Desgleichen, wenn er sich zu solchen Arten der Geschäfte hat annehmen lassen, die einen vorzüglichen Grad von Aufmerksamkeit oder Geschicklichkeit voraussetzen. §. 68. Wegen der Entschädigung, zu welcher ein Dienstbote verpflichtet ist, kann die Herr­ schaft an den Lohn desselben sich halten. §. 69. Kann der Schade weder aus rückständigem Lohn, noch aus anderen Habseligkeiten deS Dienstboten ersetzt werden, so muß er denselben durch unentgeltliche Dienstleistung auf eine

verhältnißmäßige Zeit vergüten. außer seinen §• 70. Auch außer seinen Diensten ist das Gesinde schuldig, der Herrschaft Bestes zu beDiensten. fördern, Schaden und Nachtheil aber, so viel an ihm ist, abzuwenden. 8. 71. Bemerkte Untreue des Nebengesindes ist es der Herrschaft anzuzeigen verbunden. §. 72. Verschweigt es dieselbe, so muß es für allen Schaden, welcher durch die Anzeige hätte verhütet werden können, bei dem Unvermögen des Hauptschuldners, selbst haften. §. 73. Allen häuslichen Einrichtungen und Anordnungen der Herrschaft muß das Gesinde sich unterwerfen. §. 74. Ohne Vorwiffen und Genehmigung der Herrschaft darf es sich, auch in eignen An­ gelegenheiten, vom Hause nicht entfernen.

§. 75. 8. 76.

Die dazu von der Herrschaft gegebene Erlaubniß darf nicht überschritten werden. Die Befehle der Herrschaft, und ihre Verweise, muß das Gesinde mit Ehrerbietung

und Bescheidenheit annehmen. §. 77. Reizt das Gesinde die Herrschaft durch ungebührliches Betragen zum Zorn, und wird in selbigem von ihr mit Scheltworten, oder geringen Thätlichkeiten behandelt, so kann es dafür keine gerichtliche Genugthuung fordern. §. 78. Auch solche Ausdrücke oder Handlungen, die zwischen anderen Personen als Zeichen

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

501

der Geringschätzung oder Verachtung anerkannt sind, begründen gegen die Herrschaft noch nicht die Vermuthung, daß sie die Ehre des Gesindes dadurch habe kränken wollen. §. 79. Außer dem Falle, wo das Leben oder die Gesundheit des Dienstboten durch Miß­ handlungen der Herrschaft in gegenwärtige und unvermeidliche Gefahr geräth, darf er sich der Herrschaft nicht thätig widersetzen. §. 80. Vergehungen des Gesindes gegen die Herrschaft müssen durch Gefängniß, oder öffent­ liche Strafarbeit, nach den Grundsätzen des Criminalrechts, geahndet werden. 81. Auf die Zeit, durch welche das Gesinde, wegen Erleidung solcher Strafen, seine Dienste nicht verrichten kann, ist die Herrschaft befugt, dieselben durch Andere auf dessen Kosten besorgen zu lassen. §. 82. Die Herrschaft ist schuldig, dem Gesinde Lohn und Kleidung zu den bestimmten Pflichten der Zeiten prompt zu entrichten. Herrschest. §. 83. Ist auch Kost versprochen worden, so muß selbige in den jedes Orts gewöhnlichen Speisen, bis zur Sättigung, gegeben werden. §. 84. Die Herrschaft muß dem Gesinde die nöthige Zeit zur Abwartung des öffentlichen Gottesdienstes lassen, und dasselbe dazu fleißig anhalten. §. 86. Sie muß ihm nicht mehrere, noch schwerere Dienste zumuthen, als das Gesinde, nach Leibesbeschaffenheit und Kräften, ohne Verlust seiner Gesundheit bestreiten kann. §. 86. Zieht ein Dienstbote sich durch den Dienst, oder bei Gelegenheit desselben, eine Krankheit zu, so ist die Herrschaft schuldig, für seine Kur und Verpflegung zu sorgen.

§. 87. §. 88.

Dafür darf dem Gesinde an seinem Lohne nichts abgezogen werden. Außerdem ist die Herrschaft zur Vorsorge für kranke Dienstboten nur alsdann ver­

pflichtet, wenn dieselben keine Verwandte in der Nähe haben, die sich ihrer anzunehmen ver­ mögend, und nach den Gesetzen schuldig sind. §. 89. Weigern sich die Verwandten dieser Pflicht, so muß die Herrschaft dieselbe einst­ weilen und bis zum Austrage der Sache, mit Vorbehalt ihres Rechts, übernehmen. §. 90. Sind öffentliche Anstalten vorhanden, wo dergleichen Kranken ausgenommen werden, so muß das Gesinde es sich gefallen lassen, wenn die Herrschaft seine Unterbringung daselbst veranstaltet. §. 91. In dem §. 88. bestimmten Falle kann die Herrschaft die Kurkosten von dem auf diesen Zeitraum fallenden Lohne des kranken Dienstboten abziehen. §. 92. Dauert eine solche Krankheit über die Dienstzeit hinaus, so hört mit dieser die äußere Verbindlichkeit der Herrschaft, für die Kur und Pflege des kranken Dienstboten zu sorgen, auf. §. 93. Doch muß sie davon der Obrigkeit des Ortes in Zeiten Anzeige machen, damit diese für das Unterkommen eines dergleichen verlassenen Kranken sorgen könne. §. 94. Unter den Umständen, wo ein Machtgeber einen dem Bevollmächtigten bei Aus­ richtung des Geschäftes durch Zufall zugestoßenen Schaden vergüten muß, ist auch die Herrschaft schuldig, für das in ihrem Dienste, oder bei Gelegenheit desselben, zu Schaden gekommene Ge­ sinde, auch über die Dienstzeit hinaus zu sorgen. (Th. 1. Tit. 13. §. 80. 81.) §. 95. Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nur auf die Kurkosten, und auf den notdürftigen Unterhalt des Gesindes, so lange, bis dasselbe sich sein Brod selbst zu verdienen wieder in Stand kommt. §. 96. Ist aber der Dienstbote durch Mißhandlungen der Herrschaft, ohne sein grobes Verschulden, an seiner Gesundheit beschädigt worden, so hat er von ihr vollständige Schadlos­ haltung, nach den allgemeinen Vorschriften der Gesetze, zu fordern. §. 97. Auch für solche Beschimpfungen und üble Nachreden, wodurch dem Gesinde sein künftiges Fortkommen erschwert wird, gebührt demselben gerichtliche Genugthuung. §. 98. In wie fern eine Herrschaft durch Handlungen des Gesindes, in oder außer seinem Dienste, verantwortlich werde, ist gehörigen Orts bestimmt. (Th. 1. Tit. 6. §. 60. sqq.) §. 99. Stirbt ein Dienstbote, so können seine Erben Lohn und Kostgeld nur so weit Aufhebung fordern, als selbiges nach Verhältniß der Zeit bis zum Krankenlager rückständig ist. de- «er§. 100. Begräbnißkosten ist die Herrschaft für das Gesinde zu bezahlen in keinem Falle trage- d»«h schuldig. n '

§. 101. Stirbt die Herrschaft vor Ablauf der gewöhnlichen Aufkündigungsfrist, so find die Erben dem Gesinde Lohn und Kost nur bis zum Ende des laufenden Quartals zu reichen verbunden. §. 102. Erfolgt der Todesfall nach Verlauf der Aufkündigungsfrist, und die Erben wollen das Gesinde nicht länger behalten: so müssen sie demselben, außer dem Lohn und der Kost deS laufenden, annoch den Lohn für das folgende Vierteljahr, jedoch ohne Kost, vergüten. 103. Männliche Dienstboten behalten die ganze Livree, wenn sie der verstorbenen Herrschaft schon ein halbes Jahr oder länger gedient haben.

502

Zweiter Theil

Fünfter Titel.

§§. 1—176.

§. 104. Sind sie noch nicht so lange in ihren Diensten gewesen, so müssen sie Rock, Weste und Hut zurücklaffen. 8. 106. War der Bediente nur monatweise gemiethet, so erhält er Lohn undKostgeld, wenn die Herrschaft vor dem fünfzehnten Monatstage stirbt, nur auf den laufenden, sonst aber auch auf den folgenden Monat. §. 106. Entsteht ConcurS über das Vermögen der Herrschaft, so finden die Vorschriften §. 101. bis 105. Anwendung. §. 107. Der Tag des eröffneten Concurses wird in dieser Beziehung dem Todestage gleich geachtet. §. 108. Wegen des alsdann rückständigen Gesindelohns bleibt es bei den Vorschriften der Concursordnung. nach vorher§. 109. Außer diesen Fällen kann der Miethscontract, während der Dienstzeit, einseitig ge6e1i?tenCT "icht aufgehoben werden. kündiauna8- U°- Welcher Theil denselben nach Ablauf der Dienstzeit nicht fortsetzen will, muß innerhalb der gehörigen Frist auflündigen. $. 111. Ist die Aufkündigungsfnst durch besondere Gesetze nicht bestimmt, so wird sie bei städtischem Gesinde auf sechs Wochen, und bei Landgesinde auf drei Monate vor dem Ab­ laufe der Dienstzeit angenommen. §. 112. Bei monatweise gemietheten Dienstboten findet die Aufiündigung noch am fünf­ zehnten eines jeden Monats statt. §. 113. Ist keine Aufkündigung erfolgt, so wird der Vertrag als sttllschweigend verlängert angesehen. §. 114. Bei städtischem Gesinde wird die Verlängerung auf Ein Viertel-, und bei Land­ gesinde auf Ein ganzes Jahr gerechnet. 116. Bei monatweise gemiethetem Gesinde versteht sich die Verlängerung immer nur auf Emen Monat. ohne Auf§. 116. Ohne Aufiündigung kann die Herrschaft ein Gesinde sofort entlaffen: 1) Wenn dasselbe die Herrschaft, oder deren Familie, durch Thätlichkeiten, Schimpf- und Schmähworte, der Herr- oder ehrenrührige Nachreden beleidigt; oder durch boshafte Verhetzungen Zwistigkeiten in der schäft, Familie anzurichten sucht;

§. 117. 2) Wenn es sich beharrlichen Ungehorsam und Widerspenstigkeit gegen die Be­ fehle der Herrschaft zu Schulden kommen läßt; §. 118. 3) Wenn es sich den zur Aufsicht über das gemeine Gesinde bestellten Haus­ offizianten mit Thätlichkeiten, oder groben Schimpf- und Schmähreden in ihrem Amte widersetzt; §. 119. 4) Wenn es die Kinder der Herrschaft zum Bösen verleitet; oder verdächtigen Umgang mit ihnen pflegt; §. 120. 5) Wenn es sich des Diebstahls oder der Veruntreuung gegen die Herrschaft schuldig macht; 8. 121. 6) Wenn es sein Nebengesinde zu dergleichen Lastern verleitet; §. 122. 7) Wenn es auf der Herrschaft Namen, ohne deren Vorwiffen, Geld oder Waaren auf Borg nimmt; §. 123. 8) Wenn es die noch nicht verdiente Livree ganz oder zum Theil verkauft oder versetzt; §. 124. 9) Wenn es sich zur Gewohnheit macht, ohne Vorwissen und Erlaubniß der Herr­ schaft, über Nacht aus dem Hause zu bleiben; §. 125. 10) Wenn es mit Feuer und Licht, gegen vorhergegangene Warnungen, unvor­ sichtig urnaeht; §. 126. 11) Wenn, auch ohne vorhergegangene Warnung, aus dergleichen unvorsichtigem Betragen wirklich schon Feuer entstanden ist; 8. 127. 12) Wenn das Gesinde sich durch liederliche Aufführung ansteckende oder ekelhafte Krankheiten zugezogen hat; §. 128. 13) Wenn ein Dienstbote von der Obrigkeit auf längere Zeit, als acht Tage, ge­ fänglich eingezogen wird; §. 129. 14) Wenn ein Gesinde weiblichen Geschlechts schwanger wird; in welchem Falle jedoch der Obrigkeit Anzeige geschehen, und die wirkliche Entlassung nicht eher, als bis von dieser die gesetzmäßigen Anstalten zur Verhütung alles Unglücks getroffen worden, erfolgen muß; 130. 15) Wenn die Herrschaft von dem Gesinde bei der Annahnre durch Vorzeigung falscher Zeugniffe hintergangen worden; §. 131. 16) Wenn das Gesinde in seinem vorigen Dienste sich eines solchen Betragens, weshalb dasselbe nach {$. 116—127. hätt? entlaffen werden können, schuldig gemacht, und die vorige Herrschaft dieses in dem ausgestellten Zeugniffe verschwiegen, auch das Gesinde selbst es der neuen Herrschaft bei der Annahme nicht offenherzig bekannt hat.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

603

§. 132. Das Gesinde kann den Dienst ohne vorhergehende Aufkündigung verlassen: 1) wenn von Seiten es durch Mißhandlungen der Herrschaft in Gefahr des Lebens oder der Gesundheit versetzt des Gesindes worden; §. 133. 2) Wenn die Herrschaft dasselbe auch ohne solche Gefahr, jedoch mit ausschweifender und ungewöhnlicher Härte behandelt hat; §. 134. 3) Wenn die Herrschaft dasselbe zu Handlungen, welche wider die Gesetze oder wider die guten Sitten laufen, hat verleiten wollen; §. 135. 4) Wenn dieselbe das Gesinde vor dergleichen unerlaubten Anmuthungen gegen Personen, die zur Familie gehören, oder sonst im Hause aus- und eingehen, nicht hat schützen wollen; §. 136. 5) Wenn die Herrschaft dem Gesinde das Kostgeld gänzlich vorenthält, oder ihm selbst die nothdürstige Kost verweigert; §. 137. 6) Wenn die Herrschaft auf eine das laufende Dienstjahr übersteigende Zeit bloße Privatreisen in ftemde Länder vornimmt; §. 138. 7) Wenn sie in öffentlichen Angelegenheiten außer Landes verschickt wird; oder wenn sie ihren Wohnsitz an einen anderen Ort innerhalb der Königlichen Lande verlegt; und in beiden Fällen es nicht übernehmen will, den Dienstboten nach abgelaufener Dienstzeit auf ihre Kosten zurückzuschicken; §. 139. 8) Wenn der Dienstbote durch schwere Krankheit zur Fortsetzung des Dienstes unvermögend wird.

§. 140. Bor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorhergegangener Aufkündigung, kann unter der die Herrschaft einen Dienstboten entlasten: 1) wenn demselben die nöthige Geschicklichkeit zu den nach seiner Bestimmung ihm obliegenden Geschäften ermangelt; ’SSrnJeiro §. 141. 2) Wenn das Gesinde, ohne Erlaubniß der Herrschaft, seines Vergnügens weaeq, Lufiündiausläuft; oder ohne Noth über die erlaubte oder zu dem Geschäfte «forderliche Zeit auszublerben gWl ¥* pflegt; oder sonst den Dienst muthwillig vernachlässigt; §. 142. 3) Wenn der Dienstbote dem Trunk oder dem Spiel ergeben ist; oder durch Zänkereien oder Schlägereien mit seinem Nebengesinde den Hausfrieden stört, und sich von solchem Betragen, auf geschehene Vermahnung, nicht beffert; §. 143. 4) Wenn nach geschloffenem Miethvertrage die Vermöaensumstände der Herrschaft dergestalt in Abnahme gerathen, daß sie sich entweder ganz ohne Gesinde behelfen, oder doch dessen Zahl einschränken muß. §. 144. Dienstboten können vor Ablauf der Dienstzeit, jedoch nach vorheraegangener Auf- von Setten kündiaung, den Dienst verlassen: 1) wenn die Herrschaft den bedungenen Lohn in oen festgesetzten de« Gesindes. Termmen nicht richtig bezahlt; §. 145. 2) Wenn die Herrschaft das Gesinde einer öffentlichen Beschimpfung eigenmächtig aussetzt; §. 146. 3) Wenn der Dienstbote durch Heirath, oder auf andere Art, zur Anstellung einer eignen Wirthschaft vortheilhafte Gelegenheit erhält, die er durch Ausdauerung der MiethSzeit versäumen müßte. §. 147. In allen Fällen, wo der Miethvertrag innerhalb der Dienstzeit, jedoch nur nach vorhergegangener Aufkündigung, aufgehoben werden kann, muß dennoch das laufende Vierteljahr, und bei monatweise gemiethetem Gesinde der laufende Monat, ausgehalten werden. §. 148. Wenn die Aeltern des Dienstboten, wegen einer erst nach der Vermiethung vor­ gefallenen Veränderung ihrer Umstände, ihn in ihrer Wirthschaft nicht entbehren können; oder der Dienstbote in eigenen Angelegenheiten eine weite Reise zu unternehmen genöthigt wird; so kann er zwar ebenfalls seine Entlassung fordern; §. 149. Er muß aber alsdann einen anderen tauglichen Dienstboten statt seiner stellen, und sich mit demselben, wegen Lohn, Kost und Livree, ohne Schaden der Herrschaft, abfinden. §. 150. In allen Fällen, wo die Herrschaft einen Dienstboten, während der Dienstzeit, «a« alsdann mit oder ohne Aufkündigung zu entlasten berechtigt ist (§. 116—131., g. 140—143.), kann der Ahn. Dienstbote Lohn und Kost, oder Kostgeld, nur nach Verhältniß der Zeit fordern, wo er wirklich sjtJree ««h,

gedient hat. §. 151. Ein Gleiches gilt von denjenigen Fällen, wo der Dienstbote zwar vor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorhergängiger Aufiündigung den Dienst verlassen kann. (§. 144. 145. 146.) 8. 152. In Fällen, wo der Dienstbote sofort und ohne Aufkündigung, den Dienst zu verlassen berechtigt ist (§. 132—139.), muß ihm Lohn und Kost auf das laufende Vierteljahr, und wenn er monatweise gemiethet worden, auf den laufenden Monat vergütet werden. §. 153. Hat die Ursache zum gesetzmäßigen Austritte erst nach Ablauf der Aufkündigungsftist sich ereignet, so muß die Herrschaft diese Vergütung auch für duS folgende Vierteljahr, oder für den folgenden Monat leisten.

tens.

504

Zweiter Theil.

Fünfter Titel.

§. 176 (Zusätze).

Gesinde-Ordnung für sämmtliches Provinzen der Preußischen Monarchie.

sBom 8. November 1810).

(G.S. S. 101.)

Wir 20. Thun kund und fügen hiermit zu wissen:

Die Gesinde-Ordnungen, welche bisher in den einzelnen Provinzen, Districten, Städten und Ortschaften Unserer Staaten als Provinzial- und örtliche Gesetze bestanden, sind theils allmählig

§. 154. In der Regel behält der Dienstbote die als ein Theil des Lohns anzusehende Livree vollständig, wenn er aus den §. 132. bis 139. bestimmten Ursachen den Dienst verläßt. §. 155. Geschieht der Austritt nur aus den §. 140.—143. enthaltenen Gründen; und hat der Bediente noch kein halbes Jahr gedient: so muß er Rock und Hut zurücklaffen. 6. 166. In den Fällen, wo daS Gesinde nach §. 116—131.140 bis 143. von der Herrschaft entlassen wird, kann Letztere der Regel nach die ganze Livree zurückbehalten. §. 167. Doch gebühren dem Bedienten die kleinen Montirungsstücke, wenn er schon ein halbes Jahr gedient hat, und nur aus den §. 140 bis 143. angeführten Gründen entlassen wird. §. 168. Wenn das Gesinde aus dem 144. und 145. angeführten Grunde nach vorher­ gegangener Aufkündigung seinen Abschied nimmt, so finden die Vorschriften §. 154. 165. An­ wendung. §. 159. Erfolgt aber der Austritt nur aus der §. 146. bestimmten Ursache, so muß der Dienstbote mit den kleinen Montirungsstücken sich begnügen. Rechtliche §. 160. Eine Herrschaft, die aus anderen, als gesetzmäßigen Ursachen das Gesinde vor einer Ablauf der Dienstzeit entläßt, muß von der Obrigkeit, dasselbe wieder anzunehmen und den a^chrhrvrll Eontract fortzusetzen, angehalten werden. (bmefftrna, §. 161. Weigert sie sich dessen beharrlich, so muß sie dem Dienstboten Lohn und Livree oder auf die noch rückständige Dienstzeit entrichten. 6. 162. Auch für die Kost muß die Herrschaft bis dahin sorgen. §. 163. Kann aber das Gesinde noch vor Ablauf der Dienstzeit ein anderweitiges Unter­ kommen erhalten: so erstreckt sich die Bergütigungs-Verbindlichkeit der Herrschaft nur bis zu diesem Zeitpunkte; und weiter hinaus nur in so fern, als das Gesinde sich in dem neuen Dienste mit einem geringeren Lohne hat begnügen müssen. §. 164. Ist die Herrschaft das entlassene Gesinde wieder anzunehmen bereit ; das Gesinde hingegen weigert sich, den Dienst wieder anzutreten: so kann Letzteres in der Regel gar keine Vergütung fordern. §. 165. Weiset aber das Gesinde einen solchen Grund seiner Weigerung nach, weswegen es, seines Orts, den Dienst zu verlassen berechtigt sein würde, so gebührt demselben die §. 152 sqq. bestimmte Vergütung. §. 166. Kann das Gesinde den vorigen Dienst, wegen eines inzwischen erhaltenen ander­ weitigen Unterkommens, nicht wieder antreten, so findet die Vorschrift §. 163. Anwendung. Berlassunq §. 167. Gesinde, welches vor Ablauf der Dienstzeit, ohne gesetzmäßige Ursache, den Dienst des Dienstes, verläßt, muß durch Zwangsmittel zu dessen Fortsetzung angehalten werden. §. 168. Will aber die Herrschaft ein solches Gesinde nicht wieder annehmen: so ist sie berechtigt, ein anderes an seiner Stelle zu miethen; und der ausgetretene Dienstbote ist schuldig,

Abschied.

die dadurch verursachten mehreren Kosten zu erstatten. 8. 169. Das abziehende Gesinde ist schuldig. Alles, was ihm zum Gebrauche in seinen Geschäften, oder sonst zu seiner Aufbewahrung anvertraut worden, der Herrschaft richtig zurück zu liefern. §. 170. Den daran durch seine Schuld entstandenen Schaden muß es der Herrschaft ersetzen. (§. 65—69.) §. 171. Bei dem Abzüge ist die Herrschaft dem Gesinde einen schriftlichen Abschied, und ein der Wahrheit gemäßes Zeugniß über seine geleisteten Dienste zu ertheilen schuldig. §. 172. Werden dem Gesinde in diesem Abschiede Beschuldigungen zur Last gelegt, die sein weiteres Fortkommen hindern würden, so kann es auf richterliche Untersuchung antragen. §. 173. Wird dabei die Beschuldigung ungegründet befunden, so muß die Obrigkeit dem Gesinde den Abschied aus Kosten der Herrschaft ausfertigen lassen, und Letzterer fernere üble Nachreden, bei namhafter Geldstrafe, untersagen. §. 174. Hat hingegen die Herrschaft einem Gesinde, welches sich grober Laster und Ver­ untreuungen schuldig gemacht hat, das Gegentheil wider besseres Wissen bezeugt, so muß sie für allen einem Dritten daraus entstehenden Schaden haften. §. 176. Die folgende Herrschaft kann sich also an sie wegen des derselben durch solche Laster oder Veruntreuungen des Dienstboten verursachten Nachtheils halten. S. 176. Auch soll eine solche Herrschaft mit einer Geldstrafe, von Einem bis fünf Thaler, zum Besten der Armencasse des Ortes belegt werden.

2) Für sämmtliche damalige Provinzen.

Da jedoch die neugefaßten 176 Paragraphen

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

außer Uebung gekommen, theils mit dem Geiste der Gesetzgebung nicht mehr vereinbar.

505 Da

nun hierdurch eine unstatthafte Ungewißheit der Rechte und Pflichten in den so allgemein ver­ breiteten und so äußerst wichtigen Verhältnissen zwischen Herrschaft und Gesinde entstehet; so haben Wir die Anordnungen des allgemeinen Landrechts Th. 2. Tit. 5. §. 1 bis 176. ein­

schließlich,

welche die rechtlichen Verfügungen in Beziehung auf das gemeine Gesinde enthalten,

nochmals durchsehen und die Bestimmungen derselben, welche Provinzial- und örtliche Gesinde-

Ordnungen voraussetzten, oder sonst Verbesserungen bedurften, abändern fassen und verordnen nunmehr, wie folgt: 1. Alle Gesinde-Ordnungen und gesetzlichen Vorschriften, die Berhältniffe des gemeinen Gesindes betreffend, welche bisher in den einzelnen Provinzen, Districten, Städten und Ortschaften

Unserer Staaten bestanden haben, sind gänzlich und ohne alle Ausnahme hiermit aufge­ hoben, und können in keinem Fall auf Rechte und Pflichten angewendet werden, welche

zwischen Herrschaften und Gesinde vom Tage der Kundmachung dieser Verordnung ab, entstehen.

2.

An die Stelle derselben tritt als alleinige und allgemeine Gesinde-Ordnung für Unsere sämmtlichen Staaten die beiliegende neue Redaction des §. 1 bis 176. Th. 2. Tit. 5. des

allgemeinen Landrechts. 3.

Die in dieselbe aufgcnommenen Abänderungen derogiren den abweichenden Stellen des allgemeinen Landrechts dergestalt,

daß

dieselben für gänzlich aufgehoben geachtet und

überall die Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes nur nach dieser neuen Redaction beurtheilt werden sollen. Wir befehlen Unsern Landes-, Polizei- und Justiz-Collegien, Polizei-Obrigkeiten und Ge­

richten, wie auch allen Unsern getreuen Unterthanen sich hiernach gebührend zu achten. Bon den Rechten und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

tj. 1.

Das Verhältniß zwischen Herrschaft und Gesinde gründet sich auf einem Vertrage, i) «om ge-

wodurch der eine Theil zur Leistung gewisser^) häuslicher oder wirthschastlicher4* )*5 3Dienste auf eine bestimmte Zeit, so wie der andere zu einer dafür zu gebenden bestimmten Belohnung sich ver­ pflichtet^).

ganz in die Stelle der alten gesetzt worden sind (Pat. v. 8. Nov. 1810 Nr. 2 u. 3), so folgt, daß sie mit dem L.R. zugleich überall dort eingeführt worden sind, wo daffelbe später Gesetzes­ kraft erhalten hat. In Beziehung auf den Kulm- und Michelau'schen Kreis war dies bezweifelt worden. Deshalb erklärt eine K O. v. 29. April 1826, daß die gedachte Gesindeordnung als ein das L.R. abänderndes und erläuterndes Gesetz durch das Patent v. 9. Nov. 1816 auch in diesen Kreisen für eingeführt zu erachten sei. (G.S. S. 41.) Wo das L.R. nicht gilt, hat auch die Gesindeordnung keine Gesetzeskraft. Zu vergl. der Besch, des Min. des Innern und der Pol. v. 6. Febr. 1821 (v. Kamptz, Annal. 5 S. 102); v. 7. Juni 1822 (o. Kamptz, Annal. 6 S. 396) u. v. 30. Aug. 1824 {ebb. 8 S. 879). Für Neu-Borpommern und das Fürsten-

thum Rügen ist eine besondere Gesindeordnung v. 11. April 1845 (G.S. S. 391) und für die Rheinprovmz eine v. 19. Aug. 1844 (G.S. S. 410), (H. welche durch B v. 21. Sept. 1847 statt der dort geltenden von 1810 in den Kreisen Rees und Duisburg eingesührt ist, G.S. S. 356) gegeben. 3) Bestimmter oder unbestimmter.

Zu vergl. §§. 57 u. 177.

4) Durch die erst bei der neuen Redaktion von 1810 hinzugekommene Ausdehnung der Bestimmung auf „wirtschaftliche" Dienste soll das Landgesinde, welches ehemals aus den „Unter­ thanen" zwangsweise genommen wurde, mit betroffen werden. 5) Nach dieser Begriffsbestimmung gehören auch Taaelöhner zum Gesinde, was doch nicht gemeint ist. Man war schon bei der Abfassung des G.B. über das unterscheidende Merkmal veS gemeinen Gesindes zweifelhaft, aber nur im Gegensatze zu den „Hausoffizianten". Ein Monent verlangt die Festsetzung: was unter gemeinem Gesinde zu verstehen sei; woraus v. Grolmann erwiderte: „Das ergiebt sich aus dem Gegensatze des zweiten Abschnitts von Haus­ offizianten." (Ges.Rev. Pens. 15 S. 6.) Darüber vergl. man den §. 177 und die Anm. dazu. Nach der anderen Seite aber ist das eigenthümliche Merkmal des Gesindes nicht ausßesprochen, sondern nur vorausgesetzt. Dies ist der Begriff einer Familie, in welcher der Dienst-

506

Zweiter Theil.

Fünfter Xitel.

§§. 1—176. (Zusätze).

Der (Befinde §. S. In der ehelichen Gesellschaft kommt es dem Manne zu, das nöthige Gesinde zum "farnf" Gebrauch der Familie zu miethen.

böte oder Hausbeamte als Genoffe ausgenommen, und wodurch sein Verhältniß zum Hausvater begründet wird: Gesinde und Hausoffizianten sind vertragsmäßige Genoffen einer Familie, bestimmt zu Dienstleistungen in derselben, und stehen unter der Botmäßigkeit des Hausherrn. (L 1 §. 4) [H. Deshalb können juristische Personen kein Gesinde haben,) und es sind -. B. Personen, welche von Gemeinden oder Korporationen zu Verrichtungen, die in einer Haushaltung oder Wirthschaft vom Gesinde besorgt werden, angenommen sind, kein Gesinde, sondern Beamte, Pr. 1089 des O.Tr. III v. 8. Jan. 1842, Entsch. 7 S. 219. Nach dem Erk. des L Sen. v. 21. Mai 1869, Str. Arch. 76 S. 63, beruht daS Wesentliche des Gesindeverhältniffes in der Art der übernommenen Dienste, nicht aber in der Art der Belohnung dafür, urch ist es allein nicht entscheidend, wenn der Lohn für die Dienste nicht baar, sondern in Naturalien gegeben wird. Auch hierdurch wird der Unterschied zwischen einem Tagelöhner und einem Gesinde nicht fest­ gestellt. Man kann eine Magd, einen Knecht auch für die Dienstverrichtungen, welche gewöhnlich von Dienstboten besorgt werden, und ganz an deren Stelle haben. Das allein wesentliche Kriterium ist, daß sich die Person zu niederen Diensten in der Haus- oder Landwirthschast ver­ tragsmäßig verpflichtet, ein dienendes Mitglied der Familie zu sein, und sich als solches auf eine gewiffe Zeit der hausherrlichen Botmäßigkeit unterwirft. H. So auch Erk. des O.Tr. I v. 28. Febr. 1873, Str. Arch. 88 S. 217: a. Wesentlich nothwendige Voraussetzungen, ohne welche ein Gefindeverhältniß im gesetzlichen Sinne durch Leistung häuslicher oder wirthschastlicher Dienste, gegen Lohn nicht begründet wird, find, daß die betreffende Person zur häuslichen Gesellschaft des Andern gehört und seiner Zucht und Hausordnung unterworfen ist; b. Markthelfer und Komtoirboten als solche gehören, obwohl sie häusliche Dienste leisten, ebenso wenig zum Gesinde, wie Laufburschen, Stiefelputzer und Aufwartefrauen.

Personen, welche nicht zu häuslichen oder wirthschastlichen Diensten (Arbeiten) angenommen, wennaleich in die Familienwohnung ausgenommen sind und beköstigt werden, gehören nicht zum Gesinde, sondern werden entweder nach besonderen, oder nach allgemeinen Vorschriften beurtheilt. Dergleichen sind Gewerbsaehülfen und Handlungsdiener. Erk. des O.Tr. v. 21. Aug. 1835, Entsch. 2 S. 60, und IV. Sen. v. 31. Mär- 1848, Rechtsf. 3 S. 469. In demselben Sinne entscheidet der J.M. in dem Besch, v. 10. Juni 1836, Jahrb. 47 S. 621, und der M. des I. in dem Besch, v. 24. Ott. 1820, v. Kamptz, Annal. 4 S. 874, und v. 15. März 1829, ebd. 13 S. 149. Ueber das Verhältniß der Handlungsgehülfen trifft nunmehr das H.G.B. Art. 57 ff. Bestimmung. Auch Strom-Schiffsleute gehören eigentlich nicht zum Gesinde, sie sollen jedoch, nach positiver Vorschrift, den Bestimmungen der Gesindeordnung unterworfen sein. K O. v. 23. Sept. 1835 und Eins.Ges. z. H.G.B. v. 24. Juni 1861 Art. til Nr. 1. Von Ammen ist das Gleiche zu behaupten, denn das Säugen eines Kindes ist kein Gesindedienst (Arbeit, operae). Augenscheinlich will aber der Gesetzgeber die Gesindeordnung auf sie anwenden. (§. 7.) — Ob Hirten — wozu auch Schäfer gehören — zum Gesinde zu rechnen sind, hängt von der Art ihrer Annahme ab; denn nach ihren Verrichtungen gehören sie unzweifelhaft zum Land­ gesinde. Wer zu demselben auf eine in sich oder beziehungsweise bestimmte Zeit gegen einen bestimmten Lohn, mit oder ohne Kost, angenommen wird, ist ein Dienstbote; wer nur gegen eine tägliche Belohnung zum Viehhüten gedungen ist, ist zu den Tagelöhnern zu rechnen. Zu vergl. der Besch, des M. d. I. v. 10. Juli 1845, M.Bl. d. i. B. S. 221. — Revierjäger und Kun st gärtner rechnet man gleichfalls zur Klaffe des Gesindes, weil sie zur Leistung gewisser wirthschastlicher Dienste auf bestimmte Zeit gemiethet sind. Besch, des Min. der Pol. v. 7. Jan. 1831, v. Kamptz, Annal. 16 S. 118. Ob sie aber als gemeines Gesinde oder als Haus­ offizianten anzusehen, hängt von ihrem besonderen Dienstverhältniffe ab. Ein Ziergärtner z. B., welcher zugleich den ihm überwiesenen Garten mit eigenen Händen bearbeiten soll, kann nicht als Hausoffiziant, und ein Gärtner, welcher bloß das Technische anzuordnen und auf die Aus­ führung nach den Regeln seiner Kunst zu sehen hat, kann nicht als gemeines Gesinde be­ handelt werden. H. Brenner auf Landgütern gehören nicht zu dem Gesinde, offizianten, Erk. des O.Tr. IV v. 23. Okt. 1851, Str. Arch. S. 300.

sondern zu den Haus­

n. Ein Postillon ist zwar, in so weit und so lange er Postdienste verrichtet, für einen öffentlichen Beamten zu erachten. Diese relative Beamtenqualität schließt aber feinedroepd die Möglichkeit aus, daß derselbe nach anderen Richtungen und Beziehungen hin zu dem ihn dingen­ den Posthalter gleichzeitig auch in einem privatrechtlichen, einem Gesinde-Verhältnisse stehe; be­ rührt eine Frage lediglich das letztere, so ist sie nach der Ges.Ordn. zu entscheiden. Erk. deff. Sen. v. 3. Febr. 1862, Str. Arch. 44 S. 188. Gegenstand besonderer gesetzlicher Bestimmung ist das Institut der ländlichen Arbeit-, familien geworden, welche in der Mark und Pommern unter der Benennung von Dienst-

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes. §. 3.

507

Weibliche Dienstboten kann die Frau annehmen, ohne daß es dazu der ausdrück­

lichen Einwilligung des Mannes bedarf. §. 4. Doch kann der Mann, wenn ihm das angenommene Gesinde8*)*9 *nicht * * 6 7anständig ist, dessen Wegschaffung nach verfloßner gesetzmäßiger Dienstzeit, ohne Rücksicht auf die Vertrags­ mäßig bestimmte, nach vorgängiger Aufkündigung verfügens. 5. Wer sich als Gesinde8) vermiethen will, muß über seine Person frei zu schalten be- Wer rechtiget seyn. " ' §. 6. Kinder, die unter väterlicher Gewalt stehen, dürfen ohne Einwilligung des Vaters, und Minderjährige ohne Genehmigung ihres Vormundes sich nicht vermiethen°). §. 7. Verheiratete Frauen dürfen nur mit Einwilligung ihrer Männer als Ammen oder sonst in Dienste gehen.

familien, in Schlesien als Dreschgärtner und in Preußen als Jnstleute bekannt sind. Diese Jnstleute in Preußen ziehen als Tagelöhnerfamilien in die dazu errichteten Häuser der Gutsherrschaften, erhalten Wohnung und ein Stück Acker oder auch noch andere Vergünstigungen, und machen sich verbindlich, dem Gutsherrn, wenn und so oft er den Mann oder die Frau ver­ langt, gegen einen voraus bestimmten Tagelohn zu arbeiten, und können sich außerdem anderswo Beschäftigung suchen. Für die Provinz Preußen ist hierüber folgende, durch die Amtsblätter publizirte K.O. v. 8. Aug. 1837 ergangen: Auf den Bericht des Staatsministeriums v. 6ten Juni d. I. erkläre Ich Mich mit der Ansicht desselben einverstanden, daß das Verhältniß der Jnstleute in Preußen ein anderes ist, als das Verhältniß des Gesindes zur Dienstherrschaft, und daß die gegenwärtige Ansicht, welche von den Preußischen Provinzial-Ständen auf ihrem fünften Landtage hierüber geäußert worden, für begründet nicht geachtet werden kann. Da es jedoch im Interesse der Landwirthschaft erforderlich ist, sowohl, daß bei den Streitigkeiten über das An- und Ab­ ziehen der Jnstleute die Weitläuftigkeiten verhütet werden, über welche die Provinzialstände in der Verhandlung des Landtags vom Jahre 1834. besonders Beschwerde führen, als auch, daß für die Dauer des Kontrakts die Dienstherrschaften sich der Leistung der Dienste zur Zeit des Be­ dürfnisses, so wie die Jnstleute sich der verheißenen Gegenleistungen versichert halten dürfen; so setze Ich fest, daß künftig bei den Streitigkeiten zwischen den Dienstherrschaften und Jnstleuten in der Provinz Preußen über den An- und Abzug und über die Erfüllung kontraktmäßig über­ nommener Verbindlichkeiten während des bestehenden Dienstverhältnisses, die Polizeibehörde auf dieselbe Weise, wie es für die eigentlichen Gesindesachen gesetzlich vorgeschrieben ist, die vor­ läufigen Bestimmungen erlasse, und, mit Vorbehalt des beiden Theilen dagegen zustehenden An­ trages auf gerichtliche Entscheidung, zur Ausführung bringe. An den Orten, an welchen die Dienstherrschaft zugleich als Gutsherrschaft die Patrimonial-Polizei-Gerichtsbarkeit auszuüben hat, soll der Landrath des Kreises als Polizeibehörde eintreten. Sie, die Staatsminister Mühler und v. Rochow, haben die Provinzialbehörden von dieser Erledigung der bisherigen Differenzen in Kenntniß zu setzen und dieselben zur Bekanntmachung Meiner Bestimmungen durch die Amts­ blätter anzuweisen." Jahrb. 50 S. 82. — Vergl. Anm. 7 zu 1. 2 §. 128. H. Das Verhältniß ländlicher Besitzer zu ihren gegen Lohn und Deputat als Einlieger oder Komorniks angenommenen ländlichen Arbeitern in der Provinz Posen ist nicht nach den Vorschriften der Ges.Ordn. zu beurtheilen, Erk. des O.Tr. I v. 7. Sept. 1877, Entsch. 80 S. 231, Str. Arch. 97 S. 334. 6) Das im §. 3 erwähnte Gesinde nämlich. Auf männliche Dienstboten bezieht sich die Bestimmung nicht. 7) Die §§. 2 — 4 sind aus Unachtsamkeit bei der neuen Redaktion unverändert geblieben, indem man die Erweiterung des §. 1 durch den Zusatz: „oder landwirthschaftlicher", hier nicht in Erwägung gezogen hat. Denn in großen Landwirthschaften, welche von Beamten oft in Ab­ wesenheit der Herrschaften betrieben werden, befaßt sich weder der Mann noch die Frau mit dem Miethen des Gutsgesindes: die Befugniß dazu gilt an den Wirthschaftsbeamten für mitüber­ tragen, ohne daß dazu eine besondere Vollmacht gegeben wird, gleichwie er auch die erforderlichen Arbeiter muß annehmen und entlassen können. 8) Auf Gesellen und andere Gewerbsgehülfen finden diese Grundsätze nicht Anwendung. 9) Umgekehrt sollen auch Väter und Vormünder ihre Kinder und Pflegebefohlenen nicht ohne deren Einwilligung vermiethen können, weil das Gesindeverhältniß ein Statusverhältniß ist, wobei die Person selbst in so weit Gegenstand des Handelns ist, als ihre Freiheit im Ganzen eingeschränkt wird, worüber Andere zu verfügen nicht berechtigt sind. Daß Väter und Vor­ münder die künftige Lebensart der Kinder zu bestimmen haben (II. 2 §. 109 und Vorm.Ordn. §. 27), ermächtigt nicht, das bestimmte Zustandsverhältniß, in welches das Kind treten soll, ein­ zugehen, und das Kind zu zwingen, wider seinen Willen in dasselbe zu treten. Indeß gestattet

als Ge-

vermiethen

kann,

Zweiter Theil.

508

Fünfter Titel.

§§. 1—176 (Zusätze).

§. 8.. Nur wenn die Einwilligung in den Fällen des §. 6 und 7. auf eine gewisse Zeit,

oder zu einer bestimmten Dienst-Herrschast, ausdrücklich eingeschränkt werden, ist die Erneuerung

derselben zur Verlängerung der Zeit, oder bei einer Veränderung der Herrschaft erforderlich. §. 9.

Dienstboten, welche schon vermiethet gewesen, müssen bei dem Antritte10 * *)11eines 12 13 14 15

neuen Dienstes die rechtmäßige Verfassung der vorigen Herrschaft nachweisen. §. 10.

Leute die bisher noch nicht gedient zu haben angeben, müssen durch ein Zeugniß

ihrer Obrigkeit") darthun, daß bei ihrer Annehmung als Gesinde kein Bedenken obwalte, ß. 11.

Hat Jemand mit Verabsäumung der Vorschriften §. 9.

10. ein Gesinde ange­

nommen: so muß, wenn ein anderer, dem ein Recht über die Person oder auf die Dienste deS

Angenommenen zusteht, sich meldet, der Mieth-Contract als ungültig so fort wieder aufgehoben werden.

§. 12.

Außerdem hat der Annehmende durch Uebertretung dieser Vorschriften eine Geldbuße

von Einem bis Zehn Thaler an die Armen-Caffe des Orts uerroirftie). GesindeMöller

§. 13.

Niemand darf mit Gesindemäkeln sich abgeben, der nicht dazu von der Obrigkeit

des Orts") bestellt und verpflichtet") worden ist.

§. 14.

Dergleichen Gesindemäkler müssen

sich

nach den Personen,

die durch ihre Ber­

mittelung in Dienste kommen wollen, sorgfältig erkundigen.

§. 16.

Insonderheit müssen sie nachforschen, ob dieselben nach den gesetzlichen Vorschriften

sich zu vermiethen berechtigt find.

die Ges.Ordn. die Vermiethung der Kinder durch die Väter und Vormünder. §. 40. Zu vergl. Anm. 25. H. Vergl. ferner Ges. v. 12. Juli 1875 §. 6 (Zus. 7 zu I. 4 §§. 20—22). 10) Nur bei dem Antritte muß die neue Herrschaft sich den Entlassungsschein vorzeigen lassen, wenn sie nicht in die §. 12 angedrohte Strafe verfallen will. Die Abschätzung des

Miethsvettrags ohne Abforderung eines Aufkündigungs- oder Losscheins ist nicht strafbar; die Folge ist nur Ungültigkeit des Kontrakts, wenn der Dienstbote den alten Dienst zu verlassen nicht berechtigt ist. §. 11. Zu vergl. die Entsch. des Min. des I. und der Pol. v. 10. Febr. 1826 (v. Kamptz, Annal.10 S. 115); Besch, desselben M. v. 8. Dez. 1820 (ebb. 4 S. 822); Cirk.Verf. dess. M. v. 17. Okt. 1824 (ebb. 8 S. 1120) ; Besch, deff. M. v. 19. April 1830 (ebb. 14 S. 368); v. 6. Sept. 1833 (ebb. 17 S. 724) ; v. 12. Sept. 1834 (ebb. 18 S. 784; v. 4. Juli 1835 (ebb. 19 S. 792); v. 5. März 1837 (ebb. 21 S. 163); v. 14. Mai 1838 (ebb. 22 S. 400). Wenn bie neue Herrschaft bei ber Miethung sichergehen will, so muß sie sich über bie erfolgte Kündigung des alten Dienstes Gewißheit verschaffen. Wie dies geschieht, ob durch mündliche Nachftage ober durch Einforderung eines Kündigungsscheins, ist gleichgültig. 11) b. i. der Polizeibehörde ihres bisherigen Wohnottes. 12) Wenn nämlich der Dienstbote den Dienst wirklich angetreten hat, ohne daß die neue Herrschaft sich den Abschied der alten Herrschaft hat vorzeigen fassen. Anm. 10. Die Verwirkung dieser Strafe ist nicht dadurch bedingt, daß eine der im H. 11 bezeichneten Personen sich melde und so die Aufhebung des neuen Dienstkontrakts herberführe. Erk. des O.Tr. Sen. für Strafsachen v. 26. Jan. 1860, J.M.Bl. S. 247; Goltdammer, Arch. 8 S. 550.

13) Die Vorsteher von Gesinde-Vermiethunaskomptoiren sind nicht als Beamte anzusehen, sagt der Min. des I. und der Pol. in seinem Besch, v. 25. März 1832 (v. Kamptz, Annal. 16 S. 158). Ein solcher Vorsteher ist weiter nichts als der Mäkler selbst; und Gesindemäkler, sagt der Min. des I. für Gew. und der Min. des I. und der Pol. in dem (Sirs. v. 26. Mai 1834 (ebb. 18 S. 511), sind als öffentlich beglaubigte Personen, selbst als eine Art von Beamten zu betrachten. Das ist nicht anzuerkennen. £)ie Gesindemäkler sind nichts weiter als Gewerbs­ leute, welche zum Bettiebe ihres Gewerbes eine obrigkeitliche Erlaubniß haben müssen, gleich den sogenannten Kommissionären, den Gastwirthen, Schenkern u. dergl. Ein Amt, zumal ein öffentliches Amt haben sie nicht. — Zu vergl. §§. 17, 20. 14) DaS ist die Polizeibehörde. 15) Nach der Gewerbeordnung für den norddeutschen Bund v. 21. Juni 1869 §. 35, B.G.Bl. S. 245, (H. in der Fassung des Abänderungsgesetzes v. 1. Juli 1883, R.G.Bl. S. 159), bedarf es für die Gesindemäkler fortan weder der Bestellung noch der Verpflichtung, sondern Personen, welche dieses Gewerbe beginnen, haben bei Eröffnung ihres Gewerbebetriebes der Ottsbehörde hiervon Anzeige zu machen. H. Die Wetterführung des Geschäftsbetriebes kann untersagt werden, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb darthun.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

509

§. 16. Gesinde, welches schon in Diensten steht, müssen sie unter keinerlei Vorwande zu bereit Berlaffung und Annehmung anderer Dienste anreizen"). §. 17. Thun sie dieses, so müssen sie dasür das erstemahl mit Fünf bis Zehn Thalern Geld­ oder verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe angesehen, im Wiederholungs-Falle aber noch außerdem von fernerer Treibung des Mäklergewerbes ausgeschlossen werden.

§. 18. Sie müssen den Herrschaften, die durch ihre Bermittelung Gesinde annehmen wollen, die Eigenschaften der vorgeschlagenen Person getreulich und nach ihrem besten Wissen anzeigen. §. 19. Wenn sie untaugliches oder untreues Gesinde, wider besseres Wissen, als brauchbar oder zuverlässig empfehlen: so müssen sie für den durch dergleichen Gesinde verursachten Schaden selbst hasten16 17).18 19 20 21 §. 20. Außerdem verwürfen sie dadurch, es mag Schaden geschehen seyn oder nicht, für das erstemal Fünf bis Zehn Thaler Geld- oder verhältnißmäßige Gefängnißstrafe, und werden im WiederholungS-Falle von dem fernern Betriebe des Mäklergewerbes ausgeschlossen. Diese Ausschließung findet selbst bei dem erstenmale Statt, wenn sie den Schaden zu ersetzen unver­

mögend sind. §. 21. Polizeiobrigkeiten,

welche Gesindemäkler eoncesfioniren, liegt

zugleich ob,

das

Mäklerlohn nach den örtlichen Verhältnissen zu bestimmen und bekannt zu machen "). §. 22. Zur Annehmung des gemeinen Gesindes bedarf es keines schriftlichen Vertrages. Schließung §. 23. Die Gebung und Annehmung des Mieth-Geldes vertritt die Stelle desselbenw). §. 24. Der Betrag des MiethgeldeS hängt von freier Uebereinkunst zwischen der Herr­

schaft und dem Gesinde ab. §. 26. Das Miethgeld wird der Hegel80) nach auf den Lohn abgerechnet, insofern ein andres bei der Vermiethung nicht ausdrücklich ausbedungen wird. §. 26. Auch da, wo die Herrschaft sich der Abrechnung des Methgeldes durch ausdrück­ liche Verabredung begeben hat, ist sie dennoch dazu berechtigt, wenn das Gesinde auS eigner Schuld die verabredete Dienstzeit nicht aushält. §. 27. Hat sich ein Dienstbote bei mehrern Herrschaften zugleich vermiethet, so gebührt derjenigen, von welcher er daS Miethgeld zuerst angenommen hat, der Vorzugn). §. 28. Die Herrschaft, welche nachstehen muß oder sich ihres Anspruchs fteiwillig begiebt, kann das Methgeld und Mäklerlohn von den Dienstboten zurückfordern. §. 29. Auch muß ihr, wenn sie die frühere Vermiethung nicht gewußt hat, der Dienst­

bote den Schaden ersetzen, 'welcher daraus entsteht, daß sie ein anderes Gesinde für höhern Lohn miethen muß. §. 30. Die Herrschaft, bei welcher der Dienstbote bleibt, muß auf Verlangen diesen Be­ trag (§. 28. 29.) von seinem Lohne abziehen und der andern Herrschaft zustellen.

16) Eine solche Anreizung ist es z. B. auch, wenn der Gesindemäkler einen Dienstboten anspricht und befragt: ob es ihm gefalle und daß er sehr gute Stellen vorzuschlagen habe. Un­ redliche Mäkler pflegen das zu thun, um sich zwei Geschäfte zugleich, nämlich: durch Unterbringung des abwendig gemachten Gesindes und durch Zuführung eines neuen Dienstboten, vorzuberetten. 17) Aber nur nach allgemeinen Grundsätzen, d. h. subsidiarisch. 18) Die Festsetzung der Gebührentaxe gehört hiernach zur Kompetenz der Ortspolizeibehörden und steht den BezirrSregierungen nicht zu. 19) H. Ist aber weder die Schriftform erfüllt noch Miethsgeld gegeben und angenommen, so ist der Verttag nicht klagbar, Ö.Tr. 1 v. 10. Sept. 1877, Enssch. 80 S. 269.

20) Die Regel ist in der Praxis Umgekehrt. 21) Auch wenn die zweite Herrschaft in gutem Glauben ist. Eine Fiktion, daß die Rechte des Dienstherrn wirklich schon erworben waren, vermöge welcher gegen die andere Dienstherrschaft, bei welcher das Gesinde den Dienst angetreten hat, das interdictum de liberis ducendis utile, gegen das Gesinde die actio de statu herili, kumulativ angebracht werden kann, auf welches Mittel die -wette Herrschaft zur Entlassung des Dienstboten, und der Dienstbote zur Antrettmg des Dienstes bei dem Kläger verurtheilt werden muß. Der Fall ist keine Polizeisache.

Zweiter Theil.

510 §. 31.

Fünfter Titel.

§§. 1—176 (Zusätze).

Außerdem muß der Dienstbote, der fich solchergestalt an mehrere Herrschaften zu­

gleich vermiethet hat, den einfachen Betrag des von der zweiten und folgenden erhaltenen Mieth-

geldes, als Strafe zur Armenkaffe des Orts entrichten.

Lohn u. Kost §. 32. Der Lohn, Kostgeld oder die Beköstigung des städtischen und ländlichen Gesindedes Gesindes. 0^ne Ausnahme hängt blos von fteier Uebereinkunst bei der Lermiethung ab Ed). §. 33.

In sofern bei der Bermiethung nichts Bestimmtes hierüber abgemacht ist, muß

dasjenige an Lohn, Kostgeld oder Beköstigung gewährt werden, was einem Gesinde derselben Klaffe an dem Orte zur Zeit der Bermiethung der Regel nach gegeben wurde, was in dieser

Rücksicht Regel seh, bestimmt die Policei-Obrigkeit des Orts2a). §. 34.

Weihnachts-, Neujahrs- und andere dergleichen Geschenke kann das Gesinde auch

auf den Grund eines Versprechens niemals gerichtlich einklagen. §. 35.

Alle provinziellen oder örtlichen auf Gesetzen oder Herkommen beruhenden Be­

stimmungen wegen solcher Geschenke sind vom 2len Januar 1811 ab aufgehoben, und von diesem

Zeitpunkte an, durchaus nicht mehr verbindlich. §. 36.

Ick allen Fällen, wo Wechnachts- oder Neujahrs-Geschenke während eines Dienst­

jahres schon wirklich gegeben worden, kann die Herrschaft dieselben auf den Lohn

anrechnen,

wenn der Dienstvertrag im Laufe des Jahres durch Schuld des Gesindes wieder aufgehoben wird. §. 37.

Bei männlichen Bedienten, ist die Livree ein Theil des Lohns; und fällt nach

Ablauf der durch Vertrag bestimmten Zeit, denselben eigenthümlich au24 22).25 23 In Ermangelung

einer solchen Bestimmung entscheidet die Polizei-Obrigkeit wie §. 33. über die Zeit, binnen welcher die Livree verdient ist.

§. 38.

Wird außer derselben noch besondere Staats-Livree gegeben, so hat auf diese der

Bediente keinen Anspruch.

§. 39.

Mäntel, Kutscher-Pelze und dergleichen, gehören nicht zur gewöbnlichen Livree.

Dauer der §. 40. Die Dauer der Dienstzeit hängt von freier gegenseitiger Uebereinkunst bei der Dtenftzett. Bermiethung ab, doch kann Niemand sich zu einer Dienstzeit verpflichten, die nicht entweder

durch eine gewisse Anzahl von Jahren, oder Monaten, Wochen, Tagen ausgedrückt, oder doch so bestimmt ist, daß jedem Theile freisteht, nach vorgängiger Kündigung von dem Vertrage abzu­ gehn.

Wo dies dennoch geschehen seyn sollte, muß der Dienende nach vorgängiger einjährigen

Aufkündigung jederzeit entlassen werden.

Dienst-Contraete welche Eltern

oder Vormünder für

ihre Kinder oder Pflegebefohlnen abschließen, können von denselben nach erlangter Volljährigkeit unbedingt nach §. 112 aufgekündigt werden2^).

22) Hierdurch sind die Lohntaxen und Küchenzettel der alten Gesindeordnungen und Urbarien abgeschafft.

23) Gegen diese Bestimmung kann kein Rekurs Erfolg haben, weil dieselbe eine faktische Feststellung enthält, zu welcher das Gesetz die an Ort und Stelle befindliche Polizeibehörde beruft. 24) Er kann sie also auch verkaufen. Vor Ablauf der Dienstzeit aber hat der Dienstbote nur den Gebrauch und kann mithin kein Livreestück verkaufen oder versetzen. Die Zweckmäßigkeit der Bestimmung ist überhaupt zweifelhaft, und veranlaßt bei schlechtem Gesinde Streitigkeiten. Zutreffend erinnerte schon v. Grolmann gegen den gedr. Entwurf: „Um das Laufen des Ge­ sindes aus einem Dienste in den anderen zu vermeiden, wäre es wohl am besten, zu verordnen, daß weder männliches noch weibliches Gesinde von den erhaltenen Kleidungsstücken etwas mitneymen könne, wofern es nicht das ganze Dienstjahr ausgehalten hat. Sieht man solche Kleidungs­ stücke als einen Theil des Lohnes an, so will das Gesinde pro rata temporia mit der Herrschaft theilen, wobei die letztere immer verlieren muß." Suarez erwiderte: „Accedo; nur mit dem Beisatze, daß der Bediente die Livree behalte, wenn er culpa der Herrschaft oder per casum da- ganze Jahr auszuhalten verhindert worden." (Ges.Rev. Pens. 15 S. 24.) Dieser Meinung entsprechen die §§. 104—105 und 154—159 getroffenen Bestimmungen.

25) S. Anm. 9 zu §. 6. Die Bestimmung soll sagen, daß Aeltern und Vormünder nicht ermächtigt seien, ihre Kinder und Mündel- über die Dauer der Unselbstständigkeit hinaus zu öct» miethen. Es kann daher nur gemeint sein, daß der großjährig gewordene Dienstbote das Ver­ hältniß sogleich nach Eintritt seiner Großjährigkeit mit der im §. 112 bestimmten Frist aufzu­ kündigen befugt sein soll, so daß die Hinweisung auf den §. 112 sich nicht auf den dort bestimmten

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

Ist nichts Besonderes verabredet worden,

§. 41.

sinde

auf

511

so wird die Methe bei Städtischem Ge­

ein Viertel-Jahr, bei Land-Gesinde") aber auf ein ganzes Jahr

für geschloffen

angenommen. Julius und October jedes Jahres ; in sofern nicht ein anders bei der Bermiethung ausdrücklich ausbedungen worden ist.

Fällt jedoch die Antrittszeit hiernach auf einen Sonn- oder Festtag:

so zieht das Gesinde den nächsten Werkeltag vorher27 * *)28 26an. §. 43.

Bei dem Landgesinde beruht die Antrittszeit desselben zunächst auf ausdrücklicher

Uebereinkunft bei der Bermiethung; wo diese nicht statt findet, vorläufig auf der in der Gegend

üblichen Gewohnheit.

Wo diese vor jetzt nicht besttmmt entscheidet, und nach Verlauf von fünf

Jahren allgemein, ist der 2te April mit den im vorigen Paragraph angenommenen Besttmmungen wegen der Sonn- und Festtage die gesetzliche Anziehzeit").

Zeitpunkt der Kündigung (vor Ablauf der Dienstzeit), sondern auf die Kündigungsfrist bezieht. Außerdem würde diese Bestimmung des §. 40 fast ohne Inhalt sein.

26) Das O.Tr. IV meint nach seinem Pr. 2099 v. 4. Jan. 1849, Entsch. 17 S. 610, daß die Frage: ob ein Gesinde zum Land- oder Stadt- (ländlichen oder städttschen) Gesinde zu rechnen, nach dem Orte wo? nicht nach der Art wie? gedient wird, zu entscheiden sei. Damit hat das O.Tr. sich in Widerspruch gesetzt mit dem Leben, mit der Gesetzgebung (§§. 102 u. 55, und A.G.O. I. 50 §. 393 Nr. 5), und mit der herrschenden Meinung der Ausleger, als deren Vertreter der Ges.Revisor angesehen werden kann, welcher darüber sagt: „Ein Ref. in Stettin erinnert: „„Die Ausdrücke „Städtisches" Gesinde und andge finde" geben zu der Meinung Anlaß, daß unter Landgesinde alles Gesinde begriffen sei, welches im Dienste einer auf dem Lande wohnenden Herrschaft steht. Der §. 102 beweist indessen, daß daS Gesetz urfter Landgesinde nur solches versteht, welches zur Landwirthschaft gebraucht wird, dagegen auch Ge­ sinde auf dem Lande, welches nur zu häuslichen Verrichtungen bestimmt ist, zum städttschen Gesinde rechnet. Es dürste daher auch hier der Unterschied genau auszudrücken sein."" Die Bemerkung ist an sich so richttg, vaß es sogar denkbar ist, daß Jemand in der Stadt bloß länd­ liches Gesinde, und auf dem Lande bloß städtisches in seinen Diensten habe, so wie ihm auf dem Lande Jura praediorum urbanorum, und in der Stadt jura praedioruih rusticorum zusteben können. Die Gesindeordnung, die auch dem Publikum verständlich sein soll, wird daher die gesetzliche Bedeutung des sprachlich zweideutigen Wortes festzustellen haben, und zwar, da dasselbe der Kürze wegen in den folgenden §§. häufig gebraucht wird, ein für allemal, wozu hier, wo eS zuerst vorkommt, der schicklichste Platz ist. Der Begriff deS Landgefindes macht keine Schwierig­ keit; aber den des städttschen auf das zu häuslichen oder selbst zu städtischen Verrichtungen bestimmte Gesinde zu beschränken, dürste unrichttg sein. Im gesetzlichen Sinne gehört alles Ge­ sinde zum städtischen, welches nicht zum ländlichen gehört, d. h. welches nicht zur Landwirthschaft bestimmt ist." (Pens. 15 S. 28.) Demnach steht das O.Tr. ganz isolirt und ohne haltbaren Grund, d. h. eS hat Unrecht. — Vergl. Anm. 7 ju 1.2 §. 128. Auch mit anderen Gesetzgebungen ist die Meinung des Obertribunals im Widersprüche. Die Gefindeordnung für das Königreich Böhmen z. B., v. 1. Mai 1857, versteht unter dem ländlichen Gesinde das Ge­ sinde für lanowirthschastliche Arbeiten. H. Gegen das O.Tr. auch Dernburg 3. Aust. 2 S. 553 Note 8. H. Der Wirthschaftsinspektor eines Gutes darf nur nach den für das Landaesinde gegebenen gesetzlichen Vorschriften beurtheilt werden, O.Tr. I v. 29. Nov. 1861, Str. Arch. 43 S. 221.

27) Wenn also z. B. das Osterfest, wie im Jahr 1820 geschah, auf den 2. und 3. April fällt, so muß der Umzug am 1. April, d. i. am Osterheiliaabende, geschehen. Der Min. der aeistl. Angelegenheiten, der Pol. u. d. I. hatte jedoch mittelst Berf. v. 6. März 1820, mit RÜckncht darauf, daß der Umzug an diesem Sonnabende zwischen dem Charfteitage und dem Oster­ feste nicht ohne Störung der äußeren Heilighaltung des vorhergehenden und folgenden Festtages, sowie der ruhigen christlichen Vorbereitung auf das Osterfest, möglich gewesen sein würde, anaeordnet, daß der Umzug am 4. April geschehen solle. Die Anordnung gilt aber nicht für andere Fälle. Denn keine Behörde ist zur Abänderung des Gesetzes befugt, wie auch daff. Mn. aus­ gesprochen hat. Besch, v. 20. Aug. 1825, v. Kamptz, Annal. 9 S. 1058, und v. 11. Juli 1837, ebd. 21 S. 742. H. In Ostpreußen ist der Martinitag nicht, der gesetzliche Umzugstermin des ländlichen Gesindes, O.Tr. I v. 29. Nov. 1861, Str. Arch. 43 S. 221.

28) Diese findet auf Tagelöhner und Jnstleute nicht Anwendung. v. 24. Okt. 1817, v. Kamptz, Annal. 1 S. 64.

Besch, des M. des Inn.

612

Zweiter Theil.

Fünfter Titel.

§§. 1—176 (Zusätze).

a) Schlesischer Landtags-Absch. vom 2. Juni 1827.

Auf die Anträge wegen Modifikation der Ges.O. vom 8. November 1810 wollen Wir hier­ mit genehmigen, daß, da man in Schlesien auch nach Publikation des G., der Bestimmung des §. 43 desselben ungeachtet, allgemein bei dem früher üblichen Abzugstermine für das ländliche Gesinde, nämlich dem 2. Januar, verblieben ist, es daselbst noch ferner, sobald ein Anderes im Miethskontrakte nicht verabredet worden, sein Bewenden haben soll. Wir haben demnach befohlen, daß die gegenwärtige Bestimmung durch die Amtsbl. be­ kannt gemacht werde und behalten Uns vor, auf die übrigen Anträge nach der Revision des

A. L.R. Unsere getreuen Stände mit weiterer Bescheidung zu versehen. b) Allerhöchste Kabinetsorder vom 28. Juli 1842. den Umzugstermin des Landgesindes in den zum ständischen Verbände der Marken Branden­ burg und Niederlausitz gehörenden Landesth^ilen betreffend. (G.S.S. 247.) In Folge des Landtags-Abschiedes an die zum siebenten Provinzial-Landtage der Kurund Neumark Brandenburg und des Markgrasthums Niederlausitz versammelt gewesenen Stände vom 20. Dezember v. I. zu II. Nr. 11. bestimme Ich hierdurch, daß in Ermangelung besonderer Verabredung die gesetzliche Anziehezeit für das Landgefinde in den zum ständischen Verbände der Marken Brandenburg und Riederlausitz gehörenden Landestheilen der 2. Januar seyn soll, anstatt des 2. Aprils, welchen die Gesinde-Ordnung vom 8. November 1810. §. 43. verschreibt. Diese Bestimmung ist durch die Gesetz-Sammlung und durch die Amtsblätter zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

c) Allerhöchste Kabinetsorder vom 20. Februar 1846., die Anziehzeit für das Land-Gesinde in der Provinz Sachsen betreffend. (G.S. S. 150.)

In Berücksichtigung des Wunsches der zum achten Provinziallandtage der Provinz Sachsen versammelt gewesenen Stände bestimme Ich hierdurch, daß, in Ermangelung besonderer Verabredung, die Anziehzeit, für das Landgefinde in den zum ständischen Verbände der Pro­ vinz Sachsen gehörenden Landestheilen, mit Ausschluß derjenigen Theile, welche ganz vom Aus­ lande umschlossen sind, der 2. Januar sein soll, anstatt des 2. Aprils, welchen die Gesindeordnung vom 8. November 1810. §. 43. vorschreibt. — Diese Bestimmung ist durch die Gesetzsammlung und durch die Amtsblätter der Provinz Sachsen zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. §. 44. Die gesetzlichen oder nach §. 43 auf landüblichen Gewohnheiten beruhenden AntrittStage für das neue Gesinde sind zugleich die Abzugstage für das alte. Kein Gesinde darf den Dienst wider Willen der Herrschaft früher verlassen, es sey denn daß seine Dienstzeit nach aus­ drücklicher gegenseitiger Uebereinkunft früher beendigt wäre. §. 46. Nach einmal gegebenen und genommenen Miethgelde ist die Herrschaft schuldig, das Gesinde anzunehmen und letzteres den Dienst zur bestimmten Zeit anzutreten. §. 46. Weder der eine noch der andere Theil kann sich davon durch Ueberlaffung oder Zurückgabe des Miethgeldes losmachen. §. 47. Weigert sich die Herrschaft das Gesinde anzunehmen; so verliert sie das Miethgeld, und muß das Gesinde eben so schadlos halten wie auf den Fall, wenn das Gesinde unter der Zeit ohne rechtlichen Grund entlassen worden, unten verordnet roirbeö). (§. 160 sequ.) §. 48. Doch kann die Herrschaft von dem Vertrage vor Antritt des Dienstes aus eben

H. Das Gesetz, betreffend die Aufhebung der Verbote gegen das sogenannte Schäfer­ vorvieh und die besonderen Kündigungsfristen und Umzugstermine für Schäfer und deren Gesinde. Vom 17. Mai 1882. G.S. S. 305, bestimmt §. 2: „Sind in Dienstverträgen mit Schäfern und Schäferknechten Vereinbarungen über Kün­ digungsfristen und Umzugstermine nicht getroffen, so müssen die Dienstkündlgungen fortan spätestens am letzten Tage des Monats März, der Umzug am letzten Werktage des Monats Juni erfolgen."

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

513

den Gründen abgehen, aus welchen sie berechtigt seyn würde, das Gesinde vor Ablauf der Dienst­

zeit wieder zu entlasten.

§. 49.

(§. 117 sequ.)

Auch ist sie dazu berechtigt, wenn daS Gesinde zuerst den Dienst anzutreten sich

geweigert hat.

§. 60.

In beiderlei Fällen kann die Herrschaft das gegebene Methgeld zurückfordern.

g. 61.

Weigert sich das Gesinde, den Dienst anzutreten, so muß eS dazu von der Obrigkeit")

durch Zwangsmittel") angehalten werden.

Bleiben diese fruchtlos und ist die Herrschaft des­

halb genöthigt einen andern Dienstboten zu miethen,

so muß daS Gesinde nicht allein den

Schaden, welcher der Herrschaft hierdurch erwächst, ersetzen, und daS MethSgeld zurückgeben, sondern

es verfällt noch überdies in eine Strafe die nach Maaßgabe der Verschuldung auf zwei bis zehn

Thaler oder bei Unvermögenden auf verhältnißmäßiges Gefängniß festzusetzen ist. §. 62.

Kann jedoch das Gesinde nachweisen daß die Herrschaft im letzt verflossenen Dienst­

jahre sich solche Handlungen habe zu Schulden kommen lasten wodurch es nach §.§. 136—140. zur Berlaffung des Dienstes ohne Aufkündigung berechtigt werden würde; so kann daffelbe zum

Antritt des Dienstes nicht gezwungen werden, sondern ist nur gehalten, das Methgeld zurück zu zahlen. §. 63.

Wird das Gesinde durch Zufall ohne seine Schuld"), den Dienst anzutreten ver­

hindert: so muß die Herrschaft mit Zurückgabe des Methgeldes sich begnügen. §. 54.

Erhält weibliches Gesinde vor dem Antritte der Dienstzeit Gelegenheit zu heirathen:

so steht demselben frei eine andere taugliche Person zur Bersehung des Dienstes an seiner Statt

zu stellen. §. 65.

Ist es dazu nicht im Stande, so muß auch dergleichen Gesinde den Dienst in Städten

auf ein Viertel- und bei Landwirthschasten auf ein halbes Jahr antreten. §. 56.

Rur zu erlaubten Geschäften können Dienstboten gemiethet werden").

Pflichten deß

Gemeines Gesinde welches nicht ausschließend zu gewiffen bestimmten Geschäften **£!»** ** gemiethet worden, muß sich allen häuslichen Verrichtungen nach dem Willen der Herrschaft unter- Diensten, §. 57.

ziehen").

§. 68.

Allen zur herrschaftlichen Familie gehörenden oder darin in bestimmten Berhältniffen,

oder blos gastweise aufgenommenen Personen ist es diese Dienste zu leisten schuldig.

§. 69.

Dem Haupte der Familie kommt es zu, die Art und Ordnung zu bestimmen, in

welcher die zur Familie Gehörigen, oder nach §. 68. in ihr Aufgenommenen, diese Dienste gebrauchen

sollen.

§. 60.

Auch Gesinde, welches zu gewiffen Arbeiten oder Diensten angenommen ist, muß dennoch

auf Verlangen der Herrschaft andre häusliche Verrichtungen mit übernehmen, wenn das dazu bestimmte Reben-Gefinde durch Krankheit,

oder sonst, auf eine Zeitlang daran verhindert wird.

29) Es muß mithin, auch bei verweigerter Annahme, ehe Entschädigung gefordert werden kann, die Polizeibehörde um Bermittelung wegen Annahme in den Dienst angegangen werden. Bergl. die Anm. 90 u. 91. Dieser Grundsatz ist schon in dem Pr. 709 des O.Tr. Hl v. 6. Aug. 1839 angenommen, das in der gedruckten Präj.S., wohl nur aus einem Versehen, nicht mit­ getheilt, später aber in den Gründen des Pl-Beschl. v. 11. Dez. 1846 angeführt worden ist, Entsch. 14 S. 82. Die Richttgkeit deffelben wurde in einem neuen Falle wieder in Zweifel gezogen, er ist jedoch durch das Erk. veS O.Tr. I v. 27. Jan. 1868 (1867 ist ein Druckfehler) aufrecht gehalten. Entsch. 69 S. 266. 30) D. i. die Polizeibehörde.

R. v. 17. April 1812, Rabe 10 S. 658.

31) Diese bestehen in der versönlichen Gestellung des Dienstboten durch einen Polizeiagenten bei der Herrschaft. Verweigert derselbe dann die Dienstleistung oder entläuft er wieder, so kommt der -wette Theil de- §. 61 zur Anwendung; weiterer Zwang findet nicht statt.

32) Damit soll der reine Zufall bezeichnet werden; der sogenannte casus mixtus kommt nicht in Betracht. 38) Sonst ist der Berttag von Anfang null und nichttg. Anm. dazu.

Bergl. I. 4 §§. 6 ff. und die

34) Bergl. Anm. zu I. 11 §. 873.

Koch, Allgemeine- Landrecht. III. 8. Anfl.

33

514

Zweiter Theil.

Fünfter Titel.

§§. 1-176 (Zusätze).

§. 61. Wenn unter den Dienstboten Streit entsteht, welcher von ihnen diese oder jene Arbeit

nach seiner Bestimmung -u verrichten schuldig sey; so entscheidet allein der Wille der Herrschaft. §. 62.

DaS Gesinde ist ohne Erlaubniß der Herrschaft nicht berechtigt, sich m den ihm

aufgetragenen Geschäften von andern vertreten zu lasten. 8. 63.

Hat das Gesinde der Herrschaft eine untaugliche, oder verdächtige Person zu seiner

Vertretung wissentlich") vorgeschlagen: so muß eS für den durch selbige verursachte» Schaden

hasten.

§. 64.

DaS Gesinde ist schuldig, seine Dienste treu, fleißig und aufmerksam zu verrichten.

8- 65.

Fügt eS der Herrschaft vorsätzlich, oder aus groben oder mäßigen Versehen Schaden

zu: so muß eS denselben ersetzen. 8. 66.

Wegen geringen Versehen ist ein Dienstbote nur alsdann zum Schadensersätze ver­

pflichtet, wenn er wider den ausdrücklichen Befehl der Herrschaft gehandelt hat.

8- 67.

Desgleichen, wenn er sich zu solchen Arten der Geschäfte hat annehmen lassen, die

einen vorzüglichen Grad von Aufmerksamkeit oder Geschicklichkeit voraussetzen. 8- 68.

Wegen der Entschädigung zu welcher ein Dienstbote verpflichtet ist, kann die Herr­

schaft an den Lohn desselben sich halten"). 8- 69.

Kann der Schade weder aus rückständigem Lohne, noch aus andern Habseligkeiten87)

deS Dienstboten ersetzt werden: so muß er denselben durch unentgeldliche Dienstleistung auf eine verhältnismäßige Zeit vergüten. lu-er seinen

Dtensteu.

§• 70.

Auch außer seinen Diensten ist daS Gesinde schuldig, der Herrschaft Bestes zu be-

ffabettt, Schaden und Nachtheil aber, so viel an ihm ist, abzuwenden. 8- 71.

Bemerkte Untreue des Nebengesindes ist es der Herrschaft anzuzeigen verbunden.

8- 72.

Verschweigt es dieselbe: so muß es für allen Schaden, welcher durch die Anzeige

hätte verhütet werden können, bei dem Unvermögen des Hauptschuldners selbst haften88).

36) Eine unmotivirte Ausnahme von der Regel, I. 13 88- 39, 46, gleich der des 8- 76 II. 10.

36) Daran wird die Herrschaft auch durch eine schon vor der Beschädigung erfolgte gericht­ liche Beschlagnahme des Lohnes nicht gehindert. Denn die Lohnforderung ist eine künftiae und zugleich bedingte. Erfüllt der Dienstbote die Bedingung nicht, d. h. verrichtet er seine Dienste durch die ganze Zeit nicht pslichtmäßig, so kommt vie Lohnforderung gar nicht oder theilwene nicht zur Entstehung, folglich ist die Beschlagnahme in so weit gegenstandslos und die Herrschaft kann nie in den Fall kommen, mit einem Arrestanten oder Exekutionssucher über den Vorzug zu streiten: dieser hat kein besseres Recht als sein Schuldner, der Dienstbote, am Ende der

Dienstzeit. 87) An den anderen Habseligkeiten des Dienstboten hat mithin die Herrschaft ein Zurück­ behaltungsrecht, wenn der Betrag des Anspruchs an den Dienstboten größer ist als der fällige Lohn. Ein eigentliches Pfandrecht, wie eS dem Verpächter und Bermiether an den eingebrachten Sachen deS Pächters und Methers zusteht, ist eS nicht. Die neueste KonkurSgesetzgebung hat zwar den Dienstherrschaften den bisherigen gesetzlichen Titel zum Pfandrechte in dem Vermögen ihrer Hausoffizianten und Dienstboten, wegen der denselben zum Behufe ihrer Dienstverrichtunaen anvertrauten Gelder und Effekten (A.G.O. I. 60 8. 440) erhalten, Einf.Ges. zur KonkDron. v. 8. Mai 1866 Art. XI Nr. 3 (H. welcher alS eine Vorschrift des materiellen Rechts nicht aufgehoben ist) aber das frühere Vorzugsrecht der V. Klaffe genommen. H. Bei Streitigkeiten über die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch die Herrschaft sind die Polizeibehörden nicht zuständig, die erstere an der Ausübung ihres Rechts zu hindern, O.V.G. I v. 26. März 1881, Entsch. 7 S. 376. 38) Der Satz ist gegen die allgemeine Regel und wird durch die Eigenthümlichkeit der Berhältniffe gerechtfertigt. Nach dem Vorschläge einer Privatperson bedrohte der gedr. Entwurf das Verschweigen sogar mit der Strafe des Vergehens selbst. Hiergegen erinnerte ein Monent: „In der Theorie ist dies zwar gut; wer aber die Diensthistorien kennt, wird zugeben, daß eS

in einzelnen Fällen fast immer unanwendbar ist. Denn die über einen Dienstboten, der solche Anzeige macht, ergehenden Verfolgungen sind unbeschreiblich. Monent würde wenigstens d« Mtschuld nicht statuiren, sondern etwa die Herrschaft berechtigen, dem nicht anzeigenden Dienst­ boten einen Theil des Lohnes abzuziehen." Das Monitum ist zutreffend. Suarez meinte jedoch, das Argument sei nicht haltbar; „aber," fügte er hinzu, „als complicem delicti würde

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes. §. 73.

516

Allen häuslichen Einrichtungen und Anordnungen der Herrschaft muß das Gesinde

sich unterwerfen. §. 74.

Ohne Vorwissen und

Genehmigung der Herrschaft darf es sich auch in eigenen

Angelegenheiten vom Hause nicht entfernen"). §. 75.

Die dazu von der Herrschaft gegebene Erlaubniß darf nicht überschritten werden.

§. 76.

Die Befehle der Herrschaft und ihre Verweise, muß das Gesinde mit Ehrerbietung

und Bescheidenheit annehmen.

§. 77.

Reizt das Gesinde die Herrschaft") durch ungebührliches Betragen zum Zorn, und

wird in selbigem von ihr mit Scheltworten, oder geringen Thätlichkeiten behandelt, so kann eS

dafür keine gerichtliche Genugthuung fotbetn41 * *).* 39 40

ich doch ein solches verschweigendes Gesinde noch nicht ansehen, sondern ihm nur den Ersatz deS Schadens, welcher durch die Anzeige hätte verhütet werden können, zur Pflicht machen." (Gef.Rev. Pens. 15 S. 36.) 39) Das gegen diese sehr gewöhnliche Dienstwidrigkeit der Herrschaft gegebene Mittel ist unzureichend utw verwickelt sie überdies in Prozesse, welche, wenn die Herrschaft, was augen­ scheinlich nicht möglich ist, sich nicht den Bewers der wiederholten Verwarnung (§. 129) sichert, einen ungünstigen Ausgang für sie haben und mit der Verurteilung derselben zur Entschädigung des liederlichen Gesindes enden. 40) Findet zwischen der Herrschaft und dem Hofgesinde keine Kommunikation statt, so muß der Wirthschastsinspektor und die Inspektorin, dem Gesinde gegenüber, als deffen Herrschaft be­ trachtet «erden, folglich bei Injurienklagen des Gesindes gegen diese Personen der 8. 77 zur Anwendung kommen. Erk. des O.Tr. Sen. f. Strafsachen v. 8. Juni 1859, Str. Arch. 35 S. 84, wiederholt im Erk. deff. Sen. (I. Abth.) v. 3. Febr. 1860, Goltdammer, Arch. 8 S. 278. Hierdurch wird der frühere Ausspruch in einem Erk. v. 3. Juli 1853 (Str. Arch. 10 S. 72), daß der §. 77 strikte zu interpretiren sei und daher weder den Mttgliedern der Familie der Herrschaft, noch einem sonstigen Vorsteher der Wirthschaft zu Statten komme — die zweite Alternative ist überhaupt zu bestreiten — modifiztrt. H. Die Vorschrift des §. 77 ist durch das Deutsche Strafgesetzbuch weder aufgehoben noch modifizirt, Erk. deff. Sen. u. ders. Abth. v. 18. Okt. 1872, Entsch. 67 S. 64*; Str. Arch. 86 5. 284. 41) Ein Züchtigungs- oder Straftecht hat die Herrschaft gegen gemiethetes Gesinde nicht. DaS sagt auch der Besch, des M. des I. u. der Pol. v. 7. Nov. 1833, v. Kamptz, Annal. 17 6. 1000. Das Gesetz will aber auch nicht, daß das Gesinde für Scheltworte und leichte Schläge unbedingt Genugthuung fordere; eS soll ihm kein Klagerecht zusteben, wenn die Herrschaft im Zorne geschlagen hat und durch ungebührliches Betragen des Gesindes dazu gereizt worden ist. Diese Bedingung hat die Natur einer Exzeptton. Die Klage ist wegen Schläge (nicht wegen Schette, s. d. folg. Anm.) an sich begründet; die Herrschaft kann sie aber durch den Einwand deS ungebührlichen Betragens und ihres dadurch verursachten zornmuthigen Zustandes entkräftenDanach bestimmt sich die Beweislast, unter welcher die Herrschaft in den meisten Fällen gegen verschmitztes Gesinde zu kurz kommen muß. So hat auch das O.Tr. das Verhältniß aufgefaßt. Daffelbe sagt in einem Erk. v. 13. Dez. 1867: „Der Angeklagte irrt, wenn er annimmt, daß der g. 77 der Gesinde-Ordnung der Dienstherrschaft ein wirkliches Züchtigungsrecht gegen das Gesinde zuspreche. Dem widerspricht der Wortlaut jener Vorschrift und die Entstehungsgeschichte derselben. DaS Gesetz läßt vielmehr den Umstand, daß die Dienstherrschaft durch das Betragen deS Gesindes zum Zorne gereizt sei, als einen Entschuldigungsgrund gelten, deffen Berück­ sichtigung indeß lediglich dem Ermeffen des Richters nach den Umständen des Falles zustebt." — Dieser künstliche Mittelweg zwischen Klagerecht und Schutzlosigkeit fand schon bei der Abfaffung des L.R. Widerspruch; das unbedingte Züchtigungsrecht der Herrschaft fand mehrere Dercheidiger und ist auch nicht abzuweisen, wenn das Gestndeverhältniß alS ein ZustandSverhältniß, waS es nach seiner überwiegenden Beschaffenheit in der That ist, aufgefaßt und be­ säuselt wird, wie es im L.R. geschieht. Denn alsdann muß daS Gesinde nothwendig unter die häusliche Botmäßigkeit des Hausherrn fallen, und keine Botmäßigkeit kann gedacht werden ohne daS zur Geltendmachung erforderliche Maß von Selbsthülfe. Mit dieser Gewalt über die ihr unterworfene Person ist es ganz unverträglich, dieser Person eine Injurienklage gegen den Herrn zu geben. Ein Monent sagte, zwar unter Beifügung unjuristischer Gründe, aber in der Sache selbst doch ganz richtig, gegen den Entwurf: „Es sollte kategorisch festgesetzt werden, daß daS Gesinde dafür keine Genugthuung fordern könne, sonst werden Untersuchungen über die Leranlaffung und Rechtmäßigkeit des Verfahrens der Herrschaft angestellt, und daS Gesetz ver­ eitelt. Die Herrschaft hat der Regel nach bessere Erziehung, alS das Gesinde, und letzteres

516

Zweiter Theil.

§. 78.

Fünfter Titel.

§§. 1—176 (Zusätze).

Auch solche Ausdrücke oder Handlungen die zwischen andern Personen als Zeichen

der Geringschätzung anerkannt find, begründen gegen die Herrschaft noch nicht die Vermuthung**), daß sie die Ehre des Gefindes dadurch habe kränken wollen. §. 79.

Außer dem Falle, wo das Leben oder die Gesundheit deS Dienstboten durch Miß-

handlungen der Herrschaft in gegenwärtige und unvermeidliche Gefahr geräth, darf er sich der Herrschaft nicht thätig widersetzen.

§. 80.

Vergehungen des Gesindes gegen die Herrschaft

müssen durch Gefängniß oder

öffentliche Strafarbeit nach den Grundsätzen des Kriminal-Rechts geahndet werden.

§. 81.

Auf die Zeit, durch welche das Gesinde wegen Erleidung solcher Strafen seine

Dienste nicht verrichten kann, ist die Herrschaft befugt, dieselben durch Andre auf deffen Kosten besorgen zu lassen.

Pflichten der §. 82. Die Herrschaft ist schuldig, dem Gesinde Lohn und Kleidung zu den bestimmten Herrschaft. ßtitcn43) ungesäumt zu entrichten. §. 83.

werden.

Ist auch Kost versprochen worden, so muß selbige bis zur Sättigung gegeben

Offenbar der Gesundheit nachtheilige und ekelhafte Speisen kann das Gesinde anzu­

muß stets in einer Art von Subordination (Willkür) der ersteren stehen. Die Herrschaft scheuet sich, wegen ihres Betragens gegen das Gesinde in gerichtliche Untersuchung zu kommen, das Gesinde aber glaubt sie dadurch herabzusetzen." Herr v. Grolmann fügte zustimmend bei: „Sfr sehr erheblich. Man muß dem Hausvater und der Hausmutter das Recht beilegen, das Gesinde durch mäßige Züchtigungen zum Gehorsam, zur Ordnung und sittlichen Aufführung an­ zuhalten. Das Recht, welches hierin Aeltern gegen ihre Kinder haben, muß man den Herr­ schaften gegen das Gesinde beilegen. Dies erfordert die Ordnung im Hauswesen, dies bessert selbst den moralischen Charakter des Gesindes, welches zumal auf dem Lande mehrentheilS

schlecht erzogen ist, und sich durch bloße Worte nicht regieren läßt. Nur Ausschweifungen der Herrschaft müssen dabei verhütet werden, und da der Zorn zu Ausschweifungen verleitet, so wäre es selbst gut, wenn das Gesetz desselben nicht gedächte. Nur Besserung sei der Zweck der Herrschaft, mcht Kühlung des Zornes." Suarez war jedoch damit nicht emverstanden und erwiderte: „Das Züchtigungsrecht kommt der Herrschaft gegen bloß gemiethetes Gesinde nicht zu. Ihr Verhältniß entsteht bloß aus dem Kontrakte, und in diesem liegt nichts, was der Herrschaft eine solche potestatem correctoriam über das Gesinde beilegte. Ein Strafrecht wird man ihr wohl noch weniger zugestehen wollen, und mit welchem Rechte kann man einen arnwn Dienstboten der Laune seines boshaften oder hypochondrischen Herrn, der ihn täglich mit Ohrfeigen ohne allen Grund regalirt, preisgeben? Der 8. ist so vorsichtig und bedachtsam gefaßt, daß er zwischen beiden Extremis die richtige Mittelstraße hält, und dem arbitrio judicis, das sich ohnehin immer mehr auf die Seite der Herrschaft neigen wird, Raum genug läßt, danöthige Ansehen derselben zu mainteniren." Es blieb daher nicht nur beim Entw., sondern es wurde auch noch konkludirt, „daß bei Scheltwörter: immer darauf gesehen werden solle: ob solche eine bloße Aeußerung des Unwillens, oder die Absicht zu beleidigen involviren," weshalb man den 8. 78 hinzufügte. (Ges.Rev. Pens. 15 S. 37.) Die rechtliche Natur des Verhältnisses, und was voraus folgt, ist hiernach gar nicht in Betracht gezogen worden. Nach der von Suarez geltend gemachten Ansicht ist die ganze G.O. widersinnig: „bloß aus dem Kontrakte" folgt auch keine Ehrerbietung und Unterwürfigkeit des Gesindes gegen die Herrschaft, wie auch keine Verpslichtung der Herrschaft zur Kur und Pflege des Gesindes (Anm. 44); und die G.O. steht Nicht allein an einem unpassenden Orte, sondern ist auch überflüssig, da ein paar Sätze in I. 11 völlig ausreichend gewesen sein würden, wie wir es im franz. GB. sehen. Bei der Abfassung der Gesindeordnung von 1810 hat sich der Meinungsstreit für und wider das Züchtigungsrecht wiederholt, und es ist schließlich die Bestimmung des L.R. unverändert beibehalten worden. (Ges.Rev. a. a. O.) Vergl. die folg. Anm.

42) Die Fassung dieser Bestimmung ist anders ausgefallen, als der Beschluß lautete. S. die vor. Anm. Danach muß die auf diesen 8. gestützte Injurienklage wegen mündlicher Be­ leidigung anders begründet werden, als die auf Grund des §. 77 wegen Schläge: das Gesinde muß Umstände und Beweismittel angeben, welche beweisen, daß die Ausdrücke und Handlungen lediglich m der Absicht: das Gesinde ohne Ursache zu beleidigen, gebraucht worden sind. Auß«edem muß die Klage per Decretum zurückgewiesen werden. Zu vergl. Besch, des Min. der Justiz u. des Innern v. 12. Juli 1845, M.Bl. d. i. V. S. 221. 43) Ist über diese nichts verabredet, so pflegt man den Lohn vierteljährlich zu bezahlen. Vergl. §. 33.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

517

nehmen, nicht gezwungen werden. In Fällen, wo über die Beköstigung Streit entsteht, entscheidet in Ermangelung bestimmter Verabredung die Polizei-Obrigkeit wie §. 33., über die Menge und Beschaffenheit derselben.

§. 64.

Die Herrschaft muß dem Gesinde die nöthige Zeit zur Abwartung des öffentlichen

Gottesdienstes lassen, und dasselbe dazu fleißig anhallen. §. 86. nach

Sie muß ihm nicht mehrere noch schwerere Dienste zumuthen, als das Gesinde

seiner Leibes-Beschaffenheit und

§. 86.

Kräfte

ohne Verlust seiner Gesundheit bestreiten kann.

Zieht ein Dienstbote sich durch den Dienst oder bei Gelegenheit deffelben eine

Krankheit zu, so ist die Herrschaft schuldig, für seine Kur und Verpflegung zu sorgen").

44) Dieser aus dem L.R. unverändert aufgenommene Satz ist nach Suarez' Auffassung des Gesindeverhältnifles, als eines bloß obligatorischen Vertragsverhältnisses (Anm. 41), eine Ano­ malie, welche der Herrschaft drückende Lasten aufbürden, selbst den Ruin bereiten kann. Der Ges.Rev. erzählt den Fall, daß der Knecht eines Bauern sich (im 1.1826) bei einer Dienstarbeit nn Bein gebrochen habe, und daß wegen der Forderung des Wundarztes von 70 Rthlrn. Haus und Hof des Bauern fubhastirt werden mußte, wenn mcht der König den Betrag auf StaatSkaffen angewiesen hätte. (Pens. 15 S. 49.) Man ist weder über das anomale Prinzip, noch über dessen Anwendung einerlei Meinung. Zuerst giebt es eine Meinung, welche von dem Ges.Rev. a. a. O. vertreten wird, nach welcher es auf das eigene Versehen des Dienstboten, welcher (ich eine Verletzung zuzieht, gar nicht ankommen soll. Sonderbare Logik: Wenn der Dienstbote einem Herrn eine Verletzung aus Versehen im Dienste zugefügt, so muß er dafür aufkommen (88- 66-^67); wenn er aber sich selbst beschädigt, so soll er dcü>urch den Herrn verbindlich ge­ macht haben! Darauf ist weiter nicht einzugehen. Die Richter haben auch in einem zweiten a. a. O. erzählten Falle, wo eine Magd (i. 1.1823) durch einen Fall auf dem Hofe, über welchen sie mit einer Schürze Holz ging, eine Verletzung an der Kniescheibe erhalten, von welcher sie in der Charite geheilt worden war, den Einwano, daß die Magd durch eigene Unvorsichtigkeit Schaden gelitten, für zulässig und erheblich gehalten. Ein mir (i. 1.1849) vorgekommener Fall war, wo eine Magd beim Erntreiben des Viehes von dem Stammochsen schlimm beschädigt worden war. Auch hier hatten die Richter beider Instanzen den bedeutenden Entfchädtgungs- und Heilungskosten-Anspruch auf Grund des Einwands, daß die Magd den zeitigen Zuruf, auSzuweichen, unbeachtet gelassen hatte, abgewiesen. Das O.Tr. hat in der Entsch. v. 26. April 1844 diesen Grundsatz gleichfalls angewendet, Jur. Wochenschr. 1844 S. 619. Auch in dem Erk. v. 6. März 1866, Str. Arch. 15 S. 367, spricht der IV. Sen. aus, daß die Herrschaft nicht unter allen Umständen für die Kur des im Dienste erkrankten Gesindes verpflichtet sei; vielmehr eS auf die Frage ankomme: in wiefern dem Dienstboten selbst ein vertretbares Versehen zur Last falle. — Weiter ist es ungewiß: ob die an sich begründete Verbindlichkeit der Herrschaft mit dem Ende der Dienstzeit erlischt, oder über dieselbe bis zu gänzlicher Heilung und Wiederher­ stellung der Arbeitsfähigkeit, also allenfalls auf die Lebenszeit des Gesindes, fortdauert. In dieser Hinsicht sind zu unterscheiden die Krankheiten, auf welche sich dieser 8- 86 bezieht, von denjenigen, worüber der §. 88 Bestimmung trifft. Daß die Fürsorge für erkrankte Dienstboten, die nicht durch den Dienst oder bei Gelegenheit deffelben krank geworden sind, nur subsidiarisch (§. 88) eintritt und nicht über die Dienstzeit hinaus dauert, sagt der §. 92 ausdrücklich. Be­ zweifelt wird nur: ob dieses letztere auch in den Krankheitsfällen des 8- 86 gilt. Nach der Fassung des 8- 86 ließe sich unbedingt das Gegentheil behaupten, die Absicht der Verfasser ist jedoH eine andere gewesen. Suarez selbst war der Meinung, daß die Verbindlichkeit der Herrschaft ohne Unterschied mit der Dienstzeit endigen müsse. Er sagte darüber: „Wenn der Dienstbote sich die Krankheit in seinem Dienste oder occasione deffelben zugezogen hat, so sollte sich die Pflicht der Herrschaft, für ihn zu sorgen, billig auch über die Dienstzeit hinaus erstrecken. Wenn die Krankheit von der Art ist, daß sie in nicht gar langer Zeit zur Wiederherstellung oder Tod entschieden sein muß, so könnte man die Verbindlichkeit oer Herrschaft ohne Bedenken bis zu dieser Entscheidung extendiren. Bei morbis chronicis aber hat es mehr Schwierigkeiten, da es doch auch sehr schwer für die Herrschaft sein würde, einen solchen Menschen lebenslang zu ernähren. Ich würde in diesem Falle die Pflicht zur Alimentation zwischen der Herrschaft und den dazu schuldigen und vermögenden Verwandten, oder wenn dergleichen Verwandte nicht vor­ handen find, zwischen der Herrschaft und dem Staate theilen." Am Rande steht jedoch: „Ceasat, vid. tarnen Sachenrecht pag. 434 §§. 56, 57." (Rev. mon. Mater. Bd. 80. Abschr. Bd. II f. 686 v.) Dort im Sachenrechte, und zwar im Abschn. von Vollmachtsaufträgen, finden sich fol­ gende Bestimmungen in Betreff der Frage: g. 66. Unglücksfälle, welche den Bevollmächtigten bei Ausrichtung des Geschäfts treffen, ist der Machtgeber nur in so fern zu vergüten schuldig, als er dazu auch nur durch ein geringeVersehen Anlaß gegeben hat.

Zweiter Theil.

518

Fünfter Titel.

§§. 1—176 (Zusätze).

§. 87.

Dafür darf dem Gesinde an seinem Lohne nichts abgezogen werden").

§. 88.

Außerdem ist die Herrschaft zur Vorsorge für kranke Dienstboten nur alSdann

verpflichtet, wenn dieselben keine Verwandten in der Nähe haben, die sich ihrer anzunehmen vermögend und nach den Gesetzen schuldig sind").

§. 57. Doch muß der bloß zufällige Schade auch alsdann vergütet werden, wenn der Bevollmächtigte die bestimmte Vorschrift deS Machtgebers, ohne sich der Gefahr einer solchen Beschädigung auszusetzen, nicht hat befolgen können. Diese Bestimmungen finden sich im L.R. I. 13 §§. 80—81, und auf dieselben ist durch den in Folge dieses concl. hinzugefügten §. 94 d. T. verwiesen. (Konkl. zum umg. Entw. Mater. Bd. 82, f. 66 §. 97. Ges.Rev. Pens. 15 S. 49.) Hieraus ergiebt sich, daß das „cessat“ nur auf den Theil des Suarez'schen Votums geht, welcher einen Theil der Alimente dem Staate aufzulegen vorschlug, und daß die §§. 92 u. 94 als nähere Bestimmungen unseres ß. 86 zu be­ trachten find, wonach auch diejenigen Krankheiten oder Verletzungen, welche der Dienstbote sich durch den Dienst oder bei Gelegenheit desselben ohne seine Schuld zuzieht, nur unter den im §. 94 angegebenen Voraussetzungen die Herrschaft über die Dienstzeit hinaus verpflichten. So versteht auch das O.Tr. nach dem Erk. v. 26. April 1844, Jur. Wochenschr. 1844 S. 619, und das Erk. d. L Sen. v. 14. Juni 1861 (H. u. v. 21. Juni 1875), Entsch. 46 S. 228; Str. Arch. 42 6; 126 u. 94 S. 83, diese Bestimmungen, welche in die Ges.Ordn. unverändert ausgenommen sind. (H. Uebereinstimmend auch Dernburg 3. Aufl. 2 S. 556 Note 20.) Eine thatsächliche Schwierigkeit machen die sogenannten inneren Krankheiten in Beziehung auf die Frage: ob sie durch den Dienst oder „bei Gelegenheit desselben" zugezogen find. „Bei Gelegenheit desselben" heißt doch nichts anderes, als bei Verrichtung des Dienstes. Wenn nun z. B. ein Knecht beim Pflügen zum ersten Male vom kalten Fieber befallen wird, so läßt sich doch schwerlich behaupten, daß er sich dasselbe bei Gelegenheit des Dienstes zugezogen habe, vielmehr ist es fast bis zur Gewißheit wahrscheinlich, daß die Zuziehungsursache in der Vergangenheit und in irgend einem Diätfehler oder einer anderen Unvorsichtigkeit liege. 45) Die Bestimmung bezeichnet ganz richtig nur den Abzug vom Lohne, ohne des anderen Vermögens zu gedenken, was der Dienstbote noch hat. Denn es wird hier nicht von einer dem Dienstboten obliegenden Ersatzverbindlichkeit, sondern davon gehandelt, welche Pflichten der Herr­ schaft gegen den Dienstboten aus dem Kontrakte obliegen: sie muß das erkrankte Gesinde heilen lasten um> wird ihrerseits von der Verbindlichkeit, den Lohn zu zahlen, nicht befreit, wenn auch der Dienstbote nicht arbeiten kann. Von einem Ersätze der Kurkosten aus dem übrigen Ver­ mögen des Dienstboten oder von der Verbindlichkeit deffelben ist gar nicht die Rede; im Gegen­ theile : es wird die Verbindlichkeit der Herrschaft gegen den Dienstboten näher bestimmt. H. Eben so d. O.Tr. IV Erk. v. 3. Febr. 1862, Str. Arch. 44 S. 188. 46) Vergl. Anm. 44 zu §. 86. Nach einem Besch, v. 5. Nov. 1811 ist das Justizministerium mit dem Min. d. I. und der Pol. Über den Grundsatz übereingekommen, daß, wenn das Gesinde durch einen Zufall erkrankt, der nicht in den Dienstleistungen seinen Grund hat (d. h. wenn der Krankheitsfall nicht unter die Bestimmung des §. 86 fällt), die Herrschaft, nach der Absicht des Gesetzes, zu nichts weiterem gehalten sei, als zu derjenigen Geldverpfiichtung, welche aus ihren Kontraktsverhältniffen folgt; und ihr alsdann nur die Vorsorge obliege, daß das erkrankte Gesinde gehörig untergebracht werde. (Mannkopf, A. L.R. 3 S. 323.) Die Frage aber ist: was für eine Geldverpfiichtung ist es, welche aus den Kontraktsverhältniffen für die Herrschaft folgt? Ein Besch. deS Min. d. I. v. 19. März 1830 sagt: Der Brodherr müsse nach §. 88 die Berpflegungskosten vorschießen, v. Kamptz, Annal. 14 S. 157. Die Beitreibung dieses Vorschusses ist Sache der Polizeibehörde. Wenn aber ein Anderer die Verpflegung und Heilung besorgt, d. h. den Vorschuß übernommen hat, so hat dieser, selbst wenn mit Vorbehalt gehandelt worden wäre oder sonst der Fall nicht nach §. 1043 I. 11 des L.R. beurtheilt werden könnte, keinen Anspruch an den Brodherrn, und jedenfalls ist diese Sache eine Justizsache. Es versteht sich übrigens, daß der §. 88 Armuth des Dienstboten voraussetzt: hat er selbst Mittel, so ist kein Anderer zu Vorschüffen verbunden. Eine weitere Frage ist es: ob der Dienstbote, welcher durch eine solche Krankheit, auf welche der §. 88 sich bezieht, verhindert wird, die schuldigen Dienste zu leisten, den vollen Lohn fordern kann. Gemeinrechtlich ist es von Einigen verneint worden (Struben 3 S. 248), während Andere (Leyser, Med. sp. 212 m. 5; Kind, Quaest. II c. XXII; Hommel, Rhaps. 332) es bejahen; auch ist von preuß. Gerichten (z. B. von dem O.L.G. zu Marienwerder in einem Falle v. I. 1829) nach der ersten Meinung gegen das Gesinde entschieden worden. Nach den Grundsätzen des L.R., welches das Gesindeverhältniß zu den standesrechtlichen zählt (nach den Grund sätzen der bloßen Dienstmiethe ist die andere Meinung die richtige), muß aber die Frage bejaht werden: die Herrschaft muß den Lohn entrichten, sie kann aber ihren Vorschuß abziehen. (§. 91.) Doch ist die Verbindlichkeit der Herrschaft durch den Betrag des Lohnes keineswegs begrenzt; sie muß leisten, selbst wenn der Dienstbote den Lohn schon vorweg erhalten hätte.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes. §. 89.

519

Weigern sich die Verwandten dieser Pflicht; so muß die Herrschaft dieselbe einst­

weilen, und bis zum Austrage der Sache, mit Vorbehalt ihres Rechts, übernehmen4^). §. 90.

Sind öffentliche Anstalten vorhanden, wo dergleichen Kranke ausgenommen werden:

so muß das Gesinde es sich gefallen lassen, wenn die Herrschaft seine Unterbringung daselbst veranstaltet4S).

§. 91.

In dem §. 88. bestimmten Falle kann die Herrschaft die Kurkosten von dem auf

diesem Zeitraum49 47)*48 *fallenden 52 * * * * * *Lohne ** des kranken Dienstboten abziehen. §. 92.

Dauert eine solche Krankheit über die Dienstzeit hinaus: so hört mit dieser die

äussere"') Verbindlichkeit der Herrschaft auf, für die Kur und Pflege des kranken Dienstboten zu sorgen4'). §. 93.

Doch muß sie davon der Obrigkeit des Orts in Zeiten Anzeige machen, damit

diese für das Unterkommen eines dergleichen verlassenen Kranken sorgen könne 61).

47) D. h. sie hat von keinem Menschen Erstattung zu fordern, wenn die Verwandten des armen Dienstboten solche sind, welchen keine Alimentationsverbindlichkeit gesetzlich obliegt. Die Herrschaft muß sich an den Orts-Armenverband halten, damit ihr der kranke Dienstbote als Ortsarmer abgenommen werde. 48) Auch in einem solchen Falle, welcher nach der Bestimmung des §. 86 zu beurtheilen ist. — „Die Dienstherrschaft, welche einen kranken Dienstboten in cm öffentliches Krankenhaus unterbringt, ist auch für die Dauer der Dienstzeit die Kurkosten zu übernehmen verbunden, selbst wenn die Krankheit nicht durch den Dienst, oder bei Gelegenheit desselben, entstanden ist." Grk. des O.Tr. I v. 24. Febr. 1864, Entsch. 27 S. 160. 49) Zu vgl. Anm. 46 Abs. 3. „Auf diesen Zeitraum", d. h. auf die Dauer der Krankheit. In dem gedr. Entw. fehlen diese Worte, und Suarez bemerkte: „In dem §. liegt eine Zweideutigkeit. Findet der Abzug nur von dem kurrenten, oder auch von dem rückständigen Lohne statt? Ich würde ersteres annehmen. Denn den Lohn der verflossenen Zeit war die Herrschaft zurückzuhalten nicht befugt, und rann also auch aus ihrer gesetzwidrigen Handlung keinen Vortheil ziehen." Deshalb wurden jene Worte eingeschaltet. (Ges.Rev. Pens. 15 S. 64.) Der Zusatz ist aber gewichtloS. Denn gewiß ist, daß die Herrschaft nur vorzuschießen braucht, und daß das Gesinde Hauptschuldner ist. Wenn dasselbe also noch eine Forderung an rückständigem Lohne hat, so ist nicht sind bar, warum die Herrschaft sich daraus nicht, wohl aber aus anderen Bermögensstücken des Gesindes bezahlt zu machen berechtigt sein soll. 60) Das soll heißen: die civilrechtliche oder „vollkommene" Verbindlichkeit, im Gegensatze zur moralischen. 61) Die Verpflichtung der Herrschaft, für Kur und Verpflegung eines Dienstboten zu sorgen, der sich durch chren Dienst oder bei Gelegenheit desselben eine Krankheit oder Arbeits­ unfähigkeit zugezogen hat, endet also mit der Dienstzeit, reicht aber nicht über dieselbe hinaus. Bon dieser Regel gilt unter den im §. 94 bezeichneten Umständen, deren Vorhandensein der Dienstbote beweisen muß, eine Ausnahme. Erk. des O.Tr. I v. 14. Juni 1861, Entsch. 46 S. 229; Str. Arch. 42 S. 126. B. §. 92 ist als eine gemeinsame Regel für die Dauer der Fürsorge in allen Fällen an­ zusehen, wenn die Herrschaft überhaupt eine solche für den erkrankten Dienstboten, mag es in dem größeren Umfang nach §. 86 oder in dem geringeren nach §. 88 sein, gesetzlich obliegt. O.Tr. I v. 21. Juni 1875, Str. Arch. 94 S. 83. 52) Zu diesem Zwecke ist die Errichtung von Gesinde-Krankenanstalten in Antrag ge­ kommen, wozu die Kosten durch Beiträge des Gesindes aus ihrem Lohne aufgebracht werden sollten. Darauf ist folgende K.O. v. 9. Aug. 1827 ergangen: „Ich trage Bedenken, Sie nach Ihrem Anträge zur Bewilligung einer auf das Gesinde in den Städten beim Antritte oder Wechsel des Dienstes zu legenden Abgabe, behufs der Verpflegung kranker Dienstboten in städtischen Krankenanstalten, allgemein zu autorisiren. Nur in so fern will Ich Ihnen die Auto­ risation ertheilen, eine solche Abgabe bis zum Maximum von 5 Sgr. auf den Antrag der städtischen Behörde zu bewilligen, als die Verwendung zur Begründung oder zur Erweiterun­ einer für die Dienstboten des betreffenden Orts ausschließlich bestimmten Krankenanstalt geschieht. Die für das Gesinde-Krankeninstitut zu Brieg nachgesuchte Abgabe ä 2l/e Sgr. können Sie hiernach sofort genehmigen, auch diesem gemäß auf anderweitige Anträge derselben Art ver­ fahren. Jbren Vorschlag rücksichtlich der Kontrole genehmige Ich dahin, daß die Dienstherr­ schaft, bei 1 Thlr. Strafe zur Kaffe des Gesinde-Krankeninstituts, verpflichtet sein soll, von dem antretenden Dienstboten die Quittung über die an die städtische Polizeibehörde geleistete Zahlung der Abgabe sich vorzeigen zu lassen. Ich überlasse Ihnen hiernach das Weitere zu verfi^en."

(v. Kamptz, Annal. 11 S. 697.)

520

Zweiter Theil. §. 94.

Fünfter Titel.

88- 1—176 (Zusätze).

Unter den Umständen, wo ein Machtgeber einen dem Bevollmächtigte« bei Aus­

richtung der Geschäfte durch Zufall zugestoßenen Schaden vergüten muß, ist auch die Herrschaft schuldig für das in chrem Dienste oder bei Gelegenheit desselben -u Schaden gekommene Gesinde

auch über die Dienstzeit hinaus zu sorgen58). §. 96.

(Theil 1. Tit. 13. §. 80—81).

Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nur auf die Kur-Kosten und auf den nothdürftigen

Unterhalt des Gesindes, so lange bis dasselbe sich sein Brod selbst zu verdienen wieder in den

Stand kommt.

8- 96.

Ist aber der Dienstbote durch Mißhandlungen der Herrschaft ohne sein grobes

Verschulden55), an seiner Gesundheit beschädiget worden: so hat er pon chr vollständige Schadlos­

haltung nach den allgemeinen Vorschriften der Gesetze zu fordern.

§. 97.

Auch für solche Beschimpfungen und üble Nachreden55), wodurch dem Gesinde sein

künftiges Fortkommen erschwert wird, gebührt demselben gerichtliche Genugthuung.

8- 98.

In wiefern eine Herrschaft durch Handlungen des Gesindes in oder außer seinem

Dienste, verantwortlich werde, ist gehörigen Orts bestimmt.

(Theil 1. Tit. 6. §. 60 sequ.)M).

Aufhebung §. 99. Stirbt ein Dienstbote: so können seine Erben Lohn und Kostgeld nur so weit träges^durchfordern, als selbiges nach Verhältniß der Zeit bis zum Krankenlager5^) rückständig ist.

den rod.

§. 100.

Begräbnißkosten ist die Herrschaft für das Gesinde zu bezahlen58) in keinem Falle

schuldig. 8- 101.

Stirbt das Haupt der Familie; so sind die Erben nicht gehalten, das Gesinde

länger, als bis zur nächsten gesetzlichen Ziehzeit §. 32. 33. 34. zu behalten, wenn auch durch besonderen Vertrag eine längere Dienstzeit festgesetzt wäre58).

63) S. Anm. 44 zu §. 86. H. Erk. des O.Tr. I v. 13. Okt. 1871, Str. Arch. 84 S. 56: Die Herrschaft ist dazu ververpflichtet: a) wenn sie zu einem solchen Unglücksfalle auch nur durch ein oetinged Begehen Anlaß gegeben und b) auch bei bloß zufälligem Schaden, wenn das Gesinde dre bestimmte Vorschrift der Herrschaft nicht hat befolgen können, ohne sich der Gefahr einer solchen Beschädigung auszusetzen. 64) Ein solches wäre wohl ohne Zweifel ein thätlicher Angriff des Gesindes auf die Person des Brotherrn. Aber bloßer Ungehorsam oder wörtliche Beleidigung können wohl in keinem Falle Beschädigungen an der Gesundheit durch Mißhandlungen des Gesindes ent­ schuldigen. 66) Zu vergl. §. 173. Es versteht sich, daß ein schlechtes Abgangszeugniß die Herrschaft nicht verantwortlich macht, wenn nicht das Gesinde das Gegentheil nachwerset. Denn das Zeugniß gilt eben als Zeugniß. 66) Hinsichtlich der Steuerkontraventionen enthalten die Zoll- und Steuergesetze besondere Bestimmungen. Bei Polizeiübertretungen kommen die allgemeinen Grundsätze des StraftechtS zur Anwendung. Zu vergl. der Besch, des Min. des Inn. und der Pol. v. 11. Jan. 1838 (v. Kamptz, Annal. 22 S. 161), und v. 26. April 1829 (ebd. 13 S. 327). Doch wird in dem letzteren ausgeführt, daß dieser Grundsatz sich hinsichts der Gewerbetreibenden und der auf ihren Gewerbebetrieb sich beziehenden Kontraventionen nicht uzrbedingt durchführen lasse, weshalb wegen solcher Kontraventionen, in so fern sie von Eheftauen, Kindern oder Dienstboten der Gewerbetreibenden begangen worden, den Umständen nach auch auf die Ehemänner oder Dienst­ herren -urückgegangen werden könne. Der Fall, auf welchen hiervon Anwendung gemacht wurde, betraf einen Schenkwirth, welcher in der Nacht Gäste ausgenommen und bewirthet hatte, und sich damit entschuldigte, daß seine Eheftau diese Uebertretung begangen habe. Hierbei ist zu erinnern, daß über die Haftbarkeit der Gastwirthe für Handlungen ihrer Leute überhaupt besondere Grundsätze gelten. II. 8 §§. 444 u. f.

67) Die Erben haben mithin nicht dasselbe Recht, was der Dienstbote hat, wenn er wieder hergestellt wird. S. Anm. 46 Satz 3 zu §. 88. Dies ist folgerichtig, weil Zustandsrechte, auS welchen das Recht des Dienstboten selbst hervorgeht, nicht vererblich sind. 68) Auch nicht vorzuschießen. Es muß daher im schlimmsten Falle die Orts-Polizei- und Armen-Berpflegungsbehörde für die Beerdigung aus dem Armenfonds sorgen. 59) Wenn aber die Anstellung, z. B. eines Privatförsters, auf dessen Lebenszeit erfolgt ist, so sind die Erben des Dienstherrn gehalten, den Dienstvertrag zu erfüllen, oder den Förster zu entschädigen. Erk. des O.Tr. I v. 30. Sept. 1859, Str. Arch. 35 S. 131. S. auch Anm. 14

zu I. 5 §. 408.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

521

§. 102. Erfolgt jedoch der Todesfall nach der Kündigungsfrist: so muß Gesinde, welches bloß zu häuslichen Verrichtungen bestimmt ist, das baare Lohn doch ohne Kost oder Kostgeld für das nächst folgende Vierteljahr noch überdies, statt Entschädigung für die verspätete Kündigung, erhalten; Gesinde aber, das zur Landwirthschaft gebraucht wird, noch für das nächst folgende Jahr beibehalten werden, falls keine andere freiwillige Abkunft getroffen werden fann60).

Die Vorschrift §. 101 findet auf Privatförster, die durch schriftlichen Vertrag auf Lebens­ zeit angenommen und auf das Forststrafgesetz vereidigt worden sind, keine Anwendung. Pr. 2675 des IV. Sen. v. 6. Dez. 1856, Entsch. 34 S. 260; Str. Arch. 23 S. 120. Dem ist beizustimmen aus dem nicht» geltend gemachten sachlichen Grunde, weil der Förster nicht bei der Person des Miethers, sondern für das Gut, als dessen Repräsentant der Besitzer kontrahirt hat, angestellt ist, daher der Förster, wenn der Gutsbesitzer verkauft und abgeht, wider Willen des Nachfolgers, nicht mitziehen darf, obgleich der Käufer den Kontrakt mit ihm nicht geschloffen hat. Dies war auch von dems. Sen. angenommen worden, Entsch. 16 S. 5, wurde jedoch durch den dadurch veranlaßten Pl.Besch. v. 3 Jan. 1848, daß auf Lebenszeit angestellte und nach Vorschrift des Holzdiebstahlsgesetzes vereidigte Privatforstbediente an und für sich kein gesetzliches Recht auf Beibehaltung in ihrer Dienststellung gegen einen dritten Erwerber des betreffenden Guts haben, reprobirt. Vergl. die Anm. 7 zu I. 2 §. 128. Ueberhaupt können dergleichen Privatförster nicht nach dem Grundsätze I. 5 §. 408 willkürlich entlassen werden, deren Entlassung ist aber auch nicht auf die im §. 35 des Holzdiebstahlsges. v. 2. Juni 1852 bestimmten zwei Fälle be­ schränkt, wie in dem Erk. v. 6. Dez. 1856, a. a. O. S. 263, behauptet worden, vielmehr kommt es außer diesen Fällen darauf an: ob der Förster seine kontraktlichen Dienstobliegenheiten in dem Grade vernachlässigt, oder ihnen dergestalt zuwider gehandelt hat, daß der Dienstherr um deshalb befugt erscheint, ihn seines Dienstes zu entlassen. O.Tr. I v. 3. Okt. 1850, Entsch. 42 S. 269 (H. u. v. 17. April 1874, Str. Arch. 91 S. 217). Vergl. Annr. 60 a. E. u. Anm. 8 zu §. 177 d. T. 60) Die §§. 101 und 102 lauten in der Ges.Ordn. erheblich anders, als in dem L.R., welches zwischen Stadt- und Landgesinde nicht unterschied. Der gedr. Entw. zum L.R. (§§. 101 und 102) lautete: „Stirbt die Herrschaft, so haben die Erben Wahl, das Gesinde auf gleiche Be­ dingungen bis zum Ende der Dienstzeit zu behalten, oder solches zu entlassen. Wählen sie letzteres, so muß dem Gesinde, wenn es nur monatweise gemiethet worden, auf den laufenden und nächstfolgenden Monat, sonst aber auf das laufende und nächstfolgende Vierteljahr Lohn und Kostgeld gegeben werden." Suarez war damit nicht einverstanden. Er bemerkte in der rev. monit.: „Hier kommt es darauf an, ob der Tod vor oder nach der Kündigungs­ frist erfolgt ist. Ist er vor der Kündigungsfrist erfolgt, so muß das Gesinde mit Ablauf der Dienstzeit abziehen, weil mors pro tacita resignatione zu achten. Ist der Tod nach der Kündigungsfrist erfolgt, so muß dem Gesinde noch ein Vierteljahr bonifizirt werden. Dies hat kein Bedenken bei dem städtischen Gesinde, wo die Dienstzeit ein Vierteljahr, und die Auf­ kündigungsfrist 6 Wochen ist. Beim Landgesinde scheint es zwar, als ob die conditio der Erben deterior würde; denn wenn z. E. die Herrschaft im Februar stürbe, so müßte das Gesinde noch bis zum Ende Dezember behalten werden. Allein wer ein Landgut erbt, braucht immer Gesinde. In dem Laufe des Jahres würde er auch schwerlich andere taugliche Dienstboten er­ halten können. Ihm geschieht also nicht zu nahe; gegen das Gesinde scheint es hart, wenn z. E. der Erblasser im Dezember gestorben ist, und also das Gesinde im Januar abziehen muß, und nur ein Vierteljahr Lohn und Kost erhält, da es doch in dem ganzen Jahre schwerlich ein konvenables Unterkommen finden wird. Inzwischen wäre es auch hart gegen die Erben, wenn dieselben das Gesinde noch ein ganzes Jahr behalten müßten. Submitto auf ein halbes Jahr." Darauf ist aber konkludirt: „vor der Aufkündigung: approbatum. Nach der Aufkündigung ein Vierteljahr Lohn ohne Kost" (Mater. Bd. 80 Abschr. Bd. II f. 687 et v.) (Ges.Rev. Pens. 15 S. 55.) Hiernach sind die §§. 101 und 102 des L.R. abgefaßt. Bei der neuen Redaktion vom I. 1810 aber nahm man die Unterscheidung zwischen Land- und Stadtgesinde auf und fügte noch eine Bestimmung (§. 103) hinzu. Darüber die folgende Anm. Die §§. 101—103 handeln lediglich von der Befugniß der Herrschaft zur Entlassung des Dienstboten. Das Gesinde kann daraus für sich kein Recht herleiten, den Dienst wider den Willen der Erben zu verlassen. Landwirthschaftsgesinde kann auch im Falle einer bloßen Besitz­ veränderung nicht vor der Zeit abgehen; sie dienen nicht der Person des Gutsherrn, sondern dem Gute, und müssen unter dem neuen Besitzer ausdienen, wenn ihm die Rechte des Vor­ besitzers abgetreten oder durch Erbgang angefallen sind. Dieses Verhältniß wird in einem Berichte der Breslauer Regierung v. 28. Mai 1826 (v. Kamptz, Annal. 10 S. 391) richtig aufgefaßt. Es ist mit dem Landgesinde in dieser Hinsicht ganz so wie mit dem Schiffsvolke: wenn dieses bei dem Wechsel des Schiffseigenthümers oder Schiffers davon gehen dürfte, so müßte die ganze Schifffahrt zu Grunde gehen. A. M. ist das O.Tr. IV im Erk. v. 1. Juli 1852,

522

Zweiter Theil.

8

103.

Fünfter Xitel.

Sind Dienstboten zur

besondern

§§. 1—176 (Zusätze).

Uedienung einzelner Mitglieder der Familie

angenommen, so können bei dem Lbsterben derselben die Bestimmungen des vorstehenden Para­ graph- muh auf fie angewendet werden61 * *).62 * * 63 ************************

§. 104.

Männliche Dienstboten behalten die ganze gewöhnliche Livree, wenn fie der ver­

storbenen Herrschaft schon ein halbe- Jahr oder länger gedient haben. §. 106.

Sind fie noch nicht so lange in chren Diensten gewesen, so müssen fie Rock, Weste

und Huth -urücklaffen«').

§. 106.

War der Bediente nur Monatwesse gemiethet; so erhält er Lohn und Kostgeld,

wenn die Herrschaft vor dem fünfzehnten Monat-tage stirbt, nur auf den laufenden, sonst aber auch auf den folgenden Monat.

§. 107.

Entsteht Konkurs über das Vermögen der Herrschaft, so finden die Borschriften

8. 101 bis 106. Anwendung"). 8- 108.

Der Tag des eröffneten Konkurses wird in dieser Beziehung dem Tode-tage gleich

geachtet.

Str. Arch. 6 S. 215, wo der Satz hingestellt wird, daß durch den Berkaus des Gutes allein daS Gesinde auf den neuen Eigenthümer nicht übergehe; sowie der Satz, daß, wenn es bei dem neuen Eigenthümer auf den Grund neuer Verträge bleibe, rückständige Lohnansprüche gegen ihn nicht geltend machen könne. — Beide Sätze find falsch. M. s. Anm. 7 $u L 2 §. 128 und 8. 50 Der Konk-Ordn. v. 8. Mai 1856, sonne die Motive hierzu (zu §. 48 des Entwurfs). — Dort wird völlig zutreffend gesagt, S. 47: „Es ist wohl hin und wieder die Frage angeregt worden, ob nicht auch den Gutslietlöhnern (§. 48 des Entwurfs) der dingliche Charakter ihrer Lohnforderungen abzusprechen sei, weil ihre Annahme anscheinend eben so, wie die anderer Lietlöhner, nur auf einem einfachen Bertragsverhältniffe beruhe. Allein im landwirthschastlichen Leben ist in der That die Anficht vorherrschend, daß Personen, deren Dienste für bte Bewirth-

schaftung eines Gutes bestimmt sind, durch ihre Annahme dem Gute zugehörig werden; der Guts­ besitzer handelt bei Abschließung des Dienstvertrages mehr als Repräsentant des Guts, weshalb denn auch bei Veränderung der Person des Besitzers jenes Dienstverhältniß in der Regel un­ verändert bleibt. Allerdings ist wohl, namentlich bei kleinen Gutsbesitzern, der Fall der häufigste, daß die Dienstleute nicht nur dem Betriebe der Landwirthschaft, sondern auch zu bloß persön­ lichen und häuslichen Diensten verwendet werden; und ebenso häufig kommt es in der neueren Zeit vor, daß mit den Landgütern Fabriken und andere gewerbliche Anlagen verbunden find, bei denen Beamte und Arbeiter beschäftigt werden, auf welche der Begriff der Gutslietlöhner durchaus nicht paßt. Diese Umstände berechtigten aber noch nicht, den dinglichen Charakter in anderen Fällen, wo er wirklich vorhanden ist, ganz zu ignoriren, sondern können nur eine Auf­ forderung sein, den Begriff der wirklichen Gutslietlöhner im Gesetze möglichst zu präziseren. Das vernünftige Ermessen des Richters wird alsdann in den einzelnen Fällen die richtige Ent­ scheidung leicht zu treffen wissen." Der ß. 101 setzt voraus, daß der Tod des Dienstberrn nach der zu vermuthenden Absicht beider Theile den Dienstvertrag habe lösen sollen. Diese Voraussetzung fällt hinweg, wenn der Dienstkontrakt ausdrücklich auf die ganze Lebenszeit des Dienenden abgeschlossen ist. Dann müssen die Erben des Dienstherrn den Dienstkontrakt erfüllen, oder den Diener entschädigen. O.Tr. I v. 30. Sept. 1869, Str. Arch. 35 S. 133. Bergl. die Anm. 59. 61) Für diese in der Ges.Ordn. hinzugekommene Bestimmung werden in einem Schreiben deMinisters des Innern an den Justizmimster v. 1. Mai 1810 folgende Gründe angegeben: „Die 88- 101 und 102 habe ich anders fassen und einen neuen §. (103 der Ges.Ordn.) einschalten zu müssen geglaubt. „S t i r b t d i e H e r r s ch a s t" dürste offenbar nicht bestimmt genug sein. Der Sinn des Gesetzes ist wohl kein anderer, als zu bestimmen, was für Veränderungen Todesfälle in der Familie der Herrschaft in den Verhältnissen des Gesindes machen können. Stirbt ein Säugling oder ein kleines Kind, so scheint die Befuaniß sehr billig, sich seiner entbehrlich gewordenen Amme oder Wärterin auf eine angemessene Art zu entledigen. Demohngeachtet ist es wenigstenwider den Sprachgebrauch und selbst wider das Sachverhältniß, diesen Säugling, oder Diese* kleine Kind, Herrschaft der Amme oder Wärterin zu nennen." (Act. des Min. d. Inn. wegen Entw. d. Ges.Ordn. Ges.Sachen Nr. 1 Vol. III f. 93 v.) (Ges.Rev. Pens. 15 S. 55.) 62) Zu vergl. die §§. 154—159. Dort ist die „Weste" aus einem bloßen Versehen bei der Umarbeitung des gedruckten Entwurfs, der sie in beiden Stellen (§§. 104—124) enthielt, weggelaffen. (Ges.Rev. Pens. 15 S. 58.)

63) H. Beseitigt durch den jetzt entscheidenden 8-19 R.Konk.Ordn. Dienstverhältnisse kommt §. 15 daselbst zur Anwendung.

Wegen nicht angetretener

Rechte und Pflichten der Herrschaften und deS Gesindes. §. 109.

623

Wegen des alsdann rückständigen GesindelohnS bleibt es bei den Borschristen der

Konkurs-Ordnung -).

§. 110. Außer diesen Fällen kann der Mieths-Bertrag während der Dienstzeit einseitig «ach vorher, nicht aufgehoben werden. gegan^ner §. 111.

Welcher Theil denselben nach Ablauf der Dienstzeit nicht fortsetzen will, muß tflnbigung.

innerhalb der gehörigen Frist aufkündigen-). §. 112.

Die Aufkündigungsfrist wird bei Städtischem Gesinde auf Sechs Wochen und bei

Landgefinde auf Drei Monate vor dem Ablaufe der Dienstzeit angenommen, in sofern ein Andres

bei der Bermiethung nicht ausdrücklich verabredet ist.

Sollten indeß andere Kündigungsfristen

bei dem ländlichen Gesinde bisher noch üblich gewesen seyn: so mag eS dabei für die nächsten

Fünf Jahre (§. 43.) noch sein Bewenden behalten. §. 113.

Bei Monatweise gemietheten Dienstboten findet die Aufkündigung noch am Fünf­

zehnten eines jeden Monats statt. §. 114.

Ist keine Aufkündigung erfolgt: so wird der Vertrag, als stillschweigend verlängert,

angesehen—). §. 115.

Bei städtischem Gesinde wird die Verlängerung auf ein Viertel- und bei Land­

gesinde S7) auf ein ein ganzes Jahr gerechnet. §. 116.

Bei Monatweise gemietheten Gesinde, versteht sich die Lerlängerung immer nur

auf Einen Monat. §. 117. Ohne Aufkündigung kann die Herrschaft ein Gesinde sofort entlasten —): Ohne Bitstü» 1) Wenn dasselbe die Herrschaft oder deren Familie durch Thätlichkeiten, Schimpf- und Getarnte?

Schmähworte oder ehrenrührige Nachreden beleidigt—), oder durch boshafte Verhetzungen, Zwistig- Herrschaft, feiten in der Familie anzurichten sucht.

§. 118.

2) Wenn es sich

beharrlichen7") Ungehorsam und Widerspenstigkeit gegen die

Befehle der Herrschaft zu Schulden kommen läfct71).

64) H. Vgl. jetzt R Konk.Ordn. §. 54 Nr. 1 und Gesetz betr. die Zwangsvollstreckung in das unbewealiche Vermögen v. 13. Juli 1883 (GS. S. 131) §. 26. 65) Verläßt das Gesinde ohne Kündigung den Dienst, so kann es durch die Polizei zurück­ geholt werden. Hiergegen findet kein Rekurs an die höhere Polizeibehörde statt, weil die polizei­ liche Handlung hier nur eine vorläufige Bestimmung trifft, welche den Charakter einer poffessorischen Anordnung hat, weshalb der Dienstbote auf Grund des bestehenden Rechtsverhältnisses den Rechtsweg betreten muß, wenn er sich nicht beruhigen will. Besch, des Min. d. Inn. und der Pol. v. 11. Febr. 1835, v. Kamptz, Annal. 19 S. 179. 66) Diese Vorschrift findet auf Hausoffizianten feine Anwendung, weil nach §. 186 nur in nicht besonders bedachten Stücken die Hausoffizianten mit dem gemeinen Gesinde gleich zu beurtheilen sind, die Eingehung des Dienstkontrakts mit Hausoffizianten aber besonders bedacht ist. M. 177, 178. Erk. des O.Tr. III v. 8. Jan. 1842, Entsch. 7 S. 218. Vorausgesetzt jedoch, daß der Vertrag nur mündlich geschloffen war; ist er schriftlich geschloffen, so kann er stillschweigend Verlängert werden. Pr. 1921 Plen.Beschl. v. 16. Nov. 1847, Entsch. 15 S. 61. Bei^l. jedoch die Anm. 21 zu §. 186. 67) Zu vergl. die §§. 55 und 102, und Anm. 26 zu §. 41. 68) H. Die Herrschaft, welche einen Dienstboten vor Ablauf der Dienstzeit entlasten hat und von demselben auf Entschädigung gerichtlich in Anspruch genommen wird, kann m dem diesfälligen Prozefle gesetzmäßige Entlassungsgründe geltend machen, welche sie dem Dienstboten gegenüber früher nicht angeführt hat. Erk. des O.Tr. I v. 3. April 1871, Entsch. 65 S. 177; Str. Arch. 81 S. 262, wiederholt im Erk. deff. Sen. v. 28. Febr. 1873, Str. Arch. 88 S. 218. 69) Auch solche Schmähungen, welche sich das Gesinde bezüglich auf die Dienstherrschaft in deren Abwesenheit Dritten gegenüber gestattet, fallen unter den §. 117 der Ges.Ordn. Erk. des O.Tr. Sen. für Straff. I. Abth. v. 4. Jan. 1861, Str. Arch. 89 S. 329. Diese Vorschrift deS §. 117 ist nicht auf direkt beleidigende Aeußerungen zu beschränken, sondern eS müssen überhaupt alle solche Worte und Handlungen, durch welche die der Herrschaft schuldige Achturm in einer auffälligen, sie beleidigenden Weise verletzt wird, unter diese Gesetzesvorschrift gestellt werden. Erk. deS O.Tr. I v. 16. Juni 1862, Str. Arch. 45 S. 289. Das entlassene Gesinde hatte in diesem Falle zu seinem Nebengefinde geäußert: er würde den Dienstherrn erstochen haben, wenn dieser ihn (bei der Zurechtweisung wegen unordentlicher Dienstverrichtung) gemißhandelt hätte.

Zweiter Theil.

524 §. 119.

Fünfter Titel.

§§. L—176 (Zusätze).

8) Wenn es sich den zur Aufsicht über das gemeine Gesinde bestellten Hausoffi-

cianten mit Thätlichkeiten, oder groben Schimpf- und Schmähreden, in ihrem Amte widersetzt.

§. 120.

4) Wenn es die Kinder der Herrschaft zum Bösen verleitet, oder verdächtigen

Umgang mit ihnen pflegt. 121.

6) Wenn es sich des Diebstahls oder der Veruntreuung”) gegen die Herrschaft

schuldig macht. §. 122.

6) Wenn es sein Rebengefinde zu dergleichen Lastern verleitet.

§. 123.

7) Wenn es auf der Herrschaft Namen ohne deren Borwiffen Geld oder Waaren

auf Borg nimmt,

ß. 124.

8) Wenn es die noch nicht verdiente Livree ganz oder zum Theil verkauft oder

versetzt. §. 125.

9) Wenn es wiederholentlich ohne Borwiffen und Erlaubniß der Herrschaft über

Nacht7') aus dem Hause7') geblieben ist. §. 126.

10) Wenn es mit Feuer und Licht gegen vorhergegangene Warnungen76) unvor­

sichtig umgeht.

70) Der beharrliche Ungehorsam setzt Wiederholung des Befehls der Herrschaft und Nicht­ befolgung deffelben voraus: Pr. 741 des O.Tr. HI v. 7. Ott. 1837, Dräj.S. 1 S. 318, und Erk. des IV. Sen. v. 14. März 1855, Str. Arch. 17 S. 90. Das solchen Ungehorsam strafende Ges. v. 24. April 1854 (Zus. zu §. 168) bedient sich des Ausdrucks: „hartnäckigen", welcher in der hier in Rede stehenden Beziehung gleiche Bedeutung hat. Die Wiederholung kann sich auf ebendieselbe Verrichtung oder Unterlaffung beziehen, und unmittelbar auf einander folgen. H. So auch Erk. des O.Tr. I v. 12. Juni 1871, Str. Arch. 82 S. 210; a. Beharrlichkeit drückt nur ein festes Verbleiben bei dem einmal erklärten Willen, Thun oder Unterlasten, trotz der Gründe, welche eine Aenderung dieses Beharrens anräthig machen und dem Ungehorsamen zum Bewußtsein gebracht werden, aus; ohne daß dies in einer größeren Zahl von Fällen hervorgetreten zu sein braucht, wenn auch nicht schon ein einziger Ungehorsam genügen kann, denselben zu einem beharrlichen zu machen, b. Es ist nicht nothwendig, daß die Beharrlichkeit sich bei mehreren durch die Zeit von einander getrennten Gelegenheiten gezeigt haben müsse, vielmehr tritt sie auch in ganz gleicher Weise hervor, wenn sie durch die wieder­ holte Verweigerung des Gehorsams bei einerund derselben Gelegenheit gezeigt und durch Nicht­ befolgung des ertheilten Befehls an den Tag gelegt wird. Vgl. ferner Anm. 5 zu §. 1.

71) Dafür muß auch der Fall angesehen werden, wenn ein Gesinde sich Vieh oder Thiere anschafft und zu sich in das Haus oder die Wirthschaft des Brotherrn nimmt, der Herr die Wegschaffung anbefiehlt und der Dienstbote dem wiederholten Befehle nicht Folge leistet. Es ist unthunlich, den Herrn zu nöthigen, das widerspenstige Gesinde zu behalten und auf den Rechtsweg zu verweisen, der ihn in seinem Hausrechte nicht zu schützen vermag. 72) Darunter ist nicht jede Untreue überhaupt, sondern nur die Unterschlagung an­ vertrauter Gelder oder Sachen zu verstehen, Erk. des O.Tr. I v. 18. Dez. 1876, Str. Arch. 97 S. 99.

73) Zum Ausbleiben „über Nacht" gehört jedenfalls nicht ein Entferntsein aus dem Hause die ganze Nacht hindurch. Im Wesentlichen kommt es darauf an, daß das Gesinde wiederholentlich und ohne Borwissen der Herrschaft über Nacht aus dem Hause ge­ blieben ist, was eine gewiffe Dauer der Abwesenheit vom Hause voraussetzt, nach deren Aus­ dehnung sich ermitteln läßt, ob ein Ausbleiben über Nacht anzunehmen ist. Erk. des O.Tr. I v. 19. Mai 1862, Str. Arch. 44 S. 325. Das Gesetz meint ein sog. nächtliches Auslaufen aus dem Hause. 74) Unter diesem Hause kann nur das Haus verstanden sein, welches dem Gesinde zum Aufenthalte während der Nacht angewiesen ist, gleichviel, ob die Herrschaft mit in demselben wohnt, oder ob dasselbe von dem Wohnhause der Herrschaft entfernt liegt. Erk. des O.Tr. I v. 24. Sept. 1860, Str. Arch. 38 S. 247.

75) Stimmt nicht zu I. 6 §. 63. Die dort gegebene Bestimmung muß so verstanden werden, daß die Herrschaft nur dann verantwortlich wird, wenn sie das unvorsichtige Gesinde länger beibehalten hat, als sie dazu nach der Ges.Ordn. verbunden war. Bergl. Anm. 59 zu I. 6 §. 63.

H. Ein Wirthschafts-Jnspektor, welcher des Verbots der Herrschaft ungeachtet auf de« Gehöft, in den Ställen und dem Spirituskeller Taback raucht, kann seines Dienstes sofort recht­ mäßig entlassen werden. Erk. des O.Tr. I v. 29. Nov. 1861, Str. Arch. 43 S. 221.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

§. 127.

526

11) Wenn auch ohne vorhergegangene Warnung aus dergleichen unvorsichtigem

Betragen wirklich schon Feuer entstanden ist. §. 128.

12) Wenn das Gesinde sich durch lüderliche Ausführung ansteckende oder Äelhafte

Krankheiten zugezogen hat.

§. 129.

13) Wenn das Gesinde ohne Erlaubniß der Herrschaft seine- Vergnügens «egen

ausläust, oder ohne Noth über die erlaubte, oder zu dem Geschäfte erforderliche Zeit auSbleibt,

oder sonst

den Dienst muthwillig vernachlässigt, und von allen diesen Fehlern auf wiederholte

Verwarnung nicht absteht.

§. 130.

14) Wenn der Dienstbote dem Trunk oder Spiel ergeben ist, oder durch Zänkereien

und Schlägereien mit seinem Nebengefinde den Hausfrieden stört, und von solchem Betragen auf geschehene Bermahnung nicht abläßt"). §. 131.

15) Wenn dem Dienstboten diejenige Geschicklichkeit gänzlich ermangelt, die er auf

Befragen bei der Bermiethung zu besitzen ausdrücklich angegeben hat76 77). §. 132.

16) Wenn ein Dienstbote von der Obrigkeit auf längere Zeit, als acht Tage, ge­

fänglich eingezogen wird. §. 133.

17) Wenn ein Gesinde weiblichen Geschlechts schwanger wird78), in welchem Falle

jedoch der Obrigkeit Anzeige geschehen und die wirkliche Entlassung nicht eher, als bis von dieser die gesetzmäßigen Anstalten zur Verhütung alle- Unglücks getroffen worden, erfolgen muß. §. 134.

18) Wenn die Herrschaft von dem Gesinde bei der Annahme durch Borzeigun­

falscher Zeugnisse hintergangen worden. §. 135.

19) Wenn das Gesinde in seinem nächstvorhergehenden Dienste sich eines solchen

Betragens, weshalb dasselbe nach §. 117—128. hätte entlassen werden können, schuldig gemacht

76) Die §§. 129 und 130 standen im L.R. und auch im Entwürfe der GesOrdn. v. 1810 (§§. 141 und 142) unter den Gründen der Aufkündigung unter der Zett. Hiergegen erinnerte der Justizminister: „Es erscheint hart, daß daS hier beschriebene Gesinde nur nach vor­ heriger Aufkündigung soll entlassen werden können. Einen Dienstboten, welcher den Dienst muthwillig vernachlässigt, over durch Schlägereien mit dem Nebengefinde den Hausfrieden stört, müßte die Herrschaft wenigstens mit Borwiffen der Polizeibehörde sofort, und ohne erst den Ablauf der Kündigungsfrist abzuwarten, entlassen dürfen." Darauf setzte man die Bestimmungen hierher unter die Grünve der sofortigen Entlassung. (Ges.Rev. Pens. 15 S. 60.) 77) Nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen von Verträgen über Handlungen rann, wenn der Eine Handlungen übernommen hat, die er nicht verrichten will oder kann, der Andere von dem Vertrage sofort wieder abgehen. Das Gefindedienstverhältniß hat in seiner besonderen Beschaffenheit nichts, was die Anwendung dieses Grundsatzes auf dasselbe hinderte. Was soll eine Herrschaft mit einem als Koch oder Köchin gemietheten Gesinde ansangen, der oder die von der Küche nichts versteht? sie muß sich eine andere Person verschaffen, die ihr diese Dienste leistet, und ist verbunden, das untaugliche Gesinde nebenbei zu behalten, wenn jener RechtSgrundsatz hier nicht gelten soll. Das L.R. wollte die sofortige Entlassung in solchem Falle nicht zugeben, es erlaubte nur Kündigung (§. 140). Bei der Abfassung der Ges.Ordn. erkannte der Justizminister die Nothwendigkeit einer Aenderung; er wollte oen im L.N. §. 140 aufgestellten Grund der Entlassung nach vorgänaiaer Kündigung, wenn nämlich dem Gesinde die zu seiner Bestimmung erforderliche Geschicklichkeit mangelt, unbedingt unter die Gründe der augen­ blicklichen Entlassung versetzt wissen, weil die Geschicklichkeit, zu deren Anwendung daS Ge­ sinde sich vermiethet, sich ohne ausdrückliches Versprechen von selbst verstehe, z. B. daß eine Köchin müsse kochen, ein Kutscher fahren können, und eS hart für die Hensschast fein würde, dergleichen unbrauchbares Gesinde auch nur bis zur nächsten gesetzlichen Ziehzeit zu behalten; auch nach dem L.R (I. 5 §§. 408—409) derjenige, welcher behauptet, daß der Andere die ver­ sprochene Handlung nicht zu leisten vermöge, sofort auf seine Gefahr von dem Vertrage aogehen könne. Der Min. des Inn. hingegen besorgte, daß dies zu Willkürlichkeiten führen möchte, da daS Urtheil, ob ein Gesinde die nöthige Geschicklichkeit habe, grSßtentheilS von individuellen Ansichten abhänge. Er wollte daher nur den Mangel ausdrücklich vorgespiegelter Geschicklich­ keiten zum Grunde der sofortigen Entlassung erheben, wegen der stillschweigend vorauSgesetten, obwohl zur Bestimmung des Gesinde- nothwendigen, aber eS beim L.R. bewenden lassen. (Gef.Rev. Pens. 15 S. 61.) Nach dieser Meinung ist dann die neue Bestimmung, wie der §. 181 zeigt, gefaßt worden. 78) Oder bei Antretung des Dienstes bereits schwanger war und diesen Zustand ver­ heimlichte.

Zweiter Theil.

526

Fünfter Titel.

gg. 1—176 (Zusätze).

und die vorige Herrschaft diese- in dem ausgestellten Zeugniffe verschwiegen, auch daS Gesinde

selbst eS der neuen Herrschaft bei der Annahme nicht offenherzig bekmmt hat7e).

Bor Seit« de» Gestades.

g. 186. DaS Gesinde kann den Dienst ohne vorhergehende Aufkündigung verlassen: wenn eS durch Mßhandlungen von der Herrschaft in Gefahr des Lebens oder der

Gesundheit versetzt worden. g. 187.

2) Denn die Herrschaft daffelbe auch ohne solche Gefahr, jedoch mit ausschweifender

und ungewöhnlicher Härte behandelt hat.

§. 188.

8) Wenn die Herrschaft daffelbe zu Handlungen welche wider die Gesetze oder

wider die guten Sitten laufen, hat verleiten wollen"). §. 139.

4) Wenn dieselbe das Gesinde vor dergleichen unerlaubten Zumuthungen gegen

Personen ■’), die zur Familie gehören oder sonst im Hause aus- und eingehen, nicht hat schützen wollen.

g. 140.

6) Wenn die Herrschaft dem Gesinde das Kostgeld gänzlich vorenthält, oder ihm

selbst die nothdürstige8i 79)82 80Kost 83 84verweigert. **

g. 141.

6) Wenn die Herrschaft auf eine Zeit, welche die laufende Dienstzeit übersteigt

und in eine Entfernung, die mehr als sechs Meilen beträgt, eine Reise vornimmt oder überhaupt

in diese Entfernung ihren bisher gewöhnlichen Wohnsitz verlegt und es nicht übernehmen will,

den Dienstboten zum Ablaufe der Dienstzeit kostenftei zurück zu senden.

Hat die Herrschaft

mehrere gleich gewöhnliche Wohnsitze; so wird die Entfernung von sechs Meilen nach demjenigen berechnet den sie zuletzt wirklich bewohnt hat. g. 142. 7) Wenn der Dienstbote durch schwere Krankheit zur Fortsetzung des Dienstes unvermögend wird88).

Unter bcrj g. 143. Bor Ablauf der Dienstzeit, aber doch nach vorhergegangener Auflündigung kann itst^iotSer* die Herrschaft einen Dienstboten entlasten:

MW

1) Wenn demselben die nöthige Geschicklichkeit zu den, nach seiner Bestimmung ihn ob-

«mlgvmr liegenden Geschäften ermangelt88).

§• 144.

2) Wenn nach geschloffenem Methvertrage die Vermögens-Umstände der Herrschaft

dergestalt in Abnahme gerathen88), daß sie sich entweder ganz ohne Gesinde behelfen, oder doch

deffen Zahl einschränken muß.

79) H. Weitere Fälle, in welchen die Herrschaft das Gesinde sofort entlasten kann, setzen fest die B. v. 29. Sept. 1846 g. 4 (s. zu §. 176) und Feld- und Forstpolizeigesetz v. 1. April 1880 g. 16 (Zus. 5 zu I. 14 g. 467).

80) Wenn es sich aber hat verleiten fassen, kann es aus seiner Theilnahme an der un­ erlaubten oder unsittlichen Handlung keinen Grund hernehmen, aus dem Dienste zu gehen. — DaS Geheiß der Herrschaft, im Dienste eine von den Gesetzen nicht gebilligte Handlung zu ver­ richten, z. B. einen Menschen die Treppe hinunterzuwerfen, kann nicht als versuchte Verleitung zum Bösen, im Sinne dieses g. 138, angesehen werden. 81) Dabei ist zunächst an Kinder gedacht. Im gedr. Entw. fehlte die Bestimmung. Ein Monent erinnerte, daß Verleitungen erwachsener Kinder denen der Herrschaft gleich zu achten. Dazu bemerkte Suarez: „in so fern das Haupt der Familie auf erfolgte Anzeige dem Dienstboten gegen fernere dergleichen Anmuthunaen nicht gehörigen Schutz und Sicherheit verschaffen kann oder will, accedo.“ Daneben ist als Äonfi. vermerkt: „nicht hat schützen wollen". (Ges.Rev. Pens. 16 S. 66.) Das „nicht schützen können" gilt mithin nicht als Dienstverlaffungsgrund.

82) Ob dies geschieht, beurtheilt die Polizeibehörde. 83) Richt zu übersehen, daß dies ein Grund für den Dienstboten ist, den Dienst zu verlaffen, nicht aber für die Herrschaft, den Dienstboten zu entlasten. §§. 86, 88, 92 und die Anm. dazu. Wenn auch die Henschast sich bereit erklärt, den Dienstboten heilen und pflegen zu fassen, so ist dieser dennoch berechtigt, von dem Aufhebungsgrunde Gebrauch zu machen. Doch wird m solchem Falle Lohn und Kost auf den noch übrigen Theil des Vierteljahres, aus §. 152, nicht gefordert werden können.

84) Zu vergl. g. 131 und Anm. 77 dazu. 86) Z. B. wenn ein Beamter seinen Dienst verliert oder aufgiebt, ein Rentner bedeutenden Kapitalsverlust erleidet. Bei Gewerbetreibenden ist die thatsächliche Feststellung schwierig.

527

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gefindes.

145.

Dienstboten können vor Ablauf der Dienstzeit, jedoch nach vorhergegangener Auf- vonSet^n

kündigung den Dienst verlaffen: 1) Wenn die Herrschaft den bedungenen Lohn in den festgesetzten Terminen nicht richtig bezahlt.

§. 146.

2) Wenn die Herrschaft das Gesinde einer öffentlichen Beschimpfung eigenmächtig

aussetzt. §. 147.

3) Wenn der Dienstbote durch Heirath oder auf andere Art zur Anstellung einer

eigenen Wirthschaft vortheilhaste Gelegenheit erhält, die er durch AuSdauerung der Riethzeit

versäumen mühte. §. 148.

In allen Fällen, wo der Mietvertrag innerhalb der Dienstzeit, jedoch nur nach

vorhergegangener Aufkündigung, aufgehoben werden kann, muß dennoch das laufende Vierteljahr

und bei Monatweise gemietheten Gesinde, der laufende Monat ausgehalten werden. §. 149.

Wenn die Aeltern der Dienstboten, wegen einer erst nach der Bermiethung vor­

gefallenen Veränderung ihrer Umstände chn in ihrer Wirthschaft nicht entbehren können: oder

der Dienstbote in eignen Angelegenheiten eine weite Reise zu unternehmen genöthiget wird; so

kann er -war ebenfalls seine Entlastung fordern; er muß aber alsdann einen andern taug­ lichen Dienstboten statt seiner stellen88 86),87und sich mit demselben wegen Lohn, Kost und Livree

ohne Schaden der Herrschaft abfinden. §. 160.

In allen Fällen, wo die Herrschaft einen Dienstboten während der Dienstzett Was alsdaun

mit oder ohne Aufkündigung zu entlasten berechttget ist (§. 117—135. 143. 144.), kann Dienstbote Lohn und Kost oder Kostgeld nur nach Verhältniß der Zett fordern, wo er wirklich Ster* Rechgedienet hat.

§. 151. Dienstzett,

Ein gleiches gilt von denjenigen Fällen, wo der Dienstbote zwar vor Ablauf der

aber doch nach vorhergängiger Auflündigung den Dienst verlaffen kann.

146. 147.) §. 152.

(§. 145.

In Fällen, wo der Dienstbote sofort und ohne Aufkündigung den Dienst zu ver­

laffen berechttget ist (§. 186—142) muß ihm Lohn und Kost auf das laufende Vierteljahr, und,

wenn er Monatweise gemiethet worden, auf den laufenden Monat vergütet werden.

§• 158.

Hat die Ursache zum gesetzmäßigen Austritte erst nach Ablauf der Aufkündigungs­

frist sich ereignet; so muß die Herrschaft diese Vergütung auch für daS folgende Vierteljahr oder für den folgenden Monat leisten.

§. 164.

In der Regel behält der Dienstbote die als einen Theil deS Lohns anzusehende

Livree vollständig, wenn er aus den (§. 136—142) bestimmten Ursachen den Dienst verläßt. §. 155.

Geschieht der Austritt nur aus den §. 143. und 144. enthaltenen Gründen, und hat

der Bediente noch kein halbes Jahr gedient, so muß er Rock und Huth87) zurücklaffen. §. 166.

In den Fällen, wo das Gesinde nach §. 117—136., 143—144. von der Herr­

schaft entlasten wird, kann letztere der Regel nach die ganze Livree zurück behalten. 8- 167.

Doch gebühren dem Bedienten die kleinen Monttrungsstücke88) wenn er schon ein

halbes Jahr gedient hat, und nur aus den 8- 143. 144. angeführten Gründen entlasten wird.

8- 168.

Wenn das Gesinde aus den §. 145 und 146. angeführten Gründen nach vorher

gegangener Auflündigung seinen Abschied nimmt, so finden die Vorschriften 8- 164 und 166. An­

wendung. 8- 159.

Erfolgt aber der Austritt nur aus der

147. bestimmten Ursache so muß der

Dienstbote mit den kleinen Monttrungsstücken sich begnügen. 86) Deswegen bedarf es denn nicht der Abwartung der im §. 148 verordneten Kündigungsfrist. 87) Bergl. Anm. 62 zu §. 105. 88) Kleine Monttrungsstücke sind die Kleidungsstücke außer Rock und Hut. Denn auf die Frage eines Monenten, was unter „kleinen Monttrungsstücken" gemeint sei, antwortet v. Grol«ann: „Erledigt sich hinlänglich aus 88-104 und 124." Dort ist (im Entw.) vom Zurücklaffen deS Rocks und des. Huts die Rede. (Ges.Rev. Pens. 15 S. 69.) Danach heißt „Rock und Hut zurücklaffen" eben dasselbe, was „die kleinen MontirungSstücke behalten" heißt. Dann aber ist unter den unterschiedenen Fällen der §§. 166, 167, 168 und 159 gar kein Unterschied.

528

Zweiter Theil.

Fünfter Titel.

§§. 1—176 (Zusätze).

Rechtliche §. 160. Eine Herrschaft die aus andern alS gesetzmäßigen Ursachen das Gesinde vor ohve^Md Ablauf der Dienstzeit entläßt, muß von der Obrigkeit*») dasselbe wieder anzunehmen und den

Dienstvertrag fortzusetzen"), angehalten") werden").

891 D. i. die OrtSpolizeibehSrde. R. v. 17. April 1812. H. Rabe 10 S. 558. Wo die Polizei dem Amtsvorsteher zustehl, dieser aber persönlich betheiligt ist, tritt für ihn der vom MiSauSschuß betraute Stellvertreter oder benachbarte Amtsvorsteher ein, vgl. §§. 57 Abs. 5, 58 der Kreis Ordnung v. 13. Dez. 1872. Vgl. Anm. 92 u. 98. 90) Das entlassene Gesinde muß mithin seine Wiederaufnehmung in den Dienst fordern, und zwar zu einer Zeit, wo seine Dienste noch gebraucht werden können. ES darf daher in keinem Falle die kontraktliche Dienstzeit ablaufen lassen, ehe es sich meldet. Das O.Tr. hat in dieser Hinsicht den Satz ausgesprochen: „Wenn die polizeiliche Einwirkung erst nach gänzlichem Ablaufe der Dienstzeit erfolgt, so wird, wenn daraus die Herrschaft die Wiederaufnahme der Dienstboten verweigert, durch solche Weigerung die Entschädigungsklage der Dienstboten nicht begründet." Pr. 818 deS O.Tr. v. 29. Febr. 1840, Entsch. 6 S. 69, s. auch a. a. O. 14 S. 83. Enlärt das Gesinde ohne gesetzmäßigen Grund, in den Dienst nicht wieder einzutreten, also den Kontrakt auch seinerseits aufheben zu wollen, so ist die obrigkeitliche Hülfe von selbst ausgeschlossen. O.Tr. IV v. 21. April 1857, Str. Arch. 25 S. 67. Nach dem Zwecke oer in Anspruch zu nehmenden Vermittelung müßte das entlassene Gesinde sich auch bald melden und nicht erst abwarten, bis die Herrschaft die Stelle wieder besetzt hat. Dies ist auch in zwei Erk. der beiden Senate des ehemaligen Oberlandesgerichts zu Breslau, v. 29. März 1836 und 2. März 1837, ausgeführt. (Schles. Arch. 1 S. 503.) Das O.Tr. IV ist aber anderer Meinung nach dem Pr. 2098 v. 20. Dez. 1848: „Das ohne rechtlichen Grund entlassene Gesinde kann die hier gedachte obriakeitliche Hülfe noch während der ganzen kontraktlich bestimmten Dauer der Dienstzeit, behust Fortsetzung des Dienstes, oder Entschädigung für die noch übrige Dienstzeit in Anspruch nehmen." Entsch. 17 S. 509, wiederholt in dem Erk. deff. Sen. v. 12. Febr. 1857, Str. Arch. 24 S. 55. Dieser Satz ist nach Koch's Ansicht unrichtig und verstößt gegen den Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift. Das O.L.G. zu Breslau sagt in jenem Erk. zutreffend: das Gesinde erkläre sich dadurch, daß es sich lange Zeit und bis zur Wiederbesetzung stille verhalte, mit seiner Entlassung zufrieden. Könnte es zu jeder beliebigen späteren Zeit kommen, so dürste faules und schlechtes Gesinde nur immer die Wlederbesetzung seiner Stelle abwarten und dann seine schlechten Dienste wieder anbieten in der Gewißheit, daß davon kein Gebrauch mehr gemacht werden könne. Ein solches Gesinde würde es in seiner Gewalt haben, das ganze Jahr hindurch für Müssiggang Lohn und Brot zu fordern. H. Das R.G. I H. v. 10. Mai 1881 verlangt, daß die Bermittelung der Polizeibehörde, wenn auch nicht unmittelbar nach der Entlassung, aber doch in einer den Umständen nach an­ gemessenen, in die laufende Konttaktsdauer fallenden Zeit beantragt werden muß. Dasselbe meint auch wohl Dernburg 3. Aufl. 2 S. 559 Note 13. H. O.Tr. I v. 2. Sept. 1870, Str. Arch. 79 S. 166: Hat der Dienstherr das Gesinde ohne rechtmäßigen Grund entlassen und nimmt er dasselbe später wieder auf, so ist er für die Zwischenzeit Lohn und Kost zu gewähren verpflichtet. 91) Das Anhalten, d. h. die Aufforderung der Herrschaft zur Wiederannahme des Dienst­ boten, settenS der Polizeibehörde, und die beharrliche Weigerung der Herrschaft (§. 161) find hiernach Vorbedingungen des Enffchädigungsanspruchs. Wrrd die Polizeibehörde auf Ver­ mittelung angegangen, so können zwei Fälle des Nichtanhaltens eintreten: entweder versäumt oder verweigert dre Polüei ihre Dienste, oder untersucht den Fall und erklärt die Entlassung für gerechtfertigt. In Beziehung auf jeden dieser Fälle sind die Meinungen verschieden. Beide Fälle kommen im Eimebniffe dann überein, daß keine polizeiliche Aufforderung der Polizei an die Herrschaft erlassen wird. In Beziehung auf den ersten Fall hat das O.Tr. III schon in dem Pr. 255 d v. 29. April 1837, Präj.S. 1 S. 176, ausgesprochen, daß, wenn die Polizeiobrigkeit die Einmischung verweigert, der entlassene Dienstbote mindestens denselben Antrag vor Gericht wiederholen und zur Fortsetzung des Dienstvertrages sich bereit erklären muß. Ueber den zweiten Fall ist im O.Tr. selbst ein Meinungskonflikt eingetreten, welcher entschieden ist durch den Pl.Beschl. (Pr. 1805) v. 11. Dez. 1846: „Wenn die Herrschaft das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit aus anderen als gesetzmäßigen Gründen entlassen, und der Dienstbote die Einwirkung der Polizei­ behörde, behufs der Wiederaufnahme, ohne Erfolg in Anspruch genommen hat, muß derselbe von dem Richter zu Anstellung der Entschädigungsklage zugelaffen werden." Entsch. 14 S. 81, J.M.Bl. 1847 S. 44. Die Fassung umfaßt beide Fälle. Die Klage muß hiernach zugelaffen werden, und es gehört nicht zur Begründung der Entschädigungsklage, daß der Entlassene vor deren Anstellung sich noch bei Gericht zur Fortsetzung des Dienstes erboten und die gerichtliche Vermittelung zu diesem Zwecke in Antrag gebracht habe. Das Pr. 255 ist in dieser Beziehung durch den Pl.Beschl. aufgehoben. Erk. des I. Sen. v. 8. Juli 1859, Entsch. 41 S. 259. DaS Urtheil der Polizeibehörde über die Gesetzmäßigkeit des Entlaffungsgrundes ist in keinem Falle präjudizirlich. Verweigert die Polizei, bie Herrschaft zur Wiederaufnahme des Gesindes an-

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

529

§. 161. Weigert sie sich dessen beharrlich'"): so muß sie dem Dienstboten Lohn und Livree auf die noch rückständige Dienstzeit entrichten.

zuhalten deshalb weil sie die Entlassuüg für rechtmäßig erkennt, so hindert dies die Klage des Gesindes nicht. H. In diesen Entscheidungen des O.Tr. ist aber übersehen, daß die §§. 160, 161 entgegen dem sonst für Verträge über Handlungen gellenden Grundsatz I. 5 §. 406 das beliebige Abgehen vom Vertrage ausschließen, und das materielle Recht, welches sie aufstellen, folgendes ist: 1. Ter grundlose Rücktritt der Herrschaft berechtigt das Gesinde noch nicht, deshalb von dem Vertrage abzugehen und Entschädigung von der ersteren zu verlangen, das Gesinde muß vielmehr 2 das ihm zustehende Recht auf Fortsetzung und weitere Erfüllung des Vertrages vor der Obrig­ keit in einem schleunigen Verfahren geltend machen, und 3. wenn es mit diesem seinen Anträge durchgedrungen ist, so kann es dann, falls die Herrschaft der von der Obrigkeit angeordneten Weitererfüllung sich nicht fügen will, erst einen Entschädigungsanspruch erheben, aber auch nur diesen, weil 4. der für gerechtfertigt erklärte Antrag auf Fortsetzung des Vertrages gegen die Herrschaft nicht direkt vollstreckt wird. Bei dieser Auffassung erscheint es als Vorbedingung des Anspruchs des Gesindes, daß die Obrigkeit dem auf Erfüllung des Vertrages gestellten Anträge des Gesindes deferirt haben muß. Mit Rücksicht darauf, bas; früher unter der Obrigkeit sowohl die Polizei, als auch die Gerichte verstanden werden konnten, weil die Kognition in Gesindesachen bald der ersteren, bald auch den letzteren überwiesen war (s. A.G.O. I. 26 §. 15) und die Polizei definitiv entschied, war das Vorkommen der jetzt zu Zweifeln Veranlassung gebenden Fälle nicht möglich, denn bei Säumigkeit der Behörde brauchte das Gesinde nur wiederholt anzudringen, jedenfalls entschied aber keine andere Behörde über die Entschädigung als die, welche zuerst an­ zurufen war. Nachdem jetzt den Polizeibehörden aber bloß die provisorischen Anordnungen be­ lassen sind, also ein Verweigern ihres Einschreitens oder die Unterlassung desselben gar keine definitive Entscheidung über den Antrag des Gesindes auf Fortsetzung des Dienstes enthält, wird das Gesinde sich zunächst mit diesem an das Gericht zu wenden haben, damit unter Beihülfe des letzteren die Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs festgestellt werden kann, s. P. Hinschius, Anw.Zeit. 1865 S. 785. Dagegen Dernburg 3. Aufl. 2 S. 559 Note 13, welcher in­ dessen das Verhältniß der Ges.Ordn. zu den früheren, nicht mehr geltenden Vorschriften der A.G.O. nicht genügend berücksichtigt. Für die Einwirkung der Polizeibehörde zur Beibehaltung des Gesindes im Dienste ist keine Gelegenheit geboten, wenn der nachfolgende Besitzer eines Guts den von seinem Vorgänger ge­ schlossenen Dienstvertrag aus dem Grunde zu erfüllen verweigert, weil er durch die Handlungen des Vorfahren nicht habe verbindlich gemacht werden können. Die Polizeibehörde kann dem Besitznachfolger nicht zumuthen, daß er einen ihn nicht verpflichtenden Vertrag erfülle; er ist nicht der Dienstherr des von dem Besitzvorfahren gemietheten Gesindes. Daher ist die Zulässigkeit der gerichtlichen Klage in einem solchen Falle nicht abhänaig von der vorgängig nachgesuchten Vermittelung der Polizeibehörde ; und es ist hinsichtlich dieser Zulässigkeit lediglich auf die von der Dienstherrschaft zur Zeit der Entlassung angegebenen Gründe Rücksicht zu nehmen, um den Einwand, daß der Entlassene die polizeiliche Vermittelung nicht nachgesucht habe, zu würdigen. O.Tr. 1 v. 30. Sept. 1859, Str. Arch. 35 S. 131. Ist die Herrschaft nach I. 5 §. 408 von dem Dienstverträge zurückgetreten, und diese Auf­ hebung des Vertrages, beziehungsweise die Entlassung des Gesindes rechtskräftig sanktionirt, so bleibt kein Raum übrig für das ^iel der polizeilichen Einwirkung, die lediglich auf Fortsetzung des Dienstvertrages gerichtet ist. O.Tr. IV v. 12. Febr. 1857, Str. Arch. 24 S. 55. 92) Zu diesem Zwecke muß der Dienstbote die Vermittelung der Polizeibehörde ausdrücklich anrufen: die Polizeibehörde hat, wenn sie von der Dienstentlassung und von dem Willen des Dienstboten, den Dienst fortzusetzen, Kenntniß erhalten hat, den gesetzlich angeordneten Versuch der Wiederaufnahme des Dienstboten nicht von Amtswegen, sondern nur aus Anrufen desselben anzustellen. O.Tr. I v. 25. Sept. 1863, Entsch. 50 S. 341; Str. Arch. 51 S. 134. Ist der Dienstherr Polizei-Verwalter oder Inhaber der Polizei-Obrigkeit, so versteht es sich von selbst, daß er nicht zwischen sich selbst und seinem Dienstboten vermitteln kann; deshalb muß die Vermittelung der nächstvorgesetzten Polizeibehörde des Bezirks in Anspruch genommen werden, und es genügt "nicht zur Erfüllung der Vorschrift des §. 160 in solchem Falle, daß der Dienst­ bote den Dienstherrn um Wiederaufnahme gebeten hat. Erk. dess. Sen. v. 9. Dez. 1864, Str. Arch. 57 S. 158. H. Vergl. übrigens Anm. 89. 93) Durch das einmal ohne Erfolg geschehene Anrufen der Polizeibehörde wird die vom Gesetze zur Begründung der Entschädigungsklage erforderte beharrliche Weigerung der Herr­ schaft genügend festgestellt, und es bedarf dazu keineswegs eines mehrmaligen Anrufens der Polizei oder eines wiederholten Erbietens zur Fortsetzung des Dienstes seitens des Ge­ sindes. O.Tr. I v. 20. Febr. 1865, Str. Arch. 57 S. 228. H. R.G. in dem Anm. 90 Abs. 1 a. E. citirten Erkenntniß. Vergl. aber Anm. 91 Abs. 2. 34 Koch. Siagcnictncv Viuibvcdjt. III. Aufl

Zweiter Theil.

530

Fünfter Titel.

§§. 1—176 (Zusätze).

§. 162. Luch für die Kost muß die Herrschaft bis dahin sorgen9*). §. 163. Kann aber das Gesinde noch vor Ablauf der Dienstzeit ein anderweitiges Unter­ kommen9') erhalten, so erstreckt sich die Bergütungs-Berbindlichkeit der Herrschaft nur biS zu diesem Zeitpunkte; und weiter Hill aus nur in so fern, als das Gesinde sich in dem neuen Dienste mit einem geringern Lohne hat begnügen müssen. §. 164. Ist die Herrschaft das entlassene Gesinde wieder anzunehmen bereit, daS Gesinde

hingegen weigert sich, den Dienst wieder anzutreten ; so kann letzteres in der Regel gar keine Vergütung fordern. §. 166. Weist aber das Gesinde einen solchen Grund seiner Weigerung nach, weswegen es seines Orts den Dienst zu verlassen99) berechtiget seyn würde: so gebührt demselben die §. 162 eequ. bestimmte Vergütung. §. 166. Kann das Gesinde den vorigen Dienst wegen eines inzwischen erhaltenen ander­ weitigen Unterkommens nicht wieder antreten, so findet die Vorschrift §. 163. Anwendung. Verladung §. 167. Gesinde, welches vor Ablauf der Dienstzeit ohne gesetzmäßige Ursache den Dienst bet Dienste«.Verläßt, muß durch Zwangsmittel zu dessen Fortsetzung ungehalten werden9').

§. 168.

Will aber die Herrschaft ein solches Gesinde nicht wieder annehmen, so ist sie berechtiget.

94) Luch Hausoffizianten müssen, wenn sie von der Herrschaft ohne gesetzmäßige Ursache vor Ablauf der Dienstzeit entlassen find, zur Begründung ihres Anspruchs auf Lohn und Kost auf die noch rückständige Dienstzeit, zuvor bei der Polizeiobrigkeit den Antrag, machen, die Herr­ schaft zu ihrer Wiederannahme und Fortsetzung des Dienstvertrages anzuhalten, und der Herr­ schaft beharrliche Weigerung dadurch nachweisen. Pr. 255 des O.Tr. III v. 29. April 1837, Präj.S. 1 S. 176, und Erk. des IV. Sen. v. 12. Febr. 1867, Str. Arch. 24 S. 55. A. M. ist der J.M. nach einem Schr. an den M. d. I. u. d. Pol. v. 13. Okt. 1837 (v. Kamptz, Annal. 21 S. 1039), worauf jedoch bei dem Pr. des O.Tr kein Gewicht zu legen ist. 96) Dieses Unterkommen muß bei Anwendung des §. 163 auf Hausoffizianten der frü­ heren Stelle konform sein; sonst braucht der Entlassene die neue Stelle nicht anzunehmen. Erk. des O.Tr. IV v. 15. Juni 1858, Str. Arch. 30 S. 111. Der Nachweis, folglich auch die Behauptung, daß der Dienstbote eine andere Stelle nicht «en habe, gehört nicht zur Begründung der Klage; die Herrschaft kann nur exzipiren, daß läger ein anderes Unterkommen hätte haben können, wenn er gewollt hätte. Erk. deff. Sen. v. 22. Febr. 1869, Str. Arch. 32 S. 306. Unter dem „anderweiten Unterkommen" ist nicht nur ein Unterkommen bei einer anderen als der bisherigen Herrschaft zu verstehen, vielmehr ist das Gesinde verpflichtet, noch das nach­ trägliche Anerbieten der Herrschaft, den entlassenen Dienstboten, welcher die polizeiliche Ver­ mittelung fruchtlos nachgesucht hatte, wieder in den Dienst aufnehmen zu wollen, bei Verlust seines Entschädigungsanspruches anzunehmen. Erk. des O.Tr. I v. 30. Jan. 1863, Entsch. 49 S. 228. H. Ein anderweitiges Unterkommen ist aber dem natürlichen Wortverstande nach ein Unterkommen bei einer andern Herrschaft. Dazu kommt, daß, wenn durch die Weigerung der Herrschaft ihre Entschädigungspflicht existent geworden ist, diese letztere nun nicht mehr dadurch, daß die Herrschaft die Erfüllung des früheren Konttaktes anbietet, einseitig wieder aufgehoben werden kann, s. P. Hinschius, Anw.Zeit. 1864 S. 80; Förster-Eceius, preuß. Pr.R. 4 S. 247 Anm. 61. 96) Nämlich sofort und ohne Aufkündigung. Ein zur Aufkündigung berechttgender Grund giebt keinen Anspruch auf Lohn und Kost auf die Kündigungszeit. 97) Durch die Polizeibehörde. R. v. 17. April 1812. H. Auf diese Thätigkeit der Polizei­ behörde, namentlich auch in Betreff der Verhängung von Geldstrafen als Zwangsmittel finden die Vorschriften der neuen Verwaltungsgesetzgebung Anwendung. O.V.G. v. 6. Dez. 1876, Entsch. 1 S. 383 H. Eine Anordnung der Polizeibehörde auf Rückkehr des Gesindes in den Dienst kann auch im Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden, Erk. deff. Ger. v. 6. Dez. 1876, a. a. O. S. 396. Dabei handelt es sich aber nur um die Berechtigung des provisorischen Einschreitender Polizeibehörde (s. Anm. 91 zu §. 160). Die definitive Entscheidung kann nur von den Gerichten gefällt werden, und deshalb ist vom O.V.G. am 14. März 1877, Entsch. 2 S. 386 mit Recht entschieden worden, daß gegenüber einem rechtskräftigen civilrichterlichen Erkenntnisse, wodurch das Verlassen des Dienstes als gerechtfertigt erachtet wird, ein polizeiliches Zwangs­ verfahren, insbesondere auch die Vollstreckung der bereits verhängten Geldstrafen, um oas Ge­ sinde zum Wiederanttitt des Dienstes zu veranlassen, unzulässig ist.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

531

ein anderes an seine Stelle zu miethen, und der ausgetretene Dienstbote ist nicht allein schuldig,

die dadurch

verursachten mehreren Kosten zu erstatten; sondern verfällt überdieß in

eine Strafe, die nach Maasgabe des Grades

der Verschuldung

auf zwei bis

zehn Thaler, oder bei Unvermögen auf verhältnißmäßiges Gefängniß sestzusetzen ist98). a) Gesetz, betreffend die Verletzungen der Dienstpflichten des Gesindes

und der ländlichen Arbeiter.

Vom 24. April 1864.

(G.S. S. 214.)

Wir ic. verordnen für den ganzen Umfang des Staats, mit Ausnahme der Hohenzollernschen Lande, unter Zustimmung der Kammern, was folgt:

§. 1.

Gesinde, welches hartnäckigen Ungehorsam oder Widerspenstigkeit gegen die Befehle

der Herrschaft oder der zu seiner Aufsicht bestellten Personen sich zu Schulden kommen läßt,

oder ohne gesetzmäßige Ursache den Dienst versagt oder verläßt, hat auf den Anttag der Herrschaft, unbeschadet deren Rechts zu seiner Entlaffung oder Beibehaltung, Geldstrafe bis

zu fünf Thalern oder Gefängniß bis zu drei Tagen verwirkt.

Dieser Antrag kann nur innerhalb vierzehn Tagen seit Verübung der Ueberttetung, oder, falls die Herrschaft wegen der letzteren das Gesinde vor Ablauf der Dienstzeit entläßt, vor dieser Entlassung gemacht werden.

Den Anfang auf Grund des Gesetzes vom 14. Mai 1852. bei der Lokal-Polizeibehörde anzubringen ist nur dann zulässig, wenn weder die Herrschaft, noch ein von ihr bestellter

Stellvertreter oder ein Beamter der Herrschaft die Lokalpolizei verwaltet.

An Stelle der

Lokalpolizei tritt in diesem Falle der Landrath99).100

Bis zum Anfang der Vollstreckung der Sttafe ist die Zurücknahme des Antrags zulässig. §. 2.

Die Bestimmungen des §. 1. finden auch Anwendung:

a) auf die bei Stromschiffern in Dienst stehenden Schiffsknechte (Gesetz vom 23. September

1836. (Gesetz-Sammlung S. 222.); b) auf das Verhältniß zwischen den Personen, welche von den zu Diensten verpflichteten

bäuerlichen Besitzern zur Verrichtung dieser Dienste gestellt werden,

und den Dienst-

berechtigten oder den von ihnen bestellten Aufsehern;

c) auf das Verhältniß zwischen dem Besitzer eines Landgutes oder einer andern Acker- oder Forstwirthschast, so wie den von ihm zur Aufsicht über die Wirthschaftsarbeiten bestellten Personen und solchen Dienstleuten, welche gegen Gewährung einer Wohnung in den ihm

gehörigen oder aus dem Gute befindlichen Gebäuden und

gegen einen im Voraus be­

stimmten Lohn Behufs der Bewirthschaftung angenommen sind (Jnstleute, herrschaftliche Tagelöhner, Einlieger, Kathenleute und bergt); d) auf das Verhältniß zwischen solchen Handarbeitern, welche sich zu bestimmten land- oder

forstwirthschaftlichen Arbeiten, wie z. B. Erndtearbeiten auf Acker und Wiese, Meliorations­ arbeiten, Holzschlagen u. s. w. verdungen haben, und dem Arbeitsgeber oder den von ihm bestellten Aufsehern.

§. 3.

Gesinde, Schiffsknechte, Dienstleute oder Handarbeiter der §. 2. a., b., c., d. be­

zeichneten Art, welche die Arbeitsgeber oder die Obrigkeit zu gewiffen Handlungen oder Zu-

geständniffen dadurch

zu bestimmen suchen, daß sie die Einstellung der Arbeit oder die Ver­

hinderung derselben bei einzelnen oder mehreren Arbeitsgebern verabreden, oder zu einer solchen Verabredung Andere auffordern, haben Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre verwirkt 10°).

98) H. Vgl. jetzt das folgende Gesetz §. 1. 99) H. Wo die Kreisordnung gilt, rst dies geändert, s. Anm. 89 zu §. 160 d. Ges.Ordn. 100) Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund v. 21. Juni 1869 (H. auch noch in der Fassung v. 1. Juli 1883, R G Bl. S. 159) bestimmt: §. 162. „Alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbetreibende, gewerbliche Ge­ hülfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Verabredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittelst Einstellung der Arbett -der Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben." Die sog. Schiffsknechte gehören zur Kategorie der „gewerblichen Gehülfen".

532

Zweiter Theil.

Fünfter Titel.

§§. 1—176 (Zusätze).

§• 4. Hausoffizianten (§. 177. seq. Titel 5. Theil II. des Allg. Landrechts) sind den Strafvorschristen dieses Gesetzes nicht unterworfen. §. 5. Die festgesetzten Geldstrafen fließen -ur Orts-Armenkaffe. §. 169.

«bjchied.

Das abziehende Gesinde ist schuldig, alles, was ihm zum Gebrauche in seinen

Geschäften, oder sonst zu seiner Aufbewahrung anvertraut worden, der Herrschaft richtig zurück zu liefern. §. 170. Den daran durch seine Schuld entstandenen Schaden muß es der Herrschaft ersetzen. (§. 65—69.) §. 171. Bei dem Abzüge ist die Herrschaft dem Gesinde einen schriftlichen Abschied, und ein der Wahrheit gemäßes Zeugniß über seine geleisteten Dienste zu ertheilen fdjulbigx).

b) Verordnung wegen Einführung von Gesindebüchern. Lom 29. Sep­ tember 1846. (G.S. S. 467.) Wir rc. rc. Da die bestehenden Vorschriften wegen der dem abziehenden Gesinde zu ertheilenden Entlaffungszeugniffe nach den darüber gemachten Erfahrungen nicht ausreichen, um den Dienstherrschaften die erforderliche Kenntniß von der sittlichen Führung des Gesindes zu verschaffen, so verordnen Wir, nach Anhörung Unserer getreuen Stände auf den Antrag Unseres Staatsministeriums, für den ganzen Umfang der Monarchie, was folgt: §. 1. Jeder Dienstbote, welcher nach Publikation dieser Verordnung in Gesindedienst tritt oder die Dienstherrschaft wechselt, ist verpflichtet, sich mit einem Gesindebuche zu versehen. §. 2. Aufgehoben ®). §. 3. Vor Antritt des Dienstes hat der Dienstbote das Gesindebuch der Polizeibehörde des Aufenthaltsorts zur Ausfertigung vorzulegen. An solchen Orten, wo keine Polizeibehörde ihren Sitz hat, kann die Ausfertigung der Gesindedienstbücher den Dorfgerichten (in den west­ lichen Provinzen den Gemeinde-Vorstehern) durch den Landrath ’) übertragen werden, welcher auch befugt ist, diese Ermächtigung zurückzunehmen. §. 4. Beim Dienstantritt ist das Gesindebuch der Dienstherrschaft zur Einsicht vorzulegen. Sollte das Gesinde die Vorlegung des Gesindebuchs verweigern, so steht es bei der Dienst-

1) Die §§. 171—176 gelten auch von Schiffsleuten. K.O. v. 23. Nov. 1831 (G.S. S. 255). Eine Ministerialverordnung v. 8. Juli 1856 (M.Bl. f. d. inn. Verw. 1866 S. 208) hat auch die Dienstbücher für Schiffsleute eingeführt. Der Dienstherr, der von dem Rechte, das Gesinde im Dienste auch wider dessen Willen festzuhalten, keinen Gebrauch macht, ist nicht berechtigt, demselben die im §. 171 vorgeschriebene Bescheinigung zu verweigern. Erk. des O.Tr. v. 8. Dez. 1865, Str. Arch. 62 S. 70. 2) H. Durch §. 4 des Gesetzes, betreffend die Aufhebung der Abgaben von Gesindebüchern. Bom 21. Februar 1872 (G.S. S. 160). An Stelle desselben treten die nachstehenden Vorschriften des cittrten Gesetzes: §. 1. „Die vom 1. März 1872. ab zur amtlichen Ausfertigung gelangenden Gesindedienst­ bücher' müssen nach einem im ganzen Umfange der Monarchie gleichmäßig zur Anwendung kommenden, von dem Minister des Innern vorzuschreibenden Muster gedruckt und eingerichtet sein. Wer die Ausfertigung eines Gesindebuches verlangt, hat das dazu zu verwendende Formular zu beschaffen und der aussertigenden Behörde vorzulegen — Die Herstellung und der Verkauf dieser Formulare unterliegt nur den allgemeinen gewerbesteuerlichen und gewerbepolizeilichen Vorschriften." — §. 2. „Jedes vom 1. März 1872. ab in Preußen amtlich ausgefeitigte Gesinde­ dienstbuch kann im ganzen Umfange der Monarchie zur Eintragung von Dienstzeugnissen gebraucht werden. — In wie weit die vor dem bezeichneten Tage ausgesertigteu Gesindedienstbücher fernerhin auch außerhalb des Geltungsbereiches derjenigen gesetzlichen Vorschriften, aus Grund deren sie ausgefertigt sind, zur Eintragung von Dienstzeugnissen gebraucht werden können, hat der Minister des Innern zu bestimmen." — 3. „Vom 1. März 1872. ab werden die bestehenden Stempel­ abgaben von Gesindedienstbüchern und Gesinde - Entlassungsscheinen aufgehoben und dürfen wever Gebühren noch sonstige Abgaben für die Ausfertigung, Vorzeigung und Visirung der Gesindedienstbücher oder für die Beglaubigung der Dienstzeugmsse in denselben erhoben werden." 3) Im Geltungsbereiche der Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 (s. 59 ders.) jetzt der Amtsvorsteher.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

533

Herrschaft, entweder dasselbe seines Dienstes zu entlassen, oder die Weigerung der Polizeibehörde anzuzeigen, welche alsdann gegen das Gesinde eine Ordnungsstrafe4)5 bis zu 2 Rthlr. oder verhältnißmäßige Gefängnißstrafe festzusetzen hat.

§. 5.

Bei Entlassung des Gesindes ist von der Dienstherrschaft ein vollständiges Zeugniß

über die Führung und das Benehmen desselben in das Gesindebuch einzutragen6).7

Schreibens­

unkundige haben mit dieser Eintragung eine glaubhafte Person8) zu beauftragen, welche diesen Auftrag mit ihrer Namensunterschrift bescheinigen muß.

Weigert sich

eine Dienstherrschaft,

dieser Verpflichtung zu genügen, so ist sie dazu von der Polizeibehörde durch eine ihr vorher

anzudrohende Geldstrafe von 1 bis 5 Rthlr. anzuhalten. §. 6.

Wird ein Dienstbote wegen eines Verbrechens bestraft, so hat die Untersuchungs­

behörde das Gesindebuch von demselben einzufordern und darin die erfolgte Bestrafung akten­ mäßig einzutragen.

§. 7.

Geht ein Gesindebuch verloren, so wird die Polizeibehörde des Orts, wo das Ge­

sinde dient, oder, wenn es zur Zeit dienstlos ist, die Polizeibehörde des Orts, wo es zuletzt gedient hat, auf geschehene Anzeige und nähere Ermittelung der obwaltenden Umstände, die

Ausfertigung eines neuen Gesindebuchs veranlaffen, in welchem der Verlust des frühern jedesmal

ausdrücklich angemerkt werden muß.

Die dadurch entstehenden Kosten sind von demjenigen

einzuziehen, welcher den Verlust verschuldet hat.

§. 8.

Der Dienstbote, welchem ein ungünstiges Zeugniß ertheilt worden ist, kann auf

die Ausfertigung eines neuen Gesindebuchs antragen, wenn er nachweist, daß er sich während zweier Jahre nachher tadellos und vorwurfsftei geführt habe.

§. 9.

Ist die Ausfertigung eines neuen Gesindebuchs nothwendig, weil in dem bisherigen

bereits sechs Zeugniffe eingetragen sind, so kann das Gesinde verlangen, daß das bisherige Gesindebuch dem neuen vorgeheftet werde. §. 172.

Werden dem Gesinde in diesem Abschiede Beschuldigungen zur Last gelegt, die

sein weiteres Fortkommen hindern würden, so kann es auf polizeiliche *) Untersuchung antragen.

§. 173.

Wird dabei die Beschuldigung ungegründet befunden8), so muß die Obrigkeit dem

4) Die Festsetzung der Ordnungsstrafe steht noch jetzt der Polizeibehörde zu, weil nur die Polizeiübertretungen vor dem Polizeirichter reffortiren. 5) Gesinde von schlechter Aufführung legt der Herrschaft beim Abzüge das Buch zur Ertheilung des Abschiedes gar nicht vor, es simulirt bei der Polizei und der neuen Herrschaft den Verlust und nimmt ein neues. 6) Eine Vers, des Min. der Pol. v. 3. Sept. 1820 verweist auf den Ortsschullehrer, (v. Kamptz Annal. 4 S. 602.) 7) Das L.R. schrieb richterliche Untersuchung vor. Die prozeffualischen Formen sind jedocb nicht geeignet zu dergleichen Ermittelungen, welche keinen Aufschub leiden, da das weitere Fortkommen des beiheiligten Dienstboten davon abhängig ist oder sein kann. Deshalb hat die Ges Ordn. damit die Polizeibehörde beauftragt. Diese darf, wie der Min. d. I. u. d. Pol. in einem Besch, v. 15. Juni 1835 (v. K arnptz, Annal. 19 S. 457) sehr richtig zu erkennen giebt, die Untersuchung über die Richtigkeit des Entlassungsscheins nicht bis zur Beendigung des etwa anhängigen Entschädigungsprozesses, bei welchem die in Betracht kommenden Thatsachen vielleicht mit zur Sprache kommen und Gegenstand der Beweisführung sind, verschieben und von dem Ausfälle des Prozesses abhängig machen. H. Die Polizeibehörde ist nicht befugt, die Herrschaft von der Verpflichtung zur Aus­ stellung eines Führungsattestes zu entbinden. Erk. des O.Tr. I v. 14. Juni 1878, Str. Arch. 98 S. 233. 8) Ueber die Beweislast dabei ist Meinungsverschiedenheit. In den Materialien findet sich darüber dieses Monitum: „Wenn die Unschuld nicht deutlich dargethan worden, so müßte der Herrschaft gleich einem Zeugen Glauben beigelegt, und sie nur für wiffentliche Unwahrheiten bestraft werden. Sonst werden die Zeugnisse bloße Formalitäten, indem Niemand wahrheits­ mäßig das Zeugniß abfassen wird, wenn er seine Behauptungen wahr machen soll," welches un­ beantwortet geblieben ist. iGei.Rev. Pens. 15 S. 77.) In einer Anfrage der Reg. zu Magde­ burg v. 12. Jan. 1828 wird unterschieden zwischen bestimmten unerlaubten Thatsachen, z. B. Diebstahl, Betrug, und dem Betragen des Dienstboten im Allgemeinen, dessen Thätigkeit, Ord­ nungsliebe u. s. iv. Wenn die Herrschaft bestimmte strafbare Handlungen Schuld giebt, ver­ langt diese Reg , „daß die Herrschaft ganz strengen Beweis führen muß"; wenn aber lediglich

534

Zweiter Theil

Fünfter Titel. §§. 1—176 (Zusätze), 177, 178.

Gesinde den Abschied auf Kosten der Herrschaft ausfertigen lassen*),

und

letzterer fernere üble

Nachreden, bei namhafter Geldstrafe, untersagen.

§. 174.

Hat hingegen die Herrschaft einem Gesinde,

welches sich grober Laster und Ver­

untreuungen schuldig gemacht hat, das Gegentheil wider besseres Wissen bezeugt, so muß sie für

allen einem Dritten daraus entstehenden Schaden hasten. §. 17h.

Die folgende Herrschaft kann sich also an sie wegen des derselben durch solche

Laster oder Veruntreuungen des Dienstboten verursachten Nachtheils halten'*).

§. 176.

Auch soll eine solche Herrschaft mit einer Geldstrafe, von Einem bis fünf Thaler,

zum Besten der Armenkasse des Orts belegt werden"). das Betragen des Dienstboten bezeugt wird, soll „in der Regel die Vermuthung für die Herr­ schaft streiten und der Beschuldigte den Gegenbeweis führen müssen." Ein sachlicher Grund dieser Unterscheidung wird nicht angegeben. Nur in Beziehung auf den zweiten Fall, in welchem eine Vermuthung gellen soll, wird gesagt: die tägliche Erfahrung lehre, daß ein Dienstbote es schon sehr arg getrieben haben müsse, wenn die Herrschaft im Abschiede nachtheilige Aeußerungen über ihn mache. Strengen Beweis zu fordern würde die Folge haben, daß die Gesindeabschiede noch unzuverlässiger würden, als sie schon seien, da, was in einem Hausstände vorgehe, selten von einem Dritten, ganz Uninteresflrten wahrgenommen oder beachtet werde. Die Regierung ist in diesem Falle der Meinung, daß, ohne den Herrschaften Kosten zu verursachen, die Polizei­ behörden nur zu attestiren hätten, wie die Beschuldigung nicht erwiesen sei. Es ist nicht findbar, warum diese Gründe thatsächlich nicht vorhanden, oder an sich aewichtlos sein sollen, wenn die Herrschaft bezeugt, daß ihr der Bediente die Börse aus der Tasche gestohlen habe und derselbe dieserhalb entlassen worden ist. Dies ist ja ebenfalls im Hausstande vorgekommen, wo selten ein DritterLVahrnehmunaen und Beobachtungen, wie die Reg. sagt, machen kann. Der Min. des I. und der Pol. überläßt darauf in seinem Bescheide v. 25. Jan. 1828 der Reg., nach ihrem Sentiment zu verfahren, jedvch mit aller Boissicht, damit die Herrschaften nicht veranlaßt werden, noch weniger freimüthig bei Ausstellung dieser Zeugnisse zu verfahren, als es jetzt schon öfters bemerkt werde, (v. Kamptz, Annal. 12 S. 138.) — Diesen Unterschied hat auch der Gesetz­ revisor ausgenommen, indem er sagt: „Ist von bestimmten Thatsachen die Rede, z. B. daß das Gesinde gestohlen, betrogen u. s. w., so kann kein vernünftiger Zweifel bestehen, ob die Herrchast dies beweisen müsse." (Pens. 15 S. 77.) Gleichwohl habe ich einen sehr starken Zweifel owohl an der logischen Wahrheit dieses Ausspruchs, wie an dem Vorhandensein eines Untercheidungsgrundes überhaupt. Wenn die von ihren Dienstboten bestohlene Herrschaft zur Polizei oder zum Gerichte geht und dort ihr Zeugniß über den Diebstahl zu Protokoll giebt, „so kann doch kein vernünftiger Zweifel bestehen," daß ihr weiter keine Beweislast obliegt. Welchen Werth man diesem Zeugnisse beilegen will, ist demjenigen, welcher darüber zu befinden hat, überlassen. Wenn dagegen Üe Herrschaft, statt ihren diebischen Bedienten den Händen der Justiz zu über­

liefern, von ihrem guten Rechte Gebrauch macht, den Dieb wegjagt und die ursachliche Thatsache im Abschiede bezeugt, woher soll es da kommen, daß der Zeuge eine Beweislast über den In­ halt seines Zeugnisses sich auflade? Sein außergerichtliches Zeugniß bleibt immer ein Zeugniß, und zwar ein berufenes, ein ihm vom Gesetze abgefordertes Zeugniß. Das Allerschlimmste für den Zeugen kann immer nur sein, daß ihm kein Mensch glaubt; das steht Jedem frei. Aber von einer Beweisführung des Zeugen über den Inhalt seines ihm abgeforderten Zeugnisses kann nicht die Rede sein, noch weniger von einem Angriffe oder Ansprüche gegen ihn, so lange er nicht der Unwahrheit überführt werden kann. Das juristisch Wichtige ist daher dieses: daß jedes Entlaffungszeugniß, ohne Unterschied dessen, was darin ausgesagt ist, den Werth eines geforderten außergerichtlichen Zeugnisses hat, und das dagegen auftretende Gesinde die Widerlegung an­ treten muß. Dabei bleibt dem zuständigen Richter natürlich eine ganz freie Beurtheilung. Was die Entschädigungsftage im Falle der erwiesenen Unwahrheit des Zeugnisses betrifft, so weichen die Meinungen über den verantwortlich machenden Grad des Versehens von einander ab, indem der Eine nur für Dolus und grobes Versehen, ein Anderer auch für ein mäßiges Versehen verantwortlich machen will. Beide Meinungen scheinen unrichtig, indem der Schade, welcher dem braven, ehrlichen Dienstboten durch ein wahrheitswidriges Zeugniß verursacht wird, wenn ihm ein solcher verursacht worden, ein außer dem Falle eines Kontrakts zugefügter ist, auf welchen die Grundsätze des Sechsten Titels Th. I Anwendung finden, wonach jeder durch ein Versehen eines Menschen verursachter Schade ersetzt werden muß. Dabei ist nicht zu über­ sehen, daß der in Rede stehende nur ein mittelbarer Schade ist. 9) Die Vorschrift des §. 8 der V. v. 29. Sept. 1846 (Zus. d zu Z. 171) kommt in diesem Falle zur Anwendung. Die Polizeibehörde kann aber auch neben dem falschen Zeugnisse das Ergebniß der Untersuchung vermerken, was für das Fortkommen des Dienstboten noch besser ist. 10) Subsidiarisch, da von dieser Regel hier keine Ausnahme gemacht ist. 11) Schiffer mit dem höchsten Satze. K.O. v. 23. Roo. 1831 (G.S. S. 255).

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

§. 177. Hausofsiciantenia), denen nur der Haushaltung oder Wirthschaft, oder die derselben aufgetragen roirb 12 13),14müssen durch nommen werden. §. 178. Mündliche Verabredungen sind geben und angenommen worden.

535

ein gewisses bestimmte- Geschäft in n. von Aufsicht über einen gewisien einen schriftlichen") Contract ange­

ungültig, wenn auch Miethgeld ge­

12) Hierzu müssen als folgend die Worte gedarbt werden: „d. h. solche Personen"; sonst enthält der §. keine Definition, die er doch allem Anscheine nach enthalten soll. 13) Durch das eine oder das andere dieser beiden Merkmale oder auch durch das Zusammen­ treffen beider unterscheiden sich die Hausoffizianten von dem übrigen Gesinde, zu welchem Handlungsdiener und andere Gewerbsgehülfen überhaupt nicht gehören. Zu vgl. Anm. 6 zu §. 1. Das erste Merkmal ist ein unsicheres Kriterium, es paßt auch auf Köchinnen, Kindermädchen, Gänsehüter, Thürsteher und viele andere Personen, die nur zu einem gewiffen bestimmten Ge­ schäfte in der Haushaltung oder Wirthschaft angenommen werden. Man kann sich nur an daS zweite Kennzeichen halten, und selbst damit ist es nicht so genau zu nehmen. Denn es giebt Dienstboten, die unzweifelhaft zum gemeinen Gesinde gehören und doch eine gewiffe Aufsicht über Nebengesinde führen, wie z. B. in großen Landwirtschaften der sog. Großknecht, d. i. der älteste oder erste Knecht, dem die anderen Knechte, wenn sie mit ihm zusammen, ohne einen höheren Auffeher, arbeiten, gehorchen müssen, kraft seiner Stellung und ohne Spezialauftrag. Dies führt zu der näheren Bestimmung, daß solches Gesinde, welches nach seinem Kontrakte zu ge­ meinen Dienstverrichtungen mit eigenen Händen verpflichtet ist, zum gemeinen Gesinde gehört, wenn eS auch nebenher anderes Gesinde zu beaufsichtigen hat. Nach dieser BegriffSbestimmung sind Schaffer (Vögte, Schirrmeister) und Wirthinnen (Ausgeberinnen) in Landwirthschaften ge­ meines Gesinde, denn sie müssen mitarbeiten; desgleichen solche Gärtner, welche selbst den Boden bearbeiten müssen; ferner Jäger, Forsthüter, Wiesenbauer, Köche u. dergl. Brenner auf Land­ gütern erachtet das Erk. des O-Tr. IV v. 23. Okt. 1861, Str. Arch. 3 S. 309, für Hausoffizianten. AlS unstreitige Hausoffizianten sind zu betrachten: Wirthschaftsschreiber und In­ spektoren, Rentmeister (Kastner, Kassenführer), Forstaufseher, Haushofmeister. Bon zweifelhaftem Charakter sind Verwalter und sog. Wirthschaftsdirektoren. Der Titel entscheidet nicht; eS kommt darauf an: ob eine solche Person zum selbstständigen Verwalter des Guts oder der Güter be­ stellt worden ist, oder ob sie unter der unmittelbaren, wenn auch nur generellen, Direktion und Botmäßigkeit deS Prinzipals steht. Im zweiten Falle ist die Person ein Hausbeamter, mag sie genannt werden wie sie will; im ersten Falle ist sie eine solche, welche nach den Be­ stimmungen des zweiten Abschnitts I. 14 beurtheilt werde. Bergl. Erk. des O.Tr. v. 26. Mai 1838 (Centralbl. 1839 Sp. 784 und Forni, Zeitschr. 1 S. 89), welches Wirthschaftsbeamte, die mit der Verwaltung und Beaufsichtigung eines Guts beauftragt sind, gleichfalls nicht zu den Hausoffizianten zählt. Ebenso Erk. des IV. Sen. v. 15. Juni 1858, Str. Arch. 80 S. 112, des 1 Sen. v. 11. April 1859, a. a. O. 33 S. 123, und v. 6. Juni 1859, a. a. O. 34 S. 63. In dem Erk. v. 7. April 1862, a. a. O. 45 S. 179, spricht der 1. Sen. sich dahin aus: An und für sich könne in der Anstellung als Oekonomie-Oberverwalter nicht der Auftrag mit einem be­ stimmten Geschäfte in der Haushaltung oder Wirthschaft, oder mit der Aufsicht über einen Theil derselben gefunden werden. Es fehle an jeder vertragsmäßigen Beschränkung in einer derartig übertragenen Verwaltung (also an dem einen Merkmale des Begriffs eines Hausoffizianten), so auch an vertragsmäßigen Stipulationen, aus welchen auf ein persönliches Abhänaigkeitsverhältniß eines so angestellten Verwalters zu seinem Prinzipale oder Gutsherrn geschloffen werden könnte (an dem anderen Merkmale). Es fehle also an den wesentlichen Merkmalen in dem Vertrage, um jenen Verwalter als bloßen Hausoffizianten betrachten zu können. H. Die Ausschließung von der Häuslichkeit oder der Familie des Prinzipals ist ein Mo­ ment, welches bei der Entscheidung der Frage, ob Jemand als Hausoffiziant zu betrachten, mit berücksichtigt werden kann, s. Erk. des O.Tr. IV v. 26. Okt. 1869, Str. Arch. 76 S. 250. Die auf Lebenszeit angestellten und auf das Holzdiebstahlsgesetz vereidigten Privafförster find als Hausoffizianten anzusehen. Dieselben können jedoch weder nach Vorschrift des §. 101 der Ges.Ordn., noch auf Grund des I. 5 §. 408 willkürlich entlasten werden; aber gegen den dritten Erwerber des betreffenden Gutes haben sie kein Recht auf Beibehaltung in ihrer Dienst­ stellung. S. Annr. 59 zu §. 101. Privatförster, welchen keine selbstständige Verwaltung der Forst, sondern nur die technische Verwaltung beigelegt ist, gehören zu den Hausoffizianten; auf solche finden daher hinsichtlich der Gründe zu ihrer Entlassung die Vorschriften der Ges.Ordn. Anwendung. Erk. des O.Tr. I v. 10. Juni 1864, Str. Arch. 56 S. 49. Vgl. auch Anm. 23 zu §. 187 d. T. 14) Vergl. Anm. 21 zu cj. 186.

586

Zweiter Theil.

Fünfter Titel.

§§. 179—188.

§. 179Doch muß derjenige Theil, welcher von der mündlichen Verabredung wieder abgehen will, das Miethgeld fahren lassen oder zurückgeben. §. 180. Ist der Dienst auf Grund eines bloß mündlichen Vertrages wirklich angetreten, sv kann der eine, so wie der andere Theil, mit Ablauf eines jeden Vierteljahres15 16), jedoch unter Beobachtung einer sechswöchentlichen Aufkündigungs­ frist, wieder abaehen. §. 181. Die Belohnung für die in der Zwischenzeit geleisteten Dienste wird nach der mündlichen Abrede"); und in deren Ermangelung nach dem, was dem Hausofficianten bisher wirklich gegeben worden; oder, wenn auch hiernach der Streit nicht entschieden werden kann, nach dem, was Leute dieser Classe an demselben Orte17)18gewöhnlich erhalten, durch richterliches Ermessen bestimmt. §. 182. Hausofficianten sind nur zu solchen Verrichtungen schuldig, welche mit dem Dienste, wozu sie angenommen worden, nach seiner Bestimmung ver­ bunden sind "). §. 183. Anderen häuslichen Geschäften sich zu unterziehen, sind sie nur im dringendsten Nothfalle verpflichtet. §. 184. In dem Geschäfte, wozu sie angenommen worden, müssen sie für jedes mäßige19) Versehen haften. §. 185. Wegen grober Schimpf- und Schmähworte, ingleichen wegen Thätlich-

15) Dessen Anfang von dem Tage des wirklich erfolgten Dienstantritts gerechnet wird, wo­ nach fich auch die sechswöchentliche Kündigungsfrist richtet. So entscheidet auch der Besch, des J.M. vom 21. März 1834 (Erg. ad h. §.). Das O.Tr. I will unter dem „Vierteljahre" das Kalendervierteljahr verstanden wissen, d. h. das Vierteljahr soll entweder vom l. Januar, oder vom 1. April, oder vom 1. Juli, oder vom 1. Oktober an gerechnet werden, mag der Dienst wirklich angetreten sein, wann er will. Erk. v. 9. Sept. 1861, Entsch. 46 S. 221; Str. Arch. 42 S. 306, (H. auch I v. 9. Fcbr. 1874, Str. Arch. 92 S. 128). Diese Rechtsprechung tritt mit dem Vertrage der Kontrahenten in Widerspruch und zwingt die­ selben, längere oder kürzere Zeit, als sie wollten, zusammen zu bleiben. Die Parteien, welche mündlich kontrahiren, wissen nämlich, daß sie nur ein Vierteljahr zusammen gebunden sind, wenn sie nur die Vorsicht haben, 6 Wochen vor Ablauf des Vierteljahres Einer dem Anderen seinen Willen anzukündigen. Das O.Tr. spricht aber: Das geht nicht; ein Vierteljahr heißt hier nicht ein Vierteljahr, es bedeutet vielmehr bald 6 Wochen, bald 18 Wochen, bald mehr bald weniger, je nachdem. Hierzu gelangt dasselbe durch eine Fiktion. Wird z. B. der Dienst am 16. Februar angetreten, so will es fingiren, entweder er sei schon den 1. Januar, oder erst den 1. April an­ getreten, in beiden Fällen werden die wirklich gedienten 5—6 Wochen weggedacht, denn die Kündigung soll erst den 16. Mai geschehen dürfen, also werden die Parteien gezwungen, nahezu 6 Wochen länger zusammen zu bleiben, als sie ausgemacht haben. Wäre aber der Dienst schon den 14. Februar angetreten und das O.Tr. fingirte, dies wäre schon den 1. Januar geschehen, dann würde diL Kündigung noch an dem nämlichen Tage geschehen können und aus dem Vierteljahre würden 6 Wochen werden. Die eine Fiktion ist so berechtigt wie die andere, denn beide sind rein willkürliche. 16) S. Anm. 92 a. E. zu I. 5 §. 165. 17) Bei einem Wirthschaftsbeamten eines Guts kommt es also darauf an: was seine Vor­ gänger erhalten haben. Das ist das Gewöhnliche im Sinne dieses Gesetzes. Es ist daher un­ zulässige Forderung und Klage, wenn ein auf einen mündlichen Kontrakt ohne Lohnbestimmung angenommener Wirthschaftsbeamter einen nach dem vermeintlichen Werthe seiner Leistungen be­ rechneten Lohn fordert und dessen Richtigkeit durch Gutachten von Sachverständigen darthun will. Im Falle bis dahin kein Wirthschaftsbeamter, dessen Lohn als Maßstab dienen könnte, gehalten worden wäre, muß auf das gesehen werden, was dergleichen Leute aus anderen Gütern von gleicher Größe in derselben Gegend erhalten. Die Schlußbestimmung des 23 der l^es Ordn, findet hier nicht Anwendung, mcht allein deshalb, weil sie jünger ist, sondern hauptsächlich darum, weil sie aus das Verhältniß nicht paßt, indem die Polizeibehörde nicht in der Lage ist, ohne ein förmliches Verfahren über das, was an dem Orte, wo das Rechtsverhältniß nur einmal vor­ kommt, Regel ist, zu befinden. Der §. 181 beruft auch ausdrücklich das „richterliche Ermessen". 18) Vergl. Anm. 13 zu §. 177. 19) Eine Ausnahme von der Regel, daß Sach- und Kunstverständige für jedes Versehen verantwortlich sind. Denn Haus- und Wirthschaftsbeamte sind der in Regel Techniker.

Rechte und Pflichten der Herrschaften und des Gesindes.

537

leiten, womit Hausofficianten von der Herrschaft unverschuldet behandelt worden, können sie, noch vor Ablauf der Dienstzeit, Entlassung fordern20). §. 186. In allen übrigen Stücken 2') haben Hausofficianten mit dem gemeinen Gesinde gleiche Rechte und Pflichten 22). §. 187. Personen beiderlei Geschlechts, welche zur Erziehung der Kinder an»^i«»«mid genommen worden, ingleichcn Privatsecrctaire, Äapläne, und andere, die mit erlernten nen. Wissenschaften und schönen Künsten im Hause Dienste leisten, sind nicht für bloße Hausofficianten zu achten2:!). §. 188. Biclnichr müssen die Rechte und Pflichten derselben nach dem In­ halte des mit ihnen geschlossenen schriftlichen24) Beitrages; nach der Natur, der

20) Sofort, ohne Aufkündigung. 21) Auch in dem Punkte, daß der Vertrag stillschweigend verlängert werden kann. Tas O.Tr. III hatte angenommen, daß der §. 114 der GesOrdn., wonach, wenn keine Aufkündigung erfolgt, der Gesinde-Miethvertrag als stillschweigend verlängert angesehen wird, auf Haus­ offizianten keine Anwendung finden, vielmehr eine Fortsetzung nur durch einen neuen schriftlichen Vertrag erfolgen könne. Erk. v. 8. Jan. 1842, Entsch. 7 S. 215. Das scheint richtig. Tas Plenum hat jedoch am 18. Okt. 1847 den Beschl. (Pr. 1921) gefaßt: „Ein schriftlicher mit einem Hausoffizianten geschlossener Dienstvertrag kann auch stillschweigend verlängert werden." Entsch 15 S. 61. Der Grund für jenen, durch den Pl.Beschl. verworfenen Rechtssatz, daß es nach §§. 177 und 178 gerade zu den Verschiedenheiten zwischen dem Verhältnisse der Haus­ offizianten und des gemeinen Gesindes gehört, daß erstere durch einen schriftlichen Vertrag an­ genommen werden müssen, und mündliche Verabredungen in dieser Beziehung ungültig sind, — wird dgmit widerlegt, daß das Gesetz nicht unbedingt bei schriftlichen Verträgen stillschweigende oder mündliche Verlängerungen des Vertrags für unzulässig erkläre, vielmehr solche Fälle kenne, auch der I. 5 tz. 154 ausdrücklich diese Ausnahme berücksichtige. Damit stößt das O.Tr. seine ganze Beweisführung über den Hausen. Denn wenn, was ganz richtig ist, eine der­ artige Verlängerung zu den Ausnahmen gehört, so kann doch kein Ausleger oder Richter solche Ausnahmen machen, wo sie nicht vorgeschrieben sind; und hier ist die Ausnahme nicht vor­ geschrieben. . Der herangezogene §. 194, der allenfalls nur zu einer Analogie führen könnte, be­ zieht sich auf ein anderes besonderes und ganz eigenthümliches Verhältniß und leidet wegen der Unähnlichkeit beider Verhältnisse nach ihren verschiedenen Zwecken keine analoge Anwendung. Das O.Tr. hat auch den Vorbehalt gemacht, daß durch diesen Pl.Beschl. über die Dauer der stillschweigenden Prolongation nichts entschieden sei. H. S. ferner I v. 4. Okt. 1876, Str. Arch. 99 S. 75. Auch bei schriftlichen Dienstverträgen mit Hausoffizianten, in denen die Dauer der Dienstzeit bestimmt ist, ist zur Auflösung des Dienstverhältnisses die Kündigung unerläßlich. Vergl. auch Anm. 94 zu 162 der Ges Ordn. 22) Die Rechte und Pflichten der Hausoffizianten sind, so weit die §$. 177—185 nicht be­ sondere Bestimmungen für dieselben enthalten, seit Emanation der Ges.Ordn. v. 8. Nov. 1810, nach den Vorschriften dieser letzteren, nicht nach §§. 1—176 des L.R. zu beurtheilen. Pl.Beschl. (Pr. 568) des O.Tr. v. 12. Nov. 1838, Entsch. 4 S. 112. Dadurch ist das ältere Pr. 12 v. I. 1833, lautend: „Die (Gleichstellung der .Hausoffizianten in ihren Rechten und Pflichten mit dem gemeinen Gesinde bezieht sich gegenwärtig auf die Vorschriften der Gesindeordnung v. 8. Nov. 1810, und nicht auf die des A. R. II. 5 1—176; daher ist auch insbesondere der Antrag auf Ausfertigung eines der Wahrheit gemäßen Abschiedes nicht nach §. 172 des A. L R. bei dem Richter, sondern nach 172 der Gesindeordnung bei der Polizeibehörde zu machen", gegen die erfolgte Anfechtung aufrecht erhalten. 23) H. Das Verhältniß eines Büreauvorstehers eines Rechtsanwaltes ist nicht nach §§. 187 ff., sondern nach den Regeln der Verträge iiber Handlungen zu beurtheilen, R.G. I H. v. 25. Jan. 1881, Gruchot 25 S. 1038. Dagegen gehört eine Dame, welche zur Leitung des Hauswesens oder zur Erziehung der Kinder angenommen ist, nicht zu den in den §§. 177 ff. erwähnten Haus­ offizianten, R.G. I H. v. 3. Juni 1881, Gruchot 26 S. 1049. Vergl. Anm 85 zu 2 Abs. 3 d. Ges. v. 31. März 1838 (Zus. 8 zu I. 9 §. 550). 24) Dieser wird nach den (Grundsätzen von Verträgen über Handlungen beurtheilt. Der Besch, des J.M. v. 25. Nov. 1835 (Erg. ad h. £.) spricht aus, daß es nicht stets eines schrift­ lichen Vertrages bedürfe, um eine Klage auf Erfüllung oder Entschädigung hier zu gestatten, sondern nur alsdann, wenn das Objekt mehr als 50 Thlr. beträgt. Driesen Unterschied macht das besondere Gesetz (t$. 188) nicht; dieses fordert schlechthin die schriftliche Form für Dienst­ kontrakte mit den bezeichneten Personell; es verweiset nicht auf die allgemeinen Vorschriften über die Form der Vertrüge.

538

Zweit« Theil.

Fünft« Titel. §§. 189—306.

Sech-t« Titel.

§. 1.

Absicht, und den Erfordernissen des übernommenen Geschäftes; und nach den allge­ meinen gesetzlichen Vorschriften von Verträgen, und von Veräußerung der Sachen gegen Handlungen, beurtheilt werden. (Th. 1. Tit. 11. §. 869. sqq.) §. 189. Dergleichen Personen sind zu häuslichen Diensten in reinem Falle verbunden. §. 190. Sie gehören unter diejenigen Mitalieder der Familie, denen das ge­ meine Gesinde, nach der Anordnung der Herrschaft, seine Dienste leisten muß. (§. 58. 59.) §. 191. Erzieher und Erzieherinnen können wegen bloßer Züchtigungen der Kinder, die in keine Mißhandlungen ausarten, nicht entlassen werden. §. 19*2. Sind auch bloße körperliche Züchtigungen bei Schließung des Ver­ trages untersagt worden, so begründet eine Uebertretung dieses Verbots das Recht zur Aufkündigung25 26).27 §. 193. Die gesetzmäßige Dauer der Dienstzeit solcher §. 187. beschriebenen Personen wird, wenn der Vertrag nicht ein Anderes bestimmt, auf Ein Jahr ge­ rechnet. §. 194. Wegen deren stillschweigender Verlängerung gilt alles das, was bei dem gemeinen Gesinde vorgeschneben ist26).

in. Bon Sklaven.

§. 195. Die Aufkündigungsfrist wird, wenn im Contracte nicht ein Anderefestgesetzt ist, auf ein Vierteljahr bestimmt. §. 196. Sklaverei soll in den Königlichen Staaten nicht geduldet werden. §. 197. Kein Königlicher Unterthan kann und darf sich zur Sklaverei ver­ pflichten. §§. 198 bis 208. Aufgehoben 2?). Gesetz, betreffend die Abänderung der im Allgemeinen Landrecht Theil II. Titel 5. §§. 198. ff. enthaltenen Bestimmungen über Sklaven. Vom 9. Mär- 1867.

(G.S. S. 160.) Wir rc. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages Unserer Monarchie, was folgt: §. 1. Sklaven werden von dem Augenblicke an, wo sie Preußisches Gebiet betreten, frei. Das Eigenthumsrecht des Herrn ist von diesem Zeitpunkte ab erloschen. §. 2. Alle diesen Vorschriften entgegenstehenden Bestimmungen, insbesondere die §§. 198. bis 208. Theil II. Titel 5. des Allgemeinen Landrechts, werden hiermit aufgehoben.

25) Die Aufkündigungsfrist bestimmt der §. 196. 26) Vergl. Anm. 21 zu §. 186. H. Zur Auflösung des Dienstverhältnisses der Hausoffizianten bedarf es der für das Ge­ sinde vorgeschriebenen Aufkündigung, wenn auch in dem schriftlichen Vertrage die Dauer der Dienstzeit bestimmt ist. Erk. des O.Tr. I v. 4. Okt. 1876, Entsch. 78 S. 176. 27) Durch das im Texte hier eingeschaltete Gesetz v. 9. März 1867. Der Wortlaut dieser §§. ist: „8. 198. Fremde, die sich nur eine Zeit lang in Königlichen Landen befinden, behalten ihre Rechte über die mitgebrachten Sklaven. §. 199. Doch muß ihnen die Obrigkeit Schranken setzen, wenn sie diese Rechte bis zu lebensgefährlichen Mißhandlungen der Sklaven ausdehnen wollten. §. 200. Wenn dergleichen Fremde sich in Königlichen Landen niederlafsen; oder auch, wenn Königliche Unterthanen auswärts erkaufte Sklaven in hiesige Lande bringen, so hört die Sklaverei auf. §. 201. Der Herr hat also kein persönliches Eigenthum über den gewesenen Sklaven. §. 202. Doch muß Letzterer von solcher Zeit an dem Herrn ohne Lohn so lange dienen, bis er denselben dadurch für die auf seinen Ankauf etwa verwendeten Kosten entschädigt hat. §. 203. Bei der Berechnung dieser Entschädigung wird der Lohn, welchen das Gesinde, für Dienste dieser Art, am Orte oder in der Provinz gewöhnlich erhält, zum Maaßstabe an­ genommen.

Bon Gesellschaften überhaupt.

539

-Sechster Titel.

Von Gesellschaften überhaupt**, und von Korporationen und Gemeinen insonderheit'). §. 1. Unter Gesellschaften überhaupt werden hier') Verbindungen mehrerer Mitglieder des Staats*) zu einem gemeinschaftlichen Endzwecke verstanden. §. 204. Während der unentgeltlichen Dienstzeit muß dem gewesenen Sklaven nothdürstige Kleidung und Kost, gleich dem Gesinde, gereicht werden. §. 206. Auch in allen übrigen Stücken hat er gleiche Rechte und Pflichten mit dem ge­ meinen und freien Gesinde, §. 206. Hat die Herrschaft der von einem solchen gewesenen Sklaven erzeugten Kinder sich angenommen, so gebühren ihr auf die Dienste derselben gleiche Rechte, wie auf andere in Pflege und Erziehung genommene verlafiene Kinder. (Tit. 2. §§. 753—771.) §. 207. Einen gewesenen Sklaven kann der Herr auch emem Landgute als Unterthanen zuschlagen. §. 208. Geschieht dieses, so hat derselbe mit anderen Gutsunterthanen gleiche Rechte und Verbindlichkeiten." Der §. 198 enthielt eine rechtsgrundsatzwidrige Satzung. Die Sklaverei ist ein Institut, welches dem hiesigen Rechte nicht nur unbekannt, sondern hier sogar positiv verboten ist (§. 196). Daraus folgt, daß die Rechte eines Sklavenherrn über seine mitgebrachten Sklaven hier nicht hätten geschützt werden sollen. Das Verbotsgesetz (§. 196) hat einen absoluten Charakter von zwingender Natur. — Durch die Bestimmung des §. 202 war ein solcher Mensch zu lebens­ länglicher Dienstbarkeit verurtheilt. Ein gesunder kräftiger Sklave kostet in manchen Gegenden bis auf 2000 Thlr. Diese konnte er nach den hier landüblichen Lohnpreisen in seinem Leben nicht abverdienen. Dabei setzen die §§. 203 und 205 den der Gerechtigkeit oder Billigkeit nicht genugthuenden Grundsatz fest, daß die Berechnung nach dem Maßstabe des Lohnes des gemeinen Gesindes ohne Unterschied und ohne Rücksicht darauf geschehen sollte: ob der gewesene Sklave wirklich nur ein gemeiner Arbeiter, oder ein Gelehrter, Künstler u. dergl. war. Die §§. 207 und 208 waren schon in Folge der Aufhebung der Gutsunterthänigkeit, durch das Edikt v. 9. Okt. 1807 §§. 11 und 12, außer Anwendung gesetzt.

* H. Die an das Rechtsinstitut der sog. juristischen Person und an deren Unterart, die Korporation, sich knüpfenden Fragen gehören gegenwärtig zu den bestrittensten der Rechtswisienschast. Die einschlägigen Kontroversen haben in jüngster Zeit auch für das Gebiet des LR. Erörterung gefunden. Aus der bez. Literatur sind hervorzuheben vor allem in historischer Beziehung: Gierke, das deutsche Genossenschaftsrecht, (bis jetzt) 3 Bände (Berlin 1868, 1873, 1881); ferner für das gern. Recht: Zitelmann, Begriff und Wesen der sog. juristischen Per­ sonen (Leipzig 1873); Bolze, der Begriff der juristischen Person (Stuttgart 1879); endlich für das preuß. R., insbesondere für die Auslegung dieses Titels: Rosin bei Gruchot 27 S. 108ff.; Rocholl, Rechtsfälle 1 S. 335ff.; Dernburg 1 §§. 49 ff. (S. 103 ff); Förster-Eccius 4 §§. 280 ff. (S. 703 ff.)

1) Man nennt den Träger von Rechten (Rechtssubjett) Person im juristischen Sinne. Ursprünglich ist nur der Mensch Herr über einen Inbegriff von Rechten, Aus prakttschem Be­ dürfnisse, den Rechtsverkehr zu erleichtern, hat man den Begriff Person später auch auf PersonenGesammtheiten übertragen. Die erste Veranlassung dazu gaben die abhängigen Staaten und Munizipien im römischen Staatsgebiete, welche als Ganzes (universitas) auftraten und behandelt wurden. Daraus entstand der Unterschied zwischen physischen und juristischen (moralischen) Personen. Die letzteren sind, wenn auch die Persönlichkeit dem Namen nach mit einer Anstalt verknüpft ist, immer Personenmehrheiten, welche ohne Rücksicht auf die dazu gehörigen Einzelnen im Rechtsverkehre für eine einzige, von den einzelnen Mitgliedern der Gesammtheit ganz verschiedene, Person gelten. (§. 81.) Zu vergl. Anm. 2 zu I. 1 §. 1 und Anm. 10 u. 11 zu §. 8 ebd. Nacbdem in den Titeln 1 bis 5 das Personenrecht in Beziehung auf physische Personen (Individuen) vorgetragen worden ist, kommt das L R. im Tit. 6 auf die juristisch m (moralischen) Personen, welchen die drei Titel 6 bis 8 gewidmet sind, wovon der Tit. 6 die allgemeinen Grundsätze, gleichsam als Einleitung zu der Lehre von den moralischen Personen, vorträgt. Woher dieselben genommen sind, sagt Suarez in den Schlußvorträgen: „Auch dieser Titel hat ganz neu bearbeitet werden müssen, da die bisherigen gemeinen Rechte, und selbst die ge­ wöhnlichen Compendia und Kommentarien nirgend ein vollständiges und zusammenhängendes

«esellschäften überhaupt.

540

Zweiter Theil.

Sechster Titel.

§§. 2-6.

System darüber, sondern nur einzelne zerstreute Sätze liefern; wie in den Titeln des Corporis Juris de legibus; SCtis et longa consuet.; Quod cujusque Universit. nom.; de Collegiis et Corporib. Diese Sätze sind, so weit sie nicht auf besonderen Römischen Staatsverfafsungen beruhen, möglichst beibehalten worden; sie haben aber natürlich aus Grundsätzen des Juris publici et civilis universalis sehr ergänzt werden müssen. Dies ist vorzüglich bei den Materien von Veränderung der Stiftungen §§. 73—80, und von Aufhebung der Gesellschaften §§. 189 bis 202, geschehen, wo das meiste Neue vorkommt, was hauptsächlich aus den Streitschriften genommen ist, die bei Gelegenheit des Jesuitenordens und der Josephinischen Klostereinziehungen zum Vorscheine gekommen sind. Uebrigens finde ich, auch bei der gegenwärtigen Prüfung, keine Abweichungen von den in unserem Staate bisher angenommenen und in Praxi befolgten Grund­ sätzen. Es kann auch bei dem ganzen Titel um so weniger ein Bedenken obwalten, da die Vor­ schriften deffelben vermöge §§. 26 u. 40 nur alsdann eintreten, wenn weder die Fundationsurkunden und vom Staate approbirten Statuten, noch die besonderen für die verschiedenen Arten der Korporationen ergangenen Gesetze Anwendung finden." Jahrb. 41 S. 149. Man bemerke: es ist in diesem Titel nur von Gesellschaften, von Korporationen und Gemeinen (universitates personarum, societates mere personales) die Rede, obgleich noch andere Personen­ mehrheiten vorkommen, welchen man die Eigenschaft einer juristischen Person zuzuschreiben pflegt, wie z. B. die Beamtenkollegien. Das ist ein glücklicher Griff der Verfaffer. Die juristische und moralische Person ist nämlich eine Fiktion, und zwar eine Fiktion nur zum Zwecke der Er­ leichterung des vermögensrechtlichen Verkehrs. Die Voraussetzung ist mtthin, daß die Einzelnen, aus welchen die Personenmehrheit besteht, im eigenen Interesse Vermögensrechte aus­ üben wollen oder müssen, mag sonst ihr Zweck sein welcher er wolle. Haben also die Einzelnen kein eigenthümliches Vermögensinteresse bei der Gesammtheit, so ist diese Gesammtheit keine juristische Person im eigentlichen Sinne. Dieses ist der Fall mit allen Beamtenkollegien, diese sind daher keine wahren juristischen Personen. Sehr verständig ist daher von diesen in den Titeln 6 bis 8 gar keine Rede. Eine andere aus der Fiktion folgende Beschaffenheit der juristischen Person ist die, daß ein solches Rechtssubjekt durchaus nicht als eine Persönlichkeit nach allen Richtungen und Beziehungen betrachtet werden darf, weil nicht rechtlich fingirt werden kann, was an sich thatsächlich nicht möglich sein könnte. Daher hat eine juristische Person im Personenrechte durchaus gar keinen Boden; sie kann nicht heirathen, nicht väterliche Gewalt haben, folglich nicht adoptiren, nicht Vormund sein (sie selbst ist von Natur unmündig und muß immer einen Vormund haben), keinen Hausstand, folglich kein Gesinde haben §. 4 I. 1, auch nicht beleidigt werden, mithin nicht injuriarum klagen, u. bergt Das Institut gehört mithin ausschließlich dem Vermögensrechte an, und auch in diesem Gebiete setzen ihm die be­ sonderen Privilegien (Statuten oder Bestätigungen) und die Natur der Sache, nach Beschaffen­ heit der Umstände und des Falles, seine bestimmten Grenzen. — H. Im Gegensatze zu der von Koch vorgetragenen römisch-rechtlichen Theorie von der fingirten Persönlichkeit der Korpo­ rationen suchen Rosin (a. a. O. S. 123ff.) und Rocholl (a. a. O. S. 354ff.) den deutsch­ rechtlichen Genossenschaftsbegriff auch für das L.R zu verwerthen; ein Eingehen auf diese weit­ tragenden prinzipiellen Fragen liegt außerhalb der Aufgabe dieses Kommentars. 2) Hier, im Gegensatze zu den Erwerbsgesellschaften (Maskopeien, societates quaestuariae i. Zu Bergt die Anm. zu 1. 17 Abschn. 3. Die Merkmale, welche diese Erwerbsgesellschaften von den hier behandelten Gesellschaften (universitates personarum) wesentlich unterscheiden, sind einestheils die Vereinigung von Vermögen und Dienstleistungen der Mitglieder zum Zwecke irgend eines Vermögenserwerbes, anderentheils die Gründung des Verhältnisses zwischen ge­ wissen bestimmten Personen, die in der Regel nicht wechseln dürfen, ohne daß eine neue Uebereinkunft zu Stande kommt, wenn dieselbe Gesellschaft fortbestehen soll. Die Eigenschaft der juristischen Persönlichkeit hingegen ist eine Zufälligkeit und kann sowohl bei dieser wie bei jener vorkommen. Denn eine Eisenbahngesellschaft oder eine Privat-Feuerverficherungsgesellschaft ist eine Erwerbsgesellschaft, wenn ihr auch die Rechte einer juristischen Person beigelegt worden sind. Zu vergl. 16—20 d. T. H. Der K och'schen Auffassung, daß der Unterschied zwischen Gesellschaften nach 1. 17 und solchen nach II. 6 2.R. in dem Zwecke bestehe, und daß jede Gesellschaft zum Zwecke eines Vermögenserwerbs nur unter den erstangeführten Titel falle (so auch Förster-Eccius 2 S. 392, welcher 4 S. 714 dies näher dahin bestimmt, daß der bezweckte Vermögenserwerb als ein für die Sozien gemeinschaftlicher Gewinn beabsichtig! sein müsse), tritt eine andere gegenüber, nach welcher das unterscheidende Merkmal in der korporativen Organisation liegt, so daß jede Gesellschaft mit den „inneren Rechten der Korporation" ($. 14 d. D ) von I. 17 ausgeschlossen sei (so Dernburg 2 S. 617, insbes. Anm. 9 verb. m. 1 S. 130 f„ insbes. Anm. 4; Rosin bei Gruchot 27 S. 108 ff., insbes. S. 141 ff.). Namentlich nach den eingehenden historischen Dar­ legungen Rosin's muß man das letztere Kriterium als das der Absicht der Redaktoren des 2.R. entsprechende betrachten. Die Praxis hält an der Koch scheu Auffassung fest. Das

Von Gesellschaften überhaupt.

541

§. 2. In so fern dieser Zweck mit dem gemeinen Wohl bestehen kann, sind erlaubte«), dergleichen Gesellschaften erlaubt5*).*6 3 4 3. Gesellschaften aber, deren Zweck und Geschäfte der gemeinen Ruhe, ^unerSicherheit und Lrdnung zuwiderlaufen, finj unzulässig, und sollen uri Staate nicht ttU te ' geduldet werden. §. 4. Auch an sich nicht unzulässige Gesellschaften kann der Staat verbieten, sobald sich findet, daß dieselben anderen gemeinnützigen Absichten oder Anstalten hinderlich oder nachtheilig sind. §. 5. Dergleichen ausdrücklich verbotene Gesellschaften sind, von Zeit des er­ gangenen Berbots, den an sich unzulässigen gleich zu achten. §. 6. Unzulässige und verbotene Gesellschaften haben, als solche, gar keine Rechte, weder gegen ihre Mitglieder, noch gegen Andere. R.O.H.G. insbesondere (welches schon in dem Urteil I v. 8. Juni 1875, Entsch. 18 S. 354ff., die Anwendung von I. 17 mit dem Charakter der streitigen Gesellschaft als einer Erwerbs­ gesellschaft begründet hatte, a. a. O. S. 360) formulirt in der Entscheidung I v. 17. Sept. 1875, Entsch. 18 S. 398, auf Grund eingehender Erörterung des Zusammenhangs zwischen II. 6, dem R.R. und der Doktrin des 18. Jahrhunderts, den Unterschied (auf S. 404) dahin: „Die vertragsmäßige Gesellschaft aus 1. 17 L.R. ist auf individuell bestimmte Mitglieder gestützt, hat keine korporative Konstruktion und verfolgt der Regel nach vermögensrechtliche Zwecke, haupt­ sächlich Erwerbs-Zwecke, und zwar lediglich im Interesse der einzelnen Gesellschafter. Die erlaubte Gesellschaft aus §§. 1 ff. II. 6 L.R. beruht nicht auf einer geschloffenen Zahl individuell bestimmter Mitglieder, ist nach innen korporativ gestaltet und verfolgt entweder rein persönliche, oder daneben zwar auch vermögensrechtliche Zwecke, die aber dann der Regel nach eine allge­ meine, das öffentliche Interesse mitberührende Tendenz haben." Dieses Urtheil (gegen welches Rosin a. a. O. S. 144 polemistrt) stellt wenigstens noch beide Merkmale (Organisation und Zweck) neben einander; R.O.H.G. III v. 22. Febr. 1876, Entsch. 23 S. 348, hingegen betont ausschließlich den Zweck gemeinschaftlichen Erwerbs als das Kriterium für I. 17, und R.G. I v. 18. April 1883, Entsch. 9 S. 108 (Gruchot 27 S. 841 ff.), endlich geht so weit, es für „verfehlt" zu erklären, „daraus, daß in dem Vertrage die Formen, in welchen sich der im Gesell­ schaftsverhältnisse maßgebende Wille der Gesellschafter vermittelt, und die Vertretung derselben ähnlich geregelt sind, wie solche das Gesetz in korporativen Verbänden normirt, den Schluß zu ziehen, daß nicht eine Gesellschaft im Sinne von 1. 17, sondern eine erlaubte Privatgesellschaft im Sinne von II. 6 vorliege." Der erlaubte Zweck des §. 2 d. T. könne nicht die Beförderuna des privatrechtlichen Vermögensinteresses der Gesellschaftsmitglieder als solcher sein. Vgl. auch Anm. 85, 87 zu I. 11 §. 651. 3) Fremde können mithin nicht wahre Mitglieder einer Gesellschaft von der hier gemeinten Gattung werden; die Voraussetzung ist, daß es Staatsbürger sind, welche sich zu einem gemein­ nützigen Zwecke vereinigen, und daß die Korporation gewiffermaßen irgendwie in die Staatsverfaffung eingreift. 4) H. Hierunter fallen nach der Terminologie des L.R. sowohl die erlaubten, nicht aus­ drücklich genehmigten, als auch die genehmigten Gesellschaften (§§. 22 ff. d. T.) im Gegensatz zu den Korporationen (§§. 25 ff. d. T.) einerseits und den unerlaubten Gesellschaften (§§. 3 ff. d. T.) andererseits. Rosin a. a. O. S. 120; Förster-Cccius 4 S. 715. Ebendaselbst S. 710 f. sind die für die Ausfassung des Verhältnisses zwischen erlaubter Gesellschaft, genehmigter Gesell­ schaft und Korporation wichtigen, bisher noch nicht veröffentlichten Materialien in Anm. 2 u. 5 zuckt ersten Male mitgetheilt. 5) Konsumvereine, welche nicht „eingetragene Genossenschaften" sind, sind zu den erlaubten Gesellschaften im Sinne des §. 2 d. T. zu zählen, auf welche die Vorschriften der §§. 11 ff. d. T. und nicht die Vorschriften des Tit. 17 Anwendung finden. O.Tr. IV v. 4. Febr. 1868, Str. Arch. 70 S. 57. H. Entgegengesetzt: das Handels-Appellationsgericht in Nürnberg v. 28. April 1875 bei Goldschmidt, Zeitschr. f. d. ges. Handelsr. 22 S. 400. Für das O.Tr.: Förster-Eccius4 S. 753. 6) H. Vorschriften über das Verbot von Vereinen bezw. Strafbestimmungen gegen die Theilnahme an verbotenen Vereinen enthalten Art. 30 der Verf.Urk. v. 31. Jan. 1850 (s. Zusatz 1 zu §. 10) ; 8, 16 der Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechts v. 11. März 1850 (G.S. S. 277 — s. Anm. 9); §. 35 des Genoffenschaftsges. v. 4. Juli 1868 (Zus. 2 zu §. 24); §. 103 Nr. 3 der R.Gew.O.; §§. 1—8, 17 f. des Gesetzes gegen die gemein­ gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie v. 21. Okt. 1878 (R G Bl. S. 351); §§. 128, 129 R.Str.G.B.

Zweiter Theil.

642

Sechster Titel.

§§. 7—10 (Zusatz), 11, 12.

§. 7. Die Mitglieder derselben sind, wegen unerlaubter Handlungen, die von ihnen gemeinschaftlich, oder auch von Einzelnen nach dem Zwecke der Gesellschaft vorgenommen worden, zum Schadensersätze und zur Strafe eben so verhaftet, wie andere Mitgenossen eines Verbrechens7). 89 §. 8. Doch sind diejenigen Mitglieder davon befteit, welche weder von dem gemeinschädlichen Zwecke der Gesellschaft gewußt, noch an den unerlaubten Hand­ lungen der übrigen Theil genommen haben. §. 9. Dergleichen Mitglieder können vielmehr, wenn ihnen aus einer solchen Verbindung Schaden entsteht, den Ersatz desselben von denjenigen, durch welche sie zum Beitritte verleitet worden, so wie von den Vorstehern der Gesellschaft fordern. §. 10. Wer einer vom Staate ausdrücklich verbotenen Gesellschaft beitritt, kann asgen die in dem Verbotsgesetze bestimmte Strafe, durch Vorschützung der Unwissenheit des unerlaubten Zweckes, sich nicht entschuldigen *). 1. 1850.

Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat.

Dom

31. Januar

(G.S. S. 17.)

Artikel 30.

Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Straf-

gesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen.

Das Gesetzt) regelt, insbesondere zur Auftechthaltung der öffentlichen Sicherheit, die Aus­

übung des in diesem und in dem vorstehenden Artikel (29.) gewährleisteten Rechts.

7) H. Bezüglich des Schadensersatzes kommen I. 6 §§. 29 ff. zur Anwendung. In wieweit die einzelnen Mitglieder einzelner unerlaubter oder (§. 3) verbotener (§. 4) Gesellschaften den in Sinnt. 6 angeführten Strafbestimmungen unterliegen, bestimmt fich jetzt nach den einzelnen besonderen Vorschriften bez. den allgemeinen Vorschriften des R.Str.G.B. über Theilnahme (88- 47 ff.). 8) H. Statt des §. 10 d. T. kommt jetzt §. 69 R.Str.G.B. zur Anwendung. Ob Kenntniß von dem Verbote zum gesetzlichen Thatbestände der Zuwiderhandlung gegen die betreffende Strafbestimmung gehört, ist nach dem Inhalt der letzteren zu beurtheilen. 9) Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Bersammlungs- und Vereinigungsrechtes. Vom 11. März 1860 (G.S. S. 277). Aus dem Gesetze interessiren vom Standpunkte dieses Titels aus folgende Vorschriften über Stiftung und Schließung von Vereinen:

„§. 2. Die Vorsteher von Vereinen, welche eine Einwirkung auf öffentliche Angelegen­ heiten bezwecken, sind verpflichtet, Statuten des Vereins und das Verzeichniß der Mitglieder binnen drei Tagen nach Stiftung des Vereins, und jede Aenderung der Statuten oder der Vereinsmilglieder binnen drei Tagen, nachdem sie eingetreten ist, der Ortspolizeibehörde zur Kenntnißnahme einzureichen, derselben auch auf Erfordern jede darauf bezügliche Auskunft zu ertheilen. — Die Ortspolizeibehörde hat über die erfolgte Einreichung der Statuten und der Verzeichnisse, oder der Abänderung derselben, sofort eine Bescheinigung zu ertheilen. — §. 8. Für Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu eröttern, geften außer vorstehenden Bestimmungen nachstehende Beschränkungen: a) sie dürfen keine Frauens­ personen, Schüler und Lehrlinge als Mitglieder aufnehmen; b) sie dürfen nicht mit anderen Vereinen gleicher Art zu gemeinsamen Zwecken in Verbindung treten, insbesondere nicht durch Komite's, Ausschüsse, Central-Organe oder ähnliche Einrichtungen oder durch gegenseitigen Schrift­ wechsel. — Werden diese Beschränkungen überschritten, so ist die Ortspolizeibehörde berechtigt, vorbehaltlich des gegen die Beteiligten gesetzlich einzuleitenden Strafverfahrens, den Berem bis zur ergehenden richterlichen Entscheidung (§. 16.) zu schließen. Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge dürfen den Versammlungen und Sitzungen solcher politischen Vereine nicht bei­ wohnen. Werden dieselben auf die Aufforderung des anwesenden Abgeordneten der Obrigkeit nicht entfernt, so ist lUrund zur Auslösung der Versammlung oder der Sitzung (§§. 6. 6.) vor­ handen. — §. 16. Wenn ein politischer Verein die im §. 8. zu a. und b. gezogenen Beschränkungen überschreitet, so haben Vorsteher, Ordner und Leiter, die diesen Bestimmungen entgegen ge­ handelt haben, eine Geldbuße von fünf bis fünfzig Thalern oder Gefängniß von acht Tagen bis zu drei Monaten verwirkt. Der Richter kann außerdem nach der Schwere der Umstände auf Schließung des Vereins erkennen. Auf diese Schließung muß erkannt werden, wenn Vor­ steher, Ordner oder Leiter sich wiederholt strafbar gemacht haben. — Wer sich bei einem auch mit vorläufig (§. 8 ) geschlossenen politischen Vereine als Mitglied ferner betheiligt, wird mit

Bon Gesellschaften überhaupt.

643

Politische Vereine können Beschränkungen und vorübergehenden Verboten im Wege der Gesetzgebung unterworfen werden.

Artikel 31.

Die Bedingungen, unter welchen Korporationsrechte ertheilt oder verweigert

werden, bestimmt das Gesetz *•).

§. 11. Die Rechte und Pflichten der Mitglieder erlaubter Gesellschaften unter «echte der sich, werden nach dem unter ihnen bestehenden Vertrage, in dessen Ermangelung, nach den für die verschiedenen Arten solcher Gesellschaften ergangenen besonderen Gesetzen, und wo auch diese nicht entscheiden, nach dem Zwecke ihrer Verbindung beurtheilt. §. 12. Bei Handlungen, woraus Rechte und Verbindlichkeiten gegen Andere entstehen, werden sie nur als Theilnehmer eines gemeinsamen Rechts, oder einer gemeinsamen Verbindlichkeit betrachtet"). Geldstrafe von fünf bis zu funfzia Thalern oder Gefängnißstrafe von acht Tagen bis zu drei Monaten belegt. — Wer der Vorschrift des §. 8. a. entgegen sich als Mitglied aufnehmen läßt, hat eine Geldbuße von fünf bis zu fünfzig Thalern verwirkt. — Wenn die Polizeibehörde einen politischen Verein vorläufig geschloffen hat (§. 8.), so ist sie gehalten, binnen acht und vierzig Stunden nach der Schließung davon und von den Gesetzwidrigkeiten, welche zur Schließung Anlaß gegeben haben, der Staatsanwaltschaft Anzeige zu machen. Findet die Staatsanwalt­ schaft die angeblichen Gesetzwidrigkeiten nicht geeignet, eiye Anklage darauf zu gründen, so hat die Ortspolizeibehörde auf die ihr durch die Staatsanwaltschaft binnen weiteren acht Tagen zu ertheilende Nachricht die Schließung des Vereins aufzuheben. Anderenfalls muß die Staats­ anwaltschaft ebenfalls binnen acht Tagen entweder die Anklage erheben oder binnen gleicher Frist die Voruntersuchung beantragen. Alsdann ist vom Gerichte sofort Beschluß darüber zu fassen, ob die vorläufige Schließung des Vereins bis zum Erkenntniffe in der Hauptsache fort­ dauern soll." 10) Dieses Gesetz steht noch zu erwarten. Zur Zeit haben wir darüber nur die Be­ stimmungen der 6§. 26 u. 26 b. T. Danach ist die Grtheilung der Korporation-rechte eine Handluna der Gesetzgebung. Deshalb finden sich nirgends Bedingungen vorgeschrieben, unter welchen Korporationsrechte ertheilt oder verweigert werden sollen; denn die Gesetzgebung ist ihrer Natur nach absolut. Dor dem Jahre 1848 war die gesetzgebende und die Regierungs­ gewalt ungetrennt in Einer Hand und es bedurfte außer den §§. 25 und 26 keiner weiteren Bestimmungen. Diese sind nun, nachdem die Verf.Urkunde v. 31. Jan. 1850 beide Gewalten getrennt hat, unzureichend. Die Errichtung oder Konzesstoniruna der Korporationen unverändert bei der Gesetzgebung zu lassen, ist nicht praktisch; soll sie aber der Regierung zustehen, so muß die Gesetzgebung die Bedingungen vorschreiben, unter welchen neue Korporationen errichtet und bestehende Korporationen wieder aufgehoben werden können. §. 189 d. T. Schon nach dem jetzigen Stande der Gesetzgebung ist nicht zu bezweifeln, daß die Aufhebung so wenig wie die Errichtung einer Korporation eine Justizsache ist; aber welche Autoritäten sonst zuständig find, bedarf noch eben so der gesetzlichen Bestimmung, wie die Bedingungen ihrer bedürfen. Die Praxis richtet sich bei der Bestätigung und Konzesfionirung nach den alten Gesetzen, wonach dieselbe dem Landesherrn gebührt. §. 22 d. T. und §§. 20 und 29 II. 11, verb. mit §. 4 der Zusammen­ stellung re. zum Patent, die Bildung neuer Religionsgesellschaften betreffend, v. 30. März 1847 (G.S. S. 124). Die Entziehung der Konzession aber, also die Aufhebung der Korporation, Öt auch durch das Ministerium, wie der Fall der freien Gemeinde zu Magdeburg jcigt stehen konzessionirte Gesellschaften schlechter als andere, selbst politische Vereine, die nach der B. v. 11. März 1850 §. 8 lit. b endgültig nur durch Richterspruch aufgelöst werden können (s. Anm. 9). H. Ueber die Verleihung der Korporationsrechte s. Rosin a. a. O. S. 114 ff.; Dernburg 1 S. 106f.; Förster-Eccius 4 S. 720ff. Dieselbe ist nicht, wie Koch meint, ein Akt der Gesetzgebung, sondern der Verwaltung; daher sind auch die früheren Vorschriften über diesen Gegenstand durch den Art. 31 der Verf.Urk. unberührt geblieben. R.O.H.G. I v. 13. April 1875, Gntsch. 17 S. 80, insbes. S. 83. Es giebt Fälle, tn welchen kraft RechtSsatzeS jede aewiffen gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende Gesellschaft auch ohne Spezial-Verleihung Korporationsrechte besitzt. R.Ö.H.G. a. a. O. S. 84, Rosin a. a. O. S. 119 f. — Die polizei­ liche Genehmigung einer Gesellschaft ist nicht identisch mit der Verleihung der Korporationsrechte, s. Anm. 17 zu §. 22 d. T. 11) Hieraus folgt für sich allein noch keine Korrealität derselben in Beziehung auf derartige Handlungen; vielmehr kommen die gemeinschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten Jedem pro rata zu; und der Ausdruck „gemeinsam" hat den Sinn: daß die Mitglieder im Verhältniß gegen Dritte nur als Gemeinschafter gelten, — gemeinschaftlich, d. h. alle zusammen Träger

544

Zweiter Theil.

Sechster Titel.

§§. 13, 14.

§. 13. Dergleichen Gesellschaften stellen im Verhältnisse gegen andere, außer ihnen, keine moralische Person vor, und können daher auch, als solche, weder GrundMcke, noch Capitalien auf den Namen der Gesellschaft erwerben^). §. 14. Unter sich aber haben dergleichen Gesellschaften, so lange sie bestehen, die innern Rechte") der Corporationen und Gemeinen 14). (§. 25. sqq.) der Rechte und Verbindlichkeiten pro rata sein sollen. O.Tr. I (Pr. 2268) v. 13. Jan. 1851, Entsch 20 S. 328. Das Pr. bezieht sich auf einen Vergnügungsverein (Ressource). Die einzelnen Glieder einer jüdischen Gemeinde hasten dem Dritten, welchem sie sich verpflichtet hat, pro rata, wenngleich sie unter sich nach Verhältniß ihrer Verpflichtung zu den Gemeinde­ bedürfnissen beizutragen haben. O.Tr. 1 v. 6. Okt. 1854, Str. Arch. 13 S. 300. H. Für die ratirliche Haftung der Mitglieder einer erlaubten Privatgesellschaft nach außen s. auch noch O.Tr. I v. 14. Juli 1851, Str. Arch. 2 S. 252 (insbes. S. 260); IV v. 4. Febr. 1868, Str. Arch. 70 S. 57 (insbes. S. 61), und namentlich IV v. 8. Juni 1875, Entsch. 75 S. 252. Vgl. jedoch Anm. 14 letzten Absatz. 12) Es kann mithin auch nicht auf den Namen der Gesellschaft, sondern nur auf den der Mitglieder der Besitztitel berichtigt werden. R. v. 8. Jan. 1836, Jahrb. 47 S. 368. Ist freilich bei alten Gesellschaften, bezüglich auf den Wechsel der Mitglieder, unausführbar. Vergl. Str. Arch. 68 S. 34 und Anm. 14 Abs. 1 a. E. H. Rosin a. a. O. S. 128 f.; Förster-Eccius 4, S. 716 Anm. 25; Dernburg 1 S. 131. Dieser Folgesatz des § 13 ist bezüglich auf alle Arten von Handelsgesellschaften außer Anwendung gesetzt: diese können auf ihren Namen Grundstücke. Gerechtigkeiten, dingliche Rechte und Hypothekenforderungen erwerben und in das Hypothekenbuch eintragen lassen. H.G.B. Art. 111 und 164 und Einf.Ges. v. 24. Juni 1861 Art. 33; H. s. auch §.11 des Genossenschaftsgesetzes (Zus. 2 zu §. 24 d. T.).

13) H. Die Bestellung eines Vertreters und die Ermächtigung zur Vertretung nach außen sind eine „innere Angelegenheit" im Sinne des § 14. Doch ist auch die Bestellung von Prozeß­ vertretern durch einen Mehrheitsbeschluß der erlaubten Privatgesellschaft zulässig. R.G. IV v. 10. Mai 18b3, Gruchot 27 S. 964, übereinstimmend mit O.Tr. II v. 7. Mai 1861, Str. Arch. 42 S. 66. — Aus der Anwendbarkeit der „inneren Rechte der Korporationen und Gemeinen" auf erlaubte Gesellschaften, folgt die Anwendbarkeit des §. 42, und namentlich der die verbindliche Kraft von Majoritätsbeschüssen betreffenden §§. 64 ff. Dagegen sind auf bloß erlaubte Gesell­ schaften unanwendbar §§. 26—40, 81 — 113 d. T. R.G. 1 H. v. 25. Febr. 1881, Gruchot 25 S. 1040; Förster-Eccius 4 S. 715 f. 14) Die Satzungen der beiden §§. 13 und 14 schaffen einen verworrenen Rechtszustand. Einem Dritten gegenüber gelten dergleichen Gesellschaften nicht für eine juristische Person, viel­ mehr müssen die einzelnen Mitglieder persönlich, aber alle zusammen, verklagt werden, nach §. 13. Wenn jedoch nach Gründung eines obligatorischen Verhältnisses der Mitglieder einer­ seits, zu einem Dritten andererseits, einzelne Mitglieder ausscheiden, so tritt die Bestimmung der §§. 14 und 15 in Wirksamkeit, d. h. die Ausgeschiedenen kommen als Mitglieder der Gesell­ schaft in keiner Hinsicht mehr in Betracht und Mitleidenheit. Dies soll aber nur in dem Ver­ hältnisse zur Gesellschaft („unter sich") gelten. Macht jener Gläubiger seinen Anspruch geltend, so muß er auch die Ausgeschiedenen pro rata mit belangen (vor. Anm. 11), obwohl sie doch keinen Antheil mehr haben, und vielleicht gar nicht mehr aufzufinden sind. Deshalb ist eine solche persönliche Verfolgung der Einzelnen in vielen Fällen nicht möglich. Um hier nachzuhelfen, müssen die Gesellschastsschulden zugleich als Schulden aufgefaßt werden, welche auf dem Vermögen der Gesellschaft (§. 15) haften. Ta die Antheile der Ausscheidenden ipso jure auf die Bleibenden übergehen und eben so die neu aufgenommenen Mitglieder Miteigenthümer werden (§§. 14 u. 15); so muß es rechtlich zulässig sein, die jedesmaligen Mitglieder der Gesellschaft, als Besitzer des belasteten Vermögens, zu belangen. Hiernach hat in der That das O.Tr. eine Klage gegen die dermaligen Mitglieder der Judenschaft wegen eines zur Abtragung der Schulden für den Ausbau ihrer Synagoge gegebenen Darlehns beurtheilt, indem es in den Gründen des Erk. v. 17. Mai 1847 sagt: „Die Verkl. stellen in Beziehung auf dieses Grundstück eine einzige ju­ ristische Person dar, welche das den Klägern verantwortliche Rechtssubjekt bildet. Und aus Veränderungen, welche im Laufe der Zeit durch Ausscheiden bisheriger und durch das Eintreten neuer Mitglieder vorgekommen sind, kommt dabei gar nichts an." Dies wird durch den §. 15 d. T. begründet, muß aber in dem vorhin angedeuteten Sinne aufgefaßt und verstanden werden, sonst würde es mit den 12 und 13 in Widerspruch treten. Tie Herausgeber der Ent­ scheidungen haben diesen Rechtsfall mit folgendem Satze überschrieben: „Zur Begründung des Anspruchs auf Erstattung des einer geduldeten Religionsgesellschaft hergegebenen und in ihrem Nutzen verwendeten Darlehns ist nicht erforderlich, daß derselben Korporationsrechte verliehen worden. Es genügt, daß die Gesellschaft mit Genehmigung des Staats zusammengetreten ist."

545

Von Gesellschaften überhaupt.

Entsch. 15 S. 318. Vergl. zu II. 11 §. 24. In dem dort angeführten Erk. v. 14. Juli 1851 hat das O.Tr. in Anwendung auf jüdische, der Eigenschaft einer juristischen Person entbehrende, Religionsgesellschaften über erlaubte Privatgesellschaften, von welchen hier die Rede ist und welche nicht zu den vermögensrechtlichen Erwerbsgesellschasten gehören, vielmehr einen anderen dauernden gemeinnützigen Zweck verfolgen und Vermögen nur als Mittel zum Zweck besitzen (universitates personarum), ausgesprochen, „daß, während auf die sog. Erwerbsgesellschasten hauptsächlich der 3. Abschn. des 17. Tit. Th. 1 Anwendung findet, ihre Rechtsverhältniffe durch die, den Borschriften über Korporationen sich anlehnenden §§. 11—15 d. T. geregelt werden; daß demgemäß ihre Angelegenheiten durch statutenmäßige Beschlüffe regulirt werden, so daß der Wille des Einzelnen in dieser Beziehung unbeachtet bleibt und ein solcher Beschluß als der erklärte Wille der Gesellschaft üby das, was geschehen soll, entscheidet; und daß (im Gegensatze zu den Erwerbsgesellschasten, bei denen jedem Mitglieds die Verfügung über seinen Antheil an dem gemeinschaftlichen Eigenthume zusteht) bei Gesellschaften, wie die hier in Rede stehenden, das etwa vorhandene Vermögen nur als Eigenthum der jedesmaligen Mitglieder der Gesellschaft anzusehen ist und auf diese, so lange die Gesellschaft besteht, übergeht." Es ist ein Dreben im Kreise, das Rechtssubjekt ist nicht definirbar, wenn es keine fingirte (juristische) Person sein soll, wie jeder dauernde gemeinnützige Zweck (causa) eine solche wesentlich ist. Die zwingende Konsequenz der Thatsachen nöthigt zur Anwendung der nur von juristischen Personen geltenden Grundsätze trotz der widersprechenden positiven Satzungen, weil sonst „derartige aufDauer berechnete, gemeinnützige Zwecke verfolgende Privatgesellschaften überhaupt nicht fortbestehen könnten", wie daS O.Tr. in dem Erk. v. 21. Sept. 1865, Str. Arch. 61 S. 47, ganz richtig sagt. Daraus leitet es dann den Folgesatz her: daß die Anstellung von Klagen, welche auf Verfolgung von Rechten abzielen, die aus Verträgen der Gesellschaft mit dritten Personen, z. B. aus einem Darlehn, welches ein Vorschuß-Kassenverein, dessen Zweck es ist, seinen Mitgliedern zur Förderung ihres Geschäfts Geldmittel zu verschaffen, einem Mitglieds gegeben hat, hergelertet werden, nicht durch den Beitritt aller derjenigen bedingt ist, welche zur Zeit des Vertragsabschlusses Mitglieder der Gesellschaft waren. (Ebd. S. 48.) — Wiederholt hat das O.Tr., bezüglich auf eine Schützengesellschast ohne KorporattonSrechte, ausgesprochen: „Die Gesellschaft, d. y. die Gesammtheit der physischen jetzigen Mitglieder, kann Besitz und Eigenthum erwerben, den Verjährungsbesitz beginnen und durch Akquisitiv-Verjährung Eigenthum erwerben." III v. 8. Rov. 1867, Str. Arch. 68 S. 341. Rach diesen Grundsätzen sind auch Reffourcengesellschasten zu beurtheilen. Das Pr. 2268 (in Anm. 11) bezieht sich auf eine solche. Es versteht sich, daß sie einem oder mehreren der

Theilnehmer den welcher Auftrag Grundsätzen von 1831, Jahrb. 37

Betrieb aller oder einer gewissen Art ihrer Angelegenheiten übertragen können, aus den Beschlüssen der Gesellschaft entnommen werden kann und nach den Vollmachten zu beurtheilen ist. Zu vergl. der Besch, des Just.Min. v. 6. Juni S. 324.

H. Die Annahme Koch's, der durch §§. 13, 14 d. T. geschaffene Rechtszustand sei ein „verworrenes, erscheint unzutreffend, sobald Man von der Alternative: Sozietät oder juristische Person und von der allerdings unklaren Judikatur insbesondere des O.Tr. absieht, und die „erlaubte Privatgesellschaft" als „eine deutschrechtliche Gesellschaft, welche ihre Mitglieder bis zu gewissem Grade zu einer kollektiven, mit einem Sondermögen ausgestatteten Einheit zusammen­ faßt," betrachtet. Es ist das Verdienst Ros in's a. a. O., diesen Gesichtspunkt klar hervorgehoben und konsequent durchgefübrt zu haben, während Dern burg 1 §.59 (S. 130 f.) streng an dem Sozietätscharackter festhält und daher fast durchweg zu Folgerungen gelangt, welche nicht nur mit

denen Rosin's, sondern auch mit der Praxis des O.Tr. in Widerspruch stehen. Auch Först er Eccius 4 S. 717 nimmt an, „daß es kein Vermögen der Gesellschaft als einer von den zei­ tigen Mitglieder gesonderten Person giebt, daß vielmehr diese das Vermögen in Miteigenthum haben, aber nicht in Miteigentum zu bestimmten ideellen, auskehrbaren Antheilen, son­ dern nur mit dem Recht, die Verwendung des Miteigenthums zu den Gesell­ schaftszwecken zu fordern-" Im Einzelnen lehrt Rosin: 1. Eigenthums- und Besitzerwerb unter Lebenden ist möglich durch alle Mitglieder oder gehörig bevollmächtigte Vertreter; Eigen­ thümer werden nur die Mitglieder ; als Eigenthümer sind die einzelnen Mitglieder jn's Grund­ buch einzutragen, soweit nicht Erwerb durch eine vorgeschobene Person vorliegt (a. a. O. S. 128 ff., vgl. Anm. 11); letzwillige Zuwendungen mit der Auflage der Zugehörigkeit des Erwerbes zum gesellschaftlichen Sondervermögen sind zulässig (S. 129 f.; dagegen Förster-Eccius 4 S. 717). 2. Der Vorstand ist nach außen nicht korporativer Vertreter, vielmehr zum Handeln nur befugt, soweit er bevollmächtigt ist (S. 130, so auch O.Tr. v. 15. Juni 1871, Gruchot 15 S. 912). 3. Die Gesellschaft ist als solche parteifähig, ein „Personenverein, welcher als solcher verklagt «erden kann" im Sinne der 19, 23, 157, 168 C.P O., ohne daß es auf die Person und etwaige Wechsel der Mitglieder ankäme (S. 130 ff., so auch O.Tr. IV v. 21. Sept. 1865,

Koch. SlUgcmciiic-? Viuibrcdit III.

8. Ausl.

35

546

Zweiter Theil.

Sechster Titel.

§§. 15—22.

§. 15. Es kann daher ein ausscheidendes Mitglied von dem Gesellschafts­ vermögen nur in sofern einen Antheil fordern, als das Mitglied einer Corporation und Gemeine dazu berechtigt ist"). §. 16. Handlungsgesellschaften werden lediglich nach den Vorschriften des dritten Abschnitts des siebzehnten Titels im ersten Theil, und des siebenten Abschnitts des achten Titels im zweiten Theil,",*) beurtheilt. §. 17. Alles, was einer solchen Gesellschaft zufällt, wird nur daS gemein­ schaftliche Eigenthum der dermaligen Mitglieder. §. 18. Es kann also jedes ausscheidende Mitglied seinen Antheil davon, so wie von dem übrigen im gemeinschaftlichen Eigenthume befindlichen Vermögen fordern. §. 19. Ist bei der Erwerbung oder Zuwendung das Gegentheil ausdrücklich festgesetzt worden: so hat zwar, so lange die Gesellschaft besteht, ein ausscheidendes Mitglied an dergleichen Sachen keinen Anspruch; §. 20. Wenn aber die Gesellschaft ganz aufhört, so wird auch eine solche Sache, gleich dem übrigen gemeinschaftlichen Vermögen, unter die alsdann vor­ handenen Mitglieder getheilt. §. 21. Schenkungen, die einer erlaubten Privatgesellschaft, welche aber keine Str. Arch. 61 S.44; a. M. Dernburg 1 S. 131 Anm. 7 und Förster-Eccius a. a.O. S. 719 f.; s. auch für das gern. Recht R.O.H.Ä. I v. 1. u. 5. Dez. 1871, Entsch. 4 S. 199,208; R.G. I v. 30. April 1881, Entsch. 4 S. 155). 4. Forderungen gehören zum Sondervermögen; ihre Geltendmachung steht den zur Zeit der Erhebung der Klage der Gesellschaft zugehörigen Mitgliedern zu (S. 133 — s. das vorangef.Urth. des O.Tr. v. 21. Sept. 1865und Förster-Eccius 4S. 717 f.). 5. Für die Schuldenhaftung ergiebt sich die Formel: „Haftung des Gesellschastsvermögens, d. h. der jedes­ maligen Mitglieder, beschränkt auf ihr gesellschaftliches Sondervermögen, und subsidiär solidarische Haf­ tung derjenigen Mitglieder, welche die Schuld kontrahirt haben" (S. 139; S. 133—138 sind der Darstellung und Kritik der bisherigen Praxis, S. 138 f. der positiven Konstruktion, S. 140 f. der Entstehungsgeschichte des §. 12 d. T. gewidmet). Für die Haftung pro rata (vgl. Anm. 11) beruft sich das O.Tr. auf §. 12 d. T., aus welchem indeß nur zu folgern ist, daß die Gesell­ schafter und nicht die Gesellschaft haften; ebenso wenig läßt sich aus der Unanwendharkeit des §. 239 I. 17 ohne weiteres die Annahme ratirlicher Haftung herleiten. Die Haftung überhaupt tritt aber, wenn der Vorstand die Schuld kontrahirt hat, nur ein, wenn derselbe zur Eingehung solcher Verbindlichkeiten bevollmächtigt war. Hierüber sowie über die Nichtanwendbarkeit der S§. 251, 254 I. 14 in einem Falle, in welchem der nicht bevollmächtigte Vorstand sich gleichzeitig für die von ihm kontrahirte Schuld verbürgt hatte, s. das unter Nr. 2 angef. Urtheil bei Gruchot 15 S. 912 — Förster-Eccius 4 S. 728 f. erkennt auch in dieser Richtung den korporations-ähnlichen Charakter der „erlaubten Gesellschaft" nicht an. Nach ihm hasten nur „die bei der Handlung beteiligten Mitglieder als solidarische Mitschuldner, wenn sie gemeinsam eine

Vertragsleistung übernommen haben; kann dieselbe nur von allen zusammen ersüllt werden, so haften sie gemeinschaftlich; ist die Handlung der Mehreren eine schuldhast besckädigende, so

regelt sich die Mithaftung nach den Grundsätzen des gemeinsamen Delikts. Sie haften persönlich und mit ihrem ganzen Vermögen. Auf jeden Fall haben sie selbst dagegen das Recht, von den Genossen Deckung aus den Mitteln der Gesellschaft zu verlangen, wenn und so weit sie gehöriger Weise in Gesellschafts-Angelegenheit gehandelt haben." Eccius, welcher selbst einräumt, daß dieser Rechtszustand dem Bedürfniß des praktischen Lebens nickt entspricht, beruft sich wesentlich (in Anm. 29) auf die von ihm (in Anm. 2 aus S. 710) erstmals mitgetheilten Materialien, denen zufolge bei nicht kaufmännischen Gesellschaften die Gläubiger sich nicht aus das Gesellschastsvermögen verweisen lassen dürfen. Ob diese Aeußerungen von Suarez, selbst wenn sie als zutreffende Interpretation der schließlich zum Gesetz erhobenen Bestimmungen zu erachten sind, die Rojin'sche Auffassung völlig ausschließen, kann wohl bezweifelt werden. 15) Dies ist nur dann der Fall, wenn der Grundvertrag solches bestimmt. Außerdem hat ein ausscheidendes einzelnes Mitglied nichts zu fordern. 182 ff. Bei der Auslösung der ganzen Gesellschaft hingegen kommen die Grundsätze über Aufhebung der Korporationen (§§. 189 ff.) nicht zur Anwendung, vielmehr theilen die dermaligen Mitglieder der Gesellschaft das Gesellschafts­ vermögen nach Verhältniß ihrer Beiträge, mit der im §. 21 d. T. bestimmten Ausnahme.

.

16a) h Jetzt nach den Vorschriften des H.G.B. — §§. 17—20 beziehen sich auf alle er­ laubten Gesellschaften, nicht bloß aus die Handelsgesellschaften. Förster-Eccius 4 S. 712 Anm. 6 gegen Rosin S. 127 Anm. 65.

547

Bon Gesellschaften überhaupt.

Handlungsgeselljchaft ist16), zu einem gewissen Zwecke gemacht worden, fallen, wenn bei erfolgender Aufhebung der Gesellschaft der Zweck nicht mehr erreicht werden kann, in so fern sie noch vorhanden sind, an den Geschenkgeber, oder dessen Erben zurück. (Th. 1. Tit. 16. §. 200.) §. 22. Die Rechte und Verhältnisse einer vom Staat 17)18ausdrücklich ge- drAMte nehmigten oder privilegirten Gesellschaft16) müssen hauptsächlich nach dem Inhalte festen, des ihr ertheilten Privilegii beurtheilt werden. 16) Ist sie eine Handlungs- oder andere Erwerbsgesellschast, so kommen gleichwohl die Grundsätze über Schenkungen zu einem gewiffen Zwecke zur Anwendung. Die Bestimmung will nur vorkehren, daß bei Erlöschung einer universitas personarum dergleichen Schenkungen nicht in die Theilung fallen und nicht durch Untergang des Rechtssubjekts verschwinden, weil nur bei derartigen Gesellschaften donationes sub modo vorzukommen pflegen. Wer wird einer Hand­ lungssozietät zu einem gewissen Zwecke etwas schenken? 17) Ausländische Gesellschaften, welche eine juristische Persönlichkeit geltend machen, sind emäß des Grundsatzes §. 23 der Einl., hinsichtlich ihrer persönlichen Eigenschaften und BeLgniffe, nach den Gesetzen ihrer Heimath zu beurtheilen. Gelten sie dort für eine juristische lerson, so müssen sie es auch hier. In diesem Sinne spricht sich auch der Just.Min. in dem lesch. v. 17. Sept. 1842 bezüglich auf die Gothaer Lebensversicherungsbank aus. J.M.Bl. S. 308. Zu unterscheiden davon ist die Erwerbsfähigkeit ausländischer juristischer Personen, worüber in Beziehung auf gewisse Gegenstände besondere Vorschriften bestehen. Zu veral. Zus. 7 zu I. 8 §. 8. H. Dagegen folgt daraus, daß eine ausländische juristische Person als solche an­ zuerkennen ist, noch nicht, daß sie dieselben Rechte genießt, wie inländische juristische Personen. Ob letzteres auf Grund von Art. 3 Reichsvers. hinsichtlich der in anderen deutschen Bundes­ staaten anerkannten juristischen Personen der Fall sei, ist streitig. Dagegen: Zorn, Staatsr. d. deutsch. Reichs 1 S. 257; dafür (beiläufig) R.G. II v. 14. April 1882, Entsch. 6 S. 134, inSbes. S. 142. Bal. auch Anm. 16 zu dem angef. Zusatz. In der dort berührten Frage der Grunderwerbsfähigkeit steht auch der (in jener Anm. nachzutragende) Allerh. Erl. v. 14. Febr. 1882 (S S. S. 18) auf dem Standpunkte der Fortgeltung deä Ges. v. 4. Mai 1846 (angef. Zus. 7) für nicht preußische deutsche juristische Personen.

!

H. Die „Genehmigung" ist nicht identisch mit der Verleihung der Korporationsrechte, eine genehmigte oder privilegirte Gesellschaft hat danach noch nicht Korporationsrechte, wenngleich eS möglich ist, daß gewisse Gesellschaften kraft speziellen Rechtssatzes sckon dann als Korpora­ tionen anerkannt werden, sobald sie nur genehmigt sind (z. B. II. 19 §. 42). Abgesehen von den Fällen, wo die Genehmigung zur Verfolgung des von der Gesellschaft beabsichtigten Zweckes erforderlich ist (z. B. I. 11 §. 651), hat sie yur die Bedeutung, daß das nach 4 d. T. dem Staate freistehende Verbietungsrecht, wenn die Genehmigung einmal -rtheilt ist, an dieselben Schranken wie die Rücknahme eines Privilegs nach §§. 70 ff. der Einl. gebunden ist (§. 24 d. T.). Val. Rosin a. a. O. S. 110 ff., Förster-Eccius 4 S. 720., O.Tr. IV v. 8. März

1870, Str. Arch. 78 S. 63 (welches nur in so fern fehlgeht, als es annimmt, es gäbe mit juristischer Persönlichkeit ausgestattete Vereine, die nicht Korporationen seien; s. Anm. 19 zu §. 26 d. T.). — Die Preuß. See-Assekuranz-Kompagnie in Stettin ist lediglich privilegirte Gesellschaft, nicht Korporation, O.Tr. Iv v. 18. Juli 1865, Str. Arch. 59 S. 329.

18) Die Aktiengesellschaften gehören nur so weit hierher, als sie nicht bloß Vermögens­ zwecke verfolgen. Wenn ihnen aber Korporationsrechte beigelegt sind, so schließen sie sich in dieser Hinsicht den in diesem Titel behandelten Gesellschaften an. Dagegen sind hier als universitates personarum oder societates mere personales zu er­ wähnen die zahlreichen Freimaurerlogen-Gesellschaften, welche in Preußen alle als Tochterlogen auf drei vom Staate anerkannte und privilegirte Mutterlogen zu Berlin, namentlich: a) die Große Rational-Mutterloge der Freimaurer in den preußischen Staaten, genannt zu den drei Weltkugeln (die älteste, gestiftet von Friedrich dem Großen); b) die Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Schwed. Systems; c) die Große Loge von Preußen, Engl. Systems, genannt Royal-York zur Freundschaft, — zurückzuführen. Die Privilegien der beiden letzteren sind nicht veröffentlicht. Tas der ersteren aber, datirt Berlin den 9. Februar 1796, ist abge­ druckt in der R. Ediktensammlung Bd. 10 S. 79, Rabe 3 S. 265. Die Zweifel, welche hinsichtlich der Vertretung dieser Korporationen bei Rechtsgeschäften vor Gericht vorgekommen waren, sind beseitigt durch einen Erlaß des Ministeriums v. 9. Okt. 1797 (st. st. O. S. 1435, Rabe 4 S. 302). Was darin von der Mutterloge zu den drei Weltkugeln gesagt wird, gilt im Prinzip auch von den anderen gerechte»» und wahre»» Logen, welche zur Zeit der Erscheinung des Ed. über die verbotene»» geheime»» Gesellschafte»» v. 20. Okt. 1798 bereits gestiftet waren. Hinsichtlich der 35*

Zweiter Theil.

548

Sechster Titel.

§§. 23, 24 (Zusatz).

8 23. So weit aber in diesem nichts Besonderes festgesetzt ist, haben der­ gleichen privilegirte Gesellschaften mit anderen erlaubten in der Regel nur gleiche Rechte"). §. 24. Doch kann der Staat eine von ihm ausdrücklich privilegirte Gesell­ schaft nur aus eben den Gründen, aus welchen ein Privilegium überhaupt zurück­ genommen werden kann, wieder aufheben. 2.

Gesetz, betreffend die privatrechtliche

Wirthschafts-Genossenschaften-O).

Stellung

Vom 4. Juli 1868.

der Erwerbs- und

(B.G.Bl. S. 415.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen rc. verordnen im Namen des

Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, für

das ganze Gebiet des Bundes, was folgt: später gestifteten Logen kommt es auf den Inhalt ihrer Konstitutionsurkunde, welche von einer der genannten drei Mutterlogen gegeben sein muß, an. Diese Korporattonen haben ihre Be­ schlüsse in äußern Angelegenheiten nach Vorschrift der §§. 53 ff. zu fassen, und wenn es auf einen Nachweis der Personen und Zahl der Mitglieder vor der Obrigkeit ankommt, genügt die Vorlegung des Mitgliederverzeichniffes vom jüngsten Johannistage. Zur Erwerbung, Ver­ äußerung und Verpfändung unbeweglicher Sachen müssen sie den Konsens des Ministeriums des Innern auswirken. Besch, des Just.Min. v. 11. April 1836, Jahrb. 47 S. 595. Das Verbot anderer Freimaurerlogen, welches in dem Ed. v. 20. Okt. 1798 enthalten ist, fällt zwar in Folge der Versaffungsurkunde Art. 30 weg. Die Stiftung ohne die Mitwirkung und den Schutz einer der Mutterlogen verbietet sich aber unter Handhabung des Ges. v. 11. März 1850 von selbst, wenn nicht die Ausschließung Ungeweihter aufgegeben werden kann. EL Das Edikt v. 20. Okt. 1798 (a. a. O. S. 1775) enthält besondere Vorschriften über die drei Mutterlogen und bestimmt, daß diese zwar von dem in dem Edikte enthaltenen Verbote sämmtlicher geheimen Verbindungen nicht betroffen werden sollten, daß sie dagegen bestimmte, in den §§. 10—13 enthaltene Bedingungen den Staatsbehörden gegenüber erfüllen sollten. Wiewohl nun dies Edikt in seinen allgemeinen Bestimmungen durch die Verf.Urk. und das Ges. v. 11. März 1850 als aufgehoben anzusehen ist, so können die die Sogen betreffenden Spezial­ bestimmungen desselben doch nicht für beseitigt angesehen werden. Nrmmt man dies nicht an, so fehlt es überhaupt an gesetzlichen Bestimmungen, welche die rechtliche Stellung der Logen firiren. Bei der Berathung der §§. 98 u. 99 des Preuß. Str.G.B. v. 14. April 1851 erklärte der Reg.Komm. ausdrücklich, das sich das in denselben enthaltene Verbot auf die Logen nicht beziehe, weil diese ja durch eine Generalkonzession geschützt seien, aber diese Generalkonzession giebt der Existenz der Logen keine gesetzliche Basis. Auch das RStr.G.B. gedenkt der Logen nicht. 19) H. Es gelten' für die privilegirten Gesellschaften daher nicht die §§. 26—40, 81 bis 113 d. T., wohl aber die §§. 41—80 d. T., insbesondere auch der §. 68. Daraus folgt, daß Einzelrechte der Mitglieder ohne deren Einwilligung auch bei privilegirten Gesellschaften durch Mehrheitsbeschluß (Statutenänderung) nicht geschmälert werden dürfen, R.G. I H. v. 25. Febr. 1881, Gruchot 25 S. 1040. Vgl. auch R.O.H.G. I v. 10. Dez. 1872, Entsch. 8 S. 180. 20) H. Eine Reihe von besonderen Gesellschaftsformen, welche an sich unter die Be­ stimmungen d. T. fallen würden, haben in neuerer Zeit durch besondere Reichs- bez. Landes­ gesetze Anerkennung und spezielle Normirung gefunden. Die bezüglichen Gesetze gehören , in so weit sie nicht nur die Regelung solcher Gesellschaftsformen zum Gegenstände haben, vielmehr die gesellschaftlichen Organisationen nur als Mittel zur Erreichung eines anderen gesetzgeberischen Zweckes behandeln, in anderen Zusammenhang. Unter diesen Gesichtspunkt fallen die Vorschriften über die Eisenbahngesellschaften (Ges. v. 3. Nov. 1838, G.S. S. 505 — vgl. Zus. zu IE. 15 8- 37); über Knappschaftsvereine (§§. 165—168 atigern. Bergges. v. 24. Juni 1865, G.S. S. 739); über Fischereigenossenschaften (§§. 9, 10 des Fischereiges. v. 30. Mai 1874, G.S. S. 197 — Zus. 8 zu I. 9 §. 192); über Waldgenossenschaften (§§. 23 ff. Ges. v. 6. Juli 1875, G.S. S. 416 — Zus. 21 zu I. 8 §. 95); über eingeschriebene Hülfskaffen (Ges. v. 7. April 1876, R.G.Bl. S. 125— Zus. zu II. 8 t$. 40); über Wassergenossenschaften (Ges. v. 1. April 1879, G.S. S. 297 — Zus. zu II. 15 §. 43). Dagegen ist dasim Texte abgedruckte Ges. v. 4 Juli 1868, wie auch seine Ueberschrist erkennen läßt, lediglichund ausschließlich bestimmt, die privatrechtliche Stellung einer bestimmten Gesellschaftsform, die Erwerbs- und Wirthschastsgenoffenschaften, zu regeln. Dieselben bilden nach außen eine strenger zusammengefaßte Einheit, als die bloß genehmigten Gesellschaften, ohne zu der vollen Selbständigkeit der Korporationen im Sinne der §§. 25 ff. d. T. erhoben zu sein. Mit Recht bestreitet daher auch O.V.G. II v.- 13. Sept. 1880, Entsch. 7 S. 27 ff., ihnen die Eigenschaft von Korporationen und von juristischen Personen im Sinne des §. 14 der Kreis-

Von Gesellschaften überhaupt.

549

Abschnitt I. Von Errichtung

§. 1.

der Genossenschaften.

Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Kredits,

des Errverbes oder der Wirthschaft

ihrer Mitglieder21)

mittelst gemeinschaftlichen Geschäfts­

betriebes bezwecken (Genossenschaften)"'), namentlich"):

1) Vorschuß- und Kreditvereine,

2) Rohstoff- und Magazinvereine, 3) Vereine zur Anfertigung von Gegenständen und zum Verkauf gefertigten Gegenstände

auf gemeinschaftliche Rechnung (Produttivgenossenschasten),

4) Vereine zum gemeinschaftlichen Einkauf von Lebensbedürfnissen im Großen und Ablaß in kleineren Partien an ihre Mitglieder (Konsumvereine),

5) Vereine zur Herstellung von Wohnungen für ihre Mitglieder,

erwerben die im gegenwärtigen Gesetze bezeichneten Rechte einer „eingetragenen Genossenschaft"")

unter den nachstehend angegebenen Bedingungen. ordnuna v. 13. Dez. 1872. Die Streitfrage nach der rechtlichen Natur der eingetragenen Ge­ nossenschaften (behandelt in einer Monographie von Wilckens, der juristische Charakter der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften, Heidelberg 1873 — vgl. die gleich anzuführenden Werke von Parisius S. 125 ff., Sicherer S. 101 ff., Wolff S. 797 ff.; ferner Dernburg 1 S. 129, Mandry S. 168 ff.), insbesondere in der Richtung, ob ihnen juristische Persönlichkeit zukomme, hat nur ein wesentlich theoretisches Jntereffe. Vgl. auch die folg. Anm. 24. Literatur zu dem Ges. v. 4. Juli 1868. Hervorzubeben sind: Sicherer, die Genoffenschastsgesetzgebung in Deutschland, Erlangen 1872; Parrsius, die Genoffenschaftsgesetze im deutschen Reiche, Berlin 1876; Wolfs in Endemann's Handbuch des deutschen Handels-, Seeund Wechselrechts, Leipzig 1881, 1 S. 774ff.; Mandry, der civilrechtliche Inhalt der Reichsaesetze (2. Aust.) §. 15 S. 162 ff.; Dernburg 2 S. 621 ff. Die Monographie von Gold­ schmidt, Erwerbs- und Wirthschaftsgenoffenschaften, Stuttgart 1883 (Separatabdruck aus der Ztschr. f. d. ges. Handelsr. 27 S. 1 ff.) behandelt nur einzelne Fragen und bewegt sich wesentlich in Reformvorschlägen; auf S. 10 f. derselben findet sich eine genaue Literaturübersicht.

21) Vgl. jedoch auch Ges. betr. die Deklaration des §. 1. des Gesetzes vom 4. Juli 1868 (B.G.Bl. des Norddeutschen Bundes S. 415) v. 19. Mai 1871. (R.G.Bl. S. 101.) Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichs­ tages, was folgt: Einziger Paragraph.

Die im §. 1. des Gesetzes vom 4. Juli 1868. (Bundesgesetzbl. S. 415.) bezeichneten Gesell­ schaften verlieren den Charakter von, Genossenschaften im Smne des gedachten Gesetzes dadurch nicht, daß ihnen die Ausdehnung ihres Geschäftsbetriebes auf Personen, welche nicht zu ihren Mitgliedern gehören, im Statute gestattet wird. 22) H. Eine „Landesprodukten- und Waarenbörse" ist daher nicht für geeignet erachtet worden, in das Genossenschaftsregister eingetragen zu werden (weil es an dem Kriterium eines gemeinsamen Geschäftsbetriebes fehle, dasselbe insbesondere nicht darin gefunden werden könne, daß die Börse einen Vereinigungspunkt zum Abschlüsse der Geschäfte der Mitglieder ge­ währen und dadurch den gegenseitigen Verkehr erleichtern solle), vom Handelsappellationsgericht Nürnberg in einer (auf Grund des dem Bundesgesetz fast wörtlich gleichlautenden ftüheren Bayerischen Genoflenschaftsges. v. 29. April 1869 erlassenen) Entscheidung v. 10. Jan. 1870, Goldschmidt, Ztschr. f. d. ges. Handelsr. 22 H. 396. Daflelbe Gericht hat unter dem 29. April 1870 (a. a. O. S. 397) angenommen, daß es den Charakter der Genoffenschaft nicht alterire, wenn sie neben dem in §. 1 befunden noch andere Zwecke verfolge (z. B. eine Spar­ und Pensionskasse neben einer Vorschußkasse). Vgl. ,Mandry S. 164 („Vereine zu Bildungs­ und Wohlthätigkeitszwecken, oder welche in der Hauptsache die Wirthschaft Anderer als der Bereinsmitglieder zu fördern bestimmt sind, oder auch Erwerbsgesellschaften, die zwar schließlich Vermögens-Vermehrung für den einzelnen Gesellschafter, aber nicht die Förderung der Einzelwirthschast bez. der erwerbenden Thätigkeit des Einzelnen bezwecken, fallen hiernach nicht unter das Gesetz. Bei Konkurrenz zugelaffener und ausgeschlossener Zwecke muß der überwiegende Zweck maßgebend sein"); Parisius S. 163 f.; Sicherer S. 149. 23) H. Es sind hier nur Beispiele genannt. Die Bildung anderer Genossenschaften ist nicht ausgeschlossen. 24) H. Nur durch die Eintragung wird die Genossenschaft nach innen und außen eine

550

Zweiter Theil. §. 2.

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

Zur Gründung der Genoffenschast bedarf es:

1) der schriftlichen Abfassung des GesellschastsvertrageS (Statuts); 2) der Annahme einer gemeinschaftlichen Firma.

Die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstände der Unternehmung entlehnt sein und die zusätzliche Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft" enthalten. Der Name von Mitgliedern (Genossenschaftern) oder anderen Personen darf in die Finna nicht aufgrnommen werden.

Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Orte oder in

derselben Gemeinde bereits bestehenden Firmen eingetragener Genossenschaften deutlich unter­

scheiden"). Zum Beitritt der einzelnen Genossenschafter genügt die schriftliche (Srflärung86).

§. 3.

Der Gesellschaftsvertrag muß enthalten:

1) die Firma und den Sitz der Genossenschaft; 2) den Gegenstand des Unternehmens; 3) die Zeitdauer der Genoffenschast, im Falle dieselbe auf eine bestimmte Zeit beschränkt

sein soll; 4) die Bedingungen des Ein- und Austritts der Genossenschafter8'); 5) den Betrag der Geschäftsantheile der einzelnen Genossenschafter und die Art der Bildung dieser Antheile88); 6) die Grundsätze, nach welchen die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn zu berechnen ist, und die Art und Weise, wie die Prüfung der Bilanz erfolgt;

juristische Person. Die nicht eingetragene Genossenschaft fällt unter die Bestimmungen der §§. 1—24 d. T., d. h. sie ist nur nach innen, nicht aber nach außen eine juristische Persön­ lichkeit. Vgl. Anm. 5 zu §. 2 d. T. Wird eine nicht eingetragene Genoffenschast später eingettagen, so erhält sie zwar die Rechte einer juristischen Person, aber das ursprüngliche Rechtssubjett bleibt dasselbe, und deshalb kann dem Gläubiger einer solchen (nicht eingetragenen) Sozietät von der neuen juristischen Person nicht der Ernwand der mangelnden Passivlegitimation entgegengesetzt werden. O.Tr. I V v. 17. Nov. 1870, Str. Arch. 80 S. 54. 25) H. Entspricht wörtlich der Bestimmung des Art. 20 des D. H.G.B. 26) H. Das Statut selbst braucht nicht unterschrieben zu werden, es genügt vielmehr eine von dem Beitretenden unterschriebene bezügliche Erklärung. Dieselbe muß ausdrücklich auf den Beitritt gerichtet sein ; Theilnahme an einer Generalversammlung und Unterschrift unter dem Protokoll derselben genügen nicht, R.O.H.G. III v. 15. April 1878, Entsch. 23 S. 228, R.G. I v. 10. Jan. 1880, Entsch. 1 S. 242. Bei Analphabeten kommen die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung (I. 5 §§. 172 f.). Vergl. Parisius S. 180. Auch für den aber­ maligen Beitritt eines früheren Genossenschafters ist schriftliche Erklärung erforderlich, R.G. II v. 11. März 1884, Annal. 10 S. 52. Mit dem Erforderniß der Ausdrücklichkeit dürfte die Annahme schwer vereinbar sein, bei der Umwandlung einer Genossenschaft in eine „Eingettagene Genoffenschast" bedürfe es für die älteren Mitglieder keiner schriftlichen Erklärung, um die Rechte des Mitgliedes des neuen Vereins zu erwerben. R.O.H.G. II v. 7. März 1877, Entsch. 22 S. 103. Gegen dieses Urtheil s. Wolff S. 815 Anm. 6. Noch weniger steht mit jenem Requisit in Einttang eine bei Kah, Beitr. z. Recht d. Erwerbs- und Wirthschaftsgenoffensch. (Mannheim 1881) S. 217 mitgetheilte Entscheidung des R.G. V v. 13. April 1881, in der in einem Falle, in welchem der Be­ klagte als Vorstandsmitglied einer Genossenschaft in gerichtlichen Verhandlungen aufgetreten war, die Mitgliedschaft als außergerichtlich zugestanden erachtet wird. 27) H. Es ist streitig, ob juristische Personen, Handelsgesellschaften oder andere Genossen­ schaften Mitglieder einer Genossenschaft sein können. Dagegen Parisius S. 268 f.; dafür Sicherer S. 171, Wolff S. 813 f. Die gesetzgebungspolitisch vielleicht räthliche Ausschließung anderer als natürlicher Personen von der Mitgliedschaft hat im Gesetze keinen Ausdruck gefunden; jene Streitfrage ist also zu bejahen. 28) H. Das Gesetz gebraucht den Ausdruck „Geschästsantheil" sowohl für den statuten­ mäßigen sog. Normalbetrag der Mitgliedereinlagen (z. B. §. 3 Nr. 5, §. 9 Abs. 3) als für den jeweiligen Betrag, den die Einlage eines Genossenschafters erreicht (z. B. §. 9 Abs. 2, §.39 Abs. 2, §.47 lit. b, c). Ein Mimmalbetrag des Geschäftsantheils ist nicht vorgeschrieben; der­ selbe kann daher auf einen fiktiven Betrag (1 Pfennig) beschränkt werden: nur darf er nicht gleich Null sein. Vgl. Parisius S. 190 ff.; Sicherer S. 171 ff. (welcher annimmt, der Geschästsantheil könne auch durch künftige Dwidende gebildet werden); Wolff S. 807 Anm. 4.

Bon Gesellschaften überhaupt.

551

7) die Art der Wahl und Zusammensetzung des Borstandes und die Formen für die Legitimation der Mitglieder des Vorstandes und der Stellvertreter derselben;

8) die Form, in welcher die Zusammenberufung der Genossenschafter geschieht; 9) die Bedingungen des Stimmrechts der Genossenschafter und die Form, in welcher dasselbe

ausgeübt wird; 10) die Gegenstände, über welche nicht schon durch einfache Stimmenmehrheit der auf Zu­

sammenberufung erschienenen Genossenschafter, sondern nur durch eine größere Stimmen­

mehrheit oder nach anderen Erfordernissen Beschluß gefaßt werden kann; 11) die Form, in welcher die von der Genossenschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen,

sowie die öffentlichen Blätter, in welche dieselben aufzunehmen sind;

12) die Bestimmung, daß alle Genossenschafter für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen hasten").

§. 4.

Der Gesellschaftsvertrag muß bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Genossen­

schaft ihren Sitz hat'O), nebst dem Mitgliederverzeichniffe31 29)32 30 durch den Vorstand ") eingereicht,

vom Gerichte in das Genossenschaftsregister, welches, wo ein Handelsregister existirt, einen Theil von diesem bildet, eingetragen und im Auszuge veröffentlicht33)34werden"). Der Auszug muß enthalten:

1) das Datum des Gesellschaftsvertrages; 2) die Firma und den Sitz der Genossenschaft;

3) den Gegenstand des Unternehmens; 4) die Zeitdauer der Genossenschaft, im Falle dieselbe auf eine

bestimmte Zeit beschränkt

sein soll; 29) H. Parisius S. 202 ff. führt aus, daß es jeder Genossenschaft freisiehe, die Be­ stimmung über hie Solidarhaft nach der Fassung des §. 3 oder des §. 12 in ihren Gesellschafts­ vertrag aufzunehmen; daß es dagegen unzulässig sei, die prinzipale Solidarhaft der Vorschrift des §. 12 entgegen durch den Gesellschastsvertrag einzuführen, da die Solidarbürgschaft ein Essentiale des neuen Rechtsinstitutes sei. Vergl. Sicherer a. a. O. S. 178. Der Register­ richter hat nicht zu prüfen, ob jedes der zum Beitritt in die Genossenschaft angemeldeten Mit­ glieder zur Uebernahme der solidarischen Haftung civilrechtlich befähigt sei, sondern nur, ob die vorgelegten Statuten mit den Vorschriften des Genoffenschastsgesetzes übereinstimmen. Handels­ appellationsgericht Nürnberg v. 15. Nov. 1869 (auf Grund deS übereinstimmenden früheren Bayerischen Gesetzes), Goldschmidt, Zschr. f. d. ges. Handelsrecht 22 S. 398; Sicherer S. 180; Parisius S. 216.

30) H. Jetzt dem Amtsgerichte: §. 25 Ausf.Ges. z. G.B.G. (vgl. jedoch auch §. 30 a. a. £).). Den einzelnen Genossenschaftern steht, abgesehen von dem Falle des §. 60 des Ges., ein Recht zur Beschwerde über das bei Führung des Genoffenschastsregisters vom Registerrichter be­ obachtete Verfahren nicht zu; sie können insbesondere im Wege der Beschwerde nicht die Beseitigung von angeblich ungerechtfertigten Eintragungen betreiben. Kammergericht, Beschl. v. 12. Juni 1882, Johow-Küntzel, Jahrb. 3 S. 30. 31) H. Die Aufnahme eines Namens in das Mitgliederverzeichniß beweist für sich allein noch nicht die Mitgliedschaft der betreffenden Person, so daß dieselbe etwa nun den Beweis der Unrichtigkeit des Verzeichnisses führen müßte, vielmehr hat das Berzeichniß nur einen informa­ torischen Zweck ; der Vorstand, welchem die Unrichtigkeit des Verzeichnisses zur Last fällt, hastet dem, welcher im Vertrauen auf daffelbe mit der Genossenschaft kontrahirt hat, für das Interesse. R. G. I v. 10. Jan. 1880, Entsch. 1 S. 242; II v. 26. Sept. 1882, Entsch. 8 S. 3; Wolff S. 816, 824.

32) H. D. h. durch sämmtliche Vorstandsmitglieder. Jedoch begründet die Thatsache, daß die Einreichung nicht durch alle Vorstandsmitglieder erfolgt ist, nicht die Ungültigkert einer trotz dieses Mangels erfolgten Eintragung. R.O.H.G. LU v. 18. Febr. 1878, Entsch. 23 S. 202; Wolff S. 822. Vgl. auch Anm. 35 a. E.

33) H. Das Unterbleiben oder eine etwaige Unvollständigkeit der Veröffentlichung auf den Rechtsbestand der Genossenschaft keinen Einfluß, sondern äußert nur in den Fällen §. 23 Abs. 3, §. 42 rechtliche Folgen. Mandry S. 168; Sicherer S. 186. 34) H. Vgl. Instruktion deS Justizministers v. 17. Dez. 1868, betr. die Führung Genossenschaftsregister (J.M.Bl S. 392); insbesondere über die Form deS Registers uno Verfahren bei der ersten Eintragung §$. 18—22 derselben.

hat der

der daS

552

Zweiter Theil.

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

6) die Namen und den Wohnort der zeitigen Vorstandsmitglieder;

6) die Form, in welcher die von der Genoffenschast ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen, sowie die öffentlichen Blatter, in welche dieselben aufzunehmen find.

Zugleich ist bekannt zu machen, daß das Berzeichniß der Genoffenschaster jeder Zeit bei dem Handelsgerichte eingesehen werden könne.

Ist in dem Gesellschastsvertrage eine Form bestimmt,

in welcher der Vorstand

feine

Willenserklärungen kund giebt und für die Genoffenschast zeichnet, so ist auch diese Bestimmung

zu veröffentlichen.

§. 6.

Bor erfolgter Eintragung in das Genoffenschastsregister hat die Genoffenschast die

Rechte einer eingetragenen Genoffenschast nichts.

§. 6.

Jede Abänderung des Gesellschastsvertrages muß schriftlich erfolgen M) und dem

Handelsgerichte unter Ueberreichung zweier Abschriften des Genoffenschasts-Beschluffes angemeldet

werden. Mit dem Abanderungsbeschluffe wird in gleicher Weise wie mit dem ursprünglichen Ver­

trage verfahren.

Eine Veröffentlichung desselben findet nur insoweit statt, als fich dadurch die

in den früheren Bekanntmachungen enthaltenen Punkte ändern,7).

Der Beschluß hat keine rechtliche Wirkung **), bevor derselbe bei dem Handelsgerichte, in deffen Bezirk die Genoffenschast ihren Sitz hat,

in das

Genoffenschastsregister

eingetragen

worden ist. §. 7.

Bei jedem Handelsgerichte, in deffen Bezirk die Genoffenschast eine Zweignieder-

laffung") hat, muß diese Behufs der Einttagung in das Genoffenschafts-Register angemeldet

35) H. Welches Rechtsverhältniß unter den Mitgliedern vor erfolgter Eintragung besteht, ist nach den zwischen ihnen getroffenen Abreden zu beurtheilen. Es ist möglich, daß dieselben unter allen Umständen eine erlaubte Privatgesellschaft haben eingehen wollen, nur mit der Ab­ ficht, dieselbe in eine eingetragene Genossenschaft umzuwandeln; es ist aber auch denkbar, daß die Beitrittserklärungen unter der aufschiebenden Bedingung des Zustandekommens einer einge­ tragenen Genossenschaft abgegeben werden. Sicherer S. 160 ff.; Wolff S. 809; Man dry S. 168 Anm. 8. Sind Rechtsgeschäfte namens der künftigen Genoffenschast geschloffen, so gehen Rechte wie Verbindlichkeiten von selbst, ohne besonderen Uebertragungsakt im Augenblick der Eintragung auf die Genoffenschast über; denn diese ist nicht ein drittes Rechtssubjett, sondern nur eine neue Rechtsform der schon bestehenden, nicht aufgelösten Gesellschaft. 9tur in so weit es sich um Formalakte handelt, von welchen die rechtliche Wirkung des Uebergangs von Dispositions­ befugnissen trbhängt (Auflassung, Umschreibung im Grundbuch, Indossament), sind dieselben auch hier erforderlich. Die Verbindlichkeiten sind jedenfalls bis zur Einttagung persönliche der handelnden Personen; ob auch solidarische, bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen bez. nach den Vertragsabreden. Rach Eintragung werden die Handelnden jedenfalls dann befreit, wenn die Schuld nach dem Parteiwillen als solche der demnächstigen Genoffenschast begründet ist. Bal. auch §. 71 des Ges. und oben Anm. 24 zu §. 1 des Ges. — Wolff S. 810, ab­ weichend im Einzelnen: Sicherer S. 189 f. Ist die Genoffenschast eingetragen, so hat der Umstand, daß der Richter die Einttagung hätte ablehnen können oder sollen, keinen Einfluß auf den Rechtsbestand der Genoffenschast. Wolff S. 809 Anm. 7; Mandry S. 166 (welcher nur das Fehlen der in §. 3 Nr. 1, 2, 5, 7, 12 des Ges. bezeichneten Punkte im Gesellschaftsverttage für unheilbar erachtet). 36) H. D. h. durch Beschluß der statutenmäßig berufenen Generalversammlung, im Zweifel mit einfacher Stimmenmehrheit (§. 3 Nr. 10). Nur ein Zwang zur Erhöhung der Genoffenschastsbeiträge kann, wenn das Statut nicht diesen Fall ausdrücklich vorsieht, nicht gegen den Willen der Genossen durch Statutenänderung ausgeübt werden. Parisius S. 229; Wolff S. 845, 847, 861. Sicherer S. 191 fordert in allen Fällen Einstimmigkeit. 37) H. Vgl §. 23 der in Anm. 34 angef. Jnstruttion. 38) H. und zwar absolut, nach außen wie nach innen, dergestalt, daß die Genoffenschaster, welche zwischen Beschluß und Eintragung ausgeschieden sind, durch die Aenderung nicht gebunden werden. „Daß der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag vor der Eintragung zu Recht besteht, läßt keinen Schluß auf die nach der Stellung des Vereins unter das Genoffenschaftsgesetz entstehenden Rechtsverhältnisse zu, weil jener Vertrag unter der Herrschaft des gewöhnlichen Gesellschafts­ rechtes eingegangen wird." R.G. III v. 29. Sept. 1882, Entsch. 8 S. 7; Parisius S. 232; Sicherer S. 196. 39) H. Vgl. Art. 21 H.G.B. und über den Begriff der Zweigniederlaffung bei der Ge-

Von Gesellschaften überhaupt.

553

werden, und ist dabei Alles zu beobachten, was die §§. 4. bis 6. für das Hauptgeschäft vor­ schreiben.

§. 8.

Das Genossenschaftsregister ist öffentlich, und gelten hierbei die im Allgemeinen

Deutschen Handelsgesetzbuch in Bezug auf das Handelsregister gegebenen Bestimmungen"). Abschnitt II.

Bon den Rechtsverhältnissen der

Genossenschafter

unter einander,

sowie

den Rechtsverhältnissen derselben und der Genossenschaft gegen Dritte").

§. 9.

Das Rechtsverhältniß der Genoffenschaster unter einander richtet sich zunächst nach

dem Gesellschastsvertrage.

Letzterer darf von den Bestimmungen der nachfolgenden Paragraphen

nur in denjenigen Punkten abweichen, bei welchen dies ausdrücklich ftzr zulässig erklärt ist.

In Ermangelung einer anderen Bestimmung des Gesellschastsvertrages wird der Gewinn unter die Genoffenschaster nach Höhe von deren Geschästsantheilen vertheilt "), ebenso der Ver­ lust, soweit diese Antheile zusammen zu deflen Deckung ausreichen, wogegen ein nach Erschöpfung noffenschaft insbesondere Parisius S. 233 ff.; Sicherer S. 197 ff.; Wolff S. 837 ff. Begriffsmerkmale sind: ein zweiter örtlicher Mittelpunkt für den Geschäftsbetrieb (d. h. den Ab­ schluß von Rechtsgeschäften) ; Identität des Inhabers; Selbständigkeit im Abschluß. Eine ver­ schiedene Rechtsstellung der Mitglieder am Orte der Zweigniederlassung, insbesondere bezüglich des Dividendenbezugs kann statutarisch bestimmt werden; abgesehen hiervon wird der Gewinn und Verlust aus dem Zweiggeschäft nicht gesondert reparttrt. Parisius S. 236; Wolff S. 838 Anm. 4, S. 846; Sicherer S. 197.

40) H. Vgl. Art. 12 Abs. 1 H.G.B.; s. auch §. 2 der in Anm. 34 angef. Instruktion. Die Oeffentlichkeit erstreckt sich auch auf den nach §. 18 Abs. 1 der Jnstruttion zu führenden (zur Aufnahme des Gesellschastsvertrags und der denselben abändernden Anträge und Beschlüffe bestimmten) Beilageband. App.Ger. Hamm, Beschl. v. 2. Rov. 1876, Johow, Jahrb. d. App.Ger. 7 S. 1. 41) H. Diese Rechtsverhältnisse charakterisirt ein Urtheil des R.G. I Str.S. v. 8. Jan. 1883, Rechtsspr. 5 S. 15 (welches die Frage bejaht, ob der Vorstand einer Genoffenschast durch vorschriftswidrige Zurückzahlung eines Geschästsantheils sich des Vergehens des §. 266 Str.G.B. schuldig mache) zutreffend in folgender Weise: „Die eingetragene Genoffenschaft ist ein mit eigener Persönlichkeit ausaestattetes Rechtssubjett, deffen Vermögenssphäre grundsätzlich von dem Privateigenthum der Mitglieder getrennt wird (§§. 11 ff. des Ges.). Aus dem Zusammen­ hänge der §§. 9, 12 ff., 38 ff., 47 ff., 52 ergiebt sich, daß zu dem, den Bereins-wecken dienenden und den Vereinsgläubiyern haftenden Genossenschaftsvermögen auch die eingezahlten Ge­ schäft santheile der einzelnen Mitglieder neben dem Bereinsgut i. e. S., insbesondere dem Reservefonds, gehören. Der eingezahlte Geschäftsantheil des Einzelnen bildet kein von diesem mit der Eigenthumsklage verfolgbares Privatvermögen, vielmehr nur eine unter gewiffen Voraus­ setzungen, z. B. bei Austritt, realisirbare Forderung der Gesammtheit gegenüber, und zwar einen Anspruch nicht auf den ursprünglich eingezahlten Betrag, vielmehr auf diejenige Summe, welche sich in Folge der zugeschriebenen Dividenden und der abgeschriebenen Verluste allmählich heraus­ stellt und in dieser Weise als Resultat der Geschäftsbücher nachaewiesen wird. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die Geschäftsantheile attiver Bestand des Genossenschaftsvermögens. Von einem Eiaenthum oder Miteigenthum der einzelnen Mitglieder im strengen Sinne des R. R. und den oaraus entspringenden Folgen kann daher keine Rede sein." Es ist für zulässig erachtet, die Frage nach der Mitgliedschaft bei einer Genoffenschast zum Gegenstände einer Feststellungsklage nach §. 231 C.P.O. au machen, in einem Falle, wo bereits das Konkursverfahren über das Vermögen der Genossenschaft eröffnet war und das Umlage­ verfahren der §§. 52 ff. des Ges. bevorstand, vom R.G. II v. 26. Sept. 1882, Entsch. 8 S. 3. 42) H. „Dieses Recht wird durch Feststellung der Dividende seitens der Generalversammlung (§. 10) zu einem klagbaren Gläubigerrecht. Durch Zahlung der statutenmähia festgesetzten Dividenden-Antheile an die Genoffenschaster wird daher die Tilgung rechtsverbindlicher Forderungen, welche den Genossenschaftern gegen die Genoffenschast zustehen, bezweckt. Bezüglich der Rückforderung gelten sonach die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Ist also von der General­ versammlung die Vertheilung einer Dividende in bestimmter Höhe auf Grund eines thatsächlichen Irrthums beschlossen worden, und war die Versammlung durch das Statut nicht verpflichtet, diesen Beschluß zu fassen, so hat die Auszahlung der Dividende den Charatter der Zahlung einer Richtschuld und die Grundsätze von der Rückforderung einer solchen (condictio indebiti) erscheinen anwendbar." R.O.H.G. III v. 17. Jan. 1878, Entsch. 17 S. 171. Vgl. I. 16 §§. 166 ff. «olff S. 848.

554

Zweiter Theil.

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

deS Genoffenschaftsvermögens noch zu deckender Rest gleichmäßig nach Köpfen von sämmtlichen Genoffenschaftern aufgebracht wird"). Genoffenschaster, welche auf ihre Geschästsantheile die ihnen statutenmäßig obliegenden

Einzahlungen geleistet haben, können von anderen Genoffenschaftern nicht aus dem Grunde, weil letztere auf ihre Antheile mehr eingezahlt haben, im Wege des Rückgriffs in Anspruch genommen werden, sofern nicht der Gesellschastsvertrag ein Anderes festsetzt. §. 10. Die Rechte, welche den Genoffenschaftern in Angelegenheiten der Genoffenschast, insbesondere in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz") und die Bestimmung der Gewinnvertheilung zustehen, werden von der Gesammtheit der Genoffenschafter in der Generalversammlung ausgeübt.

Jeder Genoffenschaster hat hierbei Eine Stimme, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes festsetzt"). , §. 11. Die eingetragene Genossenschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben,

vor Gericht klagen und verklagt werden"). Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gerichte, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat*?). Genossenschaften gelten als Kaufleute im Sinne des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz­ buches, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält"). §. 12. Insoweit die Genoffenschaftsgläubiger aus dem Genoffenschastsvermögen nicht be­

friedigt werden können, hasten ihnen alle Genoffenschaster, ohne daß diesen die Einrede der Theilung zusteht, für die Ausfälle solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen. Diese Solidarhast kanp von einem Genoffenschaftsgläubiger nur geltend gemacht werden, wenn im Falle des Konkurses die Voraussetzungen des §. 51.") vorliegen"), oder wenn die Eröffnung des Kon­ kurses nicht erfolgen sann81).

43) H. Der Gesellschastsvertrag kann Abweichendes bestimmen, u. a. auch jede Gewinn­ vertheilung ausschließen (wie bei den sog. Raiffeisen'schen Darlehnskassen). Parisius S. 245 nimmt einen unlösbaren Widerspruch zwischen §. 9 Abs. 2 und §. 47 Buchst, c hinsichtlich des Prinzips der Gewinnvertheilung an. Derselbe verschwindet, wenn man zwischen dem nach Geschäftsanteilen zu vertheilenden Gewinn und bem nach Köpfen zu repartirenden übrigen Vermögen (Reservefonds rc.) unterscheidet. Wolff S. 876. 44) H. auch die Einsicht der Bücher, Wolff S. 858. 45) H. Es kann also stipulirt werden, daß einzelne Mtglieder gar keine und andere dagegen mehrere Stimmen haben. Auch die ersteren dürfen jedoch der Generalversammlung beiwohnen und Anträge stellen. Parisius S. 257 f. 46) H. Erwirbt die Genoffenschast Grundstücke, so wird sie in Gemäßheit des §. 10 der Grundb.Ordn. als Eigenthümerin eingetragen. Vergl. §. 29 der Instruktion (s. Anm. 34). 47) H. Diese Vorschrift ist auftecht erhalten durch §. 13 Abs. 1 Einf.Ges. z. C.P.O., aber erweitert und näher bestimmt durch §. 19 C.PO. Daneben bestimmt §. 23 C.P.O., daß der allgemeine Gerichtsstand der Genoffenschast zugleich besonderer Gerichtsstand für die Klagen sei, welche von derselben gegen ihre Mtglieder als solche oder von den Mitgliedern in dieser Eigenschaft gegen einander erhoben werden. 48) H. Als solche Bestimmungen des H.G.B., welche hiernach auf die Genossen­ schaften Anwendung finden, bezeichnet ParisiuS S. 265 die Vorschriften: 1. über die Firma, 2. über die Handelsbücher, 3. über die Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten (vgl. auch über die — mit Unrecht bestrittene — Zulässigkeit der Bestellung eines Prokuristen: ParisiuS 5. 266, 285, 326 f; Wolff S. 835), 4. über Handlungsgehülfen, 5. über Auslegungsregeln, 6. über kaufmännische Zinsen (vgl. auch R.G. I v. 30. Juni 1880, Annal. 2 S. 474), 7. über die Pflicht, auf gemachte Offerten sofort zu antworten, 8. über das kaufmännische Pfandrecht, 9. über das Retentionsrecht, Art. 313—316 des H.G.B., 10. über die mündliche Form der Ver­ träge, 11. über die stille Gesellschaft. 49) H. Jetzt des §. 197 RKonk.Ordn. Vgl. Anm. 1 zu §. 51 d. Ges. §. 197 a. a. O. läßt die Ausfallsklage nur zu nach der Aufhebung des Konkursverfahrens; darunter ist die Ein­ stellung gemäß §§. 188 f. R.Konk.Ordn. nicht begriffen. R.G. TII v. 11. Jan. 1884, Annal. 9 S. 527. Ueber den Fall der Einstellung gemäß §. 190 R.Konk.Ordn. s. Anm. 51. 50) H. Die Solidarhaft ist nicht ausgeschlossen bezüglich solcher Forderungen, welche im Konkursverfahren nicht geltend gemacht werden können, vielmehr erstreckt sie sich auch auf Zinses

Von Gesellschaften überhaupt.

656

Wer in eine bestehende Genossenschaft eintritt, hastet gleich deir anderen Genossenschaftern für alle von der Genossenschaft auch vor seinem Eintritte eingegangenen Verbindlichkeiten.

Ein entgegenstehender Vertrag ist gegen Dritte ohne rechtliche Wirkung. Die einer Genossenschaft beigetretenen Frauenspersonen können in Betreff der dadurch ein­

gegangenen Verpflichtungen auf die in den einzelnen Staaten geltenden Rechtswohlthaten der Frauen sich nicht berufen.

§. 13.

Die Privatgläubiger eines Genoffenschasters find nicht befugt, die zum Genoffen-

schastsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen oder Rechte, oder einen Antheil an denselben zum Behufe ihrer Befriedigung oder Sicherstellung in Anspruch zu nehmen. Gegenstand der Exe­

kution, des Arrestes oder der Beschlagnahme kann für sie nur dasjenige sein, waS der Genoffen-

schafter selbst an Zinsen und an Gewinnantheilen zu fordern berechtigt ist und was ihm im Falle der Auflösung der Genoffenschaft oder des Ausscheidens aus derselben bei der Auseinander­

setzung zukommt *2). §. 14.

Die Bestimmung des vorigen Paragraphen gilt auch in Betreff der PrivatglLubiger, zu

deren Gunsten eine Hypothek oder ein Pfandrecht an dem Vermögen eines GenoffenschafterS, kraft deS Gesetzes oder aus einem anderen Rechtsgrunde besteht.

Ihre Hypothek oder ihr Pfandrecht er­

streckt sich nicht auf die zum Genoffenschaftsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen und Rechte,

oder auf einen Antheil an denselben, sondern nur auf dasjenige, was in dem letzten Satze des vorigen Paragraphen bezeichnet ist. Jedoch werden die Rechte, welche an dem von einem Genossenschafter in das Vermögen

der Genossenschaft eingebrachten Gegenstände bereits zur Zeit des Einbringens bestanden, durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt.

§. 15.

Eine Kompensation zwischen Forderungen der Genossenschaft und Privatforderungen

des Genoffenschaftsschuldners gegen einen Genossenschafter findet während der Dauer der Genossen­

schaft weder ganz noch theiliveise statt.

Nach Auflösung der Genossenschaft ist sie zulässig, wenn und

soweit die Genoffenschaftsforderung dem Genossenschafter bei der Auseinandersetzung überwiesen ist M). §. 16.

Hat ein Privatgläubiger eines Genossenschafters nach fruchtlos vollstreckter Exe­

kution in dessen Privatvermögen die Exekution in das demselben bei der demnächstigen Aus­ einandersetzung zukommende Guthaben erwirkt, so ist er berechtigt, die Genossenschaft mag auf

bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen sein, Behufs seiner Befriedigung, nach vorher von ihm geschehener Aufkündigung, das Ausscheiden jenes Genossenschafters zu verlangen.

Die Aufkündigung muß mindestens sechs Monate vor Ablauf deS Geschäftsjahres der Ge­ nossenschaft geschehen").

sowie Kosten des einzelnen Gläubigers (§ .56 R.Konk.Ordn.). R.G. II v. 10. Juli 1883, besondere Beil. d. Reichsanz. 1883 Nr. 9 S. 4. 51) H. Vgl. 8- 99 R.Konk.Ordn. — Auch wenn nachträglich die Einstellung des Konkurs­ verfahrens wegen Mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Konkursmasse statt­ findet (§. 190 R Konk Ordn.) greift §. 12 Platz. R.G. III v. 5. Febr. 1884, besondere «eil. d. Reichsanz. 1884 Nr. 4 S. 3. 52) H. §. 13 ist der Ausdruck des Grundsatzes, daß der Genossenschafter sein Recht als solches nicht übertragen, ferner daß er seinen Geschästsantheil nicht mindern kann. Dieser Grundsatz trifft jedoch nicht die Forderung, welche der ausgetretene Genossenschafter an die Genossenschaft hat (§. 39 Abs. 2). Deren Abtretung wird daher durch ein jenem Grundsatz entsprechendes statutarisches Verbot der Cesston des Geschäftsantheils nicht ausgeschlossen. R.G. I v. 30. Juni 1880, Annal. 2 S. 474. 53) H. Auch bezüglich des Kompensationsrechtes unterscheidet sich folgerichtig ganz wie bezüglich der Haftpflicht die Genossenschaft wesentlich von der offenen Handelsgesellschaft. Denn da bei der letzteren eine prinzipale Solidarhast der Gesellschafter besteht, so kann ver einzelne Gesellschafter dem Gläubiger gegenüber, der ihn in Anspruch nimmt, sowobl eine Forderung der Gesellschaft, als eine eigene Forderung compensando geltend machen. Vgl. Pari siuS a. a. O. S. 278 f. 64) H. Der Genossenschafter selbst braucht nur 4 Wochen vorher zu kündigen, §. 38. Macht der Gläubiger von seinem Aufkündigungsrechte Gebrauch, so ist er an die im Gesellschafts­ verträge für die Genossenschafter anderweit stipulirte Kündigungsfrist — §. 38 — Nicht gebunden. Sicherer S. 240 f.

Zweiter Theil.

556

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

Abschnitt HI. Don dem Borstande, dem Aufsichtsrathe und der Generalversammlung.

§. 17.

Jede Genossenschaft muß einen aus der Zahl der Genossenschafter zu wählenden

Borstand haben.

Sie wird durch denselben gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Der Borstand kann aus einem oder mehreren Mitgliedern bestehen, diese können besoldet oder unbesoldet sein.

Ihre Stellung ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungs­

ansprüche aus bestehenden Berttägen.

§. 18.

Die jeweiligen Mitglieder des Vorstandes müssen alsbald nach ihrer Bestellung

zur Einttagung in das Genossenschaftsregister angemeldet werden.

Die Anmeldung ist durch

den Borstand unter Beifügung seiner Legitimation entweder in Person zu bewirken, oder in beglaubigter Form einzureichen“).

Zugleich haben die Mitglieder des Vorstandes ihre Unter­

schrift vor dem Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeichnung ebenfalls in beglaubigter Form

einzureichen66).

§. 19.

Der Borstand hat in der durch den Gesellschaftsverttag bestimmten Form seine

Willenserklärungen kund zu geben und für die Genossenschaft zu zeichnen.

Ist nichts darüber

bestimmt, so ist die Zeichnung durch sämmtliche Mitglieder des Borstandes erforderlich^-).

Die

Zeichnung geschieht in der Weise, daß die Zeichnenden zu der Firma der Genossenschaft

oder

zu der Benennung des Vorstandes ihre Unterschrift hinzusügen. §. 20.

Die Genossenschaft wird durch die vom Vorstande in ihrem Namen geschloffenen

Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet^).

Es ist gleichgültig, ob das Geschäft ausdrücklich

im Namen der Genossenschaft geschloffen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Kontrahenten für die Genossenschaft geschlossen werden sollte.

Die Besugniß des Vorstandes zur Verttetung der Genossenschaft erstreckt sich auch auf die­ jenigen Geschäfte und Rechtshandlungen, für welche nach den Gesetzen eine Spezialvollmacht er­

forderlich ist.

Zur Legitimation des Vorstandes bei allen, das Hypothekenbuch betreffenden Ge­

schäften und Anträgen genügt ein Attest des Handelsgerichts, daß die darin zu bezeichnenden

Personen als Mitglieder des Vorstandes in das Genossenschaftsregister eingetragen sind. §. 21.

Der Vorstand ist der Genossenschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen ein­

zuhalten, welche in dem Gesellschaftsvertrage oder durch Beschlüsse der Generalversammlung für

den Umfang seiner Befugniß, die Genossenschaft zu vertreten, festgesetzt sind.

Gegen dritte

55) H. §. 18 bezieht sich nur auf den Legitimationsnachweis bei Anmeldung der Mit­ glieder des Vorstandes behufs deren Namens-Eintragung in »das Genoffenschaftsregister und findet auf die Anmeldung gemäß §. 4 keine Anwendung. Vgl. das in Anm. 32 zu §. 4 d. Ges. angef. Urtheil. 56) H. Vgl. §. 24 Nr. 1 der in Anm. 34 angef. Instruktion. 67) H. In den Fällen, in welchen statutarisch oder kraft der subsidiären Vorschrift des §. 19 nur eine von mehreren bez. allen Vorstandsmitgliedern unterzeichnete Erklärung die Ge­ nossenschaft verbindet, müssen nicht nur die Schriftform erfordernden Rechtsgeschäfte, sondern auch die ohne eine rechtliche Nothwendigkeit schriftlich sowie die mündlich abgegebenen Willenserklärungen, um gültig zu sein, von allen (bez. den mehreren) Vorstandsmitgliedern abgegeben werden. R. O.H.G. III v. 17. Dez. 1877, Entsch. 23 S. 74, welches die auf Aktiengesellschaften bezüglichen Präjudizien II v. 4. Okt. 1871, II v. 6. Dez. 1873, III v. 11. Febr. 1875, Entsch. 3 S. 183, 12 S. 32, 16 S. 33, auch hier für anwendbar erklärt. Vgl. auch Sicherer S. 244 f.; Wolff S. 828 f. In wie weit der Empfang eines an die Genossenschaft adressirten Briefs durch ein, allein zur Verpflichtung der Genossenschaft nicht befugtes Vorstandsmitglied dieselbe verbinde, s. (im Allgemeinen bejahend) R.O.H.G. III v. 17. Dez. 1877, Entsch. 23 S. 73. 58) H. Der Vorstand einer Genossenschaft, welcher gleichzeitig Vorstand einer anderen Genossenschaft ist, kann Verträge zwischen beiden Genossenschaften mit sich selbst abschließen. R.G. I v. 23. Nov. 1881, Entsch. 6 S. 11. §. 20 entscheidet die Frage nicht, ob die Genossenschaft für den Schaden haftet, welchen der Vorstand durch eine zu seinem Geschäftskreise gehörige, aber außerhalb der Vertragsverhältniffe der Genossenschaft liegende Unredlichkeit verursacht hat; hierfür ist das bürgerliche Recht (vgl. Anm. 52 zu §. 81 d. T.) maßgebend. R.O.H.G. 1 v. 28. Jan. 1876, Entsch. 19 S. 196, insbes. S. 201 f. Wolff S. 827 Anm. 23.

Von Gesellschaften überhaupt.

557

PersonenM) hat jedoch eine Beschränkung des Vorstandes, die Genoffenschast zu vertreten, keine rechtliche Wirkung.

Ties gilt insbesondere für den Fall,

daß die Vertretung sich nur auf ge­

wisse Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umstanden oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Generalversammlung, eines Aufsichtsrathes oder eines anderen Organs der Genossenschafter für einzelne Geschäfte er­

fordert ist. §. 22.

Eide Namens der Genossenschaft werden durch den Vorstand geleistet").

§. 23.

Jede ganze oder theilweise Aenderung im Personal des Vorstandes muß von dem

ganz oder theilweise erneuten Vorstande gemeinschaftlich in Person oder in beglaubigter Form

dem Handelsgerichte zur Eintragung in das Genossenschafts-Register und öffentlichen Bekannt­

machung angemeldet und dabei wegen Einreichung der Legitimation und Zeichnung Seitens der neu Eintretenden das im §. 18. Verordnete beobachtet werden. Dasselbe gilt für den Fall, daß interimistische Stellvertreter eines oder mehrerer Vor­

standsmitglieder gewählt werden. Dritten Personen kann die Aenderung nur insofern entgegengesetzt werden, als in Betreff dieser Aenderung die in Artikel 46. des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches"') in Betreff

des Erlöschens der Prokura bezeichneten Voraussetzungen vorhanden sind").

§. 24.

Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen

an die Genoffen­

schast genügt es, wenn dieselbe an ein Mitglied des Vorstandes, welches zu zeichnen oder mit-

zuzeichnen befugt ist °3), geschieht"). §. 25.

Der Vorstand ist verbunden, dem Handelsgerichte am Schluffe jedes Quartals über

den Eintritt und Austritt von Genossenschaftern schriftlich Anzeige zu machen und alljährlich im Monat Januar ein vollständiges, alphabetisch geordnetes Verzeichniß

der Genossenschafter ein-

zureichen. Das Handelsgericht berichtigt und vervollständigt danach die Liste der Genossenschafter"). 59) H. Dazu gehört auch der mit der Genossenschaft kontrahirende einzelne Ge­ nossenschafter in Bezug auf die in dem Gewerbebetrieb oer Genossenschaft abgeschlossenen Ver­ träge. R.G. III v. 11. März 1881, Entsch. 4 S. 72. Wolff S. 859. 60) H. Diese durch §. 13 Einf.Ges. z. E.P.O. aufrecht erhaltene Vorschrift findet hinsichtlich der Frage, wer von mehreren Vorstandsmitgliedern den Eid zu leisten habe, in §. 436 verb. m. 8 434 C.P.O. ihre Ergänzung. (Ueber das frühere Recht vgl. RO.H.G. I v. 16. Mai 1873, Entsch. 9 S. 94.) 61) H. Art. 46 des H.G.B. kautet: „Wenn das Erlöschen der Prokura nicht in das Handelsregister eingetragen "nnb öffentlich bekannt gemacht ist, so kann der Prinzipal dasselbe einem Dritten nur dann entgegensetzen, wenn er beweist, daß es letzterem beim Abschluffe des Geschäfts bekannt war. — Ist die Eintragung und Bekanntmachung geschehen, so muß ein Dritter das Erlöschen der Prokura gegen sich gelten lassen, sofern nicht durch die Umstände die Annahme begründet wird, daß er das Erlöschen beim Abschlüsse des Geschäfts weder gekannt habe, noch habe kennen müssen/" 62) H. Im Uebrigen ist die Eintragung der Vorstandsmitglieder nicht Boraussetzuna der Gültigkeit der von ihnen vorgenommenen Rechtshandlungen. R.G. II v. 11. Mai 1883, Entsch. 9 S. 90. Wolff S. 823. 63) H. Aus diesem Zusatz darf nicht etwa gefolgert werden, daß es Vorstandsmitglieder geben könne, welche von der Befugniß der Zeichnung ausgeschlossen find. Eine solche statutarische Beschränkung würde, wenn überhaupt, doch nur nach innen wrrken. Parisius S. 291; Sicherer S. 245 f. ; Wolff S. 830. 64) H. Aufrecht erhalten durch §. 13 Einf.Ges. z. E.P.O. (vgl. auch §. 157 derselben), er­ gänzt durch 8- 169 E.P.O. Die Streitfrage,, ob dieser §. fich nur auf Zustellungen der Gerichte und anderer Behörden, oder ob er sich auch auf solche von Privatpersonen bezieht (für letzteres Parisius S. 303 f. und Sicherer S. 254), erledigt sich jetzt dadurch, daß nach fi. 1 Ausf.Ges. zur E.P.O. 88- 157, 169 E.P O. auch auf die in nicht gerichtlichen Angelegenhelten bewirkten Zustellungen Anwendung finden. 65) H. Unter der ui berichtigenden Liste der Genossenschafter ist das im 8-, 4 des Ges. erwähnte Mitgliederverzeichnis; zu verstehen, nicht das alljährlich im Januar einzureichende Ber-eichniß. Vgl. Sicherer a. a. O. S. 256. Das Ausscherden selbst ist von der Anzeige und der Eintragung in die Liste unabhängig. R.G. II v. 10. Nov. 1882 u. v. 11. März 1883 Annal. 7 S. 68 u. 10. S. 52.

558

Zweiter Theil.

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

§. 26. Der Borstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, daß die erforderlichen Bücher der Genoffenschast geführt werden. Gr muß spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäfts­ jahres eine Bilanz des verfloffenen Geschäftsjahres, die Zahl der seit der vorjährigen Bekannt­ machung aufgenommenen oder ausgeschiedenen, sowie die Zahl der zur Zeit der Genoffenschast angehörigen Genoffenschaster veröffentlichen"»). §. 27. Mitglieder des Vorstandes, welche in dieser ihrer Eigenschaft außer den Grenzen

ihres Auftrages oder den Vorschriften dieses Gesetzes oder des Gesellfchastsvertrages entgegen handeln, hasten persönlich und solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Sie haben, wenn ihre Handlungen auf andere, als die in dem gegenwärtigen Gesetze (§. 1.) erwähnten geschäftlichen Zwecke gerichtet find, oder wenn sie in der Generalversammlung die Er­ örterung von Anträgen") gestatten oder nicht hindern, welche auf öffentliche Angelegenheiten gerichtet sind, deren Erörterung unter die Landesgesetze über das Versammlungs- und Vereins­ recht fällt67 * *),66eine Geldbuße bis zu 200 Thalern verwirkt. §. 28. Der Gesellschastsvertrag kann dem Borstande einen Auffichtsrath (Verwaltungs­ rath, Ausschuß) an die Seite setzen, welcher von den Genossenschaftern aus ihrer Mitte, jedoch mit Ausschluß der Vorstandsmitglieder, gewählt wird66). Ist ein Aufsichtsrath bestellt, so überwacht derselbe die Geschäftsführung der Genoffenschaft in allen Zweigen der Verwaltung. Er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Ge­ noffenschast unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jederzeit einsehen, den Bestand der Genoffenschastskaffe untersuchen und Generalversammlungen berufen. Er kann, sobald eS chm nothwendig erscheint, Vorstandsmitglieder und Beamte vorläufig 60),69und zwar bis zur Entscheidung der demnächst76) zu berufenden Generalversammlung, von ihren Befugnissen entbinden und wegen einstweiliger Fortführung der Geschäfte die nöthigen Anstalten treffen71).72 Er hat die Jahresrechnungen7'), die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnvertheilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung Bericht zu erstatten. Er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im Interesse der Genoffenschast erforderlich ist. §. 29. Der Aufsichtsrath ist ermächtigt, gegen die Vorstandsmitglieder die Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung beschließt, und die Genossenschaft bei Abschließung von Verträgen mit dem Vorstande zu vertreten. Wegen der Form der Legitimationsführung hat der Gesellschastsvertrag das Erforderliche zu bestimmen. Wenn die Genoffenschast gegen die Mitglieder des Aufsichtsrathes einen Prozeß zu führen hat, so wird sie durch Bevollmächtigte vertreten, welche in der Generalversammlung gewählt

66 a) H. Die in §. 26 vorgeschriebenen Bekanntmachungen müssen in deutscher Sprache erfolgen, Kammergerichts-Beschl. v. 17. Dez. 1883, Johow u. Küntzel, Jahrb. 4. S. 42. 66) H. Nicht aber bloße Erörterungen, denen keine Anträge zu Grunde liegen. Wolff S. 826. 67) H. Vgl. §§.1,2 der Verordn, über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechts v. 11. März 1850 (G.S. S. 277). Daß die Erörterung verboten sei, wird nicht erfordert. Wolff S. 826 Anm. 21. 68) H. Der Aufsichtsrath ist kein nothwendiges Organ der Genoffenschast; ist er aber statutarisch einmal bestellt, so dürfen ihm die in §§. 28 , 29 bezeichneten Befugnisse nicht durch den Gesellschaftsvertrag entzogen werden. Andererseits können ihm mit seiner Stellung unver­ einbare Befugnisse, namentlich eine verwaltende Thätigkeit und der Abschluß von Rechtsgeschäften Namens der Genossenschaft nicht beigelegt werden. Parisius S. 317 ff.; Sicherer S. 263 ff.; Wolff S. 834. Vgl. auch das in Anm 71 zu erwähnende Urtheil des R.G. 69) H. Vorläufig, also nicht definitiv. Auch das Statut darf dem Verwaltungsrath das der Generalversammlung vorbehaltene Recht der definitiven Absetzung nicht übertragen. Pari­ sius S. 320. 70) H. nicht nothwendig sofort. Wolff S. 843. 71) H. Nicht darf der Aufstchtsrath in solchem Falle die Geschäfte selbst übernehmen. R.G. III v. 17. Dez. 1880, Entsch. 3 S. 94. 72) H. Bei kürzeren Geschäftsperioden die Rechnungen über diese. Wolfs S. 843; zwei­ felnd Parisius S. 322.

559

Von Gesellschaften überhaupt.

werden.

Jeder Genossenschafter ist befugt, als Intervenient in einen solchen Prozeß ") auf seine

Kosten einzutreten n). §. 30.

Ter Betrieb von Geschäften der Genossenschaft, sowie die Vertretung der Genossen­

schaft in Beziehung auf diese Geschäftsführung,

kann auch sonstigen Bevollmächtigten oder Be­

amten der Genossenschast zugewiesen werden. In diesem Falle bestimmt sich die Befugniß der­ selben nach der ihnen ertheilten Vollmacht, sie erstreckt sicherm Zweifel auf alle Rechtshandlungen,

welche die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. §. 31.

Die Generalversammlung der Genossenschafter wird durch den Vorstand berufen,

soweit nicht nach dem Gesellschaftsvertrage oder diesem Gesetze

auch andere Personen dazu

befugt sind.

Eine Generalversammlung der Genossenschafter ist außer den im Gesellschaftsvertrage aus­ drücklich bestimmten Fällen zu berufen, wenn dies im Interesse der Genossenschaft erforderlich

erscheint. Die Generalversammlung muß sofort berufen werden, wenn mindestens der zehnte Theil der Genossenschafter in einer von ihnen zu unterzeichnenden Eingabe an den Vorstand unter

Anführung des Zweckes und der Gründe darauf anträgt.

Ist in dem Gesellschaftsvertrage das

Recht der Berufung einer Generalversammlung einem größeren oder geringeren Theile der Ge­ nossenschafter beigelegt, so hat es hierbei sein Bewenden^).

§. 32.

Die Berufung der Generalversammlung hat in der durch den Gesellschaftsvertrag

bestimmten Weise zu erfolgen.

Der Zweck der Generalversammlung muß jederzeit bei der Berufung

werden70).

bekannt gemacht

Ueber Gegenstände, deren Verhandlung nicht in dieser Weise angekündigt ist, können

Beschlüsse nicht gefaßt werden; jedoch die Beschlüsse über Leitung der Versammlung, sowie über

Anträge auf Berufung einer außerordentlichen Generalversammlung ausgenommen. Zur Stellung von Anträgen und zu Verhandlungen ohne Beschlußfassung bedarf es der

Ankündigung nicht. §. 33.

Der Vorstand ist zur Beobachtung und Ausführung aller Bestimmungen des Ge­

sellschaftsvertrages und der in Gemäßheit desselben von der Generalversammlung gültig gefaßten Beschlüsse verpflichtet und dafür der Genossenschaft verantwortlich. Die Beschlüsse der Generalversammlung sind in ein Protokollbuch einzutragen77 73),74dessen * 76

Einsicht jedem Genossenschafter und der Staatsbehörde gestattet werden muß. 73) H. Statt „in einen solchen Prozeß" hieß es im Entwürfe: „in den Prozeß". Durch diese von der deutschen Civilprozetzkommission herrührende Aenderung ist die Intervention der Genossenschafter auf die Prozesse des zweiten Absatzes beschränkt. Parisius S. 325 f.; Sicherer S. 266. 74) H. Die Vorschrift ist als eine prozessualische durch §. 13 Einf.Ges. zur C.P.O. neben §. 63 derselben aufrecht erhalten. Ueber das Verfahren bei der Nebenintervention s. 88- 64 ff. C.P.O. 76) H. Ueber die Entstehungsgeschichte des Abs. 3 vgl. Parisius S. 329 f. Das Recht der Berufung einer Generalversammlung bedeutet nur das Recht, gemäß des ersten Satzes deS Abs. die Berufung beim Vorstande zu beantragen. Sicherer S. 269.

76) H. Ob die Bezeichnung im Einzelfalle für eine ausreichende zu erachten ist, ist wesent­ lich eine thatsächliche Frage. Vgl. den vom R.G. III v. 29. Sept. 1882 entschiedenen RechtSfall, Entsch. 8 S. 7, insbes. S. 13 f. — Geht eines der für die Bekanntmachung gemäß §. 3 Nr. 11 bestimmten Blätter ein, so genügt, mangels anderweiter statutarischer Bestimmungen, Bekannt­ machung in den übrigen Blättern, Kammergerichts-Beschl. v. 13. Nov. 1883, Johow u. Küntzel; Jahrb. 4. S. 44. 77) H. Die Protokolle liefern, da sie der gerichtlichen oder notariellen Form entbehren, ihre Echtheit vorausgesetzt, nach §. 381 C.P.O. an sich in formeller Beziehung nur den Beweis, daß die darin enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben worden find, während fie in materieller Hinsicht als bloße Privatzeugnisse der Aussteller Dritten, insbesondere den in der Generalversammlung ausgebliebenen Genossenschaftern nicht entgegengesetzt werden können. Wenn solche Protokolle aber in das dafür bestimmte Protokollbuch eingetragen find, und wenn zugleich in den Vereinsstatuten eine gewisse Form für deren Errichtung vorgeschrieben und diese Form gewahrt ist, so erlangen sie damit zufolge vertragsmäßiger Unterwerfung der

560

Zweiter Theil.

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

Abschnitt IV.

Bon der Auflösung der Genossenschaft und dem Ausscheiden einzelner Genossenschafter.

§. 34.

Die Genossenschaft wird aufgelöst: .

1) durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit; 2) durch einen Beschluß der Genoffenschaft78 * *)79 *; * 3) durch Eröffnung des Konkurses (Falliments). §. 36. Wenn eine Genoffenschaft fich gesetzwidriger Handlungen oder Unterlassungen schuldig

macht, durch welche das Gemeinwohl gefährdet wird, oder wenn sie andere, als die im gegen­ wärtigen Gesetze (§. 1.) bezeichneten geschäftlichen Zwecke verfolgt78), so kann sie aufgelöst werden, ohne daß deshalb ein Anspruch auf Entschädigung stattfindet. Die Auflösung kann in diesem Falle nur durch gerichtliches Erkenntniß auf Betreiben der höheren Verwaltungsbehörde erfolgen. Als das zuständige Gericht ist dasjenige anzusehen, bei welchem die Genossenschaft ihren ordentlichen Gerichtsstand hat80).81 82 83 * * Das Erkenntniß ist von dem zuständigen Gerichte demjenigen Gerichte, welches das Genoffenschastsregister führt, zur Eintragung und Veröffentlichung nach §. 36. mitzutheilen. §. 36. Die Auflösung der Genoffenschaft muß, wenn sie nicht eine Folge des eröffneten Konkurses ist, durch den Vorstand zur Eintragung in das Genoffenschaftsregister angemeldet werden ; sie muß zu drei verschiedenen Malen durch die für die Bekanntmachungen der Genoffenschast bestimmten Blätter bekannt gemacht werden8'). Durch die Bekanntmachung müssen die Gläubiger zugleich aufgefordert werden, sich bei dem Vorstände der Genossenschaft zu melden. §. 37. Die Konkurseröffnung ist vom Konkursgerichte von Amtswegen in das Genoffenschastsregister einzutragen. Die Bekanntmachung der Eintragung durch eine Anzeige in den im §. 4. Nr. 6. bestimmten Blättern unterbleibt. Wenn das Genossenschaftsregister nicht bei dem Konkursgerichte geführt wird, so ist die Konkurseröffnung von Seiten des Konkursgerichtes dem Handelsgerichte, bei welchem das Register geführt wird, zur Bewirkung der Eintragung unver­ züglich anzuzeigen8*). §. 38. Jeder Genossenschafter hat das Recht, aus der Genossenschaft auszutreten, auch

wenn der Gesellschastsvertrag auf bestimmte Zeit geschlossen ist88).

Vereinsgenossen unter das Statut eine erhöhte Beweiskraft. Sie erbringen alsdann den Mitgliedern der Genossenschaft gegenüber so lange vollen Beweis für die Wahrheit und Vollständigkeit der darin enthaltenen Beurkundungen, bis deren Unrichtigkeit oder Unvollständig­ keit im Wege der Gegenbeweisführung dargelegt wird. R.G. a. a. O. (s. Anm. 76) S. 12 f. 78) H. Derselbe muß mangels anderweiter statutarischer Bestimmung einstimmig gefaßt werden (a. M. Wolff S. 867); eine Form ist nicht (wie in §. 6 Abs. 1 für Statuten-Aenderung) voraeschrieben. Doch wird die Nothwendigkeit der Eintragung (§. 36) wohl ausnahmslos zur schriftlichen Redigirung Anlaß geben. Sicherer S. 275. Die Fassung des Beschlusses kann statutarisch nicht dem Vorstande delegirt werden. Man dry S. 174. 79) H. Nach §. 2 des Ges. o. 21. Okt. 1878 über die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie (R.G.Bl. S. 351) findet §. 35 auch dann Anwendung, wenn in Genossen­ schaften sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische, auf den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen in einer den öffentlichen Frieden, ins­ besondere die Eintracht der Bevölkerungsklassen gefährdenden Weise zu Tage treten. 80) H. Das Verfahren ist ein bürgerlicher Rechtsstreit, kein Strafverfahren. Parisills S. 341; Sicherer S. 276; Beschl d. Ob.^andesger. zu Jena v. 16. Okt. 1883, Gerichtssaal 36 S. 25 ff. Ueber die Gerichtszuständigkeit vgl. §. 13 Ges. 81) H. Doch ist hier nicht wie in §. 6 die Gültigkeit des Auslösungsbeschlusses von der Eintragung abhängig gemacht. Wolff S. 868. Vgl. auch §. 24 Nr. 2 u. §. 25 der in Anm. 34 angef. Jnstr. 82) H. Vgl. §. 104 R.Konk.Ordn.; §. 13 A.G. z. Konk.Ordn. 83) L. Es ist streitig, ob das absolute Kündigungsrecht des Genossenschafters am Schluffe eines Geschäftsjahres für jeden Fall oder nur gegenüber dem Abschluß des ganzen Gesellschafts­ vertrages auf eine Reihe von Jahren hat gewahrt werden sollen, so daß es immer zulässig

Von Gesellschaften überhaupt.

561

Ist über die Kündigungsfrist und den Zeitpunkt des Austritts im Gesellschastsvertrage

nichts festgesetzt, so findet der Austritt nur mit dem Schluß des Geschäftsjahres") nach vor­

heriger, mindestens vierwöchentlicher") Aufkündigung statt.

Ferner erlischt die Mitgliedschaft

durch den Tod, sofern der Gesellschaftsvertrag keine entgegengesetzten Bestimmungen") enthält. In jedem Falle kann die Genossenschaft einen Genossenschafter aus den im Gesellschasts-

verttage festgesetzten Gründen, sowie wegen des Verlustes der bürgerlichen Ehrenrechte, aus­

schließen ®7). §. 39.

Die aus der Genossenschaft ausgetretenen oder ausgeschlossenen Genossenschafter,

sowie die Erben verstorbener Genossenschafter bleiben den Gläubigern der Genossenschaft für

alle bis zu ihrem Ausscheiden von der Genossenschaft") eingegangenen Verbindlichkeiten bis

zum Ablauf der Verjährung (§. 63.) verhaftet. Wenn der Gesellschaftsvertrag nichts Anderes bestimmt, haben sie an den Reservefonds und an das sonst vorhandene Vermögen der Genossenschaft keinen Anspruch, sind vielmehr nur berechttgt zu verlangen, daß ihnen ihr Geschäftsantheil, wie er sich aus den Büchern ergiebt"),

binnen drei Monaten nach ihrem Ausscheiden ausgezahlt rocrbe90). bliebe, daß ein Genossenschafter sich für seine Person auf mehrere Geschäftsjahre bände. Für die letztere Alternative spricht der Wortlaut (so auch Sicherer S. 280 f.), für die erstere die Entstehungsgeschichte des Gesetzes (so Parisius S. 347 ff., 351 f.; Wolff S. 817 Anm. 13). 84) H. Geschäftsjahr — Geschäftsperiode. Parisius S. 352, Wolff S. 817; für die wört­ liche Auslegung dagegen Sicherer S. 281. 85) H. Wenn man bezüglich der in Anm. 83 erwähnten Streitftage der weitergehenden Ansicht (d. h. der von Parisius) sich anschließt, folgt, daß die längste zulässige Dauer der Kündigungsfrist ein Jahr beträgt. Wolff S. 817 Anm. 18. 86) H. Eine solche Bestimmung giebt den Erben ein Recht auf den Eintritt, legt ihnen aber nicht die Pflicht dazu auf. Sicherer S. 281 f.; Wolff S. 815; a. M. (die Genossen­ schaft brauche auch in diesem Falle die Erben nicht aufzunehmen) Parisius S. 352 f. 87) H. An sich ist der Rechtsweg darüber zulässig, ob ein statutenmäßiger AuSschließungSarund vorgelegen habe; dagegen ist statutarischer Ausschluß des Rechtswegs statthaft. R.O.H.G. I v. 16. April 1878, Entsch. 23 S. 380. Ein Fall solchen Ausschlusses wird darin gefunden, daß statutarisch gegen -den im Gesellschaftsverttage dem Vorstand übertragenen Ausschließungsbeschluß nur der Weg der Berufung an die nächste Generalversammlung eröffnet ist, vom R.O.H.G. II v. 7. März 1877, Entsch. 22 S. 103. Vgl. Sicherer S. 282; Wolff S. 846. 88) H. Als Termin des Ausscheidens ist der Schluß des Geschäftsjahres auch in den Fällen der Ausschließung und des Ablebens eines Genossenschafters zu behandeln. R.O.H.G. III v. 8. Sept. 1879, Entsch. 25 S. 240. 89) H. D. h. wie er sich infolge der zugeschriebenen Dividenden und der abgeschriebenen Verluste gestaltet und als Resultat der Geschäftsführung der Genossenschaft durch die Bücher nachgewiesen wird. R.O.H.G. I o'. 20. Dez. 1872, Entsch. 8 S. 275. Maßgebend ist die Bilanz, welche am Schlüsse des laufenden Geschäftsjähres (§. 38 Abs. 2) aufgestellt wird; nicht entscheidet der Zeitpuntt, in welchem die Forderung auf Auszahlung des Antheils fällig wird. R.G. V v. 29. Mai 1880, Gruchot 25 S. 117, Annal. 2 S. 174. — Die vor dem Abschluß des „laufenden Geschäftsjahrs" (§. 38 Abs. 2) angeordnete Abschreibung eines zweifelhaften Aktivums oder von Verlusten (selbst von solchen aus der Zeit vor dem Eintritt des jetzt ausscheidenden Genossenschafters in die Genossenschaft — §. 12 Abs. 2) muß der ausscheidende Genossenschafter sich gefallen lassen, auch wenn der bezügliche Vorstandsbeschluß erst nach der Kündigung gefaßt wurde. R.O.H.G. II v. 1. Febr. 1879, Entsch. 24 S. 420; RG. v v. 7. Febr. 1880, Gruchot 24 S. 1072, Annal. 1 S. 412; II v. 22. April 1881, Entsch. 4 S. 106. A. M. Wolff S. 848 Anm. 27, S. 860 Anm. 20, welcher die Konsequenz der angeführten Urtheile, daß der ausgeschiedene Genossenschafter kein Mittel habe, die von den Gesellschastsorganen zu seinem Nachtheil beschlossenen Abschreibungen rc. anzusechten, bekämpft. Allein warum sollte der Ge­ nossenschafter, welcher gekündigt hat, anders gestellt sein, als derjenige, welcher in der Genossen­ schaft verbleibt? Auch der erstere ist bis zum Schluffe des Geschäftsjahres noch Genossenschafter, und nur bis dahin können die fraglichen Abschreibungen rc. noch vorgenommen werden. Da für die Veröffentlichung der Bilanz eine sechsmonatige Frist vorgeschrieben (§. 26) und nirgends angeordnet ist, daß die Aufstellung der Bilanz früher erfolgen solle, so ist es möglich, daß die Forderung des ausgeschiedenen Genossenschafters nach drei Monaten, also früher Bund klagbar ist, als die Aufstellung der Bilanz und somit die Ermittelung ihres Bettags ndet. „In solchen: Falle darf entweder eine präparatorische Klage auf sofortige Bilanz­ aufstellung, oder, besser, direkt auf Auszahlung des bilanzmäßigen Gesellschaftsantheils, somit Koch, Allgemeine? Landrecht. III.

8. Auil.

36

Zweiter Theil.

562

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

Gegen diese Verpflichtung kann sich die Genoflenschaft nur dadurch schützen, daß sie ihre Auflösung beschließt und zur Liquidation schreitet91 * *). 92 90 93 94 Abschnitt V.

Von der Liquidation der Genossenschaft.

§. 40.

Nach Auflösung der Genoflenschaft außer dem Falle deS Konkurses erfolgt die

Liquidation durch den Vorstand •*), wenn nicht dieselbe durch den Gesellschastsvertrag oder einen

Beschluß der Genoflenschaft an andere Personen übertragen wird.

Die Bestellung der Liqui­

datoren ist jederzeit widerruflich. §. 41.

Die Liquidatoren find von dem Borstande beim Handelsgerichte zur Eintragung

in das Genoffenschastsregister anzumelden; sie haben ihre Unterschrift persönlich vor dieser Be­ hörde zu zeichnen oder die Zeichnungen in beglaubigter Form einzureichen. Das Austreten eines Liquidators oder das Erlöschen der Vollmacht eines solchen ist gleich­

falls zur Eintragung in das Genoffenschaftsregister anzumeldenM).

§. 42.

Dritten Personen kann die Ernennung von Liquidatoren, sowie das AuStreten

eines Liquidators oder das Erlöschen der Vollmacht eines solchen nur insofern entgegengesetzt werden, als hinsichtlich dieser Thatsachen die Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen

nach Artikel 25. und 46. des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches ••)

hinsichtlich

einer

auf einen zur Zeit noch ungewiffen Betrag gerichtet werden." Goldschmidt a. a. O. (s. Anm. 20) S. 17. 90) H. Eine statutenmäßige Festsetzung, daß der austretende Genossenschafter durch den Austritt seines Anspruchs auf Herauszahlung des Geschäftsantheils verlustig gehen solle, ist unverbindlich. Parisius S. 357; Wolff S. 855. Dagegen schließt §. 39 Abs. 2 nicht aus, daß die Auszahlung im Wege der Auftechnung einer Forderung der Genoffenschaft an den ausscheidenden Genoflenschafter gegen deffen An­ spruch auf den Geschäftsantheil erfolgt. R.O.H.G. I v. 23. April 1875, Entsch. 17 S. 209, insbes. S. 214. Selbstverständlich kann aber die Genossenschaft, deren Schuld gemäß Abs. 2 die Schuld des Genossenschafters übersteigt, nicht sich der Herauszahlung des Ueberschusses durch das Verlangen vorheriger Anzahlung der Schuld des Genoffenschafters entziehen. R.G. I t>. 26. März 1881, Annal. 3 S. 408. Ist über den Geschästsantheil jedes Genoffenschafters demselben ein „Genossenschaftsbuch" ausgehändigt, so kann er Auszahlung nur gegen Rückgabe des Buches verlangen. R.O.H.G. II v. 7. Sept. 1878, Entsch. 24 S. 268. 91) H. Ein solcher Beschluß braucht nicht vor dem Ausscheiden des Genoffenschafters ge­ faßt zu sein, aber er ist nur zulässig bis zum Eintreten der Fälligkeit des Anspruchs auf Aus­ zahlung des Geschäftsantheils (d. h. innerhalb der in Abs. 2 gedachten drei Monate oder der statutenmäßig an deren Stelle tretenden Frist); er ist aber auch andererseits das einzige Mittel, durch welches die Genossenschaft die Auszahlungspflicht des Abs. 2 abwenden kann. R.O.H.G. I v. 2. Mai 1876 u. III v. 8. Sept. 1879, Entsch. 20 S. 294 u. 25 S. 240; R.G. I v. 15. Nov. 1879, Entsch. 1 S. 10; V v. 7. Febr. 1880, Gruchot 24 S. 1072, Annal. 1 S. 412, u. v. 29. Mai 1880, Gruchot 25 S. 117, Annal. 2 S. 174; II v. 9. Febr. 1883, Entsch. 8 S. 71. Bal. Wolff S. 856 Anm. 16, Mandry S. 177; a. M. Parisius S. 359 f. Durch den Beschluß wandelt sich die unbedingte Pflicht des Abs. 2 (Auszahlung des buch­ mäßigen Guthabens) m eine solche zur Auszahlung des nach Deckung der Genoffenschaftsschulden ver­ bleibenden Guthabens um. R.O.H.G. I o. 23. April 1875 (f. vor. Anm. Abs. 2). Ob der Beschluß auch die weitere Folge habe, das Ausscheiden unwirksam zu machen, so daß der AuSgeschiedene auch für die nach Ablauf des Geschäftsjahres (§. 38 Abs. 2) kontrahirten Schulden haste, ist streitig. Diese Auffassung liegt dem angef. Urtheil des R.O.H.G. v. 8. Sept. 1878 (vgl. Entsch. 25 S. 246), die entgegengesetzte dem erwähnten Urtheil v. 23. April 1875 zu Grunde. Die letztere entspricht der Wortfassung des §. 39 Abs. 3; dafür auch Parisius S. 360. 92) H. Mit dem Augenblicke, in welchem die Liquidation der Genossenschaft beschloffen wird, erlischt die Vollmacht der Vorsteher als solcher; §§. 20 f. finden daher keine Anwendung auf die als Liquidatoren fungirenden Vorstandsmitglieder; der Umfang ihrer VertretunaSbefugniß bestimmt sich vielmehr lediglich nach §§. 43 f. R.O.H.G. I v. 23. April 1875, Entsch. 17 S. 210, insbes. S. 213 f.; Sicherer S 34 284 f. 93) H. Vgl. §. 24 Nr. 3 der in Anm. angef. Jnstr. 94) H. Art. 25 Abs. 2, 3 H.G.B. lauten: „Ist die Aenderung " (d. h. der In­ haber einer Firma) „nicht in das Handelsregister eingetragen und öffentlich bekannt gemacht, so samt

563

Von Gesellschaften überhaupt.

Aenderung der Inhaber einer Firma oder des Erlöschens einer Prokura die Wirkung gegen Dritte eintritt. Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so können sie die zur Liquidation gehörenden

Handlungen mit rechtlicher Wirkung nur in Gemeinschaft vornehmen, sofern nicht ausdrücklich

bestimmt ist, daß sie einzeln handeln können. §. 43.

Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Verpflichtungen

der aufgelösten Genossenschaft zu erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Ver­ mögen der Genoffenschaft zu versilbern; sie haben die Genoffenschaft gerichtlich und außergericht­

lich zu vertreten, sie können für dieselbe Vergleiche schließen und Kompromisse eingehen.

Zur

Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehend). Die Veräußerung unbeweglicher Sachen kann durch die Liquidatoren, sofern nicht der Ge-

sellschastsvertrag oder ein Beschluß der Genossenschaft") anders bestimmt, nur durch öffentliche Versteigerung bewirkt werden. §. 44.

Eine Beschränkung des Umfanges der Geschäftsbefugniffe der Liquidatoren (§. 42.) 97 * *)98 * * * 96

hat gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung.

§. 45.

Die Liquidatoren haben ihre Unterschriften in der Weise abzugeben, daß sie der

bisherigen, nunmehr als Liquidations-Firma zu bezeichnenden Firma ihren Namen beifügen.

§. 46.

Die Liquidatoren haben der Genossenschaft gegenüber bei der Geschäftsführung

den von der Generalversammlung gefaßten Beschlüssen Folge zu geben, widrigenfalls sie der

Genossenschaft für den durch ihr Zuwiderhandeln erwachsenen Schaden persönlich und solidarisch hasten.

§. 47. Die bei Auflösung der Genossenschaft vorhandenen und die während der Liqui­ dation eingehenden Gelder werden, wie folgt, verwendet: a) es werden zunächst die Gläubiger der Genossenschaft je nach der Fälligkett ihrer For­

derungen

und

befriedigt

die

zur

Deckung

noch

nicht

fälliger

Forderungen

nöthigen

Summen zurückbehalten; b) aus den alsdann verbleibenden Neberschüssen werden die Geschästsantheile an die Genossen­

schafter zurückgezahlt.

Reicht der Bestand zur vollständigen Deckung nicht aus, so erfolgt

die Vertheilung desselben nach Verhältniß der Höhe der einzelnen Guthaben, wenn der

Gesellschaftsvertrag nichts anders bestimmt;

c) aus dem nach Deckung der Schulden der Genossenschaft, sowie der Geschäftsantheile der

Genossenschafter (§. 39.), noch verbleibenden Bestände wird

zunächst der Gewinn des

letzten Rechnungsjahres an die Genossenschafter nach den Bestimmungen des Gesellschafts­

vertrages gezahlt.

Die Vertheilung weiterer Ueberschüffe unter die Genossenschafter er­

folgt in Ermangelung anderer Vertragsbestimmungen nach Köpfen"). §. 48.

stellen.

Die Liquidatoren haben sofort beim Beginn der Liquidation eine Bilanz aufzu­

Ergiebt diese oder eine später aufgestellte Bilanz, daß das Vermögen der Genossenschaft

derjenige, bei welchem jene Thatsachen eingetreten sind, dieselben einem Dritten nur insofern ent­ gegensetzen, als er beweist, daß sie dem letzteren bekannt waren. — Ist die Eintragung und Bekanntmachung geschehen, so muß ein Dritter die Aenderung oder das Erlöschen gegen sich gelten lassen, sofern nicht die Umstände die Annahme begründen, daß er diese Thatsachen weder gekannt habe, noch habe kennen müssen." — Art. 46 s. in Anm. 61. 96) H. Unter „Beendigung" ist keineswegs die gänzliche Tilgung einer Schuld aus einem alten Geschäfte zu verstehen, vielmehr hat das R.G. I v. 23. April 1881, Entsch. 4 S. 61, es als ein unter die Vorschrift fallendes Geschäft angesehen, daß der Liquidator nach einer Ab­ schlagszahlung auf eine vor Auflösung der Genossenschaft konttahirte Wechselschuld über den nicht bezahlten Rest derselben einen neuen Wechsel ausstellte. Auch Verpfändung und Hypothek­ bestellung durch die Liquidatoren kann zur Beendigung schwebender Geschäfte bestimmt sein. Wolff S. 874 Anm. 14. Daß durch das neue Geschäft die Mitglieder in eine ungünstigere Lage gebracht werden, oder daß sich ein anderer Weg für den Liquidator oder für den Gläu­ biger als zweckmäßiger empfohlen haben würde, als das neue Geschäft des Liquidators, ist für defsen Gültigkeit einflußlos. R.G. a. a. O. 96) H. welcher nicht einstimmig gefaßt zu sein braucht. Wolff S. 814 Anm. 4.

97) H. Das Eitat (g. 42) ist unrichtig, es muß 43" heißen. 98) H. Ueber das Verhältniß des 47 Buchst, b zu 8 9 vgl. Anm. 43.

Zweiter Theil.

564

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

(einschließlich des Reservefonds und der Geschästsantheile der Genossenschafter) zur Deckung der

Schulden der Genoffenschast nicht hinreicht, so haben die Liquidatoren bei eigener Verantwort­ lichkeit sofort eine Generalversammlung zu berufen und hierauf, sofern nicht Genoffenschaster binnen acht Tagen nach der abgehaltenen Generalversammlung den zur Deckung des Ausfalles

erforderlichen Betrag baar einzahlen, bei dem Handelsgerichte") die Eröffnung,des Konkurses (Falliments) über das Vermögen der Genoffenschast zu beantragen. §. 49.

Ungeachtet der Auflösung der Genoffenschast kommen bis zur Beendigung der

Liquidation im Uebrigen in Bezug auf die Rechtsverhältnisse der bisherigen Genossenschafter

untereinander, sowie zu dritten Personen, die Vorschriften des zweiten und dritten Abschnitts dieses Gesetzes zur Anwendung, soweit sich aus den Bestimmungen des gegenwärtigen Abschnitts

und aus dem Wesen der Liquidatton nicht ein Anderes ergiebt.

Der Gerichtsstand, welchen die Genoffenschast zur Zeit ihrer Auflösung hatte, bleibt bis

zur Beendigung der Liquidation für die aufgelöste Genossenschaft bestehen.

Zustellungen an die

Genossenschaft geschehen mit rechtlicher Wirkung an einen der Liquidatoren.

§. 50.

Nach Beendigung der Liquidatton werden die Bücher und Schriften der aufgelösten

Genossenschaft einem der gewesenen Genossenschafter oder einem Dritten in Verwahrung gegeben. Der Genossenschafter oder der Drttte wird in Ermangelung einer gültigen Uebereinkunft durch das Handelsgericht bestimmt.

Die Genossenschafter und deren Rechtsnachfolger behalten das Recht auf Einsicht und Be­

nutzung der Bücher und Papiere 10°).

§. 51.

Aufgehoben').

99) H. jetzt: dem Amtsgerichte. §. 3 Nr. 1 Einf.Ges. zur R.Konk.Ordn.; 8- 64 R.Konk.Ordn. 100) H. Vgl. hierzu Wolff S.'858 Anm. 13.

1) H. §. 51, welcher lautete. „Ueber das Vermögen der Genossenschaft wird auch außer dem Falle des §. 48. der Konkurs (Falliment) eröffnet, sobald sie ihre Zahlungen vor oder nach ihrer Auflösung eingestellt hat. Das Verfahren dabei bestimmen die Landesgesetze. Die Verpflichtung zur Anzeige der Zahlungseinstellung liegt dem Vorstande der Ge­ nossenschaft und, wenn die Zahlungseinstellung nach Auflösung der Genossenschaft eintritt, den Liquidatoren derselben ob. Die Genossenschaft wird durch den Vorstand beziehungsweise die Liquidatoren vertreten. Dieselben sind persönlich zu erscheinen und Auskunft zu ertheilen in allen Fällen verpflichtet, in welchen dies für den Gemeinschuldner selbst vorgeschrieben ist. Dieselben sind berechtigt, gegen jede angemeldete Forderung, unabhängig von dem Vertreter (Kurator, Verwalter) der Konkursmasse Widerspruch zu erheben. Dieser Widerspruch hält die Feststellung der Forderung im Konkurse und ihre Befriedigung aus der Konkursmasse nicht auf. Ein Zwangs-Akkord (Konkordat) findet nicht statt. Der Konkurs (Falliment) über das Genoffenschaftsvermögen zieht den Konkurs (Falli­ ment) über das Privatvermögen der einzelnen Genossenschafter nicht nach sich. Der Beschluß über die Eröffnung des Konkurses (resp, die Erklärung des Falliments) hat die Namen der solidarisch verhafteten Genoffenschaster nicht zu enthalten. Sobald der Konkurs (Falliment) beendet ist, sind die Gläubiger berechttgt, wegen des Ausfalles an ihren Forderungen, jedoch nur, wenn solche bei dem Konkursverfahren (Falliment) an­ gemeldet und verificirt sind, einschließlich Zinsen und Kosten, die einzelnen, ihnen solidarisch hastenden Genossenschafter in Anspruch zu nehmen. Die Genoffenschaster können, wenn sie wegen solcher Ausfälle verklagt werden, nur gegen solche Forderungen Einwendungen machen, bei welchen der oben erwähnte Wider­ spruch (Absatz 3.) von dem Vorstande, beziehungsweise den Liquidatoren vor der Verifikation erhoben ist." ist aufgehoben durch §. 3 Nr. 1 des Einf.Ges. zur R.Konk.Ordn. An seine Stelle sind folgende 88- der R.Konk.Ordn. getreten: „§. 195. Ueber das Vermögen einer eingetragenen Genossenschaft findet das Konkurs­ verfahren außer dem Falle der Zahlungsunfähigkeit in dem Falle des tz. 48 des Gesetzes, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirlhschastsgenossenschaften, vom 4. Juli 1868 statt. Die Vorschriften der §§. 193 Abs. 2, 194 finden entsprechende Anwendung." 196. Die Genossenschaft wird durch den Vorstand oder die Liquidatoren vertreten. Em Zwangsvergleich findet nicht statt."

Aon Gesellschaften überhaupt.

§. 52.

565

Nachdem das Konkursverfahren (Falliment) so weit gediehen ist, daß der Schluß-

vertheilungsplan feststeht, liegt dem Borstande ob, eine Berechnung (Bertheilungsplan) anzu­

fertigen, aus welcher sich ergiebt, wie viel jeder Genossenschafter *) zur Befriedigung der Gläubiger wegen der im Konkurs erlittenen Ausfälle beizutragen habe. Wird die Zahlung der Beiträge verweigert oder verzögert, so ist der Bertheilungsplan von dem Vorstande dem Konkursgerichte mit dem Anträge einzureichen: für vollstreckbar zu erklären.

den Bertheilungsplan

Dem Anträge ist eine Abschrift oder ein Abdruck des Gesellschafts­

vertrages und ein Verzeichniß der Ausfälle der Gläubiger, sowie der nach dem Plane zu einem Beitrage verpflichteten Genossenschafter beizufügen.

„§. 197. Nach der Aushebung des Konkursverfahrens sind die Konkursgläubiger, deren Forderungen festgestellt worden sind, berechtigt, wegen des in dem Verfahren erlittenen Ausfalls, einschließlich der Zinsen und Kosten, die einzelnen ihnen solidarisch haftenden Genoflenschaster in Anspruch zu nehmen. Den letzteren stehen Einwendungen nur gegen solche Forderungen zu, welche von dem Vorstande oder den Liquidatoren im Prüfungs­ termine ausdrücklich bestritten worden sind."

Die in §. 195 Abs. 2 in Bezug genommenen §§. 193 Abs. 2, 194 beziehen sich auf Aktien­ gesellschaften und lauten: „§. 193 Abs. 2. Nach Auflösung einer Aktiengesellschaft ist die Eröffnung des Ver­ fahrens so lange zulässig, als die Vertheilung des Vermögens nicht vollzogen ist." „§. 194. Zu dem Anträge auf Eröffnung des Verfahrens ist außer den Konkurs­ gläubigern jedes Mitglied des Vorstandes und jeder Liquidator berechtigt. Wird der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vorstandes oder allen Liquidatoren gestellt, so ist derselbe zuzulassen, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder Ueberschuldung glaub­ haft gemacht wird. Das Gericht hat die übrigen Mitglieder oder Liquidatoren nach Maß­ gabe des §. 97 Abs. 2, 3 zu hören."

2) H. Es ist streitig, ob zu dem in §§. 52 ff. geregelten Umlageverfahren auch die aus­ geschiedenen Genossenschafter bezüglich der bis zu ihrem Ausscheiden von der Genoffenschast eingegangenen Verbindlichkeiten (§. 39) heranzuziehen sind, oder ob deren Haftung nur in dem direkten Zugriffsrecht der Gläubiger (§. 12) und einem etwaigen Rückgriffsrecht der im Umlage­ verfahren allein herangezogenen Genossenschafter auf Grund des Gesellschaftsvertraaes sich äußert. Das Reichsgericht will das Umlageverfahren auf die ausgeschiedene Genoffenschafter nicht aus­ dehnen. V v. 12. Jan. 1881, Entsch. 3 S. 10; II v. 9. Febr. 1883, Entsch. 8 S. 71. Es beruft sich darauf, daß das Umlageverfahren lediglich eine innere Angelebenheit der Genoffen­ schast sei, wie insbesondere aus §. 56 erhelle, und daß §. 39 für das Verhältniß der ausgeschiedenen Genoffenschafter zur Genossenschaft nicht maßgebend fei; ferner auf die Entstehungsgeschichte des §. 52; auf den Zweck des Umlageverfahrens, möglichst bald zu einem vollstreckbaren Er­ gebniß zu führen, welcher vereitelt werde, wenn bezüglich jeder Forderung geprüft und festgestellt werden muffe, ob der ausgeschiedene Genossenschafter gerade für diese haste. Uebereinstimmend: Dernburg 2 S. 623 (Änm. 31); Parisius S. 380 f. (die von ihm hinzugefügte „Be­ schränkung", daß der Genossenschafter sich mit der Genossenschaft schon auseinandergesetzt haben müsse, ist keine solche, da P. unter der Auseinandersetzung nur den Ablauf der Kündigungsfrist bez. die für den Austritt maßgebende Bilanzaufftellung versteht); v. Sicherer S. 309. Ent­ gegengesetzter Ansicht sind: Goldschmidt a. a. O. (vorige Anm. 20) S. 18—25, und auch wohl Mandry S. 180 Anm. 25. Geht man davon aus, daß das Umlageverfahren nur zur Realisirung der Gläubigeransprüche bestimmt ist, daß die Genoffenschast gegen den einzelnen Genossen ein Recht auf Beiträge gar nicht hat, daß aber das Gläubigerrecht sich auch gegen die ausgeschiedenen Genossenschafter richtet, so ist theoretisch der letzteren Meinung der Vorzug zu geben. Praktisch freilich führt sie zu den vom R.G. hervorgehobenen Unzuträglichkeiten, so daß trotz der entgegenstehenden Bedenken die Judikatur des Reichsgerichts nur als eine er­ wünschte betrachtet werden kann. Ob der ausgeschiedene Genossenschafter auch dann nicht beranzuziehen ist, wenn nach dem Ausscheiden, aber vor dem Ablauh der Frist des §. 39 Abs. 2 die Genoffen­ schaft ihre Auflösung beschließt und bei der Liquidation gemäß §. 48 Eröffnung des Konkurs­ verfahrens erfolgt, läßt das Reichsgericht (a. a. O. 8 S. 72) unentschieden. Wenn man an­ nimmt, daß der Auflösungsbeschluß die Wirkung des Ausscheidens, aufhebt, indem an Stelle des Anspruchs auf das Guthaben nach der letzten Bilanz ein solcher auf Auseinandersetzung nach Maßgabe der Liquidation tritt, so muß man sich für die Heranziehung in diesem Falle ausfprechen; betrachtet man hingegen als Wirkuirg des Auflösungsbeschluffes nur das Eintreten einer «deren rechnungsmäßigen Grundlage der Auseinandersetzung, so gelangt man zum entgegen­ gesetzten Ergebnisse. Vgl. Anm. 91 zu §. 39.

Zweiter Theil.

566 §. 53.

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz).

Bevor das Gericht über den Antrag Beschluß faßt, find die Genoffenschaster mit

ihren etwanigen Erinnerungen gegen den Plan in einem Termine zu hören').

Mit Abhaltung

deS Termins wird, wenn das Konkursgericht ein Kollegialgericht ist ein Mitglied des letzteren

(Richterkommiffar) beauftragt*).

Bei der Vorladung der Genossenschafter ist eine Mittheilung

deS Planes nicht erforderlich; es genügt, daß derselbe drei Tage vor dem Termine zur Einsicht

der Genossenschafter bei dem Gerichte offen liegt und daß dies denselben bei der Vorladung angezeigt wird.

Bon dem Termine ist auch der Vorstand in Kenntniß zu setzen.

Die noch­

malige Vorladung eines Betheiligten, welcher in dem Termine nicht erscheint, ist nicht erforder­ lich.

Werden Erinnerungen erhoben, so ist das betreffende Sach- und RechtsverhLttniß in dem

Termine thunlichst insoweit aufzuklären, als zur vorläufigen Beurtheilung der Erheblichkeit der Erinnerungen erforderlich ist.

§. 54.

Nach Abschluß des im §. 53. bezeichneten Verfahrens unterzieht das Gericht auf

Grundlage der beigebrachten Schriftstücke und der von dem Richter aufgenommenen Verhand­

lungen den Bertheilungsplan einer näheren Prüfung, berichtigt den Plan, soweit nöthig, und

erläßt hierauf den Beschluß, durch welchen derselbe für vollstreckbar erklärt wird.

Das Gericht

kann vor Abfaffung des Beschluffes von dem Vorstand jede nähere Aufllärung und die Bei­

bringung der in dem Besitze deffelben befindlichen, zur Erledigung von Zweifeln dienenden

Urkunden fordern.

Im Gebiete des Rheinischen Rechts wird der Beschluß in der Rathskammer auf den Bor­ trag eines Berichterstatters gefaßt.

Gegen den Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. §. 55.

Eine Ausfertigung des Planes, sowie des Beschluffes, durch welchen derselbe für

vollstreckbar erklärt ist, wird dem Vorstande mitgetheilt.

Die Urschrift oder eine zweite Ausfertigung ist bei dem Gerichte zur Einsicht der Ge­ noffenschaster offen zu legen; sämmtliche Genoffenschaster sind hiervon in Kenntniß zu setzen. Der Vorstand ist befugt und im Falle der Weigerung oder Zögerung verpflichtet, die

Beiträge, welche nach dem für vollstreckbar erklärten Vertheilungsplane von den einzelnen Ge-

noffenschastern zu zahlen sind, im Wege der Exekution beitreiben zu laffen. §. 56.

Jeder Genoffenschaster ist befugt, den Bertheilungsplan im Wege der Klage an­

zufechten 63); 4 5 die Klage

ist

gegen die

übrigen betheiligten Genoffenschaster zu richten;

werden in dem Prozesse von dem Vorstande vertreten.

diese

Für die Klage ist das Gericht zuständig,

bei welchem die Genossenschaft ihren allgemeinen Gerichtsstand hatte (§. 11.).

Durch die An­

stellung der Klage und die Einleitung des Prozesses wird die Exekution nicht gehemmt•).

3) H. Die Behauptung, die als Genoffenschaster im Plane mit aufgeführte Person gehöre der Genossenschaft als Mitglied nicht oder nicht mehr an, ist gleichfalls im Wege der Erinnerung gegen den Plan geltend zu machen ; eine bezügliche Präjudizialklage gegen den Konkursverwalter ist nicht statthaft, vielmehr der seine Mitgliedschaft bestreitende Genossenschafter auf den We­ der Anfechtungsklage nach §. 56 verwiesen. R O H G. v. 24. Mai 1873 u. III v. 28. Jan. 1878, Entsch. 9 S. 296 Anm. *) u. 23 S. 123. An diesen aus den Sonderbestimmungen über das Umlageverfahren sich ergebenden Rechtssätzen hat auch die allgemeine Zulaflung der Fest­ stellungsklage in §. 231 C.P O. nichts geändert. Auch die Geltendmachung sonstiger Einwendungen (z. B. der Kompensation) gegen die Umlage ist nur im Termin des §. 53 oder int Wege der Anfechtungsklage des §. 56 zulässig. R.O.H.G. II v. 26. April 1873, Entsch. 9 S. 294. 4) H. Die Vorschriften in §. 53 Satz 2 und §. 54 Abs. 2, welche auf dem Vorhanden­ sein kollegialischer Konkursgerichte beruhten, sind durch die Bestellung der Amtsgerichte zu KonkurSgerichten (§. 64 R.Konk.Ordn) gegenstandslos geworden. 5) EL Die Klage kann nur auf materiellrechtliche Gründe gestützt werden, und zwar auf solche Gründe, welche die Existenz oder Nichtexistenz und den Umfang von genossenschaftlichen, den Prozeßparteien gegen einander obliegenden Verpflichtungen zum Gegenstände haben. Die Klage führt daher weder jemals zu einer Nichtigkeitserklärung des ganzen Umlageverfahren-, noch auch kann mit ihr ein Genossenschafter die übrigen für Pflichtwidrigkeiten der Liquidatore» oder für die gerichtsseitig bei dem Umlageverfahren vorgekommenen Gesetzwidrigkeiten oder für eine unrichtige Feststellung der Genoffenschaftsschulden verantwortlich machen. R.G. III v. 11. Ja». 1883, Annal. 9 S. 344.

Von Gesellschaften überhaupt. 67.

567

Ist die Exekution gegen einzelne Genossenschafter fruchtlos, so hat der Borstand

den dadurch entstehenden Ausfall in einem anzufertigenden neuen Plane unter die übrigen Genossenschafter zu vertheilen.

Tas weitere Verfahren bestimmt sich nach den Vorschriften der

88. 52- 56. 8- 58.

Der Vorstand ist zur Erhebung der von den Genossenschaftern zu entrichtenden

Beiträge berechtigt und zur bestimmungsmäßigen Verwendung derselben verpflichtet. 8- 69.

Wenn das Vermögen der Genossenschaft zur Befriedigung der Gläubiger fich als

unzureichend erweist, ohne daß die Eröffnung des Konkurses erfolgen kann (8- 12 ), so kommen

in Ansehung der Einziehung der zur Deckung der Ausfälle erforderlichen Beträge die Be­

stimmungen der §§. 52—58. in entsprechender Weise mit der Maaßgabe zur Anwendung, daß

an Stelle des Konkursgerichts das Gericht tritt, bei welchem die Genoffenschast ihren allgemeinen Gerichtsstand hatte--»). 8- 60.

Wenn der Vorstand die ihm nach den §§. 52—69. obliegenden Verpflichtungen zu

erfüllen außer Stande ist oder deren Erfüllung versäumt, so kann das Gericht auf den Antrag eines betheiligten Genossenschafters einen oder mehrere Genoffenschafter oder auch andere Per­

sonen mit den Verrichtungen des Vorstandes beauftragen?). §. 61.

Sind an die Stelle des Vorstandes Liquidatoren getreten, so gelten die Be­

stimmungen der 88- 52—60., insoweit sie den Vorstand betreffen, für die Liquidatoren.

8- 62.

Durch das in den §§. 52—61.

angeordnete Verfahren wird an dem Rechte der

Genoffenschastsgläubiger, wegen der an ihren Forderungen erlittenen Ausfälle die Genoffenschaster solidarisch in Anspruch zu nehmen, nichts geändett86).7 Abschnitt VL

Von der Verjährung der Klagen gegen die Genossenschafter. 8- 63.

Die Klagen gegen einen Genoffenschafter aus Ansprüchen gegen die Genoffenschast

verjähren in zwei Jahren nach Auflösung der Genossenschaft oder nach seinem Ausscheiden8*) oder seiner Ausschließung aus derselben, sofern nicht nach Beschaffenheit der Forderung eine kürzere Verjährungsfrist gesetzlich eintritt.

Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Auflösung der Genoffenschast in das Genoffenschastsregister eingetragen oder das Ausscheiden, beziehungsweise die Ausschließung

des Genoffenschasters dem Handelsgerichte angezeigt ist.

Wird die Forderung erst nach diesem

6) H. Die Vorschrift ist nach 8- 13 Einf.Ges. z. C.P.O. von dieser unberührt geblieben. R. G. II v. 6. Juni 1882, Entsch. 7 S. 318. 6») H. Die §§. 52—58 sind auch im Falle der Einstellung des Konkursverfahrens nach 8- 190, nicht aber im Falle der Einstellung nach §§. 188 f. R.Konk.Ordn. entsprechend anwend­ bar, vgl. 91 nm. 49, 51 zu §. 12; denn ihre Anwendbarkeit muß so weit reichen, als die Möglichkeit diretten Zugriffes dem Gläubiger gegeben ist. 7) H. Gegen einen diesen Antrag ablehnenden Beschluß findet Beschwerde im gewöhnlichen Jnstanzenzuge und Verfahren statt. Kammerger. Pl. v. 24. Mai 1876, Goldschmidt, Zeitschr. f. d. ges. Handelsr. 23 S. 272. 8) H. Diejenigen Genossenschafter, welche nach der ihnen obliegenden Solidarpflicht in Gemäßheit des §. 62 einen Genoffenschaftsgläubiger befriedigt haben, treten in Beziehung auf die zu erhebenden Beiträge in die Rechte des bezahlten Gläubigers. Parisius S. 387. Mit diesem Anspruch konkurrirt ein Rückgriffsrecht aus dem Gesellschastsvertrage. v. sicherer S. 310 f.; Mandry S. 181. An sich kann der im Umlageverfahren in Anspruch genommene Genossenschafter, der gleichzeitig Genoffenschastsgläubiger ist, die Solidarhast der Mitgenoffenschaster Viesen gegenüber geltend machen. Dies greift jedoch nicht Platz für einen Genossen­ schafter, „deffen Anspruch an die Genossenschaft von seiner Eigenschaft als Genossen­ schafter untrennbar und in einem Akte zugleich mit seinem Eintritt in die Genoffenschast entstanden ist" ; derselbe erscheint auch den anderen Genoffenschaftern gegenüber an das Bertheilungsverfahren gebunden (so bei einer Genossenschaft auf Gegenseitigkeit). R.G. II v. 20. Mai 1884, 6es. Beilage z. Reichsanzeiger Nr. 6 v. 1884 S. 5. 8») H. Darauf, ob das Ausscheiden gemäß §. 25 angezeigt und die Liste der Genoffenschaster entsprechend berichtigt ist, kommt es für den Beginn der Verjährung so wenig an, als darauf, ob der Geschäftstheil des ausscheidenden Genossenschafters demselben bereits ausgezahlt ist, s. die in Anm. 65 zu §. 25 des Ges. angeführte Urtheile des R.G.

Zweiter Theil.

568

Sechster Titel.

§. 24 (Zusatz), §§. 25, 26.

Zeitpunkte fällig, so beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkte der Fälligkeit.

Bei kündbaren

Forderungen tritt die Kündigungsfrist der Verjährungsfrist hinzu, ohne daß gekündigt zu sein braucht.

Ist noch ungetheilteS Genoffenschastsvermögen vorhanden,

so kann dem Gläubiger die

zweijährige Verjährung nicht entgegengesetzt werden, sofern er seine Befriedigung nur auS dem Genoffenschastsvermögen sucht. §. 64.

Die Verjährung zu Gunsten eines ausgeschiedenen oder ausgeschloffenen Genoffen-

schasters wird nicht durch Rechtshandlungen gegen einen anderen Genossenschafter, wohl aber durch Rechtshandlungen •) gegen die fortbestehende Genoffenschast9 10)11unterbrochen.

Die Verjährung zu Gunsten eines bei der Auflösung der Genoffenschast zu derselben ge­ hörigen Genoffenschasters wird nicht durch Rechtshandlungen gegen einen anderen Genossen­

schafter, wohl aber durch Rechtshandlungen gegen die Liquidatoren, beziehungsweise gegen die

Konkursmasse, unterbrochen. §. 66.

Die Verjährung läuft auch gegen Minderjährige und bevormundete Personen, so­

wie gegen juristische Personen,

denen gesetzlich die Rechte der Minderjährigen zustehen,

ohne

Zulassung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, jedoch mit Vorbehalt des Regresses gegen

die Vormünder und Verwatter. Schluß bestimmun gen. §. 66.

Das Handelsgericht hat den Vorstand der Genoffenschast, beziehungsweise die

Liquidatoren, zur Befolgung der in den §§. 4. 6. 18. 23. 25. 26. Absatz 2. §. 31. Absatz 3. §. 33. Absatz 2. §§. 36. 41. 48. 52 — 59. 61. enthaltenen Vorschriften von Amtswegen durch

Ordnungsstrafen anzuhalten.

Das hierbei zu befolgende Verfahren ist von den Regierungen der einzelnen Bundesstaaten in den nach §. 72. zu erlassenden Ausführungs-Verordnungen zu bestimmen").

§. 67.

Unrichtigkeiten in den nach den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes dem Vor­

stande obliegenden Anzeigen oder sonstigen amtlichen Angaben werden gegen die Vorstands­ mitglieder mit Geldbuße bis zu 20 Rthlr. geahndet.

§. 68.

Durch die im §. 67. enthaltene Bestimmung wird die Anwendung härterer Strafen

nicht ausgeschlossen, wenn dieselben nach sonstigen Gesetzen12)13durch 14 die Handlung begründet werden. §. 69.

Die Eintragungen in das Genoffenschaftsregister erfolgen kostenstei.

§. 70.

Wo dieses Gesetz von dem Handelsgerichte spricht, tritt in Ermangelung eines be­

sonderen Handelsgerichts das ordentliche Gericht an dessen Stelle1S).

§. 71.

In dem Vermögensstande einer schon bestehenden Genoffenschast wird durch deren

Eintragung in das Genoffenschastsregister nichts geändertu).

9) H. Vgl. §. 3 Abs. 4 Einf.Ges. z. R.Konk.Ordn.: „Die Verjährung zu Gunsten eines zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens ausgeschiedenen oder ausgeschlossenen Genoffen­ schasters (§. 64 Abs. 1 des Gesetzes vom 4. Juli 1868) wird auch durch Anmeldung der Konkurs­ forderung unterbrochen." 10) H. Und, wenn die Genossenschaft nach dem Ausscheiden des Genoffenschasters, aber vor Ablauf der Verjährungsfrist aufgelöst wird, auch durch Rechtshandlungen gegen die Liqui­ datoren der aufgelösten Genossenschaft oder die Konkursmasse. R.G. II v. 29. Juni 1880 u. verein. Civ.S. v. 14. Jan. 1882, Entsch. 2 S. 9, 6 S. 33; Parisius S. 392; a. M. v. Sicherer S. 314. Die ausdehnende Auslegung, welche die Vorschrift des Abs. 2 auch auf den bezeichneten, in keinem der beiden Absätze berücksichtigten Fall erstreckt, ist durch die praktischen Unzuträglichkeiten, zu welchen die Lücke im Gesetz sonst Anlaß bieten würde, genügend gerechtfertigt. 11) H. Ueber das Strassestsetzungsversahren gegen den Vorstand und die Liquidatoren vergl. die §§. 30 ff. der Jnstr. v. 17. Dez. 1868 (vgl. Anm. 34 zu H. 4 d. Ges.) und die Abhandlung von Rintelen in Johow, Jahrb. d. App.Ger. 2 S. 259 ff. Jetzt ist durch §. 28 des Ausf.Ges. z. C.P.O. v. 24. März 1879 der (als Anlage des angef. Ges. in der G.S. abgedruckte) Att. 5 des Einf.Ges. z. H.G.B. mit den durch den angef. §. 28 ihm gegebenen Aenderungen auch für die Anmeldungen zum Genoffenschastsregister für anwendbar erklärt. 12) H. Vgl. §. 214 R.Konk.Ordn. 13) H. Vgl. Anm. 30 zu tz. 4 d. Ges. 14) B. Vgl. dazu Parisius S. 398 f.; Wolff S. 810 ff.; Förster-Eceius 4 S. 753 und Anm. 24 zu §. 1 des Ges.

Bon Gesellschaften überhaupt.

569

Auf nicht eingetragene Genossenschaften kommen die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht

zur Anwendunglb). §. 72.

Tie näheren Bestimmungen Behufs Ausführung dieses Gesetzes werden von den

Regierungen der einzelnen Bundesstaaten im Verordnungswege erlassen. §. 73.

Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1869. in Kraft.

§. 25. Tie Rechte der Corporationen und Gemeinen kommen nur solchen eonwmtio. vom Staate") genehmigten ^60^^17) zu, die sich zu einem fortdauernden gemeinnützigen Zwecke verbunden fyibcn18). §. 26. Die Verhältnisse und Rechte der Corporaüonen und Gemeinen sind r »nmdhauptsächlich nach den bei ihrer Errichtung geschloffenen Verträgen, oder ergangenen LAU«?

Stistungsbriefen; nach den vom Staate erhaltenen Privilegien und Concessionen19); 15) H. Vgl. Anm. 5 zu 8. 2 d. T. 16) Wer dabei den Staat zu vertreten habe, darüber s. m. Anm. 10 zu Zus. 1 bei §. 10 d. T. 17) Repräsentantengesammtheiten, deren Mitglieder nicht aus eigenem Rechte bestehen, sondern gewählt, also bevollmächtigt werden, wie z. B. die Stadtverordneten-Bersammlungen, find niemals Korporationen, sondern Kollegien und haben kein Eigenthum. Anm. 1. zur Überschrift d. T. 18) Die Gemeinnützigkeit des Zweckes ist nicht als ein Erforderns neben dem Privilegium, sondern als ein in das Ermessen der Staatsautorität gestellter Beweggrund oder Erforderniß zur Erwirkung des Privilegiums aufzufassen. Einer vom Staate (dem Landesherrn) wirklich genehmigten Gesellschaft, der die Rechte der Korporationen beigelegt worden sind, kann nicht unter der Behauptung, daß ihr Zweck kein fortdauernder gemeinnütziger sei, quaestio status gemacht werden. H. Rosin bei Gruchot 27 S. 116 f. Rach Gemeinem Rechte ist die Entstehung von Vereinen mit Korporationsrechten von einer vorhergegangenen ausdrücklichen Genehmigung seitens des Landesherrn nicht abhängig gemacht, aber das Kriterium, daß die Vereinigung zu einem fortdauernden gemeinnützigen Zwecke geschehen sein müsse, ist auch durch das Gemeine Recht statuirt und daher auch auf die vor Einführung des L.R. staatlich (stillschweigend) genehmigten Gesellschaften anwendbar. Findet sich dieses, so ist der rechtliche Fortbestand der schon zur vorlandrechtlichen Zeit existirt habenden Korporationen, z. B. einer Schützengilde, nicht durch den Nachweis einer ausdrück­ lichen landesherrlichen Verleihung bedingt. O.Tr. II v. 23. April 1861, Str. Arch. 41 S. 191; H. Förster-Eccius 4 S. 722 f. H. Die „Genehmigung" des §. 24, d. h. die Verleihung der Korporationsrechte, ist wiederum (vgl. Anm. 17 zu §. 22 d. T.) nicht identisch mit einer etwa erforderlichen polizei­ lichen Genehmigung des GesellschastSz wecks. Die Ertheilung der letzteren steht anderen Or­ ganen zu, als die Verleihung von Korporationsrechten. Dagegen giebt es Fälle, in welchen die Ertheilung der polizeilichen Genehmigung kraft Rechtssatzes die Folge hat, daß die genehmigte Gesellschaft juristische Persönlichkeit erlangt; z. B. II. 19 §. 42; I. 11 §. 651; R.O.H.G. I v. 13. April 1875, Entsch. 17 S. 80; Rosin a. a. O. S. 114—120. Vgl. auch O.Tr. V v. 26. Sept. 1871, Str. Arch. 82 S. 333 (Eisenbahngesellschaft); Landgericht Berlin v. 12. Mai 1880, Ztschr. f. preuß. Recht 1 S. 134 (Gegenseitigkeitsgesellschast). * H. Endlich giebt es Fälle, in welchen gewisse Gesellschaften ohne jede spezielle Genehmigung schon kraft Rechtssatzes juristische Persönlichkeit erlangen, z. B. Stadtgemeinden, Gymnasien, Universitäten u. dgl.; s. R.O.H.G. a. a. O. S. 84; Rosin a. a. O. S. 119. Abgesehen von diesen Fällen muß die Genehmigung eine ausdrückliche sein. O.B.G. I v. 20. Okt. 1880, Entsch. 7 S. 201. H. Welches Staatsorgan im Einzelfalle zur Ertheilung der Korporationsrechte befugt sei, richtet sich nach Spezialvorschriften ; im Zweifel ist es der Landesherr, so auch insbesondere bei Konstituirung von Landgemeinden. O.B.G. a. a. O. 19) H. Erlaubte Gesellschaften und Korporationen sind nach L.R. die einziges Formen gesell­ schaftlicher Bereinigung mit korporativer Tendenz. Der Versuch, unter Berufung auf §. 26 d. T. auch halbe Korporationen, d. h. Personenvereine einzuschieben, welche juristische Persönlichkeiten ohne Korporationsrechte seien bez. nach Maßgabe des Privileas nur in bestimmten Richtungen Korporations­ rechte besitzen, ist mit dem Ges. unvereinbar und juristisch unhaltbar. Rosin S. 121-123; FörsterEccius 4 S. 715 Anm. 18. Den von diesen angeführten und bei Rosin einaehend kritifirten Entscheidungen des O.Tr., welche von der gekennzeichneten unrichtigen Auffassung ausaehen (IV v. 21. Mai 1864, Entsch. 52 S. 417 ; IV v. 18. Juli 1865, Str. Arch. 59 S. 329 sPreuß. See-Affekuranzkompagnie in Stettins; IV v. 8. März 1870, Str. Arch. 78 S. 63), ist jdrt noch hinzuzufügen: App.Ger. Naumburg v. 26. April 1878, Johow, Jahrb. d. App.Ger. 8 S. 146, welches annimmt, eine Schützengilde, welcher landesherrlich die Berechtigung zum Erwerbe von Grundstücken und Kapitalien ertheilt sei, könne bloß in dieser Richtung Korporation sein.

670

Zweit« Theil.

Sechster Titel.

§§. 97—60.

und nach den auch' in der Folge unter Genehmigung des Staats abgefaßten Schlüffen zu beurtheilen. §. 27. Die solchergestalt bestimmten Rechte und Pflichten der Gesellschaft und ihrer Mtglieder, so wie die wegen deS Betriebes der gemeinschaftlichen Angelegen­ heiten getroffenen Einrichtungen, machen die Verfaffung dieser Corporation auS. §. 28. So weit dadurch der Zweck der Gesellschaft, und solche Mittel, ohne welche dieser Zweck nicht erreicht werden kann, bestimmt sind, gehören dieselben zur Grundverfassung. x §. 29. Grundverfaffungen können nur in so weit geändert oder abgeschafft werden, als die Corporation selbst aufgehoben werden kann. §. 30. Auch andere Verfassungen kann die Corporation eigenmächtig, ohne Vorwisien und Genehmigung des Staats, nicht abändern20). §.31. Wie weit aber dergleichen Aenderungen durch einen nach Mehrheit der Stimmen abzufaffenden Gesellschastsschluß, unter Approbation des Staats, erfolgen können, ist nach den unten vorkommenden Regeln zu beurtheilen. §. 32. Bei der Auslegung dunkler und zweifelhafter Stellen in den Verfaffungsgesetzen einer Gesellschaft finden die allgemeinen Regeln von Auslegung der Verträge, Gesetze, und Privilegien überhaupt Anwendung. §. 33. Doch ist dabei auch auf die bisherige Gewohnheit2') bei der Gesell­ schaft, so weit dieselbe ihrer Grundverfassung und den allgemeinen Gesetzen deS Staats22)23nicht 24 widerspricht, vorzügliche Rücksicht zu nehmen. §. 34. Soll über dergleichen dunkle oder zweifelhafte Stellen eine allgemeine Erklärung für die Zukunft abgefaßt werden, so kann dies nur durch Schlüffe der Corporation, unter Genehmigung des Staats2S), geschehen. §. 35. Kann kein solcher Schluß zu Stande kommen; oder betrifft die Sache Rechte und Pflichten der Corporation gegen Andere außer ihr: so konimt dieses Erklärungsrecht nur allein dem Staate zu. §. 36. Behauptet aber ein Dritter, daß er durch solche Declarationen in seinen schon erworbenen Befugnissen gekränkt sei, so muß ihm darüber rechtliches Gehör verstattet werden. §. 37. Jedes in die Corporation neu eintretende21) Mitglied unterwirft sich eben dadurch den Verfassungen derselben. §. 38. Bon deren Beobachtung, so weit es dabei auf Grundverfassungen an­ kommt, können auch einzelne Mitglieder niemals befreit werden. §. 39. In wie ftrn aber Corporationen, oder deren Vorgesetzte, einzelne Mit­ glieder von anderen zur Grundverfaffung nicht gehörenden Verbindlichkeiten und 20) Eine Abweichung des Repräsentantenkollegiums von der im Statute gegebenen Richt­ schnur ist keine Abänd«ung der Verfaffung und fällt nicht unter die §§. 29 , 30. Der d« Direktion zur Seite gesetze Baurath einer Eisenbahngesellschast sollte nach dem Statute gewisse von der Direktion abgeschloffene Verdingungsverträge genehmigen, hatte aber durch einen besonderen Beschluß die Direktion im Allgemeinen autorisirt, während der Bauperiode dergleichen Verträge selbstständig abzuschließen. Diesen Beschluß nahm ein Appellationsgericht für eine Berfaffungsänderung im Sinne bet §§. 29, 30, welche Auffassung das O.Tr. IV in dem Erk. v. 7. Juni 1847 ganz mit Recht für irrthümlich erklärte. Rechtsf. 1 S. 263. — H. Die Materialien zu §§. 29, 30 sind erstmals mitgetheilt von Förster-Eccius 4 S. 723 Am». 9. 21) D. i. die Observanz oder Usualinterpretation. H. Beispiel: Einladung zur Versammlung durch Herumschicken von Haus zu Haus; O.V.G. I v. 22. Jan. 1881, Entsch. 7 S. 159. 22) Unter diesen allgemeinen Gesetzen sind nicht etwa die Bestimmungen des L.R. in diesem und in dem folg. Titel zu verstehen, als welche überhaupt nur den Charakter subsidiärer Gesetze haben; vielmehr werden damit die Landesversaffungsgesetze und die Gesetze von absolutem zwingenden Charakter gemeint. 23) Und zwar des Gesetzgebers; denn die Statuten einer Korporation sind Partikular­ gesetze. Di« Praxis ist abweichend. H. Vgl. Anm. 10 zum Zus. 1 bei §. 10 d. T. 24) Nämlich auf gehörige Steife unter Beobachtung der vorgeschriebenen Formen.

Von Gesellschaften überhaupt.

571

Lasten dispensiren können, hängt von den besonderen Einrichtungen einer jeden Art der Corporation ab. §. 40. So weit die Berfassung einer Corporation aus den bisher (§. 26—36.) angegebenen Quellen nicht zu bestimmen ist, muß auf die wegen der verschiedenen Arten der Corporationen ergangenen besonderen Gesetze Rücksicht genommen werden. §. 41. Wo auch diese nichts Näheres bestimmen, da treten nachstehende allge­ meine Vorschriften ein. §. 42. Jedes Mitglied einer Corporation ist schuldig, seine Handlungen dem n*S"nm gemeinschaftlichen Zwecke gemäß einzurichten, und zur Erreichung desielben mitzuwirken. Äc Pflichte« der Unterthanen i« «nfehnng ihres Serm-genS. §§. 240 bis 307.

Fallen weg16).

Ungebühr verhängt worden: so muß die Herrschaft den Unterthan vollständig entschädigen, und außerdem, wegen des Mßbrauchs ihrer Gewalt, nach Vorschrift der Criminalgesetze bestraft werden. 8. 235. Findet die Herrschaft längeres Gefängniß, oder eine andere Strafart nöthig, so muß fie die Uittersuchung und das Erkenntniß dem Gericht-halter überlasten. §. 236. Fällt der Spruch des Gerichtshalters auf achttägigen oder kürzern gewöhnlichen Arrest oder Sttafarbeit aus, so findet dagegen kein Rechtsmittel statt. §. 237. Wohl aber hastet alsdann, in dem Falle des §. 234., der Gerichtshalter, gleich der Herrschaft, den zur Ungebühr bestraften Unterthanen zur Schadloshaltung, und dem ge­ meinen Wesen zur Strafe. §. 238. Erkennt der Gerichtshalter auf eine längere oder härtere, als die §. 236. be­ stimmte Strafe, so findet dagegen die Berufung auf daS höhere Gericht mit voller Wirkung statt. §. 239. Wie eS zu halten sei, wenn fich Unterthanen ihrer Herrschaft, oder den Beamten derselben, thätig widersetzen, ist im Criminalrechte vorgeschrieben. 15) Dieser Abschnitt handelt von den, mit der Untertänigkeit ganz weggefallenen. Befug­ nisten und Rechten deS Gutsherrn in Betreff der Berfügungsfähigkeit der Unterthanen. Die aufgehobenen §8. lauteten: Grundsatz. §• 240. Unterthanen können, gleich anderen Bürgern des Staats, freies Vermögen erwerben und besitzen. Persönliche §. 241. Verbindlichkeiten in Ansehung ihrer Person, wodurch fie ihren Dienstpfiichten ^bindlich- entzogen werden, können fie ohne Einwilligung der Herrschaft nicht übernehmen. §. 242. Sie können also auch wegen Schulden, die fie ohne herrschaftliche Einwilligung gemacht haben, nicht in persönlichen Verhaft genommen werden. §. 243. Erlaubt die Herrschaft ausdrücklich oder stillschweigend, daß ein Unterthan, außer der Landwirthschaft, noch ein anderes Gewerbe treibe, bei welchem gewöhnlich Credit gegeben und genommen wird: so kann fie, wegen solcher Schulden des Unterthans, der Exeeution durch Personalarrest nicht widersprechen. §. 244. Schenk- und Gastwirthe sollen dem Gesinde auf dem Lande Gettänke und Eßwaaren, ohne ausdrückliche Einwilligung der Herrschaft, bei Verlust ihrer Forderung, nicht anders, als gegen baare Zahlung verabfolgen. §. 245. Auch sollen sie von dergleichen Leuten Naturalien und Kleidungsstücke, bei einer nach Verhältniß des Werthes der Sache zu bestimmenden Gefängnißstrafe, oder Strafarbeit, an Zahlungsstatt nicht annehmen. Stabte der §• 246. In der Regel, oder wo das Gegentheil nach Provinzial-Gesetzen und Verfaffungen, Unterthanen oder sonst, nicht erhellet, find angesessene Unterthanen als wirkliche Eigenthümer ihrer Stellen GrundsMckc • und Güter anzusehen, und in vorkommenden Fällen zu beurtheilen. 1) wenn sie §. 247. Sie können aber dieselben ohne herrschaftlichen Consens weder veräußern, noch «genthümer durch Tausch, oder andere Abtrennung einzelner unbeweglicher Pertinenzstücke schwächen. b) bd Bcr §• Eben so wenig können fie, ohne diesen Consens, Dienstbaneits- oder andere fortfstflunftcn währende Lasten ihren Gütern auflegen. unter 8. 249. Auch zu Verpfändungen ist die Einwilligung der Herrschaft nothwendig. Lebendige«; §, 250. Diese Einwilligung kann die Herrschaft so weit, als die zu versichernde Summe

die Hälfte des in das Hypothekenbuch eingetragenen Werthes nicht übersteigt, nicht versagen. §. 251. In Verpfändungen über btefe Hälfte ist die Herrschaft nur alsdann zu willigen verbunden, wenn der Vorschuß zur Erhaltung und Wiederherstellung des ohne grobes Verschulden deS Besitzers zurückgekommenen Guts erforderlich ist. §. 252. In diesem Falle ist aber auch die Herrschaft befugt, Nachweis von der gehörigen Verwendung des Darlehns zu fordern; und, nach Bewandniß der Umstände, billige Fristen zur Wiederbezahlung desselben zu bestimmen. §. 253. Wenn eine Hypothek über die Hälfte des Werthes, zur Versicherung oder Abfindung der Erben des Besitzers nothwendig wird, so kann die Herrschaft ihre Einwilligung dazu nicht versagen. §. 254. Bei Schulden, da die Gesetze selbst das Recht, Eintragung dafür zu fordern, be­ gründen, bedarf es dazu keiner Einwilligung der Herrschaft. (Th. 1. Tit. 20. §. 3. 4.) §. 265. Die Einwilligung der Herrschaft giebt dem Gläubiger ein dingliches Recht auf das ein untrennbares Ganze ausmachende Gut ; wenn auch dieselbe ausdrücklich nur auf gewisse einzelne dazu gehörende Grundstücke gerichtet war.

Von den Rechten und Pflichten der Unterthanen in Ansehung ihres Vermögens.

641

§. 256. In allen Fällen, wo nach obigen Vorschriften die Einwilligung der Herrschaft nothwendig, und weder ertheilt, noch von dem Richter ergänzt ist, kann der Gläubiger, wider den Willen der Herrschaft, weder die Substanz des Gutes, noch das zu deffen ordentlicher Bewirthschastung nöthige' Inventarium angreifen. §. 257. Doch kann er an das über den Wirthschaftsbedarf vorhandene Vieh und Gerüche; an den Ueberschuß der Früchte, nach Abzug der Wirthschastsnochdurst, ingleichen der öffentlichen und autSherrlichen Abgaben, und an das übrige zum Gute nicht gehörende Vermögen des Schuldners sich halten. §. 258. Auch zu Veräußerungen, ingleichen zur Belegung des Gutes mit DienstbarkeitSund andern fortwährenden Lasten, soll die Herrschaft ihre Einwilligung ohne erhebliche Gründe nicht versagen. §. 259. Zur Veräußerung des Gutes an einen neuen Besitzer versagt sie die Einwilligung mit Grunde, wenn es demselben an Vermögen und Tüchtigkeit, der Wirthschaft vorzustehen, und die Dienste gehörig zu leisten, ermangelt. 8. 260. Desgleichen, wenn der neue Besitzer, wegen feiner schlechten Wirthschaft, Faulheit, Liederlichkeit, oder Widerspenstigkeit schon bekannt ist. 261. In Abtrennung von Pertinenzstücken, oder in andere Belastung, ist die Herrschaft zu willigen nicht verbunden, wenn dadurch das Gut an seinem Ertrage, im Ganzen genommen, einen dauernden Abfall erleiden würde. §. 262. Was zur Abtrennung unbeweglicher Pertinenzstücke von Bauergütern, außer dem Consense der Herrschaft, noch erforderlich sei, bestimmen die Landes-Polizeigesetze. §. 263. Der Gerichtsherr, wenn derselbe von dem Gutsherrn unterschieden ist, muß in Fallen, wo die Einwilligung des Letzteren zu einer Verfügung über das Grundstück nothwendig . ist, die Beibringung derselben erfordern, ehe die Handlung von ihm bestätigt und eingetragen wird. §. 264. Auch bei nothwendigen Subhastationen darf er mit dem Zuschläge an den Meist­ bietenden nicht eher verfahren, als bis die Einwilligung des Gutsherrn nachgewiesen worden. §. 265. Hat der Gerichtsherr diese Vorschriften verabsäumt ; so ist die Bestätigung oder Eintragung nichtig, und der Gerichtsherr hastet den Interessenten für allen daraus ewistehenden Rachtheil. §. 266. Nur derjenige, dem die Verwaltung des Inbegriffs der autSherrlichen Rechte übertragen ist, nicht aber ein bloßer Wirthschastsbeamter oder Pächter, kann im Namen der Herrschaft Einwilligung ertheilen. 8. 267. Ueber sein eigenthümliches Vermögen kann ein Unterthan, gleich anderen Bürgern J?) bet «er» des Staats, auch letztwillig verfügen. ggg*

8. 268. Er kann bestimmen, welches unter mehrern Kindern sein Gut überkommen solle. 9. 269. Auch den Preis, für welchen eines der Kinder das Gut annehmen solle, kann der unterthänige Erblasser, gleich, jedem anderen Vater, bestimmen. §. 270. Uebersteigt aber der väterliche Anschlag den Werth, welcher nach den unten folgenden Grundsätzen, bei einer Erbtheilung ohne Testament dem Gute beizulegen sein würde, so kann die Herrschaft auf eine billige Heruntersetzung dieses Anschlages antragen. tz. 271. Im Mangel letztwilliger Verordnungen finden, rauch bei Unterthanen, die Regeln der gemeinen gesetzlichen Erbfolge statt. §. 272. In der Regel kann die Herrschaft demjenigen unter mehrern Miterben, welchen sie für den Tüchtigsten hält, das Gut zuwenden. §. 278. Wenn aber die Miterben wegen Ueberlaffung des Gutes an Einen unter ihnen, oder auch an einen Dritten, sich vereinigen: so kann die Herrschaft ihre Einwilligung nur so weit versagen, als sie überhaupt einen vorgeschlagenen neuen Besitzer zu verwerfen berechtigt ist. §. 274. Einem vermöge letztwilliger Verfügung, oder vermöge der gesetzlichen Succesfionsordnung, zum Besitze des Gutes berufenen Erben kann die Herrschaft die Annahmne aus eben den Gründen verweigern, aus welchen sie überhaupt der Veräußerung des Gutes an einen neuen Besitzer widersprechen kann. (§. 259. 260.) §. 275. Der Mangel des erforderlichen Alters, dem Gute gehörig vorzustehen, ist in der Regel keine rechtmäßige Verweigerungsursache. §. 276. Vielmehr muß sich die Herrschaft die Annahme eines auch noch unmündigen Gutserben in so fern gefallen lassen, als Anstalten getroffen werden können, daß daS Gut so lange, bis eS der Erbe selbst übernehmen kann, ordentlich bewirthschaftet, und die der Herrschaft davon gebührenden Dienste und Abgaben gehörig geleistet werden. §. 277. Ist der durch Testament oder Gesetz zum Besitze des Gutes berufene Erbe kein Unterthan der Herrschaft ; und kann oder will er sich auch nicht in ihre Unterthänigkeit begeben: so ist die Herrschaft berechtigt, ihn auszuschließen. §. 278. In allen Fällen, wo nach obigen Vorschriften (§. 274. sqq.) die Herrschaft daS Soch, SUIflcmchicv Landrecht. III.

8. Aug.

41

642

Zweiter Theil.

Siebenter Titel.

§§. 279-307 (Zusätze).

Recht hat, den Erben von dem Besitze des Gutes auszuschließen, muß demselben eine Frist, von sechs Wochen bis drei Monaten, von dem Tode des Erblaffers an gerechnet, verstattet werden, um das Gut an einen anderen fähigen Besitzer zu bringen. §. 279. Rach Ablauf dieser Frist kann die Herrschaft auf öffentlichen gerichtlichen Verkauf antragen. §. 280. In allen Fällen, wo der neue Besitzer Miterben abzufinden hat, muß der Werth des Gutes, und des zur Wirthschaft erforderlichen Jnventarii, nach einer gemäßigten Taxe an­ geschlagen werden. A»h. §. 106. Es ist jedoch auch die Subhastation bei unterthänigen eigenthümlichen Bauer­ gütern unter eben' den Umständen, wie bei anderen Grundstücken, für eine gesetzmäßige Art der Auseinandersetzung unter Miterben zu achten; jedoch die nach Vorschrift des §. 281. und 282. aufgenommene Taxe dabei zum Grunde zu legen. Die Grundherrschasten können dem Meistbietenden den Consens zur Uebernehmung des Guts aus eben den Gründen versagen, aus welchen sie denselben bei Veräußerungen überhaupt nach der gesetzlichen Vorschrift §. 259. 260. zu verweigern berechtigt sind. Än die Taxe erheblich übersteigendes Gebot ist jedoch nur Dann für eine solche

von der

rechtmäßige Berweigerungsursache zu achten, wenn der Licitant nicht Nachweisen kann, daß er fern Gebot, so weit es die Hälfte der Taxe übersteigt, aus eigenen Mitteln zu erfüllen im Stande ist. Sollte über die nach diesen Grundsätzen zu beurtheilende Besitzfähigkeit des Licitanten ein Stteit entstehen, welcher nicht sofort nach den Vorschriften der allgemeinen Gerichts­ ordnung Tit. 62. §. 42. 44. abgemacht werden kann: so findet darüber rechtliches Gehör statt, und der Zuschlag muß bis zur erfolgten rechtskräftigen Entscheidung aus­ gesetzt bleiben. Kann aus einer und der anderen Ursache der Zuschlag an den Meistbietenden nicht erfolgen, so hängt es alsdann von den theilenden Erben ab, in wie fern fie eine neue Licitation nachsuchen, und auf diesem Wege die Ausmittelung eines ihnen annehmlichen und zugleich befitzfähigen Käufers abwatten, oder eine andere gesetzliche Art der Theilung wählen wollen. §. 281. Bei Ausnehmung einer solchen Taxe muß nicht nur auf sämmtliche Lasten und Abgaben, sondern auch auf den notdürftigen Unterhalt des neuen Besitzers, und seiner Frau, Rückficht genommen werden. §. 282. Nähere Bestimmungen der Abschätzungsgrundsätze bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten. §. 283. Den nach einer solchen Taxe bestimmten Werth müssen sämmtliche Theilnehmer ohne Widerrede sich gefallen fassen. §. 284. Zur Herauszahlung der den übrigen Theilnehmern. zukommenden Abfindungen müssen billige, den Vermögensumständen des Uebernehmers angemeffene Termine bestimmt werden. §. 285. Wo es nicht verabredet ist, werden dergleichen Kaufgeldertermine, außer dem Falle einer Verzögerung, nicht verzinset. §. 286. In Ansehung des Nachweises der von dem Regimente erhaltenen Entlaffung, welchen jeder eantonpflichtige Gutserbe vor Uebernehmung der Stelle beibringen muß, hat es bei den Cantonverfaffunaen sein Bewenden. §. 287. Die Herrschaft darf einen Unterthan, der sein Gut eigenthümlich besitzt, deffelben

ioiftt ohne erhebliche Ursache und richterliches Erkenntniß nicht entsetzen. «y—«ft—r §. 288. Der Unterthan kann aber zum Verkaufe seines Gutes genöthigt werden, wenn er «g Ufren dasselbe, oder das dazu gehörige Inventarium, durch liederliche Wirthschaft ruinitt. «eilen. § 289. Ein Gleiches findet statt, wenn er sich boshafter Widerspenstigkeit, Aufwiegelung

der Gemeine, oder vorsätzlicher Vergehungen gegen die Herrschaft, wodurch die ihr gebührende Ehrfurcht gröblich verletzt wird, schuldig macht. §. 290. Desgleichen' alsdann, wenn er einen überwiegenden Hang zu Diebereien, und anderen die Sicherheit des Eigenthums kränkenden Verbrechen, an den Tag legt; oder durch schändliche Vergehungen ein öffentliches Aergerniß in der Gemeine giebt; und auch durch aus­ gestandene leichtere Strafen nicht hat gebessert werden können. §. 291. Einen Unterthan, gegen welchen wegen seiner Verbrechen mehr als Einjährige Zuchthaus- oder Festungsstrafe verhängt worden, ist die Herrschaft im Besitze seines Gutes zu fassen nicht schuldig. §. 292. Wenn ein Unterthan das nach §. 251. mit Bewilligung der Herrschaft über die Hälfte seines Gutswerthes aufgenommene Darlehn liederlich verschwendet, so ist die Herrschaft ihn zum Verkauf anzubalten ebenfalls berechtigt. §. 293. Wenn em Unterthan durch hohes Alter, oder unheilbare Krankheit, außer Stand

Landgitterordnung für die Provinz Westphalen re. Dom 30. April 1882.

643

5. Landgüterordnung'*) für die Provinz Westfalen und die Kreise ReeS, Essen (Land), Essen (Stadt), Duisburg und Mülheim a. d. Ruhr. Dom 30. April 1882.".) (G.S. S. 256.)

Wir re. verordnen, mit Zustimmung beider Hauser deS Landtages Unserer Monarchie, für die Provinz Westfalen und die Kreise Rees, Esten (Land), Esten (Stadt), Duisburg und Mülheim a. d. Ruhr, was folgt: ' 8 1- Landgut im Sinne dieses Gesetzes ist eine in der Landgüterrolle des zuständigen

Amtsgerichts eingetragene Befitzung. In der Rolle kann jede in der Provinz Westfalen oder in einem der Kreise Rees, Esten

gesetzt wird, der Wirthschaft ferner gehörig vorzustehen, so kann die Herrschaft ihn anhatten, daß er das Gut einem anderen tüchtigen Wrrthe überlaste. §. 294. Doch muß alsdann für den Unterhalt des abgehenden Wirthes nach Nothdurst gesorgt, und wenn er Kinder hat, das Gut für dieselben so viel als möglich erhalten werden. 8- 295. In so fern außer dem Falle des §. 291. der Unterthan seiner Wirthschaft gehörig vorzustehen bloß auf eine Zeitlang verhindert wird, muß die Herrschaft durch eine wohlan­ geordnete Verwaltung ihm zu helfen sich angelegen sein lasten. 8- 296. Ist auf den Verkauf erkannt worden, so muß derselbe durch gerichtliche Subbastation erfolgen; der Unterthan aber kann, bis zum wirklichen Zuschläge, das Gut aus fteier Hand an einen anderen annehmlichen Besitzer veräußern. 8- 297. Dadurch, daß der Unterthan zum Verkaufe seines Gutes aus vorstehenden Gründen angehalten worden, wird derselbe von der persönlichen Unterthänigkeit noch mcht frei. 8- 293. Wenn die von Unterthanen besessenen Güter der Herrschaft eigenthümlich «echte der gehören; den Besitzern aber auch nicht in Zeit- oder Erbpacht, sondern ohne Zeitbestimmung zur Cultur und zum Genuffe eingeräumt find: so werden die Rechte der Unterthanen, in An«ater: sehung solcher Güter, nach den Vorschriften des vierten Abschnitts im ein und zwanzigsten Titel *) wenn sie des ersten Theils beurtheilt. 8 299. Außer den daselbst angeführten Ursachen, kann ein solcher Gutsbesitzer, wenn er19 11 zugleich ein Unterthan ist, aus eben den Gründen ferner Stelle entsetzt werden, aus welchen ein Eigenthümer -um Verkauf seines Gutes angehalten werden kann. (§. 288. eqq.) 8* 300. Ein unterthäniger Gutsbesitzer dieser Art ist, seine Stelle ohne besondere Ein­ willigung der Herrschaft aufzugeben, nicht berechtigt. §. 301. Die Einwilligung kann ihm aber nicht versagt werden, wenn er der Herrschaft einen annehmlichen Wirth zrrr Uebernehmung des Gutes zu stellen vermag. §. 302. Wenn die Herrschaft dergleichen auf andere Art ledig gewordene Stellen an Unterthanen, welche dieselben nach §. 181. zu übernehmen schuldig sind, au-thut, so ist sie die Bedingungen, unter welchen das Gut vorhin verliehen und besessen worden, zu erschweren nicht berechtigt. §. 303. Wird jedoch eine solche Stelle, durch Zuschlagung neuer nutzbarer Pertinenzstücke und Zubchörungen, oder sonst, in ihrem Ertrage dauernd verbeffert, so muß der neu anzusehende Besitzer eme verhältnißmäßige Erhöhung der Dienste und Abgaben,. allenfalls nach richterlichem Ermessen, sich gefallen lasten. (§. 138—140.) §. 304. Die Besitzer bloß verpachteter Güter werden, als Erb- oder Zeitpächter, nach dem Inhalte ihrer Verträge beurtheilt. 8. 305. Im zweifelhaften Falle streitet die Vermuthung für die Erbpacht. §. 306. Daraus, daß die Abgabe, welche der unterthämge Besitzer der Herrschaft für den Genuß des Gutes entrichtet, Erbzins genannt wird, folgt noch nicht, daß das Gut selbst die Erbzinseigenschaft im gesetzlichen Sinne habe. §. 807. Auch unterthämge Pacht- oder Erbzinsbesitzer können aus eben den Gründen, wie dre Eigenthümer, zur Aufgebung und zum Verkauf ihrer Stellen, oder der ihnen daran zustehenden Rechte, gerichtlich angehalten werden. 16) H. §§. 267 ff. d. T. (s. Anm. 15) bestimmten über die Erbfolge in das eigenthümliche Vermögen der Glltsunterthanen, insbesondere die Boraussetzunaen, unter denen der Erblasser daS Gut einem mehrerer Kinder zuwenden könnte. Diese Vorschriften waren mit dem ganzen Abschnitt beseitigt. Die drei im Text abgedruckten Lanogüterordnungen bezwecken, ein neues Sonderrecht der Erbfolge in Landgüter zu begründen, welches sich indeß mcht auf bäuerliche Besitzungen beschränkt, sondern sich auf Landgüter überhaupt bezieht. 17) H. Vgl. dazu die allgemeine Verfügung des Justizministers, bett, die Führung der Landgüterrollen im Bezirk des Oberlandesgerichts in Hamm, v. 26. Juni 1882 (J.M.Vl. S. 187) Kommentare zu dem Gesetz von Hartmann (Paderborn 1882) und Meyer (Berlin 1882).

Zweiter Theil. Siebenter Titel.

644

§. 307 (Zusätze).

(Land), Essen (Stadt), Duisburg und Mühlheim a. d. Ruhr belegene Besitzung eingetragen «erden, welche zum Betriebe der Land- oder Forstwirthschaft bestimmt und bei dem Grundsteuerkataster mit einem Reinerträge von mindestens fünfundsiebzig Mark angesetzt ist.

§. 2.

Zur Eintragung des Landgutes in der Landgüterrolle ist das Amtsgericht zuständig,

in defien Bezirke die Grundstücke belegen sind, welche das Landgut bilden. Liegen die Grundstücke in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte, so hat das Ober-

landeSgericht

zu

bestimmen,

bei

welchem

Amtsgerichte

das Landgut

in

der

Rolle

einzu­

tragen ist. §. 3.

In der Rolle erhält jedes Landgut ein eigenes Blatt.

Das Landgut besteht aus denjenigen Grundstücken, welche auf dem Rollenblatte eingetragen sind.

Dieselben müssen nach Blatt, Artikel und Nummer des Grundbuchs oder nach dem Grund­

steuerkataster bezeichnet werden.

Auf dem Blatte oder Arttkel des Grundbuchs ist die Nummer des Rollenblattes kostenfrei

zu vermerken. §. 4.

Ein Landgut soll in der Rolle nur dann eingettagen werden, wenn die Voraus­

setzungen des §. 1 Absatz 2 zur Zeit der (Eintragung vorhanden sind.

Die Eintragung kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, weil diese Voraussetzungen zur Zeit der Eintragung nicht vorhanden gewesen seien. §. 5.

Die Eintragung und die Löschung in der Rolle erfolgt auf Anttag Derjenigen,

welche über das Landgut letztwillig verfügen können.

§. 6.

Die Anträge auf Eintragung und auf Löschung in der Rolle werden bei dem Amts­

gerichte, unter Anwendung der §§. 32 bis 34 der Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 (GesetzSamml. S. 446), mündlich angebracht oder schriftlich eingereicht. Das Amtsgericht hat dem Antragsteller mitzutheilen, daß die (Eintragung und die Löschung erfolgt sei.

§. 7.

Die Eintragung verliert ihre Wirksamkeit durch die Löschung.

Die Einttagung ist auch für jeden nachfolgenden Eigenthümer wirksam, sofern derselbe

Eigenthümer des ganzen Landgutes oder eines den Voraussetzungen des §. 1 Absatz 2 entsprechen­ den Theiles desselben ist.

§. 8.

Bei Grundstückserwerbungen

zu einem in der Rolle eingetragenen Landgute ist

gleichzeittg mit der Zuschreibung in dem Grundbuche die Zuschreibung auch in der Rolle zu be­

wirken, wenn der Erwerber seine entgegengesetzte Absicht nicht ausdrücklich erklärt. Bei Veräußerungen eines Theiles von

einem in der Rolle eingetragenen Landgute ist

gleichzeitig mit der Abschreibung im Grundbuche auch die Löschung des veräußerten Theiles in der Rolle zu bewirken, wenn bei demselben die Voraussetzungen des §. 1 Absatz 2 nicht zutreffen.

In den Fällen dieses Paragraphen erfolgen die Zuschreibungen und Löschungen in der

Rolle von Amtswegen und kostenfrei. §. 9. Die Einsicht der Rolle ist Jedem gestattet, welcher nach dem Ermeffen des Amts­ gerichts ein rechtliches Jntereffe dabei hat.

Die Einsicht der Rolle erfolgt kostenfrei. §. 10.

Haben Ehegatten in allgemeiner Gütergemeinschaft gelebt, so finden hinsichtlich der

Uebernahme der zu dem gemeinschaftlichen Vermögen gehörenden Landgüter die in den §§. 11

bis 22 enthaltenen Bestimmungen Anwendung. §. 11. Bei der Auseinandersetzung und bei der Schichtung kann der überlebende Ehe­

gatte, sofern ihm nach den bestehenden Vorschriften die Befugniß zur Uebernahme des gemein­ schaftlichen Vermögens zustehl, das Landgut für eine nach Maßgabe der §§. 17 und 18 fest­

zustellende Taxe mit billigen Zahlungsfristen übernehmen. Ist das Landgut während fortgesetzter allgemeiner Gütergemeinschaft aus Antrag des über­

lebenden Ehegatten in der Rolle eingetragen, stimmung keine Anwendung.

so findet zu dessen Gunsten die vorstehende Be­

Landgüterordnung für die Provinz Westphalen rc.

§. 12.

Bom 30. April 1882.

645

Sofern nach den bestehenden Vorschriften den Kindern die Befugniß zur Ueber­

nahme des gemeinschaftlichen Vermögens zusteht, kann eines derselben die Uebernahme des

Landguts für eine nach Maßgabe der §§. 17 und 18 festzustellende Taxe mit billigen Zahlungs­

fristen beanspruchen.

Dasselbe gilt, wenn der überlebende Ehegatte bei der Auseinandersetzung

oder bei der Schichtung das Landgut nicht übernimmt, oder nach dem Tode des letzttebenden Ehegatten nur unter den Kindern eine Auseinandersetzung erfolgt. §. 13.

Die Befugniß der Kinder zur Uebernahme des Landgutes wird nach folgenden

Grundsätzen geregelt.

Leibliche Kinder gehen Adopttvkindern, eheliche den unehelichen vor.

Durch nachfolgende

Ehe legittmirte Kinder stehen den ehelichen gleich. Ferner geht vor der ältere Sohn, und in Ermangelung von Söhnen die ältere Tochter.

Kinder, welche zur Zeit deS Erbanfalles für geisteskrank oder für Verschwender erNärt

sind, stehen bis zur Wiederaufhebung der Entmündigung, Kinder, welche eine BerurtheUung zu Zuchthaussttafe und zugleich zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erlitten haben, für immer

den übrigen Miterben nach. An die Stelle

eines verstorbenen Kindes treten dessen Abkömmlinge nach den für die

Kinder geltenden Grundsätzen. §. 14.

Für Landgüter in den Bezirken der Landgerichte Bielefeld und Paderborn, sowie

der Amtsgerichte Tecklenburg und Ibbenbüren kann mittelst Einttagung in der Landgüterrolle

bestimmt werden, daß der jüngere Sohn, und in Ermangelung von Söhnen die jüngere Tochter vorgeht.

§. 15. Wird ein Ehegatte von Geschwistern oder deren Abkömmlingen beerbt, so ist eines derselben, falls der überlebende Ehegatte bei der Auseinandersetzung das Landgut nicht übernimmt, befugt, das letztere für eine nach Maßgabe der §§. 17 und 18 festzustellende Taxe mit billigen Zahlungsfristen zu übernehmen.

Dies

gilt auch dann, wenn Geschwister oder deren

Abkömmlinge mit Verwandten in aufsteigender Linie gemeinschaftlich erben.

Die §§. 13 und 14 finden entsprechende Anwendung.

Das Nießbrauchsrecht des über­

lebenden Ehegatten bleibt unberührt.

§. 16.

Sind mehrere Landgüter vorhanden, so finden die §§. 11 bis 15 mit folgenden

Maßgaben Anwendung:

Der zur Uebernahme berechtigte Ehegatte kann die sämmttichen Landgüter übernehmen.

Steht die Befugniß zur Uebernahme den Kindern oder den Geschwistern, beziehungsweise deren Abkömmlingen zu, so kann der nach den §§. 12 bis 15 Berechtigte die sämmtlichen Land­

güter übernehmen, wenn die Bewirthschaftung von einem derselben aus erfolgt.

Anderenfalls

kann jeder Berechtigte in der Reihenfolge seiner Berufung nach den §§. 13 und 14 ein Landgut

übernehmen.

§. 17.

Die Feststellung der Taxe erfolgt nach folgenden Grundsätzen:

1) Der zwanzigfache Bettag

a) des beim Grundsteuerkataster angesetzten Reinerttages der Liegenschaften, b) des bei Veranlagung der Gebäudesteuer eingeschätzten Nutzungswerthes

derjenigen

Gebäude, welche weder zur Wohnung des Eigenthümers, seiner Familie, seiner Dienstleute und Arbeiter bestimmt, noch zur Bewirthschaftung erforderlich find,

wird als Werth des Landgutes angenommen. 2) Nicht besonders geschätzt werden und bleiben außer Berechnung:

a) die zur Wohnung deS Eigenthümers, seiner Familie, seiner Dienstleute und Arbeiter bestimmten, sowie die zur Bewirthschaftung erforderlichen Gebäude; b) Bäume und Holzungen, letztere mit Ausnahme des nach forstwirthschaftlichen Grund­

sätzen überständigen Holzes; o) das Gutsinventarium und alle sonstigen beweglichen Perttnenzstücke (§§. 48 folgende, §§. 75 und folgende, Titel 2 Theil I des Allgemeinen Landrechts).

und

Zweiter Theil.

646

3) Rach

allgemeinen

Siebenter Titel.

Regeln werden

besonders

§. 307 (Zusätze).

abgeschätzt und

dem

Gutswerthe

hinzu­

gerechnet: a) der -wan-igfache Betrag des jährlichen NutzungSwertheS der zum Landgute gehörigen

nutzbaren Gerechtigkeiten; b) der Werth deS nach forstwirthschastlichen Grundsätzen überständigen Holzes; c) der Werth der auf dem Landgute vorhandenen gewerblichen Anlagen.

§. 18.

Streitigkeiten über die Feststellung der Taxe find durch Schiedsrichter zu ent­

scheiden. '

Der schiedsrichterlichen Entscheidung unterliegen ferner Streitigkeiten über die Feststellung

der Zahlungsfristen, über die Verzinsung der Abfindungen, über die Gewährung des Unterhaltes

auf dem Landgute (§. 19).

Bei der Entscheidung über diese Streitigkeiten find, nach billigem

Ermessen, einerseits die Leistungsfähigkeit des Gutsübernehmers, andererseits das Bedürfniß der Abzufindenden zu berücksichtigen.

Die Schiedsrichter müssen mit einer zum Betriebe der Land- oder Forftwirthschast be­ stimmten Befitzung, welche mindestens den im §.

1

angegebenen Reinertrag hat, in dem

Regierungsbezirke, in welchem das Rachlaßgut liegt, angesessen sein. Auf das schiedsrichterliche Verfahren finden die Bestimmungen des zehnten Buches der

Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung.

§. 19.

In den Fällen des g. 12 können die miterbenden Geschwister des Gutsübernehmers

standesgemäßen Unterhalt auf dem Landgute gegen standesgemäße, ihren Kräften entsprechende Mitarbeit beanspruchen. Diese Befugniß hört auf, sobald die Abfindungen oder Zinsen derselben auf Verlangen der

Geschwister gezahlt werden. Der Anspruch auf die Abfindung erlischt, wenn der Abzufindende bis zu seinem Tode den

Unterhalt auf dem Landgute gehabt hat und einen Ehegatten oder Kinder nicht hinterläßt, g. 20.

Die Betheiligten können verlangen, daß ihre Abfindungen, beziehungsweise der

Anspruch auf Unterhalt (§. 19) durch Eintragung im Grundbuche sichergestellt werden.

§. 21.

Diejenigen, welche über das Landgut letztwillig verfügen können, find berechtigt,

in einem Testamente oder in einer gerichtlich oder notariell beglaubigten Urkunde oder in einer

eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen stempelfreien Urkunde die Anwendung der §§. 11

bis 20 auszuschließen oder unter den bei der Schichtung oder Auseinandersetzung Betheiligten diejenige Person zu bestimmen, welche zur Uebernahme des Landgutes oder der mehreren Land­ güter befugt sein soll.

In gleicher Weise kann vorbehaltlich des Pflichttheilsrechtes der Betheiligten bestimmt werden,

daß die Bevorzugung des Gutsübernehmers in einer anderen, als in den §§. 11 bis 20 bezeich­ neten Weise stattfinden, zu welchem Betrage der Werth des Landgutes bei der Schichtung oder Auseinandersetzung angerechnet werden, in welchen Fristen die Zahlung der Abfindungen er­ folgen soll.

Kann eine letztwillige Verfügung über das Landgut nur von beiden Eheleuten gemein­ schaftlich getroffen werden, so genügt es, daß die Urkunde von einem der Ehegatten eigenhändig

geschrieben und von beiden Eheleuten unterschrieben wird. Während fortgesetzter allgemeiner Gütergemeinschaft kann der überlebende Ehegatte zu seinen Gunsten die in den Absätzen i und 2 erwähnten Verfügungen nicht treffen. §. 22.

Behufs

Ermittelung des Pflichttheiles der

Betheiligten,

welche

das Landgut

nicht übernehmen, erfolgt in allen Fällen die Abschätzung des letzteren nach Maßgabe der §§. 17 und 18.

Daffelbe gilt bei Ermittelung des Antheils der Kinder in den Fällen des §. 10 Absatz 4 deS Gesetzes vom 16. April 1860 (Gesetz-Samml. S. 165).

§. 23.

Wird der Eigenthümer eines Landgutes, welcher nicht in allgemeiner ehelicher

Gütergemeinschaft gelebt hat, von mehreren Personen beerbt, so steht einem miterbenden Ab­ kömmlinge oder in Ermangelung eines solchen einem der miterbenden Geschwister oder Abkömm-

Landgüterordnung für die Provinz Brandenburg.

Bom 10. Juli 1883.

647

linge derselben die Besugniß zu, das Landgut für eine nach Maßgabe der §§. 17 und 18 festzu­

stellende Taxe mit billigen Zahlungsfristen zu übernehmen. Daffelbe gilt, wenn der Eigenthümer zwar in allgemeiner ehelicher Gütergemeinschaft gelebt hat, das Landgut aber von dieser Gütergemeinschaft ausgeschloffen war.

Die §§. 13 bis 15, §.

16 Absätze 1 und 3, §§. 17 bis 22 finden entsprechende An­

wendung.

Die nach den §§. 570, 571, 581 und 582 Titel 1 Theil II des Allgemeinen Landrechts

den überlebenden Ehegatten zustehenden Befugnisse bleiben unberührt. Für jede Eintragung und für jede Löschung in der Rolle, einschließlich der darüber

§. 24.

dem Eigenthümer zu machenden Mittheilung, wird außer in den Fällen des §. 8 eine Gerichts­

gebühr von drei Mark erhoben.

Die Anttäge zur Rolle find einer Stempelabgabe nicht unterworfen. Schichtungen, Auseinandersetzungen und Erbtheilungen, welche nach den Vorschriften dieses

Gesetzes erfolgen, find frei vom Kaufstempel.

Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden nicht An«endung, wenn

§. 26.

1) die bei der Auseinandersetzung, Schichtung oder Erbtheilung betheiligten Personen nicht

allein Eigenthümer des Landgutes find;

2) das Landgut in den Fällen der Auseinandersetzung beziehungsweise Schichtung (§§. 11, 12, 15) zur Zeit des Todes des betreffenden Ehegatten, beziehungsweise zur Zeit der

Schichtung und in den Fällen der Erbtheilung (§. 23) zur Zeit des Todes des Erblaffers in Folge von Veränderungen, welche nach der Eintragung des Landgutes in der Rolle

stattgefunden haben, nach §. 1 Absatz 2 nicht eintragungsfähig gewesen wäre. Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1882 in Kraft.

§. 26.

Urkundlich re.

6. Landgüterordnung für die Provinz Brandenburg. 1883.") (G.S, S. 111.)

Bom

10. Juli

Wir Wilhelm re. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages Unseter Moni^chie, für die Provinz Brandenburg, was folgt: §. 1.

Landgut im Sinne dieses Gesetzes ist eine in der Landgüterrolle des zuständigen

Amtsgerichts eingettagene Besitzung.

In die Rolle kann jede in der Provinz Brandenburg belegene Besitzung eingetragen werden, welche zum Betriebe der Land- oder Forstwirthschast bestimmt und mit einem Reinerträge von mindestens fünfundsiebenzig Mark zur Grundsteuer veranlagt ist.

§. 2.

Zur Eintragung des Landgutes in die Landgüterrolle ist das Amtsgericht zuständig,

in deffen Bezirke die Grundstücke belegen sind, welche das Landgut bilden.

Liegen die Grundstücke in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte, so hat daS Kammer­ gericht zu bestimmen, bei welchem Amtsgerichte das Landgut in die Rolle einzutragen ist.

§. 3.

In der Rolle erhält jedes Landgut ein eigenes Blatt.

Das Landgut besteht aus denjenigen Grundstücken, welche auf dem Rollenblatte eingetragen find.

Dieselben müssen nach Blatt, Artikel und Nummer des Grundbuches oder nach dem Grund­

steuerkataster bezeichnet werden. Auf dem Blatte oder Arttkel des Grundbuches ist die Nummer deS Rollenblattes kostenftei

zu vermerken.

§. 4.

Ein Landgut soll in die Rolle nur dann eingetragen werden, wenn die Voraus­

setzungen deS §. 1 Absatz 2 zur Zeit der Eintragung vorhanden find.

Die Eintragung kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, wett diese Voraussetzungen

zur Zett der Eintragung nicht vorhanden gewesen seien. 18) H. Vgl. dazu die allgemeine Verfügung des Justizministers, betr. die Führung der Landgüterrollen im Bezirk des Kammergerichts, v. 6. Aug 1863 (J.M.Bl. 6.280) — Kom­ mentar von Schultzenstein (Berlin 1883).

Zweiter Theil.

648 §. 6.

Siebenter Titel.

§. 307 (Zusätze).

Die Eintragung und die Löschung in der Rolle erfolgt auf Antrag des Eigenthümers,

welcher über das Landgut letztwillig verfügen kann.

§. 6.

Die Anträge auf Eintragung und auf Löschung in der Rolle werden bei dem Amts­

gerichte, unter Anwendung der §§. 32 bis 34 der Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 (GesetzSamml. S. 446), mündlich angebracht oder schriftlich eingereicht. Das Amtsgericht hat dem Antragsteller mitzutheilen, daß die Eintragung und die Löschung

erfolgt sei.

§. 7.

Die Eintragung verliert ihre Wirksamkeit durch die Löschung.

Die Eintragung ist auch für jeden nachfolgenden Eigenthümer wirksam, sofern derselbe

Eigenthümer des ganzen Landgutes oder eines den Voraussetzungen des §. 1 Absatz 2 ent­ sprechenden TheUes desselben ist. §. 8.

Bei Grundstückserwerbungen zu einem in der Rolle eingetragenen Landgute ist

gleichzeitig mit der Zuschreibung in dem Grundbuche die Zuschreibung auch in der Rolle zu

bewirken, wenn der Erwerber seine entgegengesetzte Absicht nicht ausdrücklich erklärt. Bei Veräußerungen eines Theiles von einem in der Rolle eingetragenen Landgute ist gleich­

zeitig mit der Abschreibung im Grundbuche auch die Löschung des veräußerten Theiles in der

Rolle zu bewirken, wenn bei demselben die Voraussetzungen des §. 1 Absatz 2 nicht zutreffen. In den Fällen dieses Paragraphen erfolgen die Zuschreibungen und Löschungen in der

Rolle von Amtswegen und kostenfrei. §. 9.

Die Einsicht der Rolle ist Jedem gestattet, welcher nach dem Ermessen des Amts­

gerichts ein rechtliches Interesse dabei hat.

Die Einsicht der Rolle erfolgt kostenftei.

§. 10.

Wird der Eigenthümer eines Landgutes von mehreren Personen beerbt, so ist in

Ermangelung einer entgegenstehenden letztwilligen Verfügung — unbeschadet der Bestimmung

des §. 17 — ein miterbender Nachkomme, der Anerbe, berechttgt, bei der Erbtheilung das Land­

gut nebst Zubehör für eine nach Maßgabe des §. 13 festzustellende Taxe zu übernehmen. Dasselbe gilt, wenn der überlebende Ehegatte Eigenthümer eines Landgutes ist und dasselbe in Ausübung seines statutarischen Erbrechtes zur Erbmasse einwirft.

Der überlebende Ehegatte

ist jedoch berechtigt, an Stelle des Landgutes den nach Maßgabe des §. 13 zu ermittelnden

Werth desselben einzuwerfen. §. 11.

Die Berechtigung der Nachkommen zur Uebernahme des Landgutes wird

nach

folgenden Grundsätzen geregelt: Leibliche Kinder gehen Adoptivkindern, eheliche den unehelichen vor. des Vaters steht die Berechtigung nicht zu.

Unehelichen Kindern

Durch nachfolgende Ehe legittmirte Kinder stehen

den ehelichen gleich. Ferner geht vor der ältere Sohn und dessen Nachkommen männlichen Geschlechts, in Er­

mangelung von Söhnen und männlichen Nachkommen derselben die ältere Tochter des älteren Sohnes und deren Nachkommen, falls aber Nachkommen von Söhnen nicht vorhanden sind, die

ältere Tochter des Erblassers und deren Nachkommen.

Kinder, welche zur Zeit der Erbtheilung wegen Geisteskrankheit oder Verschwendung ent­ mündigt sind, sowie Kinder, welche eine Verurtheilung zu Zuchthausstrafe und zugleich zum Ver­ luste der bürgerlichen Ehrenrechte erlitten haben, stehen den übrigen Miterben nach.

Unter den Nachkommen eines Kindes richtet sich die Berechttgung zur Uebernahme des Landgutes nach denselben Grundsätzen. §. 12.

Sind mehrere Landgüter und mehrere Nachkommen vorhanden, so finden die §§. 10

und 11 mit der Maßgabe Anwendung, daß jeder Berechttgte in der Reihenfolge seiner Berufung

nach seiner Wahl Ein Landgut übernehmen kann.

Sind mehr Landgüter, als Berechtigte, vor­

handen, so wird die Wahl in derselben Reihenfolge wiederholt. §. 13.

Die Feststellung der Taxe erfolgt nach folgenden Grundsätzen:

I. Der dreißigfache Betrag des Grundsteuerreinertrages der

Liegenschaften, zusätzlich

des

zwanzigfachen Bettages des bei der Veranlagung zur Gebäudesteuer eingeschätzten Nutzungs-

Landgüterordnung für die Provinz Brandenburg.

Bom 10. Juli 1883.

649

werthes derjenigen Gebäude, welche weder zur Wohnung des Eigenthümers, seiner Familie, seiner Dienstleute und Arbeiter bestimmt, noch zur Bewirthschaftung erforderlich sind, wird als Werth des Landgutes angenommen. II. Dem Werthe zu 1 wird hinzugerechnet: 1) der zwanzigfache Jahresbetrag der mit dem Landgute als Zubehör verbundenen nutz­ baren Gerechtigkeiten, Renten und Gefälle; 2) der Werth des nach forstwirthschastlichen Grundsätzen überständigen Holzes auf solchen Grundstücken, welche zur forstwirthschastlichen Benutzung bestimmt find;

3) der Werth der auf dem Landgute befindlichen gewerblichen Anlagen, soweit solche nicht für den Betrieb der Land- oder Forstwirthschaft erforderlich sind. III. Nicht besonders abgeschätzt werden und bleiben außer Berechnung: 1) die zur Wohnung des Eigenthümers, seiner Familie, Dienstleute und Arbeiter be­ stimmten, sowie die zur Bewirthschaftung erforderlichen Gebäude ; 2) das Gutsinventarium und alle sonstigen beweglichen Pertinenzstücke (§§. 48 ff., §§. 76 ff. Titel 2 Theil I des Allgemeinen Landrechts) ; 3) Bäume und Holzungen, welche nicht unter die Nr. II 2 fallen. I V. Bon dem Werthe zu I und II wird abgesetzt der Werth der auf dem Landgute nebst

Zubehör ruhenden Lasten und Abgaben. Dauernde Lasten und Abgaben werden mit dem Zwanzigfachen ihres muthmaßlichen Jahresbetrages, vorübergehende, z. B. Altentheile, mit einem nach Maßgabe deS §. 9 der Civilprozeßordnung zu berechnenden Kapitale, höchstens aber mit dem Zwanzigfachen des JahresbetrageS in Abzug gebracht. Für Lasten und Abgaben, auf welche die Ablösungsgesetze Anwendung finden, wird das nach diesen zu berechnende Ablösungskapital in Abzug gebracht. V. In Ermangelung einer Vereinbarung der Betheiligten über die Taxe erfolgt die Fest­ stellung der letzteren nach den Bestimmungen unter I bis IV durch Sachverständige, über deren Person sich die Betheiligten zu einigen haben, unter Leitung des Rachlaßrichters. Kommt unter den Betheiligten über die Person der Sachverständigen eine Einigung nicht zu Stande, so ernennt sie der Nachlaßrichter und nöthigenfallS einen Obmann. Diese sind, sofern sie nicht zur Abgabe von Gutachten der betreffenden Art ein- für allemal beeidigt sind, vom Nachlaßrichter nach §. 376 der Civilprozeßordnung zu beeidigen. Das erstattete Gutachten ist nur unter den Voraussetzungen der Nr. 2 bis 5 des §. 543 der Civilprozeßordnung anfechtbar.

§. 14.

Der Eigenthümer des Landgutes, welcher über daffelbe letztwillig verfügen kann,

ist befugt, in einem Testamente oder in einer gerichtlich oder notariell beglaubigten Urkunde oder in einer eigenhändig geschriebenen und unter Beifügung des Jahres und Tages unter­ schriebenen stempelsteien Urkunde die Anwendung der g§. 10 bis 13 auszuschließen oder unter den Mterben diejenige Person zu bestimmen, welche zur Uebernahme des Landgutes oder der mehreren Landgüter berechtigt sein soll, sowie die in dem §. 16 erwähnten Verfügungen zu treffen. In gleicher Weise kann vorbehaltlich des Pflichttheilsrechtes der Nachkommen und des über­ lebenden Ehegatten bestimmt werden, zu welchem Betrage der Gutswerth bei der Erbtheilung angerechnet werden, daß und in welcher Höhe der Gutsübernehmer bei der Theilung ein Voraus erhalten oder in einer sonstigen Weise bevorzugt werden soll. §. 16. Behufs Ermittelung des Pflichttheiles der Miterben, welche daS Landgut nicht übernehmen, erfolgt die Abschätzung des letzteren nach Maßgabe deS §. 13.

§. 16. Wegen Verletzung des Pflichttheils können nicht angefochten werden: 1) Verfügungen des Erblassers, durch welche dem leiblichen Vater des Anerben lebenslänglich, der leiblichen Mutter bis zur Großjährigkeit des Anerben das Recht beigelegt wird, das

Landgut nebst Zubehör nach dem Tode des Erblassers in eigene Nutzung und Verwaltung zu nehmen, unter der Verpflichtung, den Anerben und dessen Mterben, letztere biS zur

Zweiter Theil.

650

Siebenter Titel.

§. 307 (Zusätze).

Auszahlung ihres ErbtheilS, angemessen zu erziehen und für den Rothfall auf dem Land­

gute zu unterhalten; 2) Verfügungen des Erblassers, durch welche die Fälligkeit der Erbtheile der Miterben bis

zu deren Großjährigkeit unter der Verpflichtung des Anerben, die Miterben bis zu diesem Zeitpunkte angemessen zu erziehen und für den Nothfall auf dem Landgute zu unterhalten,

hinausgesetzt wird.

DaS in einigen Theilen der Provinz geltende Recht, nach welchem der überlebende

§. 17.

Ehegatte befugt ist, das -um Nachlasse des verstorbenen Ehegatten gehörende Landgut zu über­ nehmen, bleibt unberührt.

§. 18.

Die in den §§. 10 bis 16 enthaltenen Bestimmungen finden nicht Anwendung:

1) auf Landgüter, deren Gebäude zur Zeit des Todes des Erblassers mit einem den Grund-

fteuerreintrag der

Liegenschaften

übersteigenden Nutzungswerthe zur Gebäudesteuer

an­

gesetzt find, 2) wenn der Erblaffer bei seinem Tode nicht allein Eigenthümer des Landgutes war,

3) wenn das Landgut beim Tode des Erblaffers in Folge von Veränderungen, welche nach

der Eintragung des Landgutes in die Rolle stattgefunden haben, nach §. 1 Absatz 2 nicht eintragungsfähig gewesen wäre.

Für jede Eintragung und für jede Löschung in der Rolle, einschließlich der darüber

§. 19.

dem Eigenthümer zu machenden Mittheilung, wird außer in den Fällen des §. 8 eine Gerichts­

gebühr von drei Mark erhoben.

Die Anträge zur Rolle find einer Stempelabgabe nicht unterworfen. Erbtheilungen, welche auf Grund dieses Gesetzes erfolgen, sind frei vom Kaufstempel. §. 20., Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1883 in Kraft.

Urkundlich re.

7.

Landgüterordnung für die Provinz Schlesien.

Vom 24. April 1884.10)

(G.S. S. 121.) Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen re. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages Unserer Monarchie, für die Provinz Schlesien, was folgt:

§. 1.

Landgut im Sinne dieses Gesetzes ist eine in der Landgüterrolle des zuständigen

Amtsgerichts eingetragene Besitzung. In die Rolle kann jede in der Provinz Schlesien belegens, mit einem Wohnhause versehene Besitzung eingetragen werden, welche zum Betriebe der Land- oder Forstwirthschast bestimmt und mit einem Reinerträge von mindestens sechzig Mark zur Grundsteuer veranlagt ist.

8. 2.

Zur Eintragung des Landgutes in die Landgüterrolle ist das Amtsgericht zuständig,

in dessen Bezirke die Grundstücke belegen sind, welche das Landgut bilden. Liegen- die Grundstücke in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte, so hat das Oberlandes­

gericht zu bestimmen, bei welchem Amtsgerichte das Landgut in die Rolle einzutragen ist. §. 3.

In der Rolle erhält jedes Landgut ein eigenes Blatt.

Das Landgut besteht aus denjenigen Grundstücken, welche auf dem Rollenblatte eingetragen

sind.

Dieselben müssen nach Blatt, Artikel und Nummer des Grundbuches oder nach dem Grund­

steuerkataster bezeichnet werden. Auf dem Blatte oder Arttkel des Grundbuches ist die Nummer des Rollenblattes kostenfrei

zu vermerken.

§. 4.

Ein Landgut soll in die Rolle nur dann eingetragen werden, wenn die Voraus­

setzungen des §. 1 Absatz 2 zur Zeit der Eintragung vorhanden sind.

Die Eintragung kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, weil diese Voraussetzungen

zur Zeit der Eintragung nicht vorhanden gewesen seien.

19) H. Bgl. dazu die allgemeine Verfügung des Justizministers, bett, die Führung der Landgüterrollrn ;m Bezirk des Oberlandesgerichts zu Breslau, v. 15. Mai 1884 (J.M.Bl. S. 98).

Landgüterordnung für die Provinz Schlesien. §. 5.

Vom 24. April 1884.

651

Die Eintragung, sowie die Löschung in der Rolle erfolgt aus Antrag des Eigen-

thümers, beziehungsweise der Eigenthümer, welche über daS Landgut letztwillig verfügen können. 8- 6.

Die Anträge auf Eintragung, beziehungsweise auf Löschung in der Rolle werden

bei dem Amtsgerichte unter Anwendung der §§. 32 bis 34 der Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 (Gesetz-Samml. S. 446) mündlich angebracht oder schriftlich eingereicht.

Das Amtsgericht hat dem Antragsteller mitzutheilen, daß die Eintragung, beziehungsweise die Löschung erfolgt ist. 8- 7.

Die Eintragung verliert ihre Wirksamkeit durch die Löschung.

Die Eintragung ist auch für jeden nachfolgenden Eigenthümer wirksam, sofern derselbe Eigenthümer des ganzen Landgutes oder eines den Voraussetzungen des §. 1 Absatz 2 ent­

sprechenden Theiles desselben ist.

8« 8.

Bei Grundstückserwerbungen zu einem in der Rolle eingetragenen Landgute ist

gleichzeitig mit der Zuschreibung in dem Grundbuche die Zuschreibung auch in der Rolle zu

bewirken, wenn der Erwerber seine entgegengesetzte Absicht nicht ausdrücklich erklärt.

Bei Veräußerungen eines Theiles von einem in der Rolle eingetragenen Landgute ist gleichzeitig mit der Abschreibung im Grundbuche auch die Löschung deS veräußerten Theiles in

der Rolle zu bewirken, wenn bei demselben die Voraussetzungen deS §. 1 Absatz 2 nicht zutreffen.

Treffen diese Voraussetzungen zu, so erhält der veräußerte Theil in der Rolle ein eigenes Blatt, wovon der Erwerber zu benachrichttgen ist.

In den Fällen dieses Paragraphen erfolgen die Zuschreibungen und Löschungen in der

Rolle, sowie die Anlegung eines neuen Blattes von AmtSwegen und kostenfrei. §. 9.

Die Einsicht der Rolle ist Jedem gestattet, welcher nach dem Ermeffen des Amts­

gerichts ein rechtliches Interesse dabei hat. Die Einsicht der Rolle «ssolgt kostenfrei. 8- 10.

Wird der Eigenthümer eines Landgutes von mehreren Personen beerbt, so ist in

Ermangelung einer entgegenstehenden letztwilligen Verfügung einer der Erben, der Anerbe, berechttgt, bei der Erbtheilung das Landgut nebst Zubehör für den nach g. 14 festzustellenden

Preis zu übernehmen. Diese Berechtigung steht nur den Nachkommen deS Erblassers, den Geschwistern des Erb­ lassers und deren Nachkommen zu. Die nach den §§. 670 ff. Titel 1 Theil H des Allgemeinen Landrechts dem überlebenden Ehegatten zustehenden Befugnisse bleiben unberührt.

§. 11.

Die Berechtigung der Nachkommen des Erblassers zur Uebernahme deS Landgutes

wird nach folgenden Grundsätzen geregelt: Leibliche Kinder gehen Adoptivkindern, eheliche den unehelichen vor. des Vaters steht die Berechtigung nicht zu.

Unehelichen Kindern

Durch nachfolgende Ehe legittmirte Kinder stehen

den ehelichen gleich. Ferner geht vor der ältere Sohn und dessen Nachkommen männlichen Geschlechts, in Er­ mangelung von Söhnen und männlichen Nachkommen derselben die ättere Tochter deS älteren

Sohnes und deren Nachkommen, falls aber Nachkommen von Söhnen nicht vorhanden find, die ättere Tochter des Erblassers und deren Nachkommen.

Kinder, welche zur Zeit der Erbtheilung wegen Geisteskrankheit oder Verschwendung ent­

mündigt find, sowie Kinder, welche eine Berurtheilung zu Zuchthausstrafe und zugleich zum Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte erlitten haben, stehen den übrigen Miterben nach. Unter den Nachkommen eines Kindes richtet sich die Berechttgung zur Uebernahme deS

Landgutes nach denselben Grundsätzen. §. 12.

Sind mehrere Landgüter und mehrere Nachkommen vorhanden, so finden die

§§. 10 und 11 mit der Maßgabe Anwendung, daß jeder verechttgte in der Reihenfolge feinet

Berufung nach seiner Wahl Ein Landgut übernehmen kann.

Sind mehr Landgüter, als Be­

rechtigte vorhanden, so wird die Wahl in derselben Reihenfolge wiederholt.

652

Zweiter Theil. §. 13.

Siebenter Titel.

§. 307 (Zusätze), §§. 308—317.

Wird der Eigenthümer eines Landgutes von Geschwistern oder deren Nachkommen

beerbt, so finden die §§.11 und 12 entsprechende Anwendung.

§. 14.

In Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung bildet der vierzigfache Betrag

de- Grundsteuerreinertrages der Liegenschaften den Uebernahmepreis.

Auf Antrag deS Anerben oder eines Mterben ist jedoch der Uebernahmepreis durch Abschätzung des Gutswerthes festzustellen.

Diese erfolgt nach den zur Zeit der Aufnahme der Taxe für Auseinandersetzungen gelten­

den Abschätzungsgrundsätzen der Schlesischen Landschaft durch deren Behörden. §. 16.

Der Eigenthümer des Landgutes, welcher über daffelbe letztwillig verfügen kann,

ist befugt, in einem Testamente oder in einer gerichtlich oder notariell beglaubigten Urkunde oder in einer eigenhändig geschriebenen und unter Beifügung des Jahres und Tages unter­ schriebenen stempelfteien Urkunde die Anwendung der §§. 10 bis 14 auszuschließen

oder unter

den Miterben diejenige Person zu bestimmen, welche zur Uebernahme deS Landgutes oder der mehreren Landgüter berechtigt sein soll, sowie die in dem §. 17 erwähnten Verfügungen zu

treffen. In gleicher Weise kann vorbehaltlich des Pflichttheilrechtes der Nachkommen und des über­

lebenden Ehegatten bestimmt werden, zu welchem Betrage der Gutswerth bei der Erbtheilung

angerechnet werden, daß und in welcher Höhe der Gutsübernehmer bei der Theilung ein Voraus

erhalten oder in einer sonstigen Weise bevorzugt werden soll. §. 16.

Bei Ermittelung des Pflichttheiles der Mterben, welche das Landgut nicht über­

nehmen, ist für den Werth des letzteren der nach den Grundsätzen des §. 14 zu berechnende Uebernahmepreis maßgebend.

§. 17.

Wegen Verletzung des Pflichttheils können nicht angefochten werden:

1) Verfügungen des Erblassers, durch welche dem leiblichen Vater des Anerben lebenslänglich,

der leiblichen Mutter bis zur Großjährigkeit des Anerben das Recht beigelegt wird, das

Landgut nebst Zubehör nach dem Tode des Erblaffers in eigene Nutzung und Vermattung zu nehmen unter der Verpflichtung, den Anerben und dessen Miterben, letztere bis zur

Auszahlung ihres Erbtheils, angemessen zu erziehen und für den Nothfall auf dem Land­

gute zu unterhalten; 2) Verfügungen des Erblassers, durch welche die Fälligkeit der Erbtheile der Miterben bis zu deren Großjährigkeit unter der Verpflichtung des Anerben, die Miterben bis zu diesem Zeitpuntte angemessen zu erziehen und für den Nothfall auf dem Landgute zu unterhalten,

hinausgesetzt wird.

§. 18.

Die in den §§. 10 bis 17 enthaltenen Bestimmungen finden nicht Anwendung:

1) auf Landgüter, deren Gebäude zur Zeit des Todes des Erblassers mit einem den Grund-

steuerreinerttag der Liegenschaften übersteigenden Nutzungswerthe zur Gebäudesteuer an­

gesetzt sind; 2) wenn der Erblasser bei seinem Tode nicht allein Eigenthümer des Landgutes war; 3) wenn das Landgut beim Tode des Erblaffers in Folge von Veränderungen, welche nach

der Eintragung des Landgutes in die Rolle stattgefunden haben, nach §. 1 Absatz 2 nicht

eintragungsfähig gewesen wäre; jedoch kommt der Mangel eines Wohnhauses zur Zeit des Todes des Erblassers nicht in Betracht, wenn dieser Zustand alsdann noch nicht zwei

Jahre gewährt hat. §. 19.

Für jede Eintragung und für jede Löschung in der Rolle, einschließlich der darüber

dem Eigenthümer zu machenden Mittheilung, wird außer in den Fällen des §. 8 eine Gerichts­

gebühr von drei Mark erhoben.

Die Anttäge zur Rolle sind einer Stempelabgabe nicht unterworfen. Erbtheilungen, welche auf Grund dieses Gesetzes erfolgen, sind frei vom Kaufstempel. §. 20.

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1884 in Kraft.

Urkundlich rc.

Bon den Diensten der Unterthanen.

653

Sechster Abschnitt. Bon de» Dienste« der Unterthanen"').

§. 308. Die Dienste, welche die Unterthanen ihrer Herrschaft zu leisten haben, »w m< sind eigentlich zur Bewirthschastung und Benutzung der herrschaftlichen Grundstücke (dfSf^8Tn bestimmt. 8- 309. Auf anderen Gütern, als wozu die Unterthanen bisher geschlagen waren, können sie zu dienen nicht gezwungen werden. §. 310. Wenn nicht ausgemittelt werden kann, zu welchem Gute oder herr­ schaftlichen Vorwerke Unterthanen, die bisher Dienstgeld bezahlt haben, die Natural­ dienste zu leisten schuldig sind, so können sie dazu nur in Ansehung der im Dorfe oder zunächst demselben gelegenen Vorwerke, wo die Dienste gebraucht werden können, angehalten werden. 8-311. In der Regel sind die zu Diensten verpflichteten Unterthanen alle Arten von Fuhren und Handarbeiten, welche zur landwirthschaftlichen Benutzung des herrschafllichen Gutes erfordert werden, zu verrichten schuldig. 6- 312. Dagegen können ihnen andere Arbeiten, besonders solche, die eine auf dem Lande nicht gewöhnliche Fabrikation oder Handlung zur Absicht haben, im Hofedienste nicht zugemuthet werden. 8- 313. Wo jedoch schon zur Zeit der Publication dieses Landrechts Unter­ thanen auch solche Dienste, vermöge vorhandener Verträge, oder einer seit rechts­ verjährter Zeit wohlhergebrachten Verfassung, haben leisten müssen, hat es auch ferner dabei sein Bewenden.

Zeit, Ort, Maaß, oder Gewicht, bestimmt werden22 20).23 21 24 §. 315. Bei Bestimmung der ungemessenen Dienste ist sowohl auf die Nothdurft deS Gutes, zu dessen Cultur die Unterthanen ausgesetzt sind, als auf deren eigne Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen2"). 8- 316. In Fällen, wo die Herrschaft, durch eigne Züge oder Handarbeiter, zur Cultur ihres Gutes, mit geholfen hat, muß, bei Berechnung der Nothdurst dieses Gutes, dergleichen Beihülfe zu Gunsten der Untherthanen allerdings mit an­ geschlagen werden2"). §. 317. Bei bisher angemessenen Arten von Diensten, welche nicht zur ge­ wöhnlichen Bewirthschastung des Gutes gehören, sondern nur bei außerordentlichen Gelegenheiten, oder in besonderen Fällen vorkommen, ist die Herrschaft nicht schuldig, sich eine Bestimmung derselben gefallen zu lassen.

20) H. Dieser Abschnitt verliert nach Maßgabe der fortschreitenden Ablösung dieser Dienste auf Grund deS Ges. v. 2. März 1850 (Zus. 18 zu §. 494 d. T.) seine Bedeutung. 21) Soll „Festsetzung" heißen. vom GB. an.

Der Druckfehler „Fortsetzung" steht in allen Ausgaben,

22) Wo die ungemessenen Dienste gesetzlich aufgehoben find, findet solches auch bei Reise­ fuhren für Pfarrer Anwendung, welche dem Uebernehmer deS veräußerten PfarrgutS auserleat find. — Reisen nach auswärts, wenn deren Zahl, di« Ortsentfernung und der Zweck der Reise im Vertrage nicht ausgedrückt worden, find in diesem Fall« für ungemessene Dienst« zu erachten. O.Tr. II (Pr. 2011) v. 23. Febr. 1848, Entsch. 16 ©. 241. 23) Also hangen die ungemeffenen Dienste niemals von der bloßen Willkür des Herrn ab. Entsteht über das eigene Bedürfniß Streit, so führt derselbe von selbst zur Bestimmung der Dienste. 24) Rach diesem Prinzip müssen die Dienstbauern auch die Beibehaltung deS von der Herrschaft bisher gehaltenen Hofgesindes zu verlangen berechtigt sein, damit ihnen der Hosedirnst nicht erschwert werde. Rach schles. Prov.Recht wird dies nicht angenommen. (Echtes. Arch. 2 S. 414.)

»“ff«»-

654

Zweiter Theil.

Siebenter Titel.

§§. 318-341.

§, 318. Ungemessene Baudienste können daher, wider den Willen der Herr­ schaft, niemals in gemessene verwandelt werden. §. 319. Bei Festsetzung und Vertheilung der Dienste ist darauf zu sehen, daß den Unterthanen die nöthige Zeit zur Bestellung ihrer eigenen Wirthschaften, und zum Erwerbe ihrer Nothdurst übng bleibe. §. 320. Bei streitiger Bestimmung ungemeffener Dienste müssen von beiden Theilen Sachverständige vorgeschlagen ; diese von dem Richter mit ihrem Gutachten gehört; und auf dies Gutachten, bei Abfassung des Urtels, vorzügliche Rücksicht genommen werden. §. 321. In Ansehung solcher Güter, welche die Unterthanen, ohne herrschaft­ liche Hülfe, bisher bearbeitet haben, hat es dabei fernst sein Bewenden. §. 322. Es darf aber alsdann die Herrschaft ohne Einstimmung der Dienst­ leute, weder Erweiterungen, noch Veränderungen in dem Betriebe der Wirthschaft vornehmen, durch welche die Dienste erschwert werden *6j.

6Nmn«

§. 323. Welche Classe von Unterthanen zu Spanndiensten verpflichtet; mit welchen Arten von Zugvieh, und mit wie vielen Stücken desselben ein jeder von ihnen dabei zu erscheinen schuldig sei, ist nach der Berfasiung eines jeden Orts be­ stimmt. §. 324. Von diesen Einrichtungen ist kein Theil ohne des anderen Einwilli­ gung abzugehen berechtigt. §. 325. Im zweifelhaften Falle gilt die Vermuthung, daß die Bauern mit Pferden zu dienen schuldig sinds"). §. 326. Unterthanen, die zur Bearbeitung ihrer eigenen Güter kein Zugvieh nöthig haben, können auch zu herrschaftlichenä7) Spanndiensten nicht angehalten werden. §. 327. Die Unterthanen sind schuldig, ihre Dienste, nach deren Bestimmung, den Anweisungen der Herrschaft gemäß, mit Fleiß, Sorgfalt und Treue zu ver­ richten.

"“tilgen* im Jahre bestimmt sind, hängt es von der Herrschaft ab, welche Wochentage sie zu

wählen für gut finde **). §. 329. Die nach den Landesgesetzen beibehaltenen Feiertage haben mit den Sonntagen gleiche Rechte. §. 330. An den durch Landesgesetze abgeschafften Feiertagen können die Unter­ thanen den Dienst, ans Erfordern, zu thun sich nicht weigern.

25) Eine solch« unzulässige Erschwerung der ungenreffenen Dienste der Robot Häusler ist eS, wenn die Dienste der mitverpslichteten Robot bauern und Gärtner abgelöst werden, ohne daß die berechtigte Herrschaft solche ersetzt. O.Tr. II v. 29. Mai 1847, Rechtsf. 1 S. 174. 26) Diese Dienstpflicht schließt die Willkür des Dienstmannes, ob er Zugvieh, beziehungs­ weise Pferde halten will oder nicht, aus. Der folgende §. 326 macht eine Ausnahme. 27) Rur auf das herrschaftliche Dienstverhältniß, nicht auf allgemein« Landespflichten, welche den gespannhaltenden Personen nach dem Ed. v. 28. Okt. 1810 (Anm. 6 zu §. 18) obliegen, bezieht sich diese Bestimmung. Besch, des Just.Min. v. 16. Okt. 1817, Jahrb. 10 S. 232. 28) Und immer nur bei Tage, nie zur Nachtzeit, kann der Dienst gefordert werden, z. B. also auch nicht zum Lerchenfange in der Herbstzeit. Die auf Verlangen des Gutsherrn alltäglich mit 1—2 Personen zu jeder landwirthschaftlichen Verrichtung zu leistenden Dienste können nur für ungemessene erachtet werden, und die zum Theil durch die Jahreszeiten gebotene Beschränkung der Arbeitszeit auf gewisse Stunden, sowie die Beschränkung der Dienstleistung auf eine bestimmte Anzahl von Personen ist nicht als ein bestimmtes ArbeitSmaß anzusehen, noch die durch die Zahl der sämmtlichen Jahrestage ge­ botene Begrenzung der Arbeitstage einer Bestimmung der Arbeit nach Tagen gleichzustellrn. O.Tr. II v. 1. Mai 1862, Str. Arch. 46 S. 77.

Bon den Diensten der Unterthanen.

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§. 331. Wo aber die Unterthanen alltäglich zu dienen schuldig sind, da können sie an den dritten Feiertagen von den sogenannten drei hohen Festtagen, dem grünen Donnerstage, und den drei aufgehobenen Bußtagen, zum Hofedirnste, außer der Ernte, nicht angehalten werden. §. 332. Gewöhnlich muß die am anderen Tage vorzunehmende Arbeit den Unterthanen am Abend vorher angesagt werden88). §. 333. Doch bleibt m vorkommenden unvermutheten Fällen der Herrschaft frei, noch den folgenden Morgen die vorzunehmenden Arbeiten auf andere Art an­ zuordnen, oder noch gänzlich abzubestellen. §. 334. Hat aber der Unterthan dadurch, daß er mit feinem Zugvieh« bereits ausgezogen war, oder sonst, den Dienst schon wirUich angetreten: so muß ihm, wenn diese Arbeit nicht fortgesetzt wird, eine andere angewiesen88), oder die an­ gefangene Arbeit an seiner gemessenen Dienstzeit verhältnißmäßig81) abgerechnet werden. §. 335. Wird der Unterthan noch an demselben Vormittage wieder nach Hause entlassen: so wird ihm ein halber; wenn aber die Nachmittagsarbeit schon angesangen war, der ganze Diensttag zu gute gerechnet. §. 336. Wo es hergebracht ist, daß die Arbeit nach Gespannen **) eingetheilt und berechnet wird, da ist in diesem Falle jedes angefangene Gespann für vollendet zu achten. §. 337. Außer diesem Falle einer, durch Veränderung der Umstände noth­ wendig gewordenen, Abrechnung der angefangenen Dienste, ist die Herrschaft nicht berechtigt, die schuldigen Hofetage in halbe Tage, oder einzelne Gespanne, nach Willkühr zu verwandeln 88). §. 338. Ist die angesangene Arbeit durch Schuld des Unterthans unterbrochen worden, so muß er die rückständig gebliebenen Stunden nachdienen. §. 339. Wöchentlich bestimmte Spanndienste, welche in dem festgesetzten Zeit­ raume nicht gefordert worden, können nur auf Eine, Handdienste aber auf znlei Wochen zurück, nachgefordert werden88). §. 340. Beträgt der ordinaire Hofedienst auf die Woche mehr als drei Tage, so kann wöchentlich nur Ein Tag nachgefordert werden. §. 341. Auch findet eine Nachforderung der Spanndienste nicht statt, wenn der Unterthan in gleicher Noth und Verlegenheit mit der Herrschaft ist. 59) „Durch die ein für allemal erfolgte Festsetzung des wöchentlichen Spanndienstes auf einen gewissen Tag in der Woche wird der Berechtigte nicht der besonderen Ansage des Dienstein jeder Woche, am Abend vorher, enthoben." O.Tr. II (Pr. 1430) v. 16. April 1844, Präj. S. 1 S. 181. (H. Beral. auch O.Tr. II v. 3. Dez. 1860, Entfch. 20 S. 493.) Der Grundsatz muß auch auf Handdienste Anwendung finden. Die Bestimmung setzt einen geordneten Zustand voraus. Wenn aber die Dienstleute lomplottiren und dem Dienstherrn ein für allemal den Dienst aufsagen, auch dann auf Be­ stellung nicht zu Hofe kommen, so daß der Dienstherr genöthigt ist, zu Bermeidung de- Still­ standes der Wirthschaft fremde Arbeiter anzuschasfen, so kann nicht von ihm verlangt werden, daß er nun allabendlich wieder den Dienst ansage, um ihn zur EntschädrgungSforderung für berechtigt zu halten. 30) Die Anweisung anderer Arbeit ist auch nicht immer zuläsfig. Wenn z. B. Handfröhner zum Dreschen angestellt find und ihnen ein bestimmtes Maß zu dreschen für den Tag obliegt, so können sie, nachdem sie einen halben Tag mit Fleiß gedroschen haben, um einen Theil deS Nachmittags gut zu machen, nicht von dieser Arbett abgerufen und bei einer anderen angepellt werden. Zu vgl. der Rechtsfall im Schief. Arch. 4 S. 90. 31) Das Verhältniß bestimmt der folgende §. 336. 82) Gespann heißt ein bestimmter, durch di« Ruhestunden begrenzter TheU deS Tage-. Ein langer Tag hat vier Gespanne: vom Anfänge bis zur FrühstückSzeit; vom Frühstück bizum Mittag; vom Nachmittag bis zur BeSper und von der BeSper bi- zum Feierabend. In den kurzen Tagen, wo Frühstück und Besperstunde Wegfällen, hat der Tag nur zwei Gespanne. 88) Wenn sie ein Recht dazu nicht besonder- erworben hat. 34) Anm. 29 zu §. 332.

§. 342. Es kann also in der Erntezeit, wenn der Unterthan mit seiner Ernte noch nicht fertig ist, die Herrschaft von rhm Spanndienste, die er selbst zur Ein­ bringung seiner eignen Feldfrüchte nöthig hat, nicht nachfordern. §. 343. Ein Vorausfordern der Dienste findet gegen den Willen der Unter­ thanen niemals statt. §. 344. Sind die Spanndienste der Unterthanen auf ein gewisses Acker- oder tuterm«* Wiesenmaaß festgesetzt, so müssen dieselben zu gehöriger Jahreszeit, und nach den Regeln einer guten Wirthschaft verrichtet werden. §. 345. Ein Gleiches findet statt, wenn die Unterthanen im gemessenen Hofedienste gewisse bestimmte Acker- oder Wiesenflecke zu bearbeiten haben **). §. 346. Auch in diesen Fällen sind die Unterthanen schuldig, bei der Arbeit der Anweisung der Herrschaft zu folgen, und können von ihr, vermöge des Dienst­ zwanges 8s), dazu angehalten werden. §. 347. Wird die Bestellung nachlässig und schlecht befunden, so muß dieselbe sofort, und ohne Widerrede, auch ohne Anrechnung auf den ordinairen Hofedienst, verbesiert werden. §. 348. Sind die Dienste der Unterthanen zum Theil auf Tage; zum Theil aber auf Acker- oder Wiesenmaaß, oder gewisse Fuhren bestimmt: so finden bei «>»>ch. jeder dieser Arten von Diensten die dafür oben besonders ertheilten Vorschriften Anwendung. Mroft””) §• 349. Zur Ableistung der Spanndienste müssen, außer dem Zugviehe, auch lpamöaich- die zur Führung des Wagens, des Pfluges, und der Egge erforderlichen Personen ‘t(Hianeoriefen, Jnnunasprivilegiis und Zunftartikeln zu beurtheilen. §. 193. Sie stehen unter der Aufsicht des Magistrats, und des von demselben verordneten Beisitzers^. §. 194. Außerordentliche Versammlungen können nur mit Vorwisien und Ge­ nehmigung des Beisitzer- veranlaßt werden. §. 195. Der Beisitzer muß bei allen gewöhnlichen und außerordentlichen Zu­ sammenkünften der Zunft gegenwärtig sein3 4). *6789 §. 196. Die Schlüsse und Ausfertigungen werden durch seine Mitunterschrist und durch Beidrückung des ihm anvertrauten Gewerkssiegels bekräftigt*). §. 197. Nur eigentliche Zunftangelegenheiten können durch Zunftschlüsse regulirt werden. §. 198. Die Zünfte können in ihren Versammlungen nichts beschließen, was allgemeinen Polizeigesetzen zuwider ist, oder dem gemeinen Besten überhaupt nach­ theilig werden könnte. §. 199. Sie dürfen keinen Preis der von den Zunstgenoffen zu verfertigenden Arbeiten bestimmen. §. 200. Sie müssen es der Obrigkeit allein überlasten: ob die Festsetzung einer Taxe nothwendig und rathsam sei*). §. 201. Soll jedoch dergleichen Taxe bestimmt werden, so muß die Obrigkeit die Zunstältesten zuziehen, und mit ihrem Gutachten hören*). §. 202. Keine Zunft ist berechtigt, ihren Genossen die Vollendung der von einem Andern anpefangenen Arbeit zu untersage». §. 203. Keine Zunft darf durch ihre Schlüsse den neu anzunehmendeu Mit­ gliedern neue bisher nicht gewöhnliche Lasten aufbürden. §. 204. Beiträge und Strafen darf die Zunft von ihren Mitgliedern nur so weit fordern, als eS in den vom Staate gegebenen oder bestätigten JnnungSartikeln, mit Bestimmung der Fälle, auch der Summe des Beitrages, oder der Strafe, ausdrücklich zugelassen ist'). §. 205. Wie weit übrigens zu den Zunftschlüssen obrigkeitliche oder landes­ herrliche Genehmigung und Bestätigung hinzukommen müsse, ist nach den allge­ meinen Grundsätzen von Corporationen überhaupt, und von Stadtcommunen in« sonderheit, zu bestimmen *). §§. 206 bis 209. Aufgehoben *). 3) H. Jetzt der Gemeindebehörde, §. 96 Abs. 1 R.Gew.O. 4) H. „Jnnungsversammlungen, in welchen über Abänderungen des Statuts oder über Auflösung der Innung Beschluß gefaßt werden soll, wohnt di« Gemeindebehörde durch eineihrer Mitglieder oder einen Beauftragten bei. An anderen Berufungen der Innung nimmt sie nicht Theil"; §. 96 Abs. 2 R.Gew.O. 6) H. Abgeändert durch §. 88 verb. m. §. 96 R.Grw.O. 6) H. Polizeiliche Taxen sind jetzt nur noch nach Maßgabe der §8. 72—80 Gew.O. zulässig. Eine Anhörung der Zunstältesten bei ihrer Festsetzung findet nicht statt. 7) H. Ueber die Höhe der Antrittsgelder vgl. §. 86 R.Gew O., über den Wegfall exkutivischer Betreibung der Beiträge und Strafen §. 91 ebendas. 8) H. Ueber die Nothwendigkeit einer Genehmigung für Statutenänderungen s. §. 92 R.G«w.O. Verb. m. §. 96 ebendas. 9) H. Dieselben lauteten: 206. Neue Zunstartikel vorzuschreiben, ist der Landesherr allein berechttgt. §. 207. Auch bleibt dem Staate das Recht, die bisherigen Jnnunasarttkel, nach den Erfordernissen des gemeinen Besten, zu bestimmen und abzuändern. §. 208. Doch sollen in beiden Fällen (§. 206. 207.), die Zünfte zuvörderst allemal mit ihrer Rothdurft und etwanigen Gegengründen vernommen werden. §. 209. In so fern durch Abänderung oder Aufhebung der Zunstartikel einzelne Mitglieder einen wirflichen Nachtheil erleiden, finden wegen

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Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 210-212 (Zusatz 11), §§. 213-244.

§. 210. Bon dem gemeinschaftlichen Vermögen der Zünfte gilt in der Regel eben das, was von dem Vermögen der Corporationen und Gemeinen überhaupt, so wie der Stadtgemeinen insonderheit, vorgeschrieben ist. 8-211. In Fällen, wo zu Verfügungen über das Kämmereivermögen die Genehmigung des Staats nachgesucht werden muß, ist zu Verfügungen über das gemeinschaftliche Zunstvermögen die Approbation des Magistrats erforderlich 10).‘ §. 212. Der Genehmigung des Staats selbst bedarf es der Regel nach nur in solchen Fällen, wo dieselbe bei Corporationen und Gemeinen überhaupt er­ forderlich wird. 4. Allerhöchste Kabinetsorder vom 12. Juni 1838., betreffend die Er­ mächtigung der Regierungen bei Veräußerungen unbeweglicher Güter und Gerechtigkeiten der Zünfte von der vorgeschriebenen öffentlichen Ver­ steigerung in besonderen Fällen zu dispensiren. (G.S. S. 370.) Auf den Bericht des Staatsministeriums vom 15. April will Ich die Regierungen er­ mächtigen, bei Veräußerungen unbeweglicher Güter und Gerechtigkeiten der Zünfte von der vor­ geschriebenen öffentlichen Versteigerung auf den Antrag der Zünfte und in Uebereinstimmung mit den ihnen unmittelbar vorgesetzten Magisträten in besondern Fällen zu dispensiren und

den Verkauf aus freier Hand zu gestatten, sobald sie sich überzeugt haben, daß der Vortheil der Zunft dadurch befördert, oder solche doch wenigstens nicht benachteiligt wird").

§. 213. Die Zunftältesten sind die Verwalter des gemeinschaftlichen Zunft­ vermögens. §. 214. Sie stehen dabei zunächst unter der Aufsicht des Beisitzers, und mittelbar unter der Oberaufsicht oes Magistrats. §. 215. Sie sind schuldig der Zunft von ihrer Verwaltung alljährlich Rech­ nung abzulegen. §. 216. Nähere Bestimmungen: wie die Verwaltung geführt, und in wie fern von den Aeltesten Caution deshalb geleistet werden solle, bleiben den Zunftartikeln Vorbehalten. §. 217. In Fällen, wo das Zunstvermögen in gemeinschaftlichem Beschlusse mehrerer Aeltesten und des Beisitzers gehalten wird, kann der Regel nach Cautionsbestellung nicht gefordert werden. §§. 218, 219. Aufgehoben"). 88- 220 bis 400. Fallen weg").

der ihnen zukommenden Entschädigung die Grundsätze von Privilegiis Anwendung. (Ein­ leitung §. 70—72.)" Sie find aufgehoben durch §. 81 R Gew.O. (s. Anm. 2.), nach welchem andere Abänderungen der Statuten als die in §. 92 a. a. O. vorgesehenen nicht mehr Platz greifen können. 10) H. Ueber die Fälle, in welchen zu Verträgen der Innung jetzt eine Genehmigung er­ forderlich ist, s. §. 89 Gew O. Die Genehmigung wird durch die Gemeindebehörde ertheilt. 11) H. Die Vorschrift korrespondirt mit §. 51 Abs. 3 der Städte-Ordnung. Wie dort, wird also auch hier jetzt der Bezirksausschuß an die Stelle der Regierung getreten sein. 12) H. Dieselben lauteten: „§. 218. Zünfte genießen zwar nicht in dem Vermögen ihrer Verwalter das den Stadtcommunen in dem Vermögen des Kämmerers beigelegte besondere Vorrecht; §. 219. Sie haben sich aber vor anderen Privatgläubigern eines solchen Verwalters des in der Concursordnung näher bestimmten Vorzugs in der fünften Claffe zu erfreuen." Schon die Konk Ordn. v. 1855 kannte ein solches Vorzugsrecht nicht mehr. 13) Es sind beseitigt: a) §§. 220—223 durch die Vorm.Ordn. v. 5. Juli 1875 §. 16. b) §§. 224-246 durch Edikt v. 2. Nov. 1810 §§. 1 ff. (G.S. S. 79). c) §§. 247—400 durch Gew.O. v. 17. Jan. 1845 §§. 125 ff. und die R.Gew O.v. 21. Juni 1869 §§. 14 ff., 105 ff.

Bon Handwerkern und Zünften.

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Die aufgehobenen §§. lauteten: §. 220. Die Zünfte und deren Aeltesten sind schuldig und befugt, für die Bevormundung Allgemeine und Erziehung der von ihren verstorbenen Zunstgenoffen zurückgelaffenen unmündigen und MA?" minderjährigen Kinder zu sorgen. die §. 221. Die Aeltesten müssen daher den Tod eines solchen Mitgenoffen dem vormund-ihrer Jiunft» schastlichen Bericht zur erforderlichen Verfügung anzeigen. genoffen. 222. Zunstgenoffen find die Vormundschaft über unmündige und minderjährige Kinder ihrer Mitgenossen, vorzüglich vor Anderen, zu übernehmen verbunden. §. 223. Die Aeltesten sind schuldig, wenn es auf die Erziehung und Vorbereitung der Pflegebefohlenen zu einer künftigen Lebensart ankommt, dem vormundschaftlichen Gericht, auf Erfordern, mit Rath und Gutachten an die Hand zu gehen. §. 224. Der Zunftzwang besteht in dem Rechte, die Treibung eines zunstmäßigen Ge- Zunftzwang, werbes, innerhalb des der Zunft angewiesenen Districts, Allen, welche weder zu Zunft gehören, noch vom Staate besonders privilegirt find, zu untersagen. §. 225. Handwerker, welche als Freimeister, oder sonst, ein besonderes Privilegium vom Staate erhalten haben, müssen die dann gesetzten Schranken, bei Verlust ihres Rechts, genau beobachten. §. 226. Wer den Rechten der Zünfte unbefugter Weise Eingriff thut, dem soll das Hand­ werkszeug genommen, und zum Besten der Zunstcaffe an den Meistbietenden verkauft werden. §. 227. Bei beharrlicher Fortsetzung solcher Eingriffe ist die Zunft berechtigt, auf die Wegschaffung des Pfuschers aus ihrem Zunstdistricte anzutragen. 8. 228. Die Zünfte sind aber nicht berechtigt, den Zunftzwang eigenmächtig auszuüben. §. 229. Vielmehr müssen sie die vorfallenden Störungen dem Magistrat zur ungesäumten und nachdrücklichen Verfügung anzeigen.

§. 230. Wohnt die Person, welche den Eintrag in die Rechte der Zunft begangen hat, unter einer anderen Gerichtsbarkeit, so muß der Maglstrat diesen ordentlichen Richter um die nöthigen Verfügungen, zur Auftechthaltung des Zunftzwanges, und Bestrafung des Pfuschers ersuchen. §. 231. Eine jede Gerichtsobrigkeit ist aber bei eigener Vertretung schuldig, solchen Re­ quisitionen deS Magistrats unverzüglich und unweigerlich eine Genüge zu leisten. §. 232. Auch kann sie sich nicht entbrechen, bei der anzustellenden Visitation Deputirte der beeinträchtigten Zunft zuzulaffen. §. 233. Wenn der Angeschuldigte ein besonderes Recht zur Treibung des zünftigen Ge­ werbes, ohne ein Mitglied der Zunft zu sein, behauptet, so muß er darüber bei seinem ordent­ lichen Richter rechtlich gehört werden. §. 234. Gründet er sein Recht auf eine besondere seiner Person anklebende Eigenschaft, oder auf ein besonderes Privilegium: so muß er dasselbe sofort wenigstens einigermaßen be­ scheinigen ; und wenn er dies nicht vermag, der Treibung des Gewerbes, bis zum Austrage deS Prozesses, sich enthalten. §. 235. Wird aber das Recht des Angeschuldiaten auf das Recht der Gerichtsobrigkeit, unter welcher er wohnt, oder auf eine Ausnahme dieses Orts vom Zunstdistricte begründet, so 8nden, wegen des Besitzstandes während des Prozesses, die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften Anwendung. §. 236. Privatpersonen sind nicht schuldig, zu wissen: ob der, welcher ein Gewerbe treibt, zunftmäßia sei, oder nicht; und können daher auch, wenn sie bei einem Unbefugten arbeiten lassen, dafür nicht bestraft werden. §. 237. Nur wenn von Obriakeits wegen die Unbefugniß eines solchen Menschen öffentlich und namentlich bekannt gemacht worden, hat derjenige, welcher nachher gleichwohl bei ihm arbeiten läßt, eine Polizeistrafe bis zu fünf Thalern verwirrt. §. 238. Die Wittwe eines Zunstaenossen kann, wo nicht die Zunftartckel ein Anderes verordnen, das Gewerbe ihres Mannes durch Gesellen fortsetzen. 8. 239. Sie muß aber zur Zunft, gleich anderen Meistern, mit beitragen. §. 240. Sie verliert ihr Recht nur durch eine anderweitige Berheirathung. 241. Zu seinem eignen, und der in seinem Hause lebenden Familie Gebrauche kann ein Jeder auch solche Arbeiten verferttgen, wozu sonst nur Zunstgenoffen berechtigt find. §. 242. Rur das, was er seinen Dienstboten als einen Theil chreS Lohnes geben muß, kann er selbst verfertigen. §. 243. Niemand aber darf, auch für fich selbst, ohne Zuziehung eines werkverständigen Meisters, Arbeiten unternehmen, aus deren unvollständiger oder unregelmäßiger Verfertigung Nachtheil für einen Dritten, oder für das gemeine Wesen entstehen könnte. (Th. 1. Ttt. 8. §. 69. 70.) §. 244. Handwerker, die als Befinde in Dienste treten, find für Andere, außer ihrer

790

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 245-296.

Herrschaft und deren Familie, nach näherer Bestimmung §. 241. und 242., Arbeiten zu verfertigen nicht befugt. 8. 245. Keine Zunft darf der andern Eingriffe in ihre Geschäfte thun. §. 246. Kein Zunstgenofse darf die Bollendung einer Arbeit, die nach der Verfassung für eine andere Zunft gehört, weder selbst, noch durch unzünftige Gehilfen bewirken. Meifterrecht: §. 247. Was außer der Gewinnung des Bürgerrechts, zur Aufnahme in eine Zunft, als dessen Meister, erforderlich sei, bestimmen die Zunftartikel und Gildebriefe. Erlangung. §. 248. Niemandem soll die Aufnahme in eine Zunft, als Meister, bloß aus dem Grunde, weil er bereits verheirathet ist, versagt werden. §. 249. Wer einmal als Lehrbursche, und in Folge als Geselle, in eine Zunft gehörig ausgenommen worden, dem darf die Zunft die Aufnahme als Meister, wenn er übrigens den Erfordernissen der Jnnungsartikel ein Genüge leistet, unter keinerlei Borwand verweigern. §. 250. Wer Meister werden will, muß seinen Lehrbrief und seine Kundschaft der Zunft vorlegen, und dadurch seine bisherige gute Aufführung nachweisen. §. 251. Bor der Aufnahme muß er ein Meisterstück, unter Aufficht der Aeltesten, ohne ftemde Bechülfe verfertigen. §. 252. Durch Aufgebung allzu kostbarer oder unverkäuflicher Meisterstücke soll Niemandem der Emtritt in die Zunft erschwert werden. 8. 253. DaS Meisterstück ist den versammelten Zunstgenoffen zur Prüfung vorzulegen. §. 254. Erklärt die Mehrheit der Stimmen das Meisterstück für untauglich; so muß die Zunft den Aufzunehmenden so lange zurückweisen, bis er die erlangte hinreichende Geschicklichkeit durch ein befferes Meisterstück nachgewiesen hat. §. 255. Wer zum dritten Mal ein untaugliches Meisterstück liefert, muß für immer ab­ gewiesen werden. JS. 266. Wenn die Zunft ein Meisterstück verwirft, so muß sie die Gründe ihres Tadels dem Beisitzer zum Protocoll geben. 6. 257. Der Beisitzer muß darauf sehen, daß kein Tadel, der bloßen Eigensinn oder Geld­ erpressungen zum Grunde hat, zugelaffen werde. §. 258. Der Abgewiesene kann auf obrigkeitliche Untersuchung der Gründe seiner Abweisung antragen. §. 259. Findet der Magistrat diese Gründe zweifelhaft, so muß er das Gutachten einer Zunft eines anderen benachbarten Ortes, unter Vorlegung des Meisterstücks, und des darüber aufgenommenen Protocolls, einziehen. §. 260. Wenn ein bereits aufgenommener Zunftgenoffe seinen Wohnsitz verändert, so muß er sich in die Zunft des neuen Wohnortes, sobald er daselbst sein Gewerbe fortsetzen will, auf­ nehmen laffen. §. 261. Ein neues Meisterstück aber darf alsdann von ihm in der Regel nicht gefordert werden. §. 262. Wenn jedoch ein Landhandwerker, der als solcher nur ein geringeres Meister­ stück zu verfertigen angehalten worden, sich in einer Stadt, wo ein größeres oder schwereres erfordert wird, niederlaffen will, kann die Zunft annoch die Anfertigung des letzteren von ihm fordern. §. 263. Jeder zünftige Meister ist befugt, die von ihm verfertigte Arbeit in seinem Zunft­ bezirke, auch archerhalb des Hauses, feil zu bieten. §. 264. Er darf aber damit nicht Hausiren gehen, sondern kann den feilen Verkauf, außer seinem Hause, nur in seinem Laden, oder in seiner Bude ausüben. §. 265. Wenn das öffentliche Feilbieten gewisser Arbeiten durch besondere Gesetze aus­ drücklich verboten ist; so sind auch zünftige Meister diesem Verbot unterworfen. §. 266. Wie lange und unter welchen Einschränkungen, ftemde Handwerker auf Jahrmärkten oder Messen ihre Waaren feilbieten dürfen, ist nach den Verfassungen eines jeden Ortes bestimmt. 8. 267. Auf Bestellung kann ein Zunftgenoffe auch für auswärts Wohnende arbeiten. 8. 268. Nur zünftige Meister haben das Recht, Lehrburschen anzunehmen und Gesellen Recht, Ge­ sellen und zu halten. Lehrlinge zu §. 269. Doch kann diese Befugniß auch den vom Staat gesetzten Freimeistern nicht be­ halten. stritten werden. §. 270. Die Annahme und das Lossprechen solcher Lehrburschen muß aber bei der Zunft des Ortes geschehen. ß.271. Wer nach erlerntem Handwerk in den Soldatenstand getreten ist, mag, nach er­ haltenem ehrlichen Abschiede, sich mit seinem Handwerk ferner nähren, ohne daß er das Meister­ recht zu erlangen schuldig ist. §. 272. Will er aber Lehrburschen annehmen, oder Gesellen halten, so muß er sich, gleich jedem Anderen, als Meister gehörig aufnehmen lassen.

Bon Handwerkern und Zünften.

791

§. 273. Ein Meister, welcher die ihm anvertrauten Materialien veruntreut, soll das erste Verlust de» Mal nach den allgemeinen Vorschriften der Criminalgesetze um Geld gestraft; im WiederholungS- Metsterrechts. falle aber, außer der sonst verwirkten Strafe, aus der Innung gestoßen werden. §. 274. Wer durch Urtel und Recht seiner Ehre verlustig erklärt wird, der verliert auch sein Meisterrecht. ff. 275. Außerdem ziehen andere Berbrechen den Verlust des Meisterrechts nur alsdann nach sich, wenn darauf ausdrücklich erkannt worden. ff. 276. Auf den Verlust des Meisterrechts soll nur in Fällen erkannt werden, wo es die Gesetze ausdrücklich vorschreiben; oder wo ein besonderer überwiegender und gefährlicher Hang zu Verbrechen gegen das Eigenthum und Vermögen Anderer aus den Acten klar erhellet. ff. 277. So lange ein Meister in gefänglicher Haft sich befindet, und selbst das Meister­ recht noch nicht verloren hat, mag seine Frau das Gewerbe durch Gesellen fortsetzen. ff. 278. Wer Lehrbursche werden will, muß sich bei der Zunft einschreiben taffen. cuJlÄLn ff. 279. Wegen unehelicher Geburt soll Niemandem, welcher die Legitimation erhalten (Tit. 2. ff. 692. sqq., 663. sqq.), die Aufnahme in die Lehre versagt werden. derselben, ff. 280. Nur diejenigen, welche bisher die Geschäfte eines Schinders oder Abdeckers wirklich getrieben haben, ist eine Zunft oder Innung aufzunehmen nicht schuldig. ff. 281. Außerdem kann eine Zunft nur die Aufnahme solcher Lehrlinge verweigern, die wegen eines körperlichen Gebrechens, oder eines offenbaren Mangels an Verstandeskästen, zur Erlernung des Handwerks, dem sie sich widmen wollen, untauglich sind. ff. 282. In wie fern Personen, die einer Herrschaft unterthänig sind, bei einer Zunft als Lehrburschen angenommen werden können, ist im vorigen Titel verordnet. (Tit. 7. ff. 172. sqq.) ff. 283. Die Wahl des Meisters, bei welchem Jemand in die Lehre treten soll, steht deffen Aeltern, Vormündern, oder den Vorstehern öffentlicher Anstatten, in welchen der künftige Lehr­ ling erzogen wird, frei. ff. 284. Kann ein Lehrling keinen Lehrmeister finden, so find die Jnnungsältesten schuldig, für die Unterbringung deffelben möglichst zu sorgen. ff. 285. Meister, die noch keine Lehrburschen, und doch hinlängliche Arbeit haben, können durch einen Schluß der Zunft zur Annahme eines solchen Lehrlings, auch wider ihren Willen, angehalten werden. ff. 286. Nur alsdann, wenn alle Jnnungsmeister an einem Orte mit einer hinlänglichen Anzahl von Lehrlingen schon versehen sind, kann die Zunft den, welcher sich zur Aufnahme meldet, vor der Hand, und bis unter den vorhandenen Lehrlingen eine Stelle ledig wird, abweffen. ff. 287. Sicherheitsbeüellung kann von einem Lehrling nur alsdann gefordert werden, wenn nach der Natur der Kunst oder Profession, dem Lehrling Sachen und Materialien von beträchtlichem Werthe, oder baare Gelder anvertraut werden müssen. ff. 288. Jngleichen, wenn sich derselbe vorhin schon der Untreue, oder sonst einer schlechten Aufführung verdächtig gemacht hat. ff. 289. Ferner, wenn der Lehrling schon bei einem anderen Meister gestanden, und dem­ selben durch Nachlässigkeit oder Leichtsinn einen erheblichen Schaden verursacht hat. . 290. Wo das Lehrgeld und die Lehrjahre in den Zunstartikeln nicht festgesetzt sind, eides entweder durch einen schriftlichen Vertrag, oder in dem bei der Aufnahme des Lehrlings abzuhaltenden Protocoll festgesetzt werden. ff. 291. Ist weder eines noch das andere geschehen, so müssen der Meister sowohl als der Lehrling, die Festsetzung der Zunft in Ansehung der Lehrjahre und des Lehrgeldes, nach dem, was bet der Innung gewöhnlich ist, sich gefallen taffen. ff. 292. Die Pflicht des Meisters ist, dem Lehrling die nöthige Anweisung zu den Kennt- Pflichten des niffen zu geben, welche zu einem ordentlichen Betriebe des Gewerbes erforderlich sind. Meister»,

S

ff. 293. Auch muß er denselben zu guten Sitten und fleißiger Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes anhalten, vor Ausschweifungen und Gelegenheiten zu Lastern möglichst hüten, und zu einer anhaltenden nützlichen Thätigkeit gewöhnen. ff. 294. Wer einen Lehrling annimmt, welcher im Lesen und Schreiben, und in der Religion, den nöthigen Unterricht noch nicht erhalten hat, ist schuldig, denselben bis zur Er­ langung dieser Kenntnisse zur Schule zu halten. ff. 295. Der Lehrling muß sowohl in Gewerks-, als häuslichen Angelegenheiten den An- Pflichten de» ordnungen des Lehrherrn Gehorsam leisten. Lehrling», ff. 296. In Geschäften, welche den Betrieb des Handwerks betreffen, muß er, bei Abwesenheit oder Verhinderung des Lehrherrn, auch den Anweisungen des ersten Gesellen gehorchen. ff. 297. Zu Gesindediensten darf der Meister den Lehrling nur in so fern brauchen, alS dadurch die Erlernung des Handwerks nicht versäumt wird ff. 298. Dem Lehrherrn gebührt daS Recht, den Lehrling, nach Erforderniß der Umstände, «echt der mäßig zu züchttgen. Sucht.

792

Zweiter Theil.

Achter Titel.

88- 299—352.

8- 299. Er darf aber dabei die einem Vater vorgeschriebenen Grenzen nicht überschreiten. (Tit. 2. 8- 86. sqq.) 8- 300. In Abwesenheit, oder bei Verhinderung des Meisters, kann nur der erste oder Meistergeselle, und auch dieser nur in Gewerkssachen, das Recht der mäßigen Züchtigung über den Lehrling ausüben. 8- 301. Ein von dem Meister gemißhandelter Lehrbursche soll von den Aeltesten, bis zur Vollendung seiner Lehrjahre, bei einem anderen Meister untergebracht werden. 8- 302. Die dazu erforderlichen Kosten muß der vorige Meister tragen ; doch kommt demselben darauf das bei der Annahme des Lehrlings etwa bedungene, und noch rückständige Lehrgeld zu gute. Aufhebung §. 303. Stirbt der Meister, so haben der Lehrling, oder dessen Aeltern, Vormünder, oder truaeszwi- Pfleger die Wahl: ob sie ihn bei der das Handwerk fortsetzenden Wittwe lassen, oder zu einem fötntem anderen Meister bringen wollen. Meister und §. 304. Letztem Falls muß von dem etwa vorausbezahlten Lehrgelde so viel -urückgegeben *)!Sttftbcn werden, als auf die noch unvollendete Lehrzeit, nach dem Befinden der Zunftältesten, verhältniß-

XobM Erstem;

d) durch Entweichung des

letztem;

mäßig zu rechnen ist. §. 305. Ein Gleiches findet statt, wenn die Wittwe das Handwerk nicht fortsetzt, oder der Meister selbst, dasselbe ferner zu tteiben, außer Stand kommt. §. 306. Zur Unterbringung eines solchen Lehrburschen müssen nöthigenfalls die Aeltesten, nach Vorschrift 8- 284. sqq., hülfreiche Hand leisten.

§. 307. Bei eintretendem Collifionsfalle gebührt einem schon aufgenommenen Lehrlinge, der zu einem anderen Meister gebracht werden muß, vor einem noch erst aufzunehmenden allemal den Vorzug. §. 308. Wenn der Lehrbursche ohne gegebene Ursache aus der Lehre entläuft: so muß foent Meister das Lehrgeld auch für das ganze noch laufende Jahr bezahlt, und er überdem, ^bgen des, aus dem Verluste des Lehrlings, oder den Kosten bei der Annahme eines anderen,

etwa entstandenen Nachtheils schadlos gehalten werden. 8. 309. Auch muß ein solcher Lehrling, wenn, er in der Folge wiederum zu einem Meister gebracht wird, die Lehrjahre, auf Verlangen desselben, von neuem anfangen.

§. 310. Wenn der Lehrbursche ein anderes Gewerbe ergreifen will, so hat der Meister Lehrgeld nicht nur für die verfloffenen Lehrjahre, sondern auch für das ganze noch laufende Gewerbes. $u fordern. Rechte des §. 311. So lange das Lehrgeld nicht vollständig berichttgt 8berichtigt ist, kann der Meister den LehrAnsthung des loszusprechen nicht angehalten werden. 8-"312. Ist der Lehrling das rückständige Lehrgeld zu entrichten unvermögend; so muß c) durch Er-

etnesanderen

Lehrgeldes.

er dem Meister eine gewiffe Zeit, noch über die gewöhnlichen oder bedungenen Lehrjahre, unent­ geltlich dienen. 8. 313. Ist in den Zunstartikeln keine Zeit bestimmt, so muß dieselbe nach dem billigen Ermessen der Gewerksälteste«, und allenfalls durch einen Zunftschluß, festgesetzt werden. §. 314. Das rückständige Lehrgeld hat ein in der Concursordnung bestimmtes Vorzugsrecht. 8. 316. Einen Lehrling, welcher sich grober Veruntreuungen schuldig macht; oder sich den

Anweisungen des Meisters hartnäckig widersetzt; oder den Meister, oder dessen Familie, durch Thätlichkeiten, oder andere grobe Beschimpfungen vorsätzlich beleidigt; oder sich, aller Ermahnungen und Züchtigungen ungeachtet, einem liederlichen Wandel ergiebt; oder nach dem Befinden der Nettesten-zu der Erlernung des Handwerks gar keine Fähigkeit zeigt, kann der Meister zurückschicken.

Krankheiten der Lehrlinge.

Lehrzeit.

316. In diesen, so wie in allen übrigen vorstehend nicht bestimmten Fällen, wo die Lehrzeit ohne Schuld des Meisters nicht ausgehalten wird, kann derselbe das rückständige Lehr­ geld, nach Verhältniß der verfloffenen Zeit, und für das ganze laufende Jahr fordern. 8- 317. Die Verpflegung eines kranken Lehrlings aus eignen Mitteln kann einem Meister, welcher dieselbe im Vertrage nicht ausdrücklich übernommen hat, nicht zugemuthet werden. 8- 318. Wird der Lehrling durch eine kürzere als drei Monate dauernde Krankheit an der Fortsetzung der Lehre gehindert, so wird ihm dieser Zwischenraum auf die gesetzmäßige oder verabredete Lehrzett nicht abgerechnet. 8- 319. Hat aber die Krankheit länger gedauert, so kommt es aus die Beurtheilung des Meisters und der Zunftältesten an, in wie fern der Lehrling die versäumte Zeit nachlernen müsse. §. 320. Dem Lehrherrn steht frei, dem Lehrburschen, zur Belohnung seines Fleißes, einen Theil ver Lehrzeit zu erlasien. §. 321. Ist die Lehrzeit gesetzlich bestimmt, so kann höchstens nur der dritte Theil der­ selben erlasien werden. §. 322. Allemal aber ist zu einem solchen Erlaffe die Einwilligung der Aeltesten, nach angestellter Prüfung, erforderlich.

Bon Handwerkern und Zünften.

793

§. 323. Nach geendigter Lehrzeit muß der Meister den Lehrburschen der versammelten Lossprechen. Zunft, zur Prüfung und Aufnahme als Geselle, vorstellen. §. 324. Bei dieser Aufnahme sind weder Schmausereien auf Kosten des Gesellen, noch andere Erpressungen, auch keine unanständige oder der Gesundheit nachteilige Gebräuche zulässig. §. 325. Dem neu aufgenommenen Gesellen muß ein Lehrbrief, unter Vollziehung der Bon Gesellen. Aeltesten und des Beisitzers, mit Beidrückung des Gewerkssiegels ausgefertigt werden. §. 326. Wie lange die Wanderschaft des neu aufgenommenen Gesellen dauern müsse, be-Wanderschaft stimmen die Jnnungsartikel einer jeden Zunft. §. 327. Ein Geselle kann zwar, ohne Nachtheil seines Standes, bei einer Herrschaft in Erfelden.'

Dienst treten; §. 328. Die daselbst zugebrachte Zeit aber wird ihm auf seine Wanderjahre nicht ab­ gerechnet. §. 329. Nur die Landes-Polizei-Jnstanz kann, nach Bewandtniß der Umstände, die Zeit der Wanderschaft verkürzen, oder auch eine gänzliche Befreiung davon ertheilen. 8. 330. Die Wanderschaft soll in der Hegel niemals außerhalb Landes gehen. §. 331. Nur in besonderen Fällen kann die Laudes-Polizei-Jnstanz die Erlaubniß dazu er­ theilen. §. 332. Wandernde Gesellen müssen ihren Aeltern, Vormündern oder Verwandten über den Ort ihres Aufenthalts von Zeit zu Zeit Nachricht geben. §. 333. Unterlassen sie dieses durch die in den Gesetzen bestimmte Zeit, so findet wider sie das gegen Verschollene vorgeschriebene Verfahren statt. (Tit. 18.) 8. 334. Das Betteln um Zehrpfennige ist auch den wandernden Gesellen nicht erlaubt. §. 335. Sie müssen sich gleich nach ihrer Ankunft an einem Orte bei den Gewerksältesten melden. 8. 336. Diese müssen dem Eingewanderten sogleich seine Kundschaft abfordern. §. 337. Kann er keine Kundschaft vorzeigen, so muß er an den Ort seines vorigen Aufenthalts zurückgewiesen werden. §. 338. Leistet er dieser Anweisung keine Folge, so muß ihn die Obrigkeit auf die Anzeige der Aeltesten fortschaffen lassen. §. 339. Legitimirt sich aber der Geselle durch die gehörige Kundschaft, so muß ihm die­ selbe abgenommen, und bis er seine Wanderschaft fortsetzen will, in der Gewerkslade aufbewahrt werden. §. 340. Einem solchen Gesellen müssen die Aeltesten Arbeit bei einem Meister zu ver­ schaffen bemüht sein, und ihm bis dahin diejenige Unterstützung reichen, welche der Zunftgebrauch mit sich bringt. §. 341. Können die Aeltesten den Gesellen bei einem Meister nicht unterbringen, so muß er, nach Verlauf von drei Tagen, seine Wanderschaft fortzusehen angewiesen werden. §. 342. Verweilt er ohne besondere Erlaubniß der Obrigkeit noch länger an dem Orte, so findet gegen ihn die Vorschrift §. 338. Anwendung. 343. In wie fern der Geselle den Meister, bei welchem er in Arbeit treten will, selbst wählen könne, oder die Anweisung der Zunstältesten abwarten müsse, ist. in den Jnnungsartikeln bestimmt. §. 344. Die Zunftältesten müssen die Meister, welche Gesellen verlangen, genau aufzeichnen, und den zuerst ankommenden Gesellen, welcher sich selbst seinen Meister nicht wählen kann oder will, an den noch unversorgten Meister, welcher sich zuerst gemeldet hat, weisen. §. 345. Doch müssen Wittwen, welche das Handwerk fortsetzen; ingleichen Meister, welche wegen langwieriger Krankheiten, oder anderer unverschuldeter Unglücksfälle, dem Handwerke nicht selbst vorstehen können, mit tüchtigen Gesellen vor allen Anderen versorgt werden. §. 346. Bon diesem Vorrechte kann jedoch eine Wittwe nicht öfter als dreimal Gebrauch machen. §. 347. Hat ein Meister einen Gesellen auf eigne Kosten verschrieben, und es dem Aeltesten noch vor der Ankunft des Gesellen gemeldet, so muß ihm derselbe in allen Fällen gelassen werden. §. 348. In Haupt-, Handlungs- und Seestädten soll kein Meister in der Zahl der von ihm zu haltenden Lehrburschen und Gesellen durch Gesetze eingeschränkt werden. §. 349. An anderen Orten bleibt diese Bestimmung der zur Aufficht über die LandeSpolizei gesetzten Behörde vorbehalten. 350. Lohn und Kostgeld, oder Beköstigung der Gesellen, muh die Zunft, unter Direction Lohn und der Obrigkeit, bestimmen. Soft der Ge8. 361. Dre Bestimmung darf kein Meister überschreiten. §. 352. Das rückständig gebliebene Lohn- und Kostgeld der Gesellen hat, auch im Eoncurse, mit dem Gefindelohn gleiche Rechte.

794 Verpflegung

de,euen.

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 363-400 (Zusätze).

§. 858. Die Kur und Verpflegung eines eingewanderten und krank gewordenen Gesellen, er stehe bereit- in Arbeit oder nicht, muß, wenn er selbst unvermögend ist, aus der Geselleuund in deren Ermangelung aus der Gewerkscaffe bestritten werden. §. 364. Ist diese nicht hinreichend, so muß die Armencaffe des Ortes und bei deren Un­ zulänglichkeit, die Stadt- oder Kämmereicaffe zutreten. §. 356 Der Magistrat muß also bei eigner Vertretung dafür sorgen, daß ein krank ge­ wordener unvermögender Geselle nicht hülflos gelassen, oder vor erfolgter hinlänglicher Wieder­ herstellung fortgeschafft werde.

Rechte uud §. 366. Der Meister ist befugt und schuldig, über das Betragen der Gesellen Aufsicht zu M»chtm führen; sie zur Besuchung des öffentlichen Gottesdienstes und. zu einem stillen und regelmäßigen Metflem uud Lebenswandel fleißig anzumahnen; von Lastern und Ausschweifungen aber so viel an ihm ist, Gesellen, abzuhalten. §- 357. Der Geselle ist verpflichtet, die ihm aufgetragene Arbeit willig zu übernehmen, und treu und fleißig auszurrchten. £. 358> Rur an Sonn- und solchen Festtagen, deren Feier nach den Gesetzen des Staats verordnet ist, mag er die Arbeit unterlassen. §. 359. Gesellen, welche an den nach den Gesetzen des Staats zur Arbeit bestimmten Tagen sich derselben entziehen, sollen mit Gefängniß bei Waffer und Brot, das erstemal auf drer Tage, und im Wiederholungsfälle auf vierzehn Tage, bestraft werden. §. 360. Bei hartnäckiger Fortsetzung eines solchen Mißbrauchs wird der Geselle auf vier Wochen zum Zuchthause abgeliefert, und ihm sein Lehrbrief abgenommeu.

§. 361. Diesen erhält er nicht eher wieder zurück, als bis er nach ausgestandener Strafe Besserung gelobt, und die Obrigkeit von der Aufrichtigkeit dieses Angelöbniffes sich überzeugt, hält. §. 362. Jeder Meister, dessen Gesellen sich an den zur Arbeit bestimmten Tagen derselben entziehen, ist schuldig, bei ein bis drei Thaler Strafe zur Gewerkscaffe, der Obrrgkeit davon Anzeige zu macken. §. 363. Kein Wirth, oder sogenannter Krugvater in einer Gewerksherberge, soll an den zur Arbeit bestimmten Tagen, besonders aber an Montagen, einen in Arbeit stehenden Gesellen während der gewöhnlichen Arbeitsstunden bei sich dulden; vielweniger demselben Speisen oder Getränke verabfolgen. 364. Wer diesem Verbote zuwiderhandelt, soll mit einer Polizeistrafe von zwei bis fünf Thalern belegt werden. §. 365. Jeder Geselle ist schuldig, den häuslichen Einrichtungen seines Meisters, so lange er bei ihm arbeitet, Folge zu leisten. 8. 366. Häusliche Dienste kann kein Meister von seinem Gesellen fordern. §. 367. Kein Geselle darf andere, als die von seinem Meister ihm angewiesene Arbeit verfertigen. §. 368. Kein Meister soll dem anderen die bei ihm in Arbeit stehenden Gesellen abwendig machen. §. 369. Geschieht dieses, so muß der Meister um zwei bis fünf Thaler zur Gewerkscaffe bestraft, und der Geselle weiter zu wandern angehalten werden.

§. 370. Rur den Meisterwittwen, welche das Handwerk fortsetzen, muß der geschickteste Geselle nach ihrer Auswahl verabfolgt werden. §. 371. Wenn aber ein Meister nur einen Gesellen hat, und denselben der Wittwe über­ lassen muß, so ist er befugt, von einem der Mitmeister, welche mehrere Gesellen halten, die Abgabe eines derselben zu fordern. §. 372. Melden sich mehrere Wittwen um Ueberlaffung eines tüchtigen Gesellen, so ent­ scheidet unter ihnen die Zeit der bei dem Gewerke geschehenen Anmeldung. §. 373. Auch dieses Vorrecht kann von jeder Meisterwittwe nur dreimal ausgeübt werden. (§. 346.) §. 374. Verfällt ein Meister in langwierige Krankheit, so kann er die Abtretung eines Gesellen von seinen Zunftgenoffen verlangen. §. 375. Zu dieser Abtretung ist derjenige Meister vorzüglich verpflichtet, bei dem die meisten Gesellen in Arbeit stehen. 8. 376. Ist die Zahl der Gesellen bei mehreren Meistern gleich, so trifft die Abtretung den jüngsten unter ihnen. §. 377. Rach erfolgter Genesung muß der krank gewesene Meister den solchergestalt erhaltenen Gesellen dem vorigen Meister, auf dessen Verlangen, zurückgeben. ubichaffimg §• 378. Wenn der Meister einen Gesellen abschaffen will, muß er ihm solches vierzehn der Gesellen. Tage zuvor ankündigen. §. 379. Ohne dergleichen Aufkündigung kann der Meister einen Gesellen sofort entlassen:

Bon Handwerkern und Zünften.

5.

Patentgesetz.

Vom 25. Mai 1877.

795

(R.G.Bl. S. 501'.)

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc.

verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung deS Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

1) wenn derselbe ihn oder seine FamUie durch Thätlichkeiten, Schimpf- und Schmähworte, oder ehrenrührige Nachreden beleidigt ; §. 380. 2) Wenn er sich beharrlichen Ungehorsams und Widerspenstigkeit gegen die An­ weisungen des Meisters schuldig macht; 8. 381. 3) Wenn er die Frau oder die Kinder deS Meisters zum Bösen verleitet, oder verdächtigen Umgang mit ihnen pflegt ; §. 382. 4) Wenn er sich Diebstahl oder Veruntreuung gegen den Meister zu Schulden kommen läßt; §. 383. 5) Wenn er sich zur Gewohnheit macht, ohne Borwiffen und Erlaubniß des Meisters über Nacht aus dem Hause zu bleiben. §. 384. 6) Wenn er mit Feuer und Licht unvorsichtig umgeht, und einer ihm deshalb ertheilten Warnung keine Folge leistet; §. 385. Auch der Geselle kann den Meister verlaffen; er muß aber demselben vierzehn Abgang de» Tage vorher aufsagen. Gesellen.

§. 386. Doch ist der Meister die Aufkündigung anzunehmen nicht verbunden, wenn die Zeit des Abzuges auf eine Meffe, oder einen Jahrmarkt, oder innerhalb vierzehn Tagen vor den Mesien und Jahrmärkten, oder vor den hohen Festen einfallen würde. §. 387. Vielmehr kann alsdann der Geselle erst nach dem Feste, oder nach dem Ende der Meffe, oder des Jahrmarkts abziehen. 8. 388. Hat der Meister sich an dem Gesellen, ohne gegebene dringende Veranlassung, thätlich vergriffen: so ist der Geselle sofort auS der Arbeit zu gehen berechtigt. 8. 389. Will der Geselle seine Wanderschaft fortsehen, so darf ihm seine Kundschaft, ohne Einwilligung des Meisters, bei welchem er zuletzt gearbeitet hat, nicht verabfolgt werden. §. 390. Der Meister darf in die Aushändigung der Kundschaft bei eigner Vertretung nicht willigen, wenn er weiß, daß der Geselle Schulden gemacht, oder Verbrechen begangen hat. 8. 391. Vielmehr muß er seine Wissenschaft davon dem Gewerksbeisttzer anzeigen. §. 392. Findet der Meister gegen den Abzug deS Gesellen kein Bedenken; oder ist der vorgewaltete Anstand hinlänglich, gehoben: so muß die Kundschaft dem Gesellen zurückgegeben, und darunter vermerkt werden : wie lange der Geselle an dem Orte sich aufgehalten, und wie er, nach dem Zeugniffe seiner Meister, sich betragen habe. 8. 393. Nach zurückerhaltener Kundschaft muß der Geselle seine Reise sofort antreten. §. 394. Wird er daran durch Zufall verhindert, so muß er die Kundschaft bei dem Gewerke anderweit niederlegen. §. 396. Thut er beides nicht, so muß ihn die Obrigkeit, auf des Gewerkes Anzeige, als einen Landstreicher ansehen und behandeln. §. 396. Die Gesellen machen unter sich keine Commune oder privilegirte Gesellschaft aus. 8. 397. Sie sind nicht berechtigt, eigenmächtiger Weise Versammlungen zu halten. §. 398. In Fällen, wo ihnen dergleichen Versammlungen nach den Zunftartikeln oder Polizeigesetzen gestattet sind, müssen dieselben nur mit Borwiffen der GewerkSältesten gehalten werden. §. 399. Uebrigens hat es bei den Polizeigesetzen und Zunftartikeln, wonach den Gesellen erlaubt ist, einen Altgesellen zu wählen, und unter deffen Rechnungsführung eine eigne Caffe auS ihren Beiträgen, zu gemeinschaftlichen Bedürfnissen, besonders zur Verpflegung kranker oder sonst verunglückter Gesellen zu errichten, auch noch ferner sein Bewenden. §. 400. Doch sind die Gesellen, auch in diesen Angelegenheiten, der Aufsicht der GewerkS­ ältesten und des Beisitzers unterworfen. 1) H. Eine erschöpfende Erklärung des Patentgesetzes würde einen über den Zweck dieses Kommentars und den in ihm zur Verfügung stehenden Raum hinausgehenden Umfang bean­ spruchen. In Nachstehendem soll lediglich ein Ueberblick über die Ausführungsbestimmungen und die Judikatur, einschließlich derjenigen deS Patentamts, gegeben werden, daneben Ver­ weisungen auf einzelne patentrechtliche Abhandlungen. Im Uebrigen muß wegen eingehenderer Belehrung auf die sehr reichhalttge patenttechtliche Literatur verwiesen werden. Aus derselben sind hervorzuheben: Gar eis, das Deutsche Patentgesetz (Berlin 1877): Dambach, daS Patent­ gesetz für daS Deutsche Reich (Berlin 1877); Grothe, das Patentgesetz für daS Deutsche Reich (Berlin 1877); Klostermann, das Patentgesetz für das Deutsche Reich (Berlin 1877);'sverselbe

Autor hat auch das Patentrecht in Endemann's Handbuch des Handelrechts Bd. 2 S. 307 ff. bearbeitet); Landgraf, das Deutsche Reichsgesetz, bett, den Schutz von Erfindungen (Stuttgart

Rechte der Gesellen überhaupt.

796

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§. 400 (Zusätze).

Erster Abschnitt. Patentrecht. §. .1.

Patente werden eittheilt für neue Erfindungen*), welche eine gewerbliche Ver­

werthung') gestatten. Ausgenommen sind: 1. Erfindungen, deren Verwerthung den Gesetzen oder guten Sitten zuwiderlaufen würde. 2. Erfindungen von Rahrungs-, Genuß- und Arzneimitteln, sowie von Stoffen, welche auf

chemischem Wege hergestellt werden, soweit die Erfindungen nicht ein bestimmtes Verfahren zur Herstellung der Gegenstände betreffen. §. 2. Eine Erfindung gilt nicht als neu4), wenn sie zur Zeit der auf Grund dieses Ge-

1877); ferner als systematisches Hauptwerk: Kohler, deutsches Patentrecht (Mannheim 1878), und als neuester, erschöpfendster Kommentar: R o s e n t h a l, Patentgesetz (Erlangen 1881). S. auch Dernburg 2 (3. Aust.) §. 308 S. 899 ff. — Die Verweisung „P.Bl." (— Patentblatt) im Folgenden bezieht sich auf das in §. 19 Abs. 4 des Ges. bezeichnete Blatt. — Eine Sammlung aller patentamttichen und gerichtlichen Entscheidungen in Patentsachen veröffentlicht Gar eis (Berlin, C. Heymann's Verlag — bis jetzt 4 Bändchen). 2) H. Bon den drei Voraussetzungen der Patentfähigkeit: Neuheit — Erfindung — ge­ werbliche Verwerthbarkett, wird die erste zu §. 2 eingehender zu erörtern sein. Erfindung ist nicht bloß die Neuentdeckung einer Verwendung von Naturkrästen, sondern auch die Anwendung eines beretts bekannten, auch zu einer prattischen Konstruktion schon be­ nutzten theoretischen Lehrsatzes zu einer neuen, andern Konstruktion (R G. II v. 24. Juli 1881, Entsch. 6 S. 106; P.Bl. S. 219), die Auswahl neuer Hülfsmittel zur Verwirklichung bekannter Ideen oder Abfichten (P.A. v. 15. April 1880, P.Bl. 1881 S. 147), eine neue Kombination bekannter Mittel, wenn durch dieselbe ein eigenthümlicher Erfolg (z. B. Erzielung einer voll­ kommeneren Wirkung einer bekannten Vorrichtung) erreicht wird (R.G. II v. 24. Juli 1881, Entsch. 6 S. 106, P.Bl. S. 219 — s. auch Anm. 18 Abs. 2 zu §. 7). Dagegen sind nicht für neue Erfindungen erachtet: erweiterte Anwendungen eines bekannten Prinzips (R.G. I v. 25. Febr. 1880, Annal. 1 S. 420, z. B. Uebertragung einer bei Gewehren bereits bekannten Vorrichtung auf Geschütze; R.G. I v. 23. Okt. 1880, Annal. 2 S. 571); Anwendung einer besseren Qualttät deffelben Stoffs (R.G. II v. 27. Febr. 1883, Annal. 6 S. 363) ; Anwendungs­ arten eines Apparats neben dem Apparate, wenn sich jene nicht als eine besondere Art des Verfahrens darstellen. R.G. v. 29. Okt. 1883, P.Bl. 1884 S. 216. S. über den Begriff der Erfindung noch Kohler S 32 ff., Rosenthal S. 42 f. 3) H. Die Möglichkeit gewerblicher Verwerthung genügt; nicht ist erforderlich, daß der angestrebte Zweck beretts wirklich erreicht ist; P A. v. 30. Sept. 1880 (P.Bl. 1881 S. 115). Daß die gewerbliche Verwerthung eine praktisch nützliche, lohnende und vortheilhaste sei, wird nicht verlangt; P.A. v. 16. Nov. 1882, P.Bl. 1883 S. 101; ebenso wenig, daß die Ersindung im fabrikmäßigen Betriebe verwerthet werden könne. Es genügt, wenn die Konstruktion, sei es auch erst unter Anwendung irgend welcher anderen Vorrichtungen, die Erfüllung des derselben gesetzten Zwecks nicht als ausgeschloffen erscheinen läßt; P.A. v. 2. Juni 1881, P.Bl. S. 211. Vgl. Kohler S. 64 ff., Rosenthal S. 44 ff. Ueber das Verhältniß -wischen Patentschutz und Musterschutz nach dem Ges. v. 11. Jan. 1876 (R.G Bl. S. 11 — Zus. 31 zu 1.11 §. 1036) vgl. die Abhandlungen von Klostermann, P.Bl. 1878 S. 115, und von Gareis a. a. O. S. 73, ferner die Gutachten des gewerblichen Sachverpändigenvereins in Berlin v. 15. Dez. 1877, 29. März, 11. Dez. 1878 und 4. Okt. 1879 (P.Bl. 1878 S. 83, 124, 273 Anm. *) und 1879 S. 91), sowie R.O.H G. I v. 3. Sept. 1878, Entsch. 24 S. 109 (P.Bl. S. 203). Des Musterschutzes werden Jndustrieerzeugniffe theilhaftig mit Rücksicht auf ihre äußere Erscheinung (Farbe, Form), des Patentschutzes im Hinblick aus ihre praktische Brauchbarkeit. Es ist möglich, daß Erzeugniffe, welchen sowohl Formschönheit als Gebrauchswerth eigen sind, unter beide Gesetze fallen. S. auch Kohler S. 53 f., Rosen­ thal S. 53 ff. 4) H. Vgl. Alexander-Katz, der patentrechtliche Begriff der Neuhett, P.Bl. 1881 S. 79, 85, 98 — Neuheit ist ausgeschloffen, a) wenn die Erfindung, deren Patentirung nach­ gesucht wird, mit einer älteren identisch ist, und wenn b) bezüglich dieser letzteren eine der in diesem §. bezeichneten Voraussetzungen (Beschreibung in öffentlichen Druckschriften oder offen­ kundige Benutzung im Jnlande) vorliegt. Zu d) sind die beiden in diesem §. genannten Umstände die einzigen, durch welche der Begriff der Neuheit ausgeschloffen wird, sie sind limitattv, nicht exemplrfikativ. Vgl. Andre im P.Bl. 1878 S. 267, Kohler S. 361; Dambach S. 11; a. M. Rosenthal S. 60; Gareis S. 58; Klostermann S. 131. Daher ist z. B. eine noch so offenkundige Benutzung

Patentgesetz vom 25. Mai 1877.

797

setzes erfolgten Anmeldung in öffentlichen Druckschriften bereits derart beschrieben^) oder im Jnlande bereits so offenkundig benutzt ist6), daß danach die Benutzung durch andere Sachver­ ständige möglich erscheint 7).

im Auslande (P A. v. 24. Nov. 1881, P.Bl. 1882 S. 41, welches hierdurch der vorstehenden Ansicht beigetreten ist), eine noch so weit verbreitete Beschreibung durch öffenttiche Vorträge kein die Neuheit ausschließender Umstand. Wann die zu a) geforderte Jndentität vorliege, ist Thatfrage, welche vielfach mit derjenigen zusammenfällt, ob eine Vorrichtung oder ein Verfahren ein so selbstständiges sei, um als Er­ findung gelten zu können. Vgl. Anm. 2. So nimmt das P L. v. 30. Sept. u. 28. Okt. 1880, P Bl. S. 81, 151 an, daß das Bekanntsein des allgemeinen Prinzips eines technischen Hergangs die Patentirung einer speziellen Nutzanwendung nicht hindere; ferner führt P.A. v. 1. Aug. 1879, P Bl. S. 571 aus, daß die technische Weiterentwickelung einer bereits bekannten Anlage, die Verwendung eines schon bekannten Mechanismus als Bestandtheil einer späteren Gesammteinrichtung den Begriff der Neuheit nicht ausschließe. Andererseits ist das bloße Vor­ handensein von Eigenschaften, welche den angeblich erfundenen Gegenstand vor änderen auSzeichnen, nicht genügend, um die Neuheit der Erfindung zu begründen, umgekehrt aber auch ihr Mangel nicht ausreichend, die Neuheit auszuschließen; P.A. v. 28. Aug. 1879, R.G. v. 30. Ott. 1880, P.Bl. S. 209. (Eben so hatte auch für das ältere Patentrecht das Preuß. O.B.G. v. 30. Juni 1877, P Bl. S. 71, die Neuheit verneint, wo es sich bloß um zweckmäßigere, die prattische Brauch­ barkeit erhöhende Anwendung einer bekannten Konstruktion bei Identität des konstruktiven Grundgedankens handelte.) Wo jedoch das vermittels der neuen Vorrichtung erzielte Erzeugniß einer Maschine ein wesenttich anderes ist, als dasjenige, welches die Maschine ohne Anwendung dieser Vorrichtung zu liefern vermochte, liegt eine neue Erfindung vor; R.G. I v. 22. Mai 1870, Annal. 2 S. 267. — Das frühere Bekanntsein des Fabrikats steht der Patenttrung eines FabrikationSmittels nicht entgegen; P.A. v. 6. Jan. 1881, P.Bl. S. 203. Ob eine Kombination mehrerer bereits bekannter Mittel als eine neue, selbstständige Er­ findung angesehen werden könne, ist Thatftage; sie wird z. B. verneint in dem vom P.A. v. 22. Juni 1880, P.Bl. S. 195 entschiedenen Falle (Anwendung eines allgemein als Dichtungs­ mittel bekannten Stoffs auf das Dichten spezieller Gegenstände), bejaht vom N.G. I v. 17. April und 12. Mai 1880 (P.Bl. S. 89, 106), wo Gewicht auf den „eigenthümlichen Erfolg" der Kombinatton und die „erwetterte Anwendung" der früheren Erfindung gelegt wird. (Vgl. über die sog. ZusammensetzungSpatente auch Anm. 18 Abs. 2 zu §. 7). — Aehnlich ist eS mit der bloßen Weglassung von Bestandtheilen einer früheren Erfindung; doch ist fie jedenfalls nur insoweit patentfähig, als gerade für die Weglassung das Patent nachgesucht wird; P.A. v. 8. Juni 1880, R. G. I v. 10. Juli 1880, P.Bl. S. 659 (Annal. 2 S. 362). 6) H. Unter Druckschriften sind auch Photographiern zu verstehen; P.A. ö, 20. April 1882, P.Bl. 83 S. 41. Die Druckschrift muß eine öffentliche sein; dahin gehören z. B. gedruckte Cirkulare, welche in der Absicht verbreitet werden, die Erfindung zu allgemeiner Kenntniß zu bringen, P.A. v. 2. Nov. 1882, P.Bl. 1883 S. 86; dagegen nicht Schriftstücke, welche wesentlich nur zur Versendung an bestimmte Personen im Auslande und zur Auslegung einzelner Exemplare in einer oder mehreren öffentlichen Bibliotheken des Auslands bestimmt sind; P.A. v. 12. Jan. 1882, P.Bl. S. 67; R.G. I v. 27. Ott. 1880, P.Bl. 1881 S. 16 (hier sind die Cirkulare unter den Gesichtspunkt der „offenkundigen Benutzung" gebracht). Oeffentliche Druckschriften find ferner öffentlich feilgebotene, unbedingt zugängliche Zeichnungen, P.A. v. 6. Mai 1881, P.Bl.'S. 223, nicht dagegen nur einzelnen Personen zugeferttgte Zeichnungen, P.A. v. 16. April 1880, P.Bl. S. 167. Auch die Veröffentlichungen auswärtiger Patentämter sind öffentliche Druckschriften, P.A. v. 7. Juli 1879, P.Bl. S. 478 (hierunter fallen auch die Patentschriften des neueren [®ef. v. 11. Jan. 1871], nicht die des älteren amerikanischen Patentrechts, P.A. v. 4. Sept. 1879 u. v. 21. Mai 1883, D.Bl. 1880 S. 137, 1883 S. 297); sie schließen die Patentertheilung auch dann aus, wenn oer Patentsucher die Rechte aus dem ausländischen Patente erworben hat; P.A. v. 16. April 1880, P.Bl. S. 181. — Dagegen liegt in der gemäß §. 23 des deutschen Patentgesetzes erfolgenden Bekanntmachung und Auslegung der Anmeldung keine Bekanntmachung durch öffenttiche Druckschriften; P A. v. 5. Juli 1880, P.Bl. S. 206; P.A. v. 11. Nov. 1880, R.G. v. 20. Mai 1881, P.Bl. 1881 S. 218, 216 (Annal. 4 S. 69). Die Erfindung muß in der öffentlichen Druckschrift beschrieben sein; es kann unter Um­ ständen die bloße Zeichnung ohne besondere Beschreibung genügen, P.A. v. 16. April 1880, P.Bl. 1881 S. 147. Dagegen ist an Stelle einer in der Druckschrift enthaltenen Beschreibung eine Bezugnahme auf eine anderweite, wenn auch dem Publikum allgemein zugittigliche Be­ schreibung nicht ausreichend; P.A. v. 14. Aug. u. 18. Sept. 1879, P.Bl. 6. 656, 661. 6) H. Während es bei der Beschreibung in öffentlicher Druckschrift nicht darauf ankommt.

798

Zweiter Theil. §. 3.

Achter Titel.

§. 400 (Zusätze).

Auf die Ertheilung des Patente- hat derjenige Anspruch, welcher die Erfindung

zuerst nach Maßgabe diese- Gesetze- angemeldet hat *). Ein Anspruch des Patentsuchers auf Grtheilung des Patentes findet nicht statt, wenn der

wesentliche Inhalt seiner Anmeldung den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Geräthschasten

oder Einrichtungen

eine-

Anderen

oder einem

von diesem

angewendeten Verfahren

ohne

Einwilligung desselben entnommen*), und von dem letzteren aus diesem Grunde Einspruch er­

hoben ist10). §. 4.

Das Patent hat die Wirkung, daß niemand befugt ist, ohne Erlaubniß de- Patent­

inhaber- den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig herzustellen, in Verkehr zu bringen oder

feilzuhalten").

ob fie im Jnlande oder Auslande erfolgt, muß die offenkundige Benutzung, um die Neuheit auszuschließen, im Jnlande stattgefunden haben. Offenkundige Benutzung liegt in der offenkundigen Herstellung eines Gegenstandes, auch ohne daß ein Vertrieb desselben stLaefunden hat, P.A. v. 11. Nov. 1880, P.Bl. 1881 6. 128 ;

umgekehrt aber auch in dem Verkauf einer größeren Anzahl von Maschinen, selbst wenn die Eigenthümlichkeit der Konstruktion nicht für Jedermann ohne weiteres erkennbar war; P.A. v. 22. Jan. 1880, P.Bl. 1881 S. 73. Ferner stellt die Versendung von Zeichnungen und Cirkularen (R.G. I v. 27. Ort. 1880, P.Bl. 1881 S. 16), die Schaustellung einer Erfindung auf einer Aus­ stellung (P.A. v. 29. Mai 1879, P.Bl. S. 499) eine offenkundige Benutzung dar, welche die Neuheit au-schließt, wenn fie eine Benutzung durch andere Sachverständige ermöglicht. Die Auslegung der Patentanmeldung nach §. 23 Ges. ist dagegen keine Benutzung (s. die in der vor. Anm. angeführten Entscheidungen des P.A. v. 11. Nov. 1880 und des R.G. v. 20. Mai 1881). Einzelne Versuche, namentlich im umschloffenen Raume, Proben der Leistungsfähigkeit, Verkauf weniger Exemplare, Mittheilungen an einzelne Personen, insbesondere solche unter gleichzeitiger Ausbedingung der Geheimhaltung, stellen keine offenkundige Benutzung dar: P.A. v. 15. Aug. 1878, v. 11. Dez. 1879, v. 19. Aug., 30. Sept., 28. Ott., 9. Dez. 1880, v. 6. Jan., 9. Juni 1881, P.Bl. 1878 S. 283, 1880 S. 193, 1881 S. 19, 116, 151, 143, 203, 223 ; R.G. v. 16. Ott. 1880, P.Bl. S. 193, und R.G. I v. 26. Jan. 1884, P.Bl. S. 101 (Annal. 9 S. 430). 7) H. D. h. die Erfindung muß. in allen wesentlichen Theilen erkennbar sein; es müssen nicht nur der Erfolg, sondern auch die Mittel, denselben hervorzubringen, offenkundig geworden sein. R.G. I v. 3 Juli 1880, P.Bl. S. 163 (Annal. 2 S. 365); II v. 1. Febr. 1881, P.Bl. S. 95 (Entsch. 3 S. 85). — Es genügt aber die Möglichkeit des Bekanntwerdens (wenn auch nicht durch den bloßen Augenschein, so doch durch eine Untersuchung); die wirklich erlangte Kenntniß wird nicht erfordert. R.G. I v. 17. Jan. 1880, Entsch. 1 S. 42. — Darauf, wie die Erfindung offenkundig geworden ist, ob mit Willen oder sogar gegen den Willen des Erfinders, kommt nichts an; die Thatsache der Beschreibung bez. Benutzung genügt zum Ausschluß der Neuheit. P.A. v. 18. Mai 1880, P.Bl. S. 189; und (nach älterem Recht) O.B.G. v. 31. Ott. 1877, P.Bl. S. 73. 8) H. Darüber, daß ein dem §. 3 Abs. 1 zuwider ertheiltes Patent im Nichtigkeitsverfahren dieses Gesetzes nicht anfechtbar ist, vgl. Anm. 24 zu §. 10. 9) H. Frühere Anfertigung ohne frühere Benutzung giebt kein Recht zur Einspruchserhebung, sondern, schließt nur die Wirkung des Patents nach §. 6 aus. P.A. v. 16. Aug. 1878, P.Bl. S. 288. Hat der Erfinder bei der Erfindung im Auftrage eines Anderen gehandelt, so steht ihm kein Einspruch gegen die von letzterem nachgesuchte Patentertheilung zu. P A. v. 26. Mai 1882, P.Bl. 1888 S. 189. Die bloße Thatsache, daß eine Erfindung im Auslande patentirt ist, hindert die Ertheilung eine- Patents im Jnlande nicht. P.A. v. 8. Mai 1879, P.Bl. S. 649. 10) H. Bon Amtswegen hat das Patentamt neben der Prüfung der Neuheit nicht noch zu prüfen, ob eine Erfindung bereits patentirt ist ; R.G. I v. 24 Nov. 1884, P.Bl. 1885 S. 21. Dagegen s. Rommel, a. a. O. S. 23. Vgl. auch Dambach S. 16, Kohler S. 136, Gareis S. 791, Rosenthal S. 104. Ueber die sog. Abhängigkeitspatente s. Anm. 18 zu §. 7. 11) H. Zur Herstellung ist nicht nothwendig eine vollständige Nachbildung der Erfindung, es genügt eine Reproduktion in wesentlichen Theilen. R.G. I v. 9. April 1884, P.Bl. S. 226. Bloßes Kopiren der Zeichnungen, welche einem Patente zu Grunde liegen, ist dagegen keine Zuwiderhandlung gegen §. 4. R.G. I v. 25. Febr. 1884, P.Bl. S. 156. Ueber einen Fall, wo die Angeklagten den Gegenstand einer in Deutschland patentirten Erfindung im Auslande herstellten, dann nach Deutschland kommen ließen, hier auf Lager nahmen.

Patentgesetz vom 25. Mai 1877.

799

Bildet ein Verfahren, eine Maschine oder eine sonstige Betriebsvorrichtung, ein Werkzeug

oder ein sonstiges Arbeitsgeräth den Gegenstand der Erfindung1?), so hat das Patent außerdem

die Wirkung, daß niemand befugt ist, ohne Erlaubniß des Patentinhabers das Verfahren an­ zuwenden oder den Gegenstand der Erfindung zu gebrauchen.

§. 5.

Die Wirkung des Patentes tritt gegen denjenigen nicht ein"), welcher bereit- zur

Zeit der Anmeldung ") des Patentinhabers im Jnlande die Erfindung in Benutzung genommen ") oder die zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen") getroffen hatte. Die Wirkung des Patentes tritt ferner insoweit nicht ein, alS die Erfindung nach Besttmmung des Reichskanzlers für das Heer oder für die Flotte oder sonst im Interesse der öffent­

lichen Wohlfahrt benutzt werden soll.

Doch hat der Patenttnhaber in diesem Falle gegenüber

dem Reich oder dem Staat, welcher in seinem besonderen Interesse die Beschränkung des Patente-

beantragt hat, Anspruch auf angemessene Vergütung, welche in Ermangelung einer Verständigung im Rechtswege festgesetzt wird. Auf Einrichtungen an Fahrzeugen, welche nur vorübergehend in das Inland gelangen, erstreckt sich die Wirkung des Patente- nicht.

§. 6.

Der Anspruch auf Ertheilung des Patentes und das Recht auS dem Patente gehen

umpackten und hierauf nach dem Auslande versandten, vgl. R.G. III Str.S. v. 3. April 1884, Entsch. in Straff. 10 S. 349; in diesem Gebühren wurde eine Patenttechtsverletzung gefunden. 12) H. Es ist denkbar, daß ein Patent auf das Verfahren, ein andere- für die »u dem­ selben erforderlichen Apparate, oder ein Patent auf eine Vorrichtung, ein andere- auf die zu deren Herstellung bestimmte Maschine neben einander bestehen. R.G. I v. 2. Mär- 1881, Entsch. 3 S. 165 ; v. 21. Mai 1883, Entsch. 9 S. 128 (P.Bl. S. 247). In dem ersteren Urtheile hat das R.G. dem auf ein Verfahren zur Entfernung deS Rikottns aus dem Taback patentirten Inhaber einer Fabrik auf Klage eines auf einen dem gleichen Zwecke dienenden Apparat patentirten Inhabers einer anderen Fabrik die Befugniß abgesprochen, sich alS „einzige" Fabrik zu dem gedachten Zwecke zu bezeichnen. Anderersetts hat aber daS R.G. IV Str.S. v. 27. Mai 1884, Annal. 10 S. 272, in dem Feilhalten von Apparaten zur Au-Übung eines patenttrten Verfahrens eine Verletzung des Patentrechts gefunden. 13) H. Auch nicht gegen denjenigen, welcher von dem früheren Benutzer die patenttrten Gegenstände re. erworben hat bez. dieselben «eiter vertreibt. R.G. II v. 9. Jan. 1888, P vl. S. 93; III Stt.S. v. 4. Febr. 1882; II Str.S. v. 4. März 1882, Entsch. in Straff. 6 S. 10, 107 (P.Bl. 1882 S. 63). Das Benutzungsrecht aus §. 5 Abs. 1 ist übertragbar, Alexander-Katz, P.Bl. 1879 S. 372. Der frühere Benutzer ist zur ferneren Benutzung nicht nur in dem Umfange befugt, in welchem er die Erfindung zur Zeit der Anmeldung feiten- des Patenttnhaber- benutzt hat, sondern kann den Betrieb auch auSdehnen. R.G. III Stt.S. v. 4./7. Jan. 1883, Entsch. 5 S. 362 ; II Stt.S. v. 4. März 1882, Entsch. in Straff. 6 S. 107 (P.Bl. 1882 S. 68). Anders (beschränkter) ist die analoge Bestimmung i* §. 44. Alexander-Katz, P.Bl. 1879 S. 370. Vgl. Anm. 78 zu §. 44. Entscheidend ist der thatsächliche Befitzstand; ob die frühere Benutzung eine redliche «ar, ist für den Nichteintritt der Wirkungen des Patents — unbeschadet der civilrechtlichen Bezie­ hungen zwischen dem Erfinder und dem Benutzer — gleichgülttg. Alexander-Katz, P.Bl. 1879 S. 370. Ueber den Nichteintritt der Wirkungen eines Patents aus dem in §. 5 Abs. 1 angegebenen Grunde entscheiden lediglich die ordentlichen Gerichte, der älttre Benutzer kann nicht m Dem in diesem Gesetz geordneten Nichttgkeits-Verfahren einen Ausspruch des Patentamtes dahin, daß ihm die Benutzung gestattet sei, verlangen. R.O.H.G. I v. 10. Dez. 1878, P.Bl. 1879 S. 17; Sers. deS P.A. v. 7. Febr. 1878, P.Bl. S. 51.

14) D. h. einer formgerechten Anmeldung. Ist die Anmeldung vom Patentamt wegen Formmangels beanstandet, nachher berichttgt wiederholt, so ist nicht der Zeitpuntt der ersten Anmeldung maßgebend; R.G. I Stt.S. v 8. Jan. 1883, Entsch. 7 S. 414 (Rechtfpr. 5 S. 18, Anal. 7 S. 133). 15) H. 8. 5 Abs. 1 setzt eine eigene und selbstständige, für eigene Zwecke und in eigenem e erfolgte Benutzung bez. die Veranstaltung zu solcher Benutzung der Erfindung vorcht fällt unter die Vorschrift z. B. eine Benutzung rc. durch den Angestellten im Auftrage des 'Dienstherrn. R.G. II Stt.S. v. 1. Mai 1885, P.Bl. S. 177.

«

16) H. Darunter fällt auch die Ferttgstellung von Modellen. NG. I v. 28. Nov. 1888, Entsch. 10 S. 94 (Gruchot 28 S. 1123).

800

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§. 400 (Zusätze).

auf die Erben über. Der Anspruch und das Recht können beschränkt oder unbeschrankt durch Vertrag oder durch Verfügung von TodeSwegen auf Andere übertragen werben17). §. 7. Die Dauer deS Patentes ist fünfzehn Jahres der Lauf dieser Zeit beginnt mit dem auf die Anmeldung der Erfindung folgenden Tage. Bezweckt eine Verbindung die Berbefferung einer anderen, zu Gunsten des Patentsuchers durch ein Patent geschützten Erfindung, so kann dieser die Ertheilung eine- Zusatzpatentes18) nachsuchen, welches mit dem Patente für die ältere Erfindung sein Ende erreicht.

17) H. Das Patentrecht ist auch Gegenstand der Zwangsvollstreckung und kann als Bestandtheil der Konkursmasse veräußert werden. Der frühere Patentinhaber ist in einem solchen Falle nicht zur weiteren Benutzung auf Grund des §. 5 Abs. 1 befugt. R.O.H.G. III v. 20. Sept. 1877, Entsch. 23 S. 333 (älteres Recht); R.G. I Str.S. v. 9. Rov. 1882, Entsch. in Straff. 7 S. 399. 18) H. Ueber Zusatzpatente vgl. Neuling im P.Bl. 1883 S. 451. — DaS PA. v. 30. ©ept 1880 (PBl. 1881 S. 199) hat die Natur der Zusatzpatente in folgender Weise definirt: „DaS Zusatzpatent bezweckt den Schutz einer Erfindung, welche eine andere, zu Gunsten des Patentsuchers schon durch ein Patent geschützte Erfindung verbessern soll; es erklärt die neue, verbessernde Erfindung zu einem Theile der älteren bereits patentirten Erfindung dergestalt, daß beide — die Verbesserung des Zusatzpatents und der Inhalt des Hauptpatents — nur Einen Gegenstand ausmachen; gleich als ob vonvornherein für beide Erfindungen nur Ein Patent nachgesucht und ertheilt wäre." Aus der Einheit beider Patente folgt, daß die Aus­ führung des Zusatzpatents auch das Hauptpatent gegen Zurücknahme aus K. 11 Rr. 1 schützt Neuling a. a. D. S. 456, und daß das Zusatzpatent nicht selbstständig veräußerlich ist, Röhler S. 262 f.; a. M. Rosenthal S. 149. Immerhin aber ist das Zusatzpatent nicht bloß eine Modifikation des Hauptpatents, sondern ein neues, selbstständiges Patent; daraus folgt, daß die Verbesserung sich als neue, selbstständige Erfindung darstellen muß. Schreiben des Vorsitzenden des P.A. v. 7. Mai 1878, P.Bl. S. 105; daß ferner ein Zusatzpatent nach §. 10 Rr. 1 verb. m. §. 2 für nichtig erklärt werden kann, wenn sein Gegenstand bereits in der ver­ öffentlichten Patenschrift des Hauptpatents beschrieben war, R.G. I v. 28. Juni 1884, P.Bl. S. 293, und daß die Nichtigkeitserklärung des Hauptpatens das Zusatzpatent unberührt läßt. Neuling a. a. O. S. 454; a. M. Rosenthal S. 149, Kohler S. 265 f. — Das durch den Patentertheilungsbeschluß gegebene zusätzliche Verhältniß eines Patents zu einem anderen kann im Wege des Nichtigkeitsverfahrens nicht angefochten werden; P.A. v. 20. Juli 1883, P.Bl. 1884 S. 211. — Die Anmeldung eines Zusatzpatents kann auch erfolgen, wenn zwar die Frist für die Abänderung einer Patentanmeldung (§. 20 Abs. 3) bereits abgelaufen ist, im Uebrigen aber das Verfahren über Ertheilung des Hauptpatents noch schwebt. Sollte demnächst letzteres versagt werden, so hat daS P.A. zu prüfen, ob statt des Zusatzpatents ein selbstständiges Patent auf die Berbefferung ertheilt werden kann. Schr. des Vorsitzenden des P.A. v. 7. Mai 1878 (P.vl. S. 106). Verschieden vom Zusatzpatent ist das Zusammensetzungspatent, d. h. eine Patentirung auf eine sich als neue Erfindung darstellende Kombination bekannter Vorrichtungen re. (vgl. Anm. 2 zu §. 1). Dasselbe besteht zu Recht, auch wenn bie einzelnen Theile bereits bekannt waren; eS lchützt nicht die selbstständige Benutzung rc. der einzelnen Theile ; P.A. v. 15. April 1880, P.Bl. S. 181. Das Zusatzpatent setzt Identität des Patentsuchers mit dem Inhaber des Hauptpatents (vgl. über diese Identität Kohler S. 257ff., Rosenthal S. 147ff.) voraus. Ist ver Erfinder einer Berbefferung zu einem Patente ein anderer, als der Inhaber dieses Patents (auch der Lieenzträger, d. h. derjenige, welchem nicht das Patentrecht, sondern nur die Befugniß zur Be­ nutzung der Erfindung vom Patentinhaber übertragen ist, ist in diesem Sinne ein Dritter), so ist zwar die Berbefferung, wenn sie sich als neue Erfindung darstellt, patentfähig, aber ihre Aus­ beutung ist nur dann möglich, wenn der Inhaber des Hauptpatents die Genehmigung dazu ertheilt. Das P.A. erklärt in solchen Fällen das neue Patent für „abhängig" von dem Hauptpatent, es hat auch im Nichtigkeitsverfahren, statt das Verbesserungspatent theilweise zu vernichten, eine solche Abhängigkeitserklärung ausgesprochen, wenn das letztere Patent eine Be­ deutung als ganz selbstständige neue Erfindung an sich nicht hatte, wohl aber eben die Ver­ besserung einer patentirten Erfindung den Charakter der Neuheit an sich trug. Auch der II. C.S. des R.G (v. 20. März 1883, P.Bl. S. 172) hat ein Patent im Nlchtigkeitsverfahren für abhängig von einem anderen erklärt, der 1. Str.S. des R.G. (v. 29. Sept. 1883, Annal. 8 S. 408) die rechtliche Zulässigkeit der Abhängigkeitspatente in ausführlicher Be­ gründung anerkannt. Dagegen hat der L CS. des R.G. (v. 11. April 1883, P.Bl. S. 217) eine AbhängigkeitSerklärung zunächst im Nichtigkeitsverfahren für unstatthaft erachtet, und ist bei dieser Ansicht, ttotzdem das P.A. bei seiner Praxis verharrte (s. Entsch. v. 17. Aug. 1883, P.Bl.

Patentgesetz vom 25. Mai 1877.

t§. 8.

801

Für jedes Patent ist bei der Ertheilung eine Gebühr von 30 Mark zu entrichten"').

Mit Ausnahme der Zusatzpatente (§. 7)20) ist außerdem für jedes Patent mit Beginn des

zweiten und jeden folgenden Jahres der Dauer eine Gebühr zu entrichten, welche das erste Mal

50 Mark beträgt und weiterhin jedes Jahr um 50 Mark steigt. Einem Patentinhaber, welcher seine Bedürftigkeit nachweist, können die Gebühren für das erste und zweite Jahr der Dauer des Patentes bis zum dritten Jahre gestundet und, wenn das

Patent im dritten Jahre erlischt, ertasten werden2'). §. 9.

Das Patent erlischt, wenn der Patentinhaber auf dasselbe verzichtet, oder wenn die

Gebühren nicht spätestens drei Monate nach der Fälligkeit gezahlt werden22). §. 10.

Das Patent wird für nichtig erflärt2*), wenn sich ergiebt"):

405) nicht^ nur verblieben (R.G. I v. 9. Juni 1884, P.Bl. 1885 S. 19, Entsch. 12 S. 123,

Annal. 10 S. 500 — in sehr gewundener Weise wird ein Widerspruch mit dem II. C.S. ge­ leugnet, das Urtheil des I. Str.S. gar nicht erwähnt), sondern hat sie später (R.G. I v. 24. Nov. 1884, Entsch. 12 S. 125, P.Bl. 1885 S. 20) dahin erweitert, daß jede Abhängigkeitserklärung, auch eine solche im Ertheilungsversahren, und somit das Institut der Abhängigkeitspatente überhaupt für gesetzlich nicht begründet erklärt wird. Das Verhältniß zweier Patente zu ein­ ander festzustellen, sei mit Ausnahme des Falles der Zusatzpatente ausschließlich Sache der ordentlichen Gerichte; das P.A. habe nur Patente zu ertheilen oder zu versagen, nicht sie an Bedingungen zu knüpfen. Die Praxis des P.A. wird mit der wirtschaftlichen Nothwendigkeit der „Abhängigkeitspatente" vertheidigt von Rommel im P.Bl. 1885 S. 23. Allein das Institut hat im Gesetz selbst nicht den mindesten Anhalt; seine (übrigens von anderer Seite bestrittene) Nützlichkeit allein vermag es nicht zu rechtfertigen. Vgl. Gar eis und Laubenheimer in Busch, Arck. f. Handelsr. 46 S. 94 ff. 19) H. Ueber die Entrichtung der Patentgebühren vgl. die Bekanntm. des P.A. v. 11. Juli 1877 und 18. Febr. 1879 (P.Bl. 1877 S. 9, 1879 S. 79). 20) H. Zusatzpatente find, die Berichtigung der ersten Jahresgebühr von 30 Mark vor­ ausgesetzt , von weiteren Jahresgebühren frei. Bekanntmachung des P.A. v. 25. Nov. 1880 (P.Bl. S. 226). 21) H. vgl. Bekanntm. des P.A. v. 23. Dez. 1879 (P.Bl. S. 665). 22) H. Die Nichtigkeitserklärung kann auch bezüglich eines durch Nichtzahlung der Ge­ bühren nach §. 9 erloschenen Patents stattfinden. R.O.H.G. I v. 6. Mai 1879, Entsch. 25 S. 109. 23) H. Auch eine theilweise Nichtigkeitserklärung ist zulässig. R.O.H.G. I v. 27. Mai 1879, Entsch. 25 S. 186. Ueber die Unterschiede einer solchen von einer, unter Zurückweisung des Antrags auf Vernichtung, in der Entscheidung ausgesprochenen bloßen einschränkenden Aus­ legung eines älteren Patents vgl. R.G. I v. 14. Febr. 1880, Entsch. 1 S. 301. Während P.A. v. 15. Aug. J878, v. 19. Aug. und 30. Sept. 1880, P.Bl. 1878 S. 263, 1881 S. 19, 115 für den Fall der Nr. 1 dieses §. die Berechtigung zur Erhebung der -läge Jedermann zuspricht, läßt das letztangeführte Urtheil des R.O.H.G. diese Frage offen, erklärt aber jedenfalls nicht bloß den Verletzten, sondern jeden Jnterestenten für klageberechtigt. Im Falle der Nr. 2 ist dies jedenfalls nur der Verletzte. Vgl. Anm. 27 zu Nr. 2. 24) H. Die beiden Nichtigkeitsgründe des §. 10 sind die einzigen im Gesetze anerkannten; daher ist Nichtigkeitserklärung nicht zulässig: a) wegen Unklarheit der Ansprüche bez. Unvoll­ kommenheit der Patentbeschreibung, P.A. v. 15. Aug. 1878 u. 20. Juli 1882, P.Bl. 1879 S. 31, 1884 S. 211; b) weil ein Anderer die gleiche Erfindung früher angemeldet hatte; denn §. 10 Nr. 2 weist nur auf §. 3 Abs. 2, nicht auch auf §. 3 Abs. 1 zurück. P.A. v. 8. Mai u. 18. Sept. 1879, P.Bl. S. 649, 656; R.G. II v. 28. April 1882, Entsch. 7 S. 62 (P.Bl. S. 71). Die Rechte verschiedener Personen, welche gemeinsam eine Erfindung gemacht haben, gegen

einander abzugrenzen, ist gleichfalls nicht Aufgabe des Nichtigkeitsverfahrens, sondern des ordent­ lichen Rechtsweges, P.A. v. 14. Juli 1879, P.Bl. S. 475. Ebenso wenig ist im Nichtigkeitsverfihren, sondern im ordentlichen Prozeßwege über die Kollision zweier angeblich für dieselbe Er­ findung ertheilter Patente zu entscheiden; Klostermann, P.Bl. 1882 S. 17. Die Beweislast für die Nichtigkeitsgründe trifft den Kläger. R.G. v. 27. Sept. 1880, H.Bl. 1881 S. 23. Die beiden Klagegründe des §. 10 Nr. 1 und Nr. 2 sind derart selbstständig, daß eine Ersetzung des einen ursprünglich geltend gemachten eine Klageänderung darstellt und nur nach Naßgabe der Vorschriften der C.P.O. (§. 235 Nr. 3, §§. 241, 489) zulässig ist ; P.A. v. 14. Juni u. v. 14. Okt. 1880, P.Bl. 1880 S. 265, 1881 S. 119 ; R.G. I v. 24. Jan. 1880, Annal. 1. S. 325 (P.Bl. S. 54). , Das Reckt auf Nichtigkeitserklärung wird durch Abweisung des Antrags nicht in der Weise kinsumirt, daß die einmalige rechtskräftige Zurückweisung den Anttagsteller hinderte, den Anttag auf Grund neuer Thatsachen zu wiederholen.

Koch, Allgemeines Landrecht. III. 8. Aufl.

P.A. v. 19. Aug. 1880, P.Bl. 1881 S. 19.

51

802

Zweiter Theil.

Achter Titel.

8- 400 (Zusätze).

1. daß die Erfindung nach ZK. 1 und 2 nicht patentfähig war2&), 2. daß der wesentliche Inhaltae) der Anmeldung den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Geräthschasten oder Einrichtungen eines Anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne EinwMgung desselben entnommen roctr27). §. 11. DaS Patent kann nach Ablauf von drei Jahren -urückgenommen werden: 1. wenn der Patentinhaber eS unterlaßt, im Jnlande die Erfindung in angemessenem Umfange zur Ausführung zu bringen, oder dochs Alles zu thun, was erforderlich ist, um diese Aus­ führung zu fichern *8); 2. wenn im öffentlichen Interesse28)29die 30 Ertheilung der Erlaubniß zur Benutzung der Erfindung an Andere geboten erscheint, der Patentinhaber aber gleichwohl sich weigert, diese Erlaubniß gegen angemessene Vergütung und genügende Sicherstellung zu ertheilen88).

26) H. Dies trifft zu, wenn der Gegenstand des Patents eine der Hauptsache nach bereits bekannte Konstruktion darstellt und die Unterschiede von dem Bekannten nicht deutlich hervor­ gehoben find; unwesentliche Aenderungen der bekannten Konstruktion können nicht nachträglich tm Nichtigkeitsverfahren zudr selbstständigen Inhalte des Patents erklärt werden. P.A. v. 11. Nov. 1880, P.Bl. 1881 S. 131. Die Gründe der mangelnden Patentfähigkeit sind nicht in der Weise, wie die beiden Nichtigkeitsgründe des §. 10- selbstständige Klagegründe, daß nicht im Nichtigkeitsverfahren, z. B. wenn ursprünglich Nichtigkeit wegen Bekanntgebung durch öffentliche Druckschriften be­ hauptet war, der Antrag auf Nichtigkeitserklärung nachträglich auf früher offenkundige Be­ nutzung gestützt werden könnte. Das P.A. hat sogar, wenn mangelnde Patentfähigkeit behauptet ist, diesen Mangel von Amtswegen zu untersuchen ; es kann, obwohl der Antrag aus offen­ kundige Benutzung gestützt war, wegen Beschreibung in öffentlichen Druckschriften vernichten und umgekehrt. R.G. I v. 12. Mai 1880, Annal. 2 S. 78 (P.Bl. S. 105). 26) H. Genaue Uebereinstimmung ist nicht erforderlich. R.G/ II v. 12. Mai 1882, Annal. 5 S. 528. 27) H Nachdem einmal, sei es auch gegen das Versprechen eines Entgelts, die Einwilligung zu einer Patentanmeldung vom Erfinder einem Dritten gegeben war, kann durch Zurücknahme dieser Einwilligung nach der Patentertheilung nicht nachträglich die Voraussetzung des §. 10 Nr. 2 für die Nichtigkeitsklage begründet werden. P.A. v. 12. Ott. 1882, P.Bl. 1883 S. 53. ES ist einerlei, auf welche Weise berjenige, der das Patent erwirkt hat, in den Besitz der Kenntniß von der Erfindung gelangt ist; insbesondere braucht dies nicht widerrechtlich (vi, clam, precario) geschehen zu sein, sondern es kann z. B. die Mittheilung eines Dritten dre Kenntniß vermittelt haben. Der Andere, von dem der Inhalt der Anmeldung entlehnt ist, braucht auch nicht die Anmeldung untersagt zu haben, vielmehr schließt nur der Nachweis seiner ausdrück­ lichen EinwMgung die Anwendung des §. 10 Nr. 2 aus. — Kläger kann jeder Verletzte sein, nicht bloß der Erfinder, nicht bloß der Eigenthümer des Apparats rc., von welchem der Inhalt der Anmeldung entnommen war. RG. 1 v. 23. Ott. 1880, Entsch. 3 S. 137 (P.Bl. 1881 S. 32); P.A. v. 29. Sept. 1881, P.Bl 1882 S. 26. 28) H. Ueber den Unterschied der beiden Rücknahmegründe und über die Substanziirung deS Rücknahmeantrags im Falle der Nr. 1 vgl. R.G. I v. 27. Juni 1883, Entsch. 9 S. 132 (P.Bl. S. 329). Nr. 1 verlangt nur Ausführung im Wesentlichen; unwesentliche Abweichungen der Aus­ führung von der Patenteriheilung kommen nicht in Betracht. R.G. I v. 12. Nov. 1883; P.A. v. 15. Mai 1884, P.Bl. 1884 S. 26, 321. Liegt die wesentliche Bedeutung einer geschützten Vor­ richtung für das Inland vornehmlich in der Anwendung und nicht in der Herstellung derselben, so erscheint die Zurücknahme des Patents nur um deswillen, weil die Herstellung im Jnlande in beschränktem Umfange erfolgt ist, nicht als gerechtfertigt. S. die angef. Entsch. d. P.A. Weist der Patenttnhaber die vor Stellung des Antrags auf Rücknahme des Patents, wenn auch nach einer mehr als dreijährigen Unthätigkeit erfolgte Ausführung der Erfindung nach, so ist der Antrag zurückzuweisen. P.A. v. 2. Nov. 1882, P.Bl. 1883 S. 74. Das P.A. hat es mit Recht abgelehnt, amtliche Atteste darüber auszustellen, ob die Aus­ führung einer patentirten Erfindung innerhalb der ersten drei Jahre des Bestehens des Patents in Deutschland erfolgt ist. Verfügung des Vorsitzenden v. 23. März 1880, P.Bl. S. 73. 29) H. Nicht in einem Privatintereffe, welches lediglich darin liegt, daß die Befugniß zur Benutzung der patenttrten Erfindung von einer vielleicht hohen, aber nicht unangemessenen Ver­ gütung abhängig gemacht wird, und daß die Existenz des Patents mit einer Belästigung für andere Fabrikanten verknüpft ist. P.A. v. 19. Okt. 1882, P.Bl. 1883 S. 73. 30) H. Zur Begründung des Zurücknahmeantrags aus §. 11 Nr. 2 muß nachgewiesen werden: daß die Erlaubniß unter dem Angebot einer angemessenen Vergütung und genügenden Sicherstellung

Patentgesetz vom 25. Mai 1877.

803

§. 12."). Wer nicht im Jnlande wohnt, kann den Anspruch auf die Ertheilung eines Patentes und die Rechte aus dem letzteren nur geltend machen, wenn er im Jnlande einen Vertreter bestellt hat. Der letztere ist zur Vertretung in dem nach Maßgabe dieses Gesetzes stattfindenden Verfahren, sowie in den das Patent betreffenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten befugt b-). Für die in solchen Rechtsstreitigkeiten gegen den Patentinhaber anzustellenden Klagen ist das Gericht zuständig, in deffen Bezirk der Vertreter seinen Wohnfitz hat, in Ermangelung eines solchen daS Gericht, in deffen Bezirk das Patentamt seinen Sitz hat.

Zweiter Abschnitt.

Patentamt.

§. 13.

Die Ertheilung, die Erklärung der Nichtigkeit und die Zurücknahme der Patente

erfolgt durch das Patentamt. Das Patentamt hat seinen Sitz in Berlin. Es besteht aus mindestens drei ständigen Mit­ gliedern, einschließlich des Vorsitzenden"), und aus nicht ständigen Mitgliedern. Die Mitglieder werden vom Kaiser, die übrigen Beamten vom Reichskanzler ernannt. Die Ernennung der ständigen Mitglieder erfolgt auf Vorschlag des Bundesraths, und zwar, wenn sie im Reichs­ oder Staatsdienste ein Amt bekleiden, auf die Dauer dieses Amtes, anderen Falls auf Lebens­ zeit; die Ernennung der nicht ständigen Mitglieder erfolgt auf fünf Jahre. Von den ständigen Mitgliedern müssen mindestens drei die Befähigung zum Richteramte oder zum höheren Ver­ waltungsdienste besitzen, die nicht ständigen Mitglieder müssen in einem Zweige der Technik sachverständig sein. Auf die nicht ständigen Mitglieder finden die Bestimmungen in §. 16. des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältniffe der Reichsbeamten, vom 31. März 1873") keine An­

wendung. §. 14. Das Patentamt besteht aus mehreren Abtheilungen. Dieselben werden im voraus auf mindestens ein Jahr gebildet. Ein Mitglied kann mehreren Abtheilungen angehören. Die Beschlußfähigkeit der Abtheilungen ist, wenn es sich um die Ertheilung eines Patentehandelt, durch die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern bedingt, unter welchen sich zwei

nicht ständige Mitglieder befinden müssen. Für die Entscheidung über die Erklärung der Nichtigkeit und über die Zurücknahme von Patenten wird eine besondere Abtheilung gebildet. Die Entscheidungen derselben erfolgen in der Besetzung von zwei Mtgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, welche die Befähigung -um Richter­ amte oder zum höheren Verwaltungsdienste besitzen, und drei sonstigen Mitgliedern. Zu anderen Beschlüssen genügt die Anwesenheit von drei Mitgliedern. Die Bestimmungen der Civilprozeßordnung über Ausschließung und Ablehnung der Gerichts­ personen finden entsprechende Anwendung"). Zu den Berathungen können Sachverständige, welche nicht Mitglieder sind, zugezogen werden; dieselben dürfen an den Abstimmungen nicht Theil nehmen. §. 15. Die Beschlüsse und die Entscheidungen der Abtheilungen erfolgen im Namen des Patentamtes; sie sind mit Gründen zu versehen, schriftlich auszufertigen und allen Betheiligten

von Amtswegen zuzustellen.

nachgesucht; — daß sie von dem Patentinhaber verweigert worden; — sowie endlich, daß die Ertheilung der Erlaubniß gerade an den darum Nachsuchenden (nicht daß sie überhaupt und allgemein) im öffentlichen Jntereffe geboten gewesen wäre. P.A. v. 7. Febr. 1883, P.Bl. S. 193. 31) H. Zu §. 12 vgl. Rosenthal im P.Bl. 1880 S. 116 ff. 32) H. Aber nicht in der Art, daß er jedes Handeln de- Patentinhabers ausschlösse. Letzterer kann -. B. den Strafantrag selbst stellen. R.G. III Str.S. v. 4. Febr. 1882, II Str.S. v. 24. März 1882, Entsch. in Straff. 6 S. 10, 119. 33) H. Der Vorsitzende führt den Titel „Präsident". Allerh. Erl. v. 26. Okt. 1882 (P.Bl. S. 93). 34) H. S. Zusatz 10 zu II. 10 §. 69. 35) H. Vgl. §§. 41—49 C.P.O.

Zweiter Theil.

804

Achter Titel.

§. 400 (Zusätze).

Zustellungen, welche den Lauf von Fristen bedingen, erfolgen durch die Post mittels ein­ geschriebenen Briefes gegen Empfangschein.

Kann eine Zustellung im Inlande nicht erfolgen,

so wird sie von den damit beauftragten Beamten des Patentamtes durch Aufgabe zur Post nach

Maßgabe der §§. 161, 176 der Civilprozeßordnung bewirkt. Gegen die Beschlüsse deS Patentamtes findet die Beschwerde statt. §. 16.

Wird der Beschluß einer Abtheilung des Patentamtes im Wege der Beschwerde

angefochten, so erfolgt die Beschlußfassung über diese Beschwerde durch eine andere Abtheilung oder durch mehrere Abtheilungen gemeinsam.

An der Beschlußfassung darf kein Mitglied theilnehmen, welches bei dem angefochtenen Be­

schlusse mitgewirkt hat.

§. 17.

Die Bildung der Abtheilungen, die Bestimmung ihres Geschäftskreises, die Formen

deS Verfahrens und der Geschäftsgang des Patentamtes werden, insoweit dieses Gesetz nicht Be­ stimmungen darüber trifft, durch Kaiserliche Verordnung unter Zustimmung des Bundesraths

geregelt-).

§. 18.

Das Patentamt ist verpflichtet, auf Ersuchen der Gerichte über Fragen, welche Patente

betreffen, Gutachten abzugeben.

Im übrigen ist dasselbe nicht befugt, ohne Genehmigung des

Reichskanzlers außerhalb seines gesetzlichen Geschäftskreises Beschlüsse zu fassen oder Gutachten

abzugeben87).

§. 19.

Bei dem Patentamte wird eine Rolle geführt, welche den Gegenstand

und die

Dauer der ertheilten Patente, sowie den Namen und Wohnort der Patentinhaber und ihrer bei Anmeldung der Erfindung etwa bestellten Vertreter angiebt38 * *).37 Der Anfang, der Ablauf, das Erlöschen, die Erklärung der Nichtigkeit und die Zurücknahme der Patente sind, unter gleich­

zeitiger Bekanntmachung durch den Reichsanzeiger, in der Rolle zu vermerken. Tritt in der Person des Patentinhabers oder seines Vertreters eine Aenderung ein39), so wird dieselbe, wenn sie in beweisender Form zur Kenntniß des Patentamtes gebracht ist40).

ebenfalls in der Rolle vermerkt und durch den Reichsanzeiger veröffentlicht.

So lange dieses nicht

geschehen ist, bleiben der frühere Patentinhaber und sein früherer Vertreter nach Maßgabe dieses

Gesetzes berechtigt und verpflichtet38).

Die Einsicht der Rolle, der Beschreibungen, Zeichnungen, Modelle und Probestücke, auf

Grund deren die Ertheilung der Patente erfolgt ist, steht, soweit es sich nicht um ein im Namen

der Reichsverwaltung für die Zwecke des Heeres oder der Flotte genommenes Patent handelt, jedermann frei. Das Patentamt veröffentlicht die Beschreibungen und Zeichnungen, soweit deren Einsicht

jedermann freisteht, in ihren wesentlichen Theilen durch ein amtliches Blatt.

In dasselbe sind

auch die Bekanntmachungen aufzunehmen, welche durch den Reichsanzeiger nach Maßgabe dieses

Gesetzes erfolgen müssen4').

86) H. S. Verordn, v. 18. Juni 1877, betr. die Einrichtung, das Verfahren und den Geschäftsgang des Patentamts: Zus. 7. 37) H. Diese Vorschrift ist nach §. 13 Nr. 1 Einf.Ges. zur C.P.O. durch die letztere un­ berührt geblieben; deren Vorschriften finden auf derartige Gutachten keine Anwendung. R.G. II v. 20. Dez. 1881, Entsch. 6 S. 337 (PBl. 1882 S. 73). Das DA. hat laut Bekanntm. v. 6. Jan. 1882 (P.Bl. S. 17) auf Grund des §. 18 seinen Beamten jede Auskunftertheilung und gutachtliche Aeußerung untersagt. 38) H. Ueber die rechtliche Bedeutung der Eintragung der Person des Patentinhabers in die Patentrolle vgl. Andre, P.Bl. 1879 S. 354 (für Dritte ist der Eintrag in die Rolle ausschließlich maßgebend, ohne Rücksicht auf guten Glauben; dagegen hat der Eintraa keinen Einfluß auf den Uebergang des Patenttechtes im Verhältniß zwischen den Kontrahenten) »Kohler S. 184 ff., 488; Rosenthal S. 236 f. 39) H. Die Einräumung des Rechts auf Benutzung der Erfindung ist keine Uebertragung des Rechts aus dem Patent und begründet keine Aenderung in der Person des Patentinhabers. Eine theilweise Uebertragung des Rechts aus dem Patent ist unzulässig. P.Bl. 1880 S. 161. 40) H. Außerdem ist (abgesehen von gerichtlichen Requisitionen) Antrag des bis­ herigen Patentinhabers erforderlich. Bekanntm. des PA. v. 18. Mai 1881 (P.Bl. S. 135).

Patentgesetz vom 25. Mai 1877.

805

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Patentsachen. §. 20. Die Anmeldung einer Erfindung behufs Ertheilung eines Patentes geschieht schriftlich bei dem Patentamte. Für jede Erfindung ist eine besondere Anmeldung erforderlich. Die An­ meldung muß den Antrag auf Ertheilung des Patentes enthalten und in dem Anträge dey Gegenstand, welcher durch das Patent geschützt werden soll, genau bezeichnen4'). In einer An­ lage ist die Erfindung dergestalt zu beschreiben, daß danach die Benutzung derselben durch andere Sachverständige möglich erscheint. Auch sind die erforderlichen Zeichnungen, bildlichen Dar­

stellungen, Modelle und Probestücke beizufügen 4S). Das Patentamt erläßt Bestimmungen über die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung"). Bis zu der Bekanntmachung der Anmeldung sind Abänderungen der darin enthaltenen Angaben zulässig45). Gleichzeitig mit der Anmeldung sind für die Kosten des Verfahrens 20 Mark zu zahlen. §. 21. Ist durch die Anmeldung den vorgeschriebenen Anforderungen nicht genügt, so ver­ langt das Patentamt von dem Patentsucher unter Bezeichnung der Mängel deren Beseitigung innerhalb einer bestimmten Frist. Wird dieser Aufforderung innerhalb der Frist nicht genügt, so ist die Anmeldung zurückzuweisen.. §. 22. Erachtet das Patentamt die Anmeldung für gehörig erfolgt und die Ertheilung eines Patentes nicht für ausgeschlossen, so verfügt es die Bekanntmachung der Anmeldung. Mit der Bekanntmachung treten für den Gegenstand der Anmeldung zu Gunsten des Patentsuchers einstweilen die gesetzlichen Wirkungen des Patentes ein (§§. 4, 5). Ist das Patentamt der Ansicht, daß eine nach §§. 1 und 2 patentfähige Erfindung nicht

vorliegt, so weist es die Anmeldung zurück. §. 23. Die Bekanntmachung der Anmeldung geschieht in der Weise, daß der Name deS Patentsuchers und der wesentliche Inhalt deS in seiner Anmeldung enthaltenen Antrages durch den Reichsanzeiger einmal veröffentlicht wird. Gleichzeitig ist die Anmeldung mit sämmtlichen

41) H. Dgl. a. über die Veröffentlichungen des Patentamts im Allgemeinen P.Bl. 1885 S. 1, 2 ; b. über den Bezug der Patentschriften durch die Post die Bekanntm. des P.A. v. 6. und 13. Okt. 18i)3 (P.Bl. S. 385, 395). Nachdruck ausgelegter Patentbeschreibungen fällt unter die Besttmmungen in §. 7 Buchst, a des Ges. v. 11. Juni 1870 (Zus. 25 zu I. 11 §. 1036); R.O.H.G. v. 18. Febr. 1879, Entsch. 25 S. 74; Berf. des Vorsitzenden des P.A. v. 5. Juli 1879, P.Bl. S. 445; dagegen ist der Nach­ druck der Patentanmeldungen, der über solche erlassenen Bekanntmachungen und der amtlichen Patentschriften gestattet. Dambach, P.Bl. 1878 S. 71. 42) H. Der Antrag heißt der Patentanspruch; vgl. darüber die Abhandlungen von Hartig: die Formulirung der Ansprüche in den deutschen Patentschriften und der wesentliche Inhalt mechanisch-technischer Erfindungen, P.Bl. 1881 S. 136; das Erfindungsobjekt als technologische Einheit, P.Bl. 1882 S. 49; zur Formulirungstechnik in Patentsachen, P.Bl. 1885 S. 63. An sich gelten nicht alle in der Patentschrift beschriebenen Theile eines Apparates ohne weiteres als patentirt, entscheidend ist vielmehr der Patentanspruch, R.O H.G. v. 6. Mai 1879, Entsch. 25 S. 109. Wenn jedoch der Patentanspruch an sich genügend klar aus der Patent­ beschreibung nebst Zeichnungen sich ergiebt, erscheint es unerheblich, wenn er nicht außerdem noch besonders formulirt wurde, R.G. II v. 10. Mai 1881, P.Bl. S. 201. Der allgemeine Vorbehalt, an einer Erfindung Aenderungen und Verbesserungen anzubringen, in dem Sinne, daß auch solche mögliche Verbesserungen rc. den Schutz des Patentes erlangen sollen, ist unzu­ lässig. P.A. v. 30. Dez. 1878, P.Bl. 1879 S. 19; P.A. v. 6. April 1880, P.Bl. S. 107. 43) H. Eigenschaften eines Gegenstandes, welche weder aus der zur Patentirung einge­ reichten Beschreibung noch aus der Zeichnung erkennbar sind, stehen nicht unter Patentschutz. R.G. v. 27. Okt. 1880, P.Bl. 1881 S. 15. 44) H. Vgl. die Bestimmungen über die Anmeldung von Erfindungen v. 11. Juli 1877 in Zusatz 5. 45) H. Später sind nur noch solche Aenderungen zulässig, welche die Form der Schrift­ stücke betreffen. Verf. des P.A. v. 25. Sept. 1877, P.Bl. S. 27.

806

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§. 400 (Zusätze).

Beilagen bei dem Patentamte zur Einsicht für jedermann auszulegen"). Mt der Veröffent­ lichung ist die Anzeige zu verbinden, daß der Gegenstand der Anmeldung einstweilen gegen un­ befugte Benutzung geschützt sei. Handelt eS sich um ein im Namen der Reichsverwaltung für die Zwecke des Heeres oder der Flotte nachgesuchtes Patent, so unterbleibt die Auslegung der Anmeldung und ihrer Beilagen. §. 24. Nach Ablauf von acht Wochen, seit dem Tage der Veröffentlichung (§. 23), hat das Patentamt über die Ertheilung des Patentes Beschluß zu fasten. Bis dahin kann gegen die Erthülung bei dem Patentamte Einspruch erhoben werdens. Der Einspruch muß schriftlich erfolgen und mit Gründen versehen sein. Er kann nur auf die Behauptung, daß die Erfindung

nicht neu sei oder daß die Voraussetzung des §. 3 Abs. 2 vorliege, gestützt werden. Bor der Beschlußfaffung kann das Patentamt die Ladung und Anhörung der Betheiligten, sowie die Begutachtung des Antrages durch geeignete, in einem Zweige der Technik sachver­ ständige Personen und sonstige zur Aufklärung der Sache erforderliche Ermittelungen anordnen. §. 25. Gegen den Beschluß, durch welchen die Anmeldung -urückgewiesen wird, kann der Patentsucher, und gegen den Beschluß, durch welchen über die Ertheilung des Patentes ent­ schieden wird, der Patentsucher oder der Einsprechende binnen vier Wochen nach der Zustellung Beschwerde einlegen. Mit der Einlegung der Beschwerde sind für die Kosten des Beschwerde­ verfahrens 20 Mark zu zahlen; erfolgt die Zahlung nicht, so gilt die Beschwerde als nicht 'erhoben. Auf das Verfahren findet §. 24 Absatz 2 Anwendung. §. 26. Ist die Ertheilung des Patentes endgültig beschloffen, so erläßt das Patentamt darüber durch den Reichsanzeiger eine Bekanntmachung und fertigt demnächst für den Patent­ inhaber eine Urkunde wesentlich modifizrrt. Bon letzterem Reglement gelten noch einzelne Vorschriften, s. Böttger a. a. O. Bd. 2 S. 33 ff.

Zweiter Theil.

963

Achter Mel.

§. 456 (Zusatz 1).

oft mit niedrigen Arbeiten verknüpften Nebengewerben zuzuziehen und gebrauchen -u können glauben.

Da aber hierdurch die Zahl unwiffender und höchstens nur -u einigen mechanischen

Arbeiten brauchbarer Apotheker-Gehülfen jährlich vergrößert wird; so wird hiermit verordnet, daß

die Apotheker nur so viel DiScipel halten dürfen, als fie ausgelernte Gehülfen haben.

sie nur einen Gehülfen, so dürfen sie auch nur einen Lehrling annehmen.

Haben

Sind aber ihre Ge­

schäfte so unbeträchtlich, daß sie solche überhaupt nur mit einem Menschen bestreiten können; so dürfen fie gar keinen Lehrling, sondern bloß einen Gehülfen halten, es sei denn, daß fie er­

weisen können, keinen Gehülfen bekommen zu können, oder daß fie als geschickte und ihr Haupt­

werk selbst mit Thätigkeit abwartende Männer bekannt find. d) Um überhaupt dem Anwachse schlecht erzogener unwiffender und untauglicher Apotheker-

Gehülfen um so mehr vorzubeugen, so wird hiermit festgesetzt: daß hinführo kein Lehrherr befugt seyn soll, seinen Lehrlingen den Lehrbrief oder das Attest wohl überstandner Lehrjahre zu er­

theilen, bevor nicht dieser durch eine von dem PhyfieuS des Orts im Beiseyn des Lehrherrn zu

veranstaltende Prüfung, welche dem, was man von einem solchen jungen Menschen billigerweise

fordern kann, angemeffen seyn muß, als tüchtig befunden worden.

Bei dieser Prüfung ist be­

sonders darauf zu sehen, ob der Ausgelernte fich practische Kenntnisse der Pharmacie und eine hinlängliche Fertigkeit

in kunstmäßigen Arbeiten erworben habe, da solche- bei einem guten

Apotheker der Theorie vorangehen muß.

Findet eS fich, daß er noch nicht reif genug ist, um

als ein brauchbarer Apotheker-Gehülfe anerkannt zu werden: so hat der PhyfieuS ihm anzudeuten, daß er noch nicht entlassen werden könne, sondern so lange noch in der Lehre bleiben müffe,

bis er fich hinlänglich qualrfieirt habe.

Ergäbe eS fich aber, daß die Schuld der Bersäumniß in

den Lehrjahren weniger am Lehrlinge, als vielmehr am Lehrherrn selbst liege, fie bestehe nun

in vorsätzlicher Bernachläsfigung des Lehrlings, oder in erwiesener Unfähigkeit, brauchbare Sub­ jecte zu bilden; so soll einem solchen Apotheker die weitere Befugniß, Lehrlinge zu halten,

gänzlich untersagt werden.

Der Lehrling aber soll verpstichtet seyn, so lange bei einem an­

dern Apotheker in die Lehre zu treten, bis er fich die erforderliche Kenntniß und Geschicklichkeit erworben hat").

§. 16.

Was die Dauer der Lehrjahre und die sonstigen Bedingungen der Reception eines

Lehrlings betrifft; so hängt zwar dies von der Bestimmung des mit den Eltern, Bormündern oder Verwandten deffelben zu errichtenden schriftlichen Contracts ab, doch soll die Lehrzeit nie

unter 4 Jahre bestimmt, auch von dem Lehrherrn dem Lehrling nur in so weit ein Nachlaß auf etwa 6 Monate bewilligt werden, als der Phyficus des Orts nach genügsamer Prüfung

von der Reife des Lehrlings sich überzeugt und solches schriftlich attestirt hat"). §. 17.

Kein Lehrherr soll daher dem Lehrling den Lehr- oder Gesellen-Brief eher ertheilen,

bis der Phyfieus des OrtS demselben das FähigkeitS-Zeugniß dazu gegeben hat, wofür er, so wie für das Attest bei der Reception des Lehrlings außer dem Stempel-Papier, am Gelde mehr nicht

alS einen Thaler erhält. Von den Apotheker-Gehülfen.

§. 18.

Gehülfe.

Der solchergestalt mit dem Lehrbriefe versehene Lehrling wird nun ein Apotheker-

Als solcher übernimmt er in der Apotheke, bei welcher er fich engagirt, eben die all­

gemeinen Verpflichtungen, unter welchen der Principal, dem er sich zugesellt, zur öffentlichen Ausübung dieses Kunstgewerbes von Seiten des Staats authorisirt ist.

Er muß sich daher so­

gleich mit denjenigen landesherrlichen Medicinal-Gesetzen und Verordnungen, welche das pharma­ ceutische Fach betreffen, bekannt machen, damit er in Beobachtung derselben, so weit sie auf ihn

Bezug haben, sich nichts zu Schulden kommen lassen möge.

Hat selbiger seine Lehrjahre in einer

einländischen Apotheke zugebracht, so ist zu erwarten, daß er mit den Vorschriften der Pharma*

16) H. Ueber die Prüfung der Apothekergehülfen s. die in Anm. 36 zu tz. 29 Gew.O. (Zus. 9) aufgeführte Bekanntm. v. 13. Nov. 1876 (Centralbl. S. 761) nebst Ergänzungen. Rach derselben beträgt die Lehrzeit 3 bez. 2 Jahre, das Zeugniß des Lehrherrn muß vom Kreisphysikus bestätigt sein.

Don Apothekern.

963

copoea Borussica1T) und mit der Arznei-Taxe schon bekannt sey ; ist er aber ein Ausländer, so

muß er sich angelegen seyn lasten, diese zu studiren, um sich nach Anleitung derselben der An­ fertigung, Dispenfirung und Taxirung der Arznei-Mittel unterziehen zu können.

Bei der Receptur hat er alle Behutsamkeit und Genauigkeit in Dispenfirung der ver­ schriebenen Arznei-Mittel anzuwenden.

Zu dem Ende muß er die Vorschrift des Recepts nicht

nur zuvor mit Aufmerksamkeit überlesen, sondern auch daS angefertigte Mediearnent nicht eher

aus der Hand stellen, bevor er nicht daS Recept nochmals mit Bedacht gelesen, und von der geschehenen richtigen Anfertigung und Signatur sich überzeugt hat.

Im Laboratorio muß er

die Composita und Praeparata, nach Vorschrift der Pharmacopoea Borussica, reinlich, ordentlich

und gewisienhast bereiten, und wohl bezeichnet aufbewahren. UebrigenS wird von einem jeden conditionirenden Apotheker vorausgesetzt^ daß er den

Inbegriff seiner Obliegenheiten kenne und stets vor Augen habe; daß er, dem zufolge, als ein

rechtschaffener Gehülfe und Mitarbeiter seines Principals die ihm anvertrauten Geschäfte mit Treue und Fleiß abwarte, ohne dabei die «iffenschastlichen Kenntnisse seines Fachs zu ver­ säumen; daß er sich vorzüglich auch eines guten moralischen Wandels befleißige, gegen Jeder­

mann höflich und bescheiden sey, aller ausschweifenden und verführerischen Gesellschaften sich ent­ halte, keine unnöthigen und unanständigen Besuche in der Offizin annehme,

und überall in

ErfiUlung seiner Pflichten den ihm untergeordneten Lehrlingen mit musterhaftem Beispiele vor­ angehe. g. 19.

Die Bestimmung des GehaltS und

der sonstigen Emolumente

hängt von dem schriftlichen Verein beider Theile ab.

eines Gehülfen

Wäre dergleichen Contract nicht gemacht,

so muß sich der Gehülfe in einer der §. 10 benannten Städte, neben freier Station, exclusive Kleidung, jährlich mit demjenigen Gehalt begnügen, welches ein Apotheker-Gehülfe dieses Orts

gewöhnlich erhält. 8.90.

Fällt fort").

g. 21.

Gin Candidat der Pharmacie, wenn ihm die Direction einer Apotheke übertragen

Bon den Provisoren. wird, führt den Namen Provisor"). §. 22.

Niemand kann zum Provisor angenommen werden, der nicht die Lehr- und wenigstens

drei Servtrjahre überstanden, auch bei dem Collegio Medico et Sanitatis der Provinz die

geordnete Prüfung ausgehalten hat.

g. 23.

Er ist an alle den Betrieb der Apotheker-Kunst betreffende Gesetze und Lerord-

mmgen gebunden und besonders dafür verantwortlich, daß in der Apotheke, welcher er vor­

stehet, das Kunstgewerbe im ganzen Umfange vorschriftsmäßig auSgeübet werde, zu welchem

Ende er von dem Ober-OoNexio Medico et Sanitatis approbirt und dessen Vereidigung ver­

fügt werden muß.

17) H. Jetzt Germanica. 18) H. Der 8. lautete: „Die Servirzeit eines Gehülfen wird auf 6 Jahre festgesetzt. Sollte aber derselbe in Berlin oder auf Aeademien Gelegenheit gehabt haben, Vorlesungen in der Chemie, Pharmacie, Botanik re. zu hören, und er darüber gute Zeugnisse der Lehrer beibringen, auch bei der Prüfung zum Apotheker die nöthige Geschicklichkeit beweisen; so soll Unser OberCollegium Medicum et Sanitatis befugt seyn, ihm 1, höchstens 2 Jahre zu erfassen, weil nicht bloß Theorie, sondern mehrjährige Ausübung der Apotheker-Kunst zur Bildung eines practischen Apothekers erfordert wird, und keine andre als die Medicinal-Behörde fähig ist, zu be­ urtheilen: ob einem Candidaten der Pharmacie die Ausübung der Apotheker-Kunst mit Sicherheit anvertrauet werden kann." Statt seiner s. jetzt §. 4 Abs. 3 Nr. 2 der in Anm. 36 zu §. 29 Gew.O. (Zus. 9) Nr. e aufgeführten Bekanntm. v. 5. März 1885 (Centralbl. S. 167). Danach beträgt die Servirzeit jetzt 8 Jahre.

19) Ein Provisor ist ein Pharmazeut, welcher selbstständig und auf eigene Verantwortung für ftemde Rechnung mit Genehmigung der Medizinalpolizeibehörde administrirt, ein pharrnazeutischer Institor. Vgl. §. 467 d. T.

954

Zweiter Theil.

§. 24.

Achter Titel.

§. 456 (Zusatz 1).

Seine Verhältnisse gegen den Gigenthums-Herrn der Apotheke bestimmt der mit

ihm schriftlich zu errichtende Contract. Tit II. Bon der Ober-Aufsicht über die Apotheken.

§. 1.

Die pharmaceutische Praxis gehört ihrer Natur nach zu denjenigen Gegenständen,

welche die strengste Aufsicht Unseres Dbct=Collegii Medici et Sanitatie und der von selbigem

abhängenden Provinzial-OoUexiorum erheischen.

Aus

dieser

Ursache sind,

außer

der

den

Medicinal-Behörden obliegenden allgemeinen Wachsamkeit über die Apotheken, noch insbesondere

die Lifitationenie») derselben eingeführt.

Zu den gewöhnlichen Vifitationen ist ein Zeitraum von

drei Jahren festgesetzt, bei dringenden Veranlassungen aber finden auch außerordentliche Lifitationen zu unbestimmten Zeiten statt.

g. 2.

Bei gewöhnlichen Vifitationen hat der Apotheker den da-u ernannten Commiffarien

vorzulegen: 1) daS Privilegium und die auf dessen Befitz sich beziehenden Dokumente;

2) die Approbation Unseres Dber-Collegii Medici et Sanitat«, oder wenn die Apotheke

durch einen Provisor verwaltet wird, dessen Confirmation; 3) die Pharmaoopoea Borussica20), die Arzneitaxe, das Medizinaleditt, die gegenwärtige

revidirte Ordnung für die Apotheker, und die etwa in der Folge dazu nöthig gefundenen nachträglichen Verordnungen; 4) da- Glaborations-Buch; 5) die Gift-Scheine mit der darüber geführten Controlle; 6) das in den Officinen vorräthig zu haltende Herbarium vivum einheimischer offizineller

Pflanzen;

7) einige Pakete taxirter Rezepte.

§. 3.

Die Gehülfen haben ihren Lehrbrief und Testimonia vorzuzeigen; einige zur Prüfung

ihrer Fähigkeit ihnen vorzulegende Fragen aus der Materia pharmaceutica und der Chemie

zu beantworten; ein Pensum aus der Pharmacopoea Borussica80) inö Deutsche zu übersetzen,

auch eine Probe ihrer Handschrift ad Acta zu geben8'). §. 4.

Auf ähnliche Art werden auch die Lehrlinge in Rücksicht ihrer Fähigkeiten und

Fortschritte, nach Verhältniß ihrer zurückgelegten Lehrzeit, geprüft.

§. 5.

Die Apotheker nebst ihren Gehülfen und Lehrlingen sind verpflichtet, den Commiffarien

weder bei genereller Besichtigung der Officin, des Laboratorii, der Material-Kammern, Kräuter-

Böden, Keller re., noch bei specieller Prüfung der Arzneimittel nach dem vorgeschriebenen Ver­ zeichnisse irgend Hindernisse in den Weg zu legen ; vielmehr selbigen mit Achtung und Bereit­

willigkeit entgegen zu kommen, die von selbigen geschehenen Erinnerungen und Belehrungen be­

scheiden anzunehmen, und den von selbigen etwa für nöthig erachteten Anordnungen willige Folge zu leisten.

In streitigen Fällen aber haben sie ihre Gegen-Erinnerungen bescheiden zu

Protokoll zu geben, und die Entscheidung von der Behörde zu erwarten.

§. 6.

#

Die auf die gewöhnlichen Visitationen gehenden Gebühren und Kosten, wie solche

in der Medicinal - Ordnung

und

dem hier beiliegenden Cireulari Unsers General-Directorii

vom 6. Februar 1798 bestimmt sind, tragen die Stadt-Cämmerei und die Apotheker zu gleichen

Theilen88).

19») Für die Visitationen ist die Jnstr. v. 21. Cft. 1819 und das Reskr. v. 13. Mai 1820 erlassen.

20) H. Jetzt Germanica. 21) H. Die Apothekergehülfen sollen bei Gelegenheit der Visitationen nicht mehr geprüft werden. Berf. v. 27. Sept. 1877, B.M Bl. S. 259.

22) H. Ueber die Apotheken-Bisitationskosten s. die jetzt geltende Vorschrift bei StaasZander a. a. O. S. 37.

Von Apothekern. §. 7.

955

Außerdem stehen die Apotheken immerwährend unter der unmittelbaren Aufsicht

der Physiker oder derjenigen Personen, denen sonst diese Aufsicht von der obern Behörde über­

tragen worden, als deren Pflicht es ist, die Apotheken von Zeit zu Zeit zu besuchen, und Acht zu geben, ob darin alles wohl hergehe und in gutem Stande gehalten werde; daher denn auch ein Apotheker, wenn er auf mehrere Tage oder Wochen verreisen will, verbunden ist, die Auf­

sicht über seine Offiein seiner dazu qualificirten Person, die während seiner Abwesenheit nöthigenfalls die Verantwortlichkeit übernimmt, zu übertragen, und solche« dem Physicus des Orts anzuzeigen.

Tit III.

Bon der Ausübung der pharmaceutischen Kunst selbst. §. 1.

Bon den Pflichten der Apotheker in Anschaffung, Bereitung und Aufbewahrung der

Medicamente überhaupt. a) Gin jeder Apotheker in Unsern Landen ist schon durch seinen geleisteten Eid verpflichtet,

stets dafür zu sorgen, daß seine Apotheke diejenigen sowohl rohen als zubereiteten Arzneimittel, welche in der nach Maaßgabe für größere und kleinere Städte entworfenen Designation specifi-

cirt find, in bestmöglichster Beschaffenheit und Güte, und in einer den Bedürfnissen des Orts

angemessenen Menge vorräthig enthalte. Die einfachen Arzneimittel aus dem Thier- und Pflanzenreiche muß er im Durchschnitt

alle zwei Jahre, die gebräuchlichsten aber, oder die durch die Zeit leicht an der Kraft verlieren, alle Jahre frisch und in gehöriger Güte und Menge anschaffen, zur rechten Zeit einsammeln,

säubern, mit allem Fleiße trocknen, und in saubern dichten Gefäßen unter richtiger Bezeichnung

aufbewahren.

Gleichergestalt muß er auf die kunstmäßige Bereitung der pharmaceutischen und chemischen Praeparata alle Aufmerksamkeit und Sorgfalt richten.

Bei Anfertigung derselben hat er sich

genau an die Vorschriften der Pharmacopeoa Boruasica88) zu halten, und darf er sich dabei keine willkürlichen Abweichungen erlauben. Pharmacopoea Boruaaica

Jedoch ist ihm unverwehrt, neben den nach der

angefertigten Praeparatia und Compoaitia, dergleichen auch nach

anderweitigen Dispenaatoriia oder besondern Vorschriften, vorräthig zu halten, wenn dergleichen

von den Aerzten verlangt werden. b) Die Apotheker sind zwar überhaupt angewiesen, die chemischen Arzneimittel selbst zu

bereiten.

In dem Falle aber, daß sie an der eigenen Anferttgung gehindert find, oder ihre be­

dürfende Menge dazu zu gering ist, müssen sie sich damit aus einer andern guten inländischen

Apotheke versorgen, dürfen aber dergleichen nicht von gemeinen Laboranten oder ausländischen Drogisten kaufen. c) ES ist die Pflicht eines jeden Apothekers, daß er seine sämmtlichen Waaren und Medi-

cinalien ost und fleißig revidire, um sowohl die abgängig gewordenen als durch Alter oder Zu­ fall verdorbenen Mittel sogleich ergänzen

zu können, damit er stets von der Güte und tadel­

losen Beschaffenheit jedes einzelnen Arttkels seines Borraths überzeugt seyn und dafür die Ge­

währ leisten könne. Bon dem besondern Verhalten bei Anferttgung der Recepte. §. 8. a) Sobald ein Recept zur Bereitung in die Apotheke gebracht wird, aus welche- der Arzt

das Datum, die Jahreszahl, den Namen des Pattenten, und, wenn dem Apotheker dessen Hand nicht bekannt ist, auch seinen eigenen Namen geschrieben haben muß, so ist der Apotheker ver­

pflichtet, es entweder selbst zu verfertigen, oder einem tüchtigen Gehülfen, allenfalls auch einem Lehrlinge, welcher aber wenigstens drei Jahre in der Lehre gestanden, und sich wohl applicirt

haben muß, zur Bereitung zuzustellen.

Sowohl die Apotheker, als deren Gehülfen und Lehr-

33) H. Jetzt der durch allgem. Berf. des Min. der geistl. rc. Angelegenheiten v. 9. Dez. 1882 (M.Bl. f. d. i. B. S. 267) eingeführten Pharmacopoea Germanica editio II. S. auch Bekanntm. d. Reichskanzlers v. 8. Juli 1882 (Centralbl. S. 883).

Zweiter Theil.

956

Achter Titel.

§. 466 (Zusatz 1), g§. 457-461.

linge, find verbunden, die Arzneimittel auf einem mit Gittern umgebenen Receptir-Tische nach

Vorschrift der Recepte ohne Aufschub vorsichtig und pünktlich zu bereiten,

die angefertigten

Medicamente daselbst bis zur Abholung zu bewahren, und solche nebst den Rezepten so wenig

während der Anfertigung als nachher jemandem vorzuzeigen, noch weniger Abschriften davon zu

geben oder nehmen zu laffen.

Damit auch derjenige, welcher am Receptir-Tische die Medikamente

zusammenmischt, nicht gestört »erde, so soll außer den in die Offizin gehörigen Personen Riemand zu solchem zugelaffen werden.

b) Bei der Receptur muß die strengste Genauigkeit, Ordnung und Reinlichkeit herrschen. Sämmtliche Gefäße und Instrumente müssen stets rein und sauber, auch Waagen und Gewichte

im accuraten Zustande gehalten werden.

Auch das Reinhalten der Seihetücher zu Decocten und

Jnfufionen ist nicht zu vernachlässigen. Mixturen, Pulver, Pillenmafsen rc., zu denen salinische und metallische Präparate kommen, dürfen in keinem metallischen, sondern sollen in steinernen, gläsernen oder porzellanenen Mörsern

bereitet werden. Zu scharfen, heftig wirkenden Mitteln, als Quecksilber-Sublimat, imgleichen zu stark riechenden, als Moschus und Aea foetida, sollen besondere Mörser und Waageschaalen gehalten

»erden. Der in einigen Apotheken noch übliche Gebrauch, Pulver- und Pillenschachteln mit Gold­ papier auSzufuttern, wovon die darin aufbewahrten Arznei-Mittel leicht mit Kupfertheilchen ver­

unreinigt werden, wird hiermit untersagt.

o) Bei DiSpenfirung der Arzneimittel soll nichts gemessen, vielweniger nach dem bloßen

Augenmaaße genommen,

sondern AlleS ordentlich und genau abgewogen werden.

Bei den

Wässern kann jedoch das Abmeffen wohl statt haben, nur müssen die eigends dazu bestimmten Mensuren nach dem absoluten Gewicht deS Wassers richtig abgetheUt seyn.

Sollten auch noch

Aerzte im Gebrauch haben, Vegetabilien manipulweise zu verschreiben, so sollen diese dennoch gewogen, und statt eines ManipulS bei Kräutern eine halbe Unze, und bei Blumen drei Drachmen

nach Gewicht genommen werden. d) Zu mehrerer Verhütung, daß keine Verwechselung der Medicamente sich zutragen möge,

soll in der Apotheke jedesmal der Name des Patienten, welcher auf dem Recepte stehet, imgleichen der Name des Apothekers, bei welchem daS Recept verfertigt worden, nebst dem Dato, auf der

Signatur bemerkt werden. Auch soll auf der Signatur die auf dem Recept bestimmte Gabe und Zeit des Ginnehmens nicht mit Ziffern bezeichnet, sondern jedes Mal mit Buchstaben deutlich und leserlich geschrieben

werden. Eben so muß die Taxe der Medicamente auf den Recepten, wenn sie bei erfolgender Be­

zahlung zurückgegeben werden, mit deutlichen Ziffern bemerkt seyn. e) Da noch die Erfahrung gelehrt, daß öfters diejenigen Arzneien, welche die Patienten

auf Verordnung ihres ArzteS zum zweiten-

oder östernmale machen laffen, nicht vollkommen

gleich, sondern in Farbe, Quantität, Geschmack und Geruch verschieden find, und hierdurch den

Patienten verdächtig werden ; so soll derjenige Apotheker, in dessen Offizin dergleichen Nachlässig­ keit erweislich gemacht worden, in Fünf Thaler Strafe verfallen.

Damit man aber wiffe, wer

den Fehler bei der Rei'teratur begangen, so soll derjenige, der solche verfertigt, jedesmal seinen Namen auf die Signatur schreiben.

f) In gleiche Strafe soll derjenige Apotheker genommen werden, welcher die ihm zugeschickten Recepte, eS sei bei Tag oder bei Nacht, nicht sogleich ohne Aufhaltung verfertigt, den Hand­ kauf vorzieht, und die Patienten ohne Noth auf die Medicin warten läßt.

Besonders sollen

diejenigen Recepte, die mit cito bezeichnet worden, sogleich bereitet, und die Arzneien den Bothen, welche die Recepte einhändigen, mitgegeben werden. g) UebrigenS sollen solche von approbirten Aerzten und Wundärzten einmal verschriebenen

und verfertigten Recepte, welche Draatica, Vomitoria. Menses et Urinam moventia, Opiata und andere dergleichen stark wirkende Medicamente enthalten, ohne Borwissen und Bewilligung

Bon Apothekern.

des Arztes -um andernmale nicht wieder gemacht werden,

957 weit dergleichen Mittel, die, zur

rechten Zeit verordnet, von guter Wirkung gewesen, dem Kranken, wenn er solche zur Unweit

nimmt, den Tod zuwege bringen können"). h) Wenn dem Apotheker in den verschriebenen Recepten ein Irrthum oder Verstoß von der

Art, daß davon ein Nachtheil für den Patienten zu besorgen feg, bemerklich werden sollte, so hat er sogleich dem Arzte, welcher das Recept verschrieben, seine Bedenklichkeit und seinen Zweifel

bescheiden zu eröffnen.

Wenn der Arzt den Verstoß nicht anerkennt, und auf die Anfertigung

des Recept- nach seiner Vorschrift besteht; so kann eS der Apotheker zwar auf dessen Verant­ wortung verfertigen; doch hat er zu seiner eigenen Rechtfertigung den Fall sogleich dem Phy-

ficuS, oder wenn dieser das verdächtige Recept verschrieben hätte, dem competenten Collegio

Medico anzuzeigen. i) Sollte eS sich -utra-en, daß ein verschriebenes Ingredienz nicht vorräthig oder sogleich

nicht anzuschaffen sey; so darf der Apotheker nicht willkührlich ein anderes dafür substituiren, oder

etwas hinweglassen, sondern er hat solches sofort dem Arzte anzuzeigen, und eS diesem zu über­

lassen, an dessen Statt ein andres Mittel von gleicher Eigenschaft zu verordnen. k) Da auch verlauten will, daß noch hier und da unbefugte Personen sich mit innerlichen und äußerlichen Kuren befassen; so wird den Apothekern hiermit anbefohlen, sich der Verfertigung

solcher Recepte, die von dazu nicht qualificirten Personen verschrieben worden, zu enthalten, und sich

hierunter lediglich nach

dem §. 5.

Unsers

Medicinal-GdictS vom Jahre

1726 zu

achten ; am wenigsten aber Redicamente von heftiger und bedenklicher Wirkung, alS: Drastica

Vomitoria, Mercurialia, Narcotica, Emmenagoga, namentlich auch Retina und Tinctura Jalappae, von der Hand, ohne ein von einem approbirten Arzte vorgeschriebenes Recept, ver­ abfolgen zu lassen"). l) GS haben demnach alle und jede Apotheker in Unsern Landen,

bei Vermeidung von

Fünf bis Zwanzig Thaler Strafe aus jeden ContraventionS-Fall, und bei wiederholter Contraven-

tion bei noch höherer Geldstrafe, sich nach diesen Verordnungen zu achten, auch, bei Vermeidung

gleicher Strafe dafür zu sorgen, daß von ihren Gehülfen und Lehrlingen dieselbe auf da­

genaueste befolgt werden; gleich wie fie für daS, «aS ihre Gehülfen oder andere zu chrem Hause gehörige Personen hierin zuwider handeln, schlechterdings einstehen müssen; obschon ihnen

daS Recht vorbehalten bleibt, ihren Regreß an gedachte Personen zu nehmen.

UebrigenS haben Wir, um dieser revidirten Ordnung desto mehr Vollständigkeit zu geben, eine Revision der hauptsächlichsten Verordnungen und Gesetze für die Apotheker veranstalten, und

fie derselben im Anhänge beifügen lassen.

§. 457. Naturerzeugnisse, welche, außer der Medicin, auch zu anderen Fabriken-, HauS- oder Küchenbedürfnissen gebraucht werden, mögen Apotheker ebenfalls führen, und, jedoch nur in kleineren Quantitäten, verkaufen. 88- 458, 459. Fallen fort26 24).* 8. 460. Aerzte und Wundärzte müssen sich der eigenen Zubereitung der den Kranken zu reichenden Arzneien, an Orten, wo Apotheker find, der Regel nach ent­ halten26). A. 461. Auch sogenannte Arcane darf Niemand, ohne besondere Erlaubniß 24) H. Statt dessen jetzt Mnisterialverfügung v. 8. Juni 1878 (M.Bl. f. d. L B. S. 117). 26) Die 88- lauteten : „§. 468. Zum Handel mit Gewürz- oder anderen Materialwaaren find die Apotheker, att solche, nicht berechtigt. 8. 469. Doch hat an Orten, wo kein besonderer Gewürzkrämer oder Materialist angesetzt ist, der Apotheker die Lermuthuna für fich, daß er auch mit Gmvürzen und Materialwaaren zu handeln auSschliehend berechtigt fei" Vgl. auch 8 9 der Verordn, v. 24. Okt. 1811 (G.S. S. 869). Diese aus dem Zunft­ zwang entsprungenen Vorschriften sind jetzt «eggefallen.

96) XL Vgl. KO. v. 11. Juli 1843 über die Befugniß der approbirten Medizinalperfonen zum SelbDoiSpenfiren der, nach homöopathischen Grundsätzen bereiteten Arzneimittel, nebst ReglememOGS. S. 806) und 8- 14 Tit. I der Apoth.Ordn.

958

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 489-495.

der dem Medicinalwesen in der Provinz vorgesetzten Behörde22), zum Verkaufe verfertigen. §. 462. Das Recht, zur Anlegung neuer Apotheken Erlaubniß zu geben, kommt allein dem Staate zu28). §. 463. Dergleichen neue Concessionen sind nach den Vorschriften von Privi­ legien zu beurtheilen2*). Wg”6*“ §. 464. Die Apotheker find der unmittelbaren Ausficht des Staats, und beit ' von ihm angeordneten MÄicinalbehörden unterworfen *“). 8- 465. Nur diejenigen» welche die Apothekerkunst ordentlich erlernt haben; zu deren Ausübung, nach Angestellter Prüfung von der Medicinalbehörde tüchtig befiinden81); und zur Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten durch diese Behörde ver­ pflichtet worden82), find fähig, einer Apotheke vorzustehen. §. 466. Wem e» an diesen Erfordernissen mangelt, der muß, zur Verwaltung einer durch ErbgangSrecht oder sonst ihm gefallenen Apotheke, einen nach obiger Vorschrift qualifieirten Provisor bestellen88). §. 467. Ein solcher Provisor hat die Rechte und Pflichten eines HandlnngSfaetorS M). §. 468. Kein Arzt soll in der Regel eine eigene Apotheke besitzen, oder die­ selbe durch sich selbst oder durch Andere verwalten. §. 469. Än Apotheker ist, bei Verlust seines Rechts, schuldig, dafür zu sorgen,

Besondere Brtvttegia

Apotheker.

daß die nöthigen A^neimittel bei ihm in gehöriger Güte zu allen Zeiten zu haben find. §. 470. Auch muß er solche Veranstaltungen treffen, daß daS Publikum und die Kranken, mit deren Zubereitung, eS sei bei Tage oder bei Nacht, schleunig besördert werden. §. 471. Die Pflichten der Apotheker wegen der Zubereitung, deS Verkaufs, und der Verwahrung der Arzneien und Gifte, ingleichen wegen deS CurirenS der Krankheiten, sind im Criminalrechte bestimmt88). §. 472. Apotheker genießen, wegen der einem Gemeinschuldner auf Credit gereichten Arzneien, das in der Concursordnung näher bestimmte Borrecht88). §. 473. Die von ihnen, nach kaufmännischer Art, geführten Bücher haben die Rechte und die Glaubwürdigkeit der Handlung-bücher8^). 8.474. Fällt weg88). 27) H. Konzessionen zum Verkauf von Geheimmitteln werden nicht mehr ertheilt. 28) H. Bal. Verordn, v. 24. Okt. 1811 (G.S. S. 359); Jt.D. v. 8. März 1842 (G.S. S. 111). S. auch Anm. 9. 29) H. Wenn auch neue Realprivilegien nicht mehr ertheilt werden, hat der §. seine Be­ deutung für die Auslegung älterer Konzessionen. 30) H. S. Avoth.Ordn. Tit. II. 31) H. Bgl. g. 29 Gew O, und die in Anm. 36 dazu unter Nr. e, f angef. Vorschriften. 32) H. Ueber die Vereidigung der Apotheker s. Mrnisterialverfügungen v. 18. Juli 1840 (Böttger a. a. S. 58 f.) und v. 29. Dez. 1869 (MBl. f. d. i. B. 1870 S. 74). 33) H. Vgl. Apoth.Ordn. Tit. I §. 3. 34) H. Der Provisor ist Handlungsgehülfe. O.Tr. IV v. 12. Okt. 1865, Str. Arch. 61 S. 93. Apoth.Ordn. Tit. I §. 14. 85) H. Vgl. §. 367 Nr. 3, 5 R.St.G.B. Außerdem gilt noch die Anweisung für sämmt­ liche Avotheker und Materialisten in den Königl. Preuß. Landen v. 10. Dez. 1800, wie sie sich bei der Aufbewahrung und Verabfolgung der Gistwaaren verhalten sollen. (N. G.S. Bd. X S. 8245; Nabe Bd. VI S. 374.) 36) H. S. jetzt §. 64 Nr. 4. R.Konk.Ordn. 37) H. Inwiefern die Apotheker als Kaufleute anzusehen sind und daher zur Führung von Handlung-büchern verpflichtet, bestimmt fich nach den Vorschriften deS H G.B. Ueberwiegend wird in der Praxis ihnen die Kaufmannseigenschast beigelegt; ein höchstrichterliche Entscheidung über die Frage ist noch nicht veröffentlicht. S. die Kommentare zum H.G.B. und die Lehrbücher des Handelsrechtes. Die besondere Beweiskraft der Handelsbücher ist übrigen- jetzt durch das Prinzip der freien Beweiswürdigung ersetzt. §. 13 Nr. 1 Einf Ges. -. C.P.O.

Bon Kaufleuten.

959

Siebenter Abschnitt. Bo» Kaufleute «.

§§. 475 bis 712.

Aufgehoben ^).

38) H. Der § lautete: „Auch in Ansehung des Wechselausstellens genießen sie die Rechte der Kaufleute." Er ist durch die allgemeine Wechselfähigkeit (Art. 1 DD.) beseitigt. 39) Durch Art. 60 Nr. 1 deS Einf.Ges. zum H.GL. v. 94. Juni 1861 (G.S. S. 449). Die ausgehobenen §§., an deren Stelle die entsprechenden Vorschriften des H.G.B. getreten find, lauteten: §. 475. Wer den Handel mit Waaren oder Wechseln als sein Hauptgeschäft treibt, wird L Bern die ein Kaufmann genannt. Rechte der §. 476. Will Jemand unter dem Schutze deS Staats kaufmännische Geschäfte treiben, so mtommen muß er dazu die Erlaubniß der Obrigkeit nachsuchen. 8. 477. Ein Minderjähriger soll zur Treibung kaufmännischer Geschäfte erst nach erhaltener Großjährigkeits-Erklärung gelassen werden.

8. 478. Ein Großjähriger, welcher mit Borwissen seines noch am Leben befindlichen Vaters, und ohne besten ausdrücklich erklärten Widerspruch, kaufmännische Geschäfte zu betreiben anfängt, geht eben dadurch auS der väterlichen Gewalt. (Tit. 2. §. 212. 218.) & 479. Wo Kaufmannsgilden oder Innungen vorhanden find, muß ein darin aufzunehmendeS Mitglied den Erfordernissen der JnnungSartikel, sowohl in Ansehung der Lehrjahre als sonst, ein Genüge leisten. §. 480. An Orten, wo dergleichen Innungen bestehen, hat nur der, welcher darin aus­ genommen ist, die Rechte eines Kaufmanns. 8. 481. Doch bleibt dem Staate, auch an solchen Orten, das Recht, einzelnen Personen außerhalb der Innung die Befugniß zum Handel durch besondere Concessionen zu ertheilen. (§. 184.) §. 482. Wo aar keine Gilden vorhanden, oder wo dieselben nur für gewisse Arten der Kaufleute errichtet find, haben alle diejenigen, welche einen fortdauernden Waarenhandel, oder einen dergleichen Wechselverkehr treiben, die Rechte der Kaufleute. §. 488. Die Unternehmer der Fabriken haben, in Rückstcht auf den Betrieb derselben, und den Absatz der darin verfertigten Waaren, kaufmännische Rechte. §. 484. Eben dies gilt von SchistSrhedern, in Ansehung der auf die Rhederei unmittelbar Bezug habenden Geschäfte. §. 485. Bewohner des platten Landes, die nur mit selbst erzeugten oder durch landwirthschastlrche Mittel veredelten Producten; ingleichen Handwerker und Fabrikanten, welche mit den von ihnen selbst verfertigten Arbeiten verkehr treiben, find für Kaufleute nicht zu achten. §. 486. Krämer in Dörfern und Flecken, Haufirer, Trödler und gemeine Bietualienhändler, haben nicht die Rechte der Kaufleute. §. 487. Wer nur einzelne Lieferungen übernimmt, wird dadurch noch kein Kaufmann. §. 488. Eine Frauensperson, welche für eigne Rechnung Kaufmannschaft treibt, kann beill-vouUaufden dahin einschlagenden Geschäften und Verbindungen auf die Vorrechte und Begünstigungen »«AMt ihres Geschlechts feinen Anspruch machen. 8. 489. In ihren übrigen Angelegenheiten aber bleiben ihr diese Rechte vorbehalten. Personen. z. 490. In zweifelhaften Fällen wird vermuthet, daß eine solche Person (§. 488.) die ein gegangenen Verbindlichkeiten als handlungstreibende Frau übernommen habe. §. 491. Auch wird von einer Frauensperson, welche Eigenthümerin einer Handlung ist, so lange angenommen, daß fie dieser Handlung selbst vorstehe, bis von ihr ein Disponent bestellt, und die Person nach §. 508. sqq. gehörig bekannt geworden ist. §. 492. AlSdann hat fie ferner für ihre Person weder die Rechte, noch die Verbindlich­ keiten eines Kaufmanns. §. 493. Jedoch ist fie schuldig, alle, der bekannt gemachten Procura gemäß, vorgenommenen Handlungen ihres Disponenten, sowohl mit dem Handlung--, als mit ihrem übrigen Vermögen, zu vertreten. 8. 494. Die Berheirathung einer Frauensperson, welche Eigenthümerin einer Handlung ist, ändert ihre Rechte und Verbindlichkeiten, in Abficht der Handlung und deren Betriebes, an und für fich nicht ab. §. 495. Ist eine Frauensperson mit ihrem Ehemanne, oder einem Dritten, in GoeietätShandlung getreten, so hat fie die Rechte und Verbindlichkeiten einer Kaufmannschaft treibenden Frau nur alsdann, wenn zugleich verabredet und bekannt gemacht worden, daß fie der Handlung mit vorstehen solle.

Zweiter Theil.

960

Achter Titel.

§§. 496-688.

ß. 496. Die Ehefrau eines Kaufmanns, welche dem Manne in seinen Geschäften bloß bülfrenhe Hand leistet, ist selbst an Orten, wo Gemeinschaft der Güter unter ihnen obwaltet, für eine Kaufmannschaft treibende Frauensperson noch nicht -u achten.

in. «ob §. 497. Wer von dem Eigenthümer einer Handlung, welcher derselben nicht voestehen tarn oder will, den Austra- erhalten hat, seine Stelle zu vertreten, wird Factor, Disponent, TO*,",tmaL oder Handlungsvorsteher genannt. A) Ki*

8- 498.

Steht der Eigenthümer einer Handlung unter väterlicher Gewalt oder Lormund-

fteAmi« der schäft, so muß die Procura von demjenigen ausgestellt werden, dem die Verwaltung seines Ver-

*n>amL

mögens gebührt. §. 499. Ist dieser ein Vormund oder Curator, oder gehört die Handlung |um steien Vermögen eines noch unter väterlicher Gewalt stehenden Minderjährigen: so muß dre obervormundschastliche Genehmigung hinzukommen. §. 600. Die Ertherlung der Procura muß schriftlich geschehen, und gehörig bekannt gemacht werden. b) umfang. H. 501. Ist der Disponent einer Handlung überhaupt vorgesetzt, so erstreckt sich der Auf­ trag über alle Arten der Geschäfte, welche bei der ihm übertragenen Handlung Vorfällen.

§. 502. Soll die Macht deS Disponenten in besonderen Fällen eingeschränkt sein, so muß dieses in der Procura bestimmt, und mit derselben gehörigen Orts bekannt gemacht werden. c) Bekannt§• 508. Für eine gehörige Bekanntmachung ist anzusehen, wenn die Kaufmannschaft des machimg. Ortes, wo die Handlung etablirt ist, auf der Börse oder durch ihre Vorsteher; ingleichen die auswärtigen Correspondenten, mit welchen die Handlung in Verbindung steht, durch Briefe da­ von benachrichtigt werden. §. 504. Die Firma oder Unterschrift, deren sich der Disponent bedienen soll, muß unter dessen Handschrift den Correspondenten mitgetheilt, und auf der Börse verwahrlich niedergelegt werden. §. 505. An Orten, wo keine ordentlich eingerichtete Börsen- oder Kaufmannsinnungen sind, muß, außer der schriftlichen Bekanntmachung an die Correspondenten, die Ertheiluna der Procura den ordenttichen Gerichten angezeigt; die Firma bei diesen niedergelegt, und den Kauf­ leuten des Ortes durch die Gerichte davon Nachricht ertheilt werden. §. 606. Einschränkungen der Procura, die nicht gehörig bekannt gemacht worden, kommen dem Eigenthümer gegen einen Dritten, der mit dem Disponenten sich eingelassen hat, nur in so fern zu statten, als auSgemittelt werden kann, daß diese Einschränkungen zeitig genug, auf andere Art, zur Wissenschaft deS Dritten gelangt find. §. 607. Hat der Eigenthümer einer Handlung Jemanden, dem er keine Procura ertheilt, gleichwohl für seinen Factor schriftlich oder mündlich angegeben, so wird er denjenigen verhaftet,

welche dadurch verleitet wordm, sich mit demselben einzulaffen. §. 608. So weit die Bekanntmachung gehörig erfolgt ist, steht es in dem steien Willen deS EiaenthümerS, ob er die von dem Factor außer den Schranken der Procura unternommenen

Geschäfte genehmigen wolle, oder nicht. §. 609, Wegen einer hinzukommenden ausdrücklichen oder stillschweigenden Genehmigung finden die Vorschriften des ersten Theils Titel 5. §. 185-191. und Xitel 13. §. 143. 144. An­ wendung. §. 610. Auch muß ein HandlungSeigenthümer, sobald er von dem Factor oder von dem Dritten, mit welchem ein Geschäft verhandelt worden, Nachricht erhält, daß der Factor dabei die Schranken der Procura überschritten habe, sich innerhalb der im ersten Theil, Trt. 5. §. 90. eqq. bestimmten Fristen, über die Billigung oder Mißbilligung erklären, oder allen auS dieser Unter­ lassung entstandenen Schaden vertteten. (Th. 1. Tit. 18. §. 145. 146.) §. 511. Auch wenn ein Factor nur zu einer besonderen Art von Geschäften bestellt worden, muß dennoch die Bekanntmachung an dem Orte, wo er die Geschäfte betreiben soll, ingleichen an auswärtige HandlungScorrespondenten, nach obigen Vorschriften geschehen. §. 612. Einschränkungen, die sich aus der Natur deS Auftrages von selbst ergeben, be­ dürfen keiner ausdrücklichen Bekanntmachung. §. 613. Ein Factor, der nur zum Waareneinkauf oder Verkauf auf Märkten und Messen bestellt ist, verbindet den Principal nur durch solche Handlungen, ohne die er seinen Auftrag nicht vollziehen könnte. 8. 514. Soll ein solcher Factor Wechselverbindungen für den Principal übernehmen können, so muß die Procura ausdrücklich darauf gerichtet sein. d) Wie weit §. 616. Hat ein Factor, bei Vollziehung seines Auftrages, eine unerlaubte Handlung oder unerlaubte ggx ein Verbrechen begangen, so ist der Principal dem Beschädigten nur in so weit zum Schadens MHiectoti «ckßtze verhaftet, akS überhaupt ein Dritter dazu für schuldig geachtet werden kann. (Th. 1. do^wetpal Tit7 6 §. 60. eqq.)

Bon Kaufleuten.

961

§. 516. Die vom Factor bei Handlungsangelegenheiten verwirkte Confiscation trifft den Principal, mit Vorbehalt des Regreffes gegen den Factor. 8- 517. Hat jedoch der Principal schon vormals ähnliche Handlungen des Factors gebilligt, so findet der Regreß nicht statt. §. 618. Auch hastet der Principal bei dem Unvermögen des Factors, für die Geldstrafen wegen der von demselben in Handlungsangelegenheiten, obgleich ohne sein Borwiffen begangenen Vergebungen wider die Accise- und Zollgesetze. g. 519. Bei anderen Verbrechen deS Factors hingegen ist der Eigenthümer für die dem­ selben zuerkannte Geldstrafe an und für sich nicht verhaftet. 8- 680. Ohne ausdrückliche Einwilligung des Prinzipals ist der Factor nicht berechtigt, die erhaltene Procura einem Anderen zu übertragen. §. 521. Doch kann er zu einzelnen Angelegenheiten Bevollmächtigte bestellen; auch fich zu solchen Geschäften, die ein Kaufmann durch Handlungsdiener und Lehrlinge zu betreiben pflegt, dieser Beihülfe bedienen. ' . 522. Die Rechte und Pflichten -wischen dem Principal und Factor sind hauptsächlich em Inhalte deS unter ihnen geschloffenen Abkommens, und wo dieses nichts bestimmt, nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von Bollmachtsaufträgen zu beurtheilen. (Th. I. Tit. 13. §. 49. sqq.) §. 523. Ohne ausdrückliche Erlaubniß des Principals darf kein Factor Handlungsgeschäste auf eigene Rechnung treiben. 8. 524. Hat er es dennoch gethan, so gehört aller dadurch erhaltene Gewinn dem Principal.

5

®) Ob ein ««toen»* tumT

0 vert-wctpolnxb Mctor.

§. 525. Besteht eine solche Handlungsunternehmung auS mehreren verbundenen Geschäften, so muß der Principal, wenn er sich den Vortheil bei dem Einen Geschäfte zueignen will, auch den Schaden bei den übrigen mit übernehmen. 8- 626. Der Factor hat nach aufgehobener Procura das Recht, die in seiner Gewahrsam befindlichen Waaren und Sachen deS Principals so lange zurückzubehalten, bis er wegen seiner bei Gelegenheit der gehabten Procura entstandenen Forderungen befriedigt worden. §. 527. Doch kann dies Retentionsrecht nicht weiter ausgedehnt werden, als bis zum Be­ trage der auf wahrscheinlichen Gründen beruhenden Forderung deS Factors. (Th. 1. Tit. 20. §. 536. eqq.) §. 528. Auch ohne ausdrückliches Versprechen kann ein Factor für seine Bemühungen billige Vergütung fordern, wenn er nicht schon vorher gegen ein bestimmtes Lohn im Dienste des Prineft>alS gestanden hat. §. 529. Diese Vergütung muß, wenn die Parteien fich darüber nickt einigen können, nach dem Umfange der Geschäfte, und des dadurch bewirkten Vortheils, von vereideten Sachverständigen bestimmt werden. §. 530. Will der Handlungseigenthümer seinen Auftrag widerrufen, so muß er die Procura 8) dlufhebmrg zurücknehmen, und eS gehörig bekannt machen. *T0CUW* §. 531. Diese Bekanntmachung muß nach Vorschrift des §. 503. sqq. geschehen. g. 582. Denjenigen, welchen die Zurücknahme der Procura solchergestalt bekannt gemacht worden, wird der HandlungSeigenthümer aus ihren hiernächst mit dem gewesenen Factor ge­ schloffenen Verträgen und Geschäften ferner nicht verantwortlich. §. 533. Gegen Andere aber kann der Handlungseigenthümer sich nur dadurch sicherstellen, daß er die Zurücknahme der Procura viermal, von acht zu acht Tagen, durch die Zeitungen und Jntelligenzblätter der Provinz, wo der Sitz der Handlung ist, bekannt macht; außerdem aber an der Börse, ingleichen an der Thür des Hauses, wo das Comptoir befindlich gewesen ist, eine schriftliche Nachricht darüber anschlagen, und vier Wochen lang aushängen läßt. §. 534. Sind diese Maßregeln nicht beobachtet worden: so wird der Principal solchen Personen auch aus den nachherigen, der vorhin ertheilten Procura gemäßen, Handlungen deS gewesenen Factors verhaftet, in so fern nicht ausgemittelt werden kann, daß sie von dem Wider­ rufe auf andere Art Wissenschaft erhalten haben. 8- 585. Ist ein Factor nur auf eine gewiffe bestimmte Zeit bestellt : so bedarf eS nach Ablauf dieser Zeit keines ausdrücklichen Widerrufs, in Absicht derjenigen, denen diese Ein­ schränkung gehörig bekannt gemacht worden, oder die davon auf andere Art erweislich Wiffenschaft erhalten haben. g. 586. Gegen alle Uebrige ist, zur Sicherstellung deS Principals, die Bekanntmachung der aufgehobenen Procura in der g. 533. vorgeschriebenen Art nothwendig. g. 537. Will der HandlungSeigenthümer sich wegen der von dem Factor, während seiner Verwaltung, vorgenommenen Geschäfte, gegen unbekannte Ansprüche sicher stellen, so kann er ein gerichtliche- Aufgebot nachsuchen. g. 588. Zu diesem Aufgebot muß der Termin auf achtzehn Monate hinausgesetzt werden, Koch, Allgemeine- Landrecht.

HL 8. Aufl.

61

962

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 599—584.

und die in der Prozeßordnung vorgeschriebene Bekanntmachung, außer den Zeitungen, und Jntelligenzblättern der Provinz, auch durch die öffentlichen Blätter derjenigen Orte, wohin der Verkehr der Handlung hauptsächlich gerichtet gewesen ist, geschehen. §. 589. Werden nach ergangenem PräclufionSurtel annoch Forderungen angebracht, welche auS den Büchern und anderen vorhandenen Nachrichten nicht bekannt gewesen stnd; so ist der Principal nur für dasjenige verhaftet, was auS dem Geschäfte wirklich an die Handlung ge­ kommen ist. §. 540. Stirbt der Handlungseigenthümer, so bleibt die von demselben ertheUte, auf eine gewisse Zeit, oder auf ferne Lebenszeit ausdrücklich nicht eingeschränkte Procura so lange bei Kräften, bis selbige von den Erben oder von den Gerichten widerrufen wird. h) «erhält§. 541. So lange die Procura des FactorS dauert, haben diejenigen, mit welchen er Ee Mischen HandlungSgeschäste getrieben hat, die Wahl: ob fie ihn. oder den Principal belangen wollen. «3»nun' §• Doch darf der Factor solchen Handl^ngSgläubigern nicht weiter als auf den Beuüt welchen trag deS in seinen Händen befindlichen Handlungsfonds gerecht werden. er Geschäfte §. Md. Die ausstehenden Forderungen der Handlung können gleichfalls, so lange die getrieben hat. Procura dauert, entweder von dem Principal selbst, oder von dem Factor eingezogen werden.

§. 544. Nach geschehener Aufhebung der Procura kann nur der Principal belangt werden, auch nur von ihm die Einziehung der ausstehenden Forderungen geschehen. §. 545. Jedoch ist sowohl vor, als nach aufgehobener Procura, der Factor auS eigenen Mitteln verhaftet, wenn er sich ausdrücklich zugleich für seine Person verbindlich gemacht, oder die Schranken seine- Auftrages überschritten hat. iv. von §. 546. Handlungsdiener oder Lehrlinge, die in offenen Gewölben oder Laden angestellt bKien^unbroort>ett* stnd 8U den daselbst gewöhnlich vorfallenden Handlungsgeschäften für bevollmächtigt Lehrlingen achten. §. 647. Sie können im Laden oder Gewölbe die daselbst befindlichen Waaren verkaufen, das Geld dafür in Empfang nehmen, und darüber quittiren. §. 548. Auch Rechnungen über ausgenommene Waaren können im Laden oder Gewölbe, gegen die von ihnen ausgestellten Quittungen, stcher bezahlt werden. §. 549. Zu Geldanleihen, zum Wechselausstellen, Aeceptiren oder Jndosfiren, zum Einkäufe, ingleichen zum Verkaufe auf Credit, oder in großen Partieen, sind bloße Handlungsdiener oder Lehrlinge nicht für bevollmächtigt anzusehen. §. 660. Außer dem Laden oder Gewölbe kann an sie nur in so fern bezahlt werden, als sie die Waaren, wofür die Zahlung erfolgt, oder die mit Quittungen versehenen Wechsel, Assignationen, Rechnungen und andere Schuldbriefe überbracht haben. §. 661. Casfirer der Bankiers und anderer Kaufleute, ingleichen Handlungsbediente, die auf Messen oder Märkte verschickt werden, sind in Absicht der mit ihrer Bestimmung verknüpften und daraus folgenden Geschäfte, auch ohne besondere Bekanntmachung, als Factoren anzusehen. §. 662. In wie fern, außer diesen Fällen, ein HandlungSeigenthümer durch die von seinen Handlungsbedienten oder Lehrlingen vorgenommenen Geschäfte verbindlich werde, ist nach den Grundsätzen von BollmachtSausträgen zu beurtheilen. (Th. 1. Tit. 13. §. 98. sqq.) §. 558. Für die unerlaubten Handlungen derselben haftet er nur in so weit, als die un­ erlaubten Handlungen eines FactorS ihn verbinden. (§. 516. sqq.) v. vom Aus§. 664. Ein Kaufmann, welcher auf Jemandes Namen und Credit an dessen Hausgenossen, "4"Ender Dienstboten oder Handwerker, Waaren verabfolgt, thut dieses bloß auf seine Gefahr, dnech Dienst§* 665. Will er fich an den, auf dessen Namen die Waaren abgeholt worden, wegen der boten. Bezahlung halten, so muß er fich einer schriftlichen Einwilligung desselben versichern. §. 556. Ist diese Einwilligung nur auf Eine Lieferung gerichtet, so berechtigt sie ben Kaufmann nicht zu mehreren folgenden Lieferungen. §. 557. Hat aber Jemand einem Anderen die Vollmacht, auf seinen Namen Waaren ab­ zuholen, ohne Einschränkung ertheilt, so kann der Kaufmann mit der Verabfolgung an diesen Be­ vollmächtigten so lange fortfahren, bis ihm die Zurücknahme der Vollmacht ausdrücklich bekannt gemacht wird. §. 558. Hält der Abnehmer mit dem Kaufmann ein Buch, in welches die gelieferten Waaren und der bedungene Preis eingeschrieben werden, so ist jeder Abholer der Waaren, welcher dies Buch dem Kaufmanne vorzeigt, zum Empfange derselben für bevollmächtigt zu achten. §. 569. Hat Jemand einen Hausgenossen, Dienstboten, oder Handwerker bevollmächtigt, Waaren auf seinen Namen von einem oder mehreren ausdrücklich benannten Handlungshäusern auszunehmen, so giebt dieses anderen Kaufleuten keine Befugniß, demselben in gleicher Art Waaren zu verabfolgen. §. 660. Selbst der Empfang der Waaren, die auf Jemandes Namen einem Anderen ohne fiehörige Legitimation verabfolgt worden, verpflichtet den Empfänger, in so fern derselbe nur onst für einen redlichen Besitzer zu achten ist, noch nicht deren Bezahlung.

Bon Kaufleuten.

963

8 561. Vielmehr hastet ein solcher Empfänger für den Werth der Waare nur so weit, als er sich sonst mit dem Schaden deS Verkäufers bereichern würde. 662. Ein Kaufmann kann sich seiner Handlungsbücher, wenn dieselben gehörig geführt vl Vo« sind, zum Beweise bei seinen streitig gewordenen Forderungen bedienen. HaadUw-r8. 663. Diese Beweiskraft erstreckt sich jedoch nur auf den zur Handlung gehörenden Waaren- büchern. und Wechselverkehr. §. 664. Bei Anlehnen und Bürgschaften; wegen eingebrachten Vermögens der Ehestauen, und anderer Geschäfte, haben Vermerke in den Handlungsbüchern keine mehrere Glaubwürdigkeit, als andere Privatverzeichniffe. §. 666. Wenn auch dergleichen Forderungen (8. 564.) mit dem Handlungsverkehr in Be­ ziehung oder Verbindung stehen, so können dennoch, so bald sie nicht selbst auS einem Waarenoder Wechselverkehr entsprungen find, die Handlungsbücher als Beweismittel dabei nicht gebraucht werden. §. 566. Sollen Handlungsbücher Beweiskraft haben, so müssen sie nach kaufmännischer Art geführt sein. §. 667. Mit dem Hauptbuche zugleich müssen, nach dem Verlangen deS Gegentheils, auch die übrigen Bücher, auf die dasselbe sich bezieht, vorgelegt werden. 668. Diese Bücher müssen sowohl unter sich, als mit dem Hauptbuche, bei den durch Sachverständige zu machenden Proben übereinstimmen. 8. 669. Unter Kaufleuten haben dergleichen HandlunaSbücher volle Beweiskraft. g. 670. Weichen die Vermerke in den Büchern der in Streit befangenen Kaufleute von einander ab, und find beiderlei Bücher gehörig geführt, so kann keinS derselben als ein Beweis­ mittel für den vorliegenden Fall gebraucht «erden. §. 671. Finden sich aber gegen das Eine von beiden Büchern erhebliche Ausstellungen, so hat das andere, welche- untadelhast geführt worden, so lange Beweiskraft, als das Gegen­ theil nicht auf andere Art auSgemittelt ist. 8- 672. Gegen Andere, als Kaufleute, kann nur bei streitigen Waarenlieferungen ein Beweis aus den Handlungsbüchern genommen werden; wenn durch Geständniß, oder sonst, berettS auSgemittelt ist, daß die Waaren geliefert worden. §. 673. Alsdann kann die Zeit der geschehenen Lieferung; der Betrag und die Beschaffen­ heit der gelieferten Waaren; der Preis, wofür fie behandelt oder verabfolgt worden; und die Zeit, binnen welcher die Zahlung hat erfolgen sollen, auS den Handlung-büchern bewiesen «erden. 8- 674. Auch über den Umstand : ob die Lieferung unmittelbar an den Beklagten, oder an dessen Hausgenoffen, Dienstboten, Handwerker, u. s. w. geschehen sei, ist der Beweis aus den Handlung-büchern zulässig. §. 576. Doch wirken die Bücher des Kaufmann- gegen einen, der kein Kaufmann ist, in jedem Falle nur einen halben Beweis. §. 676. Wird dieser halbe Beweis durch Gegenbeweismittel nicht geschwächt, oder auf­ gehoben, so muß der Kaufmann zur eidlichen Bestärkung seiner Bücher -ugelaffen werden. 8. 677. Bei SocietätShandlungen sind die sämmtlichen Theilnehmer, welche zur Jett der geschehenen Lieferung der Handlung an dem Orte vorgestanden haben, zur eidlichen Bestärkung verbunden. §. 678. Haben die Theilnehmer einen von ihnen, oder einen Fremden, der ganzen Handlung, oder doch der Art von Geschäften, woraus die Schuld entstanden ist, vorgesetzt : so ist nur dieser zur eidlichen Bestärkung verpflichtet. §. 679. Sind die Bücher von einem Buchhalter geführt worden, so muß, auf Verlangen de- Gegentheils, außer dem Handlungseigenthümer oder Disponenten, auch der Buchhalter oen Eid ableisten. §. 680. Äst Letzterer gestorben, oder sein Aufenthalt unbekannt, so ist der Eid deS Eigen­ thümer- oder Disponenten allein hinreichend.

§. 681. Wie zu verfahren sei, wenn der Buchhalter den Eid abzuleisten Anstand nimmt, ist in der Prozeßordnung vorgeschrieben. §. 682. Die Erben eine- Kaufmanns müssen die Richtigkeit der Bücher der Regel nack ins­ gesammt, jedoch nur auf die Art, wie Erben überhaupt Handlungen des Erblassers zu bekräftigen

verbunden find, eidlich bestärken. g. 683. Hat aber einer von den Erben die Directton der Handlung übernommen, und solche bereit- länger als Ein Jahr geführt, so ist dessen alleinige eidliche Bestärkung hinreichend. §. 684. Der eidlichen Bestärkung bedarf eS nicht bei den von vereideten Buchhaltern ge­ führten Büchern der Königlichen Bank, der SeehandlungS-Gesellschast, des Lagerhauses, der Soldund Silbermanufactur, und anderer öffentlicher Anstalten, die mit diesem Privilegio ausdrücklich versehen find.

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Zweiter Theil.

964

Achter Titel.

88- «6-639.

§. 686. Den Handlung-büchern der Juden, welchen die Rechte christlicher Kaufleute ver­ liehen worden, kommt eben die Beweiskraft zu, al- den Büchern christlicher Kaufleute. 8- 686. Diese Beweiskraft schränkt sich jedoch nur auf solche Handlung-geschäfte ein, die nach dem Zeitpunkte vorgefallen find, da der Jude die Rechte chrmlicher Kaufleute erhalten hat. §. 687. Hat ein mit diesen Rechten nicht versehener Jude die christliche Religion angenommen, so haben seine Bücher nur in Absicht der nachher betriebenen HandlungSaeschäfte Beweiskraft. §. 688. Die Handlung-bücher der Juden, welche die Rechte christlicher Kaufleute nicht haben, beweisen nur gegen deren Glaubensgenossen. §. 68V. Ist jedoch ein solider Jude Unternehmer einer Fabrik, oder ein Bankier: so beweisen seine Bücher auch gegen christliche Kaufleute, die fich in Wechsel- oder Fabrikgeschäfte mit ihm eingelaffen haben. §. 690. In allen Fällen aber können HandlungSbücher, welche in jüdischer Sprache geführt find, als Beweismittel nutzt gebraucht werden. §. 691. Bücher der Brauer, Bäcker, oder anderer Personen, welche ein öffentliche- Gewerbe treiben, ingleichen der Krämer in Dörfern und Flecken, haben keine Beweiskraft, wenn sie auch an fich auf kaufmännische Art geführt wären. 8- 699. Ist aber mit dem Abnehmer ein Gegenbuch gehalten, und find in selbigem die auSBunten Waaren oder geleisteten Zahlungen eingeschrieben worden: so bewirkt die- in den r des Abnehmer- befmdliche Gegenbuch wider ihn, ohne Unterschied de- Stande-, vollen , wenn er acht Tage nach Einzeichnung der Lteferung verstreichen lädt, ohne wider die Richtigkeit de- in dem Gegenbuche enthaltenen vermerk- gerichtlich zu protesnren. 8. 693. Geht ein solche- Gegenbuch ohne verschulden de- Lieferanten verloren, so kann derseloe, gleich einem Kaufmanne, zur eidlichen Bestärkung de- in seinen Händen befindlichen Exemplar- verstattet werden. 8- 694. In Ansehung der von Kaufleuten unter einander betriebenen Geschäfte ist die Beweiskraft der Handlung-bücher auf keine bestimmte Frist eingeschränkt. §. 696. Gegen die Erben eines Kaufmanns dauert die Beweiskraft eines Handlungsbuchs nur fünf Jahre, vom Todestage des Erblassers. §. 596. Gegen einen, der kein Kaufmann ist, bat das Handlungsbuch nur binnen Jahres­ frist, von Zeit jeder Lieferung an gerechnet, die Kraft eines halben Beweises. 8. 697. Nach Verlauf dieses Jahres erlischt -war die Beweiskraft, nicht aber das Recht de- Kaufmanns, aus dem eingetragenen vermerke als auS einem schriftlichen Contracte, zu klagen. §. 598. Auch die Beweiskraft kann dem HandlungSbuche durch Einlegung eines Protestes erhalten werden, wenn der Abnehmer die Königlichen Lande verlassen hat, oder sein Aufenthalt dem Kaufmanne unbekannt ist. 8- 599. Gin solcher Protest muß aber vor Ablauf deS Jahres (§. 596.) vor Gerichten, oder vor einem Justizeommissario und Notario eingelegt werden. §. 600. Der Kaufmann muß dabei entweder die Entfernung des Abnehmers außerhalb der Königlichen Lande bescheinigen, oder an Eidesstatt erhärten, daß er, aller angewendeten Mühe ungeachtet, den gegenwärtigen Aufenthalt desselben mcht hat erforschen können. §. 601. Er muß ferner sein Hauptbuch vorleaen, und die Stellen desselben, worin seine Forderung enthalten ist, dem Proteste einrücken lassen. i. 609. Durch den solchergestalt aufgenommenen Protest wird die Beweiskraft deS HanducbS bis auf fünf Jahre vom Dato desselben erhalten; und fie kann auch nachher, von Zeit zu Zeit, durch Wiederholung deS Protestes verlängert werden. 8« 603. Durch einen dergleichen Protest kann ein Kaufmann die Beweiskraft feines HandlungSbuchS, auch gegen die Erben eines anderen Kaufmanns, über die §. 696. bestimmte Frist verlängern. 8- 604. Uebrigens wird ein Kaufmann dadurch, daß die Beweiskraft seiner Handlungs­ bücher erloschen ist, seiner Forderung selbst noch nicht verlustig. 8- 606. Ein Handlungsbuch hat keme Beweiskraft, wenn darin Blätter eingeklebt, ein­ gehestet, oder ausgeriffen; oder wenn Stellen darin befindlich sind, die durch Aenderungen un­ leserlich gemacht worden. §. 606. Eben das findet statt, wenn der Kaufmann, bei Führung der Bücher, Unrichtig­ keiten begangen hat, die zu seinem Vortheil abzielen. 8. 607. Finden fich Unrichtigkeiten anderer Art, und find deren mehrere, so muß nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen beuttheilt werden: ob dieselben so beschaffen sind, daß dadurch die Glaubwürdigkeit oer Bücher ganz entkräftet werde. §. 608. Handlungsbücher eines Kaufmanns, der eines Meineides, oder falschen Zeugnisses überführt; oder eines anderen seinen ehrlichen Namen schändenden verbrechens durch Urtel und Recht schuldig; oder für unfähig, einen Eid zu schwören, erflärt worden, verdienen gar keinen Glauben.

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Bon Kaufleuten.

965

§. 609. Ein Gleiches findet statt, wenn der Kaufinann einen betrüglichen oder nmthwilligen Bankrutt gemacht hat. (Tit. 20. Löschn. 15.) §. 610. Ist er nur eines fahrlässigen, oder unbesonnenen Bankrutts schuldig befunden worden, so können seine Bücher zur Unterstützung anderer vorhandener BeweiSmitel gebraucht werden. §. 611. Hat ein Kaufmann auf den Grund seiner Bücher eine Forderung eingeklagt, deren bereits erfolgte Zahlung auSgemittelt wird, so geht die Beweiskraft seiner Bücher auf immer verloren. §. 612. Wird jedoch erwiesen, daß er bloß wegen Untreue, oder Unordnung eine- seiner Handlungsbedienten von der geschehenen Zahlung keine Wissenschaft erhalten habe: so ist die Beweiskraft seiner Bücher nur m Ansehung des Zeitraums, in welchem ein solcher Handlungs­ bedienter zur Führung der Bücher, oder lmncasfirung der Gelder gebraucht worden, geschwächt. §. 613. Aber auch für diesen Zeitraum können die Bücher zur Unterstützung anderer vor­ handener Beweismittel gebraucht werden. §. 614. Bei Handlungsgesellschaften finden die allgemeinen Borschriften von Gesellschastsvertrügen überhaupt, in so fern dieselben hier nicht abgeändert worden, Anwendung. (Th. 1. JSSöM*. Tit. 17. 8. 188. tqq.) xES.

§. 616. Hat die Handlungsgesellschaft nur einzelne bestimmte Geschäfte und Unternehmungen Haupt; zum Gegenstände, so ist keine öffentliche Bekanntmachung nöthia. §. 616. Auch bedarf es dazu unter Kaufleuten keines schriftlichen ContractS, in so weit deffen Stelle durch gehörig geführte Handlungsbücher des einen oder anderen Gesellschafter- er­ setzt wird. §. 617. Soll aber eine fortwährende Societät-Handlung unter einer gemeinschaftlichen Firma B JHL£j2md schlofsenen Vertrages ihren Anfang. Wgfen §. 630. Wegen der Beiträge -um gemeinschaftlichen Fond finden die Grundsätzedes ersten w trr ‘ Theils Titel 17. §. 189. sqq. Anwendung. i) in Kn« §. 681. Sollen jedoch die Geschäfte der Soeietätshandlung durch neue Beiträgeerweitert Wag der werden, so kann die- nur durch Uebereinstimmung sämmtlicher Mitglieder geschehen. verrrage; §. 632. Hat das eine oder andere Müglied ohne eine solche Uebereinstimmung seinen Bei­ trag verstärkt, und damit die Geschäfte der Soeietätshandlung erweitert, so ist er als ein solcher zu betrachten, der ftemde Geschäfte ohne vorhergegangenen Auftrag besorgt hat. (Th. 1. Tit. 13.

§. 228. sqq.)

966

3) flkTOfte;

Zweiter Theil.

Achter Titel.

88 633-675.

§. 633. Wenn der bekannt gemachte Inhalt des SocietätScontraetS nicht ein Anderes bestimmt, so ist jedes Mitglied in Abficht der gemeinschaftlichen Angelegenheiten als Factor anzusehen. 8- 634. Sind aber die Societätsaeschäste unter verschiedene Mitglieder »ertheilt, und ist dies gehörig bekannt gemacht: so wird Jeder nur in seinem Fache als Factor betrachtet. 8. 686. Jedoch können auch alsdann diejenigen Geschäfte, welche den Handlunasdienern oder Lehrlingen zustehen, von jedem Mitglieds, welches nicht ausdrücklich von allen Geschäften ausgeschloffen ist, gültig vollzogen werden. S. 636. Gin Mitglied, welches von dem Betriebe der Societätsgeschäste nicht ganz aus­ geschlossen ist, darf ohne Genehmigung der übrigen keine eigene Handlung von eben der Art, als die SocietätShandlung ist, errichten, oder als Gesellschafter daran Theil nehmen. 8- 637. Hat aber ein Gesellschafter schon zur Zeit seiner Aufnahme in die Societät seine eigene Handlung gehabt; so kann er sie fortsetzen, in so fern die Niederlegung derselben nicht ausdrüÄich vorbedungen worden. 8- 638. Wenn ein Mitglied, ohne die ausdrückliche Einwilligung der übriaen, seinen SocietätSantheil einem Fremden überläßt: so kann dieser von den übrigen Gesellschaftern weder die Einsicht der Handlungsbücher, noch Rechnungsablegung, noch andere Nachweisungen über die betriebenen Geschäfte, sondern nur die Mittheilung des jährlichen AbschluffeS fordern. (Th. 1. Tit. 17. 8- 217. sqq.)

8eJ2icn 5er §• 639. Jeder Gesellschafter ist schuldig, dahin zu sehen, daß über die durch ihn besorgten ^tolungT Geschäfte ordentliche Bücher nach kaufmännischer Art geführt werden. 8- 640. Wer dies unterläßt, verliert bei der RechnungSleguna, in Absicht der durch ihn betriebenen und nicht gehörig eingetragenen Geschäfte, die Befugmß zur eidlichen Bestärkung. (Th. 1. Tit. 17. 8- 220.) §. 641. Auch ist er den übrigen Mitgliedern für allen dadurch entstehenden Schaden verhaftet. 8- 642. Sind in dem Contracte keine besondere Verabredungen getroffen: so kann jedes Mitglied verlangen, daß am Ende des Jahres ein Inventarium über das gesammte Societäts­ vermögen ausgenommen; alsdann der Abschluß aus den Handlungsbüchern angefertigt; und nach demselben Gewinn oder Verlust vertheilt werbe. §. 643. Bei dem Mangel anderer Bestimmungen muß dies am Ende des Monats Dezember in jedem Jahre geschehen. §. 644. Sind in dem Contracte keine besondere Abreden getroffen; so werden, bei Auf­ nahme des Jnventarii, die zum Handlungsvermögen gehörenden Borräthe an Materialien und Waaren nur zu dem Preise, wofür sie angeschafft find, und wenn der gangbare Werth zur Zeit der Inventur niedriger ist, nur zu diesem niedrigeren Preise angesetzt. §. 645. Bon solchen Materialien und Waaren, deren Werth durch das Liegen im Lager vermindert wird, ingleichen von den Geräthschaften, welche sich durch den Gebrauch abnutzen, muß außerdem noch ein verhältnißmäßiger Abzug gemacht werden. §. 646. Die ausstehenden Forderungen der Handlung, welche nicht beigetrieben werden können, müffen ganz abgeschrieben; die zweifelhaften aber nur mit einem verhältnißmäßigen Ab­ züge angesetzt werden.

4) bet den «Bere;

§. 647. Berträge, als betrachten sind H. 648.

Die Gesellschaft wird sowohl durch gemeinschaftlich abgeschloffene und unterschriebene durch die Handlungen einzelner Mitglieder, in so fern dieselben als Faktoren zu (§. 633—635.), verpflichtet. Wegen der übernommenen Wechselverbindlichkeiten ist das Nöthige im folgenden

Abschnitte vorgeschrieben. §. 649. Wenn ein Gesellschafter nicht im Namen der Societät, oder unter deren Firma Verträge schließt, so finden die Vorschriften des ersten Theils Titel 17. §. 232. sqq. Anwendung. §. 650. Hat ein Mitglied der Societät die Schranken seines Auftrages überschritten, oder unerlaubte Handlungen vorgenommen; so ist die Verbindlichkeit der übrigen Mitglieder nach den

Grundsätzen von Factoren zu beurtheilen.

(§. 515. sqq.)

§. 651. Derjenige, welcher der Societät ein bestimmtes Capital mit der Bedingung anvertraut hat, daß er, statt der Zinsen, am Gewinne oder Verluste nach Verhältniß dieses Capitals Theil nehmen wolle, wird ein stiller Gesellschafter (Associe en commandite) genannt. 8- 652. Ist sein Name in der Firma nicht mit enthalten, noch er sonst als ein Gesellschafter ausdrücklich bekannt gemacht: so haftet er den Societätsgläubigern nur mit seinem in der Handlung stehenden Capital; und kann ein Mehreres zu den Societätsschulden beizutragen, nicht angehalten werden. 6) ivffien 8- 653. Jedes Mitglied ist von seinem eingelegten Capital gewöhnliche Zinsen zu fordern wwnste» und befugt, wenn nicht das Gegentheil im Contracte festgesetzt worden.

Bon Kaufleuten.

967

§. 654. Vor angefertigtem jährlichen Abschlüsse, und darnach angelegter Bertheiluna beö Gewinnstes, kann kein Mtglied, ohne Genehmigung der übrigen, mehr als landübliche Zinsen seines eingelegten Capitals aus der Handlung nehmen. §. 665. Geschieht es dennoch: so muß von der mehr herausgenommenen Summe der höchste erlaubte Zinssatz entrichtet, auch dieselbe, auf Verlangen deS einen oder anderen Gesellschafters, sogleich uneder herbei geschafft werden. §. 666. Nach angefertigtem Abschlüsse, und angelegter Bertheilung hingegen, ist jeder befugt, sich seinen Antheil am Gewinne, in so fern es ohne Zerrüttung der fortlaufenden Geschäfte möglich ist, baar herauszahlen zu lassen. §. 667. Läßt ein Gesellschafter seinen auSgemittelten Antheil am Gewinne mit ausdrück­ licher oder stillschweigender Bewilligung der übrigen, in der Handlung stehen: so muß ihm derselbe vom Ablaufe des nach §. 643. zu bestimmenden Societätsjahres, gleich dem eingelegten Capital, verzinset werben. j. 668. Wenn ein einzelnes Mitglied aus der Societät scheidet; so muß dieses jedesmal,

c) Boa Lttfhetung der nach Vorschrift §. 627. 628. gehörig bekannt gemacht werden. §.*669. So lange diese Bekanntmachung nicht geschehen ist, bleibt daS ausgetretene Mt­ Societät. 1) «xitritt glied, auch in Ansehung der nach dem Austritte vorgenommenen Geschäfte, denjenigen SocietätS- etatelier gläubigern, welche davon keine Wiffenschast erhalten haben, verhaftet. Mitglieder. §. 660. Dies findet auch alSdann statt, wenn ein Mtglied von der Gesellschaft auSgeschlofien worden. (Th. 1. Zit. 17. §. 273. eqq.) §. 661. Stirbt ein Gesellschafter, welcher der gemeinschaftlichen Handlung, oder einem Tbeile derselben, mit vorgestanden hat ; so find, im Mangel entgegenstehender gültiger Verab­ redungen, die Erben desselben berechtigt, mit dem Ablaufe deS nach §. 643. zu bestimmenden SocietätSjahres, in welchem daS Absterben erfolgt ist, die Societät zu verlassen. §. 662. Auf gleiche Art find die übrigen Mtglieder befugt, den Erben die Societät zu kündigen. H. 668. Bis zum Abläufe des Jahres nehmen die Erben an dem Gewinne oder Verluste der Societät, gleich dem Erblasser, Theil. 8. 664. Die übrigen Mtglieder, oder deren Factoren, betreiben so lange die Geschäfte unter der Firma für gemeinschaftliche Rechnung; und den Erben deS Verstorbenen steht eS bloß frei, zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen vereideten Sachverständigen als Aufseher zu bestellen. §. 666. Die ausscheidenden Erben müssen dafür sorgen, daß vor Ablauf deS Jahres das Abfterben ihres Erblaffers, imb ihr bevorstehender Austritt, nach Vorschrift §. 668., gehörig bekannt gemacht werde. 8. 666. Welche Wirkungen, außer dem 8. 661. bestimmten Falle, das Absterben eines Ge­ sellschafters habe, ist nach den allgemeinen Vorschriften des ersten Theils Zit. 17. §. 280. zu beurtheilen. §. 667. Wird über das eigene Vermögen eines Gesellschafters Concurs eröffnet: so hört in Ansehung deffelben die Societät mit dem Tage der ConcurSeröffnung auf; und die übrigen Mit­ glieder find befugt, sich, nach näherer Vorschrift der Prozeßordnung, mit seiner Creditmaffe aus einander zu setzen. §. 668. Will außerdem ein Mtglied auS der Gesellschaft treten, so muß dasselbe seinen Vorsatz den übrigen sechs Monate vor Ablauf des Societätsjahres ankündigen. §. 669. In Ansehung der bei dem Ablaufe des Jahres, ohne ausdrücklichen Widerspruch des auStretenden Gesellschafters, schon wirklich geschloffenen Societätsgeschäfte ist derselbe bis zu deren völliger Beendigung mit verhaftet. §. 670. Bei der Auseinandersetzung selbst finden die Vorschriften des ersten Theils Titel 17. §. 295. eqq. Anwendung. §. 671. Hiernach muß auch bestimmt werden: in wie fern der austretende Gesellschafter sein eingelegtes Capital sogleich zurückfordern könne; oder selbiges gegen kaufmännische Zinsen noch länger stehen lassen müsse. §. 672. Allen SocietLtsgläubigern, welchen der Austritt gehörig bekannt gemacht worden, bleibt der ausgetretene Gesellschafter nur auf Ein Jahr, feit dem Ablaufe des SocietätSjahres, verhaftet. §. 673. Wird eine Forderung erst nach Ablauf dieses Jahres fällig, so ist die Jahresfrist von bem Verfalltage an zu rechnen. §. 674. Nach Ablauf diese- Zeitraums (§. 672. 673.) können dergleichen Societätsgläubiger sich nur an die übrigen in der Societät verbliebenen Mitglieder halten §. 675. Ist die Führung der ganzen Societätshandlung, ober eines Theils derselben, dem ausgetretenen Mitgliede allein übertragen gewesen: so können die in der Societät verbliebenen Mitglieder gegen unbekannte Ansprüche, aus den von ihm vorgenommenen Handlungen, sich eben

968

Zweiter Theil.

Achter Titel.

g§. 676-719.

so, wie der Principal gegen die Handlungen deS gewesenen Factors (§. 537. sqq.) durch ein öffentliche- Lufaebot sicher stellen. (§. 539.) §. 676. Den Societätsgläubigern, welche sich bei diesem Aufgebot nicht gemeldet haben, bleibt jedoch ihr Recht gegen den gewesenen Gesellschafter, welcher fernen Austritt nicht gehörig bekannt gemacht hat, vorbehalten. rs«n»liche §. 677. Soll die Societätshandlung ganz aufgehoben werden, so muß darüber öffentliche Bekanntmachung, nach Vorschrift § 618. sqq., erfolgen. bm»a der §• 678. Ist diese Bekanntmachung unterblieben: so hastet jedes Mitglied denjenigen, welche Societät, auch sonst von der erfolgten Aufhebung der Societät keine Wiffenschast erlangt haben, für die von einem oder dem anderen der gewesenen Gesellschafter, im Namen der Societät, oder unter deren Firma, geschloffenen Verträge eben so, als wenn die Societät nicht aufgehoben wäre. §. 679. Entsteht ein Streit darüber, welcher von den gewesenen Gesellschaftern die bis­ herige Firma behalten solle, so muß dieselbe demjenigen zugeeignet werden, welcher den darin enthaltenen Hauptnamen zu führen berechttgt ist. §. 680. Kann der Streit nach diesem Grundsätze nicht entschieden werden, so gebührt dem­ jenigen, welcher von Anfang an ein Mttglied der Societät gewesen ist, oder dessen Erben, der Vorzua vor einem später aufgenommenen Gesellschafter. §. 681. Kann auch hiernach die Streitftage nicht bestimmt werden, so muß das Loos entscheiden. §. 682. Wegen Verhaftung der gewesenen Mitglieder gegen die SocietätSgläubiger, nach geschehener Bekanntmachung, findet eben das statt, was im ersten Theile Titel 17. §. 307. sqq. verordnet worden. 8- 683. Doch kann, unter den §. 537. sqq. vorgeschriebenen Bestimmungen die öffentliche Vorladung der unbekannten Gläubiger gesucht werden. vni. »m §. 684. Hat ein Kaufmann einem Anderen, der kein Kaufmann ist, Waaren auf Borg geMtnctütfen geben, so kann er, wenn keine Zahlungsfrist bestimmt worden, nach Verlauf von vierzehn Tagen, ' vom Tage der geschehenen Einmahnung gerechnet, landübliche Zinsen fordern. 8. 685. Der ausdrücklichen Einmahnung soll es gleich geachtet werden, wenn der Kauf­ mann dem Abnehmer Rechnung zuschickt. §. 686. Zum Beweise, daß, und wann die Einmahnung geschehen, oder bis zu welchem Tage der Credit gegeben sei, soll der eidlich bestärtte Vermerk in den Büchern des Kaufmanns hinreichen. §• 687. Kann die geschehene Einmahnung, oder der Tag, bis zu welchem Credit gegeben worden, nicht nachgewiesen werden: so tritt die Verzinsung erst nach Verlauf eines Jahres vom Tage der geschehenen Lieferung ein.

§. 688. Ist der Credit bis zu einem bestimmten Tage gegeben worden, so laufen von diesem an die Berzögerungtzinsen. 8- 689. Vorstehende Befugniß, Zinsen zu fordern (§. 684. 687. 688.), wird nicht aufgehoben, wenngleich der Kauftnann demselben Abnehmer in der Folge noch mehr Waaren auf Credit giebt 8- 690. Den zur Bestimmung des Zinssatzes ergangenen Landes- oder Provinzialgesetzen sind auch Kaufleute der Regel nach unterworfen. 8- 691. Bei Darlehnen der Kaufleute finden die Vorschriften des ersten Theils Tit. 11. 8- 805. Anwendung. §. 692. Wenn jedoch einem Kaufmanne, der mit Waaren im Großen handelt, Gelder gegen bloße Handschrift oder Wechsel, und ohne besondere Sicherheit, auf eine sechs Monate nicht übersteigende Zeit vorgeliehen worden: so soll die Bestimmung des Zinssatzes lediglich der Ber­ einigung der Interessenten überlasten sein. §. 693. Nach Verlauf der sechs Monate aber finden nur die gesetzmäßigen Zinsen statt.

ix. Provifion.

§. 694. Wird auch noch während der sechs Monate über des Schuldners Vermögen Concurs eröffnet, so kann der Gläubiger nur die gesetzmäßigen Zinsen aus der Maste fordern. 8- 695. Von den Vorschüssen, welche ein Kaufmann, bei Gelegenheit eines demselben er­ theilten Auftrages macht, ist er vom Tage der Verwendung an, sechs vom Hundert jährliche Zinsen zu fordern berechttgt. §. 696. Kaufleute unter einander können in Handlungsgeschästen, auch ohne ausdrückliche Verabredung, die am Orte zwischen Kaufleuten gewöhnlichen Zinsen fordern. §. 697. Wenn Kaufleute sich unter einander wegen wechselseitiger Forderungen an Capital und Zinsen berechnen: so ist der, welchem ein Ueberschuß gebührt, von dem ganzen Betrage des­ selben, wenngleich darunter Interessen mit begriffen sind, Zinsen seit dem Tage des Abschluffes anzusetzen berechtigt. §. 698. Ein Kaufmann, welcher kaufmännische Geschäfte für einen Anderen, er sei Kaufmann ober nicht, besorgt, kann dafür, auch ohne ausdrückliche Verabredung, Provision fordern.

Bon Wechseln.

969

Achter Abschnitt. Bo« Wechsel«. §§. 713 bis 1249.

Aufgehoben ">).

§. 699. Diese Provision wird bei dem Waareneinkauf oder Verkauf von dem Betrage deS KaufgeldeS; bei Zahlungen oder Geldhebungen von dem Betrage der zu zahlenden oder zu er­ hebenden Summe, und bei Versicherungen von dem gezeichneten VersicherungSquanto gegeben. §. 700. Sind Waaren bei einem Kaufmanne niedergelegt worden, so kann derselbe für deren Aufbewahrung Lagergeld, auch ohne vorhergegangene ausdrückliche Verabredung, fordern. §. 701. Der Satz der Provision und des Lagergeldes muß nach demjenigen bestimmt werden, was unter Kaufleuten am Orte oder in der Provinz gewöhnlich ist. §. 709. Kaufleute find schuldig. Aufmerksamkeit anzuwenden, daß nicht andere Kaufleute x. Bon krrfdurch ihre Empfehlungen verleitet werden, sich mit unsicheren Personen in Handlung-geschäfte einzulaffen. g. 703. Hat ein Kaufmann Jemanden von mißlichen Dermögensumständen, oder unzu­ verlässigem Charakter, einem anderen Kaufmanne, wider besseres Wissen, als einen sicheren guten Mann empfohlen: so muß er allen Schaden ersetzen, welcher bei den durch diese falsche Empfehlung unmittelbar veranlaßten Geschäften, aus dem Unvermögen oder unzuverlässigen Charakter des Empfohlenen entsteht. g. 704. Hat er von den nützlichen Bermöaensumständen, oder dem unzuverlässigen Charakter deS Empfohlenen keine Wissenschaft gehabt, so ist er den Schaden nur alsdann zu vertreten schuldig, wenn er den Irrthum bei Anwendung der gewöhnlichen Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. 8. 706. Ist die Empfehlung auf vorhergegangene Anftage des anderen Kaufmann- erfolgt, so Haftel er nur für ein groveS versehen. g. 706. In allen Fällen ist der Empfehlende von der Vertretung frei, wenn auSgemittelt werden kann, datz der Beschädigte durch die Empfehlung nicht bewogen worden, sich mit dem Empfohlenen einzulaffen. g. 707. Desgleichen alSdann, wenn die Unstcherheit oder Unzuverlässigkeit bei dem Em­ pfohlenen erst nach der geschehenen Empfehlung entstanden ist. 8. 708. Auch erstreckt sich die Vertretung allemal nur auf diejenigen Geschäfte, welche un­ mittelbar nach der Empfehlung mit dem Empfohlenen geschloffen worden. §. 709. Hat der Beschädigte in der Zwischenzeit Gelegenheit gehabt, von den Vermögens­ umständen oder dem Charatter des Empfohlenen sich selbst zu überzeugen, so fällt die Ver­ tretung hinweg. g. 710. Wenn ein Kaufmann einem anderen Kausinanne schriftlich oder mündlich erklärt, daß derselbe einem Dritten auf seine Gefahr Credit geben könne, so ist er als Bürge zu betrachten. g. 711. Sowohl wegen einer solchen Bürgschaft überhaupt, als wegen der Dauer und deS Umfange- derselben, finden die Vorschriften deS ersten Theils Titel 14. ß. 257. sqq. Anwendung. 8. 712. Hat aber ein Kaufmann an Jemanden einen Creditbrief ertheilt, und seinen Correspondenten angewiesen, dem Ueberbringer auf seine Rechnung zu zahlen; so wird er jenem alS Hauptschuldner verhaftet.

tSET

40) Durch §. 1 des Ginf.Ges. zur Wechs O. v. 16. Febr. 1850 (G.S. S. 53). Die auf­ gehobenen 8g., an deren Stelle die Vorschriften der WechsD. getreten find, lauteten: §. 713. Die nach einer bestimuüen gesetzlichen Form abgefaßten Verschreibungen, wodurch a. Bon SM« Jemand verpflichtet wird, eine Summe Geldes, bei Vermeidung de- sogleich erfolgenden persönUer« lichen Arrestes, zu bezahlen, werden Wechsel genannt. §. 714. Hat der Aussteller die Zahlung selbst zu leisten versprochen: so ist ein trockner oder eigener Wechsel; wenn aber die Zahlung einem Dritten aufgetragen worden, ein gezogener Wechsel vorhanden. g. 716. Wer überhaupt unfähig ist, Verträge zu schließen, kann sich nicht wechselmätzig l «er iM» verbinden. (Th. 1. Tit. 5. tz. 9-30 ). ^fShtg tft.

716. Wer in Ansehung der Fähigkeit, Darlebnsverträge zu schließen, eingeschränkt ist, eine Wechselverpflichtung übernehmen. (Th. 1. Tit. 11. g. 675. sqq.) §. 717. Selbst in den Fällen, da die von dergleichen Personen geschloffenen Verträge, oder aufaenommenen Darlehne, unter gewissen Umständen gültig werden, findet gegen sie weder wechselmaßiges Verfahren, noch Wechselexecution statt. (Th. 1. Tit. 11. §. 707. sqq.) §. 718. In der Regel ist nur derjenige wechselsähig, welcher die Rechte eines Kaufmannes hat. A n h. 8. 110. Ordentlich recipirte Buchhändler sind wechselfähig. §. 719. Diese Wechselfähigkeit hört, auch nach niedergelegter Handlung, nicht eher auf, als bis eine Veränderung des Standes vorgegangen ist. (Th. 1. Tit. 1. §. 6.)

Zweiter Theil.

»70

Achter Titel.

88- 790-766.

§. 720. Die Inhaber der Fabriken, ingleichen die Apotheker, find in Ansehung der Wechsel­ geschäfte den Kaufleuten gleich ju achten. §. 721. Eben die- findet m Abficht derjenigen statt, welche nach den besondern Verfassungen eine- zeden Ortes, die Befugniß erhalten haben, für eigene Rechnung zur See oder auf Strömen Schifffahrt zu treiben. §• 722. Diesen wird, bei Seeschiffen, der Capitän, oder derjenige, welchem die Führung deS ganzen Schiffes anvertraut worden, gleich geachtet. 6. 728. Auch Juden ohne Unterschied find dem Wechselrechte unterworfen. g. 724. Frauenspersonen, welche Kaufmannschaft treiben, bleiben wegen der in dieser Qualität geschloffenen Wechselgeschäste ihren Gläubigern, auch nach niedergelegter Handlung, wechselmäßra verpflichtet. 8. 726. Alle übrigen Personen weiblichen Geschlechts, ohne Unterschied, find an fich nicht wechselfähig. . 726. Wirkliche Besitzer adliger Güter, ferner die Haupt- oder Generalpächter landeser oder prinzlicher Aemter, find für wechselfähig zu achten. A n h. g. 111. DieS ist auch der Fall bei den Besitzern derjenigen Erbzins- und Erbpacht­ güter, welche mit eigener Gerichtsbarkeit versehen, und als für fich bestehende Befitzungen unter einem besonderen Namen in das HypothÄkenbuch eingetragen worden find. §. 727. Wenn der Befitztitel eines adligen GutsbefitzerS im Hypothekenbuche gelöscht worden; oder wenn die Pacht aufgehoben ist: so erlischt die darauf gegründete WechselfSyigkeit. §. 728. Alle übrigen Landeseinwohner, außer vorstehend benannten Personen (§. 718— 724. 726.), können sich in der Regel nicht wechselmäßig verpflichten. (8- 931. 932.) g. 729. Auch dadurch, daß Jemand fich für einen Wechselfähigen auSgegeben, und diese Angabe sogar eidlich bestärkt hat, erlangt der Gläubiger kein Wechselrecht. (Th. 1. Tit. 6. g. 35. 36.) §. 730. a) Die von solchen nicht wechselfähigen Personen ausgestellten trockenen Wechsel werden alS bloße Schuldscheine angesehen; und andere von ihnen übernommene Wechselver­ bindungen werden nach der Nalur des dabei eigentlich zum Grunde liegenden Geschäfts beurtheilt, g. 730. b) Wenn jedoch dergleichen an sich nicht wechselfähige Personen an eine öffent­ liche Caffe oder Anstalt Wechsel ausstellen, so entsteht daraus gegen sie, so weit sie überhaupt Darlehne aufzunehmen fähig sind, auch wechselmäßige Verpflichtung. g. 731. Wenn Jemand, der nach den Gesetzen nicht wechselfähig ist, zur Unterstützung oder Ausbreitung seines Verkehrs oder Gewerbes, sich die Wechselfähigken verschaffen will: so muß er sich bei seinem ordentlichen persönlichen Richter melden, und die Beilegung der Befugniß, Wechsel­ verbindungen einzugehen, nachsuchen. Anh. g. 112. Personen, denen das Gesetz selbst die Wechselfähigkeit in gewissen Fällen bei­ gelegt hat, können zum Wechselausstellen auch in anderen uno mehreren Fällen autorisirt werden. g. 732. Die Anmeldung muß entweder in Person geschehen, oder es muß dazu eine gericht­ liche Specialvollmacht ausgestellt werden. g. 733. Der Richter muß dabei genau untersuchen: ob der, welcher um die Wechselfähigkeit sich meldet, die Eigenschaften, Verstandeskräfte, und Erfordernisse besitze, die ein Jeder haben muß, welcher Verträge zu schließen, und Darlehne aufzunehmen, befugt sein soll. g. 734. Er muß fich ferner, jedoch nur im Allgemeinen, überzeugen, daß derselbe ein nütz­ liches Gewerbe treibe, zu dessen Beförderung die Wechselfähigkeit gereichen kann. §. 735. Auf eine genaue Untersuchung über den Umfang dieses Gewerbes und über die DermögenSumstände des Ansuchenden, ist der Richter sich einzulaffen weder befugt, noch schuldig. §. 736. Ist der Ansuchende einer Patrimonialgerichtsbarkeit unterworfen; so mutz fich der GerichtShalter die Genehmigung der Grundherrschaft, oder deren Stellvertreters, beibringen lassen, g. 737. Den Personen weiblichen Geschlechts, ingleichen den Mannspersonen vom Bauern­ oder geringeren Bürgerstande, muß der Richter, bei Vermeidung nachdrücklicher Ahndung, die Vorschriften und Folgen des Wechselrechts erklären und bekannt machen. g. 738. Findet der Richter bei dem Anträge, nach vorstehend erfolgter Prüfung desselben, kein Bedenken: so muß er dem Ansuchenden ein Certificat dahin ausfertigen: daß derselbe sich um die Befugniß, wechselmäßige Verbindungen einzugehen, gebührend gemeldet habe, und dazu hiermit für fähig erklärt werde. §. 739. Ein solches Certificat macht denjenigen, der es erhalten hat, nicht nur für den Fall, bei dessen Gelegenheit selbiges nachgesucht worden, sondern auch für alle künftigen Fälle wechselfähig. g. 740. Bei Wechselgeschäften einer Frauensperson, welcher ein solches Certificat ertheilt worden, ist weder die Gegenwart eines Assistenten oder Geschlechtvvormundes, noch eine noch­ malige Erklärung der Strenge des Wechselrechts nothwendig.

4

33on

971

§. 741. Hat Jemand, der entweder Verträge überhaupt zu schließen, oder Darlehne auf­ zunehmen unfähig ist, ein solches Certificat erhallen, so bestehen zwar die mit ihm auf den Grund desselben geschloffenen Wechselverbindunaen; §. 742. Der Richter aber, welcher vas Certificat ausgestellt hat, hastet nach den allaemeinen Grundsätzen vom Schadensersätze, für allen dem Unfähigen daraus entstandenen Nachtheil; und soll überdies, wegen vorsätzlicher Ueberschreitung oder grober Vernachlässigung seiner Amts­ pflichten, nach Vorschrift der Criminalgesetze bestraft werden. 8. 743. Das Certificat selbst muß dem Unfähigen sofort abgenommen und casfirt werden. §. 744. Kann selbiges nicht wieder herbeigeschafft werden, so muß eine gerichtliche Mortificirung deffelben, durch öffentliches Aufgebot, und Bekanntmachung in den Zeitungen und Intelligenzblättern der Provinz erfolgen. (Th. 1. Tit. 16. §. 130. 182.) §. 745. Wenn Jemand, welcher die Wechselfähigkeit durch eine richterliche Beglaubigung erhalten Lat, in der Folge die Befuaniß, Verträge zu schließen, oder Darlehne frei aununehmen, verliert: so müssen wegen Zurücknahme und Cassation deS Certificats, oder wegen dessen Mortificiruna, die obigen Vorschriften (§. 743. 744.) ebenfalls beobachtet werden. §7 746. Jedes Gettcht muß von den bei ihm nachgesuchten und ertheilten Certifieaten ein genaue- und vollständiges Berzeichniß führen, damit in jedem Falle ohne Weitläufigkeit auSgemittelt werden könne: ob Jemand, welcher zu den §. 718. 720. bis 724. und 726. benannten Personen nicht gehört, die Wechselfähigkeit besonders erhalten habe. 8. 747. Zn diesem Verzeichnisse müssen die nach g. 743. bis 745. zurücktzenommenen oder mortificirten Certificate sogleich wiederum gelöscht werden. g. 748. Ein Instrument, welche- Wechselkraft haben soll, muß in deni Contexte ausdrücklich £. Litzeals Wechsel oder Wechselbrief benannt sein. bmtifiedÜS

8. 749. Ist dieS geschehen, so kommt es nicht darauf an; ob außerdem noch der Ausdruck: ««wett: „nach Wechselest", gebraucht worden. g. 750. Sowohl eigene, als gezogene Wechsel können nur auf bestimmte Geldzahlungen, b> Mumitt nicht auf Waarenlieferungen oder Dienstleistungen gerichtet werden. §. 751. Verschreibungen, worin dem Schuldner die Wahl: entweder Geld zu zahlen, oder fnmw. Waaren zu liefern, gelassen wird, sollen nicht als Wechsel getten. g. 762. Die zu verschreibende Geldsumme muß in jedem Wechsel bestimmt auSgedrückt werden. 8. 753. Die Bezeichnung der Summe kann mit Buchstaben oder Ziffern, oder durch beide zugleich geschehen. 8. 754. Ist die Summe bloß mit Ziffern ausgedrückt, und an diesen eine Correctur erstchtlich: so hat daS Instrument keine Wechselkraft. §. 766. Eben dieses findet statt, wenn die Summe bloß mit Buchstaben ausgedrückt worden, und fich an diesen eine Correctur findet. §. 756. Ist die in der Ueberschrist oder unter dem Wechsel vermertte Summe von der im Contexte au-gedrückten verschieden, so wird nur auf die letztere Rücksicht genommen. §. 767. Weicht im Wechsel selbst die mit Ziffern bezeichnete Summe von der mit Buch­ staben geschriebenen ab, so ist letztere für die richttge zu achten. §. 768. Behauptet Jemand, daß in den hiernach §. 766. 757. anzunehmenden Summen ein Irrthum vorgefallen sei, so bleibt ihm der Nachweis dieses Irrthums, jedoch außer dem Wechselprozeffe, unbenommen. §. 759. Die Münzsorte, worin die Zahlung zu leisten ist, kann nach Baneopfunden und o)Münzs-rie. anderen bekannten Rechnungsmünzen, oder in klingendem Gelde, bestimmt werden. §. 760. Lautet jedoch ein in hiesigen Landen zahlbarer Wechsel auf Scheidemünze, oder auf eine zur Zeit der Ausstellung schon verrufene Geldsorte, so bat er keine Wechselkraft. 8. 761. Auch derjemge , an welchen, oder auf dessen Ordre die Zahlung geschehen soll, M Ra»e be» muß, der Regel nach, im Wechselbriefe benannt sein. «mpfSv-ew. t. 762. Doch können auch die Wechsel solcher Personen, welche kaufmännische Rechte haben .—724.), an jeden Briefsinhaber gestellt sein. 8. 763. Wer sich aber einen solchen Wechsel auSstellen läßt, muß eS lediglich sich selbst beimeffen, wenn dieser Wechsel von einem unrechtmäßigen Besitzer, von dem er keine Schadlos­ haltung erlangen kann, eincasfirt wird. §. 764. Ist jedoch ein solcher auf jeden Inhaber lautende Wechsel an einen Dritten namentlich indossirt worden, so, kann die Zahlung nur an den durch dergleichen Indossament berechttgten Inhaber geschehen. §. 766. Jeder Wechsel muß das Bekenntniß des Ausstellers von dem Empfange der e) Valuta. Valuta, oder des Werthes, enthalten. g. 766. Ist nur der Ausdruck: „Valuta oder Werth", gebraucht, so kommt es übrigens auf die Worte, womit das Empfangsbekenntniß ausgedrückt worden, nicht an.

972

Zweiter Theil.

Achter Titel.

88- 797-821.

6. 767. Die Bestimmung, worin oder von wem Valuta gegeben worden, ist zur Gültigkeit eines Wechsel- nicht nothwendig. §. 768. Luch der Ausdruck: „Valuta in Rechnung", oder: „den Werth in Rech­ nung", ist hinreichend. §. 769. Doch find die Wechsel der g. 796. benannten Personen nur in so fern alS Wechsel gültig, wenn darin ein Bekenntniß des Ausstellers, die Valuta baar empfangen zu haben, ent­ halten ist. f) Datum. §. 770. Jeder Wechsel muß auch den Ort der Ausstellung, ingleichen die Zeit derselben, nach Tag, Monat und Jahr bestimmt, enthalten.

g. 771. Es ist gleichgültig, ob dieser Vermerk am Anfänge oder an einer anderen Stelle des Wechsels fich befinde. ,) Zahlung»g. 772. In dem Wechsel muß ferner die Zahlungsfrist genau bestimmt werden. zeit. §. 773. Diese Bestimmung kann durch Benennung eine- gewissen TageS, Monats und JahreS; oder eines gewiffen Marktes, oder erner Meffe; oder durch Angebung eine- nach Tagen, Wochen, Monaten, oder fahren angemessenen Zeitraums, geschehen. §. 774. Auch ist die Beziehung auf eine bestimmte Handlung oder Begebenheit, von deren Erfüllung oder Wirklichkeit die Verbindlichkeit zur Zahlung abhängen soll, hinreichend. 8. 776. Ein Wechsel kann auch auf Sicht oder auf Ufo gestellt werden, (g. 849. sqq.) 8. 776. Endlich muß jeder Wechsel von dem Aussteller unterzeichnet sein. b) Unter« zeichmrng. g. 777. Bei Kaufleuten, die alS Eigenthümer, Gesellschafter, oder Disponenten einer Handlung, eine gewiffe bekannt gemachte Firma fuhren, müssen Wechsel, durch welche die Handlung verpflichtet werden soll, unter dieser Firma ausgestellt werden.

§. 778. In allen übrigen Fällen muß entweder der Bor- und Geschlechtsname, oder der Geschlechtsname und Charakter des Aussteller-, oder ein anderes deutliches Kennzeichen zur Unter­ scheidung deffelben von anderen Personen gleiches Namens, beigefügt werden. g. 779. Wird Jemand durch Zufall außer Stand gesetzt, selbst zu schreiben, so kann er einem Anderen zur Unterzeichnung ferner Wechsel Procura geben. §. 780. Dergleichen Procura muß wie jede andere Special-Vollmacht ausgestellt werden. (Th. 1. Tit. 13. §. 110. sqq.) 8. 781. Wechsel, die bloß mit Kreuzen oder anderen Zeichen unterschrieben sind, haben keine Gültigkeit. 8. 782. Daß der Aussteller den Context des Wechsels eigenhändig schreibe, ist nicht nothwendig, g. 783. Bei anerkannter Unterschrift kann fich der Aussteller mit dem Einwande, daß der Wechsel selbst ohne seine Genehmigung geschrieben worden, im Wechselprozeffe nicht schützen. g. 784. Das Dorgeben des Ausstellers, daß er der Sprache, worin der Wechsel abgefaßt ist, nicht kundig sei, benimmt dem Instrumente nichts an seiner Wechselkraft. UL von mehreren Wechselver­ pflichteten.

8. 786. Ist ein Wechsel in der einfachen Zahl ausgestellt, und von Mehreren unterschrieben: so wird der zuerst Unterzeichnete als Hauptschuldner betrachtet, und die übrigen hasten nur als

Bürgen. g. 786. Lautet aber der Inhalt des von Mehreren unterschriebenen Wechsels in der mehreren Zahl, so ist anzunehmen, daß sie Einer für Alle und Alle für Einen hasten. (Th. 1. Tit. 6. §. 424. sqq.) §. 787. Wer also bei einem solchen Wechsel, den er mit unterzeichnet, nur als Bürge, Assistent, oder Zeuge betrachtet sein will, muß diese Eigenschaft seiner Unterschrift ausdrücklich

beifügen. g. 788. Ein Factor oder Disponent, der nicht zugleich Miteigenthürner der Handlung ist, kann wegen der von ihm unter der Handlungsfirma übernommenen Wechselverbindlichkeiten, für seine Person nicht in wechselmäßigen Anspruch genommen werden. g. 789. Er ist aber diesem Ansprüche unterworfen, wenn er sich ausdrücklich für seine Person verpflichtet, oder die Schranken seines Auftrages überschritten hat. §. 790. Hat ein Factor oder Disponent das Wechselgeschäft nicht unter der Finna, sondern bloß in seinem Namen geschloffen ; so ist nur er selbst, nicht aber die Handlung, wechsel­ mäßig verhaftet. §. 791. Die Erfüllung der von einer Firma übernommenen Wechselverbindlichkeit muß von dem gefordert werden, 'welcher der Handlung vorsteht. g. 792. Wird sie von diesem nicht geleistet, so hält fich der Wechselgläubiger an den Eigen­ thümer der Handlung wechselmäßig. g. 793. Ist es eine SocietätShandlung, so kann der Wechselgläubiger fich an sämmtliche Gesellschafter, oder auch nur an Einen oder etliche derselben halten.

794. Keiner darf vorschützen, daß die zu zahlende Summe seinen Antheil an der gemein­ schaftlichen Handlung übersteige.

Bon Wechseln.

973

§. 796. Ein stiller Gesellschafter (Associe en commandite 8. 661. 662.) wird aus einer unter der Firma der Gesellschaft übernommenen Wechselverbindlichkeit niemals wechselmäßig verhaftet. 8- 796. Ist der Eigenthümer einer Handlung, oder der Eine von den Gesellschaftern für seine Person nicht wechselfLhig: so hat dies weiter keinen Einfluß, alS daß der eigentliche Wechsel­ arrest wider ihn nicht statt findet. 8- 797. Sind außerdem mehrere wechselfähige Personen auS einem WechselgeschLfte Selbst­ schuldner, so hat der Gläubiger die Wahl, von welchem unter ihnen er Zahlung fordern wolle. 8- 798. Dieser muß die Zahlung vollständig leisten; wenn auch daS Geld, ganz oder zum Theil, zum Besten seiner Mitschuldner verwendet sein sollte. 8- 799. In wie fern er sich, nach geleisteter Zahlung, an seinen Mitschuldner halten könne, ist nach den Vorschriften des ersten Theils Tit. 5. §. 443. sqq. zu beurtheilen.

8 800. Ihm sieben in so weit alle Rechte eines Bürgen zu. 8- 801. In wie fern derjenige, welcher aus einem Wechsel alS Bürge verhaftet ist, wechsel­ mäßig belangt werden kann, ist im ersten TheUe, Tit. 14. 8- 296. bestimmt. §. 802. Der Bürge, welcher statt deS Hauptschuldners einen Wechsel einlöset, tritt ohne Eesfion in alle Rechte deS Wechselgläubigers. 8. 803. Ist ein Wechselbürge nicht wechselfLhig, so hastet er nicht wechselmäßig, sondern nur gleich einem gemeinen Bürgen. 8- 804. Eben dieS findet statt, wenn die Bürgschaft nicht im Wechsel selbst, sondern außer demselben, in einer anderen Verschreibung übernommen worden. 8- 806. Wenn der in, oder aus dem Wechsel benannte Inhaber denselben einem Anderen iv. e*n Zu­ übertragt, so wird dieses ein Jndoffament genannt. doffawent. 8- 806. Geschieht die Uebertragung m der Absicht, den Anderen zum Eigenthümer oder Herrn deS Wechsels zu machen; so ist ein eigenllicheS Jiüwffament, wenn aber dem Anderen bloß die Einforderung der verschriebenen Schuld aufgettagen wird, ein Jndoffament pro cura vorhanden. §. 807. Bei einem Jndoffament pro cura gelten zwischen dem Indossanten und dem JndoffatariuS die Grundsätze von Vollmacht-aufträgen. (Tb. 1. Tit. 18. 8- 87. saq.) 8- 808. Im zweifelhaften Falle wird angenommen, daß ein eigentticheS Jndoffament, durch welche- dem JndoffatariuS daS Eigenthum des Wechsels hat überttagen werden sollen, vorgeganaen sei. 8- 809. Durch den bloßen Befitz eines Wechsel- wird Jemand, der in oder auf dem Wechsel selbst nicht benannt ist, zur Einziehung der darin verschriebenen Summe nicht berechtigt. 8- 810. Ist jedoch der Wechsel auf jeden Brief-inhaber gestellt, und e- befindet sich darauf kein Jndoffament: so ist jeder Vefitzer zur Erhebung der verschriebenen Summe legrtimirt (§. 768.) §. 811. Das Jndoffament muß auf vem Wechsel selbst verzeichnet werden. Erforderuiffe

§. 812. Ist jedoch bei langen auf entfernte Plätze aezoaenen Wechseln, wegen Mangel- deRaume-, die Fortsetzung de- Indossament- auf dem Wechsel selbst nicht möglich; so kann dieselbe auf einem eingeklebten Blatte gültig geschehen. 8- 813. Außer diesem Falle hat dre nicht auf dem Wechsel selbst geschehene Ueberttagung desselben nur die Wirkungen einer Eesfion. (Th. 1. Tit. 11. §. 802. sqq.) 8. 814. Ist dabei der Wechsel dem Cesfionario nicht überliefert; sondern einem Dritten gehörig indosfirt worden: so geht Letzterer, wenn ihm die frühere Eesfion nicht bekannt gewesen ist, dem Ersteren vor. (Th. 1. Tit. 10. §. 23. 26.) §. 816. Der Regel nach muß da- Jndoffament den Ramen desjenigen, welchem der Wechsel übertragen wird, enthalten. §. 816. Doch kann dasselbe ausdrücklich auf jeden Briefsinhaber gerichtet werden; es findet aber alsdann die Vorschrift deS g. 763. und 810. Anwendung. g. 817. Die bloße RamenSunterfchrist deS vorigen JrchaberS ist nicht hinreichend, den gegenwärtigen zu Verfügungen über den Wechsel zu berechtigen.

g. 818. Denn aber ein gehörig auSgefüllteS Jndoffament vorgezeigt wird: so kann der vorige Inhaber, welcher seine RamenSunterfchrist anerkennen muß, fich mit dem Einwande, daß er den Wechsel bloß m Blaneo indosfirt habe, und die Ausfüllung ohne sein Vorwiffen geschehen

sei, im Wechselprozeffe nicht schützen. g. 819. Das Jndoffament muß ferner ein Empfang-bekenntniß der Valuta oder de- Wertheebenso enthalten, wie bei den Wechseln selbst vorgeschrieben ist. (8. 766—769.) §. 820. Ist dergleichen Bekenntniß auS dem Jndoffament nicht zu ersehen, so wird der­ jenige, auf welchen dasselbe lautet, nur alS Speeialbevollmächtigter deS Indossanten bettachtet. (g. 807.) g. 821. Luch muß beim Jndoffament die Zeit, wann es geschehen ist, nach Tag, Monat und Jahr ausgedrückt werden.

974

Zweiter Theil.

Lchter Tttel.

g§. 889-874.

8- 829. Fehlt dies Erfordermd, so wird angenommen, daß nur ein Indossament pro cura vorhanden sei. 8- 823. Die Bestimmung des Ortes, wo das Indossament ausgestellt worden, ist nicht nothwendig. 8- 894. Hingegen muß da- Indossament von dem Indossanten eben so unterschrieben sein, wie eS bei Wechseln verordnet ist. (8- 777. sqq.) Wie lLux §. 895. Das Indossament eine- Wechsels kann so lange geschehen, als die Wechselhaft nicht «loschen ist. schehenkkinc. 8- 888. Ein nach erloschener Wechselkrast erfolgtes Indossament hat nur mit der Cesfion eine- Schuldschein- gleiche Wirkung. (Th. 1. Tit. 11. 8 402. sqq.) 8- 887. Eben daS findet statt, wenn das indosfirte Instrument, wegen darin vorhandener Mängel, nicht für einen Wechsel gelten kann.

Wirkungen §. 828. Der Indossatarin- tritt in alle Rechte des Indossanten gegen den Wechselschuldner, M unh bie übrigen Wechselvervslichteten. new * 8 829. Gin Indossatarin-' welcher Herr de- Wechsels ist, kann denselben, ohne Unter­ schied: ob er auf Ordre lautet, oder nicht, weiter indosfiren. 8- 830. Ist er aber nur alS Specialbevollmächtigter an»usehen, so kann er nur weiter indosfiren, wenn da- Indossament, vermöge dessen der Wechsel an ibn gediehen ist, auf Ordre lautet. 'S. 831. Der Indossant Kästet dem Jndoffatario wechselmäßig, sowohl für die Richtigkeit deS Wechsel-, als für die Bezahlung der verschriebenen Summe «tt bestimmten Zeit. 8. 832. Erhellet jedoch seine Eigenschaft alS bloß« Bevollmächtigt« auS dem Indossa­ ment, fo wird «für seine Person den Hmtermännern nur zur Entschädigung, gleich jedem anderen Bevollmächtigten, im gewöhnlichen Prozesse verhaftet. (Th. 1. Tit. 18. 8- 160. sqq.)

8- 833. Ist ein Instrument in gehörig« Wechselform abaefaßt, d« Ausstell« aber zu Wechselgeschästen nicht fähig: so haftet dennoch jed« wechfelfähige Indossant seinen Hintermännern wechselmäßig. Anh. §. 113. Ein wechselfähig« Indossant, welch« wissentlich einen von einem nicht Wechsel­ fähigen ausgestellten Wechsel indosstrt, bleibt dem Jndossatario wechselmäßig verhaftet, »leich dies« seine Ansprüche nicht gegen den «sten Aussteller zur Berfallzert des IS vorher geltend gemacht hat. . §. 834. Auch dadurch, daß der Wechsel an sich falsch ist, wird die durch richtige Indossa­ mente entstandene Verbindlichkeit d« Indossanten gegen ihre Hintermänner nicht verändert. §. 835. Eben das gilt, wenn ein an fich richtiger Wechsel durch ein falsche- Indossament an einen Inhaber gekommen ist, der damals von dies« Verfälschung keine Wissenschaft gehabt hatte. §. 836. Indossanten, die fich wechselmäßig nicht v«binden können, hasten zwar selbst ihren Hintermännern nur tm ordentlichen Prozesse, nach der Beschaffenheit deS bei d« Uebertragung deS Wechsels -um Grunde gelegenen Geschäftes. 8. 837. An ihre Bormänn« aber können auch fie fich wechselmäßig halten. §. 838. Hat Jemand, welcher fich überhaupt rechtlich verbinden, und gültig Darlehne auf­ nehmen kann, aber nur von Wechselgeschästen ausgeschlossen gewesen ist, in d« Folge die Wechselfähiakeit erlangt: so ist er auch auS seinen früheren noch nicht verjährten Indossamenten wechsel­ mäßig v«haftet. 8- 889. Ist ein Wechsel mehrmals indosstrt, so hat der Inhaber die Wahl, auf welchen von den wechselmäßig verpflichteten Bormännern er zurückgehen will. 8. 840. Auch wenn « gewählt hat, kann « dennoch innerhalb der unten (§. 1047. 1211.)

bestimmten Fristen von dieser Dahl wird« abgehen, und nach seinem Gutbefinden einen anderen sein« Bormänner in Anspruch nehmen, ohne sich an die Ordnung zu binden. §. 841. Der in Anspruch genommene Bormann muß dem Inhaber Alles leisten, wozu der eigentliche Wechselschuldner verpflichtet ist; auch demselben die nothwendig gewesenen Rosten erstatten. 842. Sobald der in Anspruch genommene Bormann dieser Verbindlichkeit eine Genüge leistet, hat er aeaen seine Bormänner, und gegen den eigentlichen Wechselschuldner, die Rechte deS von ihm befriedigten Inhabers. 8. 843. Auch muß ihm Letzterer den Originalwechsel aushändigen. §. 844. Der befriedigte Jnhab« hat jedoch daS Recht, vor der Auslieferung des Wechsels, sein eigenes und seiner Hintermänn« Giro auSzustreichen. §. 846. Bor der Berfallzeit kann auS Wechseln nicht wohl aber, wenn gesetz­ v. von Lr L , „ , Zahluna, stUlmrg der mäßige te Gründe zum Anestschlage eintreten, Sicherheit gefordert werden. Wechsewerg 846. Bon Ertülluna der Weckselverbindlickkeiten aelten §. Erfüllung d« Wechselverbindlichkeiten gelten die allgemeinen Grundsätze von Erfüllung der Verbindlichkeiten üb«haupt (Th. 1. Tit. 16. §. 11. sqq.), in so fern nichts Ab­ feiten. weichendes in gegenwärtigem Abschnitte verordnet ist.

Bon Wechseln.

975

§. 847. Der Wechselinhaber ist, die Zahlung vor der Berfallzeit wider seinen Willen an- ») zunehmen, nicht schuldig. *”• §. 848. Ist in dem Wechsel ein Zahlungstag bestimmt, so tritt die Berfallzeit noch an demselben Tage ein. §. 849. Ein auf Sicht, ohne weiteren Beisatz, gerichteter Wechsel ist vier und zwanzig Stunden nach der Vorzeigung zahlbar. §. 850. Ist der Wechsel nach Sicht, mit Bestimmung gewifier Tage, gestellt, so werden diese von dem Tage an gerechnet, da der Wechsel vorgezeigt worden. 851. Die Berfallzeit eines UsowechselS wird durch die Handlung-gesetze de- ZahlungSstimmt. §. 858. Der Regel nach wird ein Usowechsel einem vierzehn Tage nach der Borzeigung zahlbaren Wechsel gleich geachtet. §. 868. Bei Sicht- und solchen Uso-Briefen, deren Berfallzeit vom Tage der Präsentation läuft, wird der Tag der Präsentation nicht mitgerechnet. §. 854. Ist die Berfallzeit nach Wochen bestimmt, so tritt sie in der letzten Woche an eben dem Tage ein, an welchem der Wechsel ausgestellt worden. §. 866. Lautet der Wechsel auf Monate, so wird jeder Monat, ohne Rücksicht auf die Zahl seiner Tage, mit dem Monatstage geendigt, an welchem die Ausstellung gtf' ist. §. 866. Ist ein solcher Wechsel am letzten Tage eine- Monats auSgesd t, und der Monat, worin die Zahlung geschehen solle, hat weniger Tage: so tritt die allzeit am letzten Tage deS Zahlung-monat- ein. §. 867. War die Zahlung in der Mitte eine- bestimmten Monat- festgesetzt: so wird der Fünfzehnte für den Verfalltag geachtet ; wenn auch der Monat mehr oder weniger al- dreißig Tage hätte. §. 868. Ist die Berfallzeit deS Wechsels nach Jahren bestimmt, so ist selbiger an eben dem Monat-tage deS Zahlung-jahre- verfallen, an welchem er ausgestellt worden. §. 869. Sollte in diesem Falle der Wechsel in eine« SlMlujahre am neu» und zwanzigsten Februar ausgestellt sein, so tritt im Zahlung-jahre, wenn dasselbe kein Schaltjahr ist, der acht und zwanzigste Februar an dessen Stelle. g. 860. Der Ausdruck eines halben oder Vierteljahre» ist dem von sechs oder drei Monaten gleich »u achten. §. 861. Ist in dem Wechsel auf eine gewisse Handlung oder Begebenheit, von deren Er­ füllung oder Wirklichkeit die Verbindlichkeit zur Zahlung avhängen soll, Bezug genommen; so tritt der Verfalltag ein, sobald die bestimmte Handlung oder Begebenheit wirklich geworden ist. g. 862. Bei Meß und Marktwechseln bestimmen die Hanvlung-gesetze jede- Ortes den Verfalltag. g. 863. König-bergische Wechsel müssen, nach der Wahl de- Schuldner-, am vierten oder fünften Tage der Zahlwoche, bi- Abends um sieben Uhr berichtigt «erden. §. 864. Wechsel, auf Slbingschen Märkten zahlbar, stnd am sechsten, siebenten und achten Tage, wenn auSgeläutet worden, bi» um zwölf Uhr Mittag- zu berichtigen. §. 865. Wechsel auf Breslauer Mefsen oder Märkten müffen vom Montage in der zweiten bi- -um Donnerstage in derselben Woche, Vormittag- um neun Mr, eingelöst «erden, wenn der Schuldner ein Christ ist; Juden aber müffen den Tag vor der Au-läutung der Messe Zahlung leisten. 8- 866. In Magdeburg und Frankfurt an der Oder muß die Einlösung der Wechsel längstens den werten Tag der Zahlwoche erfolgen. 8. 867. Der Verfalltag ist in der Regel auch der Zahlung-tag eine- Wechsel-. b> Sahlung* zelt. g. 868. Rur in so weit findet eine Ausnahme statt, al» vei gezogenen Wechseln noch ReSpit- oder DiScretionStage zugelaffen werden, (g. 1008. eqq.) §. 869. Am Zahlung-tage kann in der Regel nach zwölf Uhr Mittag-, bi- sieben Uhr Abend-, die Zahlung gefordert «erden. (§. 868. 866.) g. 870. Trifft der ZahlunaStag auf einen Sonn-, hohen Fest- oder Bußtag, wohin auch der Neujahr-- und Charfreitag gehören; so muß der Gläubiger den nächsten Werkettag abwarten. §. 871. Es macht keinen Unterschied, wenn auch der Schuldner einer anderen als der christlichen Religion zugethan wäre. 8. 872. Trifft aber der Zahlung-tag auf einen Sonnabend oder jüdischen Feiertag, so muß ein Jude, wenn er auch sonst christliche Rechte erhalten hat, schon an dem zunächst vorher­ gehenden Werkeltage Zahlung leisten. §. 878. Ist wegen des Zahlungsorte- im Wechsel nicht- Besondere- bestimmt, so muß, bei o) vrt der Zahlung. gezogenen Wechseln, der Gläubiger das Geld in der Wohnung de- Acceptanten abholen. g. 874. Bei trockenen Wechseln hingegen finden die Vorschriften de- ersten Theil- Titel 11. §. 769. sqq. Anwendung.

t

976

itihuftrte. d)

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 875-994.

§. 875. Zahlungen an die Bank muß der Schuldner in allen Fällen auf das Bancocomtoir de- Orte- bringen. §. 876. Alle Wechselzahlungen innerhalb Landes sollen nur in Gold- oder Silbermünzen, welche durch die Lande-gesetze Cours erhalten haben, geleistet und angenommen werden. 8. 877. Lautet der Wechsel auf eine andere Münzsorte, oder aus eine Rechnung-münze: so wird da- Verhältniß derselben gegen die zu zahlende nach dem Cour- de- Zahlungsorte- am Verfalltage berechnet. 8. 878. Ist keine Münzsorte im Wechsel bestimmt, letzterer aber in hiesigen Landen zahlbar: so wird angenommen, daß da- Wechselgeschäft auf Preußische- Silber-Courant geschloffen sei. §. 879. Ist in einem solchen Wechsel die Zahlung in Golde, ohne Bestimmung einer gewiffen Sorte, verschrieben: so werden Preußische Goldmünzen, die zu fünf Thalern ausgeprägt find, verstanden. 8. 880. Sind Duralen ohne weitere Bestimmung verschrieben, so werden vollwichtige Dueaten nach Preußischem oder Holländischem Münzfüße verstanden. §. 881. Ist der Wechsel auf eine gewiffe Anzahl von Stücken an Friedrich-d'or oder Ducaten gestellt, so muß genau diese Zahl entrichtet werden. Lautet der Wechsel nur auf eine gewiffe Summe in Friedrich-d'or oder Ducaten, ^882. stimmung der Stücke: so wird bei der Berechnung, wie viel Stücke zu zahlen find, der Friedrich-d'or zu fünf Reich-thalern, der Ducaten aber zu zwei und drei Viertel Reich-thalern angeschlaaen. §. 888. Ist der Wechsel außerhalb Lande- zahlbar gewesen, so wird, bei ermangelnder Bestimmung der Münzsorte, da- gewöhnliche Silber-Courant de- Zahlungsorte- verstanden. §. 884. Eben dre- gilt von dem gewöhnlichen Gold-Courant des auswärtigen Zahlungs­ ortes, wenn der Wechsel in Golde, ohne weitere Bestimmung, gestellt ist.

§. 885. War der Wechsel an mehreren Orten wahlweise (alternative), oder aller Orten, wo der Schuldner anzutreffen, zahlbar: so muß die unbestimmt gelassene Münzsorte nach dem Orte der Ausstellung festgesetzt werden. e) «aSae§. 886. Außer der im Wechsel verschriebenen, nach vorstehenden Grundsätzen zu berahltwerdenstimmenden Summe kann der Wechselinhaber in der Regel keine Zinsen fordern. 8. 887. Sind Zinsen im Contexte des Wechsels mit verschneben, so müssen dieselben, so weit fie zulässig find, mit dem Capital zugleich bezahlt werden. (§. 684. eqq.) §. 888. Sind keine Zinsen verschrieben, so laufen, vom Verfalltage an, nur die gesetz­ mäßigen ZögerungSzinsen. (Th. 1. Tit. 11. §. 827. sqq.) §. 889. Wo ein Wechselregreß statt findet, müssen dem Wechselinhaber auch die ohne seine Schuld entstandenen Kosten erstattet werden. f) «erfahren §• 890. Meldet sich der Gläubiger am Zahlungstage nicht, so kann der Schuldner, nach bet der Zah-Anleitung des ersten Theils Titel 16. §. 214. sqq. die Zulassung zur Depofition nachsuchen. * §. 891. Ist über das Vermögen des Wechselinhabers vor eingetretenem Zahlungstage ConcurS entstanden, so muß der Schuldner die Zahlung in das gerichtliche Depositorium leisten. §. 892. Die deponirte Valuta gehört alsdann der Masse des in Concurs versunkenen Wechselinhabers, wenn nicht auSgemittelt wird, daß derselbe bloß Bevollmächtigter gewesen sei. §. 893. Ist der Wechselinhaber vor der Zahlung gestorben, so muß ver Schuldner von den fich meldenden Erben Legitimation fordern. §. 894. Er ist jedoch auf Verlangen der Erben verbunden, bis zur Beibringung der Legiti­ mation, die schuldige Summe auf ihre Kosten gerichtlich niederzulegen. §. 895. Eben dazu ist er berechtigt, wenn er sich auf die Untersuchung einer nicht sofort klaren Legitimation der Erben nicht einlaffen will. §. 896. Ist der Wechselschuldner vor der Verfallzeit verstorben, so kann der Inhaber dessen Erben wechselmäßig in Anspruch nehmen. 8. 897. Berufen fich die Erben auf die aesetzliche Bedenkzeit, oder tragen gar auf Eröff­ nung des LiquidationsproceffeS an: so kann wider fie nicht wechselmäßig verfahren werden. §. 898. Doch kann der Inhaber inzwischen durch Arrestschlag, oder gerichtliche Siegelung des Nachlasses für seine Sicherheit sorgen. §. 899. Was er außerdem bei gezogenen Wechseln zur Erhaltung seines Regresses zu be­ obachten hat, ist §. 980. 1045. sqq. verordnet. §. 900. Nach gehörig geleisteter Zahlung muß dem Schuldner der Wechsel ausgehändigt quittirt werde. §. 901. Auch kann er verlangen, daß über die Zahlung auf dem zurückgegebenen Wechsel quittirt werden. §. 902. Was zu beobachten sei, wenn der Wechsel verloren gegangen ist, wird unten §. 1159. sqq. und 1199. eqq. vorgeschrieben.

Don Wechseln.

977

§. 903. Die Wechselverbindlichkeit erlischt nach Ablauf Eines Jahres, vom Verfalltage an VL vonvergerechnet. Anh. 8. 114. Wenn auch der Wechsel früher protestirt wurde, als die Zahlung-zeit eintrat, iiadüchtttt so lauft doch die Verjährung deS Wechsels erst von dem Tage an, welcher zur Bezahlung deffelben bestimmt war. Ist aber der Wechsel deswegen protestirt worden, weil die Lceeptation deffelben schlechterdings und unbedingt versagt wurde, so nimmt die Ver­ jährungsfrist der Dechselkraft mit dem Tage der eingelegten Protestation ihren Anfang. 8. 904. Hierbei wird nur auf den Verfalltag gesehen, welcher in dem Wechsel selbst, oder durch die neueste schriftüche Verlängerung festgesetzt worden. g. 905. Durch den Vermerk einer Abschlagszahlung, oder durch außergerichtliches Ein­ mahnen, wird die Verjährung der Wechselkraft nicht unterbrochen. 8. 906. Gin dem Schuldner bewilligter Jndult unterbricht nur die Verjährung der Wechsel­ verbindlichkeit solcher Personen, die nicht kaufmännische Rechte haben. (§. 726.) g. 907. Ber diesen nimmt eine neue einjährige PräseripnonSfrist mit dem Tage deS auf­ gehobenen JndultS ihren Anfang. g. 906. Durch gerichtlich angestellte Klage wird die Wechselkraft gegen den beklagten Schuldner so lange erhalten, bis das Instrument auch als Schuldschein verjährt ist. (Th. 1. Tit. 11. 8. 762. 8oq.) Anh. z. 116. Die Liquidation einer Wechselforderuug im Coneurse, vor Ablauf der einjährigen Frist, erhält zwar dem Liquidanten die Rechte der sechsten Classe; aber nicht die Befugmß, den Wechselschuldner für seine Person wechselmäßig zu belangen. §. 909. Dies findet statt, sobald dem Schuldner die gerichtliche Vorladung eingehändigt worden; wenn auch demnächst der Prozeß nicht fortgesetzt wäre. • Anh. §. 116. ES ist nicht nöthig, daß auch die Insinuation der Klage während deS Laufes deS privilegirten Jahre- erfolgt. g. 910. Doch muß die geschehene Insinuation der Wechselladung auf die in der Prozeß­ ordnung vorgeschriebene Art hinlänglich nachgewiesen sein. 8. 911. Auch durch einen gehörig aufgenommenen Protest wird die Verjährung der Wechselverbindlichkett unterbrochen. g. 912. Sind mehrere Personen als Selbstschuldner verhaftet, so kann durch den Protest die Wechselkraft nur in Absicht derjenigen, gegen welche selbiger ausgenommen worden, erhalten werden. g. 918. Die Form und die übrigen Wirkungen de- aufgenommenen Proteste- bei gezogenen und trockenen Wechseln find 8. 1086. eqq. und 8. 1204. sqq. bestimmt. §. 914. Das bei Wechselklagen zu beobachtende Verfahren ist in der Prozeßordnung vor- viL»m geschrieben. ulfe g. 916. Gehört der Beklagte nicht zu den nach §. 718 -727. an und für sich wechselfähigen yne*

Personen, so kann die Wechselklage nicht eher angenommen werden, al- bis der Kläger nach­ gewiesen hat, daß dem Beklagten durch ein Certtfieat die Wechselfähigkeit beiaelegt sei. §. 916. Der Wechselbeklagte kann, außer dem Einwande der dem Kläger bereit- ge­ leisteten Zahlung, nur solcher Einwendungen, vie aus gegenwärttgem Wechselrechte hergenommen find, sich bedienen. g. 917. Dergleichen Einwendungen müssen jedoch sofort durch Urkunden, GideSzuschiebung, oder Aussagen solcher Zeugen, die sogleich zur Stelle gebracht sind, dargethan werden. §. 918. Auswärtige Zeugenverhöre, wenn sie gleich im Termine beigebracht worden, gelten nur so wett, als sie mit Zuziehung deS Gegentheils, oder eines von ihm selbst dazu bestellten Bevollmächttgten ausgenommen worden. §. 919. AuS der bloßen Unterschrift kann, bei erbotener eidlicher Diffession derselben, keine Vergleichung der Handschriften anaestellt «erden. 8. 920. Hat der Wechselbeklagte, außer seinem Lor- und Geschlecht-namen, auch seinen Charakter oder Wohnort beigesetzt; so findet die Vergleichung nur wider deffen Erben, und zwar bloß zur Unterstützung anderer vorhandener Beweismittel statt. §. 921. Hat er aber mehrere Worte oder Zeilen, zur Bekräftigung des Inhalts, oder der Unterschrift, eigenhändig beigefüat; so kann auS diesen die Vergleichung der Handschrift mtt voller gesetzmäKaer Wirkung geschehen. §. 922. Wie weit der Einwand der nicht erhaltenen Valuta bei gezogenen und ttockenen Wechseln stattfinde, .ist unten näher bestimmt. (§. 1078. 1242. eq^.) §. 928. Abrechnungen uno Gegenforderungen finden nur m so wett statt, alS sie auS »Wechselgeschästen entspringen, und auch sonst mit den gesetzmäßigen Erfordernissen zur Compensatton versehen find. (Th. 1. Tit. 16. jj. 302. sqq.) §. 924. Sind jedoch Einwendungen oder Gegenforderungen, welche an sich im Wechsel­ prozesse zulässig wären, aber nur nicht sofort dargethan werden können, so beschaffen, daß sie Koch, Allgemeines tzgndrecht. . HI.

8. Aufl.

62

'578

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. »25-973.

einen Arreftschlag begründen: so ist der Dechselbektagte nur in das gerichtliche Depofitdrium zu zahlen verbunden. g. 926. In allen Fällen, wo gerichtliche Depositum statt findet, kann dem Kläger die Aus­ zahlung gegen hinlängliche Caution nicht geweigert werden. §. 926. Ist der Kläger bloß Bevollmächttgter, oder nach §. 820. und §. 822. dafür zu achten; so muß er alle zulässigen Einwendungen und Gegenforderungen, welche dem Beklagten gegen den Herrn deS Wechsels zustehen, wider sich gelten taffen. §. 927. Außer diesem Falle tarnt der Beklagte in der Regel sich nur solcher Einwendungen und Gegenforderungen bedienen, welche ihm wider den klagenden Wechselgläubiger selbst zu­ kommen. §. 928. Sobald der Kläger Herr deS Wechsels ist, findet die Vorschrift §. 927. statt, auch wenn der Wechsel nicht auf Ordre lautet. §. 929. WaS wegen der (Häufel: »auf Ordre", bei trockenen Wechseln statt finde, wird unten verordnet. (§. 1244—1247.) vin. Pri§. 930. Die sowohl bei gezogenen alS trockenen Wechseln entstandenen wechselmäßigen Forderungen gehören, nach ausgebrochenem Concurse über das Vermögen deS Schuldners, in SÄ" die sechst? Cla^

8 931. Fremde Reisende find in Ansehung der Fähigkeit, Dechselverbindlichkeiten zu MVechfel- übernehmen, den Einschränkungen deS hiesigen Wechselrechts nicht unterworfen. fachen. r 932. UebrigenS aber werden die von ihnen in hiesigen Landen Vorgenommenen Wechsel­

URetorfion

geschäfte nach der Vorschrift der Einleitung 8. 34. 35. beurtheilt. §. 933. Auswärtige Gläubiger sollen m Wechselsachen eben die Rechte genießen, welche in gegenwärtiger Ordnung für die Landeseinwohner festgesetzt find. §. 934. Hiervon find allein die Fälle ausgenommen, oa nach rechttichen Grundsätzen eine Retorsion statt findet. (Einleitung §. 43.) 6. 935. Doch sollen die Gerichte, wenn der Fall zur Ausübung deS RetorfionSrechtS nicht ganz klar ist, zuvörderst bei dem Juftizdepartement darüber anfragen. x. Bon aus§. 936. Außerhalb Landes vorgenommene Wechselgeschäste find nach den Gesetzen des Ortes, genommenen wo ftc verhandelt worden, zu beurtheilen. Wechselge-

schLsten.

An h. 8. 117. Diejenigen Gläubiger, welche nach der Gerichtsordnung die Etasfifieation in hiefigen Landen verlangen können, find wegen eines nach hiefigen Landesgesetzen ver­ jährten Wechsels zur siebenten Claffe zu verweisen, wenngleich derselbe auSwärtS aus­ gestellt worden, und der Schuldner sich dem auswärttgen Wechselrecht unterworfen hat, nach welchem eine längere Verjährungsfrist statt findet.

§. 937. Besonders müssen die Erforderniffe eines gültigen Wechsels oder JndoffamentS nach den Gesetzen deS Ortes der Ausstellung bestimmt werden. §. 938. Hat aber ein LandeSeinwohner mit einem anderen Landeseinwohner, welcher nicht wechselfähig ist, außerhalb Landes so ist selbigeS nur eben so zu indes ein em Wechselgeschäft Wechfelgeschäft geschloffen, geschlc beurtheilen, als wenn es innerhalb rrhalb Landes geschloffen wäre. nen Wechseln ist der Gebrauch deS b. von ge* tz. 939. Zu gezogenen des StempelpapierS SlempelpapierS nicht erforderlich. §. Erforderniffe» eines Wechsels (§. 748. eq< eqq.) muß der Name eiiu v 940. Außer den allgemeinen Erfordernisten LJdreUrfori.Jdre«rfor- des Bezogenen, welcher die Zahlung leisten soll, im Contexte des Wechsels, oder ode unter demselben derutsie. deutlich auSgedrückt sein. t a) Name deS §. 941. Dessen Vornamen oder Charakter beizusügen ist nicht nothwendig; wohl aber zur Bezogenen. Bermerdung besorglicher Irrungen rathsam. b) Ort bet 8. 942. Soll die Zahlung an einem anderen Orte, als wo der Bezogene wohnt, geschehen, Zahlung. f0 muß auch der Ort der Zahlung im Wechsel ausgedrückt sein. §. 943. Ermangelt eines der vorgeschriebenen Erforderniffe, so kann ein dergleichen ge­ zogener Wechsel allenfalls nur als Assignation gelten. (Abschn. 9.) 8. 944. Werden mehrere Exemplare als Prima-, Secunda- u. s. w. Wechsel ausaefertigt: f° mup in jedem Exemplare ausgedrückt werden, ob solches Prima, Secunda u. s. w. sei. §• 945. Ist dieserhalb im Wechsel nichts bemertt, so wird angenommen, daß selbiger nur Wechsels. ein Sola-Wechsel sei. §. 946. Hat der Trassant ohne diese Bemerkung mehrere Exemplare ausgestellt: so hastet er für jedes Exemplar, gleich einem Sola-Wechsel, mit Vorbehalt des Rechts an den Remittenten, und die übrigen Theilnebmer eines vorgefallenen Betruges. HI. Pflichten §. 947. Die Verabredung wegen eines gezogenen Wechsels kann zwischen dem Traffanten

ll. von meh-

ISttn gezogenen

imb «emtfr tenten bei

und dem Remittenten unmittelbar, oder durch einen Mäkler geschloffen werden. §. 948. Ist das Geschäft durch einen Mäkler geschloffen worden, so beweiset das von diesem aus seinem Journal gegebene Attest die Bedingungen des getroffenen Handels. §• 949. Haben der Trassant und Remittent den Handel unmittelbar geschloffen, so ver-

Lon Wechseln.

979

treten, bei Personen, welche kaufmännische Rechte haben, die Handlung-bücher die Stelle deS schriftlichen LontractS. §. 960. Bei Personen, welche nicht kaufmännische Rechte haben, finden die allgemeinen Vorschriften von schriftlich« Verträgen Anwendung. (Tb. 1. TU. 6. g. 165. sqq.) 8- 951. Der Trassant muß, nach dem Verlangen deS Remittenten, entweder, einen SolaWechsÜ auSstellen, oder denselben in mehreren Exemplaren, als Prima-, Secunda' u. s. w. Wechsel ausfertigen. §. 968. Soll das eine Exemplar zur Präsentation versendet; das andere aber indosfirt werden: so ist auf letzterem zu bemerken, m messen Händen fich daS zur Präsentation versendete Exemplar befindet. §. 958. Der Trassant muß dem Bezogenen bei Zeiten Nachricht geben, damtt die Annahme deS Wechsel» nicht verweigert werde. g. 954. Den AviS-Brief kann der Traffant unmittelbar absenden, oder ihn dem Remittenten, auf dessen Verlange«, zur Bestellung einhändigen. §. 966. Im letzteren Falle haftet er jedoch gegen den dritten Inhaber für Schäden und Kosten, wenn der AviS-Brief dem Bezogenen nicht gehörig -umstellt wird, und kann fich bloß an den Remittenten halten. §. 956. Verzögert der Trassant, nach Empfang der Valuta, die UuShändigüna de- Wechsels länger als vier unb zwanzig Stunden über die bedungene Zeit; so kann ihn der Remittent dazu im executiven Prozesse anhalten. §. 957. Wie und zu welcher Zett die Valuta vom Remittenten berichttgt werden solle, hängt von dem Üebereinkommen der Interessenten ab. 968. Der Remittent ist dem Trassant«, fftr die verabredete Berichtigung der Valuta deS erhalten« Wechsels, bis zum Ablauf EmeS Jahre-, vom Tage deS geschlossenen Handels an aerecbnet. im ereeutivem Lrokesse verbautet. §. 959. Entsteht binnen der Jahresfrist EoncurS über da» Vermög« des Remittent«, so hat der Traffant, wegen der rückständig« Valuta, da- Vorzugsrecht der privilegirt« Schuld­ instrumente. §. 960. Hat er aber die bestimmte Einjährige Frist ablauf« lass«, ohne die Klage gehörig anzustell«; so byrt sowohl der schnellere Prozeß, al» da» Vorzugsrecht im Coneurse auf, und eS ist bloß die Klage im ordentlich« Prozesse zulässig. 6. 961. Hat der Traffant d« Wechsel ffc fremde Rechnung gerog«, und denselb«, ohne ausdrückliche Orore, vor Berichtigung der Valuta auSgehändigt; so muß er demjenigen, für deff« Rechnung er trasprt hat, weg« alle» daran» entstehenden Nachtheil» gerecht «erd« g. 962. Dre Aeeeptation eine- Einmal auSgehändigt« Wechsel» kann der Aussteller dem Bezog««, «eg« nicht erhalt«« Valuta, nicht untersagen; selbst wenn der Wechsel auf Ordre lautet. §. 968. Der Inhaber deS Wechsel» ist schuldig, dafür zu sorgen, daß der Wechsel dem Be­ mtattoe W zog«« zur gehörig« Zett zur Annahme vorgezeigt werde. «Bestie. §. 964. Bei Meßwechseln bestimm« die Handlung-gesetze und Gewohnhetten jedes Orte-, an welchem Tage die Präsentation geschehen müsse. g. 966. In Königsberg in Preuß« muß die Präsentation am ersten oder anderen Tage de- eingetretenen Markte» gescheh« g. 966. In Frankfurt an der Oder und Magdeburg müssen Meßwechsel^am drttt« oder viert« Tage der Zahlwoche präsentirt werd«. g. 967. In BreSlau kann die Präsentation vom Montage der ersten Meßwoche, bi» zum Freitage in eben derselben Vormittag» um zehn Uhr, erfolgen. g. 968. Wechsel, auf Elbinger Märkten zahlbar, find am erst«, zweiten oder drttt« Tage zu präsenttr« g. 969. Bei Dato- und solch« Uso-Wechseln, der« Berfallzett vom Tage der Ausstellung an gerechnet wird, muß die Präsentatton spätestens an dem Tage gescheh«, da der Wechsel zahlbar ist. g. 970. Bei Sicht- und solch« Uso-Wechseln, der« Lerfallzett vom Tage der Präsentation berechnet wird, kann der Aussteller die Zett, innerhalb welcher sie zur Präsentation gebracht werden sollen, in dem Wechsel selbst bestimmen. §. 971. Ist diese» nicht Geschehen, so muß der Inhaber die Präsentation binnen achtzehn Monaten nach dem Tage der Ausstellung, bei Verlust seine» Recht», besorg«. g. 972. An den hiernach zu lbestnnmenden Tagen kann die Präsentati« von acht bi» zwölf Uhr Vormittag-, und von zwei bi» fieben Uhr Nachmittags gescheh« §. 973. Sind diese Präsentation-fristen, g. 966. sqq., von dem Inhaber verabsäumt, so .tarn er, bei verweigerterGAnnahme oder Zahlung, weder an d« Aussteller, noch an die In­ dossanten wechselmäßig Izurückgehen.

S8Ü

Zweiter Theil.

Achter Titel.

g§. 974—1028.

ß. 974. Doch bleiben ihm, «egen der gezahlten Valuta, seine Rechte gegen den Aussteller und bte Indossanten, in so fern sich , , der Eine oder Andere sonst mit seinem Schaden bereichern würde, im ordentlichen entlichen Prozesse Vorbehalten. a) «er Prä. g. 976. Zur §. £ Präsentation ist ' em Jeder für bevollmächtigt zu achten, der sich im Besitze de*0^7 Driginolwe^fel« X? -W befindet. §. 976. Der Wechsel muß dem Bezogenen selbst, oder demjenigen vorgelegt werden, der b) Wem die Präsentation von Tunt Procura versehen ist. geschehen 977. Hat sich der Bezogene von seinem Wohnorte entfernt, und keine Procura zurück­ «Üfie. gelassen; oder ist er in den gesetzlichen Präsentation-stunden an dem Orte, »o er sonst seine Geschäfte treibt, nicht anzutreffen: so ist der Inhaber zur Aufnahme deS Proteste- berechtigt. §. 978. Ein Gleiches findet bei Meßwechseln statt, wenn der Bezogene die Messe weder selbst, noch durch Procura besucht, oder sich vor Ablauf der bestimmten Präsentation-fristen wieder entfernt hat. §. 979. Ist der Bezogene verstorben, so muß sich der Inhaber des Wechsel- damit in seinem Comtoir, oder im Sterbehause melden. §. 960. Findet sich daselbst Niemand, der zur Aeceptation befugt und bereit ist, so muß mit Ausnehmung des Proteste- verfahren werden. §. 981. 6m Gleiche- muß geschehen, wenn die Erben von der gesetzlichen Bedenkzeit zur

Erbe-erklärung Gebrauch mache» wollen. 8. 982. Wird über da- Vermögen des Bezogenen vor der Präsentation ConcurS eröffnet, so muß sofort, nach erhaltener Wissenschaft davon, der Protest ausgenommen werden. g. 983. Durch die Annahme deS präsentirten Wechsel- verpflichtet sich der Bezogene wechsel­ V. Von der «ccepration. mäßig, die Verschriebene Summe zur bestimmten Zeit au berichtigen. g. 984. DaS außer dem Wechsel geschehene Versprechen, für Rechnung eine- Dritten eine bestimmte Summe zu aceeptiren, ist bloß nach den Vorschriften von Bürgschaften zu beurtheilen. (Th. 1. Tit. 14. g. 267. sqq.) a) Wann §. 986. An Sonn-, hoben Fest- und Bußtagen, ingleichen am Neujahrs- und Charfreitage, solche ver­ kann die Annahme eines präsentirten Wechsels nicht verlangt werden. langt werden g. 986. Der Präsentant muß vielmehr den nächstfolgenden Werkeltag abwarten. könne. §. 987. Auch wenn der Bezogene ein Jude, und der Präsentant ein Christ ist, kann Letzterer den Wechsel an einem Sonn-, hohen Fest- oder Bußtage zu präsentiren, nicht verpflichtet werden. 8. 988. Er kann vielmehr, ohne Nachtheil seine- Rechts, den nächstfolgenden Werkeltag abwarten. §. 989. Dagegen kann auch von einem Juden, während eines Sabbath- oder solchen jüdischen Festes, an welchem er keine Handlung-geschäfte treiben darf, die Aeceptation eines auf ihn gezogenen Wechsel- nicht verlangt werden. g. 990. Jedoch ist er an dem nächstvorhergehenden Werkeltage sich darüber, auf Verlangen des Präsentanten, zu erklären schuldig. b)«te die §. 991. Die Annahme muß von dem Bezogenen selbst, oder von demjenigen, welcher dazu Acceptalion mit gehöriger Procura versehen ist, eigenhändig auf dem Weisel verzeichnet werden. geschehen g. 992. Bloß mündlich geschehene Aceeptationen sollen in Königlichen Landen kein Wechsel­ verfahren begründen. g. 993. Behält aber der Bezogene den ihm selbst vorgezeiaten und eingehändigten Wechsel ohne Erinneruna über Nacht bei sich, so wird diese- für eine füllschweigende Acceptakon geachtet. 8. 994. Die Vermerkung der Annahme ist an keine Form gebunden. §. 995. Der Bezogene ist nicht berechtigt, da- Gegentheil, nämlich, daß er nicht aceeptiren

wolle, auf dem Wechsel zu verzeichnen. §. 996. Thut er eS dennoch, so ist er dem Präsentanten, und allen übrigen Interessenten wegen deS daraus entstehenden Nachtheil- verhaftet. §. 997. Die einmal geschehene Aeceptation kann der Bezogene nicht wieder zurücknehmen, noch auf dem Wechsel auSstreichen. 8. 998. Auch wenn er daS letztere gethan hat, bleibt er dennoch aus der Aceeption verhaftet. §. 999. Soll nach dem Inhalte des Wechsels die Zahlung nicht an dem Wohnorte deS Bezogenen erfolgen (§. 942.); so muß derselbe bei der Annahme vermerken: wo sich der Inhaber seiner Befriedigung wegen zu melden habe. §. 1000. Ist dieses unterblieben, so hastet der Acceptant für den daraus entstehenden Schaden, und kann an seinem Wohnorte zur wechselmäßigen Zahlung angehalten werden. §. 1001. Nur bei Sicht- oder solchen Uso-Briefen, deren Zahlungszeit von der Präsentation läuft, ist der Bezogene zur Bemerkung deS Tage- der Annahme verbunden. g. 1002. Auch muß das Datum der Präsentation beigefügt werden, wenn die Zeit der Präsentation und der Annahme verschieden sind. (§. 986. 990.)

Bon Wechseln

981

§. 1003. Doch wird auch in diesen Fällen die Annahme selbst durch den Mangel des Datums nicht entkräftet. 1004. Nur muß der Inhaber, wenn über den eigentlichen Verfalltag Streit entsteht, die Zett der Präsentation auf andere Art Nachweisen. §. 1006. Ergiebt der Inhalt des Wechsels, daß davon mehrere Exemplare ausgestellt worden, so ist der Bezogene nur das erste Exemplar, welches ihm präsentirt wird, zu acceptiren schuldig. §. 1006. Steigert der Bezogene die Annahme des Wechsels, so muß sofort mit Ausnehmung vtBem des Protestes verfahren werden. Vroteßewe§. 1007. Die Aufnahme des Protestes muß der Regel nach am Tage der Präsentation fS&Sn

noch vor Sonnenuntergang geschehen. «ima-me. §. 1008. Doch kann der Präsentant bei Meßwechseln mit dem Proteste so lange Anstand nehmen, bis die an jedem Orte bestimmten PräsattationSfristen zu Ende gehen. §. 1009. Auch bei Dato-, Sicht- und Uso-Wechseln kann die Aufnahme des Protestes so lange verschoben werden, daß selbiger noch mit nächster Post abgehen könne. §. 1010. Ist jedoch in diesem Falle der lttgenthümer, Aussteller, oder Girant, am Orte wohnhaft, so kann der Präsentant ohne deffen Einwilligung die Aufnahme de- Protestes nicht verschieben. g. 1011. Will der Bezogene den Wechsel nur auf einen Theil der darin verschriebenen Summe annehmen: so ist der Präsentant nicht schuldig, sich dieses gefallen zu lasten; sondern er kann, wegen der ganzen im Wechsel verschriebenen Summe, mit Einlegung oeS Protestes verfahren. g. 1012. Will er aber die Acceptation auf einen Theil geschehen lasten, so muß er dennoch den Protest «egen deS LeberresteS besorgen. 8. 1018. ES macht keinen Untersöfted, ob der Präsentant Gigenchümer deS Wechsels, oder nur Bevollmächtigter ist, wenn er in dem letzten Falle keine auSdrüLiche Ordre hat, fich die Annahme auch nur auf einen Theil der verschriebenen Summe gefallen zu lasten. §. 1014. Läßt der Präsentant die Annahme mit einem Vorbehalt, unter einer Bedingung, oder auf einen späteren Zahlungstermin geschehen: so verliert er vaS Wechselrecht gegen seine Bormänner. g. 1015. Doch kann er fich, wenn der Acceptant nicht Zahlung leistet, an diejenigen unter diesen Bormännern, welche fich sonst mtt seinem Schaden bereichern würden, im Dege des ordentlichen ProzeffeS halten. g. 1016. War der Präsentant bloß Bevollmächtigter, so bleibt er dem Eigenthümer deS Wechsels, wegen alles auS dieser seiner Einwilligung (§. 1014.) entstandenen Schadens, verhaftet. g. 1017. Wird also von dem Bezogenen oer Annahme ein Vorbehalt oder eine Bedingung beigefüat; oder geschieht die Annahme auf eine spätere Zahlung-zeit. so muh der Präsentant ebenfalls, zur Wahrnehmung seines Rechts, mtt Einlegung deS Protestes gehörig verfahren. g. 1018. Ist auf dem Wechsel Jemand benannt, bei welchem fich der Inhaber, tm Falle verweigerter Annahme, melden sollte; so ist Letzterer schuldig, sobald der Protest gegen den Be­ zogenen ausgenommen worden, stch an die Adresse zu wenden. g. 1019. Wird auch von der Adresse die Annahme verweigert, so muß der Inhaber deshalb von neuem Protest aufnehmen lassen. §. 1020. Meldet sich Jemand, der auf dem Wechsel nicht benannt ist, zur Acceptation, so vn.««der ist der Inhaber dieselbe nur gegen baare Zahlung zu gestatten verbunden. g. 1021. Will aber der Bezogene selbst den Wechsel zur Ehre deS Ausstellers, oder eines der Indossanten acceptiren: so muß der Inhaber fich diese- gefallen lassen. §. 1022. Wer einen Wechsel per honor acceptiren will, muß zuvörderst den Protest auf­ nehmen, und fich denselben von dem Inhaber, gegen Erstattung der Rosten, einhändigen lassen. g. 1023. Die Acceptation per honor muß nothwendig schriftlich und ausdrücklich geschehen, und kann weder zurückgenommen, noch auSgestrichen «erden. g. 1024. Die der Acceptation hinzugefüaten Buchstaben 8. P. (sopra protesto) find dazu nicht hinreichend; und eS macht keine Ausnahme, wenn gleich der Eine oder Andere von dem Indossanten sein Giro dem Aeceptanten reeommandirt haben sollte. g. 1025. Ein besonderer Auftrag ist dazu nicht nöthig. g. 1026. Der Acceptant per honor tritt in alle Verbindlichkeiten, rvelche der Bezogene durch die gewöhnliche Annahme eingehen würde. 8. 1027. Dagegen tritt er auch, nach geleisteter Zahlung, in die Rechte deS Inhabers gegen denjenigen der Wechselverpflichteten, zu deffen Ehren er den Wechsel angenommen hat. §. 1028. Ist bei der Annahme nicht ausdrücklich bemerkt, zu wessen Ehren dieselbe ge­ schehen sei, so wird angenommen, daß fie nur zu Ehren deS Ausstellers erfolge; und der Acceptant kann also auch nur an diesen fich halten.

982

Zweiter Theil.

Achter titel.

§§. 1029-1072.

§. 1029. Eben das, was dem Inhaber wegen Remission des Protestes vorgeschrieben ist, must auch der Acceptant per honor beobachten. §. 1030. Ist etwas davon verabsäumt, so erhält der Lceeptant per honor nur die Rechte, welche dem Bezogenen, wenn «Zahlung geleistet bitte, gegen den Aussteller zugekommen sein würden. §. 1031. Hat der Bezogene selbst per honor acceptirt, so erhält er mit einem solchen fremden Aceeptanten völlig gleiche Rechte. §. 1082. Er wird dadurch von der Verbindlichkeit frei, sich die im AviS-Briefe von dem AuSstmler, wegen der Deckung oder sonst, getroffenen Verfügungen gefallen zu lassen. §. 1083. Hat derjenige, an welchen der Wechselinhaber von dem Aussteller in Ermangelung des Bqogenen adresfirt worden (§. 1018.), den Wechsel acceptirt, so stehen ihm mit einem Aceep­ tanten per honor gleiche Rechte zu. ff. 1084. Unter mehreren Adressen hat derjenige den Vorzug, welcher zu Ehren des Trassanten oder eines früheren Indossanten aceeptiren wiö. §. 1035. Die Proteste sollen in Königlichen Landen, entweder von einer GerichtSperson, «er vraeite. 0^er von einem Justiz-Commiffario oder Rotario, ausgenommen werden. ff. 1086. Eine GerichtSperson bedarf dazu so wenig eine- besonderen ProtoeollfÜhrerS, als ein RotariuS der bei anderen Notariat-Handlungen erforderlichen Zeugen. ff. 1087. Derjenige, welcher den Protest ausnimmt, mutz sich von den bei der Sache vor­ kommenden Hauptumständen, besonder- denjenigen, welche die Person de- Bezogenen betreffen, die «forderliche Gewißheit verschaffen; üb« den ganzen Vorgang ein ordentliche- Protoeoll auf­ nehmen, und nach dessen Inhalte biernächst den Protest ausfertigen. ff. 1038. Daß dergleichen besonderes Protokoll nicht ausgenommen worden, benimmt zwar dem Proteste nicht- an sein« Gültigkeit; ff. 1089. Die Gerichtsperson ab«, d« Justizcommiffarius, od« der RotariuS, welche ein solche- Versehen begangen haben, hasten den Interessenten für allen daran- etwa entstandenen Nachtheil; und sollen üb«die- um den vierfachen Betrag d« «haltenen Protestgebühren fi-kalisrh bestraft w«den. ff. 1040. W« schon einmal wegen einer d«gleichen Vernachlässigung bestraft worden, ist im Wied«holungSfalle für unfähig zur Ausnehmung eine- Wechselprotestes zu erklären, und diese- d« Kaufmannschaft des OrtS bekannt zu machen. ff. 1041. Auß« den allgemeinen Erfordernissen eines Protokolls, od« Rotariat-instrumentS, muß ein Wechselprotest enthalten: 1) eine genaue Abschrift deS Wechsels ; 2) die vollständige Bemerkung d« Umstände, weshalb die Annahme od« Zahlung nicht erfolgt ist. ff. 1042. Ist der Bezogene anwesend, so muß die Anftage an denselben: ob und in welch« Art « den Wechsel aceeptiren od« zahlen wolle? mit d« bestimmten wörtlich niederzuschreibenden Änhöoft darauf, dem Proteste eingerückt worden. ff. 1043. Lat der Gezogene stch von seinem Wohnorte entfernt, ob« ist er an dem Orte, wo « in den gesetzlichen Präsentationsstunden sonst seine Geschäfte treibt, nicht anzutreffen: so wird, nach vorher gehaltener Nachfrage, in dem Protokolle bemerkt: daß in dem Gomtoir, Laden, Gewölbe und Behausung deS Schulvners Erkundigung eingezogen und Niemand angetroffen

worden, welche aceeptiren können und wollen. ff. 1044. Ein Gleiche- findet bei Meßwechseln statt, wenn der Aussteller nicht zur Messe gekommen, od« vor der Präsentations- od« Verfallzeit wieder abg«eiset ist. ff. 1045. Fern« alSdann, wenn der Protest, wegen erfolgten AbsterbenS des Bezogenen, od« wegen des üb« sein Vermögen eröffneten Concurses, nach ff. 979- 982. ausgenommen werden muß. IL. verfaß "ff. 1046. Ist d« Präsentant nur Bevollmächtigter, so muß « den aufgenommenen Protest unfehlbar mit nächster Post an seinen Machtgeb« überschicken, widrigenfalls er demselben für «e« Proteste, allen daraus entstehenden Schaden haftet. ff. 1047. Ist er aber Eigenthümer des Wechsels, so muß er denjenigen von den Vor­ männern, an welchen er sich wechselmäßig halten will, mit nächster Post von dem aufgenommenen Proteste benachrichtigen. ff. 1048. Es hängt von ihm ab, dieser Nachricht den Originalprotest beizufügen; oder letzteren einem Bevollmächtigten, zur Vorzeigung an den Vormann, gegen welchen der Regreß gerichtet wird, zu übersenden. ff. 1049. Hat er letzteres gethan, so haftet er für daS von dem Bevollmächtigten bei der Vorlegung etwa begangene Versehen eben so, als ob er den Protest selbst nicht remittirt, und den Dormann nicht benachrichtigt hätte. ff. 1050. Die Zurücksendung des Wechsels selbst kann der Präsentant noch einen Posttag verschieben, und abwarten, ob der Bezogene fich bis dahin zur Annahme noch entschließen werdt.

Bon Wechseln.

983

§. 1051. Auch kann diese Rücksendung, bei Dato- und Uso-Wechseln, bis zum letzten Respittage ausgesetzt werden, wenn keine Gegenordre vorhanden ist. §. 1052. Will der Bezogene, nach aufgenommenem Proteste, den Wechsel noch acceptiren; so mutz es der Präsentant gegen Erstattung der Kosten geschehen lassen. §. 1053. Luch alsdann, wenn der Bezogene die Erstattung der Protestkosten verweigert, mu6 der Präsentant die Acceptation zulassen; jedoch zur Erhaltung seine- Rechts wegen der Kosten, einen besonderen Protest aufnehmen lassen. §. 1064. Sind die gesetzlichen Vorschriften bei Aufnahme und Versendung des Protestes wegen nicht geschehener Annahme verabsäumt: so verliert der Eigenthümer des Wechsels den Wechselregreß an die Vormänner, und kann nur seinen etwanigen Anspruch an einen oder den anderen unter ihnen, nach §. 974, im ordentlichen Prozesse auSführen. §. 1055. ES entschuldigt den Präsentanten nicht, wenngleich der Posttag zur Versendung deS Protestes auf einen Sonn-, Fest- oder Bußtag, oder bei Juden auf einen Sonnabend oder anderen jüdischen Feiertag fällt, sobald eS ihm nur möglich gewesen ist, zur Beförderung deS Briefes auf die Post noch vorher die nöthigen Anstalten zu treffen. 8. 1056. Sind aber die gesetzlichen Vorschriften bei Aufnahme und Versendung deS Protestes x JgjJ* beobachtet worden, so ist der Eigenthümer eines wegen nicht geschehener Annahme protestirten tSmrti Wechsels, außer der darin verschriebenen Summe, ingleichen außer den durch den Protest verur- etmemcht sachten Kosten, auch für Provision, Courtage, und Briefporto, ein halb Prozent zu fordern berechtigt. gSSS«* §. 1057. Die verschriebene Summe muß nach dem Course am Zahlungstage deS protestirten ' Wechsels berechnet werden. §. 1068. Von dieser Zeit an laufen auch die Zinsen, und die Respittage kommen dabei nicht in Betrachtung. §. 1059. Ist der Wechsel mehrmals indosstrt, so hat der letzte Inhaber die Wahl: ob er sofort auf den Aussteller, oder an welchen der Indossanten er zurückgehai will. §. 1060. Hat er gewählt, aber binnen vier und zwanzig Stunden keine vollständige Be­ friedigung erhalten, so muß er gegen einen solchen Bormann auf eben die Art, als gegen den Bezogenen, sofort Protest einlegen. §. 1061, AlSdann kann er binnen der §. 1047. sqq. bestimmten Frist wiederum von einem anderen Indossanten, oder von dem Aussteller, nach eigenem Gutbestnden, Zahlung fordern, und so weiter bis zu seiner gänzlichen Befriedigung fortfahren, ohne sich an die Ordnung, wie seine Vormänner auf einander folgen, zu binden. §. 1062. Dadurch erlangt er die Befugniß, jeden der Vormänner binnen Jahresfrist, von Zeit des wider denselben aufgenommenen Protestes, wegen desjenigen, was an seiner völligen Befriedigung fehlt, wechselmäßig in Anspruch zu nehmen. 8. 1063. Hat er' jedoch bei Aufnahme oder Versendung des Protestes etwas versäumt: so geht daS Wechselrecht gegen denjenigen Indossanten, bei welchem das Versehen vorgefallen ist, so wie gegen alle übrigen, gegen welche die gesetzlichen Vorschriften nicht beobachtet worden, verloren ; und eS findet nur der Anspruch im ordentlichen Prozesse nach §. 974. statt. §. 1064. Gegen diejenigen Indossanten aber, gegen welche er die gesetzlichen Vorschriften wegen Aufnahme und Remisfion des Protestes befolgt, und dieselben dadurch in den Stand gesetzt hat, weiter auf ihre Vormänner zurückzugehen, bleibt ihm sein Wechselrecht nach §. 1062. Vorbehalten. (§. 1067.) §. 1065. Läßt der Inhaber einen der Indossanten sein Giro ausstreichen: so verliert er sei« Recht gegen alle Hintermänner desselben; im übrigen aber behält der Wechsel und der Protest gegen alle Vormänner des Ausgestrichenen seine Kraft. §. 1066. Hat der Wechselinhaber von dem Bezogenen, oder von dem zuerst in Anspruch genommenen Indossanten, Abschlagszahlung erhalten, so kann er dennoch den Ueberrest von einem der Giranten, oder von dem Aussteller fordern, wenn mit Aufnahme und Versendung des Pro­ testes gehörig verfahren worden. §. 1067. Will der in Anspruch genommene Indossant sich wieder an einen seiner Vor­ männer halten, so muß er den von dem Wechselinhaber erhaltenen Protest binnen der §. 1047. eqq. bestimmten Frist nach dessen Empfang, gehörig versenden. §. 1068. Ein solcher Indossant hat, gleich dem auf ihn zurückgehenden Präsentanten, die W«hl, an welchen seiner Vormänner er fich halten wolle. §. 1069. Hingegen tonn er die von dem vorigen Inhaber einmal Uebergangenen, die seme Hintermänner find, nicht in Anspruch nehmen. §. 1070. Hat ein Indossant nur Abschlagszahlung geleistet, so kann er dieselbe auf dem Onginalwechsel verzeichnen, und eine beglaubte Abschrift deS Wechsels anftrtigen lassen. §. 1071. Alsdann hat er gegen seine Vormänner und gegen den Wechselschuldner, wegen da bezahlten Summe, die Rechte deS Inhabers einer kaufmännischen Asstgnation. (Abschn. 9.) §. 1072. Die Wechselklage kann in den Fällen des §. 1066. bis 1068. sogleich angesteltt

9tz4

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 1073-1123.

werden, wenn derjenige, an welchen der Inhaber seinen Regreß -u nehmen hat, nicht binnen vier und zwanzig Stunden nach Vorzeigung des Protestes und Wechsels Zahlung leistet. §. 1073. Der Präsentant ist weder schuldig, die Zahlungszeit abzuwarten, noch alsdann, wegen Nichtbezahlung, gegen den Bezogenen von neuem protestiren zu lassen. 1074. Nur alsdann, wenn aus dem Proteste erhellet, daß die Acceptation wegen Mangels des Avis, oder wegen fehlender Remeffe verweigert worden, und der Wechsel noch nicht verfallen ist, muß zuvörderst der ZahlungStag abgewartet, und der nochmalige Protest wegen Nichtbezahlung gehörig ausgenommen und versendet werden. 8. 1075. Doch kann der Wechselinhaber inmittelst, auf bloße Vorzeigung des Protestes, die Bestellung hinlänglicher Sicherheit bis zum Zahlungstage fordern.

§. 1076. Der Wechselregreß findet auch wider den Aussteller einer für Rechnung eines Dritten gezogenen Tratte statt. §. 1077. Cs kann also auch ein solcher Aussteller den Inhaber an denjenigen, sürdeffen Rechnung gezogen worden, nicht verweisen; sondern eS ist lediglich seine Sache, sich mit Letzterem aus einander zu setzen. 1078. Des Einwandes der nicht erhaltenen Valuta kann derjenige, gegen welchen der Wechselregreß gerichtet wird, fich im Wechselprozeffe nicht bedienen. 8- 1079. Läßt der Wechselinhaber Ein Jahr, vom ZahlungStage des Wechsels an gerechnet, verstreichen, ohne die Klage anzumelden; so verliert er sein Dechselrecht. 8. 1080. ES bleibt ihm alsdann nur wegen der gezahlten Valuta, der Zinsen, Schäden und Kosten die Ausführung seiner Rechte im ordentlichen Prozesse nach §. 974. vorbehalten.

§. 1081. Ueber die nach §. 1056. sqq. zu bestimmende Schadloshaltung kann der jedes­ malige Inhaber, statt der Klage, einen Rückwechsel auf denjenigen von den Vormännern ziehen, an welchen er seinen Regreß zu nehmen hat. §. 1082. Gin solcher Rückwechsel muß unmittelbar (ä drittura) gestellt werden, wenn zwischen beiden Plätzen WechselveÄkehr ist. §. 1063. Findet aber von dem Wohnorte des Inhabers, nach dem des Bormannes, gegen welchen der wechselmäßige Regreß gerichtet wird, kein Wechselverkehr statt, so muß der Rück­ wechsel auf denjenigen Platz gezogen werden, über welchen beide Oerter gewöhnlich ihre Wechsel­ geschäfte machen. n. «echte 8» 1064. Ist der Wechsel aceeptirt worden, so muß der Inhaber die Berfallzeit abwarten. undPMcht8- 1066. Jedoch kann er, wenn in der Zwischenzeit solche Umstände eintreten, welche nach nachher gesetzlichen Vorschriften den Arrestschlag begründen, von dem Acceptanten Sicherheitsbestellung Acceptation. fordern. 8. 1086. Gr wird aber, im Falle der Unterlassung, den Bormännern nur alsdann ver­ antwortlich, wenn er dabei ein grobes Vergehen begangen hat. §. 1087. Kann oder will der Acceptant die Sicherhettsbestellung nicht leisten, so ist der Inhaber Arrest aüSzubringen berechtigt. §. 1088. Hat er Realarrest auSgebracht, und will nach eingetretener Berfallzeit die Wechfelexecunon suchen, so muß er dem Realarrest wieder entsagen. §. 1089. Wird vor der Berfallzeit über des Acceptanten Vermögen Concurs eröffnet, so muß der Inhaber sofort, nach erhaltener Wissenschaft davon, mit der Aufnahme und Versendung deS Protestes verfahren. rn. Verfallg. 1090. Wegen Berechnung des Verfalltages treten die Borschrifteu des 8- 847. sqq. überall ein. §. 1091. Bei Sicht- und solchen Uso-Wechseln, deren Berfallzeit vom Tage der Präsentation läuft, muß die Berfallzeit nach dem Dato der Präsentatton berechnet werden, wenngleich die Acceptation, wegen eines dazwischen gekommenen Festtages, erst am folgenden Werkellage ge­ schehen wäre. (§. 985. sqq.) §. 1092. Bei Meß- und Marttwechseln finden keine Respit- oder Diseretionstage statt. 1093. Auch bei Sicht- und solchen Briefen, die auf halb Uso oder weniger gestellt find, kann der Acceptant dergleichen nicht verlangen. §. 1094. Bei anderen gezogenen Wechseln kommen in Königlichen Landen dem Acceptanten, nach dem Verfalltage, noch drei Respittage zu statten, an deren drittem er erst zur Zahlung an­ gehalten werden kann. 1095. Ist der dritte Respittag ein Sonn-, Fest- oder Bußtag, so muß die Zahlung am zweiten Respittage erfolgen. §. 1096. Ein Gleiches ailt, roeim der Wechselacceptant ein Jude ist, und der dritte Respittag auf einen Sonnabend oder jüdischen Feiertag fällt. 8- 1097. Sind alle drei Respittage Sonn- und Feiertage, so muß die Zahlung am Verfall­ tage selbst geleistet werden.

Von Wechseln.

988

§. 1098. Ist gleich der acceptirte Wechsel erst nach dem Verfalltage zur Zahlung präsentirt worden, so werden dennoch die Respittage von der Berfallzeit an gerechnet. §. 1099. Sind daher, von diesem Zeitpunkte an gerechnet, schon drei Tage verstrichen, so finden weiter keine Respittage statt. §. 1100. An dem hiernach zu bestimmenden Zahlungstage kann von zwölf Uhr Mittags, bis fieben Uhr Abends, Zahlung gefordert werden. §. 1101. Wegen der Zahlung treten die Vorschriften des g. 873. eqq. überall ein. §. 1102. Ergiebt der Wechsel, daß davon mehrere Exemplare auSaefertigt worden, so müssen wenigstens diejenigen, woraus die Acceptatton, und die ganze Folge der Jndoffamente befindlich ist, bei der Zahlung ausgeliefert werden. §. 1103. Kann dies nicht geschehen, so ist der Acceptant nur zur gerichtlichen Depositum verbunden. 8. 1104. Durch die Zahlung des Wechsels erlangt der Bezogene, außer dem Falle einer xul von ihm geschehenen Acceptation per honor (§. 1021. 1028.), gegen den Aussteller kein ber Hwiuag. Wechsekecht. §. 1105. Hat er ohne hinlängliche Deckung gezahlt, so kann er diese, nebst kaufmännischen Zinsen seit dem Tage der Zahlung, von dem Aussteller nur in dem Wege des ordentlichen ProzeffeS fordern. g. 1106. Hat der Bezogene gewußt, daß der Wechsel von dem Aussteller für Rechnung eines Dritten gezogen worden, so kann er, außer dem Falle einer Annahme per honor, sich nur an diesen dritten Committenten halten. §. 1107. Ist der Acceptant vor der Zahlung verstorben, so finden die Vorschriften des xiv. «er» § 979. sqq. Anwendung. nicht*«zUa §. 1108. Lettten die Erben nicht gehörige wechselmäßige Zahlung, und der Inhaber will SkSctrr

sich an den Aussteller, oder die Bormänner regresfiren: so muß er sofort, wegen nicht geleisteter öa-umg. Zahlung, Protest einlegen und denselben binnen der g. 1047. sqq. vorgeschriebenen Frist versende». g. 1109. Sin Gleiches muß geschehen, wenn kein HandlungSfactor vorhanden ist, und die Erben ungewiß, unbekannt, oder an einem anderen Orte wohnhaft find. §. 1110. Ueberhauvt muß der Inhaber, wenn die Zahlung zur bestimmten Zett nicht richtig ersetzt, und er fich an die Bormänner, oder an den Aussteller wechselmäßtg halten will, sofort den Protest aufnehmen taffen. g. 1111. Er kann jedoch den nach g. 847. eqq. zu bestimmenden ZahlungStag abwarten, . wenn auch der Accevtant vorher erklärt haben sollte, daß er nicht zahlen werde. j. 1112. Ist in dem Falle deS g. 999. der Präsentant an eine Adresse verwiesen, und eistet die Zahlung nicht: so muß ebenfalls Protest ausgenommen werden. §. 1118. AlSdann ist der Acceptant, welcher den Wechselinhaber an die Adresse verwiesen hat, wechselmäßia verhaftet. g. 1114. Gegen den aber, welchem die Zahlung von dem Acceptanten aufgetragen worden, findet kein Wechselanspruch von Seiten des Inhabers statt; sondern es treten nur die Vor­ schriften von kaufmännischen Asfianationen ein. (Abschn. 9.) 8. 1116. Ist auf dem Wechsel Jemand benannt, bei welchem sich der Inhaber, im Falle der Nichtzahlung melden solle, so finden die Vorschriften deS 8. 1018. 1019. Anwendung. g. 1116. Die abfchlägliche Zahlung eines Theil- der verschriebenen Summe ist der Inhaber nur alsdann anzunehmen schuldig, wenn er bloß Bevollmächttgter, und zur Annahme von Ab­ schlagszahlungen ausdrücklich angewiesen ist. 8. 1117. Hat er Abschlagszahlungen angenommen, und will fich wegen des UeberresteS wechselmäßig regresfiren, so muß er deshalb Protest aufnehmen lassen. g. 1118. Statt baarer Zahlung Asstgnation anzunehmen, ist der Präsentant nicht schuldig.

S

g. 1119. Hat er dergleichen angenommen, und ist darüber die Zeit der Aufnahme deS Protestes verstrichen; so geht der wechselmäßige Regreß an die Bvrmänner und den Aussteller verloren. g. 1120. Ist in solchem Falle der Präsentant nur Bevollmächttgter, so wird er dem Eigenthümer zur völligen Schadloshaltung verhaftet. §. 1121. Wegen Aufnahme und Versendung deS Protestes über Nichtbezahlung, ingleichen xv. «echte ivegen des wechselmäßigen Regresses an die Bormänner und an den Aussteller, finden bie Vor- desJndatzers fünften 8. 1006. sqq. überall Anwendung. dj!fS, g. 1122. Auch hat der Inhaber die Wahl, ob er sogleich von den Bormännern Zahlung Mm,« pro« fordern, oder zuvor den Acceptanten wechselmäßig belangen wolle. tettgeit §. 1128. Will der Inhaber zuerst den Acceptanten in Anspruch nehmen, so ist er nicht öe*eL schuldig, mit dem Proteste zugleich den Wechsel zu versenden.

986

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 1194-1179.

8 1124- Er kann jedoch alsdann von den Bormännern, und dem Aussteller, weder Zahlung noch Sicherheitsbestellung eher fordern, als wenn der Wechsel beigebracht wird. 8- 1126. Will aber der Inhaber, mit Uebergehung des Acceptanten, sich gleich an Einen der BormLnner, oder an den Aussteller halten, so muß der Wechsel zugleich mit dem Proteste versendet werden. §. 1126. Alsdann ist der Bormann, oder Aussteller zur Leistung der im 8- 1066. eqq. beschriebenen Zahlung, binnen vier und zwanzig Stunden, von Zeit der geschehenen Vorzeigung deS Protestes unb Wechsels, verbunden. 8 1127- Wegen Veränderung der Wahl hat der Inhaber die Rechte deS §. 1059. eqq. 8 1128. Auch kann er nach 8. 1081. eqq. einen Rückwechsel ziehen. 8- 1129. Wegen der Rechte deS in Anspruch genommenen Indossanten gegen seine Vor­ männer finden gleichfalls die Vorschriften deS g. 1067. bis 1072. Anwendung. 1130. In allen diesen Fällen (8- 1126. 1127. 1129.) verliert jedoch der Inhaber sein Wechselrecht, wenn er binnen Jahresfrist, von Zeit deS aufgenommenen Proteste-, wider den­ jenigen, an welchen er zum Behuf deS Regresses den Protest gesendet hat, die Wechselklage nicht gehörig anstellt. g. 1181. Ist aber dies geschehen, und die Klage gehörig eingehändigt worden: so wird dadurch daS Wechselrecht gegen den Beklagten so lange, biS der Wechsel auch als Schuldschein verjährt ist, erhalten. xvl «echte §. 1132. Der Aussteller, welcher einen acceptirten Wechsel einlöset, erlangt dadurch gegen bwruw- den Acceptanten kein Wechselrecht. dmMcktÄ8- 1133. Er kann sich auch von dem Inhaber, zum Nachtheil deS Acceptanten, seine Rechte

Iota ec« gegen Letzten» nicht abtreten lassen. eepwvte». §. H34. Dagegen bleibt dem Aussteller gegen den Bezogenen, wegen bereit- erhaltener Deckung, oder sonst, sein Recht im gewöhnlichen Prozesse vorbehalten. §. 1186. Wird in diesem dargethan, daß der Aceeptant von dem Aussteller wirklich Deckung erhalten habe, so hat der Aussteller, bis zum Betrage der am Zahlungstage in deS Acceptanten Händen befindlich gewesenen Deckung, bei entstehendem Coneurse über dessen Vermögen, das Vorzugsrecht der sechsten Classe. §. 1136. Einer gegebenen Deckung ist gleich zu achten, wenn der Aceeptant am Zahlungs­ tage Schuldner deS Ausstellers gewesen ist. *vn. ton H. 1137. Jedermann, welchem ein gezogener Wechsel zur Annahme oder Zahlung präsentirt ste« bet wird, ist schuldig, denselben zu untersuchen, und sich von dessen Richtigkeit zu überzeugen, gencn §. 1138. Wer einen falschen Wechsel bezahlt, kann fich nur an den Urheber deS Betruges, : und an die Theilnehmer halten. 851,7? §. 1139. Wird ein Wechsel präsentirt, an welchem fich scheinbare Spuren der Verfälschung Snbeit: so kann der Bezogene denselben an fich behalten; muß aber auch sofort dem gehörigen lichter davon Anzeige machen, und das verdächtige Instrument gerichtlich niederlegen.

§. 1140. Eben dies findet statt, wenn der Bezogene durch den angeblichen Trassanten von der Verfälschung benachrichtigt, und der Präsentant eine unbekannte oder verdächtige Person ist. §. 1141. In beiden Fällen bleibt dem Ermessen des Richters überlassen, nach Vorschrift der Prozeßordnung, je nachdem der Verdacht der Unrichtigkeit mehr oder weniger bescheinigt ist, zu beurtheilen: ob und auf wie hoch von dem Bezogenen, wegen Schäden und Kosten, Caution zu bestellen sei. (Th. 1. Tit. 14. g. 180. eqq.) §. 1142. Wird gleich der Wechsel bis zur wetteren Untersuchung in gerichtliche Verwahrung genommen, so kann der Inhaber dennoch mit Aufnahme und Beendung des Protestes wegen

Richtacceptation verfahren. §. 1143. Der Richter muß ihm zu diesem Behufe schleunig eine beglaubte Abschrift des Wechsels ertheilen, und einen Depositalschein darüber ausfertigen lassen.

8. 1144. Dadurch erlangt der Inhaber das Recht, binnen der gesetzmäßigen Frist auf seine Bormänner zurück zu gehen, und bis zur ausgemachten Sache Sicherheitsbestellung von ihnen zu fordern. §. 1145. Nach einmal geschehener Acceptation kann der Bezogene unter dem Vorwande, daß der Wechsel falsch sei, die Zahlung nicht weigern. §. 1146. Es muß aber die Zahlung in daS gerichtliche Depofitorium geschehen, sobald der Aceeptant einen ihm zugekommenen Avis von der vorgeblichen Falschheit des Wechsels vor­ zeigen kann. 8. 1147. Eben dahin muß auch der angeblich falsche Wechsel abgeliefert werden. 8. 1148. Der Inhaber muß alSdann den Erfolg deS gerichtlichen Verfahrens abwarten, und ist nicht befugt, sich vorher an die Bormänner wechselmäßig zu regressiven.

Von Wechseln.

987

§. 1149. Jedoch kann ihm die Auszahlung der deponirten Valuta gegen hinreichende Caution nicht versagt werden. §. 1160. Ist in einem an fich richtigen Wechsel die Summe verfälscht worden; und der b) verfilmte Bezogene hat mehr bezahlt, als im Avisbriefe enthalten war: so kann er sich wegen de- daraus ®ed*1; entstehenden Schadens nur an denjenigen hatten, der die Verfälschung vorgenommen hat. 8- 1161. War die Summe im Wechsel nur mit Ziffern ausgedrückt, und sind diese un­ merklich verfälscht, so ist der Aussteller einem dritten dadurch Hintergangenen Inhaber zum Schadens­ ersätze verhaftet. 8- 1162. Ist die mit Buchstaben ausgedrückte Summe verfälscht, so muß jeder Inhaber fich an seinen Lormann so lange hatten, bis man auf den zurikttommt, der nur die wahre Summe empfangen hat. 8- 1163. Auch die Nichtigkeit des letzten JndoffamentS muß der Bezogene gehörig untersuchen, e) fslsches §. 1164. Wer aus grobem Versehen auf ein falsche- Jndoflament Zahlung leistet oder 3nb**elt

mit einer verdächtigen Persim (Th. 1. Tit. 16. 8- 19.), von der eS sich in der Folge findet, daß fie unredlicher Inhaber gewesen sei, auf dergleichen Zahlung sich einläßt, bleibt dem Eigenthümer des Wechsel- im ordenttichen Prozesse verhaftet; und kann fich nur an den Urheber deS Be­ truges und die Theilnehmer desselben hatten. 8. 1166. Ist jedoch ein Wechsel in blanco indosfirt worden, so finden die Vorschriften 8- 816. eqq. Anwendung. 8. 1166. Die etwanige Verfälschung eine- vorhergehenden JndoffamentS ist dem Bezogenen unschädlich, wenn nur der letzte Inhaber redlicher Besitzer gewesen ist. (Th. 1. Tit. 7. 8- 10. sqq.) 8- 1167. Sind gegen den letzten Inhaber schembare Spuren de» Verdachts vorhanden, so findet eben da» statt, wa» 8- H89. sqq. von falschen Wechseln verordnet ist. 8. 1168. Kommen die Spuren der Verfälschung erst nach der Acceptation zum Vorschein so muß der Lceeptant die Vorschriften des 8- 1146. 1147. beobachten.

8 1169. Geht ein gezogener Wechsel verloren, so muß der bisherige Inhaber diesen Ver- xvul Oya lust dem Aussteller und dem Bezogenen unverzüglich melden 8. 1160. Hat der Bezogene von dem Verluste de» Wechsel- keine Nachricht erhalten, und KRthu daher denselben zur Versallzett einem unverdächttgen Inhaber bezahlt: so muß der Eigenthümer,

der den Wechsel angeblich verloren hat, den Schaden ttagen, und kann sich nur an denjenigen, welcher unredlicher Weise zu« Besitze der Tratte gelangt ist, halten. 8- 1161. Hat aber der Bezogene vor dem Verfalltage Zahlung geleistet, so darf ihm der Aussteller dafür nicht gerecht werden. 8- 1162. Der Eigenthümer hingegen, welcher den Wechsel verloren hat, kann alSdann von dem Aussteller im ordentlichen Prozesse Entschädigung fordern; und hat bei entstehendem Coneurse über dessen Vermögen daS Vorzugsrecht der sechsten Classe. 8- 1168. Kommt die Nachricht vom Verluste des Wechsels dem Bezogenen noch vor der Aceeptatton zu; und der Wechsel wird demselben präsenttrt: so muß nach der Vorschrift 8-1189. sqq. verfahren werden. 8- 1164. Dem fich meldenden Inhaber kommen alsdann gegen die Vormänner die Vor­ schriften deS 8- 1142. sqq. zu statten. 8- 1166. Pttrd aber bi» zum ZahlungStage der Wechsel nicht präsentirt, so kann fich der­ jenige, welcher den Wechsel verloren hat, nur an den Aussteller halten. 8- 1166. ES findet auch hier weder Wechselprozeß, noch Wechselexecution statt, jedoch wird der Vorzug im Coneurse nicht verändert. §. 1167. Kommt die Nachricht von dem Verluste deS Wechsels dem Bezogenen erst nach der Acceptation, jedoch vor der Zahlung zu, so muß er letztere in daS gerichtliche Depofltorium leisten. . 1168. Alsdann ist zwischen dem letzten Inhaber und demjenigen, welcher den Wechsel ch verloren hat, auszumachen, wem von ihnen die deponirte Valuta zukomme.

S

8- 1169. Kann der letzte Inhaber darthun, daß er redlicher Besitzer deS Wechsels sei: so wird ihm das Geld verabfolgt ; unv derjenige, welcher den Wechsel verloren hat, kann fich nur au den vormaligen unredlichen Besitzer hatten. 8- 1170. ES steht in diesem Falle weder dem Wechselinhaber, noch demjenigen, welcher den Wechsel angeblich verloren hat, der Wechselregreß gegen die übrigen Vormänner und gegen den Aussteller zu, und die Aufnahme eines Protestes ist unwirksam. 8- 1171. Wird ein schon accepttrter, nachher verloren gegangener Wechsel zur Zahlungszeit nicht zum Vorschein gebracht, und der Bezogene ist der Acceptation geständig, oder kann deren sofort überführt werden: so muß er wechselmäßia Zahlung leisten. 8. 1172. Diese Zahlung darf jedoch nur in das gerichtliche Depofitorium geschehen, und eS muß auf Kosten desjenigen, der den Wechsel verloren hat, ein öffentliches gesetzmäßiges Auf-, gebot veranlaßt «erden.

988

Zweiter Theil

Achter Titel.

§§. 1173-1296.

§.1173. Meldet sich dabei kein anderer Inhaber: so ist der Präsentant die deponirte Valuta zu erheben berechtigt, und der verlorene Wechsel wird für mortificirt erklärt. §. 1174. Meldet sich hingegen ein anderer Inhaber, so findet die Vorschrift §. 1168. Anwendung. §. 1175. Ist die Lcceptation weder zugestanden, noch sofort erwiesen, so kann derjenige, welcher den Wechsel verloren hat, auf seine Kosten ein öffentliche- Aufgebot veranstalten.

1)

§. 1176. Meldet sich dabei ein Inhaber, so wird der Wechsel mortificirt, und der Ver­ lierer hält fich nach Vorschrift §. 1162. an den Aussteller. §. 1177. Dem Verlierer fleht jedoch frei, in der Zwischenzeit die Aceeptation gegen den Bezogenen im Wege de- ordentluhen ProzeffeS nachzuweisen. §. 1178. Erstreitet er darüber ein rechtskräftige- Urtel: so findet die Wechselexecution gegen den Lcceptanten statt; doch muß die Zahlung so lange, bi- der Wechsel mortificirt ist, m das gerichtliche Depoiitorium geleistet werden. (8. 1172. 1173.) §. 1179. Obige Vorschriften (§. 1167. sqq.) find auch auf den Fall anzuwenden, wenn ein Wechsel nach aufgenommenem Proteste verloren aeht. §. 1180. Jedoch wird durch eine beglaubte Abschrift de- bci dem Proteste aufgenommenen Protocolls der darin benannte rechtmäßige Inhaber berechtigt, von demjenigen Vormann, an welchen er fich halten will, Kaution zu fordern. 8- 1181- Auch bei trockenen Wechseln find die §. 748—784. bestimmten Eigenschaften erforderlich. §. 1182. Ein Instrument wird bloß dadurch, daß darin die Zahlung nach Wechselrecht versprochen worden, kein gültiger Wechsel. §. 1188. Wie bei trocknen Wechseln der Empfang der Valuta au-gedrückt «erden müffe, ist §. 766-769. bestimmt. §. 1184. Ist in trocknen Wechseln der §. 726. benannten Personen der Empfang der Valuta nicht in baarem Gelde ausgedrückt; oder kann sofort nachgewiesen werden, daß der Aus­ steller die Valuta nicht baar erhalten habe : so findet gegen ihn kein wechselmäßigeS Verfahren statt. 1185. Vielmehr soll die Sache im Wege de- ordentlichen Prozesses erörtert, und dabei daSjemge Geschäft, au- welchem die Zahlung-verbindlichkeit de- Aussteller- entsprungen sein soll, zum Grunde gelegt werden. §. 1186. Auf die Indossamente solcher Personen findet obige Vorschrift (§. 1184. 1186.) ebenfalls Anwendung. §. 1187. Bei trockenen Wechseln kann auch der Ablauf einer bestimmten Aufkündigungsfrist als Zahlung-tag festgesetzt werden. §. 1188. Alsdann muß bei Anstellung der Klage entweder die schriftliche Annahme des Schuldners, oder ein Attest über die gerichtlich oder durch einen JustizcommiffariuS und Notarius geschehene Aufkündigung beigebracht werden. §. 1189. Der Name desjenigen, welcher die Zahlung erhalten soll, muß in einem trockenen Wechsel, bei Verlust der Wechselkrast, angegeben sein. 8. 1190. Nur Personen, welche in Absicht der Weckselfähiakeit kaufmännische Rechte haben (§. 718 - 724.), können auch trockene Wechsel gültig auf reden Briefsinhaber auSstellen. §. 1191. Trockne Wechsel, denen die Wechselkrast mangelt, gelten als Schuldscheine, in so fern sie die nach den Vorschriften des ersten Theils Titel 11. §. 730. sqq. erforderlichen Eigen­ schaften haben. 8. 1192. Der unterlassene Gebrauch des vorgeschriebenen Stempelpapiers benimmt der Kraft ves Wechsels nicht-; sondern verbindet nur den Aussteller zur edictmäßigen Strafe.

S) weckte des §. 1193. Bor der Verfallzeit kann aus trockenen Wechseln ebenfalls keine Zahlung, sondern Wechsel* nur, nach Anleitung deS §. 1086. sqq., Sicherheit gefordert werden. fliäubiflcrt; § 1194. Wird vor der Berfallzeit über den Aussteller Concurs eröffnet, so kann der

3) von der

.Zahlung;

Inhaber seine Forderung dabei liquidiren. §. 1195. Er kann jedoch auch, wenn der Wechsel indossirt ist, ohne Aufnahme eineProtestes, soaleich an die Indossanten wechselmäßig zurückgehen. §. 1196. Doch muß alsdann der Klage ein gerichtliche- Attest über die geschehene Eoncurseröffnung beigefügt werden. §. 1197. Wegen der Zahlung finden die Vorschriften des §. 867. bis 902. Anwendung. H. 1198. Befindet sich der Wechsel nicht mehr in den Händen des ersten Inhabers, so muß der Schuldner die Richtigkeit des letzten Indossaments nach Vorschrift des §. 1137. sqq. gehörig untersuchen. 8. 1199. Ist der Wechsel verloren gegangen, so findet nicht eher wechselmäßige Execution statt, bis die Existenz, der Betrag, und übrige Inhalt desselben im ordentlichen Prozesse aus­ gemittelt ist.

Bon Wechseln.

989

§. 1200. Alsdann muß der Wechselgläubiger über die erhaltene Zahlung eine besondere Quittung ausstellen, und darin zugleich den Wechsel für erloschen erklären. §. 1201. In wie fern außer dieser Quittung ein gerichtliche- Aufgebot, und die Mortification des verlorenen Wechsels nöthig sei, ist nach den Borschristen de- ersten Theil- Titel 16. §. 128. sqq. zu beurtheilen. ß. 1202. In diesem Falle kann der Schuldner, bi- zum Erfolge der gerichtlichen Mortifieation, nur gegen hinlängliche Eaution wegen seiner Schadloshaltung, wenn der Wechsel in der Folge wieder zum Vorschein käme, Zahlung zu leisten angehalten werden. §. 1203. Bon dem Falle, roeim der Wechselschuldner verstorben ist, gilt bei trockenen O von 'ProWechseln alles daS, was bei gezogenen §. 1107. sqq, verordnet worden. w": §. 1204. Auch ist bei trockenen Wechseln, zu» Behufe de- Regreffe- gegen die Jndoffanten, in den Fällen de- g. 1043—1045. die Ausnahme eine- Proteste- nothwendig. 8. 1205. Ist in dem Wechsel kein Zahlungsort bestimmt, so kann die Aufnahme des Proteste- an dem Orte geschehen, wo der Schuldner zuletzt bekanntlich gewohnt, oder wo er den Wechsel ausgestellt hat. §. 1206. Ein solcher Protest (§. 1203-1206.) kann nur von Gerichten, oder von einer dazu deputirten, zum Protocoll verrieten Gericht-person ausgenommen werden. §. 1207. Wegen der Aufnahme selbst, und der Versendung, finden die Vorschriften des g. 1037. sqq. Anwendung. ß. 1208. Durch einen solchen Protest wird die vefugniß zum Wechselregreffe auf Ein Jahr, von Zeit de- aufgenommenen Proteste- an gerechnet, «hüten. §. 1209. Läßt der Inhaber diese Einjährige Frist verstreichen, ohne gerichtliche Klage anzustellen, so verliert « den wechselmäßigen Regreß, und behält nur den Anspruch im ordent­ lichen Prozesse. (§. 974.) §. 1910. Außer diesen Fällen (6.1194. 1195. g. 1908.1904.) findet bei trockenen Wechseln d« Regreß gegen die Jndoffanten nicht eh« statt, al- wenn zuvor d« Wechselschuldn« zur Berfallzeit au-geklagt, und zum Personalarreste gebracht worden. g. 1211. Ist die- geschehen, und die Zahmng nicht binnen drei Tagen, nach Ablieferung de- Schuldner- in- Gefängniß, «folgt; so muß d« Wechselinhab« sich darüb« von dem Gericht ein Attest ertheilen laffen, und solche-, nebst dem Wechsel, nach Vorschrift des g. 1047. sqq. versenden. g. 1212. Alsdann treten die Vorschriften de- g. 1066. sqq. überall ein. 8. 1213. Zur Erhaltung der Wechselkrast gegen den Schuldner selbst, ist die Aufnahme eines Protestes nur alSdann wirksam, wenn solche umstände emtreten, daß die an sich zzMfige Wechselklage, vor Ablauf d« Lerjährun^frist wider ihn, nicht sogleich angefiellt werden kann. g. 1214. Dahin ist besonder- d« Fall zu rechnen, wenn d« Wechselinhaber von dem Sitze de- Gericht-, wo die Klage angestellt werden muß, so entfernt sich aushält, daß vor Anstellung der Klage die Verjährungsfrist besorglich ablaufen möchte. g. 1215. * Gin solcher Protest kann auch von einem Justiz-Commiffario oder Rotario aus­ genommen werten. g. 1216. AlSdann aber muß, bei V«lust de- Wechselrechts, binnen acht Tagen, von Zeit des aufgenommenen Protestes, die Klage bei dem zuständigen Richt« de- Wechselschuldners an­ gemeldet werden. g. 1217. Finden sich Umstände, weshalb die Wechfelladung nicht eingehändigt werden kann, so wird dem Kläg« darüb« ein Attest au-gefertigt. §. 1218. Em solches Attest «hält die Wechselkrast so lange, bis daS Instrument auch als Schuldschein verjährt ist. g. 1219. Mit Gmstimmung des Wechselgläubig«s, und des Wechselschuldners, kann jeder s) voa Per­ trockene Wechsel v«längert werden. JSK25L g. 1220. Ist der Schuldner zur Zeit d« Prolongation nicht mehr wechselfähig, so hat -erbuwuchdieselbe keine Wirkungen. kett; g. 1221. Die Verlängerung kann vor, bei, oder nach der Verfallzeit, so lange die Wechsel­ krast noch dauert, erfolgen. g. 1222. Eine nach erloschener Wechselkrast geschehene Prolongation ist d« Ausstellung eines neuen trocknen Wechsels gleich zu achten, wenn die Zahlungszeit gehörig bestimmt, und die Unterzeichnung nach Vorschrift de- g. 776. sqq. geschehen ist. g. 1223. Im zweifelhaften Falle wird angenommen, daß die V«läng«ung nach «loschen« Wechselkraft geschehen sei. 8. 1224. Der Regel nach muß die B«längerung auf dem Wechsel selbst vermerkt werden. g. 1225. Doch kann sie auch auf einer Abschrift deS Wechsels geschehen, welche d« Gläubig« dem Schuldner zu diesem Behufe zuschickt. §. 1226. Die Verlängerung muß von dem Schuld»« eigenhändig unterschrieben werden.

«90

Awetter Theil. Achter Titel. §§. 1297—1879. itamtcr LtschM.

Beu HaudbilletS mm* Asfiguatioue».

88- 1250 bis 1304.

Aufgehoben

8- 1227. Der Ort und daS Datum ist dabei nur alsdann nothwendig, wenn die Prolon­ gation der Ausstellung eines neuen trockenen Wechsel- gleich geachtet werden soll. (§. 1222.) 8- 1228. Bon der Unterzeichnung gilt eben das, was von der Ausstellung selbst verordnet ist. (8- 776. sqq.) 8- 1229. Zum Vermerk der Verlängerung, wenn sie nicht der Ausstellung eines neuen Wechsels gleich geachtet werden soll, wird keine besondere Form erfordert. §. 1230. ES ist genug, wenn daraus erhellet, daß die Zahlung-zeit verschoben sein solle. 8- 1281. Ist die Dauer der Prolongation-zeit nicht auSgedrückt, so wird sie auf so lange gerechnet, al- der Wechsel zuerst ausgestellt worden; oder wenn schon vorher Prolongationen erfolgt find, auf den Zeitraum der nächst vorhergehenden Prolongation. 8- 1232. Wenn zwar die ProlongimonSzeit bestimmt, aber nicht au-gedrückt ist, von welchem Zeitpunkte fie anfangen solle, so muß dieselbe vom Verfalltage de- Wechsel- an gerechnet «erden. 8- 1833. Dies findet ohne Ausnahme statt, die Prolongation mag vor, oder nach dem Verfalltage geschehen sein. 8. 1234. Eben so wird die Frist berechnet, wenn der Prolongation-vermerk ohne Datum ist. §. 1235. Bei wiederholten Verlängerungen wird auf die Verfallzeit gesehen, welche nach der zunächst vorhergehenden Prolongation eingetreten sein würde. 8- 1286. Die Prolongation eines Wechsel-, woraus Mehrere al- Selbstschuldner verpflichtet find, kommt, wenn fie auch nur von Einem unterzeichnet ist. Allen zu statten, und erhält gegen Alle die Wechselkrast. 8. 1237. Soll die Wirkung der Prolongation fich nur auf Einen Wechselschuldner ein­ schränken, so muß^dieses in dem Vermerke ausdrücklich bestimmt sein. 8. 1238. Verlängert der Wechselinhaber dem Schuldner die Zahlungsfrist ohne schriftliche Einwilligung deS Bürgen, so entläßt er dadurch diesen Letzteren ferner Verpflichtung. 8- 1239. Auf gleiche Art geht der Regreß gegen die Lormänner verloren. §. 1240. Dies findet auch alsdann statt, wenn die Anmeldung der Klage gegen den Wechselschuldner länger als drei Tage nach der Berfallzeit verschoben wird. e) ton ten 8 1241. Wegen der bei trockenen Wechseln zuläsfigen Einwendungen und Gegenforderungen etittDcnbun- gelten die §. 916. sqq gegebenen Vorschriften. SÜÄJSIÜr §• 1242. Der Einwand der nicht erhaltenen Valuta kann nur in so fern statt finden, als eurseq, in. betje(Je öon fcem Aussteller nach Vorschrift deS §. 917. sqq. sofort dargethan wird. §. 1243. Es macht dabei keinen Unterschied, ob ein Christ oder ein Jude Inhaber deS Wechsels ist. 8- 1244. Der Einwand der nicht gezahlten Valuta kann auch dem dritten Inhaber in allen Fällen entgegengesetzt werden, wenn der Wechsel nicht auf Ordre lautet, und der Aussteller das Indossament nicht schriftlich ohne Vorbehalt genehmigt hat. §. 1246. Lautet der Wechsel auf Ordre, und gehört der Aussteller unter die §. 718—724. benannten Personen: so kann er von diesem Einwande gegen einen dritten Inhaber keinen Gebrauch machen. §. 1246. Ist aber der Aussteller nur nach 8- 726., oder vermöge eine- erhaltenen Certtfieats, zu Wechselgeschästen fähig, so kann er den Einwand der nicht erhaltenen Valuta auch einem dritten Inhaber entgegensetzen, wenngleich der Wechsel auf Ordre laufet. g. 1247. In allen Fällen, wo dieser Ginwand an fich statt findet, wird er weder durch wiederholte- Anerkenntniß des Wechsels, noch durch geschehene Prolongation, noch durch geleistete Abschlagszahlung ausgeschlossen. §. 1248. Will, bei einem ttockenen Wechsel, der Schuldner fich durch Einwendungen oder Gegenforderungen, die einer weitläufigen Erörterung bedürfen, gegen die Zahlung schützen; so mug er dieselben bei den Gerichten dergestalt zeittg anbringen, daß er vor Eintritt der Berfallzeit ein rechtskräfttges Urtel erhalten könne. §. 1249. Hat er zur Berfallzeit, wegen dieser Einwendungen, ein obsiegende-, aber noch nicht rechtskräftiges Urtel erhalten: so berechttgt ihn dasselbe, die verschriebene Wechselsumme gerichtlich zu deponiern."

Begriffe.

41) Durch §. 9 deS Einf.Ges. zur Wechselordnung v. 15. Febr. 1850 (G.S. S. 53). Die aufgehobenen? 88- lauteten: „§. 1250. Schuldscheine, welche ein Kaufmann über den Bettag der auf Zeit erkauften Waaren ausstellt, werden Handelsbilleis genannt.

Bon Handbillets und Asfignationen.

991

z. 1251. Kaufmännische Asfignationen find solche, welche ein Kaufmann in Handlungs­ geschäften ausgestellt hat. §. 1252. Wo solchen Handelsbillets und Asfignationen durch besondere Gesetze daS Wechsel­ recht beigelegt worden, hat es ferner dabei sein Bewenden. §. 1253. Wegen der Berfallzeit, und der Münzsorten, findet alles das Anwendung, was bei Wechseln verordnet ist. 8. 1254. In einem HandelSdillet muß die Summe der Schuld und die Zeit der Zahlung L e* Hsnenthalten sein. dewbillew. §. 1256. Alsdann ist eS hinreichend, wenn der Waarenverkauf, woraus die Schuld ent­ standen ist, nur allgemein darin vermerkt worden. §. 1256. Aus solchen Handelsbillets oder HandelSobliaationen soll auch an denjenigen Orten, wo ihnen die Wechselkrast nicht beigelegt ist, binnen Jahresfrist vom Zahlung-tage an gerechnet, der executivifche Prozeß statt finden. 8. 1267. Im Eoncurfe haben sie binnen dieser Zeit mit den Wechseln gleiches Recht. §. 1258. Wegen Verlängerung dieser Frist treten die Vorschriften deS §. 1219. und §. 908. ein. §. 1269. Ist jedoch die Summe der Schuld, oder die Zeit der Bezahlung nicht gehörig bestimmt, oder die Forderung nicht unmittelbar aus einem Waarenverkehr entstanden: so ist daJnstrument nur als ein gewöhnlicher Schuldschein zu -brachten. §. 1260. Wegen der au einigen Orten üblichen sogenannten Mamres und Starchos, auch anderer jüdischen Geldscheine, bleibt es bei den Vorschriften der Provinzialgesetze. I261. Auch unter Kaufleuten ist Anweisung keine Zahlung. iLemiMf# 1262. Nimmt jedoch ein Kaufmann von dem andern statt Zahlung eine Assignation

L

rbehalt an, so wird daS Geschäft durchgehend- als eine Session angesehen. (Th. 1. nattincii. Tit. 1L 8. 402. sqq.) §. 1263. Kommt alsdann auch die Einwilligung deS Assignaten hinzu, so ist eine Delegation vorhanden. (Th. 1. Tit. 16. J. 264. sqq.) 8- 1264. Ein Gleiches findet statt, wenn mit Einwilligung sämmtlicher Interessenten, durch Ab- und Zuschreiben in ihren Büchern, eine Ueberweisuqg (Seontration) geschehen ist. 8. 1266. In allen diesen Fällen hastet der Anweisenoe nicht für die Sicherheit deS Asfimraten. §, 1266. Außer diesen Fällen find, bei kaufmännischen Asfignationen, die Rechte und Pflichten »wischen dem Aussteller und Empfänger, in der Regel nach oen Vorschriften oer Gesetze von Asfignationen überhaupt zu beurthellen. (Th. 1. Tit. 16. §. 268. sqq.) §. 1267. Zur Gültigkeit kaufmännischer Asfignationen ist hinreichend, wenn nur daraus erhellet, wer Zahlung leisten, und empfangen solle; ingleichen auf wie hoch, und von wem die Asfignation ausgestellt worden. §. 1268. Der Empfänger einer kaufmännischen Asfignation muß vorzüglichen Fleiß an- DHUgtnfcfr wenden, daß ihm in deren Entziehung keine Saumseligkeit zur Last falle. 8. 1269. Ist in der Asfignation keine ZahlungSzett bestimmt, und der Inhaber befindet ” sich mtt dem Assignaten an Einem Orte: so muß derselbe sich spätestens binnen acht Tagen nach dem Empfange bei dem Assignaten melden, und Bezahlung fordern. 8. 1270. Befindet der Inhaber sich nicht an Einem Orte mit dem Assignaten, so muß die Asfignation mit der nächsten Post zur Eincasfirung abgeschickt werden. g. 1271. Soll die Asfignation während einer Messe oder eine- Marktes bezahlt werden, so finden wegen der Präsentation die Vorschriften des g. 964. sqq. Anwendung. §. 1272. Ist ein Zahlungstermin bestimmt, so muß die Anmeldung spätesten- den ersten Tag nach der Berfallzeit erfolgen. §. 1273. Wird die Asfignation von dem Assignaten nicht angenommen, so kann und muß der Inhaber dieselbe spätesten- innerhalb vier und zwanzig Stunden dem Assignanten, wenn dieser an demselben Otte wohnhaft ist, zurückgeben. 8. 1274. Wohnt der Assignant an einem anderen Otte: so muß der Inhaber sofort Protest aufnebmen lassen, und denselben mit nächster Post versenden. §. 1275. Bei Aufnahme und Remission eines solchen Protestes muß Alles beobachtet werden, was im vottgen Abschnitte von Wechselprotesten vorgeschrieben ist. §. 1276. Auch wegen der Fälle, wenn die obigen Fristen auf einen christlichen oder jüdischen Feiertag treffen, finden die wegen der Wechsel gegebenen Vorschriften Anwendung. §. 1277. Hat der Inhaber die Präsentation m den gesetzlichen Fristen verabsäumt, so haftet er für allen daraus entstehenden Schaden, und hat den Regreß nur im ordentlichen Prozesse. (§. 974.) 8. 1278. Ist die Asfignation acceptirt, so treten die Lorschttften de- §. 1084. sqq. ein. g. 1279. In den Fällen, wo bei wechselmäßiaen Zahlungen Respit- oder Discretton-tage zugelassen sind, finden dieselben auch bei kaufmännischen Asfignationen statt.

992

Zweiter Theil.

Achter Titel.

U- 1290—1327.

H. 1280. Erfolgt die Zahlung der acceptirten Asfignation nicht -u der nach §. 867. sqq. zu bestimmenden tzerfallzeit, so muß der Inhaber ebenfalls wie bei acceptirten und nicht gehört bezahlten Wechseln, nach Vorschrift §. 1107. eqq. verfahren. §. 1281. Er ist aber, wenn der Assignant nicht an demselben Orte wohnt, außer der Aufnabme und Versendung deS Protestes, bei Verlust feines Rechts an den Assignanten, schuldig, auf dessen Rosten die Klage wider den Asstgnaten sogleich anzustellen, und den Prozeß so lange gehörig fortzusetzen, bis der Lsstgnant dazu, nach dem gewöhnlichen Laufe der Posten, selbst die nöthigsten Verfügungen treffen kann.

vtzUegenhei8- 1982. Kommt der Protest innerhalb der bestimmten Fristen zurück, so muß der Assignant tatbHWfl- bie Lsfignation unweigerlich wieder zurück nehmen. «aaten. § 1288. Hat er die Asfignation zur Tilgung einer Schuld, womit er dem Empfänger verhaftet war, ertheilt: so steht Letzterm frei, seine Schuld ebenso einzufordern, al- ob das AsfignationSgeschäst gar nicht geschehen wäre. §. 1284. Hat aber der Empfänger die Asfignation von dem Aussteller gekauft, so kann er, gegen Rückgabe derselben, die Echattung der bezahlten Summe nebst Zinsen und Kosten

fordern. §. 1286. Enthält in diesem Falle die Asfignation ein Emvfangsbekenntniß der baar be­ zahlten Valuta, so findet gegen den Aussteller, binnen Jahresfrist nach dem Verfalltage, der executivische Prozeß statt. §. 1286. Auch wegen des Vorzugs bei entstehendem Concurse findet binnen dieser Frist die Vorschrift deS §. 1257. Anwendung. §. 1287. Ist dergleichen EmpfanaSbekenntniß (§. 1285.) im Instrumente selbst nicht ent­ halten, so muß der Empfänger seine Schadloshaltung von dem Aussteller mittelst ordentlichen Prozesses suchen. §. 1288. Hat der Inhaber die Fristen zur Aufnahme und Versendung des Protestes wegen Nichtzahlung versäumt ; oder dem Assignaten nach der Aceeptation irgend eine Nachsicht gestattet: so haftet ihm der Assignant nur als Bürge, im ordentlichen Prozesse, für den ohne fein Ver­ schulden entstandenen Ausfall. Obliegen§. 1289. Derjenige, auf welchen asfignirt worden, ist dem Inhaber nur alsdann verhaftet, bet wenn er die Asfignation schriftlich acceptirt hat. „flgnaren. § 1290. Es treten hier die Vorschriften von Aceeptation eines gezogenen Wechsels §. 983. sqq. überall ein. §. 1291. Bor der Aceeptation kann der Assignat an den Aussteller sicher zahlen, wenn er gleich sonst von der Asstgnation Wissenschaft aeyabt hat. §. 1292. Auch kann der Aussteller dem Assignaten die Zahlung an den Inhaber vor der Aceeptation untersagen. §. 1293. Hat der Assignat die Anweisung acceptirt, so muß er dem Inhaber Zahlung leisten, und kann sich mit einer schon erfolgten Befriedigung des Ausstellers nicht schützen. §. 1294. Auch andere Einwendungen, die dem Aeceptanten gegen den Aussteller zustehen, kann er dem Inhaber nach der Aceeptation nicht mehr entgegensetzen. §. 1296. Ist jedoch über daS Vermögen des Ausstellers vor eingetretenem Verfalltage Concurs entstanden, so ist der Assignat dem Inhaber, auch auf eine schon acceptirte Asfignation Zahlung zu leisten, weder schuldig noch berechtigt. §. 1296. Hat er nach einaetretenem Verfalltage die Zahlung geleistet, ebe die gerichtliche Bekanntmachung der ConcurSeröffnung zu seiner Wiffensch^t gelangt ist, so wird er dadurch von seiner Verbindlichkeit gegen den Aussteller und dessen Masse allerdings befreit. §. 1297. Aus einer acceptirten Asfignation rann gegen einen Kaufmann zwar nicht werbselmäßig, aber doch, binnen Jahresfrist vom Verfalltage an gerechnet, exeeulivisch geklagt werden.

§. 1298. Binnen gleicher Frist hat eine solche kaufmännische Asfignation mit einem Wechsel im Eoucurse gleiche Kraft. (§. 1267.) «on indosstr« §. 1299. Der Inhaber eines Handelsbillets, oder einer kaufmännischen Asfignation, ist re» Handels- dieselbe zu indossiern berechtigt. fattSiänni' 8 1300. Hur Gültigkeit eines solchen Indossaments wird eben das erfordert, was bei idxii Asfig- Wechseln vorgeschrieben ist. Nationen. §. 1301. Der Indossant steht mit dem Jndossatario in eben dem Verhältnisse, wie der Aussteller mit dem ersten Inhaber. §. 1302. Sind mehrere Indossamente geschehen, so treten an solchen Orten, wo den HandelsbilletS oder kaufmännischen Assignationen durch besondere Gesetze daS Wechselrecht beigelegt worden, in Abficht deS Regresses gegen die Lormänner und den Aussteller, die Vorschriften, wie bei Wechseln, überall ein. §. 1303. An solchen Orten aber, wo den Handelsbillets oder kaufmännischen Asfignationen

993

Bon Mäklern.

Zehnter ÄbschnM. Bon Mäklern. §§. 1305 bis 1388.

Aufgehoben ^).

das Wechselrecht nicht beigelegt ist, hat der Inhaber bloß die Wahl, sich entweder an seinen un­ mittelbaren Bormann, oder an den Aussteller zu halten. §. 1304. Er muß jedoch auch alsdann die Vorschriften des Wechselrechts, wegen Aufnahme und Remission des Protestes, gehörig beobachten; auch wenn die Assignation aeceptirt worden, nach Vorschrift 1281. einstweilen die Klage gegen den Aeeeptanten anstellen und fortsetzen. 42) Durch Art. 60 Nr. 1 des Einf.Ges. zum H.G.B. v. 24. Juni 1861 (®.6. S. 449). Die aufgehobenen §§., an deren Stelle die Art. 66 ff. H.G.B. getreten sind, lauteten: §. 1305. Den Kaufleuten steht frei, ihre Geschäfte, ohne Mäkler, selbst oder durch ihre Handlungsbedienten, mit einander zu verhandeln und abzuschließen. 8. 1306. Wer ein Geschäft durch einen Mäkler abschließt, muß die Handlungen deffelben eben so vertreten, wie der Vollmachtgeber die Handlungen deS Bevollmächtigten. (Th. 1. Tit. 13. 8 86.) §. 1307. Geschäfte und Verträge, die durch unbefugte oder unvereidete Mäkler geschloffen worden, sind so zu betrachten, als ob dabei kein Mäkler -uge-ogen wäre. tenmoneru. §. 1308. Wer sich ohne gesetzmäßige Bestellung und Verpsiichtung in kaufmännische Ge­ schäfte als Mäkler einmischt, soll den doppelten Betrag des gesetzmäßigen Mäklerlohns zur Strafe erlegen, und des bedungenen Mäklerlohns verlustig sein. §. 1309. Bei der Wiederholung ist die Strafe jedesmal zu verdoppeln. tz. 1310. Das Zeugniß eines unbefugten Mäklers über das durch ihn geschloffene Geschäft hat in keinem Falle Beweiskraft. §. 1311. Wer sich der Vermittelung und Unterhandlung bei kaufmännischen Geschäften veftellun, widmen will, muß dazu gehörig bestellt und vereidet sein. ter »riet. §. 1312. Ob die Bestellung von der Kaufmannschaft selbst, oder auf deren Vorschlag durch ihre Aeltesten, von der Obrigkeit geschehe, bestimmt eine- jeden OrtS Verfassung. §. 1313. Wenn besondere Verfassungen keine Ausnahme machen, so müssen dazu jedesmal von der Kaufmannschaft wenigstens zwei Subjecte in Vorschlag gebracht werden, von welche« die Obrigkeit Einen wählt. §. 1314. Es soll aber in keinem Falle der Kaufmannschaft eine Person, zu welcher sie kein Vertrauen hat, zum Mäkler aufgedrungen werden. §. 1316. Ein Mäkler muß von unbescholtenem Ruf, über vier und zwanzig Jahre alt, Erfordemifst. und der HandlungSgeschäste deS Orts sattsam kundig sein. 8. 1316. Boshafte und muthwillige BankerutierS sollen nicht zu Mäklern genommen werden. 8. 1317. Bon einem Wechselmäkler und Sensal wird außerdem erfordert, daß er sich eine genaue Kenntniß aller im Handel vorkommenden Münzsorten, ihrer Berhältniffe, der Ursachen des steigenden oder fallenden CourseS, und des WechselrechtS' erworben habe. 8- 1318. Ein Waarenmäkler muß sich auf die Waaren selbst, ihre Kennzeichen, Eigen­ schaften, regelmäßige Länge, Breite, oder Größe, ihre Güte, Fehler und Verfälschungen wohl verstehen. §. 1319. Ein Schiffsmäkler muß in fremden Sprachen und im Rechnungswesen geübt sein, auch die Bauart eines Schiffes, die Seerechte, ingleichen die Accise- und Zollgesetze hinreichend kennen. 8- 1320. Ob der Mäkler Caution, und wie hoch leisten müsse, bleibt dem Gutbefinden der Kaufmannschaft des Ortes überlassen. 8- 1321. Sind an Einem Orte zum Waaren- und Wechselhandel eigene Mäkler bestellt, so muß jeder auf die ihm angewiesene Art von Geschäften sich einschränken. 8- 1322. Kein Mäkler darf, mittel- oder unmittelbar, für eigene Rechnung Waarenhandlung jg* oder Wechselgeschäfte treiben. ÄiSSr 8. 1323. Ebenso wenig ist einem Mäkler erlaubt, in Handlungsgesellschasten zu treten, etpemm oder sich Schiffsparten, oder sonst Antheil an dem Gewinne oder Gewerbe Anderer bedingen. Berrehr. Jj. 1324. Es macht hiervon keine Ausnahme, wenn er gleich nur zu einer besonderen Art eschästen als Mäkler angestellt sein sollte. 8- 1326. Commissionen, Speditionen, oder Factoreien für auswärtige Kaufleute darf kein Mäkler übernehmen. §. 1326. Auch auf Versicherungen, Bodmerei, und Bürgschaften für Kaufleute soll er sich nicht einlaffen. §. 1327. Desgleichen muß sich ein Mäkler deS Treibens der Gastwirthschast, deS Wein-, Kassie-, Branntwein- und BierschankS gänzlich enthalten. Koch. Allgemeine- Landrecht.

III. 8. Aufl.

68

Zweiter Theil.

Befuget*

'

Achter Titel.

gg. 1888-1876.

§. 1328. Welcher Mäkler wider vorstehende Verordnung §. 1322. eqq. handelt, der soll seine- Amte- entsetzt, und mit willkürlicher Geld- oder Leibesstrafe belegt werden. §. 1329. Die von einem Mäkler wider das Verbot des g. 1321. vorgenommenen Geschäfte find null und nichtig; und er muß demjenigen, welcher dadurch ohne seine eigene Schuld Nachtheil erleidet, dafür gerecht werden. 8- 1330. Wenn ein Mäkler, bei öffentlichen Versteigerungen oder sonst, Waaren ersteht, muß er auf Erfordern des Verkäufer-, oder deS Gerichts, seinen Committenten sogleich namhaft machen. 1331. Ädirn er keinen Käufer anzeigen, der binnen drei Tagen die Waaren empfängt, und die Bedingungen deS Kaufes erfüllt: so sind die Waaren, auf Gefahr und Kosten deS Mäklers, anderweit öffentlich zu verkaufen. §. 1332, Bei langwierigen Krankheiten oder Reisen kann sich ein Mäkler einen anderen vereideten Mäkler zum Substmiten wählen. §. 1333. Ist ein solcher am Orte nicht vorhanden, so muß dazu ein der Kaufmannschaft annehmliches Subject ausgesucht, und der Obrigkeit zur Vereidung dargestellt werden.

Bereich. §. 1334. Unerfordert darf sich kein Mäkler in Wechsel- oder Handlungsgeschäste mischen, vAA ber noch seine Dienste Jemandem aufdringen. §. 1335. Wechselmäkler müssen jedoch täglich die Börse, so wie auch die Banquiers und angeschensten Kaufleute im Hause besuchen, und sich von dem Zustande der Geschäfte, von deren Conjuncturen, und dem Steigen oder Fallen der Preise unterrichten, §. 1336. Ist an dem Orte eine Bancodirection, so find sie gehalten, derselben an jedem Posttage die Courszettel gehörig einzuliefern. 8. 1337. Der Mäkler muß demjenigen, der seinen Dienst zuerst verlangt, allein dienen. §. 1338. Er muß, bis zum Abschluffe deS übernommenen Geschäftes, alle Anträge von sich ablehnen, woraus seiner Partei ein Nachtheil entstehen könnte. §. 1339. Dem Nutzen seiner Partei muß er durch erlaubte Mittel, mit Redlichkeit, Auf­ merksamkeit und Fleiß zu befördern suchen, und für jeden durch ein mäßige- Versehen entstandenen Schaden hasten. g. 1340. Wegen besorglichen Nachtheils muß der Mäkler, aus erhaltene glaubwürdige Nachricht, die an ihn sich wendenden Jntereffenten unverzüglich warnen.

§. 1341. Doch muß er auch, bei Verlust seines Amtes, sich sorgfältig hüten, auf leere Ge­ rüchte, oder gar aus gefährlichen Absichten, den Credit der Kaufleute zu schwächen, und ihnen das Vertrauen im Handel zu entziehen. §. 1342. Beim Wechselhandel muß der Mäkler die Briefe bloß antragen, ohne ihre Güte zu beurtheilen, noch sie anzupreisen, oder zu verachten; auch wenn sie von der Hand gewiesen werden, ohne die Ursachen der Verweigerung erforschen zu wollen, oder die Partei zur Annahme zu überreden. §. 1343. Schiffsmäkler sind, bei Verlust ihres Amtes, schuldia, innerhalb vier Tagen nach der Ankunft eines jeden Schiffes, das Manifest der Ladung der Zoll- und Accisebehörde ein­ zuliefern; auch daselbst binnen vier Tagen nach der Entladung eines Schiffes, ein genaues Verzeichniß jedes Empfängers solcher Waaren, worüber die Conoffemente an Ordre lauten, einzureichen.

§. 1344. Bei gleicher Strafe sind sie verbunden, keinem abgehenden Schiffer seine Conoffemente und Schiffspapiere auszuhändigen, bevor nicht die Entrichtung der Zoll- und Accisegefälle, in­ gleichen der Hafen- und Pilotagegelder, gehörig nachgewiesen worden. §. 1345. Bon jedem abgehenden Schiffe müssen sie, innerhalb vier Tagen nach dem Ab­ gänge, daS Manifest bei der Zoll- und Accisebehörde einreichen. 8. 1346. Es steht ihnen ftei, die Gefälle für das Schiff oder die Waaren selbst vor­ zuschießen; da sie denn, binnen sechs Wochen vom Tage jedes geleisteten Borschuffes, alle die Rechte genießen, welche der öffentlichen Caffe selbst wegen der vorgeschoffenen Gefälle zustehen würden.

8. 1347. Andere besondere Pflichten der Schiffsmäkler bestimmen die Hafen-Ordnungen jedes Ortes. §. 1348. Bei Affecuranz-Austrägen ist ein Mäkler verbunden, dem Versicherer, bei Schließung des Contracts, alle ihm bekannten, die Affecuranz betreffenden Nachrichten, aufrichtig anzuzeigen, und keine Affecuranz zu schließen, wenn er schon eine bedenkliche oder böse Nachricht darüber weiß, ohne sie in die Police zu sehen. §. 1349. Jeder Mäkler muß die ihnr anvertrauten Geheimnifle treulich bewahren, und soll, wenn er dieser Pflicht zuwider handelt, allen daraus entstehenden Schaden vertreten; im Wiederholungsfälle aber, noch außerdem, seines Dienstes entsetzt werden. g. 1350. Jedoch darf kein Mäkler Schleichhandel mit Beeinträchtigung landesherrlicher und öffentlicher Gefälle begünstigen, vielmehr muß er die Parteien an die gesetzlichen Vorschriften erinnern und vor deren Uebertretung ernstlich warnen. ' §. 1351. Ist diese Warnung fruchtlos, so muß er, bei eigener Verantwortung, wenn das

Bon Mäklern.

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Bergehen noch verhütet werden kann, gehörigen Orts schleunige Anzeige thun, und soll alsdann sein Name verschwregen werden. §. 1352. Luch muß kein Makler einen in den Gesetzen verbotenen Handel, Wechsel- oder anderes kaufmännisches Geschäft schließen, noch dazu beiräthig oder behülflich sein. §. 1353. Thut er es dennoch, so soll er cassirt, und als Theilnehmer an der unerlaubten Handlung bestraft werden, §. 1354. Eben dies findet statt, wenn einem an fich erlaubten Geschäfte verbotene Reben­ abreden beigefügt werden. §. 1355. Bei gleicher Strafe darf kein Mäkler zu unerlaubtem Bor- und Aufläufe, oder sonst zur Steigerung des Preises der gemeinen LebenSbedürfniffe fich gebrauchen lassen. §. 1356. Wenn er einen Waarenhandel schließt, muß er von den verhandelten Waaren, auf Verlangen der Jntereffenten, eine von dem Verkäufer versiegelte Probe so lange behalten und ausbewahren, bis die Waare geliefert, und von dem Käufer ohne Einwendung gegen ihre Qualität angenommen worden. §. 1357. Eben dergleichen Probe muß er dem Käufer, auf deffen Verlangen, unter seinem eigenen Siegel zustellen ; auch die bedungenen Preise und Lieferungstermine eigenhändig darauf bemerken. §. 1358. Dergleichen Proben werden dem Käufer, bei der Lieferung, am Gewicht oder Maaße mit angerechnet. §. 1359. Jeder Mäkler muß die von ihm geschloffenen Geschäfte, in Gegenwart der beiden rsaebvch dm schließenden Theile, in sein Taschen- oder Handbuch aufzeichnen, und hiernächst selbige in ein ÄBfaedazu bestimmtes paraphirtes Journal eintragen. §. 1360. Diese Eintragung muß allemal an dem Tage, da das Geschäft geschloffen worden, oder längstens am folgenden Tage bewerkstelligt werden. §. 1361. Sie muß dergestalt vollständig geschehen, daß daraus sowohl das Hauptgeschäft, als die dabei verabredeten Bedingungen zu entnehmen find. §. 1362. Insonderheit müssen auch Frachtschließungen, Bodmereien und Affecuranzen in dies Journal eingetragen, und dabei Alles vermerkt werden, was sonst zum wesentlichen Inhalt einer Chartepartie oder Police gehört. §. 1363. Auch jüdrsche Mäkler müffen ihr Journal in deutscher Sprache führen. 8. 1864. Jedem Jntereffenten muß der Mittler einen Auszug dieses Journals, so weit er das Geschäft betrifft, unter seiner Unterschrift, längsten- am folgenden Tage, ohne besondere Bezahlung auShändigen. §. 1365. Anderen, welche an dem eingetragenen Geschäfte keinen Theil haben, darf er der­ gleichen Extraet, ohne Einwilligung wenigstens von Einem der Jntereffenten, oder ohne Ver­ fügung deS Richters, nicht verabfolgen. 1866. Die im Journal deS Mäklers, er sei Christ oder Jude, eingetragenen Vermerke vewettttest machen, wenn deren Richtigkeit von ihm eidlich bestärkt worden, einen vollen Beweis. deffettm. 1367. Sind bei einem Geschäfte mehrere Mäkler gebraucht, und die darüber in chren Journalen gemachten Vermerke in dem einen oder anderen Punkte nicht übereinstimmend: so findet eben oas statt, waS $. 670. sqq. bei Handlungsbüchern verordnet worden. §. 1368. Ist der Mäkler gestorben, oder sein gegenwärtiger Aufenthalt unbekannt: so haben die in sein Journal eingetragenen Vermerke so viel Gewicht, als die Aussage eines ver­ eideten glaubwürdigen Zeugen. ' §. 1369. ES müffen daher die Bücher des Mäklers, wenn er stirbt oder sein Amt nieder­ legt, verfiegelt und zur gerichtlichen Aufbewahrung abgeliefert werden. §. 1370. Die Bücher eines Mäklers verlieren ihre Glaubwürdigkeit, wenn derselbe wegen Betrügereien seines Amtes entsetzt worden. §. 1371. WaS die Glaubwürdigkeit der Handlungsbücher schwächt, hat eben die Wirkung auch bei den Büchern der Mäkler. §. 1372. Erhellet aus den Büchern, daß ein Geschäft nicht binnen der §. 1360. vorge­ schriebenen Zeit eingetragen worden, so hat der Vermerk, in Ansehung dieses Geschäftes, keinen

Glauben. §. 1373. Der Mäkler, welcher fich einer solchen verspäteten Eintragung schuldig gemacht hat, soll daS erstemal mit einer willkürlichen Geldbuße belegt, bei der Wiederholung aber seineAmtes entsetzt werden. §. 1374. Doch kann der Richter fich der Vermerke auch in solchen Fällen (§. 1370. sqq.) zu Hülfsmitteln bedienen, um näher auf den Grund der Sache zu kommen. §. 1375. ES müffen daher auch die Bücher eines easfirten Mäklers zur gerichtlichen Ver­ wahrung abaeliesert werden. §. 1876. In allen Fällen, da Mäkler-Journale im Gericht vorzulegen sind, müffen die Blätter, welche daS streitige Geschäft nicht betreffen, verfiegelt werden.

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Zweiter Theil.

Achter Titel. §g. 1877—1450.

Lllster Abschnitt. Bs« Rheder», Schiffer« «»d Befrachter«. §§. 1389 bis 1765.

Aufgehoben").

§. 1377. Müssen dergleichen Blatter entsiegelt werden, um bei bestrittener Glaubwürdigkeit des Journals zu untersuchen: ob selbiges vorschriftsmäßig geführt sei, so ist eben so zu ver­ fahren, als für den Fall, wenn ein Document mehrere auf den Prozeß keinen Bezug habende Stellen enthält, in der Prozeßordnung vorgeschrieben ist. §. 1378. Ein von einem vereweten Mäkler attestirter Wechsel kann nicht eidlich diffitirt werden. Eedübren 8- 1379. Die Gebühren der Mäkler find, nach Unterschied der Geschäfte, jeden OrtS de» Mäkler», bestimmt. 8- 1380. Wo dergleichen Bestimmungen fehlen, kann beim Waarenhandel nur Eins, bei Darlehnen und Versicherungen Ein Viertel vom Hundert, bei Geldwechselungen Eins vom Tausend, und beim Wechselhandel Zwei vom Tausend gefordert werden. 8- 1381. Wenn weder durch besondere Gesetze, noch durch Verabredungen der Parteien etwas festgesetzt ist: so hat der Mäkler seine Gebühren, bei dem Waarenhandel von dem Ver­ käufer, und bei Versicherungen von dem Versicherten allein, zu erhalten.

8- 1382. Bei anderen Geschäften müssen ihm dieselben von jedem beider Theile zur Hälfte entrichtet werden. 8- 1383. Hat jede Partei ihren besonderen Mäkler, so erhält jeder Mäkler von seiner Partei die Hälfte deS vorgeschriebenen SatzeS. §. 1384. Wer an Mäklerlohn mehr, als die erlaubten Sätze, fordert oder annimmt, soll zum erstenmal um den doppelten Bettag der rechtmäßigen Gebühren bestraft, und im Wieder­ holungsfälle seines Dienstes entsetzt werden. tz. 1385. Mehrere Mäkler sollen, bei namhafter Sttafe, keine Gesellschaften unter sich errichten, und keine Theilungen des Verdienstes verabreden. §. 1386. Wird ein Mäkler begangener oder begünstigter Betrügereien überführt, so soll er den Schaden ersetzen, cassirt, und noch außerdem, nach Beschaffenheit des begangenen Verbrechens und Vorschrift des Criminalrechts, bestraft werden. 8. 1387. Will ein Mäkler seinen Dienst niederlegen, so muß er die Entlassung bei der Obrigkeit suchen, welche ihn bestellt hat, damit sein Posten sogleich wieder besetzt werden könne. 8. 1388. Die Dienstentsetzung, oder auch fteiwillige Abdankung eines Mäklers soll an der Börse, und durch die Zeitungen und Jntelligenzblätter der Provinz bekannt gemacht werden."

l Bon J-W”* p

43) Durch Art. 60 Nr. 1 des Einf.Ges. zum H.G.B. v. 24. Juni 1861 (G.S. S. 449). DieS gilt auch hinsichtlich der Sttomschiffe. Auf dieselben sind jetzt die allgemeinen landrecht­ lichen Vorschriften anwendbar, insbesondere also auch hinsichtlich des Eigenthumserwerbs durch Uebergabe. O.Tr. III v. 8. Mai 1868, Entsch. 60 S. 332. Die aufgehobenen §§., an deren Stelle die Art. 432 ff. H.G.B. getreten find, lauteten: „§. 1389. Jeder, welcher gültige Verttäge schließen kann, ist befugt, Frachtschiffe bauen und ausrüsten zu lassen. 8- 1390. Er muß jedoch zuvor die Erlaubniß der Obrigkeit dazu nachsuchen, und dahin sehen, daß bei dem Baue des Schiffes die wegen der Größe deffelben, der Beschaffenheit der Materialien, der Regelmäßigkeit oder Festigkeit des Baues, oder sonst ergangenen Vorschriften genau befolgt werden. 8. 1891. Ist das Eine oder Andere versäumt: so muß die Obrigkeit, sobald sich gegen die Einrichtung des Baues, und ob selbiger vorschriftsmäßig geführt sei, ein erhebliches Bedenken findet, daS Schiff auseinandernehmen, und die Materialien, für Rechnung des unbefugt Bauenden, an den Meistbietenden verkaufen lassen. §. 1392. Kein Schiff soll zum Transport der Frachten gebraucht werden, wenn es nicht mit einem Atteste der Obrigkeit über den vorschriftsmäßigen Bau desselben (Beil-Brief) versehen ist. §. 1393. Derjenige ist für den Eigenthümer des Schiffes zu halten, auf dessen Veran­ staltung selbiges erbaut worden, wenngleich die Materialien einem Dritten aehört haben. 8. 1394. Er muß aber, im letzten Falle, den Dritten nach Vorschrift des ersten Theils Titel 9. §. 305. und 306. entschädigen. §. 1395. Beim Verkaufe eines Schiffes finden die Grundsätze des ersten Theils Tit. 11. §. 12. eqq. statt. 8- 1396. Wenn nicht das Gegentheil ausdrücklich bedungen worden, so wird angenommen, daß die Uebergabe durch Vollziehung des Contracts geschehen sei.

Von Rhedern, Schiffern und Befrachtern.

997

8- 1397. Welche Stücke als Zubehör eines Schiffes anzusehen sind, ist im ersten Theile Tit. 2. §. 91. verordnet. 8- 1398. Auch das Boot wird als Zubehör des Schiffes betrachtet. §. 1399. So oft ein Schiff verkauft, oder sonst von einem Eigenthümer auf den anderen

gebracht wird, soll ein ordentliches Inventarium aller darauf vorhandenen GerLthschaften auf­ gerichtet, und von beiden Theilen unterschrieben werden. §. 1400. Ist kein solches Inventarium vorhanden, so werden nur diejenigen Stücke, welche im Contract ausdrücklich benannt, oder nach Vorschrift des ersten Theils Tit. 2. §. 91. für Zubehör zu achten sind, für mitverkauft geachtet.

§. 1401. Befindet sich das Schiff zur Zeit des Verkaufs auf der Reise, so werden die Frachtgelder für diese Reise, bei dem Mangel besonderer Verabredungen, als ein Vorbehalt des Verkäufers angesehen. §. 1402. Der Verkäufer eines Frachtschiffes sist schuldig, daS Schiff frei in allen Häfen und Strömen zu gewähren. (Th. 1. Tit. 11. g. 136. sqq.) §. 1403. Wer von einem Boots- oder anderen Schiffsmanne einiges Schiffsgeräthe, als Tauwerk, ©cgel, Ruder und dergleichen, ohne Borwiffen des Schiffers kaust, oder fönst an fich bringt, soll nicht allein selbiges ohne Entgelt wieder herauSgeben, sondern auch überdies, gleich demjenigen, der von verdächtigen Personen gekauft hat, bestraft werden. (Tit. 20. Abschn. 14.) §. 1404. Bei Vermietung eines ganzen Schiffes gelten die Grundsätze des ersten Theils

Tit. 21. §. 258. sqq. §. 1405. Hat Jemand ein Schiff auf den ganzen Sommer gemiethet, so läuft der Contraet bis Martini. §. 1406. Wird der Miether, ohne seine Schuld, durch Unglücksfälle genöthigt, über die bestimmte Zeit in See zu bleiben, so ist er zu keiner Erhöhung der Miethe verbunden.

§. 1407. Wegen Verpfändung der Schiffe und SchiffSgefäße treten die Vorschriften des ersten Theils Tit. 20. §. 300. sqq. ein. g. 1408. In jedem Falle, wo ein Pfandrecht sich nur auf eine oder mehrere Schiffsparten erstreckt, sind die übriaen Mitrheder befugt, von dem Pfandgläubiger, gegen Bezahlung der Schuld, die Abtretung seiner Rechte zu fordern. §. 1409. Weder ein -um Auslaufen fertiges und beladenes, noch ein im Laden begriffeneSchiff kann wegen Schulden mit Arrest belegt werden. §. 1410. Sind solche Umstände vorhanden, daß sonst nach Vorschrift der Prozeßordnung der Realarrest zulässig sein würde: so muß der Richter statt dessen dem Gläubiger, nach An­ leitung des ersten Theils Tit. 20. H. 300. sjjq., ein vorläufiges Pfandrecht auf das Schiff be­ stellen, und den Schiffer als Sequester vereiden. §. 1411. Eben dieses findet statt, wenn Waaren, welche sich schon über dem Bord des Hauptschiffes befinden, wegen Schulden mit Arrest belegt werden, und ist alsdann bei deren Verpfändung nach Vorschrift des ersten Theils Titel 20. §. 374. sqq. zu verfahren.

Cchi-e

irrest«.

§. 1412. Alsdann haftet demjenigen, welcher den Arrest ausgebracht hat, daS Schiff oder die Waare bis zum Betrage desjenigen, was er demnächst an Capital, Zinsen und Kosten rechts­ kräftig erstreitet. §. 1413. Ist das Schiff oder die Waare entweder gar nicht, oder nicht bis zum vollen zu bestimmenden Werthe versichert, so kann der Arrestleger die Versicherung ergänzen. §. 1414. Er muß zwar alsdann die Prämie vorschieben; kann aber diesen Vorschuß, nach rechtskräftig erstrittener Hauptforderung, unter den übrigen, vermöge §. 1412. ihm zukommenden, Erstattungen zurückfordern. §. 1415. Wenn ein Schiff segelfertig liegt, so kann kein Schiffsmann wegen Schulden oder anderer bürgerlicher Ansprüche, ohne Genehmigung des Schiffers, daraus genommen, und zur persönlichen Haft gebracht werden. §. 1416. Wrrd aber dem Schiffer sofort ein anderer tüchttger und annehmlicher Schiffs­ mann für dieselbe Heuer gestellt, so muß er fich den Arrest gefallen lassen. §. 1417. Dagegen kann in jedem Falle der Gläubiger eine- Schiffsmannes desselben be­ wegliche Sachen und Effecten, in so fern selbige nicht zur Fortsetzung der Reise unentbehrlich sind, in Beschlag nehmen lasten. §. 1418. Auch auf die rückständige Heuer kann bis zur Hälfte Arrest angelegt werden; nicht aber auf die künftige Heuer. §. 1419. Wird ein Arrest auf Schiff oder Ladung nicht wegen Schulden, sondern wegen Eigenthumsansprüche, oder aus anderen Gründen angelegt: so treten die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften von Arresten ein. §. 1420. Wer unter dem Schutze des Staats den Transport der Frachten mit Seeschiffen il Boe «He­ als Hauptgeschäft treibt, wird Schiffsrheder genannt.

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Aweiter Theil. Achter Titel. §§. 1421—1468.

§. 1421. Wer Nhederei treiben könne, muß nach den Gesetzen und Berfaffungen jedes Orts beurtheilt werden. §. 1422. Wo diese keine deutliche Entscheidung enthalten, findet eben das statt, was im fiebenten Abschnitte §. 476. sqq. von der Befugniß, Kaufmannschaft zu treiben, verordnet worden. §. 1423. Wer die Rechte eines Kaufmann- gehörig erlangt hat, ist dadurch in der Regel zur Rhederei befugt. ff. 1424. Die Rheder find verbunden, ihr Schiff mit tüchtigen Beil-, See- und Kaufbriefen und Püffen zu versehen; widrigenfalls fie, wenn wegen Mangels derselben, dem Schiffer und Solle, oder anderen Interessenten, Schaden entsteht, dafür verhaftet find. ff. 1426. Die Schiffspäffe und Beilbriefe, desgleichen die in Seesachen gewöhnlichen Protesta­ tionen, Verklarungen der Schiffsleute, oder andere dergleichen öffentliche und gerichtliche Jnprumente, welche in hiesigen Landen ausgenommen werden, sollen von keiner Kraft sein, wenn sie nicht bei der Königlichen Admiralität, oder bei der Lieentkammer, oder wohin sonst an jeden Ort die Schiffs- und Seesachen gewiesen find, in glaubwürdiger Form ausgefertigt worden. Verhältniß ff. 1426. Mehrere Rheder stehen unter einander in eben dem Berhältniffe, als die Jntereffenten Erheber einer auf bestimmte Geschäfte gerichteten Gesellschaft. (Th. 1. Tit. 17. §. 186. sqq.)

ff. 1427. Die Bertheilung deS Gewinnes und BerlusteS geschieht, bei dem Mangel be­ sonderer Abreden, nach Verhältniß der Schiff-parten. ff. 1428. Darnach werden auch die Stimmen berechnet, wenn über gemeinschaftliche An­ gelegenheiten ein Schluß abgefaßt werden soll. (Th. 1. Tit. 17. ff. 12. sqq.) ff. 1429. Ist jedoch von einer Ausbesserung des Schiffs die Rede, welche der Schwer und ein vereideter Schiffsbaumeister nothwendig finden, so muß damit, ohne Rückficht auf die Mehrheit der Stimmen, verfahren werden. ff. 1430. Will der größere Theil der Rheder fich diese- nicht gefallen fassen, so steht den­ selben frei, auf den öffentlichen Berkaus des Schiffes anzutragen. ff. 1431. Ein von den Rhedern zur Verwaltung ihres gemeinschaftlichen Jntereffe bestellter Schiffsdirector hat alle Rechte unv Pflichten eines HandlungsfactorS oder Disponenten, (ff. 497. sqq.) ff. 1432. Ist die Bestellung eines solchen Schiffsdirectors von sämmtlichen Rhedern dem Schiffer bekannt gemacht worden, so ist dieser schuldia, so lange bis sämmtliche Rheder ihm andere gemeffene Anweisungen ertheilen, den Verfügungen desselben allein Folge zu leisten. Vo» «usff. 1433. So lange ein Schiff auf der Fahrt begriffen ist, kann keiner der Jntereffenten ttittc au» der die Aufhebung der Gesellschaft verlangen. Weberei. ff. 1434. Wird jedoch über das Vermögen eines Rheders Concurs eröffnet, so sind die übrigen Milrheder sogleich befugt, sich, nach näherer Vorschrift der Concursordnung, mit seiner Creditmafle aus einander zu setzen. ff. 1436. Eben dies findet statt, wenn der Fall eintritt, daß ein Mitrheder von den übrigen ausgeschlossen werden kann. (Th. 1. Tit. 17. ff. 273. 274.) ff. 1436. Rach Endigung einer Fahrt steht einem Jeden frei, auf den öffentlichen Verkauf des Schiffes anzutragen, wenn der Contract nicht das Gegentheil enthält. ff. 1437. Will ein einzelner Rheder nur seine Schiffspart verkaufen, so steht den Mit­ gliedern ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu. (Th. 1. Tit. 20. ff. 673.) ff. 1438. Sie müssen fich aber, bei Verlust ihres Rechts, binnen drei Tagen, nachdem ihnen die gehörige Bekanntmachung geschehen ist, erklären: ob fie den Borkauf ausüben wollen, oder Nicht. (Th. 1. Tit. 20. 8. 609. sqq.) §. 1439. Haben die Rheder einen Schiffsdirector bestellt, so ist eS hinreichend, wenn die Bekanntmachung nur an diesen geschieht; und die Milrheder verlieren durch ferne Bersäumniß ihr Vorkaufsrecht. ff. 1440. Ist der Berkaus ohne gehörige Bekanntmachung, oder vor Ablauf der dreitägigen Frist geschehen, so steht den Mitrhedern das Rückforderungsrecht binnen vier Wochen zu. (Th. I. Tit. 20. ff. 631. sqq.) ff. 1441. Wollen mehrere Mitrheder zur Ausübung des Vorkaufs- oder Näherrechts gelaffen sein, so hat derjenige den Vorzug, welcher fich dazu bei dem gehörigen Gericht zuerst gemeldet hat. ff. 1442. Haben sich mehrere zugleich gemeldet, so steht dem bisherigen Besitzer die Wahl frei, mit welchem unter ihnen er sich einlaffen wolle. (Th. 1. Tit. 17. ff. 62.) ff. 1443. Ein Mitrheder, welcher zugleich zum Schiffer bestellt worden, erlangt dadurch, weder in Ansehung des Borkaufs, noch sonst, ein besonderes Vorrecht vor den übrigen Rhedern; und wird in Allem, was die Führung des Schiffes betrifft, nur einem anderen Schiffer gleich geachtet. ff. 1444. Es macht dabei keinen Unterschied, wenn er auch die Führung des Schiffes, bei seinem Eintritt in die Rhederei, sich zur besonderen Bedingung gemacht hätte. Verhältniß ff. 1445. Derjenige, welchem die Aufsicht und Führung des ganzen Schiffes von den »wischen Rhe-

Bon Rhedern, Schiffern und Befrachtern.

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Rhedern übertragen ist, wird, ohne Rücksicht auf den ihm etwa beigelegten besonderen Namen, deru und als Schiffer betrachtet. Schiffer«. §. 1446. Es soll Niemand in hiesigen Landen zum Schiffer angenommen werden, der nicht ecMung zuvor von dem Schiffer-Alten mit Zuziehung eines geschickten Mathematikers geprüft, und mitM einem Atteste versehen worden: daß er in der Steuermannskunst erfahren sei; durch Reisen schon die nöthigen Land- und Revierkenntniffe erlangt habe; den Schiffbau verstehe; auch in den Seerechten und (Gebräuchen hinreichend bewandert sei. §. 1447. Die Rheder müssen bei eigener Vertretung keinen zum Schiffer bestellen oder be­ halten, der die Schifffahrt nicht versteht, oder solche grobe Fehler an fich hat, die ihn zur Wahrnehmung seiner Pflichten untüchtig machen. (Th. 1. Tit. 6. §. 62. sqq.) §. 1448. Auch dürfen fie einen Schiffer, der bereits ein Schiff geführt hat, nicht eher annehmen, als bis die geschehene Entlassung aus seinem vorigen Dienste gehörig nachgewiesen ist. §. 1449. Das Verhältniß zwischen Rhedern und Schiffern ist, im Mgemeinen, nach den Gesetzen von Verträgen über Handlungen zu beurtheilen. (Th. 1. Tit. 11. Abschn. 8.)

§. 1450. Zur Verhütung alles Streites muß mit dem Schiffer, wegen der Heuer und anderer Conditionen, ein schriftlicher Contract geschloffen werden. §. 1451. Unter Abwesenden vertritt die zwischen den Schiffern und den Rhedern, oder deren Bevollmächtigten, gepflogene Correspondenz die Stelle des ConttactS. §. 1452. So weit aus dieser ein Anderes nicht erhellet, wird angenommen, daß der neue Schiffer in den Conttact des vorigen getreten sei. §. 1453. Bei dem Mangel eines schriftlichen Conttacts finden die Vorschriften deS ersten Theils Titel 5. §. 155. sqq. Anwendung; und in so weit es dabei auf eine mündliche Abrede ankommt, wird der Schiffer zu deren eidlicher Bestärkung gelassen. §. 1454. Hat sich Jemand zum Schiffer annehmen lassen, der die zur Schifffahrt nöthigen Kenntnisse nicht befitzt, so find die Rheder an den geschloffenen Conttact nicht gebunden.

fcffdtat.:

§. 1455. Vielmehr soll dergleichen Schiffer zur Rückgabe alles Empfangenen, und zum Er­ sätze des verursachten Schadens, durch rechtliches Erkenntniß angehalten, auch noch überdies mit willkürlicher Geld- oder Gefängnißstrafe belegt werden. §. 1456. Finden, außer diesem Fall, die Rheder nöthig, den Schiffer vor Ablauf der im Conttacte bestimmten Zeit zu entlassen, so ist derselbe zwar schuldig, sobald ihm diese Entschließung der Rheder bekannt wird, fich aller Verfügungen über das Schiff zu enthalten. 8. 1457. Wird aber hiernächst auSgemittelt, daß die Rheder den Schiffer ohne genugsam erhebliche Ursache zu frühzeitig entlassen haben: so müssen fle denselben vollkommen schadlos halten; und es soll ihm auf Kosten der Rheder ein gerichtliches Attest über seine Unschuld er­

theilt werden. §. 1458. Sobald dem Schiffer das Schiff übergeben ist, muß er die Beschaffenheit desselben Pflichten M» und der SchissSgeräthe genau untersuchen, die daran entdeckten Mängel den Rhedern anzeigen, Schiße« und wenn sie nicht am Orte gegenwärtig sind, deren schleunige Abhelfung besorgen. atleter fiter» §. 1459. Wird von den im Orte gegenwärtigen Rhedern die nöthige Ausbesserung entweder gar nicht, oder nicht hinreichend vorgenommen: so muß er der Admiralität oder Licentkammer, oder wohin sonst jedes Orts die Schiffs- und Seesachen gewiesen sind, davon schleunige Anzeige thun. §. 1460. Unterläßt er das Eine oder Andere, so wird er für allen dadurch entstehenden Schaden mit verhaftet. 8. 1461. Der Schiffer ist schuldig, der Rheder Vortheil in allen Schiffsgeschäften möglichst zu befördern, und allen besorglichen Nachtheil nach seinen Kräften abzuwenven. §. 1462. Dabei muß er die Versehen vertteten, die ein vorsichtiger und erfahrener Schiffer fich nicht würde zu Schulden kommen lassen.

1463. Bei wichtigen und bedenklichen Fällen, wo Schiff, Ladung und Menschen in Gefahr en, sowohl im Hafen, als auf der See, muß er mit seinen Schiffsleuten Seemannschast oder iffsrath halten. §. 1464. Es ist jedoch zur Deckung des Schiffers hinreichend, wenn zu einem solchen SchiffSrathe nur der Steuermann, Hochbootsmann und Zimmermann gezogen werden. §. 1465. Fehlt einer von diesen, so muß der Schiffer an dessen Stelle wenigstens einen

S

anderen erfahrenen Schiffsmann zuziehen. §. 1466. An die Meinung des Schiffsraths ist der Schiffer zwar nicht gebunden; wenn er aber demselben ohne erhebliche von ihm klar zu erweisende Gründe zuwider handelt: so macht er fich wegen des daraus entstehenden Schadens verantwortlich. §. 1467. Der Schiffer darf das Schiff, vor beendigter Reise, ohne der Rheder Einwilligung, unter keinem Vorwande verlaffen. §. 1468. Selbst in dem Falle, wenn der Schiffer nur auf eine bestimmte Zeit gedungen

1000

Zweiter Theil

Achter Titel.

g§. 1469—1613.

worden, und die Reise binnen dieser Frist nicht geendigt werden kann, muß er dennoch das Schiff an den Ort seiner Bestimmung abliefern. §. 1469. Wird der Schiffer durch Krankheit oder anderen Zufall verhindert, die Reise fortzusetzen, so muß er den Rhedern, oder deren Bevollmächtigten, davon Nachricht geben, und ihre Derfüaung abwarten. §. 1470. Kann die Fortsetzung der Reise bis zum Eingänge dieser Verfügung nicht ver­ schoben werden, so ist er berechtigt, einem Anderen an seiner Stelle die Führung des Schiffes aufzutragen. ff. 1471. Für die Handlungen eines in solchem Falle bestellten Substituten hastet er nur in so fern, al- er bei der Auswahl deffelben ein mäßiges Versehen begangen hat. »ei Sablin« §. 1472. Ehe ein Schiffer Ladung einnimmt, muß er, allenfalls mit Zuziehung der nöthigen bet Schiffe«; Sachverständigen, das Schiff genau untersuchen, und sich hinreichende Gewißheit verschaffen, daß selbiges zu der vorhabenden Reise tüchtig und genugsam ausgerüstet sei. 8. 1473. Finden sich bei dieser Untersuchung Mängel am Schiffe, oder an der Ausrüstung, so muß der Schiffer nach Vorschrift des §. 1458. 1459. verfahren. §. 1474. Wird ausgemittelt, daß ein Schiffer Ladung eingenommen habe, obgleich das Schiff nicht tüchtig und genugsam ausgerüstet gewesen: so soll er sowohl den Rhedern und Be­ frachtern, als den Versicherern, für allen Schaden hasten; und außerdem, wegen der durch diese Fahrlässigkeit irgend Jemandem an Leben, Leib oder Vermögen zugestoßenen Verletzungen, nach Vorschrift deS Criminalrechts bestraft werden. 8. 1475. Für die gehörige Beladung des Schiffes muß der Schiffer vorzügliche Sorgfalt anwenoen: und besonders darauf sehen, daß das Schiff nicht zu leicht geladen; sondern allen­ falls mtt dem nöthigen Ballaste versehen, auch weder im Grunde, noch oben, noch auf einer Seite au sehr belastet werde, sondern eine bequeme Fahrt habe. tz. 1476. Er muß ferner leckende Güter nicht auf trockene stauen; keine schwache Packlage unterlegen; und die Güter gut garniren. §. 1477. Nimmt er eme lose Ladung ein, oder fährt er mit Ballast : so soll er in der Mitte ein tüchtiges Schloß machen, damit dre Ladung nicht übergehen könne. §. 1478. Auch muß er die Ladung fest stauen, und sie gehörig mit Holz unterschlagen. §. 1479. Bedient er sich bei dem Stauen der Schrauben oder Wagewinden, so muß er Bretter vor die Schraube, oder Holz zwischen die Klau legen, damit er nicht die Packlage verderbe. §. 1480. Sind diese Vorschriften (§. 1476—1479.) von ihm oder seinem Volke verabsäumt worden, so hastet er für allen Schaden. §. 1481. An solchen Orten, wo verordnete Stauer sind, muß er dahin sehen, daß diese keinen Fehler an der Stauung begehen; und wenn sie sich nicht abhalten lasten wollen, dagegen Protest aufnehmen lasten. §. 1482. Hat er dies verabsäumt, so soll ihm die Entschuldigung, daß der Fehler durch die Stauer veranlaßt sei, nicht zu Statten kommen. §. 1483. Die Ueberladung des Schiffes muß der Schiffer mit gleicher Sorgfalt vermeiden, und kann, bei dadurch entstehendem Schaden, sich mit dem Verlangen der Befrachter oder Spediteurs gegen die Vertretung nicht schützen. §. 1484. In allen Fällen, wenn auch kein Schade geschehen ist, muß der Schiffer den doppelten Betrag der bedungenen Fracht, für jede zu viel eingenommene Last, zur Schiffer-Armencaffe als Strafe entrichten. §. 1485. Ein Schiffer, der von einem unbekannten oder unsicheren Beftachter Güter an Bord nimmt, deren Qualität er nicht genau kennt, haftet für den Schaden, welcher aus der verborgenen Qualität entsteht. §. 1486. Eben dieses findet statt, wenn er, ohne der Rheder und Beftachter Einwilligung, ContrÄande, oder andere dergleichen Güter ladet, welche das ganze Schiff und die übrige Ladung

in Gefahr setzen. §. 1487. Ferner, wenn er in Kriegszeiten Güter einnimmt, deren äußere Beschaffenheit eine unrichtige Angabe des Beftachters vermuthen läßt. bei Führung §. 1488. Der Schiffer darf nach beendigter Ladung nicht ohne Noth vom Schiffe gehen, vieldeffelben; weniger aus dem Lande übernachten. §. 1489. Wird er durch vorfallende Umstände dazu genöthigt, so muß er die Aussicht über das Schiff während seiner Abwesenheit dem Steuermann auftragen. §. 1490. Schiffer und Steuermann dürfen sich also niemals zu gleicher Zeit vom Schiffe entfernen. §. 1491. Der Schiffer darf ohne Noth den ihm vorgeschriebenen Cours nicht ändern, noch in andere, als die ihm bestimmten Häfen einlaufen; widrigenfalls er den Rhedern und Befrachtern für allen daraus entstehenden Schaden haftet.

Bon Rhedern, Schiffern und Befrachtern.

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§. 1492. Ist ihm kein Cours vorgeschrieben, so muß er den nächsten und sichersten Weg -um Orte seiner Bestimmung nehmen. §. 1493. Wird er durch Nothfälle den Cours zu ändern, oder einen anderen Hafen zu suchen veranlaßt, so muß er den Rhedern baldmöglichst davon Nachricht geben. §. 1494. Segelt der Schiffer unter Convop, oder errichteter Ldmiralschast, so muß er dieselbe nicht vorsätzlich brechen, noch sich von den übrigen Schiffen ohne Noth entfernen. §. 1495. Hat er diesem zuwidergehandelt: so haftet er den Rhedern und Befrachtern wegen eines Jeden Verlustes, der durch Haltung der Admiralschaft wäre vermieden worden; so wie den übrigen Schiffen wegen seines etwanigen Kostenbeitrages. §. 1496. Jeder Schiffer ist bei eigener Vertretung schuldig, er mag unter Segel oder vor Anker sein, die Schiffsleuchte bei Nacht aufzustecken; auch wenn er vor Anker liegt, über demselben den sogenannten Wächter befestigen, und schwimmen zu laffen. 8. 1497. Außer dem höchsten Rothfalle muß er, bei gleicher Verantwortung, nicht ohne die dazu bestellten Piloten oder Lootsen ein- und aussegeln; dem Piloten im Gin- und Ausbringen des Schiffes das Commando lediglich überlasten; auch sein Schiffsvolk anhalten, demselben in allen Stücken, besonders bei Regierung deS Ruders und der Segel, genau zu folgen. g. 1498. Läuft er nach der Abfahrt vom Ladungsplatze in einen Hafen ein, wo ein ihm bei der ®tn* bekannt gemachter Bevollmächtigter der Rheder sich befindet, so muß er fich bei diesem unverzüglich melden, und ohne Borwiffen und Einwilligung deffelben nichts von Erheblichkeit unternehmen. w”» §. 1499. Ist der Schiffer an einem fremden Orte, wo keine Bevollmächtigte der Rheder bei Lnfnehsich befinden, Gelder zur Fortsetzung der Reise aufzunehmen genöthigt, so muß er dieselben darlehnsweise auf die möglichst besten Bedingungen zu erhalten suchen. §. 1500. Kann er dergleichen Darlehn nicht aufbringen, so muß er fich die benöthigten Gelder auf Bodmerei zu verschaffen bemüht sein. §. 1501. Findet weder das Eine noch daS Andere statt: so steht ihm frei, von den ge­ ladenen Waaren, oder von den entbehrlichen SchiffSgeräthschasten, so viel alS zur Bestreitung solcher Ausgaben unumgänglich nothwendig ist, zu verpfänden oder zu veräußern. §. 1502. Er muß aber in allen vorstehenden Fällen (§. 1499. 1500.1501.) die Umstände, welche ihn in Verlegenheit setzen, dem Seegerichte deS Orts, wo er vor Anker liegt, anzeigen; dieselben, nebst dem Steuermann und zweien Schiffsleuten eidlich erhärten; und ein Instrument darüber errichten laffen. 8. 1508. Vernachlässigt er diese Vorschrift, so muß er, wenn demnächst die Rheder oder Befrachter die Nothwendigkeit deS DarlehnS oder der Veräußerung nicht anerkennen wollen, dieselbe vollständig erweisen; und soll zum Erfüllungseide darüber nicht gelaffe« werden. g. 1604. Der Schiffer ist schuldig, die Rheder, so viel als möglich, von allen auf der wegen bet Reise sich ereignenden erheblichen Vorfällen zu benachrichtigen. §. 1605. Insonderheit muß er ihnen die Ankunft und Abreise, Frachtschließung flfcet ^Sfcebern;

Waaren und Personen, Ablieferung der Fracht und Frachtgelder, daS Einlaufen in einen Rothhafen, u. dgl. m. bei erster Gelegenheit melden. §. 1606. Außerdem muß er ein richtiges und vollständiges Tagebuch über die ganze Reise entweder selbst führen, oder durch den Steuermann führen lassen. 1507. In diesem Tagebuche müffen alle merkwürdigen, vor, während, und nach der Reise geschehenen Vorfälle verzeichnet werden. K. 1608. Besonders gehören dahin die bedungene Fracht; die Annahme oder Abdankung des Volkes; der Empfang und die Ablieferung der Waaren; die Abfertigung bei den Zöllen und Licenten ; die während der Reise vorgefallenen Veränderungen deS Windes und Wetters, und dergleichen. §. 1509. Auch die während der Reise auf dem Schiffe entstandenen Todesfälle, ingleichen die vorgefallenen Beschädigungen an Schiff oder Ladung, müffen in das Tagebuch genau eingetragen werden. §. 1610. Der Schiffer und Steuermann müffen dieses Journal dergestalt getteulich führen, daß sie die Richtigkeit deffelben auf Erfordern eidlich bestärken können. §. 1611. Sie müffen dasselbe innerhalb vier und zwanzig Stunden nach ihrer Ankunft dem Seegerichte deS Losungsplatzes, wenn aber die Beschaffenheit der Gewäffer eine frühere Brechung der Ladung nothwendig macht, dem Gerichte des Vorhafen- im Original übergeben. §. 1512. Ist das Tagebuch nicht gehalten, oder nicht gehörig fortgeführt worden: so sollen der Schiffer und Steuermann, außer der Verhaftung für allen daraus entstehenden Schaden, wenn der Fehler aus bloßer Nachlässigkeit entstanden ist, den vierten Theil der verdienten Heuer zur Strafe entrichten; bei ausgemitteltem bösem Vorsätze aber als Verfälscher bestraft werden. §. 1518. Außerdem muß der Schiffer eine jede seiner Angaben, worauf er für fich einen Anspruch oder Vertheidigung gründen will, durch andere rechtliche Beweismittel vollständig dar­ thun ; und kann darüber zum Erfüllungseide nicht gelaffen werden.

wegen

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wgM der §. 1514. Der Schiffer muß an der mit den Rhedern bedungenen Heuer sich begnügen, und Fwcht; bars ohne deren Genehmigung keine Waaren für eigene Rechnung, weder in dem Raume, noch auf der Decke, noch in den Kellern, auch nicht in der Cajüte mitnehmen. §. 1516. Handelt er diesem Verbote zuwider, so soll er den vierten Theil des Werths der mitgenommenen Waaren den Rhedern zur Strafe entrichten. §. 1616. Ist aber der Schiffer zugleich Mittheder, oder hat er für einen der Rheder, ohne die Fracht zu bedingen, Waaren einladen lasten: so muß er den mittleren Satz des zu derselben Zeit am Ladungsplatze gewöhnlichen Frachtlohns bezahlen. §. 1617. Ferner muß er, bei Annehmung der Fracht, vornehmlich seiner Rheder Nutzen zu befördern suchen, und um der Kaplaken, Schreibegeloes, oder anderes eignen Vortheils willen, keine gute Fracht auSschlagen. g. 1518. Auch darf er an Kaplaken, Schreibegeld oder sonst, wenn ihm dergleichen Vortheile von den Rhedern zugestanden worden, nicht mehr als den dreißiasten Theil der Fracht nehmen, widrigenfalls er den doppelten Betrag des ganzen erhaltenen Kaplakens, Schreibegeldes, oder anderen Vortheils, der Schiffer-Armencasse zur Strafe erlegen soll. w«« der §. 1519. Bei Endigung jeder Rerse muß der Schiffer den Rhedern genaue Rechnung abeSteamui' legen, auch «richtend derselben, so oft es von den Rhedern, oder demjenigen, welchem sie dazu * Auftrag ertheilt haben, verlangt wird, Auskunft über die vorgefallenen Einnahmen und Aus­

gaben ertheilen. §. 1520. Hat ein Schiffer von der Fracht oder SchiffSprovifion etwas unterschlagen, so soll er zum doppelten Ersätze angehalten, und außerdem alS ein Betrüger gestraft werden. §. 1621. Eben dies findet statt, wenn der Schiffer, zum Nachtheil der Rheder oder Ver­ sicherer, mit den SchiffShandwerkern und Lieferanten sich einversteht. Verpflichtung §. 1622. Zum Settaufe des ganzen Schiffes auS freier Hand ist der Schiffer, ohne ausdrückliche Einwilligung der Rheder, oder ihrer Bevollmächtigten, nicht befugt. tSteXcn 8 "23. Sollten besondere Umstände den schleunigen Verkauf deffelben nothwendig oder des Schmer», für die Rheder nützlich machen: so muß der Schister diese Umstände den Gerichten des Orts anzeigen, eine Taxe durch vereidete Sachverständige aufnehmen taffen, und den Verkauf durch öffentliche Licitation veranstalten. §. 1524. Unterläßt er dies, so muß er den Werth des Schiffes zur Zeit der Abfahrt be­ zahlen, wenn er nicht die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit des vorgenommenen Verkaufs voll­ ständig darthun kann. §. 1526. Durch andere von dem Schiffer, während der Reise, wegen des ihm untergebenen Schiffes eingegangene Verbindlichkeiten werden die Rheder eben so, als em Handlungseiaenthümer durch die Unternehmungen seines FactorS oder Disponenten verhaftet. (g. 497. sqq.) §. 1526. Gegen diese Verbindlichkeiten können die Rheder durch den Borwand, daß der Schiffer die ihm ertheilte Vollmacht überschritten habe, sich nicht schützen. 8. 1527. Auch werden die Rheder von dieser Vertretung nicht frei, wenngleich der Schiffer selbst das ganze Schiff gemiethet haben sollte. §. 1528. Den durch die Schuld des Schiffers oder der Schiffsleute an der Ladung oder den Reisenden verursachten Schaden müssen die Rheder in so weit vertreten, als der Beschädiget selbst zum Ersätze unvermögend ist. g. 1529. Doch können die Rheder von diesen durch die Handlungen des Schiffers ihnen zur Last fallenden Verbindlichkeiten, mittelst Abttetung ihrer Schiffsparte, und aller während der Reise davon gehabten BottheUe sich befreien. g. 1630. Ist daS Schiff versichert gewesen, so müssen den Gläubigern auch die Rechte gegen den Versicherer abgetreten werden. g. 1531. Haben die Rheder nach Endigung der Reise, während welcher eine solche ihnen bekannt gewordene Forderung entstanden ist, daS Schiff aufs neue in See gehen taffen: so können sie sich durch Abttetung ihrer Schiffsparte nicht mehr davon loSmachen; sondern haften auch mit ihrem übrigen Vermögen. §. 1532. Für die Vergehungen des Schiffers sind die Rheder nur so, als ein Principal für die Vergehungen seines Factors, verhaftet, (g. 515. sqq.) 8. 1533. Es findet aber auch alsdann die Abttetung des Schiffes nicht statt. Ur Verhält§. 1534. Das Schiffsvolk steht gegen den Schiffer in eben dem Verhältnisse wie das Ge­ nt-zwischen finde gegen seine Dienstherrschaft. (Th. 2. Tit. 5.) ttnbS8ilfer 8- 1535. Der Schiffer ist schuldig, ehe er in See geht, mit dem Volke einen schriftlichen vE. Berdung oder sogenannte Musterrolle zu errichten. Lnnehmnng g. 1536. Die Heuer deS Volks kann entweder monatweise, oder für die Reise überhaupt ** in Pausch und Bogen, bedungen werden. §. 1537. Dadurch, daß der Berdung monatweise geschehen ist, wird keiner von beiden Theilen berechtigt, vor beendigter Losung von dem Conttacte einseitig abzugehen.

Bon Rhedern, Schiffern und Befrachtern.

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8- 1638. Muß, wegen Kürze der Zeit, ein oder der andere Schiffsmann ohne vorher er­ richteten schriftlichen Contract angenommen werden ; so ist die Heuer nach Verhältniß derjenigen zu bestimmen, die der Schiffer selbst von den Rhedern empfangt. §. 1539. Ein Steuer- und Schiffszimmermann erhalten alsdann jeder zwei Drittel, ein Koch- und Hochbootsmann jeder die Halste, ein Matrose ein Drittel, und ein Schiffsjunge ein Sechstel so viel, als dem Schiffer von den Rhedern auSgesetzt ist. §. 1540. Ein SchiffSmann, der sich an zwei Schiffer zugleich verheuert, soll die Hälfte der vom letzten versprochenen Heuer als Strafe, zum Besten der See-Armen, entrichten. 8. 1541. Auf gleiche Art ist der Schiffer zu bestrafen, der einen schon von einem Anderen gemietheten Schiff-mann, ungeachtet ihm solches bekannt ist, in Dienste nimmt. A. 1542. Ein Schiffsmann, der mit der empfangenen Heuer entläuft, oder sich verborgen hält, um dem übernommenen Dienste sich zu entziehen, soll als ein Dieb angesehen und bestraft werden. §. 1543. Wer sich für einen Steuermann, Zimmermann, oder anderen SchiffS-Offi-ianten verheuert, nachgehendS aber untüchtig dazu befunden wird, gegen den finden die Vorschriften §. 1454. 1455. Anwendung. §. 1544. Ein Matrose, oder anderer gemeiner Schiffsmann aber, der auf der Reise un- AbdmHW tüchtig befunden wird, soll seiner noch rückständigen Heuer verlustig sein, und mit einer nach ^Juj; Beschaffenheit der Umstände zu bestimmenden willkürlichen LeibeSstrafe belegt werden. ») lvach

§. 1545. Muß ein Schiffsmann vor vollendeter Reise entlaffen werden, weil er sich zum Dienste untüchtig gemacht hat; oder weil er mit einer venerischen Krankheit behaftet ist: so kann er nicht mehr an Lohn fordern, als er bis dahin wirklich verdient hat. §. 1546. Sollte ein Schiffsmann vor vollendeter Reise eigenmächtig aus dem Dienste treten, so kann er zu deffen Fortsetzung durch Zwangsmittel angebalten werden. §. 1547. Will der Schiffer einen ausgetretenen SchiffSmann nicht wieder annehmen: so muß der letztere alle- Empfangene an Handgeld und Heuer zurückgeben; auch wegen seine- Unfugmit einer nach Bewandtniß der Umfttkrde zu bestimmenden LeibeSstrafe belegt werden. §. 1548. Findet ein Steuer- oder anderer SchiffSmann Gelegenheit, selbst als Schiffer angesetzt zu werden, so muß ihn sein bisheriger Schiffer, auch noch vor vollendeter Reise, oeS Dienstes entlaffen. §. 1549. Der Abgehende ift aber alsdann schuldig, einen anderen tüchtigen Mann an seine Statt ku stellen, und sich mit demselben wegen deS Solde- ohne de- Schiffers Schaden zu vereinraen. §. 1550. So lange dieses nicht geschehen ist, muß auch ein solcher Schiff-mann seinen bis­ herigen Dienst nothwendig fortsetzen.

1551. Eben dies findet statt, wenn ein Steuer- oder anderer Schiffsmann vor der Ab­ reise Gelegenheit erhält, sich zu verheirathen; und er diese Gelegenheit durch seine Reise zu ver­ absäumen Gefahr läuft. 8. 1552. Verabschiedet der Schiffer einen SchiffSmann ohne rechtlichen Grund noch vor b) durch Zu­ dem Antritte der Reise, so muß er demselben, wenn in Pausch und Bogen gedungen worden, l des die halbe Heuer, und wenn monatweise gedungen ist, einen doppelten Monatssold entrichten. Wit»»

§. 1553. Geschieht aber die Verabschiedung während der Reise, so gebührt dem Verab­ schiedeten, außer den Retourkosten, nach Verschiedenheit des Berdunges, die ganze Heuer oder ein viermonatlicher Sold. §. 1654. Muß ein Schiffsmann, noch vor angetretener Reise, wegen eine- Zufalls abgedankt o)Sra,khett; werden, der ihn ohne seine Schuld zum Dienste untauglich macht; so kann er, nach Verschiedenheit des BerdungeS, den vierten Theil der Heuer, oder einen MonatSsold fordern. §. 1555. Ereignet der Fall sich während der Reise, so muß der Schiffer die BerpflegungS-, Heilungs- und Retourkosten für den SchiffSmann bezahlen. §. 1656. Hat jedoch der Zufall sich außer dem Dienste ereignet: so fällt dem Schiffer an solchen Kosten zusammen, nach Verschiedenheit des Berdunges, nicht mehr, alS der Betrag der halben Heuer, oder eines zweimonatlrchen Soldes, außer dem schon verdienten Lohne, zur Last; und das mehr Verwendete muß von dem Beschädigten demnächst erstattet werden. §. 1557. Einen in Geschäften seines Dienstes verwundeten oder beschädigten SchiffSmann muß der Schiffer, auf der Rheder Kosten, heilen und verpflegen lassen. §. 1558. Auch für einen durch eigene Schuld erkrantten oder sonst beschädigten Schiffsmann muß der Schiffer so lange sorgen, bis er ihn an ein bewohntes Land aussetzen kann. §. 1559. Doch ist der Schiffer alsdann berechtigt, die gemachten Auslagen von der dem Kranken etwa noch zukommenden Heuer in Abzug zu bringen. §. 1560. In keinem Falle kann ein kranker SchiffSmann verlangen, daß der Schiffer um seinetwillen die Reise verzögern oder an einem Orte, wohin er nicht bestimmt ist, landen solle. §. 1561. Stirbt ein Schiffsmann, bevor mit der Ladung angefangen worden, so können d) «dfterben.

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Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 1668-1607.

deffen Erben, nach Verschiedenheit des Derdunges, den vierten Theil der Heuer, oder Einen Monatssold fordern. §. 1662. Stirbt er während der Hinreise: so gebührt den Erben, nach Verschiedenheit des LerdtmgeS, die halbe Heuer, oder ein doppelter Monatssold; und wenn er auf der Rückreise stirbt, die ganze Heuer, oder ein viermonatlicher Sold. §. 1663. Der Schiffer aber kann davon die dem Verstorbenen gegebenen Lorschüffe, und die ausgelegten Begräbniskosten, in Abzug bringen. §. 1664. In allen vorstehenden Fallen wird der Anfang der Hin- oder Rückreise nach Vorschrift deS dreizehnten Abschnitts berechnet. §. 1666. Der Wittwe oder den Rindern eines bei Vertheidigung des Schiffes getödteten, oder an seinen Wunden gestorbenen Schiffsmannes muß in jedem Falle doppelte, anderen Erben hingegen die einfache Heuer gezahlt werden. §. 1566. Davon wird bloß in Abzug gebracht, was der verstorbene Schiffsmann auf die bedungene Heuer schon bei seinem Leben erhalten hat. Rechte de» §. 1667. Wird die Reise, wozu das Schiffsvolk gedungen worden, auf Veranlassung der Rheder ganz rückgängig, so gebührt dem Volte die halbe Heuer, oder wenn monatweise gedungen jcStt: ist, zweimonatlicher Sold. *)»m die §. 1668. Ein Gleiches findet alsdann statt, wenn die Reise durch einen auf das Schiff gerichtlich angelegten Arrest rückgängig wird. ' §. 1669. Wird aber daS Schiffs ohne Verschulden der Rheder, oder deS Schiffers, durch Sm Macht, oder unvermuthete Krieg-- oder Räubergefahr, in See zu gehen verhindert: so a daS Voll, außer dem Handgelde, nur die Heuer des laufenden Monats, oder wenn die Heuer für die ganze Reise in Pausch und Bogen bedungen worden, eine verhältnißmäßige Ver­ gütung für die schon wirklich geleisteten Dienste fordern. §. 1670. Ist in vorstehenden Fallen ein Schiffsmann von einem fremden Orte verschrieben worden, so muß ihm die Hin- und Rückreise noch besonders vergütet werden. b) wen» die §. 1671. Wird die Antretung der Reise über die verabredete Zeit, ohne Zuthun des Schiffers oder Rheders, verzögert ; und der Schiffer will das Volk beibehalten: so darf er dembertfgert* selben, während dieses Aufenthalts, nur den halben Monatssold oder, wenn es auf die ganze Reise aedungen ist, eine billige Verbesserung entrichten. §. 1672. Wird die Antretung der Reise durch den Rheder oder des Schiffers Zuthun verzögert: so kann dem Volke an seinem Monatssolde nichts gekürzt werden; und wenn es in Pausch und Bogen gedungen ist, gebührt demselben eine verhältnißmäßige Zulage. c) wenn die 8. 1673. Wird die bereits anaetretene Reise aus Beranlaffung der Rheder nicht vollendet: Reife nicht so muß das Volk, auf Kosten der Ryeder, frei nach dem bestimmten Retourplatze zurückgeschafft, vollendet, unfo demselben die Heuer entrichtet werden.

§. 1674. Ist monatweise gedungen, und die Abbrechung der Reise geschieht jenseit des Canals: so hat daS Volk, außer der bereits verdienten, eine dreimonatliche ; dieffeit des Canals aber nur eine zweimonatliche Heuer zu fordern. §. 1676. Wird die Reise durch einen bloßen Zufall abgebrochen: so muß das Volk, außer der steten Rückreise, wenn monatweise gedungen worden, sich mit der Heuer des laufenden Monats, und wenn in Pausch und Bogen gedungen ist, mit so viel an Heuer begnügen, als im Verhältniß gegen die ganze Reise für verdient zu achten ist. §. 1676. Wird daS Schiff von Feinden oder Räubern genommen; oder geht es sonst durch Zufall ganz verloren: so kann das Volk weiter keinen Anspruch machen. §. 1677. Wird j^och das Schiff, oder ein Theil der Ladung, wieder frei gegeben; oder von dem verunglückten Schiffe, deffen Geräthschasten, oder Waaren etwas geborgen: so muß davon zuvörderst das Bergelohn abgezogen werden. 8. 1578. Bon dem, was alsdann noch übrig bleibt, ist das Volk, nach Anleitung des §. 1678. aqq., zu befriedigen. 8. 1679. Es macht keinen Unterschied: ob das Schiff und die Ladung versichert ist, oder nicht. d) abgekürzt 8 1580. Wird die Reise durch eine Veränderung des Courses oder der Bestimmung des ' Schiffes abgekürzt, so muß dem Volke die in Pausch und Bogen bedungene Heuer dennoch voll­ ständig bezahlt werden. e) verlängert 1681. Wird die Reise ohne Schuld und Zuthun des Schiffers verlängert, so kann das wird, in Pausch und Bogen gedungene Volk, außer der gewöhnlichen Verpflegung, keine Vermehrung

der Heuer fordern. 8. 1682. Dahin gehört besonders, wenn das Schiff durch widrige Winde aufgehalten, oder einen Nothhafen zu suchen, oder Winterlage zu machen genöthlgt wird. §. 1683. Wird jedoch ein solcher Unglücksfall als große Haverei vergütet, so muß auch dem SchiffSvolke eine billige Entschädigung gegeben werden. §. 1684. Ist das Schiff von Feinden oder Räubern genommen, und nachher wieder befreit

Bon Rhedern, Schiffern und Befrachtern.

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worden, so kann das Bott, wegen des daraus entstandenen Aufenthalts, dennoch keine Erhöhung der in Pausch und Bogen bedungenen Heuer fordern. §. 1685. Wird die Reise durch Zuthun des Schiffers verlängert, so ist das Volk eine verhältnißmäßige Erhöhung der in Pausch und Bogen besungenen Heuer zu fordern berechtigt. §. 1586. Dies gilt besonders in den Fällen, wenn der Schrffer in einen weiter entlegenen Hafen geht ; oder ohne Noth in einen nicht verabredeten Hafen ernläust; oder zum Besten der Rheder oder Befrachter, freiwillig Winterlage macht. §. 1587. Die alsdann dem Volke gebührende Zulage muß nach dem Verhältniffe der zu der verabredeten Reise, nach gewöhnlicher Rechnung, erfprderlichen Zeit, gegen diejenige, um welche die Reise durch einen solchen Vorfall verlängert worden, berechnet werden. §. 1688. Auf den ersten Befehl des Schiffers muß daS Volk fich auf daS Schiff, zu Macht« de« welchem es gedungen worden, begeben. MNÄ? §. 1589. Sobald und so lange dem Volke die Schiffskost gereicht wird, darf selbige-, bei bet steife; nachdrücklicher Geld- oder LeibeSstrafe, außer dem Schiffe nicht übernachten. §. 1590. Ist das Schiff segelfertig, so darf, auch bei Tage, keiner von den Schisstleuten, ohne des Schiffers ausdrückliche Erlaubniß, von dem Schiffe ans Land gehen, oder wegbleiben. S. 1591. Lielweniger darf einer der Schiffsleute das Boot, ohne deS Schiffers Befehl, vom Schiffe wegführen. §. 1592. Ohne des Schiffers Genehmigung darf kein Schiffsmann irgend Jemanden, eS sei ein Anverwandter oder Fremder, das Schiff besteigen fassen. §. 1593. Das Schiffsvolk ist schuldig, nach Erfordern und Befehl des Schiffers, jederzeit, es sei im Hafen oder auf der See, bei Tage oder bei Nacht, aus dem Schiffe fleißige Wache 8U halten, und dabei auf das Licht in der LÄerne genau Acht zu geben. §. 1594. Wer dabei schlafend oder unachtsam befunden wird, oder von seiner Wache ab­ geht, ehe und bevor er von einem Anderen abgelöst worden, soll für allen dadurch entstandenen Schaden haften, und noch überdies mit einer nachdrücklichen LeibeSstrafe belegt werden. §. 1696. Ohne Erlaubniß des Schiffers dürfen die Schiffsleute nicht das Geringste an Waaren oder Gütern ein- oder ausladen. 8. 1596. Für eigene Rechnung dürfen sie nur so viel unverbotene Waaren oder Sachen mitnehmen, als sie in ihrer Schlafstelle und Kiste bergen können. §. 1697. Bei Empfang, Einladung und Losung der Güter soll das Schiffsvolk, insonderheit der Hochbootsmann, oder in dessen Ermangelung der Steuermann, alle Vorsicht gebrauchen, daß kein Schade daran geschehe. g. 1698. Bemerken sie einen Mangel an dem Takelwerke, oder den anderen dazu gehörenden Gerätschaften: so müssen sie es dem Schiffersogleich anzeiaen, oder selbst für die Ausbesserung sorgen; widrigenfalls sie, besonders aber der Steuer- uno Hochbootsmann, den dadurch ent­ standenen Schaden vorzüglich verantworten müssen.

§. 1599. Ferner ist das Schiffsvolk schuldig, die eingeladenen Waaren, so oft eS vomwilhr«d der Schiffer oder Steuermanne gefordert wird, zu stauen, umzulegen, auch bei vorfallenden Unglücksfällen, so viel als möglich, Schiff, Geräthschast, und Güter zu bergen, und in Sicherheit zu bringen. §. 1600. Zur Aufsicht über die Waaren ist besonders der Steuermann und HochbootSmann verpflichtet. §. 1601. Allen, zum Dienste des Schiffes, und zur Erhaltung guter Ordnung, von dem Schiffer getroffenen Verfügungen muß das Schiffsvolk ungesäumte und willige Folge leisten. §. 1602. Ist der Schiffer abwesend, oder sonst verhindert: so muß das Volk den Befehlen des Steuermanns gehorchen, und dieser ist verbunden, die gehörige Aufsicht auf das Schiff und Volk zu haben. §. 1603. Erfolgt während der Reise in der Person deS Schiffers eine Veränderung, muß das Volk dem neuen Schiffer eben den Gehorsam leisten, als dem vorigen.

so

§. 1604. Der Schiffer ist befugt, das Volk durch die erforderlichen Zwangsmittel und «echte des Strafen, welche sich jedoch über mäßige Schläge, achttägiges Gefängniß, oder fünf Thaler Geldbüße nicht erstrecken dürfen, zu seiner Schuldigkeit anzuhalten. ähwwo«. §. 1606. Er muß dahin sehen, daß sie friedlich unter einander leben, und keiner den anderen beleidige, schimpfe, oder sonst ungebührlich behandle. §. 1606. Macht ein Schiffsmann sich auf der See einer Gewaltthätigkeit, Aufstandes, oder Meuterei gegen den Schiffer oder eines anderen schweren Verbrechens schuldig, so ist der Schiffer bei nachdrücklicher Strafe verpflichtet, einen solchen Missethäter m Verhaft bringen zu fassen. 8. 1607. Er muß alsdann, mit Zuziehung des Schiffsraths, und anderer auf dem Schiffe befindlichen vernünftigen Leute, alles dasjenige genau aufzeichnen, was auf die künftige Be­ strafung des Verbrechers Einfluß haben kann.

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Zweiter Lh-U. Achter Mel. gg. 1608-1668.

g. 1606. Insonderheit müssen, wenn ein Todtschlag geschehen ist, und die Leiche vor der Landung über Bord geworfen werden muß, die Stelle und Beschaffenheit der Wunde; die Zeit, wie lange der Berwundete noch gelebt; die Speise, die er genoffen hat; und die Mittel, die zu seiner Heilung angewendet worden, genau verzeichnet werden. §. 1609. Ist auf dem Schiffe ein Arzt oder Wundarzt, so muß dieser, in Gegenwart des Schisf-rathS, die Besichtigung vornehmen, und darüber sein ausführliche- Gutachten dem Schiffs­ journal so beifügen, wie er es eidlich bestärken kann. §. 1610. Den in Verhaft genommenen Verbrecher muß der Schiffer, wenn er auf der Reife nach einem inländischen Hafen begriffen ist, am Bestimmung--, sonst aber an dem Orte, von welchem er abgesegelt ist, den Gerichten zur ferneren Untersuchung und Bestrafung au-liefern. 8. 1611. Doch steht ihm frei, wenn er die längere Aufbewahrung eine- solchen Verbrecherbedenüich oder gefährlich findet, ihn den Gerichten de- ersten Landungsorte- zur gebührenden Bestrafung zu überliefern g. 1612. Mit dem Verbrecher zugleich müffen dem Gericht die vorbeschriebenen Vermerke zugestellt werden. (§. 1607—1609.) §. 1618. Wenn bei einer vorgefallenen Meuterei der Schiffer einen oder etliche unter den Schiffsleuten al- die Rädelsführer angiebt; und ferne Angabe mit wahrscheinlichen Gründen unter­ stützt; so soll, fall- die Wahrheit nicht ander- au-gemittelt werden kann, und der Schiffer über­ haupt die Eigenschaften eine- glaubwürdigen Zeugen hat, die Au-sage besserten für einen vollen Beweis gelten. g. 1614. Doch kann, auf den Grund eine- solchen Beweises, immer nur eine geringere, als zehnjährige FestungS- oder Zuchthausstrafe, erkannt werden. g. 1616. AlleS Schiffsvolk ist schuldig, dem Schiffer zur Bestrafung eines ungehorsamen Schiffs­ mann-, so wie zur Verhastnehmung eines jeden Verbrechers im Schiffe, hülfreiche Hand zu leisten, g. 1616. Wer sich dessen weiaert, soll der ganzen Heuer verlustig fein, und noch außerdem, nach den Grundsätzen von der Theilnehmung an dem Verbrechen Anderer, bestraft werden. «echte und 8- 1617. Rach geendigter Reise darf das Schiffsvolk nicht eher abgehen, als bis die Waaren VstWu de-ausgeladen, die Segel abgenommen, das Schiff an Ort und Stelle gebracht, auch wasserfest gemacht worden. Säet «etfe. §• 1618. Verzögert der Schiffer die Losung zur Ungebühr, so muß er dem Volke die Kost, und das am LofungSorte gewöhnliche Warlegeld entrichten. §. 1619. Eben dazu ist er verpflichtet, wenn die Zahlung der rückständigen Heuer von ihm verzögert wird. rv. «erhält. §• 1620. Wer ein ganzes Schiff beftachtet, muß mit dem Schiffer eine Charte-Partie, oder «tß »Achen schriftlichen Contraet errichten. 8- 1621. Darin müffen alle wegen der Beftachtung getroffenen Abreden genau und befrachtern. stimmt enthalten sein. g. 1622. Wird das Schiff nach Lasten, Packen oder Fäffern stückweise beladen, und der Schiffer hat die Fracht mit den Beftachtern unmittelbar geschloffen: so muß er ebenfalls einen schriftlichen Contraet darüber mit jedem von ihnen errichten. §. 1623. Ist die Fracht durch einen Mäkler geschloffen worden, so muß dieser die Be­ dingungen in sein Journal eintragen, und daraus ein Attest oder sogenanntes Manifest ertheilen. g. 1624. Die Charte-Partie, oder das Manifest muß, außer dem Namen deS Schiffers und deS BeftachterS, hauvtfächlich enthalten: die Beschreibung des Schiffes nach seiner Benennung und Größe; die Zeit uno den Ort der Ladung und Losung ; ein genaues Verzeichniß der ge­ ladenen Güter; die bedungenen Fracht-, Liege- und Ungelder. g. 1625. Nach diesen schriftlichen Verabredungen müffen die Berhältniffe zwischen den Schiffern und den Beftachtern vorzüglich beurtheilt werden. «w tel ter g- 1626. Ist wegen der Ginladungs- oder Ausladungskosten nichts verabredet: so muß Sdntna zu der Befrachter die Waaren an Bord liefern, oder von da abholen lassen; der Schiffer aber das beobachten. Gut durch leine Leute vom Bord bis in den Schiffsraum, oder von diesem bis an den Bord bringen lassen. g. 1627. Soll die Waare frei ins Schiff geliefert werden, so bezahlt der Beftachter auch daS Arbeitslohn, um die Waare in den Schiffsraum zu bringen. g. 1628. Hat ein Schiffer Ladung angenommen, ohne schriftlichen Contraet oder Manifest darüber zu errichten, so muß er mit dem niedrigsten zur Zeit der Ladung gestandenen Frachtlohn sich begnügen. g. 1629. Hat aber Jemand ohne des Schiffers Vorwiffen Waaren an Bord gebracht: so kann der Schiffer dieselben, auf des Einladers Gefahr und Kosten, wieder ans Land setzen ; oder wenn er fie zum Transport behält, davon die höchste ant LofungSorte übliche Fracht für die Rheder einfordern.

Bon Rhedern, Schiffern und Befrachtern.

1007

1630. Ist in dem schriftlichen Contract eine gewisse Heit bestimmt, binnen welcher die erfolgen solle, so müssen beide Theile dieselbe genau einhalten. 1631. Ist dergleichen Zeit nicht ausdrücklich bestimmt, so muß der Beftachter das Gut, Schiffers Verlangen, spätestens am dritten Tage an Bord, oder wenn e- so bedungen in das Schiff liefern. 1632. Der Befrachter ist ferner schuldig, das Gut nach seiner verschiedenen Beschaffen­ Fässern, Packen, Kisten, oder sonst, zu der bestimmten Reise gehörig zu verwahren. 1633. Findet der Schiffer dabei einen Mangel, so muß er selbigen den Befrachtern sogleich anzeigen, und die Waaren nicht eher einladen, bis der Erinnerung abgeholfen worden.

§. Ladung Sauf des worden, §. heit, in

§. 1634. Hat er die Waaren eingeladen, so ist die Vermuthung gegen ihn, daß selbige gehörig verpackt und verwahrt gewesen find. §. 1636. Sobald mit der Ladung wirklich der Anfang gemacht worden, muß ein Schiff von fünfzig Lasten und darunter, bei ermangelnder anderer Verabredung, bttmen acht Tagen; und Eins von fünfzig bis hundert Lasten binnen vierzehn Tagen völlig zuaeladen sein. §. 1636. Ist das Schiff über hundert Lasten groß, so werden auf jede fünfzig Lasten acht Tage »um Laden gerechnet. §. 1637. Unter Lasten werden hier Commerzlasten, so wie fie am Orte der Ladung ge­ bräuchlich find, verstanden. g. 1638. Hinderungen, welche Wind und Wetter im Laden verursachen, dürfen weder vom Schiffer, noch von den Beftachtern vertreten werden. 1639. Wird binnen der contract- oder gesetzmäßigen Zeit dem Schiffer die Ladung nicht »oi Stech, angewiesen, so muß er Protest aufnehmen lassen. wenn*tte^o8. 1640. Bon diesem Zeitpunkte an ist der Beftachter schuldig, dem Schiffer alle Ler- düng nicht säummßkosten zu erstatten. M. rechter §. 1641. Es macht keinen Unterschied, wenngleich die Ausfuhre der zum Einladen be- Äe35; stimmten Waaren verboten, oder der Beftachter sonst durch einen Zufall verhindert sein sollte, oie versprochene Ladung anzuweisen. §. 1642. Kann hiernächst der Schiffer andere Ladung erhalten, so muß der erste Beftachter, außer den Bersäumnißkosten, auch den etwa durch die niedere Kracht entstandenen Verlust dem Schiffer ersetzen. tz. 1648. Hat der Beftachter das ganze Schiff bedungen, aber gar keine Ladung angewiesen; und der Schiffer kann innerhalb vierzehn Tagen von Zeit des eingelegten Protestes keine andere Ladung erhalten: so muß ihm der Beftachter die Hälfte der versprochenen Fracht entrichten,

ß. 1644. Hat der Beftachter nur einen Theil der Ladung angewiesen; und der Schiffer das Fehlende binnen vierzehn Tagen von Anderen nicht erhalten können: so muß die ganze ver­ sprochene Fracht bezahlt werden. j$. 1645. Ist jedoch bei Schließung der Fracht bedungen worden, daß der Schiffer, gegen Entrichtung eines gewissen Warte- oder Liegegeldes, auch nach Berpießung der in der ChartePertie, oder nach 1635. und 1636. bestimmten LadunaSzeit, liegen bleiben, und die Ein­ lieferung der Ladung abwarten solle: so ist er schuldig, so lange zu liegen, bis entweder der Befrachter die fehlende Ladung angewiesen hat, oder die dazu vom Richter zu bestimmende Frist verlaufen ist. (Th. 1. Tit. 6. §. 234.) §. 1646. Hat der Schiffer anst Stück angelegt, und einer oder etliche der Beftachter bleiben mit Anweisung der versprochenen Ladung zurück: so ist der Schiffer, nach aufgenommenem Proteste, läager zu warten, und darüber günstigen Wind und Witterung zu versäumen, weder befugt nah schuldig. §. 1647. Vielmehr muß ihm, wenn er die auSgebliebene Ladung nicht noch vor dem wirk­ lichen Auslaufen erhalten kann, die ganze bedungene Fracht vergütet werden. 8. 1648. Die Kranweit, oder das Absterben deS Schiffers, während der Ladung, ändert wenn der in dem Verhältnisse der Rheder und Beftachter nichts; sondern eS ist die Sache der Rheder Schiff«*« oder deren Bevollmächtigten, auf diesen Fall, wegen Führung des Schiffes die nöthige Beran- «JSSfE*. stcktung baldmöglichst zu treffen. wÄ. oder §. 1649. Wird das Schiff auf eine oder die andere Art, durch Leranlaffung deS Schiffers, stirbt; oder der Rheder, verhindert, die bedungene Reise zu thun; so müssen Letztere den Beftachtern allen daraus entstehenden Schaden vergüten. gängig wird; 1650. Verunglückt das Schiff, ehe mit Eingebung der Güter der Anfang gemacht worden, so hören alle wechselsettigen Verbindlichkeiten zwischen dem Schiffer und den Beftachtern auf. §. 1651. Ein Gleiches findet statt, wenn die verdungenen Güter vor dem Anfänge der Einladung verunglücken: es wäre denn, daß der Beftachter andere Waaren statt der verlorenen enschiffen wollte. 1652. Will der Beftachter die eingeladenen Güter ganz oder zum Theil wieder zurück-

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Zweit« Theil. Achter «tel. gg. 1«8-1«6.

nehmen, so sindet eben das statt, waS auf den Fall verordnet ist, wenn die Ladung ganz oder -um Theil mcht geliefert werden kann. (§. 1648. sqq.) §. 1663. Erhält in solchem Falle der Schiffer andere Ladung, so kann er von dem ersten Befrachter noch insbesondere ein billiges Arbeitslohn für daS Aus- und Einladen fordern. g. 1654. Wollte Jemand aus dem Schiffe, welches von mehreren Befrachtern beladen ist, sein eingegebeneS Gut wieder herausnehmen; so muß er, außer der vorstehenden Abfindung des Schiffers, auch den Mtbefrachtern für allen durch die Lersäumniß, oder sonst, erwachsenden Nachtheil haften, und auf Erfordern annehmliche Sicherheit deshalb leisten. §. 1666. Auch darf der Schiffer, wenn die Connoffemente bereits auSgefertigt find, die Zurücknahme der eingeladenen Güter weder ganz, noch -um TheU eher gestatten, als bis alle Exemplare der Connoffemente herbeigeschafft und casfirt worden. §. 1666. Hat er dieser Borschrift zuwider gehandelt, so hastet er jedem dritten redlichen Inhaber eines solchen ConnoffementS eben so, als wenn die eingeladenen Güter nicht wären -urückgegeben worden. wer« die 8. 1657. Hat der Schiffer das ihm überlieferte Gut, ohne des Bestachters Einwilligung, Waare« auf am Ladungsorte auf ein anderes Schiff geladen; so muß er allen Schaden, welcher den Waaren auf diesem anderen Schiffe -ustößt, so wett als selbiger den Bestachter trifft, vertreten, tanken, oder §. 1668. Bon dieser Vertretung wird er nur alsdann frei, wenn sein Schiff auf der be­ stimmten Reise ganz verloren geht. -urückge§. 1669. Hat der Schiffer aus Mangel an Raum, oder sonst durch seine Schuld, einen lagen Theil des verdungenen Guts zurückgelassen; so kann der Bestachter entweder sein Gut zur eigenen n*”en* Disposition zurücknehmen, oder selbiges auf Gefahr und -osten deS Schiffers nachsenden. g. 1660. Nimmt der Befrachter sein Gut zur eigenen Disposition zurück, so werden dadurch die Berbindlichkeiten zwischen ihm und dem Schiffer in Ansehung dieses ThellS der Ladung aufgehoben. §. 1661. Will der Bestachter sein Gut nicht zur eigenen Disposttion zurücknehmen, so muß er binnen vier und zwanzig Stunden, nach erhaltener Nachricht, Protest einlegen, und zugleich ' die nöthigen Vorkehrungen treffen, um die Waaren vor Schaden möglichst zu sichern. g. 1662. Meldet sich nach aufgenommenem Proteste Niemand, dem der Schiffer die Nach­ sendung der zurückgebliebenen Waaren aufgetragen hat; so muß der Befrachter selbige, so wie auch die anderweitige Versicherung, auf des Schiffers Kosten, nach Möglichkeit besorgen. §. 1663. Nach der Ankunft am Losungsplatze muß der Schiffer die Bersäumnißkosten, höhere Fracht und den Ausfall am Preise wegen späterer Ankunft der Waaren, desgleichen die Kosten wegen veränderter Affecuranz, Ristorno u. s. w. ersetzen. §. 1664. Bon diesem Ersätze wird er nur alsdann frei, wenn das von ihm selbst geführte Schiff auf derselben Reise verloren geht; jedoch muß er die Kosten wegen der veränderten Affecuranz in jedem Falle tragen. §. 1666. Wird ein Schiffer durch Sturm, oder sonst, ohne seine Schuld genöthigt, vor eingenommener vollen Ladung in See zu gehen; so kann der Eigenthümer der zurückgelaffenen Güter keine Schadloshaltung fordern, sondern die bedungene Fracht wird alsdann nur verhältnißmäßig vermindert. 8. 1666. Auf das Berdeck darf der Schiffer, ohne des Bestachters ausdrückliche Einwilligung,

keine Waaren legen, noch an die Seiten des Schiffes anhängen laffen. §. 1667. Ueber dre geladenen Waaren oder Stückgüter muß der Schiffer eine richtige Rolle, mit deutlicher Verzeichnung der Anzahl, ingleichen der Nummern und Merkzeichen von allen und jeden Packen, Kasten, Fäffern und dergleichen Stücken verfertigen, und im Schiffe aufbehalten. «lichten des g. 1668. Nach geendigter Ladung muß jedem Bestachter ein Empfangschein, oder soWchtfferftnach genanntes (Konnossement, unter des Schiffers Unterschrift zugestellt werden. Ladmud «m§• 1669. Darin müssen die Waaren und deren Qualttät, mit ihren Zeichen und Nummern; iwffmatt. der Ort ihrer Bestimmung ; der Name des Befrachters und Empfängers; die bedungene Fracht ; auch ob und waS darauf schon bezahlt worden, auSgedrückt sein. §. 1670. Bon jedem (Konnossement muß der Schiffer drei Exemplare, und wenn der Be­ frachter es verlangt, auch daS vierte unterzeichnen; zugleich aber dahin sehen, daß sie völlig gleichlautend sind; und daß in jedem die Zahl der ausgefertigten Exemplare bemerkt werde. g. 1671. Hat der Schiffer diese Vorsicht unterlassen, so bleibt er für den Schaden, welcher daraus in der Folge einem dritten redlichen Inhaber des Connoffements, oder auch dem Berficherer entsteht, verantwortlich. 8. 1672. Die Anzahl der Collis soll in den Connoffements mit Buchstaben geschrieben, und dre leer gebliebenen Plätze sollen durchstrichen werden. g. 1673. Das Eine besonders zu bezeichnende Exemplar behält der Schiffer, die übrigen find dem Bestachter zum Gebrauche zuzustellen.

1009

Von Rhedern, Schiffern und Befrachtern.

§. 1674. Werden diese Exemplare nachher nicht gleichlautend befunden: so beweist das dem Schiffer zugestellte Exemplar so lange wider ihn bis die Richtigkeit der Abweichung von einem der übrigen Exemplare auf andere Art dargethan worden; zu seinem Vortheil aber nur in so weit, als es mit den anderen unstreitig richtigen Exemplaren völlig übereinstimmt.

§• 1675. Sobald der Schiffer seine Abfertigung erhalten hat, muß er mit dem ersten günstigen Winde in See gehen. §. 1676. Unterläßt er dieses, so muß er den Befrachtern für allen auS seiner Nachlässigkeit entstandenen Schaden haften. §. 1677. Wird vor dem Auslaufen des Schiffs der Handel mit dem Bestimmung-platze Da» Mvom Landesherrn verboten, so hören alle gegenseitigen Verbindlichkeiten zwischen dem Schiffer & und den Befrachtern auf. ttctfe'tlUU §. 1678. Die Befrachter find in diesem Falle nur die Kosten des Ein- und Ausladens ringis. oder zu erstatten schuldig. §. 1679. Ein Gleiches findet statt, wenn der Hasen, nach welchem da- Schiff bestimmt war, gesperrt; oder die Fahrt dahin durch einen erst nach Schließung des FrachteontractS aus­ gebrochenen Krieg unsicher gemacht, oder die im Hafen befindlichen Schiffe zum landesherrlichen Dienste in Beschlag genommen worden. §. 1680. Ferner alsdann, wenn das Schiff, wegen widrigen Windes und erlittener Be­ schädigungen, genöthigt wird, zurückzulaufen, und die ganze Ladung gelost werden muß, um das Schiff auszubeffern. §. 1681. Wird hingegen die Antretung der Reise durch dergleichen oder irgend einen anderen Zufall, ohne Zuthun des Schiffers oder der Beftachter, nur verzögert, so bleibt der zwischen ihnen errichtete Contraet bei Kräften, und kein Theil kann wegen eines solchen Verzugs von dem anderen Entschädigung fordern. §. 1682. Entsteht der Aufenthalt dadurch, weil ein Theil der Ladung, wegen verbotener Ausfuhr, oder aus anderen Ursachen, wider Willen des Befrachters herausgenommen werden muß : so ist dieser schuldig, den Schiffer nach §. 1646. schadlos zu halten, zugleich aber auch den übrigen Mitbefrachtern nach Vorschrift §. 1654. gerecht zu werden. §. 1683. Wenn durch einen nach Schließung des FrachteontractS ausgebrochenen Krieg ein Theil der Ladung unfrei geworden ist, so hat auch jeder der Mitbefrachter da- Recht, die Herausnahme und Zurücklaflung derselben zu verlangen. §. 1684. Der Anfang und das Ende eines Kneges ist nach Vorschrift §. 1966. 1967. zu beurtheilen. §. 1685. Der Schiffer muß auch in diesen Fällen die Vorschrift des §. 1645. beobachten. §. 1686. Ist das Schiff schon auf der Reise begriffen, und die Handlung ober Fahrt nach wen» dieselbe dem Bestimmungsplatze wird durch dergleichen Zufall ganz unterbrochen: so muß der Schiffer in den nächsten sichern Hafen einlaufen, und den Rhedern, oder dem nächsten Correspondenten derselben, so wie auch den Befrachtern, davon schleunige Nachricht geben. §. 1687. Dies muß besonders geschehen, wenn, wegen eines während der Reise auSge« brochenen Krieges, das Schiff oder die Ladung, oder ein Theil der letzteren unfrei wird; also, daß bei Fortsetzung der Reise nach dem Bestimmungsorte Gefahr des Aufbringens zu besorgen ist.

, §. 1688. Ist nur ein Theil der Ladung unfrei geworden: so muß der Schiffer selbigen auf Gefahr und Kosten des Eigenthümers losen; diesen, so wie den im Connoffement benannten Empfänger, davon benachrichtigen, und mit der übrigen Ladung die Reise fortsetzen. §. 1689. Ist das Schiff unfrei geworden ; die Ladung aber ganz oder zum Theil frei ge­ blieben, so finden die folgenden Vorschriften §. 1696. 1697. Anwendung. §. 1690. Ist die ganze Ladung unfrei geworden, so muß der Schiffer die weitexen Ver­ fügungen der Befrachter oder ihres Correspondenten abwarten, und in der Zwischenzeit für die Erhaltung der Waaren sorgen. §. 1691. Wird er alsdann zurückberufen, oder ihm ein anderer Losungsplatz bestimmt, so muß die Fracht nach Verhältniß der bedungenen gegen die wirklich zurückgelegte Reise, billig­ mäßig erhöhet oder heruntergesetzt werden. §. 1692 Wird die Reise durch einen unterwegeS, aus Schuld des Schiffers, auf das Schiff wem ihre gelegten obrigkeitlichen Beschlag verzögert, oder ganz verhindert, so ist der Schiffer den Befrachtern zum Ersätze des aus dieser Versäumniß entstandenen Schadens verhaftet. §. 1693. Auch steht den Befrachtern in diesem Falle frei, die Ladung auf Gefahr und Kosten des Schiffers losen, und durch ein anderes Schiff an den Bestimmungsort bringen zu lassen.

§. 1694. Ist dergleichen Aufenthalt durch die Schuld des einen oder anderen der Befrachter entstanden; so muß dieser dem Schiffer, außer der bedungenen Fracht, alle Bersäumnißkosten ersetzen; und den übrigen Mitbefrachtern nach Vorschrift §. 1654. gerecht werden. §. 1695. Ist das Schiff von der Obrigkeit, ohne Schuld des Schiffers und der Beftachter, Noch, Allgemeines Landrecht.

HI.

8. Aufl.

64

1010

Zweiter Theil.

Achter Titel.

g§. 1696-1799.

in Beschlag genommen oder aufgehalten worden, so müssen beide Theile die Befreiung abwarten, ohne daß einer von dem anderen deshalb Entschädigung fordern kann. K. 1696. Sollten jedoch in diesem Falle die Waaren im Sckiffe leicht verderben, oder Schaden leiden können; so steht den Befrachtern frei, dieselben auf ihre Kosten losen, und durch em anderes Schiff an den Bestimmungsort bringen zu laffen. §. 1697. Alsdann find fie nur schuldig, den Schiffer nach Verhältniß der zurückgelegten Reise iu befriedigen. 1698. Ist das Schiff schon bei dem Auslaufen nicht in gehörigem Stande gewesen; und bie Fortsetzung der Reise muß wegen erforderlicher Ausbesserung eine geraume Zeit hindurch

unterbrochen, oder gar eingestellt werden: so wird der Schiffer seiner ganzen Fracht verlustig ; und muß überdies den Befrachtern allen an der Waare, oder sonst, wirklich erlittenen Schaden Hetzen. §. 1699. Verlangen die Befrachter, daß er auch den Vortheil ersetzen solle, der ihnen da­ durch, weil die Waaren an dem Losungsplatze nicht zu rechter Zeit angekommen sind, entgangen ist, so müssen sie sich darauf die bedungene Fracht abrechnen laffen. §. 1700. Alles Vorstehende (§. 1698. 1699.) gilt auch alsdann, wenn das Schiff erst auf dem Wege durch Schuld deS Schiffers schadhaft, und dadurch die AuSbefferung nothwendig ge­ worden ist. §. 1701. Ist aber der Schade ohne Schuld des Schiffers entstanden, so kann der Beftachter wegen des Aufenthaltes keine Vergütung fordern. §. 1702. Will alsdann der Beftachter die Ausbefferung nicht abwarten, und seine Waaren auf ein anderes Schiff bringen laffen; so muß er die Fracht nach Verhältniß der zurückgelegten Reise bezahlen. §. 1708. Kann das Schiff gar nicht, oder erst in einer so langen Zeit ausgebeffert werden, daß darüber die zur Schffffahrt bequeme Witterung verstreichen, oder die Ladung verderben würde; so muß der Schiffer, wenn Gefahr beim Verzüge ist, die Ladung, auf Kosten der Be­ ftachter, durch ein anderes Schiff nach dem Losungsplatze baldmöglichst befördern. §. 1704. Kann der Schiffer keine Gelegenheit zu solcher Nachsendung finden, so muß er die Waaren an dem Orte, wo er gelandet ist, in sichere Gewahrsam bringen, und den Befrachtern davon Nachricht geben. §. 1706. Zn beiden Fällen (§. 1703. 1704.) muß der Schiffer mit der nach Verhältniß der zurückgelegten gegen die bedungene Reise ihm gebührenden Fracht sich begnügen. 8. 1706. Eben dies (§. 1703. eqq.) findet statt, wenn ein Theil der Ladung, nach der in der Charte-Partie angegebenen Beschaffenheit, während des durch die Ausbefferung des Schiffes entstehenden Aufenthaltes verderben könnte. §. 1707. Während der Reise muß der Schiffer nicht nur dahin sehen, daß der Steuerund Oberbootsmann die nach §. 1600. ihnen obliegende Aussicht über die geladenen Waaren gehörig führen; sondern auch selbst Sorge tragen, bie Waaren in gutem Stande zu erhalten. §. 1708. Zu diesem Behufe muß er auch, wenn sich Güter im Schiffe befinden, die durch das Anfressen und Zernagen der Mäuse oder Ratten Schaden leiden können, eine hinreichende Zahl von Katzen an Bord nehmen und unterhalten. 8. 1709. Wenn er an flüssigen Gütern Leckage bemerkt, muß er das weitere Lecken zu verhindern, auch andere verderbliche Sachen durch Oeffnung der Lucken, durch Umstechen u. s. w. vor Schaden zu verwahren suchen. §. 1710. Muß der Schiffer, während der Reise, einen Theil der geladenen Waaren zu ttcnn der Schiffer seinen, oder des Schiffsvolks, oder des Schiffes Bedürfniffen, aus Noth verwenden oder verbmstn" mutz'äußern: so ist er den Befrachtern, nach deren Wahl, entweder das erhaltene Kaufgeld, oder den zur Zeit seiner Ankunft am Losungsorte gangbaren mittleren Preis zu ersetzen schuldig. §. 1711. Dagegen kommt ihm aber auch die volle Fracht für dergleichen Güter oder Waaren zu. §. 1712. Hat der Schiffer, ohne unverschuldete Noth, Waaren an einem anderen, als dem Bestimmungsorte, gelandet; so kann der Beftachter die Bezahlung des Mittelpreises am Losungs­ orte, zu der Zeit, da das Schiff daselbst nach dem gewöhnlichen Laufe angelangt sein würde, fordern. §. 1713. Dagegen muß er die Waaren dem Schiffer überlassen, und Demselben die volle Fracht vergüten. §. 1714. Will er dieses nicht, so steht ihm frei, dem Schiffer noch eine angemessene Frist zu setzen, binnen welcher er die Waaren, auf eigene Gefahr und Kosten, an den Ort ihrer Be­ stimmung schaffen solle. §. 1715. Wird dies von dem Schiffer nicht bewerkstelligt: so muß derselbe für allen erweislichen Schaden und entgangenen Bortheil haften, wovon ihm aber die volle Fracht gut gerechnet wird. Pflichten des an den Ort seiner Bestimmung ____ v§. 1716. Sobald der Schiffer ,,, , , v gelangt v ist, muß er die Sßddren, nach der in der Charte-Partie und in dem (Konnossement enthaltenen Anweisu Anweisung, abSchiffer-nach Waaren,

Von Rhedern, Schiffern und Befrachtern.

1011

liefern; jedoch dabei, wegen Aushändigung aller Exemplare der unterzeichneten Connoffemente, kunft am vedie Vorschrift des §. 1655. genau beobachten. fiimjnung«* §. 1717. Tie Ablieferung und Empfangnehmung muß, wenn Wind und Wetter es nicht ver­ hindern, binnen der in dem Frachtcontracte verabredeten Zeit geschehen. §. 1718. Ist keine Frist verabredet, so findet bei dem Losen eben das statt, was wegen des Einladens oben verordnet ist. (§. 1635. 1636.) §. 1719. Wird die Empfangnehmung der Waaren verweigert oder verzögert: so muß der Schiffer deshalb Protest einlegen; den Befrachter davon unverzüglich benachrichtigen, und das Gut auf deffen Gefahr und Kosten in sichere Verwahrung bringen laffen. §. 1720. Dazu ist er auch befugt und verpflichtet, wenn alle Exemplare der Connoffemente nicht herbeigeschafft, und deshalb keine hinreichende Sicherheit bestellt worden. §. 1721. Bon solchem Gute kann der Schiffer so viel gerichtlich verkaufen laffen, als zu seiner Befriedigung wegen Fracht, Zoll, und anderer Auslagen erforderlich ist. §. 1722. Die Zahlung der Fracht ist der Schiffer, sogleich nach Ablieferung sämmtlicher «echte des Waaren, von dem im Connoffement bestimmten Empfänger derselben zu fordern berechtigt. ^e«?der** §. 1723. Hat er gegen den Empfänger erheblichen Verdacht, daß dieser die Fracht nicht Fracht,

werde bezahlen können oder wollen, so ist er befugt, von der Waare so viel zurück zu behalten, als zu seiner Deckung nöthig ist. §. 1724. Bleibt der Empfänger, nach schon erfolgter Ablieferung, mit Bezahlung der Fracht zurück, so kann der Schiffer von den gelieferten Waaren so viel, als zu seiner Befriedigung er­ forderlich ist, in gerichtlichen Beschlag nehmen laffen. 1725. Bon dieser Befugniß kann er auch gegen den dritten Besitzer der Waaren/ binnen agen, nach der, dem ersten Empfänaer geschehenen Ablieferung, Gebrauch machen. §. 1726. Hat jedoch der dritte Besitzer die Waaren dem ersten Empfänger baar bezahlt, ehe er von des Schiffers Ansprüche Wiffenschast bekommen, so kann sich der Schiffer nur an den ersten Empfänger halten. §. 1727. Für Güter, welche auf der Reise, oder vor der Ablieferung verloren gegangen sind, kann der Schiffer nur in so weit die Fracht fordern, als der Werth solcher Güter durch die große Havereirechnung vergütet wird. 8. 1728. Hat sich sedoch der Verlust durch einen Unglücksfall in der Zeit ereignet, da der Empfänger mit Uebernehmung der Waaren säumig gewesen ist, so muß derselbe die Fracht bezahlen. §. 1729. Einen Theil der Ladung für die Fracht an Zahlungsstatt anzunehmen, ist der Schiffer nicht schuldig. §. 1730. Werden aber bei der Losung die Fässer und Behältniffe fließender und leckender Waaren ganz oder -um Theil ledig befunden, so steht dem Empfänger frei, dieselben dem Schiffer statt der davon zu bezahlenden Fracht zu überlasten. §. 1731. Darüber muß er sich jedoch erklären, ehe er noch diese Güter in.Empfang ge­ nommen hat. §. 1732. Haben sich während der Reise solche Vorfälle ereignet, woraus zu vermuthen ist, Vertretung daß irgend ein Theil der Ladung verdorben oder beschädigt sei; so muß der Schiffer diese Dor-^^§!^ fälle den Empfängern binnen den ersten vier und zwanzig Stunden nach seiner Ankunft 6e*B fra^ter.

sannt machen. §. 1733. Diese können alsdann darauf antragen, daß der Schade, noch vor der Ueber­ nahme, im Beisein des Schiffers, durch Sachverständige gerichtlich untersucht und gewürdigt werde. §. 1734. Den ausgemittelten Schaden muß der Schiffer ersetzen, wenn er nicht nachweisen kann, daß selbiger durch inneren Verderb der Waare, oder durch einen äußeren Zufall entstanden sei, deffen Abwendung er nicht in seiner Gewalt gehabt. §. 1735. Aus gleiche Art muß der Schiffer auch für gänzlich verlorene Waaren und Güter hasten, wenn er einen äußeren unvermeidlich gewesenen Zufall, durch welchen der Verlust ent­ standen sei, nicht nachzuweisen vermag. 8- 1736. Sind dem Schiffer Kisten, Fäffer oder Packe, verschloffen oder versiegelt zugestellt worden, so findet die Vorschrift vom Verwahrungsvertrage Anwendung. (Th. I. Tit. 14. §. 26—34.) §. 1737. Ist aber die Versiegelung oder Verschließung in Gegenwart deS Schiffers ge­ schehen, nachdem ihm zuvor der Inhalt der Behältniffe voraezeigt worden: so haben dergleichen Waaren mit anderen, die der Schiffer unverschlossen oder unversiegelt übernommen hat, gleiche Rechte.

§. 1738. Die von dem Schiffer zu leistende Vergütung ist nach den Vorschriften deS ersten Theils Tit. 6. §. 82. sqq. zu bestimmen; nur treten, m Absicht der Quantität und des Werthes der Waaren, die Vorschriften des folgenden Abschnittes ein. §. 1739. Ist mit dem Schiffer bei seiner Absendung auch die Rückfracht bedungen worden, von der so gilt, wegen deren Anweisung und Einnehmung, alles das, was wegen der ersten Ladung fest- Rückladung, gesetzt ist. (§. 1630. sqq.)

1012

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§g. 1740-1784.

§. 1740. Auch muß in diesem Falle, wenn der Schiffer mit dem ledigen Schiffsräume zurückzugehen genöthigt wird, demselben die volle Rückfracht, nebst den Bersäumnißkosten, erstattet werden. §. 1741. Bon dieser Verbindlichkeit der Befrachter macht es keine Ausnahme, wenn das Schiff, nach fruchtloser Abwartung der gesetzmäßigen Frist, auf der Rückreise verunglückt. ▼. verhLU§. 1742. Rein Schiffer soll, bei nachdrücklicher Strafe, einen Reisenden annehmen, der ihm 2« Schiffer zuvor die nach jeden OrteS Einrichtung erforderlichen Pässe vorgezeigt hat. §. 1743. Ist das Schiff nicht ausdrücklich als ein Postschiff oder Packetboot zum Transport Reisend«. der Reisenden bestimmt, so kann dem Schfffer wider seinen Willen nicht angemuthet werden, Reisende mitzunehmen, die kein Intereffe bei der Ladung haben. g. 1744. Das Verhältniß zwischen Schiffer und Reisenden muß hauptsächlich nach dem unter ihnen errichteten Contracte beurtheilt werden. §. 1745. Ist kein schriftlicher Conttact errichtet worden, die Ueberfahrt aber wirklich ge­ schehen: so muß der Schiffer sich mit einer nach dem Gutachten der Sachverständigen, und dem Ermessen des Gerichts au bestimmenden Fracht begnügen. §. 1746. Die Reffenden müssen fich auf daS erste Verlangen des Schiffers an Bord be­ geben, und wenn das Schiff schon segelfertig ist, fich nicht ohne des Schiffers Genehmigung, auch nur auf eine Zeitlang, davon erdfernen. 8- 1747. Handeln sie dem zuwider, so kann der Schiffer, ohne auf fie zu warten, in See stechen, und dennoch die Fracht fordern. 8. 1748. Der Regel nach müssen die Reisenden fich selbst beköstigen. 8. 1749. Ist die Kost ohne weitere Bestimmung in die Fracht mit eingedungen, so können Reisende nur die gewöhnliche Kost der Schiffsleute verlangen.

§. 1750. Am LadungSorte darf kein Schiffer, ohne Borwiffen und Einwilligung der Rheder, Reisende in Kost übernehmen. §. 1751. Hat er es gethan, so muß er den Rhedern, nach deren Wahl, die den Reisenden gegebene Provifion vergüten, oder ihnen das von denselben außer der Fracht bezahlte Kost­ geld berechnen. g. 1752. Nimmt der Schiffer auf der Rückreise Passagiere ein, so kann er mit ihnen wegen der Kost Verabredung treffen. 8. 1753. Ist der Vorrath solcher Reisenden, welche fich selbst beköstigen sollen, durch Un­ glücksfälle, oder unvermuthete Verlängerung der Reise unzureichend geworden, so können sie von dem Schiffer notdürftigen Lebensunterhalt fordern. §. 1754. Sie müssen aber die ihnen gereichte Provifion, noch außer der Fracht, nach einer billigen Taxe bezahlen. §. 1755. Dagegen müssen auch Reisende, wenn auf dem Schiffe Mangel entsteht, dem Schiffe mit ihrem entbehrlichen Borrathe, gegen billige Bezahlung, zu Hülfe kommen. §. 1756. Um der Reisenden willen ist der Schiffer seinen Lauf zu unterbrechen, und andere als die verabredeten Häfen anzusegeln, weder schuldig, noch befugt. §. 1767. Es muß daher auch ein krank gewordener Reisender, der ans Land gesetzt sein will, so lange warten, bis sich dazu, ohne Unterbrechung der Reise und Veränderung des Laufes derselben, eine Gelegenheit findet. §. 1758. Dagegen muß ein mit ansteckender Krankheit befallener Reisender sich, auch wider seinen Willen, an den nächsten bewohnten Ort, wo der Schiffer landet, aussetzen lassen. §. 1759. Ein Reisender, welcher Krankheits- oder anderer Ursachen wegen, das Schiff noch vor vollendeter Reise verläßt, muß dennoch die ganze bedungene Fracht entrichten, sobald ihm dabei auch nur das geringste Verschulden zur Last fällt. §. 1760. Hat der Reisende die bei ihm befindlichen Effecten dem Schiffer zur Aufbewahrung überliefert, so hat er in Ansehung derselben mit einem Befrachter gleiche Rechte.

§. 1761. Hat er aber selbige dem Schiffer nicht übergeben, und sie also in eigner Ge­ wahrsam behalten, so hastet der Schiffer nur für einen durch seine oder seiner Leute Schuld entstandenen Verlust und Schaden. §. 1762. Die Reisenden müssen allen Anweisungen des Schiffers Folge leisten, welche auf Beobachtung guter Ordnung im Schiffe, oder auf Erhaltung des Schiffes und der Ladung abzielen. §. 1763. In dringenden Nothfällen müssen Reisende, zur Rettung des Schiffes, nach ihren Kräften hülfteiche Hand leisten. §. 1764. Hat ein Reisender auf dem Schiffe ein Verbrechen begangen, so muß der Schiffer mit ihm eben so verfahren, als wegen eines ein Verbrechen begehenden Schiffsmannes vorge­ schrieben ist. (g. 1606. sqq.) §. 1765. Wird während der Reise entdeckt, daß ein Reisender vor der Einschiffung sich

Lon Haverei und SeeschSden.

1013

IwSlster Abschnitt. Bo« Haverei «nb Seeschaden. 88- 1766 bis 1933.

Aufgehoben").

eines wirklichen Hochverraths oder Aufruhrs schuldig gemacht habe; so muß ihn der Schiffer in Verhaft nehmen ; und im nächsten inländischen Hafen den Gerichten ausliefern, oder auf andere sichere Art dahin schaffen." 44) Durch Art. 60 Rr. 1 des Einf.Ges. zum H.G B. v. 24. Juni 1861 (G.S. S. 449). Die aufgehobenen §§., an deren Stelle die Art. 702 ff. H GB getreten find, lauteten: „§. 1766. Zwischen einem Schiffe und seiner Ladung besteht eine Gemeinschaft zur Ueber- von der tragung der beide zugleich treffenden Gefahr und Kosten. GemeNchhast §. 1767. Diese Gemeinschaft nimmt, in Ansehung eines jeden Stückes der Waare, ihren JBSfSL Anfang, sobald dasselbe über den Bord des Hauptschiffes gebracht ist. Labung. §. 1768. Wenn, auch während der Reise, geworfenes oder sonst verloren gegangenes Gut von dem Beftachter durch anderes ersetzt, oder von dem Schiffer zur Vollständigkeit der Ladung Waare eingenommen wird: so treten auch diese von Zeit der Einladungin die Havereigemeinschaft. §. 1769. Wenn während der Reise ein Theil der geladenen Waaren, auf Veranstaltung des Schiffers, in ein kleineres Fahrzeug gebracht, oder gar gelandet werden muß, so wird da­ durch die Gemeinschaft nicht unterbrochen. §. 1770. Dagegen endigt sich die Gemeinschaft, in Ansehung eines jeden geladenen Gutes, sobald dasselbe, am Orte seiner Bestimmung, vom Borde deS Hauptschiffes gebracht worden. §. 1771. Wenn Waaren zum Behufe des Ein- und AuSschiffens in Keine Fahrzeuge, alS: Lichter, BordingS, und deraleichen mehr, geladen werden; so entsteht zwischen diesen Waaren eine Gemeinschaft für die Zwischenzeit, da jede derselben über den Bord deS Fahrzeuges ein­ und wieder herausgebracht worden. §. 1772. Zwischen dem Fahrzeuge selbst aber, und den darin geladenen Waaren, ist keine Gemeinschaft vorhanden. 8. 1773. Rur in dem einzigen Falle, wenn zur Rettung eines solchen Fahrzeuges, und der Ladung desselben, ein Theil der letzteren geworfen werden muß, ist der Eigenthümer deS Fahrzeuge- den Verlust mit zu überttagen verbunden. §. 1774. Die Ungelder und anderen Ausgaben, welche zum gemeinen Besten deS Schiffes l von der orund seiner Ladung verwendet werden müssen, um die Schifffahrt und Reise zu befördern, werden binoittn oder die ordinaire oder Keine Haverei genannt. §. 1775. ES macht keinen Unterschied, ob dergleichen Ausgaben am Ladungs- oder LosungSplatze, oder auf der Reise vorgefallen find. §. 1776. Jedoch müssen die zur kleinen Haverei gehörenden Ausgaben, welche > an dem Orte der Ladung geschehen, und daselbst berechnet werden können, auch allda wieder bezahlt und abgemacht werden. §. 1777. Es kann also weder der Schiffer dem Empfanaer der Waaren, noch dieser jenem, deshalb in der Regel etwas anschlagen oder abfordern; sonoern es werden nur solche Kosten, die sich erweislich nach der Absegelung, oder am Losungsorte ereignet haben, in Rechnung gebracht. §. 1778. Zur Keinen Haverei gehören vornehmlich Anker-, Pilotage-, Lootsen-, Grund-, «a, da-ir Feuer-, Bak-, Prahmen-, Lichter-, Pfahl-, Brücken- und ordinaire Quarantänegelder, und der«ehSrr. gleichen mehr. §. 1779. Ferner die Ausgaben an die Admiralitäten der Ladungs- oder LosungSplätze, und an die Castelle, bei welchen das Schiff vorbeiseegelt ; so wie auch Zölle, welche nicht für daS Schiff allein, oder für die Ladung allein entrichtet werden; desgleichen die Kosten der Convoyen und Seynbriefe. 8 1780. Ferner die Aufeisungskosten eines eingeftorenen Schiffes, wenn selbige zu Bergung des Schiffes und der Güter verwendet worden, und nur Einen Tyaler oder weniger auf die Last betragen. §. 1781. Wie die Keine Haverei von den Interessenten zu ttagen sei, ist hauptsächlich »te solche nach der zwischen ihnen darüber getroffenen Abrede zu beurtheilen. §. 1782. Wenn keine Abreve darüber getroffen ist, müssen die Rheder ein Drittel, und RaJeSr

die Empfänger der Waare zwei Drittel übernehmen. §. 1783. Der Beittag der Empfänger wird unter sie nicht nach dem Werthe der Waaren, sondern nach der Zahl der Schiffslasten vertheilt. §. 1784. Reisende sind, für ihre Person und Reisegeräthschasten, zur Keinen Haverei beizuttagen nicht schuldig.

1014

Zweiter Theil.

Achter Titel. §§. 1786-1828.

§. 1785. Alles, was bei vorhandener Roth und Gefahr des Schiffes und der Ladung, zur II. von der crtraorbi« Abwendung oder Verminderung derselben aufgeopfert, oder verwendet wird, ist für große oder natrcn oder extraordinaire Haverei zu achten. «roßen §. 1786. Es dehören dahin alle Verwendungen an Geld oder Geldeswerth, welche zur Haverei.

Senncibung oder Minderung einer solchen Gefahr gemacht worden; ingleichen die Beschädigungen, welche zu einem solchen Zwecke am Schiffe oder der Ladung absichtlich verursacht worden, oder eine natürliche Folge der dazu getroffenen Anstalten find. §. 1787. Dahin gehört besonders, wenn ein Schiff bei Sturm oder Seesturz so viel Wafler eingenommen hat, daß Löcher im Verdeck gemacht, oder in die Seiten des Schiffes ge­ hauen, oder sonst der Körper des Schiffes beschädigt werden müssen, um das Wasser zu den Pumpen zu leiten; ingleichen, wenn dadurch Waaren beschädigt oder verdorben worden. 8- 1788. Ferner, wenn zur Rettung des Schiffes oder Guts, Masten, Segel, Stangen, Takelwerk, Anker, und andere Schiffsgeräthschasten abfichtlich gekappt, geschlitzt, verschließen, oder sonst beschädigt, oder über Bord geworfen worden; ingleichen, wenn zu solchem Endzwecke das Boot von seiner Befestigung auf dem Verdecke gekappt, und über Bord gesetzt werden muß.

§. 1789. Schäden, welche zwar bei Gelegenheit einer gemeinschastlichen Gefahr, aber durch bloßen Zufall, oder durch Jemandes Schuld entstanden sind, können nicht zur großen Haverei gerechnet werden. §. 1790. Bei der Verbindlichkeit zur gemeinsamen Uebertragung wird aber auch voraus­ gesetzt, daß durch die Verwendung oder Beschädigung der Zweck der Rettung wirklich, ganz oder zum Theil, erreicht worden. §. 1791. Ein Schiff muß zur großen Haverei beittagen, wenn daffelbe nach überstandener Gefahr einen Hafen erreicht hat; sollte es auch für untüchtig zum Dienste erklärt werden. §. 1792. Ist aber nach überstandener Gefahr Schiff und Ladung durch neue Unglücksfälle verloren gegangen, so findet keine Vertheilung statt, sondern ein Jeder trägt seinen Schaden. 8- 1793. Wird hingegen ein Theil der Ladung geborgen, oder freigegeben ; so müssen dessen Eigenthümer davon zu der bei dem vorigen Unglücksfalle entstandenen großen Haverei eben so beitragen, als ob der neue Unglücksfall sich nicht ereignet hätte. §. 1794. Ein Gleiches gilt von den Rhedern, wenn das genommene Schiff wieder frei­ gegeben, oder ausßelöst wird; ferner, wenn zwar das Schiff durch Wind und Wetter neue Un­ fälle erlitten hat, jedoch nicht ganz verloren gegangen, sondern davon mehr gerettet ist, als die Bergungskosten betragen. §. 1795. Der Seewurf kann nur alsdann geschehen, wenn Sturm, Seenoth, oder feindliche ÜSllr?or$ Verfolgung es nothwendig machen, das Schiff zu erleichtern. § Fällen " 8- 1796. Nur ein auf Veranlassung oder Befehl des Schiffers oder dessen, der seine Stelle ivelche zur vertritt, erfolgter Seewurf kann zur großen Haverei gezogen werden. grchen va§. 1797. Ehe der Schiffer dazu schreitet, muß er mit den an Bord befindlichen Befrachtern, 8 Seewurf' "der deren Bevollmächtigten, ingleichen mit dem Schiffsvolke Seerath halten. §. 1798. Leidet die dringende Gefahr dieses nicht, so muß er wenigstens den Steuer-, Hochboots- und Zimmermann mit ihrem Gutachten vernehmen.

§. 1799. Reisende und Befrachter können sich weder der vom Schiffer beschloffenen Werfung widersetzen, noch den Schiffer wider seinen Willen zum Seewürfe nöthigen; sondern in jedem Falle nun verlangen, daß darüber Seerath gehalten werde. §. 1800. Bei der Werfung selbst muß mit den Waaren, die aus dem Verdecke, Ueberlaufe, Back und Schanze liegen, oder an den Seiten des Schiffes angehängt sind, der Anfang ge­ macht werden. §. 1801. Ein Gleiches gilt von den Waaren, die in das Boot oder die Schaluppe ge­ laden worden. §. 1802. Sodann müssen, so viel als möglich, nur Stücke, Fäffer, Kasten, oder Packe von Waaren, welche die geringsten am Werthe sind, und das Schiff am meisten beschweren, ge­ worfen werden. §. 1803. Dagegen sind solche Behältniffe vorzüglich zu schonen, in welchen Edelsteine, Perlen, gemünztes oder ungemünztes Gold oder Silber, oder sonst Kostbarkeiten und Kleinodien sich befinden. §. 1804 Hat Jemand dergleichen Sachen unter andere Waaren gepackt, und dieses bei der Einschiffung verschwiegen; so muß er den Schaden, der ihm aus der Verheimlichung ent­ standen ist, allein tragen. §. 1805. Zeigt er aber dem Schiffer die verschwiegene Beschaffenheit noch in Zeiten an, so muß ein solches Pack mit dem Wurfe verschont werden. §. 1806. Findet sich hiernächst, daß die Anzeige unrichtig gewesen, so soll eine solche ver­ schonte Waare nach ihrem vierfachen wirklichen Werthe in Havereirechnung gebracht werden.

Bon Haverei und Seeschäden.

1015

§. 1807. Auch Mund- und Kriegsbedürfnisse, Kleider und Geräthschaften des Schiffers, deS Schiffsvolks, und der Passagiere kommen, wenn sie geworfen worden, bei der großen Haverei mit in Anschlag. §. 1808. Ein Gleiches gilt von Waaren, die das Schiffsvolk für eigne Rechnung mitzu­ nehmen befugt ist. §. 1809. Auch Waaren und Sachen, die zwar nicht geworfen, aber durch die bei Gelegen­ heit des Wurfs getroffenen Anstalten beschädigt, verdorben, oder in eine solche Lage gekommen sind, daß sie von den Wellen weggespiilt worden, müssen vergütet werden. §. 1810. Wenn das Schiff zwar in eben der Noth, da der Wurf geschehen ist, durch Wind und Wellen Schaden gelitten hat ; dieser Schade jedoch weder absichtlich zu Rettung deS Schiffes und der Ladung verursacht worden, noch eine natürliche Folge der dazu getroffenen Anstalten gewesen ist: so können die Rheder in so weit von den Befrachtern keinen Havereibeitrag fordern. §. 1811. Eben dies findet von der auf solche Art sich ereignenden Beschädigung der ge­ ladenen Güter Anwendung. §. 1812. Wenn zur Erleichterung des Schiffes Waaren in ein kleineres Fahrzeug geladen, und daselbst verdorben, oder verloren worden: so gehört dieser Schade zur großen Haverei. §. 1813. Ist der Schade durch Untauglichkeit des kleinern Fahrzeuges geschehen, so können sich die übrigen Jntereffenten, wegen ihres HavereibeitrageS, an den Eigenthümer deffelben halten. 8. 1814. Ein Gleiches findet statt, wenn der Schade aus Verwahrlosung oder Untreue der Mannschaft des kleineren Fahrzeuges entstanden ist. §. 1815. Der Schiffer des Hauptschiffes ist nur alsdann verhaftet, wenn er ein untaug­ liches Fahrzeug ohne Noth gewählt hat. §. 1816. Hat von der in ein kleineres Fahrzeug während der Reise geladenen Waare, zur Rettung deffelben und seiner Ladung, etwas geworfen werden muffen: so wird dieser Schade von dem Bording und seiner übrigen Ladung, als große Haverei getragen ; und was die Bordingsladung dazu beiträgt, wird alsdann vom Hauptschiffe und dessen übnger ganzen Ladung vergütet. §. 1817. Sobald ein Seewurf nach Borschrist des §. 1795. sqq. geschehen ist, muß die Vergütung als große Haverei ohne Widerrede statt finden. §. 1818. Mit dem Borwande, daß bei dem Wurfe selbst, oder bei der Auswahl der zu werfenden Sachen, übereilt oder sonst vorschriftswidrig verfahren worden, kann sich kein Interessent gegen beit Beitrag schützen; sondern nur den Regreß an den Schiffer, oder anderen Urheber deS Schadens nehmen. §. 1819. Hat jedoch der Schiffer das Schiff überladen, und muß iu dessen Erleichterung die auf dem Berdecke liegenden Güter werfen, so rönnen die Eigenthümer dieser letzteren sich nur an den Schiffer halten ; und es findet die Vergütung als große Haverei nicht statt. 8. 1820. Hat der Schiffer, um die Ladung zu retten, das Schiff absichtlich zum Stranden d) vorsätzliche gebracht: so gehört der dabei am Schiffe und der Ladung entstandene Schade, nebst allen da- Strandmig; durch verursachten Kosten, zur großen Haverei. §. 1821. Erhellet aus den Umständen klar, daß die Strandung bloß in der Absicht ge­ schehen ist, um das Leben oder die Freiheit der Equipage zu retten; so wird der entstandene Schade selbst alsdann, wenn die ganze Ladung gerettet worden, nur für particuläre Haverei geachtet. (§. 1900. sqq.) §. 1822. Ist ein Schiff durch Zufall auf den Grund oder auf eine Klippe gerathen, und «) Erreichtewird durch das Abbringen beschädigt, so muß die Vergütung als große Haverei geschehen. 'elluLuvve' §. 1823. Dahin gehören auch die bei solcher Gelegenheit der Ladung zugefügten Be- ober Sank schädigungen ; die Aus- und Einladungskosten ; ingleichen die Kosten, wodurch das Schiff be-banr^cathefreit worden. neu Schiffer; §. 1824. Wird der Schiffer, um Strand und Klippen zu vermeiden, genöthigt, daS Schiss d) Prang«; mr gemeinschaftlichen Erhaltung zu prangen, so ist der dadurch am Schiffe und dessen Geräthschaften entstandene Schade ebenfalls als große Haverei zu vergüten. §. 1825. Muß ein Schiffer, wegen erhaltenen Lecks, oder anderer Gefahr, in einen Roth-e). Hafen einlaufen, so gehören alle Kosten des Ein- und Auslaufens, ingleichen der Unterbalt deS «othhasen; Schiffsvolks während des Aufenthaltes im Nothhafen, so wie die Heuer desselben, in so fern ihr Betrag durch eine solche Berlängerung der Reise vermehrt wird, zur großen Haverei. §. 1826. Ein Gleiches gilt von den Aus- so wie von den Einladungskosten, wenn zum Behufe der Ausbefferung des Schiffes, oder sonst aus erheblichen Gründen, die Ladung im Noth­ hafen aeloset wird. §. 1827. Muß ein Schiff auf Convoy warten, oder sonst wegen besorglicher Feindesgefahr, 0 Süllltegen in einem neutralen Hafen eine Zeitlang liegen bleiben; so werden die Heuer und der Unterhalt des Schiffsvolks für diesen Zeitraum, nach näherer Bestimmung §. 1825., als große Haverei vergütet. §. 1828. Es macht keine Ausnahme, wenngleich zur Zeit deS Auslaufens die Gefahr schon bekannt gewesen, und wegen der Convoy nichts verabredet sein sollte.

1016

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 1829—1874.

t) Riuuio§. 1829. Hat der Schiffer feindlichen Kapern oder Seeräubern, um Schiff und Gut zu tt12S!Lr* retten, gewisse Waaren oder SchiffsgerSthschaften angewiesen oder übergeben, so wird deren Werth als große Haverei vergütet. §. 1830. Ist in Fällen dieser Art ein bedungenes Lösegeld baar bezahlt worden, so muß die Auslage auf gleiche Art erstattet werden. 8. 1831. Haben die Feinde den Schiffer, oder andere am Bord befindliche Personen, als Geißel für daS bedungene Lösegeld mitgenommen, so müssen, außer dem Lösegeld, auch die da­ durch den Geißeln verursachten Zehrungs- und andere Kosten als große Haverei ersetzt werden. §. 1832. Bon der Zahlung können die Rheder und Befrachter, in diesem besonderen Falle, durch Abttetung ihrer Antheile am Schiffe oder an der Ladung sich nicht befreien. §. 1833. Sie find vielmehr selbst alsdann dafür verhaftet, wenngleich das Schiff oder die Ladung durch nachherige Unglücksfälle verloren gegangen sein sollte. ff. 1834. Wenn auch ein nicht feindlicher Kaper den Schiffer genöthigt hat, ihm Provifion, Geräthschaften, oder Waaren, gegen versprochene aber nicht erfolgte Bezahiung zu überlassen, so gehört dieser Verlust zur großen Haverei. h) «erthetdi. ff. 1836. Wird bei der Vertheidigung gegen Kaper oder Seeräuber Schiff oder Gut be** schädigt, so geschieht der Ersatz dieses Schadens, nebst der im Gefechte verbrauchten Ammunition, Ache als große Haverei. e; ff. 1836. Sind bei einer solchen Gelegenheit dem Schiff-volke zur Aufmunterung Be­ lohnungen versprochen oder gegeben worden, so wird eine solche Auslage gleichfalls vergütet. ff. 1837. Eben dahin gehören alle Kosten zur Heilung und besseren Verpflegung der Ver­ wundeten, zum Begräbniß der Getödteten, und zur Abfindung oer untauglich gewordenen SchiffSleute. ff. 1838. Auch dasjenige, waS den Wittwen und Kindern der getödteten, oder an ihren Wunden gestorbenen SchiffSleute gereicht werden muß, ist in Rechnung zu bringen. l)vonaußerff. 1839. Außer diesen Fällen gehören auch alle außerordentlichen Kosten, welche zur FortSften über; setzung der Reise verwendet werden müssen, und Einen Thaler, auf die Schiffslast gerechnet, Haupt, übersteigen, ebenfalls zur großen Haverei, (ff. 1774. sqq.) Bo die Ha ff. 1840. Jeden zur großen Haverei gehörenden Fall muß der Schiffer, sobald er sich ereignet, und es die Umstände gestatten, in sein Tagebuch umständlich verzeichnen, und den er­ legen? littenen Schaden so genau als möglich bemerken. ff. 1841. Ist der Fall eines Seewurfs vorhanden: so muß der Schiffsschreiber, oder wer sonst seine Stelle vertritt, oder auch der Schiffer oder Steuermann selbst, die vorwaltenden Umstände, die Meinungen der Schiffsleute und Eigenthümer, ingleichen die geworfenen, oder auch durch die Werfung beschädigten Waaren, nach den Packen, Kisten, Tonnen, mit ihren Nummern und Zeichen, genau aufschreiben. ff. 1842. Wenn Zeit und Gefahr dergleichen pünttliche Aufzeichnung nicht erlauben, so soll so viel als möglich bemerkt, der Beweis des übrigen aber durch die eidlichen Aussagen und Angaben der SchiffSleute geführt werden. ff. 1843. In dem ersten Hafen, wo der Schiffer landet, muß er den Havereifall und ent­ standenen Schaden den dorttgen Seegerichten, oder dem Consul der Nation umständlich anzeigen, und sich darüber ein Attest ausstellen lassen. ff. 1844. Auch muß er den Rhedern und Befrachtern, ingleichen den Correspondenten der­ selben am Bestimmungsorte, sobald als möglich davon Nachricht geben. ff. 1845. Wenn er am Orte der Besnmmung anlangt, muß er den erlittenen Havereifall den Gerichten, den Empfängern der Waaren, und den etwa daselbst befindlichen Bevollmächtigten der Rheder, noch vor der Losung anzeigen. ff. 1846. Er muß zugleich den Seegerichten sein Tagebuch vorlegen, und nebst den Vor­ nehmsten des Schiffsvolks oen Inhalt desselben, so wie die Wahrheit seiner Angabe, eidlich bestärken. Ble der ff. 1847. Bei der Untersuchung des zu vergütenden Schadens müssen zuvörderst diejenigen Schade, wel-Sachen abgesondert werden, welche, wenn sie auch bei einem Havereifalle beschädigt worden, LrLV dennoch keine Vergütung erhalten

zu beftim-' ff. 1848. Dahin gehören vornehmlich die Güter, welche der Schiffer als Ueberfracht einmen. genommen hat. ff. 1849. Ferner die Waaren, welche auf dem Verdeck, Ueberlauf, Back oder Schanze gelegt, in das Schiffsboot gepackt, oder an die Seiten des Schiffes gehängt worden. ff. 1850. Der Eigenthümer solcher Waaren hat keine Vergütung durch Havereirechnung zu fordern, wenngleich diese Art der Unterbringung (ff. 1848. 1849.) ohne sein Vorwiffen ge­ schehen ist; sondern er kann fich deshalb nur an den Schiffer und das Schiff halten. ff. 1851. Güter, wovon gar kein Connossement vorhanden ist, ingleichen heimlich ins Schiff gebrachte Waaren, erhalten keine Vergütung.

Bon Haverei und Seeschäden.

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8. 1852. Eben dies findet von solchen Gütern statt, welche der Eigenthümer oder deffen Bevollmächtigter, bei entstehender Seegefahr, ohne des Schiffers und Schiffsvolks Einwilligung, wegnehmen und anderSwo hinbringen läßt. 8- 1853. Eben so unrd auch der Schade am Schiffsboote nicht vergütet, wenn dasselbe nicht auf dem Berdecke befestigt gewesen. §. 1854. Der Betrag des zu vergütenden Schadens selbst muß entweder durch Bereinigung Wie der ves sämmtticher Interessenten, oder durch die in den Gesetzen vorgeschriebenen Beweismittel fest- AAdeä gesetzt werden. 8 1855. Schiffsprovifionen, Gerätschaften, oder andere zur eigenttichen Ladung nicht gehörende Sachen, werden nach dem gemeinen Werthe des Ortes, wo fie wieder angeschafft werden müffen, geschätzt; jedoch werden bei Geräthschaften und solchen Sachen, die durch den Gebrauch abgenutzt werden, nur zwei Drittheile dieses Werthes in Rechnung gebracht 8. 1856. Ist der Körper des Schiffe- selbst beschädigt, so müffen die AuSbefferungskosten durch den Anschlaa vereideter Sachverständigen festgesetzt werden. §. 1867. Eben dies gilt, jedoch unter der §. 1855. in Ansehuna des Werthes gegebenen Bestimmung, wenn SchiffSgeräthschasten nicht verloren, sondern nur beschädigt worden. fi. 1868. Sind Waaren verloren geaangen, so wird bei Bestimmung ihrer Art und Quantiat die Charte-Partie, das Connoffement, die Factur, oder andere bei der Einschiffung geschehene Declaratton zum Grunde gelegt. §. 1869. Kann dargethan werden, daß die Angabe bei der Einschiffung zu hoch gewesen sei, so ist nur auf die erwiesene Art und Quantität zu sehen. §. 1860. Dagegen wird auf die Behauptung des Eigenthümer-, daß in dem verlorenen Packe, gaffe u. s. w. mehrere oder beffere Waare gewesen, als angegeben worden, keine Rück­ sicht genommen. §. 1861. Der Werth verlorener Waaren wird nach dem comptanten Marktpreise am Losungs­ orte, zur Zett der Losung, angeschlagen. 8- 1862. Davon find jedoch die Ächte Haverei, die Ausladungskosten und andere Ungelder abzuziehen, welche von der Waare, wenn fie wirklich angekommen wäre, hätten entrichtet werden müffen. 8. 1863. Die Fracht hingegen, wenn fie dem Schiffer bezahlt werden muß, kommt nicht

«np» «ittttn.

in Abzug. 8 1864. Sind die verlorenen Waaren zur Zeit des Havereifall- durch Seesturz oder anderen Zufall schon beschädigt gewesen, so werden fie nur nach dem Werthe, den sie bei dem Verluste

wirklich noch hatten, vergütet. §. 1866. Dieser Werth muß auf den Grund der eidlichen Angabe des Schiffers, und feiner Leute, über den Zustand der Waaren zur Zeit des Verlustes, durch das Gutachten der Sach­ verständigen billig bestimmt werden. 8- 1866. Sind Waaren nicht ganz verloren, sondern nur beschädigt worden, so werden fie auf gemeinschaftliche Kosten öffentlich verkauft, und die daraus gelöseten Gelder dem Eigenthümer zugestellt; außerdem aber wtrd demselben der Unterschied mit dem nach §. 1861-1863. zu be­ stimmenden Werthe vergütet. 1867. Ist solchergestalt der Betrag der zu vergütenden großen Haverei ausgemittelt, Wle der vet> so muß derselbe zwischen Schiff und Ladung verhältnißmäßig vertheilt werden. trag pr §. 1868. Zur Bestimmung dieses Verhältnisses muß der Werth des Schiffes nebst Zubehör nach demjenigen Zustande, in dem es aus der See gekommen ist, durch vereidete Sachverständige sehn: geschätzt werden. vom vchifie; §. 1869. Die zur Fortsetzung der Reise oder zur Retour besttmmten Mund- und KriegsProvisionen kommen nicht in Anschlag ; wohl aber das durch die zurückaelegte Reise verdiente Frachtgeld, nach Abzug desjenigen, was die Rheder daraus noch zu bezahlen haben, besonders der noch rückständigen Heuer des Schiffers und des Volks, ingleichen deS Beitrage- zur kleinen Haverei. §. 1870. Nach dem solchergestalt auSgemittelten Werthe des Schiffes wird deffen Beitrag zur großen Haverei bestimmt. §. 1871. In Abficht der Ladung müssen zuvörderst diejenigen Stücke abgesondert werden, welche von dem Beitrage zur großen Haverei frei find. §. 1872. Dahin gehören alle Waaren, welche erst nach dem Havereifalle über den Bord des Hauptschiffes gebracht worden. §. 1873. Ferner diejenigen, welche zu der Zett, da fich der Havereifall ereignet, am Be­ stimmungsorte schon vom Borde deS Hauptschiffes gebracht find. §. 1874. Ferner die Heuer und Equipagen des Schiffers und Schiffsvolks; so wie auch diejenigen Waaren, welche daffelbe für eigene Rechnung, vermöge der ihm §. 1596. beigelegten Befugniß, mitgenommen hat.

von der Ladimg.

1018

Zweiter Theil.

Achter Titel,

gg. 1875-1924.

8. 1876. Desgleichen die Kleidungsstücke und Reisebedürfniffe der Paffagiere. Passagiere. g. 1876. Hat bei einem Schiffbruche Jemand die chm ihm zugehörigen Sachen an fich sich genommen, und mit eigener Lebensgefahr gerettet, so kann ihm davon kein Beitrag abgefordert werden. g. 1877. Ein Gleiches gilt von den, durch solche Taucher, welche ein Befrachter für eigene Rechnung gedungen hat, herausaebrachten Waaren. §. 1878. Außer vorstehenden müßen alle im Schiffe befindlich gewesenen Waaren und Effecten zur großen Haverei beitragen. §. 1879. Dieses gilt sowohl von den verloren gegangenen oder beschädigten, und in der Berechnung als große Haverei vergüteten, als von den geretteten Waaren. §. 1880. Selbst geworfene Waaren müssen, auch bei den nachher während der Reise fich ereignenden Unglücksfällen, den Beitrag zur großen Haverei erlegen. §. 1881. Die Art und Quantität der geretteten Waaren wird nach Vorschrift des §. 1868. sqq. angenommen. §. 1882. Kann dargethan werden, daß die Qualität oder Quantität einer Waare zu niedrig angegeben worden, so muß die durch gerichtliche Besichtigung auszumittelnde wahre Beschaffen­ heit m Anschlag kommen. g. 1883. Eben dies findet von denjenigen Waaren statt, worüber keine Connoffemente vorhanden find. §. 1884. Auch die Bestimmung des Werthes der geretteten Waaren geschieht nach Vorschrift deS §. 1861—1866. g. 1886. Wegen der bei einem Seewurf unrichtig angezeigten und verschonten Waaren findet die Vorschrift des 8. 1806. Anwendung. g. 1886. Waaren, Deren Werth, während der Reise, durch innern Verderb, oder andere zur großen Haverei nicht gehörende Unglücksfälle, verringert worden, dürfen nur nach demjenigen Werthe beitragen, den sie zur Zeit der Losung noch wirklich haben. §. 1887. Effecten, welche keinen gewöhnlichen Marktpreis haben, find nach ihrem wirklichen Werthe, zur Zeit der Losung, durch vereidete Sachverständige zu schätzen. 8. 1888. Heimlich eingebrachte, ingleichen die in Abficht der Art oder Quantität unrichtig declarirten Waaren, werden nach dem höchsten zur Losungszeit am Losungsorte geltenden Preise berechnet. §. 1889. Der Empfänger solcher Waaren, von welchem ein Beitrag zur großen Haverei zu entrichten ist, haftet, nach geschehener Andeutung, für den festzusetzenden Beitrag als Selbstschuldner. 8. 1890. Er ist verbunden, längstens binnen acht Tagen nach der Abladung, den Werth derselben, vorstehenden Grundsätzen gemäß, genau und richtig anzugeben, und auf Erfordern eidlich zu erhärten. §. 1891. Sind ihm die Waaren zur weiteren Speditton überschickt, so muß er sie nicht eher versenden, als bis die vorgeschriebene Angabe des Werthes geschehen ist. §. 1892. Wird die Richtigkeit des angegebenen Werthes bezweifelt, so können die übrigen Jntereffenten, auf Kosten des verlierenden Theils, eine gerichtliche Taxe durch vereidete Sach­ verständige verlangen. §. 1893. Wer überführt wird, vorsätzlich, oder aus grobem Versehen, den Werth einer empfangenen Waare zu niedrig angegeben zu haben, soll von dem wirklichen Werthe vierfachen Beitrag entrichten, und die Kosten erstatten. §. 1894. Wenn solchergestalt die Summe, nach welcher ein jeder Jntereffent zu dem Haverei­ schaden beitragen muß, ausgemittelt ^worden, so geschieht die Bertheilung des Beitrages unter die sämmtlichen Jntereffenten nach der Societätsregel. §. 1896. Wer den hiernach auf ihn fallenden Beitrag verweigert, den kann und muß der Schiffer, bei eigener Verhaftung, zu Bestellung hinreichender Sicherheit anhalten., oder die Waaren mit Arrest belegen. §. 1896. Auch kann der Schiffer auf öffentlichen gerichtlichen Verkauf der Waaren, so viel dazu nöthig ist, antragen. §. 1897. Das Schiff darf nicht eher aus dem Hafen gelassen werden, als bis die Rheder ihren Beittag zur Haverei davon entrichtet, oder hinreichende Sicherheit dafür bestellt haben. §. 1898. Den Vorzug des rückständigen Beitrages zur großen Haverei bei entstehendem Concurse bestimmen die Vorschriften des ersten Theils Tit. 20. §. 326. in Absicht des Schiffes, und die Prozeßordnung in Absicht der Waaren. §. 1899. Werden geworfene, oder sonst verunglückte Güter, nach schon geschlossener Haverei­ rechnung gerettet: so muß der nach Abzug der Bergungs- und anderen Kosten übrig bleibende Werth den Jntereffenten, nach Verhältniß rhrer Beiträge wieder zu gute kommen. in. von der §• 1900. Alle übrigen nach vorstehenden Grundsätzen weder zur großen noch zur kleinen Partienlair- Haverei gehörenden Schäden und Kosten, welche bei Gelegenheit der Schifffahrt und Reise das Haverei. Schiff oder die Ladung treffen, werden für particuläre oder besondere Haverei geachtet; und müssen von dem Eigenthümer der Sache, über welche sie ergangen sind, allein getragen werden.

Von Haverei und Seeschäden.

1019

§. 1901. Wenn also ein Schiff auf den Grund oder auf eine Klippe gerathen ist, und nicht durch das Abbringen selbst beschädigt wird, so gehört die daraus entstandene Beschädigung zur besonderen Haverei; die Posten aber, durch welche das Schiff befreit wird, sind große Haverei. §. 1902. Wenn ein Schiff, oder dessen Geräthschaften durch Gewalt des Windes verdorben, oder verloren worden: so ist die daraus entstandene Beschädigung ebenfalls besondere Haverei; es wäre denn, daß der Schiffer, um Strand und Klippen zu vermeiden, genöthigt wäre, das Schiff zu prangen. (§. 1824.) §. 1903. Wenn Kaper oder Seeräuber Schiffsgeräthschasten, Ammunition, oder Lebens­ mittel vom Schiffe weqnehmen, so trägt das Schiff den Schaden allein. §. 1904. Eben so trifft, wenn von Kapern oder Seeräubern Waaren aus dem Schiffe entwendet worden, der Verlust die Eigenthümer der Waaren. §. 1905. Ein Gleiches findet statt, wenn Waaren bloß durch Sturm oder Seestur- be­ schädigt, verdorben, oder weggespült werden. §. 1906. Sind in einem neutralen Schiffe verbotene Waaren oder Sachen gefunden worden, Bon Echtßsso gehört der aus der Confiscation entstehende Schade nicht zur großen Haverei. cond^an§. 1907. Welche Waaren und Sachen für verboten zu achten sind, wird unten (§. 2034. sqq.) bestimmt. §. 1908. Schiffer und Rheder, welche wissentlich, oder auS grobem Verschulden, verbotene Waaren oder Sachen eingenommen haben, sind den übrigen Befrachtern zum Ersätze des dadurch verursachten Schadens verhaftet. §. 1909. Haben aber die übrigen Befrachter von der verbotenen Qualität Wiffenschaft gehabt, so muß, wenn Schiff oder Ladung deshalb aufgebracht worden, ein jeder seinen Schaden allein tragen. §. 1910. Entsteht Verlust oder Schade daher, weil ein Schiff nicht mit den gehöriaen Püffen, Chartepartie, Connoffements, oder sonst nöthigen Briefschaften versehen ist; so müssen der Schiffer und diejenigen, welchen die Besorgung dieser Erforderniffe obgelegen hat, dafür hasten.

§. 1911. Wenn zwei unter Segel sich befindliche Schiffe, ohne grobes Verschulden deS BonBeschädteinen oder des anderen Schiffers, auf einander ansegeln, oder stoßen; dergestalt, daß eins oder JWM JgdaS andere oder beide Schaden leiden: so muß der beiderseitige Verlust oder Schade berechnet, «5)

und zusammengeschlagen werden. Uebersegeln. 8. 1912. Don der ganzen Summe trägt jedes Schiff die Hälfte. §. 1913. Ist das An- und Uebersegeln von einem der Schiffer vorsätzlich, oder durch grobe Schuld verursacht worden ; so muß derselbe seinen Schaden allein tragen, und dem anderen Schiffe den ganzen erlittenen Schaden vergüten. §. 1914. So weit, als der Schade aus dem Vermögen deS Schiffers ingleichen aus dem Schiffe und dessen Frachtgeldern nicht ersetzt wird, ist er als Particularhaverei zu betrachten. §. 1915. Eben dies findet statt, wenn das Schiff, welches durch Zufall, oder grobe Schuld des Schiffers, ein anderes auf gedachte Art beschädigt hat, nicht ausgemittelt werden kann. §. 1916. Wird ein vor Anker liegendes, oder am Lande festgemachtes Schiff von einem segelnden Schiffe beschädigt, so muß des letzteren Schiffer allen verursachten Schaden erstatten: er könnte denn nachweisen, daß er durch einen ganz unvermeidlichen Zufall zum An- oder Ueber­ segeln genöthigt worden ; in welchem Falle die Vorschrift §. 1911. 1912. Anwendung findet.

§. 1917. Hat in diesem Falle der festliegende Schiffer der Gefahr ausweichen können, und es vorsätzlich, oder aus grober Schuld unterlassen; so ist derselbe zum Schadensersätze nach §. 1913. verhaftet. §. 1918. Liegen zwei oder mehrere Schiffe vor Anker, und kommen einander gefährlicher blnbnAm Weise zu nahe ; so muß der voranlregende Schiffer, auf des andern Zuruf, den Anker lichten und Stoßen, und ablegen. §. 1919. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die Schiffer in Gefahr stehen, durch Ablaufen des Waffers auf den Grund zu gerathen. §. 1920. Hat der voranliegende Schiffer diese Vorschriften vorsätzlich oder aus grober Schuld unbefolgt gelassen, so muß er den ganzen dadurch veranlaßten Schaden ersetzen. §. 1921. Leidet der Schiffer, welcher ausweichen soll, bei dem Versuche dazu, ohne sein grobes Verschulden, selbst Schaden, so kann er von dem Zurufenden Vergütung fordern. §. 1922. Ist der Zurufende, bei dem Ausweichen, ohne grobes Verschulden des Anderen beschädigt worden, so bleibt der Ausweichende von der Verantwortung ftei. §. 1923. Werden zwei festliegende Schiffe durch Gewalt der Wellen, oder des Windes, dergestalt zusammengestoben, daß eines oder beide gequetscht, gedrückt, oder sonst beschädigt worden, so finden die Vorschriften §. 1911. Anwendung. §. 1924. Eben das gilt, wenn zwei festliegende Schiffe zu einer Zeit loSkommen, an einander treiben, und dadurch bei einem oder beiden Schade entsteht.

1020

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§. 1935-1934.

Dreizehnter Abschnitt. versichern»,e»').

§. 1934. Bei einer Versicherung oder Afsecuranze) übernimmt der Versicherer, gegen Erhaltung einer gewissen Abgabe oder Prämie '), die Vergütung des aus einer bestimmten Gefahr die versicherte Sache treffenden Schadens^).

8. 1925. Ist aber ein vor Anker liegendes Schiff wegen Untauglichkeit feiner Taue, ober sonst ourch grobes Verschulden des Schiffers, los und treibend geworden; so muß der Schiffer allen an den festliegenden Schiffen verursachten Schaden erstatten. . 1926. Ist hingegen ein Schiff ohne grobes Verschulden des Schiffers los und treibend en, so muß der Schade des Anstoßens, nach den Vorschriften §. 1911., gemeinschaftlich getragen werden. §. 1927. Hat der antreibende Schiffer dem festliegenden zugerufen, den Tau schießen zu lassen, und Letzterer hat es nicht gethan, da es doch die Umstände gestattet hätten: so ist Ersterer zur Entschädigung nicht verbunden. 8. 1928. Sind in den §. 1911. 1916. 1921. 1922. 1923. 1926. beschriebenen Fällen auch die geladenen Waaren zu Schaden gekommen: so kann der daran erlittene Verlust bei der Schadens berechnung nicht mit in Anschlag kommen, sondern wird als particuläre Haverei betrachtet. §. 1929. Fällt nach obigen Grundsätzen die Vergütung einem der Schiffer zur Last, so müssen, bei seinem Unvermögen, dessen Rheder, so weit ihre Schiffsparten reichen, den Ausfall vertreten. §. 1930. Sind beide Schiffer an dem einander zugefügten Schaden schuld, so findet die Vorschrift des ersten Theils Titel 6. §. 22. statt. §. 1931. Gin solcher durch An- und Uebersegeln, Antreiben und Stoßen entstandene Unglücksfall, wenn er im Hafen geschehen ist, muß binnen acht und vierzig Stunden nach dem Ereigniffe, bei Verlust des Rechts, den gehörigen Gerichten angezeigt werden. §. 1932. Geschieht der Unglücksfall auf der See, so muß von jedem Schiffer die Vorschrift des §. 1840. sqq. beachtet werden. §. 1933. Bei Stromschiffen finden gleiche Grundsätze statt." 1) Dieser Abschnitt (§§. 1934 bis 2358) ist durch die Einführung des H.G.B. nur in so­ weit aufgehoben, als diese Vorschriften sich auf die Versicherung gegen die Gefahren der See­ schifffahrt beziehen, weil das H.G.B. weder ein allgemeiner Versicherungsrecht, noch spezielle Vor­ schriften über die anderen Arten von Versicherungen enthält. Art. 60 Nr. 1, Art. 61 Nr. 1 Emf.Ges. v. 24. Juni 1861 (G.S. S. 449). H. Die jetzt geltenden Vorschriften über die See­ versicherung finden sich in Art. 782 bis 905 H.G.B. Aber die Vorschriften des L.R. über die Seeversicherung „haben noch ihre subsidiäre Bedeutung für die übrigen Versicherungsverträge behalten". Förster-Eccius §. 145 (2 S. 447). Ein Beispiel bietet die Rückverweisung auf die §§. 2141, 2146 in §. 2344. Hier ist die Verweisung jetzt nicht etwa auf Art. 899 H.G.B. zu beziehen. H. Die Aufrechterhaltung der Vorschriften des L.R, welche die Versicherung außer der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt zum Gegenstände haben, ist in Art. 61 Nr. 1 Einf.Ges. z. H.G.B. nur ausgesprochen, „soweit nicht Bestimmungen des H.G.B. entgegen stehen". Daher finden auf Versicherungen, welche Handelsgeschäfte sind (s. Anm. 3 Nr. II) die allgemeinen Vorschriften des H.G.B. auch dann Anwendung, wenn sie mit den Vorschriften des L.R. in Widerspruch stehen. (S. Anm. 86 zu §. 2064.) H. Nachstehend sind die auf die Schiffsversicherung bezüglichen §§., welche ja auch die Flußschifffahrt betreffen, mit zum Abdruck gebracht, weil eine Ausscheidung der rein seerechtlichen Vorschriften nur schwierig durchzuführen gewesen wäre. 2) H. S. Dernburg 2 §§. 231 bis 239 (S. 676 ff); Förster-Eccius §§. 145, 146 (2 S. 476 ff.). — Bei dem Umstande, daß einerseits das gemeine Recht einer gesetzlichen Grundlage für das Versicherungsrecht entbehrt, andererseits auch nach preußischem Recht die nächste Grundlage für die Versicherungsstreitiakeiten immer die Auslegung statutarischer und reglementarischer Bestimmungen vom Standpunkt der modernen Verkehrsentwickelung aus bildet, ist auch die gemeinrechtliche Literatur und Judikatur für den preußischen Richter von Bedeutung. Die neueste umfassende gemeinrechtliche Darstellung des Versicherungsrechts ist die von König in Endemann's Handbuch des Handelsrechts 3 S. 742 ff., wo auch die sonstige Literatur nach­ gewiesen ist. 3) H. I. Den Gegensatz der Versicherung gegen Prämien bildet die Versicherung auf Gegenseitigkeit, d. h. eine Bereinigung Mehrerer zu dem Zwecke, daß Alle den einen Ein-

5

Von Versicherungen.

1021

zelnen treffenden Schaden vergüten. Diese Versicherung unterliegt, mit Rücksicht auf den gleichen Zweck, vielfach der gleichen öffentlich rechtlichen Behandlung, insbesondere der gleichen Staats­ aufsicht, wie die PrämienveiPcherung. Auch die äußere Geschäftsgebahrung solcher Ver­ sicherungsgesellschaften — Bestellung von Agenten, Erhebung von Prännen u. dgl. — hat viel­ fach Ähnlichkeit mit der Prämienversicherung. Juristisch aber ist die privatrechtliche Konstruktion

der einen und der andern Art der Versicherung eine von Grund aus verschiedene. b) Die rechtliche Natur der Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit bestimmt sich zunächst nach der von den Kontrahenten gewählten bez. ihnen staatsseitra be­ willigten Gesellschaftsform. Eine solche Gesellschaft ist jedenfalls nicht offene Handelsgesellschaft, weil sie weder Handelsgeschäfte treibt, noch einen Erwerb bezweckt, O.Tr. IV v. 27. Mai 1865, Str. Arch. 58 S. 326. Sie kann Korporation sein, wenn die Voraussetzungen deS tz. 25 II. 6 vorliegen. Es kann für dieselbe auch die Form der eingetragenen Genossenschaft gewählt werden; v. Sicherer, Komment, z. Gen.Ges. S. 152, — dagegen ParisiuS, Komment, z. Gen.Ges. S. 166, welcher aber -ugeben muß, daß thatsächlich Versicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit als eingetragene Genoffenschasten vorkommen, wie denn auch das gleich zu erwähnende Urtheil des R.G. II v. 5. Aprrl 1881 eine in diese Form gekleidete Gesellschaft betrifft. — Ist aber eine solche besondere Form nicht gewählt, so ist nach der in Anm. 2 zu II. 6 §. 1 dargelegten Auffassung sowohl Koch'S und der Praxis als deS H. eine Versicherungsgesellschaft auf Gegen­ seitigkeit mit Rücksicht auf ihre korporative Organisation wie auf ihren Zweck (nutzt Vermögens­ erwerb, sondern Schadensausgleichung) nicht Erwerbsgesellschast im Sinne von I. 17, sondern erlaubte Privatgesellschaft im Sinne von II. 6. R.O H G I v. 10. Dez. 1872 u. v. 17. Sept. 1876, Entsch. 8 S. 180, 18 S. 398; R G. I v. 17. Dez. 1884, Jurist. Wochenschr. 1886 S. 77. b) Das Rechtsverhältniß des einzelnen Mitgliedes zur Gesellschaft ist ein doppeltes: der Einzelne hat sowohl die Mitgliedschastsrechte, als auch einen besonderen Versicherungs­ anspruch, der sich als ein auf Spezialtitel beruhendes, nicht als ein gesellschaftliches Recht darstellt und der Einwirkung von Mehrheitsbeschlüssen entzogen ist. Aber beide Rechte gründen sich nicht etwa auf verschiedene Verträge, das Mitglied kontrahirt nicht etwa mit der Gesellschaft wie mit einem Dritten: vielmehr find eS nur zwei Folgen eines und desselben Rechtsakts, des Beitritts zur Gesellschaft; Rechte und Pflichten aus der Versicherung treffen das Mitglied „als solche-" (ins­ besondere auch im Sinne von §. 23 C.P.O.), angef. ROH G. I v. 10. Dez. 1872; RG. I v. 5. Jan. 1881; II v. 5. April 1881, Entsch. 8 S. 104, 4 S. 894; IV v. 17. Sept. 1885, Gruchot 30 S. 133. c) Auch bei der Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit werden sogenannte „Prämien" erhoben. Reichen dieselben zur Deckung der Venödltungskosten und der eingetretenen Verluste nicht aus, so werden „Nachschußprämien" erfordert; übersteigen sie das Bedürfniß, so wird der Ueberschuß als „Dividende" vertheilt. Alle diese Operationen bezwecken aber nur die geschäftliche Realifirung eines und desselben juristischen Zweckes: der Beitragszahlung zur Ver­ gütung der von den Mitgesellschaftern erlittenen Schäden; der Rechtsgrund, auf dem die Vorsckmßwie die Nachschußprümien beruhen, ist derselbe; beide haben dieselbe Natur, (R G. I v. 9. Mai 1885, Blum, Urth. u. Annal. 2 S. 184) es handelt sich bei letzteren insbesondere nicht etwa um einen Garantieanspruch, sondern nur darum, daß bei nachheriger Berechnung der dem Ein­ zelnen gegen die Anderen obliegenden Verbindlichkeit sich die in Anrechnung hierauf geleistete Zahlung als eine Theilzahlung erweist. Ebenso sind die „Dividenden" nicht Gewinnverthellung, sondern nur Rückerstattung eines Betrags, der sich nachher als indebite gezahlt ergiebt. Mit Rücksicht auf die Geschäftseinrichtungen der Gesellschaften hat das R O.H.G. II v. 8. März 1879, Entsch. 25 S. 272, ausgesprochen, daß die Nachschubpflicht den Gesellschafter treffe, der in dem Geschäftsjahre, in welchem der die Nachschußeinforderung bedingte Schaden eingetreten ist, der Gesellschaft angehört hat. Das Urtheil R.O.H.G. I v. 26. Jan. 1877, Entsch. 21 S. 337, welches eine Nachschußpflicht nach eingetretener Gesellschaftsliquidation verneinte, beruht auf der Auslegung der konkreten Statuten. Gegen dasselbe s. La band in der Zeitschr. f. d. ges. HandelSr. 24 S. 66 ff.; S. 70 bis 80 daselbst geben eme Darstellung der Rechtsverhältnisse bezüglich der „Prämien" bei der Gegenseitigkeitsversicherung. Vgl. hierüber auch noch R.O.H.G. I v. 1. Dez. 1871, Entsch. 4 S. 199. S. über die Versicherung auf Gegenseitigkeit Dernburg 2 §. 231 S. 678 f.; FörsterEc cius §. 145 (2 S. 447 f.). II. Die Versicherung gegen Prämien ist die einzige Form, welche des L.R. regelt; nur auf sie beziehen sich die Vorschriften dieses Abschnitts. Der Satz „der Affekuramvertrag verliert dadurch nicht seinen rechtlichen Charakter, daß er auf daS Prinzip der Gegenseitigkeit gegründet und der Versicherte zugleich Mitglied der BersscherungSgesellschaft wird", welchen die Herausgeber von Str. Arch. 60 S. 127 aus den Gründen des Urtheils O.Tr. IV v. 8. Juli 1865 ausziehen und dem Abdruck voranstellen, soll nicht etwa eine von der obigen (Rr. Ib) abweichende Auffassung der Versicherung auf Gegenseitigkeit ausdrücken oder gar eme Anwend-

1022

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 1935-1951.

§. 1935. Ist keine Prämie bedungen worden, so wird das Geschäft nicht als eine Affekuranz, sondern als eine Schenkung betrachtet®). (Th. 1. Tit. 11. §. 1037. sqq.) 8- 1936. Mäkler und Schiffsclarirer sollen weder Schiffe, noch Schiffsparten, noch Kaufmann-güter und Waaren, bei Vermeidung der §. 1328. bestimmten Strafe, auf eigene Rechnung versichern lassen. §. 1937. Schiffer und Schiffsleute dürfen über ihre Heuer oder Lohn keine Versicherung nehmen; bei Verlust des Rechts und der Prämie, deren doppelter Be­ trag von dem Versicherer zur Strafe an die Caffe der Seearmen erlegt werden soll ®). §. 1938. Versicherungen ertheilen, setzt nothwendig die Befugniß voraus, einen lästigen Vertrag zu schließen. (Th. 1. Tit. 5. §. 9. sqq.) §. 1939. Mäkler, Schiffsclarirer und Abrechner; öffentlich bestellte Dispacheur-, Schadentaxatoren, und richterliche Personen in Assecuranzstreitigkeiten; Vorsteher und Bediente der Bank; Vorsteher und Bediente der Assecuranzcompagnie: Officianten, sowohl bei landesherrlichen, als anderen öffentlichen Lassen; ingleichen Zoll- und Accisebedienten, dürfen für eigene Rechnung, weder unmittelbar noch mittelbar'), Versicherungen ertheilen ®). barkeit der Vorschriften des L.R. auf die letztere begründen, sondern nur die Ansicht des O.Tr. stützen, daß auch Streitigkeiten aus Versicherungen auf Gegenseitigkeit „Assekuranzsachen" im Sinne der älteren Prrozeßgesetze (A.G.O. I. 30 §§. 48 ff. ; K.O. v. 10. April 1832, G S. S 136) find. Richtig formulirt ist der Inhalt der Entscheidung (als Pr. 2742) in Entsch. 54 S. 458, 55 S. 252. Die Versicherung gegen Prämien ist übrigens ein soa. objektives Handelsgeschäft, Art. 271 Nr. 3 H GB. Daher gehen die allgemeinen Vorschriften oes H G.B. den Bestimmungen dieses Abschnitts vor. S. Anm. 1. III. Besondere gesetzliche Vorschriften über Versicherung enthalten das Gesetz, betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, und das Unfallversicherungsgesetz, Zus. 11—13 zu §. 400 d. T. 4) H. R.O.H.G. I v. 12. Dez. 1873, Entsch. 12 S. 66, lehnt zutreffend die Anwendung der Vorschriften über Versicherung auf einen Fall ab, in welchem Eingesessene des betheiligten Kreises die Garantie gegen etwaige Verluste eines Bankhauses aus der Uebernahme von Aktien einer zu erbauenden Eisenbahn übernommen hatten, weil die Garanten im eigenen Jntereffe, um die Vortheile aus der Eisenbahn für den Kreis zu gewinnen, die Haftung übernommen hätten, damit das Bankhaus dadurch zur Uebernahme der Aktien bestimmt werde. Hier sei dies Garantie­ versprechen nicht vertragsmäßige, unentgeltliche Uebernahme der Gefahr (§§. 1934, 1935 d. T.), sondern Gegenleistung für die Beiheiligung des Bankhauses. 5) Macht sich Jemand verbindlich, einem Anderen diejenige Summe zu ersetzen, zu deren Bezahlung dieser Andere in einem von einem Dritten wider ihn angestrengten Prozeffe verurtheilt werden möchte, so liegt ein Versicherungsvertrag vor, welcher, roenn keine Prämie bedungen war, zu seiner Gültigkeit der gerichtlichen Form bedarf. O.Tr. IV v. 4. Jan. 1855, Str. Arch. 15 S. 313. H. Gegen die Richtigkeit dieses Urtheils s. Dernburg 2 §. 232 Anm. 2 (S. 979); Förster-Eccius §. 145 Anm. 9 (2 S. 447). Die Annahme einer Versicherung in einem solchen Falle — auch wenn man den Ausgang des Prozeffes als „Gefahr ansehen wollte — scheitert an dem ausdrücklichen Erforderniß der Entgeltlichkeit in §§. 1934 f. d. T. Es lag eine bedingte Schenkung vor. Dagegen ist es unrichtig, wenn Dernburg die Annahme einer Ver­ sicherung in jenem Falle auch um deswillen ablehnt, weil vereinzelte Uebernahme eines Risiko keine Versicherung sei; für eine solche Einschränkung des Begriffs der Versicherung bietet das Gesetz keinen Anhalt. Förster-Eccius a. a. O. Anm. 15 (S. 449). S. auch R.G. I v. 19. Jan. 1881, J.M.Bl. 1882 S. 2, insbes. S. 4. 6) H. Vgl. Art. 784 H.G.B. 7) Das bezieht sich mcht aus die Betheiligung bei Aktiengesellschaften, da hierdurch keine persönliche Verbindlichkeit gegen den Versicherten eingegangen wird. 8) EL Die Gewerbeordnung (Zus. 9 zu §. 400 d. T.) findet nach §. 6 Abs. 1 derselben an sich keine Anwendung auf den Gewerbebetrieb der Versicherungsunternehmer. Dagegen fallen Verficherungs a g e n t e n unter die Gewerbeordnung, insbesondere unter §. 14 Abs. 2 derselben. Einzelne Vorschriften über die Zulassung von Versicherungsgesellschaften enthalten noch §. 6 Ges. v. 8. Mai 1837 (Zus. zu §. 2063 d. T.) und die Ges. v. 17. Mai 1853 (Zus. zu §. 2358). S. auch R.Str.G.B. §. 360 Nr. 9.

Bon Versicherungen.

1023

8- 1940. Wird diesem Verbot zuwidergehandelt: so ist der Vertrag nichtig; die bedungene Prämie fällt dem Fiscus anheim; und der unbefugte Versicherer soll seines Amtes entsetzt werden. §. 1941. Hat in solchem Falle der Versicherte, ohne sein Verschulden, die dem Versicherer entgegenstehende Eigenschaft nicht gewußt, so hastet ihm Letzterer zur Entschädigung. §. 1942. Wer den Auftrag hat, für einen Dritten Versicherung zu suche», darf dieselbe ohne besondere Genehmigung des Auftragenden nicht selbst übernehmen; widrigenfalls er die Prämie hrrausgeben muß, und für die übernommene Gefahr nichts desto weniger verhaftet ist. §. 1943. Einem Jeden steht frei, Versicherungen da zu nehmen, wo er eS am rathsamsten findet. §. 1944. Die Rechte einer zu Versicherungen besonders privilegirten Gesell­ schaft find aus dem ihr ertheilten Privilegio zu beurtheilen*). tz. 1945. Wer für fremde Rechnung Berficherung nimmt, muß dazu mit Voll­ macht oder Auftrag versehen sein; widrigenfalls die Berficherung ungültig, und die bedungene Prämie verfallen ist10 8 *).11 12 8- 1946. Jedoch können Handlunasfactoren und Disponenten, auch ohne be­ sondere Vollmacht, für Rechnung ihres Prinzipals Berficherung nehmen. 8- 1947. Soll ihnen diese Befugniß nicht zustehen, so muß eine solche Ein­ schränkung gehörig bekannt gemacht sein. (8- 503. sqq.) 8- 1948. Wer für fremde Rechnung ohne Specialvollmacht zeichnet, hastet nur für seine Person "). §. 1949. Eben dies findet auch von HandluugSfactoren und Disponenten statt, wenn sie nicht durch Specialvollmacht, oder ein für allemal in ihrer Procura, dazu legitimirt sind. 8« 1950. So wie jeder ohne Vollmacht im Namen eines Anderen geschlossene Vertrag, durch desselben nachher hinzukommende Genehmigung, zu Kräften gelangt: so findet ein Gleiches auch bei dem Versicherungsverträge statt. §. 1951. Einer stillschweigenden Genehmigung ist gleich zu achten, wenn der­ jenige, in defien Namen die Versicherung genommen oder ertheilt worden, nach davon erlangter Wissenschaft, binnen der im ersten Theil Tit. 5. §. 95. sqq. be­ stimmten Fristen, keinen gerichtlichen Protest dagegen einlegt1*). 8) H. Soweit in dem Privilegium auch die Bedingungen enthalten sind, unter denen bie Gesellschaft allein Versicherungen übernehmen darf, erhalten diese di« Bedeutung einer lex contractu» für jeden einzelnen Versicherungsvertrag R.O.H.G. ll v. 11. Jan. 1873 u. o. 27. Juni 1874, Entsch- 9 S. 130, 14 S. 38. 10) Wenn nicht der Fall des §. 1950 vorhanden ist. — Die Bestimmungen der §§. 1945 bis 1951 gelten für Seeversicherungen nicht. In dem H.G.B. Art- 786 ist das Rechtsverhältniß anders als hier aufgefaßt. 11) Auch aus dem RechtSgrunde der nützlichen Geschäftsführung ist kein Anspruch auf Er­ stattung der Prämie herzuleiten, denn der Affekuranzvertrag ist ein gewagtes Geschäft für beide Theile. Wenn daher ein Kaufmann z. B. auf die Waaren, welche ihm sein Schuldner zur Deckun­ angewiesen hat, Berficherung nimmt, so kann er die Kosten nicht dem Eigenthümer aufbürden. Zu vgl. der RechtSfall bei Mathis 3 S. 528. 12) Bei Sterbevereinen auf Gegenseitigkeit kann die Berficherung für ein« Eheftau von dem Ehemann geschehen. Hat der Versicherungsvertrag de» Beitritt der Eheftau zum Berein« und ihre Aufnahme in di« Mitgliedschaft zum Zweck und Gegenstand gehabt, so ist die Berficherung für sie und in ihrem Namen geschloffen; sie ist als die andere Kontrahentin de» BereineS an­ zusehen, die Prämie die Gegenleistung, bie ihr als solcher resp, ihrem Nachlaffe au» dem von ihr einaegangrnen Vertrage stipulirt ist. Di« Abschlirßung de» Bertrages ist »war von dem Ehemanne bewirkt, die Aufnahme in den Berein war aber chr Geschäft, er hat dabei für pe gehandelt. Hatt« er dazu Bollmacht und Auftrag, so ist das Verhältniß al» Mandat, in dem anderen Fall« al» negotiorum gestio zu beurtheilen. O.Tr. IV v. 17. Juni 1867, Str. Arch. 67 6. 281.

1024

Zweiter Theil.

Achter Mel.

§§. 1952-1968.

H. An die Vorschriften über den Abschluß von Versicherungsverträgen für fremde Rechnung knüpft die Frage an, wer bei einem LebenSverficherungsvertragr nach dem Tode desjenigen, dessen Leben versichert worden, zur Forderung der Versicherungssumme berechtigt sei, bez. ob die ledtere zum Nachtaffe gehöre und von den Gläubigern in Anspruch genommen werden könne? (Dieselbe ist bereit- kurz erwähnt in Anm. 79 Abs. 1 zu I. 5 H 75.) — Die moderne Auffassung des LebenSverficherungSvertrags und der mit ihm verbundene wirthschastliche Zweck drängen zu einer Gestaltung, nach welcher den in der Polize benannten Dritten und, wenn solche nicht speziell bezeichnet find, den Erben, ein selbstständige-, nicht von dem Erblaffer abgeleitetes, sondern in ihrer Person erst entstehende- und oaher nicht zum Rachlaffe gehörige-, dem Angriffe der Nach-

laßgläubiger entzogene- Forderung-recht auf die Versicherungssumme zukommt. Vgl. die Ver­ handlungen de- 16. Deutschen Juristentags 1 S. 141, 200 (Gutachten von Malß und Elster), 2 6. 101, 856 ff. (Verhandlungen der 1. Abth. bez. deS Plenums). GS fragt sich, in wie fern dieser Tendenz der Kontrahenten beim Abschluß des Versicherungsvertrages auf Grund des geltenden Recht- entsprochen werden kann. H. Das O.Tr. hat zunächst den Fall, in welchem ein Ehemann für seine Eheftau eine LerstcherungSsumme stipulirt hatte, so behandelt, daß es annahm, der eigentliche Kontrahent fei die ourch ihren Ehemann vertretene Eheftau, sie versichere das Leben eine- Dritten (ihres GhemanneS) für eigene Rechnung. So daS in Abs. 1 angef. Urtheil v. 11. Juni 1867. — Diese Konstruktion reichte nicht aus für die Fälle, in welchen eine solche Vertretung schon um deswillen nicht an­ genommen werden konnte, weil eS in der Absicht des Versicherungsnehmers lag, während seines Lebens über die dem Dritten stipulirte Versicherungssumme noch verfügen zu können. Hier liegt unzweifelhaft ein Vertrag zu Gunsten eine- Dritten vor. In Anwendung der Vorschriften des §. 76 1. 5 müßte man an sich einen Beitritt des Dritten verlangen, damit dieser aus dem Bertraae berechtigt werde. Allein ein solcher pflegt regelmäßig nicht zu erfolgen. DaS O.Tr. suchte dieser Schwierigkeit auf verschiedene Weise zu begegnen. In analoger Anwendung des Pl.51t. 1770 v. 25. Aug. 1846 (Anm. 79 Abs. 2 zu I. 5 8. 75) nahm es an, wenn ein Vater sein eben zu Gunsten des unter seiner Gewalt stehenden Kindes versichere, so vertrete er bei dem Bertragsschluffe zugleich sein Kind, daffelbe nehme mittelbar an dem Bertragsschluffe Theil. Dem Later gegenüber zwar erwerbe das Kind kein Widerspruchsrecht, derselbe könne „käst seiner Eigenschaft als solcher und als der eine Hauptkonkahent den Versicherungsvertrag durch Nicht­ zahlung der Prämie erlöschen taffen oder ihn im Einverständnisse mit der Gesellschaft ändern, auch die Umschreibung zu Gunsten anderer Personen herbeiführen". Aber wenn der Vater keine solche Verfügung getroffen habe, falle die Versicherungssumme dem Kinde zu und bilde keinen — dem Zugriff der Gläubiger unterliegenden — Bestandtheil des Nachlasses. O.Tr. IV v. 26. März 1874, Entsch. 72 S. 90. — Dieser Ausweg versagte, sobald es sich nicht um eine Versicherung zu Gunsten eines Kindes unter väterlicher Gewalt handelt. Für solche Fälle blieb daher in Er­ mangelung eines Beitritts nichts übrig, als anzuerkennen, daß die Versicherungssumme, wenn die Versicherung zu Gunsten „der Erben" genommen war, einen Bestandtheil deS Nachlasses bilde. O.Tr. IV v. 8. Mai 1866, Str. Arch. 62 S. 337. War ein dritter Empfänger in der Polize benannt, so charatterisire sich, wenn durch den Tod des Promifsars die Ungewißheit, ob der Ver­ sicherungsvertrag wieder aufgehoben worden, beseitigt sei, „die zu Gunsten des Dritten geschehene BerkagSschließung als eine Verfügung von TodeSwegen". Demnach maß man dem Dritten zwar gegenüber der Versicherungsgesellschaft wie gegenüber den Erben ein selbstständiges Recht bei; aber er konnte erst nach Befriedigung der Nachlaßgläubiger auf die Versicherungssumme Anspruch erheben. O.Tr. I v. 4. Mai 1864, Entsch. 61 S. 43 (Str. Arch. 55 S. 83), IV v. 27. Nov. 1873, Entsch. 71 S. 1. H. Mit dieser Praxis hat das R.G. gebrochen. Sowohl für die Versicherung einer Wittwen» seitens des Ehemannes zu Gunsten der Wittwe, als auch für die Versicherung des eigenen ohne Bezeichnung der Person, für welche die Versicherung erfolgt (§§. 1968, 2152 d. T.), alS auch endlich für eine solche — im L.R. nicht vorgesehene — Versicherung, bei welcher der­ jenige, zu deffen Gunsten die Versicherung erfolgt ist, benannt ist, nimmt es an: es liege aller­ dings ein Berkag zu Gunsten eines Dritten vor (in dem zweiten der erwähnten Fälle zu Gunsten der der Person nach noch unbestimmten Erben), aber es bedürfe zur Begründung eines festen Rechtes dieses Dritten des Beitritts nicht, „die Beschaffenheit und der Zweck" des LebensversicherungsverttageS lasse die Grundsätze der §§. 75, 76, 153 I. 5 „als unanwendbar erscheinen".

Das Recht auf die Versicherungssumme sei ein durch den Tod des Versicherungsnehmers bedingtes, es entstehe mit dem Tode in der Person des Dritten, habe niemals zum Vermögen des Ver­ storbenen gehört, könne daher auch nicht einen Bestandtheil von deffen Nachlaß bilden. Den Erben stehe höchstens das vertragsmäßige Recht zu, die Zahlung an die Begünstigten zu fordern. Einen gesetzlichen Anhalt hierfür findet das R.G. in §§. 2280, 2293 d. T., in welchen von einem Beitritt dessen, auf den die Polize lautet, nicht die Rede sei. Das Recht des Begünstigten sei aber nicht bloß vom Tode des Versicherungsnehmers bedingt, sondern auch davon, daß er nicht

Bon Versicherungen.

1026

§. 1952. Ueber Alles, was der Gegenstand eines rechtsgültigen Vertrages «eg-niwlde sein kann"), können auch Versicherungen geschlossen werden. (Th. 1. Tit. 5. tuSaSn. §. 39. sqq.) H) §. 1953. Jede künftige Gefahr, die nicht mit verbotenen Handlungen verknüpft ist, kann der Versicherer übernehmen. §. 1954. Ist eine Versicherung über die Gefahr bei verbotenen Handlungen geschloffen, so muß jeder Theil die gezeichnete Summe zur Strafe erlegen. §. 1955. Sind Waaren und Güter, welche wider die Landesgesetze aus-, ein-, oder durchgeführt werden sollen, versichert: so ist der Berpcherte aller Bortheile aus dem Vertrage verlustig, und der Fiscus tritt an seine ©teile16). §. 1956. Hat der Versicherer wiffentlich auf solche Waaren gezeichnet: so wird er als Theilnehmer bestraft, und die Prämie verfällt dem FiscuS. §. 1957. Ist die Versicherung nur zum Theil auf dergleichen Waaren gerichtet, so besteht sie in Ansehung der unterbotenen. §. 1958. Werden jedoch diese mit den verbotenen zugleich confiscirt, oder zur etwa die Versicherung bei Lebzeiten aufgiebt, verwirkt, die Polize übertrage oder die Benennung de- Begünstigten wechsele. R.G. V v. 25. Febr. u. v. S. März 1880, Entsch. 1 S. 188, 878 (erstere- auch J.M.Bl. S. 149); IV v. 19. Sept. 1881, Gruchot 26 S. 899; IV v. 24. April 1883, Entsch. 9 S. 260, Gruchot 27 S. 965; IV v. 21. April 1884, Gruchot 28 S. 895 (die Versicherungssumme gehört bei Eröffnung des Konkursverfahrens über den Nachlaß nicht zur Konkursmasse). Aus der Befugniß des Versicherungsnehmers, bei Lebzeiten über die Polize zu verfügen, folgt, daß sie auch Gegenstand eines gegen ihn erwirkten Arrestes fein kann, R.G. I v. 17. Oki. 1882, Gruchot 27 S. 970. H. Gegen diese Judikatur hat sich lebhafter Widerspruch erhoben. 6. gegen das Urtheil v. 25. Febr. 1880 die (anonyme) Abhandlung bei Gruchot 25 S. 1 ff. (G. 9 Anm. ♦) ist das Urtheil v. 8. März 1880 besprochen), unbedingt auch Dernburg 2 8. 289 (S. 699), nur für den Fall, baß nicht ein bestimmter Dritter in der Polize benannt ist, Förster-Eeeiu- §. 146 Amu. 11 (2 G. 466). ES ist zuzugeben, daß bei Anerkennung der Lebensversicherung als eines Vertrags zu Gunsten Dritter die Unanwendbarkeit deS 8. 76 I. 6 schwer zu rechtfertigen ist daß ferner Dernburg Siecht hat, wenn er behauptet, die 88. 2280, 2298 ff. begründeten nur eine Befugniß des Versicherers, an den durch bie Polize Leginrnirten zu zahlen, ohne über daS Recht deS Letzteren zu bestimmen. Allein eS handelt sich hier, ähnlich wie beim O.Tr. Pl. v. 25. Aug. 1846, um die Bildung einer von dem LerkehrSbedürfniß gebieterisch geforderten prätorischen Juris­ prudenz praeter legem, welcher, da sie nirgends contra legem, d. h. gegen eme bestimmte Vvrr schrist der Gesetze, verstößt, zu folgen die Praxis wohl thun wird. — Vom allgemeinen ©taub* puntt s. über bie Frage noch König in Endemann^S Handb. d. Handelsrechts 2 ©. 826 ff. und die Abhandlung von Scherer in oem Jahrb. f. d. gern. Recht 20 S. 149, welcher in äußerst gekünstelter Werse durch Zwischenschiebung einer Schenkung zu demselben Resultate gelangen will, wie jetzt das R.G.; endlich Kühne in Busch, Arch. f. Handels- u. Wechsele. 46 S. 190ff., welcher die Rechtsstellung des Begünstigten von seiner Stellung ^um Versicherten (ob solutionis causa adjectus, ob dritter im Sinne von I. 5. §. 74, ob letztwEg Honorirter) und diese von der konkreten Gestatt des BerficherungSverttages abhängig sein läßt und die Theorie deS R.G. reprobirt 18) Z. B. auch eine hypothekarische Forderung auf den Fall deS AbbrennenS deS ver­ pfändeten Gebäudes; nur darf die Versicherung nicht unmittelbar auf daS Gebäude selbst ge­ nommen werden, weil dadurch daffelbe doppelt verfichett werden würde. Beschl. des Rin. d. Inn. v. 29. Juni 1827 (v. Kamptz, Annal. 11 S. 465). H. DaS RL.H.G. v. 26. «är, 1872; Entsch. 6 S. 832, hat die Versicherung einer Hypothekenforderung gegen die Gefahr deS Ausfalls in einer Subhastatton für zulässig erachtet. Ueber die Versicherung von Werthpapieren gegen Auslosung s. Alexander-Katz m der Zeitschr. f. d. ges. Handelsrecht 28 S. 552. — Vgl. Dernburg 2 §. 233 Nr. 1 (S. 684) u. Förster-EcciuS §. 145 (2 S. 460fj. 14) H. Versicherung gegen Untergang und Beschädigung von Sachen kann Jeder nehmen, der an Erhaltung der Sache ein Interesse hat, soweit dieses Interesse reicht, also nicht bloß der Eigenthümer, sondern auch der Nießbraucher (vgl. Anm. 42 zu L 21 8. 60), der Pächter, der Leiher, Verwahrer, Pfandgläubiger, auch der chirographarische Gläubiger bezüglich der Objekte, welche rechtlich ober thatsächlich zunächst als Deckung seiner Forderung dienen. Dernburg 2 g. 233 Nr. 1 (©. 682 f.); Förster-Eccius §. 145 (2 S. 460). 16) Und der Versicherer wird nach Vorschrift des g. 14 Ges. v. 23. Jan. 1838 bestraft (G S. S. 78). Koch, Allgemeines Landrecht.

III.

8. Aust.

65

1026

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 1969—1975.

Bezahlung der verwirkten Strafe verwendet: so ist der Versicherer zur Vergütung nicht schuldig. §. 1959. In Kriegszeiten darf kein Unterthan auf Kriegsbedürfnisse, die feindlichen Unterthanen gehören, oder ihnen sonst zugewendet werden sollen, Ver­ sicherung geben. (§. 2034. sqq.) §. 1960. Ein Gleiches gilt von Lebensmitteln aller Art, die in feindliche Magazine, für feindliche Armeen und Festungen gehören, oder dahin geliefert werden sollen. §. 1961. Jngleichen von allen Waaren und Sachen, worüber der Handel mit feindlichen Unterthanen wahrend des Krieges verboten ist 16). §. 1962. Hat Jemand, diesen Vorschriften zuwider, auf solche Sachen Ver­ sicherung gegeben, so ist der Vertrag ungültig. §. 1963. Hat er es wissentlich gethan, so muß er die gezeichnete Summe dem FiscuS zur Strafe bezahlen. §. 1964. Ist aber dem Versicherer die verbotene Qualität der Waare nicht bekannt gewesen, so ist er nur die erhaltene Prämie an den Fiscus herauSzugeben schuldig. §. 1965. Die Strafe des Versicherten ist nach Vorschrift des Criminalrechts zu bestimmen 17).18 19 §. 1966. Der Anfang eines Krieges wird von der Zeit an gerechnet, da die Land- oder Seemacht sich zu Kriegsoperationen gegen den Feind in Bewegung fHt. §. 1967. Nur mit Bekanntmachung der geschlossenen Friedenspräliminarien wird ein Krieg für beendigt geachtet. §. 1968. Jedermann kann sein eigenes Leben") versichern lassen"). 16) Die Versicherung des feindlichen Eigenthums — sagt eine Rote zu diesem §. im gedr. Entw. Theil 1 Abth. 2 S. 298 — ist hier nur in denjenigen Fällen untersagt worden, wo sie zur Unterstützung der feindlichen Unternehmungen gereichen könnte. Privathandel mit Sachen, welche zu obgedachtem Endzwecke nicht dienen, zu verbieten, würde mit den gemilderten Grund­ sätzen des Völkerrechts nicht bestehen, nach welchen die Handlung zwischen den kriegführenden Mächten ohne erhebliche Ursache nicht gestört werden darf. 17) Eine solche Bestimmung fehlt im Str.G.B. (H. soweit nicht der Fall detz Landesverrats nach §. 89 gegeben ist). Das Ges. v. 23. Jan. 1838 §. 14 (Sinnt. 16) hat eine Strafbestimmung für den Fall der Kontrebande, welcher unter Versicherung betrieben wird. 18) H. In neuerer Zeit ist von vielen Seiten bestritten worden, daß die sog. Lebens­ versicherung unter den Begriff der Versicherung falle, wobei dann freilich die Meinungen über den RechtScharakter, der dem Geschäfte beizulegen sei, auseinandergehen. Eine Zusammenstellung der verschiedenen Meinungen giebt König in Endemann'S Handb. d. Handelsrechts 2 S. 776. Bon neueren Erörterungen find zu nennen: aus der Zeitschr. f. d. ges. Handelsrecht: Goldschmidt 23 S. 179; Ehrenberg 31 S. 484 (für den Charakter als Versicherung); Predöhl 22 S. 441 (für Annahme eines „gemischten" Charakters); Hinrichs 20 S. 389 (gegen den Charakter als Versicherung) ; ferner (in demselben Sinne) : Fick, über die rechtliche Natur des LebensverstcherungSvertrageS (Würzburg 1884); entgegengesetzt.Kühne in Busch, Arch. f. Handelsrecht u. Wechselrecht 46 S. 51); Dernburg 2 §. 239 (S. 696) ist gegen, FörsterGccius 8. 146 (2 S. 463) für die Annahme eines Versicherungsvertrages. Für daS preuß. Recht ist die Frage dadurch, daß das Gesetz selbst die Lebensversicherung zu den Versicherungen rechnet, dahin entschieden, daß wenigstens aus einer abweichenden wissenschaftlichen Konstruktton deS Rechtsgeschäfts keine Folgerungen für die Praxis hergeleitet werden dürfen. DaS R.G. hält nicht nur für das preuß. Recht (V v. 25. Febr. 1880, Entsch. 1 S. 188, insbes. S. 190), sondern auch für das gem. Recht (I v. 5. Jan. 1881, Entsch. 3 S. 104) an dem Versicherungs­ charakter auch theoretisch fest. Das L.R. behandelt die Lebensversicherung nicht zusammenhängend. Vorschriften über dieselbe finden sich außer in §§. 1968-1974 in §§. 2089, 2152 ff., 2280, 2293 ff. d. T. Literatur: Staudinger, Rechtslehre vom Lebensversicherungsvertrage (Erlangen 1858); König in Endemann's Handb. d. Handelsrechts2 S. 776 ff.; Dernburg 2 8.239 (S. 696 ff.); Förster-Eccius §. 146 (2 S. 463 ff.). 19) Die Versicherung kann bei jeder beliebigen Anstalt, auch in einer ausländischen, geschehen. Aber die Agentur für eine ausländische Renten-, Aussteuer-, Wittwen- und Lebens-

Bon Versicherungen.

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8 1969. Auf einen durch Berbrechen verwirkten Verlust des Lebens kann jedoch eine solche Versicherung weder gegeben, noch gedeutet werden a"). §. 1970. Hat aber Jemand das Leben eines Dritten versichern lassen: so hastet der Versicherer für jeden auch von dem Dritten selbst verschuldeten Verlust des Lebens; wenn nicht daS Gegentheil festgesetzt worden. §. 1971. Settern, Kinder, Ehegatten, oder Verlobte, können für eigene Rech­ nung daS Leben ihrer Kinder, Settern, des anderen Ehegatten oder Verlobten, ver­ sichern laffen. §. 1972. Unter Kindern werden eheliche Descendenten in absteigender Linie verstanden. (Th. 1. Tit. 1. §. 40. 41.) §. 1973. Außer diesen kann Niemand, zu seinem eigenen Vortheil, auf daS Leben eines Dritten, ohne dessen gerichtlicheai) Einwilligung, Versicherung nehmen *’). §. 1974. Ist dies dennoch geschehen, so muß Jeder, sowohl der Beyicherer, als der Versicherte, die gezeichnete Summe, zum Besten der Armen, als Sttafe erlegen. §. 1975. Auch die Freiheit eines Menschen kann gegen See- und Türken­ gefahr, barbarische Seeräubereien, feindliche Aufbringung, oder Gefangenschaft Ma) ve^ichert werden. Versicherungs-Gesellschaft kann nur mit polizeilicher Genehmigung übernommen werden. Sers. deS Min. d. Inn. v. 29. Okt., 12. und 26. Dez. 1887 (v. Kamvtz, SimoL 21 S. 1088, 1036), Ausländische Unternehmer von Versicherungsanstalten, welche im Jnlande Agenten bestellen wollen, sowie ausländische Agenten bedürfen dazu der Erlaubniß der Ministerien. Ges. v. 17. Mai 1868 §§. 2 u. 4 (G.S. S. 298 und Zus. zu §. 2868 d. T.). H. Bgl. auch §. 12 Gew O. (Zus. 9 zu §. 400 d. T.) und Anm. 18 dazu; ferner g. 360 Rr. 9 RStt.G.B.; §. 14 «bs. 2 Gew O. 20) H. Die Klausel in der Polize, daß der Versicherungsvertrag erlösche, wenn der Ver­ sicherte sein Leben durch Selbstmord verliere, umfaßt im Zweifel nuht auch den Fall der im unzurechnungsfähigen Zustande verübten Selbstentleibung. RD.H.G. I v. 16. Okt. 1876, Entsch 18 S. 210. Dazu vgl. v. Domin-PetruShewecz bei Gruchot 20 S. 606. Ebenso (für gern. Recht) R.G. HI v. 8. April 1881, Entsch. 4 S. 167. Die «eweislast für den Tod durch Selbstmord trifft die Versicherungsgesellschaft; vermag sie aber die Beibringung von Gift darzuthun, so hat sie nicht noch außerdem zu beweisen, daß dieselbe vorsätzlich erfolgt ist. Der Beweis kann durch GideSzuschiebung an den aus der Polize Berechtigten geführt werden, wenn er auch nicht der Erbe des Verstorbenen geworden ist; denn letzterer war m Beziehung auf den Anspruch auf die Versicherungssumme fein Rechtsvorgänger; R.G. I v. 28. Rov. 1888, Gruchot 28 S. 1138. Behaupten die Kläger Tüotung in Unzurechnungsfähigkeit, so haben sie dieS zu be­ weisen; angef. R.G. v. 8. April 1881. — Vgl. über diese Fragen: Dernburg 2 §. 239 Anm. 8 (S. 698); Förster-EcciuS §. 146 Anm. 19 (2 S. 468); ferner aus der Zeitschr. f. d. ges. Handelsrecht die Abhandlungen von Fick 20 S. 1; Goldschmidt 23 S. 183; endlich EmminghauS, die Behandlung deS Selbstmords frei der Lebensversicherung (Leipzig 1885). 21) H. Jetzt genügt schriftliche Einwilligung. §. 1 Ges. v. 11. Juli 1846 (G S. S. 496). 22) Zur Rechtfertigung dieses Verbots sagt eine Rote im gedr. Gntw. Th. 1 Abth. 2 S. 299: „Versicherungen auf daS Leben eines Dritten find den Grundsätzen und der Analogie der ge­ meinen Rechte zuwider; sie können dem Dritten, auf dessen Kopf sie geschloffen sind, gefährlich werden. Die Erlaubniß, dergleichen Versicherung zu nehmen, wird daher billig nur auf solche Personen eingeschränkt, denen, der Regel nach, an der Konservatton des Versicherten mehr gelegen sein muß, als an der Erhaltung des gezeichneten Quanti." — Auch in dem alten französischen Rechte waren die Versicherungen auf das Leben der Menschen verboten. Die Marine-Ordonnanz von 1681 hat diese- Verbot ausdrücklich wiederholt; kein späteres Gesetz hat es aufgeboben; daS Civil-Gesetzbuch spricht gar nicht davon, und der beredteste seiner Verfasser, Port al iS, sprach sich am 27. Februar 1804 im gesetzgebenden Körper dahin aus, daß die Lebensversicherungen nicht zu den Kaufverträgen, sondern zu den in Frankreich verbotenen Uebereinkünsten gehörten, weu der Mensch kein Handelsattikel sei und sein Tod nicht zum Gegenstand einer kaufmännischen Spekulatton gemacht werden dürfe ; die Spekulation auf den Tod eine-Menschen reiche oft dem Verbrechen die Hand rc. In England verbietet das Statut 12 Georg III c. 48 bei Sttafe der Ungültigkeit der Polize, das Leben eines Dritten, ohne daran Interesse zu haben, oder für eine höhere Summe als das Interesse beträgt, versichern zu lassen. Auf den Einkauf einer Person in eine Sterbe- oder Begräbnißkaffe durch einen Dritten bezieht sich daS Verbog nicht. Erk. des O.Tr. in Stengel 16 S. 206.

1028

geettet Lheil. Achter Xitel §§. 1976-9005.

§. 1976. Wird auf solche Art die Freiheit eines Dritten versichert, so ist dessen Einwilligung dazu uicht nöthig. §. 1977. Versicherungen der Freiheit auf andere Arten des Verlustes sind ungültig, wenn der Dritte, desien Freiheit versichert worden, nicht seine Einwilligung dazu gerichtlich ertheilt hat. §. 1978. Bei erfolgter Einwilligung aber findet die Vorschrift des §. 1970. statt. §. 1979. Derjenige, welcher die LoSkaufung eines von Feinden oder Seeränbern Gefangenen übernommen hat, kann sich das Lösegeld nebst den Kosten wieder versichern laffen. §. 1980. Ein Bodmereigeber kann, auf den Betrag feines Capitals, nebst kaufmännischen Zinsen davon, und der Assecuranzprämie, Versicherung nehmen*’). §. 3981. Auch auf daS den Schiffsleuten gegebene Handgeld, und die voraus­ bezahlte Heuer, kann von dem Rheder Versicherung genommen werden"). §. 1982. Eben dies findet von Frachtgeldern statt, »tteeu §. 1983. Durch Versicherungen muß der Versicherte sich nur gegen Schaden 5eeoeeu decken, nicht aber Bereicherung dadurch suchen*•).

fff .8 1984. Niemand darf eine Sache höher versichern laffen, als bis zum gemeinen »nnee. Werthe derselben, zur Zeit des geschlossenen Vertrages. (Th. 1. Tit. 11.se) §. 111.) §. 1985. Bei Versicherungen auf das Casco eines Schiffes werden in deffen Würdigung alle Unkosten der AuSrhedung und Ausrüstung, die Provision, die vorauSbezahlte BolkSheuer und die Assecuranzprämie mit- und eingerechnet; und der Werth des Schiffes wird so bestimmt, wie er zur Zeit der Absegelung wirklich gewesen ist. §. 1986. Werden aber die Frachtgelder besonders versichert, so darf die Berficherung deS Casco nur bis zu demjenigen . Werthe, welchen daS Schiff, nebst Geräthe, ohne die Ausrüstungskosten, beim Abgänge gehabt hat, geschloffen werden §. 1987. Versicherungen auf Waaren sollen den Einkaufspreis nrcht übersteigen. §. 1988. Jedoch kann der Versicherte alle Zölle, Abgaben und Unkosten zu­ schlagen, die er daraus bis zur Zeit, da sie wirklich an Bord gebracht, oder sonst abgesendet sind, hat verwenden müssen. §. 1989. Auch die Versicherungsprämie selbst kann er mit in Anschlag bringen®7*). §. 1990. Eine Versicherung auf Frachtgelder darf den Betrag der durch Connoffemente oder Charte-Partie festgesetzten Fracht, und der kleinen Haverei, nicht übersteigen. §. 1991. Versicherungen auf gehofften oder sogenannten imaginairen Gewinn find nur'in so weit gültig, als sie ausdrücklich darauf geschloffen, und zugleich der Gegenstand, von welchem der Gewinn erwartet wird, bestimmt angegeben worden ®8). 22*) H. Aber nicht gegen Verhaftung wegen gesetzwidriger Handlungen, arg. §. 1953 d. T., Förster-EceiuS §. 146 a. E. (2 S. 469). 28) H. S. jetzt Art. 783 H.G.B. 24) H. Vgl. Art. 800 H.G.B. 26) Der Grund dieser und der folgenden Verordnungen liegt in der Nothwendigkeit, den gefährlichen Betrügereien vorzubeugen, welche, wenn Versicherungen über den wahren Werth erlaubt sein sollten, von dem Versicherten zu leicht verübt und von dem Versicherer zu schwer ent­ deckt werden könnten. S. die Anm. z. gedr. Entw. Th. I Abth. 2 S. 301. 26) Statt „11" ist „2" zu lesen. R. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 50 S. 477. H. Genauere Bestimmungen in Betreff des Verbots der Ueberversicherung enthält das Ges. v. 8. Mai 1837 (Zus. zu §. 2063 d. %.). 27) H. Vgl. zu §§. 1986 f. Art. 799, 800 H.G.B. 27») S. Art. 803 H.G.B. 28) H. Doch ist dies eine unter §. 2101 d. T. fallende Abweichrmg von der Regel. S. das in Anm. 100 zu jenem §. angef. Urtheil.

Bon Versicherungen.

1029

§. 1992. Versicherungen auf das Bestehen, Steigen und Fallen der Waarenpreise sind nur den Kaufleuten erlaubt. §. 1993. Es muß jedoch dadurch keine dem gemeinen Wesen nachtheilige Preis­ steigerung beabsichtigt werden. §. 1994. Liegt diese zum Grunde, so ist der Vertrag ungültig; die Prämie verfällt dem Fiskus; und die Contrahenten müssen nach Vorschrift de- Criminalrechts bestraft werden"). §. 1995. Versicherungen auf Interesse oder Richtinteresse sind auf keine höhere Summe gültig, als das in der Police angezeigte Jntereffe wirklich beträgt. §. 1996. Wird von dem Versicherten80) nachgewiesen, daß das wirkliche Interesse weniger, als die bezeichnete Summe betrage: so findet verhältnißmäßig daRistorno statt. §. 1997. Dagegen darf, auch bei dieser Art von Versicherungen, ein Mehrere-, als die gezeichnete Summe, von dem Versicherer niemals vertreten werden. §. 1998. In so weit Schiffe oder Güter bereits verbodmet find, sollen sie von dem Bodmereinehmer, bei Verlust der bedungenen Prämie, und Richtigkeit des Betrages, nicht versichert werden. §. 1999. Diejenige Summe aber, welche an dem vollen Werthe fehlt, so wie auch die Art der Gefahr, welche der Bodmereigeber nicht übernommen hat, kann besonders versichert werden 81). §. 2000. Niemand soll über einen und eben denselben Gegenstand, auf ** nach §. 1984. sqq. zu bestimmenden Werth •*), mehrere Versicherungen nehmen. Nimm §. 2001. Wer Versicherung sucht, muß gewissenhaft anzeigeu: ob and iajgfjgl

welcher Art er bereits an einem anderen Orte Versicherung genommen, oder z« deren Schließung Ordre ertheilt habe. ££>3»

§. 2002. Wer bei einer solchen Anzeige eine vorsätzliche UnriAigkeit zum Schaden des Versicherers, oder eines Dritten begeht, soll, außer de« Verluste ferne» Recht- aus den beiden oder mehreren Versicherungen, als ein Betrüger bestraft werde«. §. 2003. Ist die Anzeige aus grobem oder mäßigem Versehen unterlassen worden: so bleibt nur die älteste Versicherung bei Kräften, und eS muß nichts­ destoweniger die bei der jüngeren Versicherung bedvngeae Prämie bezahlt werden °). §. 2004. DaS Datum der geschehenen Zeichnung bestimmt, welcher Contraet der ältere sei, wenn auch die Police ein andere- Datum enthaltm sollte. §. 2005. Diese Vorschrift findet in der Regel auch alsdann Anwendung, 29) Eine solche Strafvorschrift fehlt. 30) Soll „Versicherer" heißen.

Reskr. v. 28. De,. 1837, Jahrb. 50 S. 477.

81) H. Vgl. Art. 807 H.G.B. 82) Auf den ganzen Werth mehrere Versicherungen zu nehmen ist »erboten, nicht aber bte Versicherung des Werth» zum Theil bei diesem, zum Theil bei anderen, wenn nur all« Ver­ sicherungen zusammen nicht den Werth übersteigen. §. 2008. H. 6. jedoch für Feuerversicher­ ungen §. 2 Ges. ». 8. Mai 1887 (Zus. zu §. 2063 d. T. u. Lum. dazu).

88) Die jüngere Versicherung gilt auf da» Quantum, wa» bei der älteren noch an dem »ollen Werthe fehlt, nach §. 2008. Die Untersuchung der Frage: ob der Versicherte im Falle einer Doj>pelv«rsicherung im bösen Glauben oder au» einem vertretbaren Versehen gehandelt habe, wird durch die Be­ stimmung eines Versicherung-reglement», z. B. de» §. 11 de» Regl. für bie Provinzial-FeuerSozietät der Provinz Westvhalen v. 6. Jan. 1836: daß Doppelverficherung den Lermst de» Recht» auf die Brandentschädigung zur Folge hab«, nicht «»»geschloffen, wen« auch d«in der Dow» und bie Kulpa als nothwendige Voraussetzung de» Verluste» nicht besonder» oder aus­ drücklich erkennbar gemacht ist; sie versteht sich bei Verträgen von selbst. O.Tr. IV v. 8. April 1856, Entsch. 34 S. 272 (Str. Arch. 21 S. 47). H. Es genügt aber nach dem bezeichneten

1030

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 2006—2096.

wenn die eine Versicherung von dem Prinzipal selbst, und die andere von dem Factor geschlossen worden. §. 2006. Hat aber Jemand einem Correspondenten Ordre ertheilt, Versicherung für ihn zu nehmen, und nachher sich selbst darüber Berfichemng ertheilen laffen: so wird auf das Datum der gegebenen Ordre gesehen. (Th. 1. Tit. 13. §. 88.) §. 2007. Hat ein Korrespondent ohne Ordre Versicherung für Jemand an­ genommen : dieser aber, weil eS ihm unbekannt gewesen, einen solchen Vertrag eben­ falls geschloffen. so wird diejenige, welche znletzt gezeichnet worden, ristorniä.

§. 2008. Ist in vorstehenden Fällen, §. 2003. sqq., durch bett älteren Kontrakt eine Summe Unsicher!, die bett vollen nach §. 1984. sqq. zu bestimmenden Werth der Sache noch nicht erreicht: so gilt der zweite auf da- an diesem vollen Werthe noch fehlende Quantum; und in Ansehung deS UeberresteS findet die Rückforderung der Prämie nur in dem Falle des §. 2007. statt84). 8 2009. Ist ein Gegenstand nur auf eine gewisse bestimmte Zeit versichert, so kann derselbe, wegen Verlustes und Schadens, welche sich vor dem Eintritte dieser Zeit, oder nach deren Ablauf ereignen, anderweitig versichert werden. §- 2010. Wenn eine Sache nur bis zu einem gewissen Orte versichert wordm, so ist die femere Versicherung derselben von diesem btS zu einem anderen Orte zulässig. 8- 2011. ES ist auch erlaubt, über die Zahlungsfähigkeit feines Versicherers Berfichemng zu nehmen. 8- 2012. Wird über das Vermögen des Versicherers86) vor beendigter Gefahr ConmrS eröffnet, so steht dem Versicherten88) frei, anderweitige Berfichemng zu nehme«. 8- 2013. Alsdann kann er die Prämie von dem ersten Versicherer ohne Abzug zurückfordem8'), wenngleich die bei der anderweitigen Berfichemng bedungene Prämie geringer sein sollte. 8- 2014. Er muß aber, bei Vermeidung der 8- 2014.88) bestimmten Strafe, sogleich, als er die anderweitige Berfichemng sucht , oder dazu Ordre giebt, den

Curator der Maste des ersten Versicherers davon benachrichtigen. 8- 2015. Will er bei dem Vertrage bleiben, so kann er, wenn der Versicherer Mitversicherung genommen hatte, gegen Erstattung der dafür bezahlten Prämie und Kosten, verlangm, daß ihm alle Rechte gegen den Rückversicherer abgetreten

werdm8e). «ostetwo» §. 2016. Der Versicherer kann sich die gezeichnete Summe, ganz oder zum ÜM? Theil, von einem Anderm wieder versichem lasten. 34) Nach dieser Vorschrift soll, wenn durch den älteren Kontrakt eine Summe versichert ist, welche den vollen Werth der Sache nicht erreicht, die »weite Versicherung auch in dem Falle, daß sie ristornirt werden muß, auf das an jenem vollen Werthe noch fehlende Quantum gelten. Dies tangirt aber die ältere Versicherung gar nicht. Und wenn daher die später genommene Versicherung auf eine höhere Summe lauten sollte, als diejenige ist, welche bei dem ersten Versicherer gezeichnet ist, so kann hieraus in keiner Weise Veranlassung entnommen werden, die Lerpflühtung des älteren Versicherers zur Zahlung der vollen bei ihm gezeichneten Versicherungs­ summe irgendwie in Zweifel zu ziehen, oder auch nur theilweise als eine unsichere oder ungewiß gewordene zu bezeichnen. O.Tr. IV v. 10. Jan. 1866, Str. Arch. 68 S. 69. H. S. jedoch für Feuerversicherungen §. 2 Ges. v. 8. Mai 1837 (Zus. zu §. 2063 d. T.) und Anm. 66 dazu. 36) H. Der Einfluß des Konkurses über das Vermögen des Versicherten bestimmt sich nach §§. 16, 21 R.Konr.Ordn. Förster-Eccius §. 145 Nr. I a. E. (2 S. 461). 86) Die Ausgaben von 1832 und das G.B. haben den Druckfehler „Versicheret. 37) Ein Vorzugsrecht steht ihm im Konkurse nicht zu. 38) Der §. 2002 ist gemeint. Vgl. Reskr. v. 29. Dez. 1837, Jahrb. 60 S. 478. 89) H. Die §§. 2012—2015 d. T. find durch §. 20 R.KonkOrdn. aufrecht erhalten. 40) H. Dgl. Dernburg 2 §. 233 Nr. 2e (S. 687); Ehrenberg, die Rückversicherung, Rostock 1885.

Bon Versicherungen.

1031

§. 2017. Er muß aber, außer den §. 2014.") sqq. vorgeschriebenen Pflichten, bei Verlust seines Rechts, ausdrücklich anzeigen» daß er eine Rückversicherung verlange. §. 2018. Die Rückversicherung kann auf das ganze versicherte Quantum, mit Einrechnung der Prämie für die Assecurauz, genommen werden. Z. 2019. Zwischen demjenigen, welcher die Rückversicherung nimmt, und seinem Versicherer, finden eben die Verhältnisse statt, als zwischen denjenigen, welche die erste Versicherung geschlossen haben **). §. 2020. Die Rechte und Verbindlichkeiten zwischen dem ersten Versicherer und Versicherten werden durch die Rückversicherung m nichts geändert"»).

tz. 2021. Eben so wenig ändert sich das Verhältniß des ersten Berficherers !legen seinen Rückversicherer, wenn jener, ohne Genehmigung des Letzteren, sich mit einem Versicherten über das bei entstandenem Unglücksfalle zu vergütende Quantum vergleicht4"). §. 2022. Ist aber dem ersten Versicherer von der liquiden Vergütigungssvmme etwas erlassen, so kommt diese- auch dem Rückversicherer zu statten **"). §. 2023. Wird über deS ersten Versicherers Vermögen Coneurs eröffnet, so muß der Rückversicherer nichts destoweniger an deffe« Ereditmaffe eben so die volle Vergütung bezahlen, als ob kein ConcurS entstanden wäre4S). §. 2024. Bei Schließung des Versicherungsvertrages sind beide Theile zu Glicht« der besonderer Treue, Redlichkeit und Aufrichtigkeit verpflichtet; und eS finden bietSw«» Vorschriften des ersten Theils Tit. 11. 88 539. sqq. Anwendung"). 8, 2025. Hat der Versicherer, vor Schließung des ContractS, gewiffe oder eSfieeei. wahrscheinliche Nachricht, daß die Sache bereits in Sicherheit, oder die Gefahr, für welche die Versicherung ertheilt werden soll, schon ganz überstanden sei, erhalten, und dieselbe dem Versicherten verschwiegen: so muß er die ganze Prämie zurück­

geben, und den doppelten Betrag derselben zur Strafe erlegen *»). §. 2026. Verschweigt der Versicherte Umstände, welche nach dem vernünftigen Ermessen der Sachkundigen, auf den Entschluß deS Versicherers, sich in den Ber­ trag emzulaffen, hätten Einfluß haben können: so ist die Affecnranz unverbindlich, und die Prämie verfallen44 41).* 43 41) Man hat §. 2001 zu lese«, wie der Augenschein zeigt. 43) H. Bgl. zu 8. 2019 Ehrenberg a. a. D. 6. 69ff. Luch ein Beitrag, durch welchen eine Versicherungsgesellschaft die sog. Exeedrnten, d. h. nur diejenige» Beträge der BerficherungSsumme, welche daS bei einer jeden Gesellschaft zulässige Maximum der BerficherungSbeträg« überschreiten, bei einer anderen in Rückversicherung gegeben hat, und zwar bezüglich einer noch unbestimmten Anzahl eigener HauptversicherunaSanträge, ist ein Berstcherungsvernag und nicht ein Bertrag über Handlungen. R.G. I v. 20. Febr. 1872, Entsch. 6 6. 164; vgl. über de» Excedentenvertrag Dernburg 2 8- 938 A. 21 (@. 687.): Ehrenberg a. a. O. S. 82. 42») H. Ueber den umgekehrten Fall, die Lbhüngigkeit der Rückversicherungen von der Hauptverficherung vgl. Ehrenberg a. a. D. 6. 63. 42b) H. »gl. zu 8. 2021 Ehrenberg a. a. O. S. 118ff. 48«) H. »gl. zu §. 2022 Ehrenberg a. a. O. S. 126. 43) Wenn nicht der Bersicherte von der ihm im §. 2016 eingeräumten Befugmß Gebrauch gemacht hat. Äui vem §. 2016 muß der Bersicherte, wem» er keine Aussicht auf Befriedigung aus der Masse hat, auch Befriedigung aus der RückverficherungSsumme finde» dürfe«, da ihm ein Titel auf das Eigenthum der Forderung zusteht. Bgl. auch Ehrenberg a. a. O. 6.128ff. 44) H. R.OH.S. v. 4. «pml 1871, Entsch. 2 S. 183, und H v. 26. Rov. 1871, Entsch. 4 6.63, führen übereinstimmend auS, daß eine rigoristische und lediglich den Wortlaut beachtende Interpretation der sog. Polizebedingungen dem Zwecke d«S BerficherungsinstitutS, sowie de« vernünftige» Willen redlicher Paciszenten widerstreite, und mache« davon auf die in den Polizebedingungen für Anzeige des Schadens gegebenen Frist- und Formbestimmungen bez. auf die in denselben für die stlageerhebung festgesetzte Ausschlußfrist dahin Anwendung, daß nicht schon die bloße Richteinhaltung solcher Borschristen an und für sich die Verwirkung deS An­ spruchs auf die Berficherungssumme nach sich ziehen soll. Bgl. auch Dernburg 2 §. 288 a. E. (S. 688).

1032

Zweiter Theil. Achter Titel. §§. 2027—2049.

§. 2027. Dagegen soll dem Versicherten die Entschuldigung, daß die erhaltene und verschwiegene Nachricht noch unzuverlässig oder zweifelhaft gewesen sei, nicht zu statten kommen. §. 2028. Kann er überführt werden, vor Schließung des ContractS, von einem die Sache betreffenden Unglücksfalle sichere Nachricht gehabt zu haben, so soll er noch außerdem als Betrüger bestraft werden. §. 2029. Wird die Versicherung durch einen Bevollmächtigten genommen, so muß der Versicherte deffen Fehler als seine eigenen vertreten46 * *).* * * * * * * * * * * §. 2030. Soll nn Schiff versichert werden: so muß der Versicherte, bei Vermeidung der §. 2026. festgesetzten Strafe, die Bauart, Größe, und den gegenwärtigen Zustand deffelben, nach seiner besten Wiffenschast angeben; auch anzeigen: ob es von anderem als eichnem Holze erbauet sei; die wievielste Reise es thue; und ob es mit den erfordnlichen Dokumenten verletzen sei. §. 2031. Der Versicherte muß ferner, bei gleicher Strafe, dafür sorgen, daß das Schiff ru der vorhabenden Reise in tüchtigen Stand gesetzt, und gehörig aus­ gerüstet werde. §. 2032. Ist daS Schiff ein genommenes oder Prisenschiff, so muß er, bei gleicher Strafe, dem Versicherer eröffnen, ob es schon auf einer freien Rhede, oder in einem freien Hafen gewesen ist. §. 2033. Soll eine CaScoversicherung zu Kriegszeiten geschloffen werden, so muß der Versicherte getreulich angeben: ob auf dem Schiffe Waaren oder Sachen 46) H. Die unvollständige und darum unrichtige Beantwortung der in der Deklaration gestellten Fragen reicht hin, um die Assekuranz unverbindlich zu machen. Es besteht kein allge­ meiner Rechtsgrundsatz des Inhaltes, daß nur Arglist oder grobe Fahrlässigkeit des VerficherungSnehmers den Verlust des Anspruches nach sich ziehen soll. Es reicht vielmehr, wenn die BersicherunaSbedingungen nicht etwas Anderes bestimmen, aus, daß der Versicherungsnehmer sich des verschwiegenen Umstandes bewußt war, und es kommt nicht in Betracht, ob er dessen Er­ heblichkeit für den Entschluß der Gesellschaft, sich auf das BersicherungSgeschäst einzulafien, er­ kannt hat. Hierüber steht nur der Gesellschaft ein Urtheil ^u. R.O.H.G. I v. 16. März 1876, Entsch. 17 S. 20. Die Verschweigung eines früher erlittenen Brandschadens fällt, abgesehen von abweichenden Dolizebestimmungen, nicht unter 8. 2026 d. T. Die bloße Nichtausfüllung einer Frage im Antragsformular ist an und für sich noch nicht als Verneinung aufzufafsen. R. G. I v. 21. Febr. 1883, Entsch. 9 S. 237. — Vgl. auch Dernburg 2 z. 232 Nr. 2 (S. 681 f.); Färster-Eecius 6. 146 A. 66 (2 S. 464). 46) H. DaS RO.HG. hat m zwei preußischrechtlichen Fällen, I v. 19. Nov. 1872, Entsch. 8 S. 66, und I v. 16. Mittz 1876, Entsch. 17 S. 20, ausgesprochen, wenn der Versicherungsnehmer dem Agenten der Gesellschaft oder sonst einem Dritten die Beantwortung der in dem Ver­ sicherungsverträge an ihn gestellten Fragen überlassen habe, so nehme er das Risiko unrichttger Antworten auf sich; denn er versetze die Gesellschaft in den Irrthum, daß von ihm als Unter­ zeichner auch die Richtigkeit dieser Antworten habe anerkannt werden sollen. R.G. I v. 27. Juni 1886, Sruchot 29 S. 940, führt dagegen auS: wenn der Antragsteller im Vertrauen darauf, daß der Agent die Beantwortung der Fragen in dem Sinne, welchen die Gesellschaft damit ver­ knüpft, am besten verstehe, diesem die Beantwortung in solchen Dingen überlasse, welche von dem Agenten wie von jedem Dritten unmittelbar wahrgenommen werden können, bei denen es also einer Mittheilung befielt, was von dem Versichernden (über seine trüberen Versicherungen, über erlittene Brandschäden u. s. w.) zu erfahren sei, nicht ankomme, uno wenn der Antrag­ steller, ohne Kenntniß von dem, waS der Agent etwa der Wahrheit zuwider niedergeschrieben, zu nehmen, die von diesem niedergeschriebenen Antworten unterschreibe oder unterschreiben lasse, so lasse sich nicht sagen, der Antragsteller habe die Fragen schuldvoll falsch beantwortet oder die falsche Beantwortung schuldvoll herbeigeführt. In Bezug genommen ist eine gemeinrecht­ liche Entscheidung III v. 3. Juli 1883, Entsch. 9 S. 196, wo eben die Anträge nicht vom Ver­ sicherten, sondern vom Agenten unterschrieben waren. — Die Frage ist nicht grundsätzlich zu entscheiden: eS kommt auf die Thatumstände des Falles an, ob die Gesellschaft in der That über den Ursprung der Antworten in Irrthum versetzt wurde (waS daS R.G. im letzten Fall ausdrücklich verneint), ob der Versicherte die Ausfüllung dem Agenten im Vertrauen auf deffen bessere Geschästskenntniß bona fide überlafien durfte u. s. w. Dernburg 2 8. 232 «. 6 (S. 680).

Son Bereicherungen.

1033

befindlich sind, welche für verboten geachtet werden, oder von den kriegführenden Mächten dafür erklärt worden. §. 2034. Verbotene Waaren find: grobes Geschütz und die dazu gehörende Ammunition, Granaten, Bajonette, Flinten, Karabiner, Pistolen, Kugeln, Flinten­ steine, Lunten, Pulver, Salpeter, Schwefel, Picken, Säbel, Degen, Sättel, Haupt­ gestelle, Zelte, und was sonst durch besondere Verträge zwischen den verschiedenen Nationen einzunehmen verboten ist. §. 2036. Bon Sachen dieser Art darf in der Regel kein Kauffahrteischiff in Krieg-zeiten mehr einnehmen, als zum eigenen Bedürfniß erfordert wird. §. 2036. Masten, Schiffholz, Taue, Segeltuch, Hanf, Pech, Korn, und andere Materialen, die in Kriegsbedürfnisse verwandelt werden können, «gleichen Pferde, gehören nicht unter die verbotenen Güter. §. 2037. Land- oder Seeoffiziere und Soldaten der kriegführenden Mächte sollen von neutralen Schiffen nicht au Bord genommen werden. §. 2038. Bon dem Schiff-volke darf höchstens nur der dritte Theil zu einer der kriegführenden Rationen gehören. §. 2039. Jede Ladung eines neutralen Schiffe-, die in einen belagerten, blockirten, oder nahe eingefchloffenen Hafen gebracht werden soll, ist für verbotenes Gut zu achten. §. 2040. In wie fern ein Platz oder Hafen für eingefchloffen zu achten fei, ist nach Vorschrift des ersten Theils Titel 9. §. 219. zu beurtheilen. §. 2041. Hat der Versicherte von dergleichen Eoatrebandewaaren etwas ver­ schwiegen: so ist der Vertrag, in so weit, als aus dieser Qualität der Waaren ein Schade entsteht, für den Berficherer unverbindlich, und der Versicherte muß gleichwohl die Prämie bezahlen. §. 2042. Eben so muß, bei Waarenverfichernngen, zu Krieg-zeiten genau än­ gstigt werden: ob unter dem versicherten Gute, oder sonst auf deut Schiffe, der­ gleichen verbotene Stücke befindlich find. §. 2043. Der Versicherte muß ferner anzeigen: ob das Schiff mit oder ohne Bedeckung und Convoy gehe; auch wo es darunter kommen, oder dazu stoßen solle. §. 2044. Ist die Anzeige unterblieben, so haftet der Berficherer nicht, wenn das Schiff auf der Reise zur Eonvoy genommen wird. §. 2045. Soll ein bereits abgesegelte- Schiff, oder deffen Ladung, versichert werden; so muß der Berficherte den Ort und die Zeit der Absegelung, so wie den Ort der Bestimmung, so weit ihm diese Umstände bekannt find, trenlich anzeigen, auch alle ihm davon zugekommenen Nachrichten and Zeitungen vollständig mittheilev.

§. 2046. Sollen Waaren gegen Seegefahr verfichert werden, und e- befinden sich solche darunter, die leicht dem Verderben auSgesetzt find: so müffen dieselben nach ihrer Beschaffenheit und Quantität genau angegeben werden. §. 2047. Für verderbliche Waaren sind z« achten: Getreide und alle Säme­ reien; alle Salze, als: Zucker, Syrup, Vitriol, Alaun, Pot- nnd Weidasche; frische,

getrocknete und eingemachte Früchte und Kräuter; Blumenzwiebeln und Wurzeln; alle getrocknete Gallerte, vornehmlich Leim und Lakritzensaft; alle Arten von Gummi; Rosinen, Wein, Oel, Flachs, Hanf, Käse, Wolle, «trocknete Fische, Heringe, Velzwerk, ungetheerteS Tauwerk und Kabelgarn, künstliche Instrumente, Papier uno Bücher. §. 2048. Sind dergleichen Waaren nur unter dem allgemeinen Rameu von Kaufmannsgütern, Schiffsladung u. d. m. mit begriffen worden: so ist der Bersicherer einen aus der verderblichen Qualität entstehenden Schaden z» vergüten nicht verbnnden. §. 2049. Eia Gleiches gilt, wenn Sklaven oder lebendige Thiere nicht an-

1034

Zweiter Theil.

Achter Titel.

88- «*0-9063 (Zusatz 1).

gegeben, sondern nur unter allgemeinen Ausdrücken mit in die Versicherung ge­ zogen worden. §. 2060. Bei Versicherungen über das Leben eines Menschen muß vorzüglich desien Alter, Gesundheitszustand, und Gewerbe angezeigt werden. §. 2061. Soll Jemandes Freiheit versichert werden, so ist besonders die genaue Anzeige darüber nothwendig: ob er in einer für seine Person gefährlichen Unternehmung begriffen sei, oder dergleichen vorhabe. §. 2062. Wer die Fracht von Salz, oder anderen dem Schmelzen unter­ worfenen lose ins Schiff geladenen Waaren versichern läßt, muß ausdrücklich an­ zeigen: ob die Fracht für das eingenommene, oder für das abzuliefernde Maaß festgesetzt sei: widrigenfalls das letztere angenommen, und nur darnach die Ver­ gütung geleistet wird. §. 2063. Werden Waaren, Mobilien und Effecten gegen Feuersgefahr ver­ sichert, so muß der Versicherte die Qualität dieser Sachen getreulich anzeigen. §. 2064. Sind Schießpulvers, Schwefel, Salpeter, Heu, Stroh, ungedroschenes Getreide, Tabacksblätter, Hanf, Flachs, Heede, getheertes Tauwerk, Pech, Theer, Talg, Terpentinöl und Thran 47 48) darunter befindlich: so müssen sie, bei Verlust deS Rechts uud der Prämie, ausdrücklich benannt werden. §. 2056. Gold, Silber, Gold- und Silbergeschirr, Juwelen, Porzellain, Emaille, Spiegel, Gläser, Gemälde, Kupferstiche, Kabinette von Antiquitäten, Naturalien, oder Kvnstsachev, Zeichnungen, Banknoten, Pfandbriefe, Wechsel- oder andere Schuld-Berfchrnbungen, Contracte oder Schriften, Handlungsbücher und Rechnungen, ingleichen Moventien (Th. 1. Tit. 2. §. 17.), sind nicht für versichert zu achten, wenn sie nicht ausdrücklich genannt, und die Versicherung darauf mit gerichtet worden. §. 2056. Ferner muß derjenige, welcher Versicherung gegen Feucrsgefahr sucht, gewiffenhaft angeben: ob die Sachen in feuerfesten Gebäuden aufbcwahrt werden, und ob sie gefährliche Nachbarschaft haben. §. 2067. Feuerfeste Gebäude sind solche, welche von allen Seiten massive Mauern und Schornsteine haben. §. 2068. Ein Gebäude, welches ganz oder zum Theil mit einer leicht brenn­ baren Materie, als: Schindeln, Brettern, Stroh, Rohr, Schilf u. d. m. gedeckt ist, kann für feuerfest nicht geachtet werden. §. 2069. Für gefährliche Nachbarschaft wird gehalten, wenn im Gebäude selbst, oder in einem der drei nächsten Häuser, welche das versicherte Gebäude um­ geben, gefährliche Gewerbe getrieben werden. §. 2060. Ferner, wenn in einem dieser Gebäude feuerfangende Sache» in größerer Quantität, als zum gewöhnlichen WirthschastSgebrauche erforderlich ist, ausbewahrt sind. §. 2061. Desgleichen, wenn eins der drei nächsten Gebäude, welche das Haus, worin sich die versicherten Sachen befinden, umgeben, mit leicht brennbaren Materien ganz oder zum Theil gedeckt ist. (§. 2058.) §. 2062. Gefährliche Gewerbe **) sind: Pulvermühlen, Stückgießereien, Bitriol47) Schießbaumwolle und Zündhölzer stehen in derselben Kategorie. 48) D. h. wohl auch Oel überhaupt und Spiritus. Zur Zeit der Abfassung des 8.3t. kannte man den Bau der Oelsrüchte und die heutige Oelproduktion noch nicht. H. Vgl die folg. Anm. 40) H. DaS Tischlergewerbe gehört nicht zu den gefährlichen Gewerben. R.V.H.G. I ». 19. März 1872, Entsch. 5 S. 298. Im Uebrigen sind bte Bestimmungen der §§. 2064, 2062, 2063 weder erschöpfend, noch für alle Zeiten derart maßgebend, daß sie durchaus als dem Willen der Kontrahenten entsprechend anzusehen sind. Deshalb muß eine Vertragsbestimmung über den Einfluß vermehrter Feuergefährlichkeit auf die Versicherung nicht nothwendig dahin verstanden werden, daß die Kontrahenten darunter dasselbe verstanden haben, was das L.R. a. a. O. darunter verstanden hat. 3t®. V v. 22. Mai 1880, Gruchot 26 S. 116.

Bo» Versicherungen.

1036

und Salmiakfabriken, Zuckersiedereien, chemische Laboratoria, Apotheken, Gold­ schmiede, Kupferschmiede, Gelbgießer, Grobschmiede, Destillateurs, Brauer, Brannt­ weinbrenner, Bäcker, Färber, Seifensieder, Lichtgießer und Töpfer*"). §. 2063. Als leicht feuerfangende Sachen werden die im §. 2054. genannten betrachtet. 1.

1837.

Gesetz über das Mobiliar-Feuer-Versicherungswesen").

Bom 8. Mai

(G.S. S. 100.)

Dir re. finden Uns bewogen, zur Abwendung von Mißbräuchen bei der Versicherung von

Gegenständen deS Robiliar-BermSgenS gegen FeuerSgefahr, nach Vernehmung Unserer getreuen Stände, auf den Antrag Unseres Staatsministeriums, und nach erfordertem Gutachten Unseres

StaatsrathS, für den ganzen Umfang Unserer Monarchie zu verordnen, wie folgt88): §. 1.

Kein Gegenstand des Mobiliar-Bermögens darf gegen FeuerSgefahr höher versichert l RuUU fyftenoq

werden, als nach dem gemeinen Werthe88) zur Zeit der BersicherungsnahmeM).

Solche Kunstsachen und ähnliche Gegenstände von größerer Bedeutung, denen ein gemeiner Werth nicht wohl beizulegen ist, müffen mit ihren Versicherungssummen in der Polize einzeln

aufgeführt werden88). §. 2.

ES ist unzulässig, Lerficherungen auf einen und denselben Gegenstand bei verschiedenen

VerficherungSgesellschaften zu nehmen. kaufmännischen Waarenlägern

Eine Ausnahme von dieser Regel findet nur bei solchen

und andern großen Borräthen statt, welche einen Werth von

mindestens Zehntausend Thalern haben88).

Der Gesammtbetrag der einzelnen Versicherungen

darf jedoch auch in diesem Falle nicht über den gemeinen Werth des Versicherungs-Gegenstandes

60) D. h. die Töpferöfen; die Werkstatt deS Töpfers ist sehr urmefäbrlich. 51) H. Das JmmobiliarverficherungSwesen ist für die einzelnen Provinzen und resp, landschaftlichen Verbände durch besondere Reglements geordnet. Rach dem Ges. v. 81. März 1877 (G.S. S. 191) find diejenigen Bestimmungen der Reglements aufgehoben, durch welche nicht versicherten Personen die Pflicht zu Beiträgen oder Beschränkungen bezüglich der Höhe der VerficherungSsumme auferlegt waren. 62) Zur Ausführung dieses Ges. ist die Cirk.Berf. v. 10. Juni 1887 (v. Kamptz, Annal. 21 S. 608) ergangen. Das Ges., betr. den GeschäftSverkÜr der Versicherungsanstalten, v. 17. Mai 1868 (Zus. zu §. 2868 d. T.) findet auch auf daS FeuerverstcherungSwesen, jedoch nur so weit Anwendung, als daS Ges. v. 8. Mai 1887 und die K.O. v. 30. Mai 1841 nicht ab­ weichende Bestimmungen ertheilte. 63) H. Unter dem „gemeinen Werth" ist der im §. 112 L 2 bezeichnete Werth zu ver­ stehen. O.Tr. Str.S. v. 8. Okt. 1867, Oppenhoff, RechtSspr. 8 S. 670. 64) H. Auch die Versicherung gar nicht vorhandener Gegenstände ist Ueberverficherunalln Sinne dieses Ges. Kammerger. v. 3. Rov. 1881, Johow u. Küntzel, Jahrb. 8 S. 289; R.G. IV Str.S. v. 17. April 1886, Entsch. in Strass. 12 S. 160 und die dort S. 168 angef. Urtheile deS O.Tr. 66) H. Alle anderen Sachen können gattung-weise bezeichnet werden. Dabei bat die Polizeibehörde kein Recht, die Eintragung der Stückzahl der zu versichernden Gegenstände in die Polize zu fordern. O.B.G. v. 17. Rov. 1877, Entsch. 8 S. 271. 56^ Eine zweite Ausnahme ist durch die in den Amtsblättern veröffentlichte K.V. v. 24. Dez. 1887 in der Art gestattet, daß den in einzelnen Regierungsbezirken iu einem ZwangSBerficherunaSverbande hinsichtlich ihres MoblliarS zusammenaetretenen Geistlichen, Pfarrern, Küstern uno Schullehrern nachgelassen werde, denjenigen Theil ihres MoblliarS, welcher in Folge jenes amtSbrüderlichen BerficherungSverbandeS statutenmäßig nicht versichert werden darf, auch noch bei einer anderen Feuer-BerficherungSanstalt zu affekuriren, jedoch nur in sofern, als durch beide Lerficherungen zusammen der wahre Werth deS vorhandenen MoblliarvermögenS nicht überstiegen wird. H. O.B.G. II v. 16. Febr. 1885, Entsch. 11 S. 354, erklärt — abgesehen von de« AuSnahmefällen — auch eine in der Art geschloffene mehrfache Versicherung, ,>aß von dem GesammtverficherungSbetrage von 62606 Mark pro rxta eines jeden Gegenstands und Werth-" 24486 Man bei der einen, 28170 Mark bei der anderen Gesellschaft versichert sein sollten, für unzulässig ; die quotttative Betheiligung der beiden Gesellschaften und die gleichzeitige Bethelligung

derselben ändere hieran nicht-.

1036 hiauSgehen.

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§. 9063 (Zusatz 1).

6inb dergleichen Waarenlager oder Lorräthe bereits irgendwo versichert, so ist bei

anderweitiger Versicherung, der Betrag der früheren anzugeben.

Andererseits muß aber auch

der frühere Versicherer von der spateren Versicherung innerhalb acht Tagen nach Abschluß deS Kontrakts durch den Versicherten benachrichtigt werten67). §. 3.

Es ist ferner unzulässig, Versicherungen ohne Bermittelung eines bestätigten, in­

ländischen Agenten unmittelbar bei ausländischen Gesellschaften zu nehmen.

Nur den, im §. 19.

bezeichneten Kaufleuten und Fabrikanten ist dies in Ansehung der daselbst erwähnten Gegen­ stände jedoch auch nur bei solchen ausländischen Gesellschaften gestattet,

welche von Unserem

Ministerium deS Innern und der Polizei die Erlaubniß hierzu erhalten haben.

§. 4.

(§. 6.)

Ergiebt sich eine zu hohe Versicherung (§. 1.), so ist die Orts-Polizei-Behörde68) befugt

und schuldig, den Versicherungsbetrag auf den gemeinen Werth zurückführen zu fassen.

Der

Versicherte und die Gesellschaft sind verpflichtet, die nöthige Veränderung in den Büchern und

in der Polize vorzunehmen. Die Polizeibehörde58 * *)** 60 *hat * 61 * * das 62 * * Recht, sich durch Einsicht der Bücher und der Polize von

der Beobachtung dieser Vorschrift zu überzeugen. §. 5.

Zur Versicherung von Mobiliar-Gegenständen ist deren Angabe nach einzelnen Stücken

oder nach Gattungen erforderlich. (§. 13.)

Bei Waarenlägern6B), großen Naturalien-Borkäthen ”),

und ähnlichen Gegenständen, welche zum Verkauf oder zum Verbrauch zusammengebracht zu

werden pflegen, und deren Bestand nach Größe und Werth daher einem steten Wechsel •*) unter­ worfen ist, soll jedoch die Versicherung aus den durchschnittlichen, oder selbst auf den muthmaßlich

höchsten Betrag, der nach dem Umfange des Geschäfts, der Produktion u. s. w. anzunehmen stehet**), zulässig seyn.

Die Versicherten sind jedoch gehalten, über die lagernden Güter und Vorräthe vollständige

Bücher zu führen, aus welchen der jedesmalige Ab- und Zugang genau zu ersehen seyn muß. Die Polizei-Behörde hat das Recht, diese Bücher zu jeder Zeit einzusehen, um sich von der gehörigen Anlegung und Fortführung zu überzeugen; ein tieferes Eindringen ist ihr nicht

gestattet.

67) H. Eine unzulässige Doppelverficherung liegt nur dann vor, wenn derselbe individuelle Gegenstand bei verschiedenen Anstalten versichert worden ist. Dazu genügt eS nicht, wenn bei dem einen Geschäfte für den Fall eines Brandes nur allgemein eine Unterstützung zugestchert gewesen ist. O.Ar. v. 13. Nov. 1867. Goltdammer, Arch. 16 S. 68 und Oppenhoff, RechtSspr. 8 S. 709.

68) H. S. Anm. 72. 69) H. Die unterlassene Buchführung über den Ab- und Zugang den Verlust des Anspruchs auf die Feuerkafsengelder nicht zur Folge. 1854, Str. Arch. 16 S. 176. Aber die Polizei kann die Genehmigung Polize versagen, wenn nicht die Bücher vorgelegt werden. O.B.G. Entsch. 6 S. 282.

des Waarenlagers hat O.Tr. IV v. 24. Okt. zur Aushändigung der II v. 20. Mai 1880,

60) Dazu gehören auch die Borräthe ter Landwirthe. Die K.O. v. 19. Aug. 1844 ge­ stattet die im §. 5 nachgelassene Versicherung von Raturalienvorräthen auf den ourchschntttlichen Betrag solchen Lanvwirthen, welche darüber vollständige, den jedesmaligen Ab- und Zu­ gang genau nachweisende Bücher oder Wirthschastsregifter führen. (M.Bl. f. d. i. B. S. 279.) Die Vorschrift paßt nur auf die Bodenvorräthe, welche während der Druschperiode sehr wechseln. Scheuervorräthe find in steter Abnahme bis zur gänzlichen Aufräumung. (H. S. Anm. 61.)

61) H. Der Wechsel ist ein wesentliches Erforderniß der Zulässigkeit einer Versicherung nach §. 6 des Ges. Ein Waarenvorrath, bei welchem lediglich ein Abgang stattfindet (z. v. eine bestimmte, noch nicht eingebrachte Ernte, im Gegensatz zu den laufenden Ernte-Felderzeugniffen für eine Reihe von Jahren), kann nicht nach §. 6, sondern nur als Gattung, eventuell nach §. 2 versichert werden. O.B.G. II v. 19. Sept. 1881 u. v. 20. Mai 1880, Entsch. 6 5. 282, 8 S. 284. 62) H. Ueberverficherung ist im Falle deS §. 6 nur dann und nur in sofern anzunehmen, afa der Berfichernde sich zur Zeit der Berficherung bewußt war, daß der Borrath die ange­ nommene Höhe der Berficherung nie erreichen werde. O.Tr. Str.S. v. 3. März 1866 und v. 6. März 1867, Oppenhoff, RechtSspr. 6 6. 642, 8 S. 166 (Goltdammer, Arch. 13 S.364, 16 S. 338).

1037

Bon Versicherungen, §. 6.

Ausländische Gesellschaften")

bedürfen zu

BersicherungSgeschästen") in Unsern s. Zulaffmr,

Landen der Erlaubniß Unseres Ministeriums des Innern und der Polizei, dem auch die Befugniß -ustehen soll, die ertheilte Erlaubniß wieder zurück zu nehmen, wenn eS dazu Veranlassung findet"),

ichaste».

Die Ertheilung oder Zurücknahme einer solchen Erlaubniß hat das Ministerium durch die Amts­ blätter zur öffentlichen Kenntniß bringen zu lasten").

§§. 7 bis 11.

§. 12.

Außer Kraft gesetzt ^).

Die Bestätigung eines Agenten (§§. 7. und 9.) und die Erlöschung seine- Auftrage-

(§§. 10. und 11.) ist jederzeit durch das Amtsblatt bekannt zu machen"). 63) Bgl. hierzu: a) Allerhöchster Erlaß vom 2. Juli 1859., betreffend das Verfahren bei der Konzesfionirung und Zulaffung von Versicherungsgesellschaften. (G.S. S. 894.) «Einverstanden mit der in dem Berichte des Staat-ministeriums vom 29. Mai d. I. ent­ wickelten Ansicht bestimme Ich unter Aufhebung der Order vom 5. Januar 1847. (G S. S. 82), da- fortan die Erörterung der Bedürfnißftage bei Versicherungsgesellschaften aller Art, nament­ lich auch bei Leben-- und Feuer-Berficherungsgesellschasten nicht mehr eintreten soll, gleichviel, ob es sich um die Konzesfionirung und resp, um die Zulaffung derselben zum Geschäft-betriebs oder um die Errichtung neuer Agenturen handelt. In Betreff der Versicherung von Immo­ bilien sollen jedoch die fortan zu konzessionirenden oder zum Geschäftsbettiebe zuzulaffenden Feuerverficherungsgesellschasten und die von diesen oder von den beretts konzespomrten, beuehungöweise bereits zugelaffenen Gesellschaften neu zu errichtenden Agenturen biS auf weitere Anordnung der Beschränkung unterliegen, daß sie nur solche Immobilien versichern dürfen, deren Aufnahme den betreffenden öffentlichen Sozietäten in ihren Reglement- untersagt oder von dem Ermessen derselben abhängig gemacht ist. — Darüber, wann und nach Befinden unter welchen Modifikationen den fortan zu konzesstonirenden oder zum Geschäftsbetriebe zuzulaffenden Versicherungsgesellschaften und den neu zu errichtenden Agenturen auch die Versicherung anderer Immobilien gestattet werden soll, behatte Ich Mir auf den wetteren Bericht de- Staatsministeriums die Entscheidung vor." b) Allerhöchster Erlaß vom 18. September 1861., betreffend die Modifizirung der durch den Allerhöchsten Erlaß vom 2. Juli 1859. hinsichtlich der Jmmobiliar-Feuerverstchernng aus­ gesprochenen Beschränkung der Privat-FeuerverficherungSgesellschasten und deren Agenturen. (6.6. S. 790). «Auf den Bericht de- StaatsnnnisteriumS vom 26. August d. I. erkläre Ich Mich damtt einverstanden, daß die durch Meinen Erlaß vom 2. Juli 1859. (Gesetz-Sammlung S. 894.) hinsichtlich der Jmmobiliar - Feuerversicherung ausgesprochene Beschränkung der Privat-FeuerVersicherungsgesellschaften und deren Agenturen in Fortsall kommen soll, sobald in den Ein­ richtungen der öffentlichen Feuersozietäten diejenigen Aenderungen getroffen find, welche durch den steten Betrieb der Gebäudeversicherung bedingt werden. Der Minister des Innern hat diesen Zettpuntt für den Bezirk einer jeden öffentlichen Sozietät besonder- festzusetzen und durch die Amtsblätter der betteffenden Regierungsbezirke bekannt zu machen." 6. auch §§. 2-10 Ges. v. 17. Mai 1863 (Zus. zu g. 2358 d. T). 64) Auch zu Jmmobiliar-Bersicherung-geschästen; denn da- Gesetz unterscheidet nicht. 65) Das Gesetz (§. 6) bezieht sich nicht auf einzelne Versicherer, sondern auf Lerficherung-gesellschaften. Auch Rückversicherung bei ausländischen nicht konzesfionirten Gesell­ schaften ist nicht verboten. R. des Min. d. Inn. v. 6. Dez. 1840 und 8. Sept. 1841, MBl. f. d. i. B. 1840 S. 470 und 1841 S. 280. 66) Die Insertion erfolgt gebührenfrei. R. v. 12. März 1840, M Bl. f. d. i. B. S. 172. 67) Durch Art. III des Ges. v. 22. Juni 1861, G.S. S. 445. Ueber Versicherungsagenten vgl. jetzt g. 14 Gew.O. (Zus. 9 zu §. 400 d. X). 68) Der Agent einer Feuer-BersicherunaSgesellschaft ist nicht schon vermöge seiner Anstellung dem Publikum gegenüber alS zum Abschluß von BersicherungSgeschästen bevollmächtigt zu be­ trachten. ES entscheiden hierbei vielmehr nur die für die einzelnen Versicherungsgesellschaften bestehenden speziellen Bestimmungen. Erk. des rhein. Revis.HofeS (ohne Datum) von 1851, J M Bl. 1861 S. 349. Die Bedingungen, unter welchen Suspension oder Rücknahme deS ertheilten Auftrageeintteten soll, ist Gegenstand der Uebereinkunft zwischen den Gesellschaften und dem Agenten. Richt richtig ist es also, was in dem Besch, d. Min. d. Inn. v. 4. Aug. 1840, M Bl. f. d. i. B. S. 808, angedeutet wird, daß solches lediglich den Gesellschaften (einseitig?) überlassen bleibe. Die Agenten der Feuer Versicherungsgesellschaften find alS deren Bevollmächtigte und nicht alS Mäkler anzusehen. O.Tr. IV v. 8. April 1851, Str. Arch. 2 S. 51. 69) Rach dem Besch, d. Min. d. Inn. v. 5. Dez. 1861 (M Bl. f. d. i. B. S. 289) fallen jedoch diese Amtsblatt-Bekanntmachungen fortan hinweg.

a «nenten

Zweiter Theil.

1038

fii§• 13-

Achter Titel.

§. 9068 (Zusatz 1 und L).

Jeder Agent ist verpflichtet, über seine sLmmtlichen, das Feuer-Versicherungswesen

betreffenden Geschäfte besondere Bücher zu führen, aus welchen zu ersehen seyn muß

a. der Sterne und Wohnort des Versicherten,

b. der Gegenstand oder die Gegenstände der Versicherung nach Gattungen,

c. die Höhe der Berficherungssumme für jeden Gegenstand oder für jede Gattung von Gegen­ ständen, 2203. Ob der Versicherte einen vor Zeichnung der Police entstandenen Unglücksfall habe wissen können, muß nach dem Zeitverkäufe beurtheilt werden, binnen

welchem eine Nachricht vom Orte der Ereigniß bis zu demjenigen, wo die Ver­ sicherung geschloffen worden, gelangen kann. §. 2204. Dabei wird auf den gewöhnlichen Lauf der Posten Rücksicht ge­ nommen; im zweifelhaften Falle aber werden zwei Stunden auf jede deutsche Meile gerechnet. §. 2205. Muß die Nachricht ganz oder zum Theil über See kommen, so ist in so weit diejenige Zeit zu rechnen, binnen welcher einen Packetboot die Reise gewöhnlich zu machen pflegt. §. 2206. Hat sich der Unglücksfall auf offener See ereignet: so wird für den Zwischenraum, vom Orte der Ereigniß bis an den nächsten Handelsplatz, von welchem die Nachricht hat gegeben werden können, eine verhältnißmäßige Zeit, nämlich zwei Stunden auf die Meile gerechnet. §. 2207. Kann nach vorstehenden Grundsätzen nicht au-gemittelt werden, daß der Versicherte vor Zeichnung der Police von dem geschehenen Unglück-falle habe Nachricht haben können, so ist die Versicherüng verbindlich.

§. 2208. War jedoch das versicherte Schiff oder Gut zur Zeit der Zeichnung schon über die gewöhnliche Zeit ausgeblieben: so haftet der Versicherer für die vorher

1052

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 2209-2235.

geschehenen Unglücksfälle nur alsdann, wenn der Versicherte alle zu seiner Wissen­ schaft gelangten Umstände redlich angezeigt hat, und der Contrart ausdrücklich auf alle guten und schlimmen Zeitungen geschloffen worden. §. 2209. Ist bei See- und Stromversicherungen keine besondere Art der Ge­ fahr bestimmt, für welche der Versicherer nur hasten soll, so trifft ihn jeder Schade, den die Sache durch äußere Vorfälle leidet. 8> 2210. Dahin gehört besonders: Sturm, Unaewitter, Schiffbruch, Au- und Ueberseaeluug, Treibeis, Strandung, Brand, Repressalien, feindliche Aufbringung, oder Plünderung von Kriegsschiffen, Kreuzern, Kapern und Seeräubern, Diebstahl und dergleichen. §. 2211. Hat daS Schiff nach der Police unter Eonvoy segeln sollen, ist aber durch Wind und Wetter zu ihr 31t stoßen verhindert, oder von ihr getrennt worden: so muß der Berstcherer auch die Folgen eine- solchen Zufalls tragen. §. 2212. Ist das versicherte Schiff oder Gut wegen des von einem Dritten, der die Stelle deS Versicherten nicht vertritt, ohne des Letzteren Vorwiffen ge­ triebenen Contrebandehandels, unrichtiger Declaration, Einlaufens in verbotene Häfen, oder sonstiger Uebertretung der vorhandenen Gesetze und Ordnungen, an­ gehalten und eingezogen worden; so muß der Versicherer für den Schaden hasten. §. 2213. Sind die versicherten Waaren selbst, wegen eines dem Versicherten unbekannt gewesenen Verbots, außerhalb Landes confiscirt worden, so hastet der Versicherer dafür nur in dem Falle, wenn das Verbot während der Reise er­ gangen ist. §. 2214. Doch muß der Versicherte zuvor auf Erfordern eidlich erhärten, daß er weder von einem schon vorhanden gewesenen, noch von einem bevorgestandenen Verbote Kenntniß gehabt habe. §. 2215. Aller Schade, welcher dem versicherten Gute durch Schuld der Rheder, oder eines Dritten, der nicht die Stelle des Versicherten vertritt, ohne des Letzteren Zuthun entsteht, muß von dem Versicherer getragen werden; welcher dagegen seinen Regreß an den Urheber des Schadens zu nehmen hat"). §. 2216. Ferner haftet der Versicherer für allen Schaden, der dem versicherten Schiffe oder Gute, durch deS Schiffer«, der Steuerleute, oder des Volks Unersahrenheit, Unvorsichtigkeit, Nachlässigkeit, Muthwillen oder Bosheit zugefügt wird, in so weit der Versicherte auS dem Vermögen des Schuldigen, und aus dem Schiffe, nebst der Fracht, seine Bestiedigung nicht erlangen kann16 17). §. 2217. Dahin gehört besonders, wenn daS Schiff übel versehen und gedichtet, oder die Güter schlecht gestattet, oder durch darauf gelegte naffe und fließende Waaren verdorben sind. §. 2218. Hat jedoch ein Rheder bei der Auswahl des Schiffers ein grobes Vergehen begangen, so kann er von seinem Versicherer keinen Ersatz der durch den Schiffer verursachten Schäden fordern. §. 2219. Eben dieses findet statt, wenn ein Bestachter bei Auswahl des Schiffes ein grobes Versehen begangen hat. §. 2220. Der Versicherer eines CaSco ist nicht zum Ersätze verbunden, wenn

16) H. Die Bestimmung bezieht sich zunächst auf die Seeversicherung. Das Gleiche bestimmt §. 98 deS Unfallversicherungsges. v. 6. Juli 1884 (Zus. 12 zu §.400 d. T ). Eine gleiche ver­ tragsmäßige Verabredung bei der Feuerversicherung muß als zulässig und wirksam anerkannt werden. R.G. V v. 18. März 1886, Gruchot 29 S. 941. 17) In diesem Falle hastet also der Versicherer nicht, wie in bem des vor. §. 2216, haupt­ sächlich (§. 2278), sondern nur hülfSweise. Der Versicherte muß deshalb Alles beobachten, was dem Gläubiger bei der Eintreibung seiner Forderung von dem Hauptschuldner zu thun obliegt, um sich den Regreß gegen den Bürgen zu erhalten.

Bon Versicherungen.

1053

die Schiffsgeräthschaften während der Reise durch den ordentlichen Gebrauch brechen, oder abgenutzt und zernichtet werden. §. 2221. Dahin gehört auch das Brechen der Masten oder der Taue, in­ gleichen der Verlust der Anker oder Segel, wenn der Schade nicht durch Sturm, oder sonst durch außerordentliche Zufälle veranlaßt wird. §. 2222. Eben so haftet der Versicherer bei Waaren und Gütern für keinen Schaden, der aus der natürlichen Beschaffenheit selbst, aus ihren innern Fehlern und Mängeln, und auS der schlechten Fustage oder Emballage entsteht. §. 2223. Wenn also Weine sauer werden; Oele verderben; Früchte faulen oder sonst umkommen; Getreide oder Kastanien sich anstecken; oder die Waare durch innerlich erzeugtes Ungeziefer beschädigt wird: so trifft der Schade den Ver­ sicherten allein. §. 2224. Eben dies gilt von einem durch Anfreffen, Benagen und Zernichten, von Mäusen, Ratten oder anderem Ungeziefer verursachten Schaden. §. 2225. Ist aber die Reise durch Zufall ungewöhnlich verzögert worden, so muß der Versicherer auch dergleichen bei verderblichen Waaren aus solchem Aufent­ halte entstandenen Schaden tragen. £. 2226. Ferner haftet der Versicherer nicht, wenn Weine, Oele, oder andere flüssige Waaren verlecken, ohne daß dieses eine Folge vom Stoßen des Schiffes, vom Stranden, oder von einem anderen Unglücke ist. Z. 2227. Fällt weg"). §. 2228. Ohne ausdrückliche Abrede darf der Versicherer den aus dem Fallen der Preise entstehenden Nachtheil nicht vergüten. §. 2229. Auch solchen Schaden, der durch die große Havereirechnung wirklich vergütet wird, darf der Versicherer nicht übernehmen. §. 2230. Dagegen muß er aber den etwaniaen Ausfall, so wie auch den Bei­ traa , welcher von der versicherten Sache zur großen Haverei hat entrichtet werden müssen, vergüten. §. 2231. Außer dem Schaden, muß der Versicherer zugleich für alle besonderen und extraordinairen Rosten hasten, welche der versicherten Sache wegen vorgefallen sind, und durch die große Haverei nicht vergütet werden. §. 2232. Der Versicherer eines Schiffes muß die Liegekosten vertreten, wenn daS Schiff, ohne Beranlaffung der Rheder oder Bestachter, durch höhere Macht an­ gehalten, oder auszulaufen verhindert worden. §. 2233. Eben so muß, bei Waaren, ein Versicherer für die Schäden und Kosten hasten, welche durch daS Umladen der Waaren entstanden sind: im Fall dies Umladen durch einen Zufall, oder durch die Schuld des Schiffers oder seiner Leute verursacht worden. §. 2234. Hauptsächlich aber muß der Versicherer diejenigen Kotten vertreten, welche bei geschehenem Unglücksfalle, zum Besten der versicherten Sache, verwendet

werden §. welcher gatten,

müssen. 2235. Bei Feuerversicherungen haftet der Versicherer für allen Feuerschaden**), der versicherten Sache, ohne Verschulden des Versicherten selbst, dessen EheKinder oder Enkel verursacht wird"").

18) In Folge des allgemein verbotenen Menschenhände». I« Preußen ist der Handel mit Negersklaven ein Lerbrechen. Ges. v. 8. Juli 1844, G.S. S. 899. Der jj. lautet«: „Bei Negersklaven hastet der Versicherer nicht für da» Leben derselben, wenn sie an Krankheiten sterben; oder sich selbst umbringen; oder eine Revolte anfangen, und dabei Schaden leiden." 19) H. Ueber GasexplofionSschaden vgl. den (dem Hauptthema nach eine Frage der Gegen­ seitigkeitsversicherung behandelnden) Aufsatz von kroneckrr bei Gruchot 22 6. 871. 20) Wohl auch der unehelichen, wenn daS VerwandtschastsverhAtniß gewiß ist. Die Lor-

1054

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 2236-2268.

§. 2236. Er haftet auch alsdann, wenn das Feuer durch Verschulden der Hausgenossen und Domestiken deS Versicherten entstanden ist. §. 2237. Unter Hausgenossen sind alle diejenigen zu verstehen, welche in den Gebäuden, wo die versicherten Stücke aufbewahrt werden, ihren Aufenthalt haben. §. 2238. Geschwister und entferntere Verwandte des Versicherten werden zu den Hausgenossen gerechnet. §. 2239. Rur alsdann ist der Versicherer frei, wenn solche Umstände vor. handm sind, daß der Versicherte, nach Vorschrift des ersten Thells Titel 6. §. 56—66., auch die unerlaubten Handlungen seiner Hausgenossen oder Dienstboten vertreten muß. §. 2240. Sind, bei entstandener Feuersgefahr, die versicherten Sachen bei dem Retten und Fortschaffen beschädigt oder verloren worden, so muß der Versicherer auch dafür Vergütung leisten. §. 2241. Für die zur Rettung der versicherten Sache verwendeten Kosten muß der Versicherer ebenfalls hasten. «noritte. §. 2242. Ist nach vorstehenden Grundsätzen an einem versicherten Schiffe, Gute, oder anderem Object ein Totalschade entstanden, welchen der Versicherer zu vertreten hat: so bestimmt sich das von ihm zu entrichtende Quantum aus der Police von selbst. tz. 2243. Ist die Versicherung auf Schiff und Ladung gerichtet, ohne daß der Werth eines jeden in der Police besonders bestimmt wäre; und das Schiff wird während der Reise für unbrauchbar erklärt: so wird ein Drittheil der gezeichneten Summe für das Schiff gerechnet, bis ein höherer oder geringerer Werth desselben, in Verhältniß gegen die Ladung» nachgewiesen werden kann. §. 2244. Wenn bei Frachtversicherungen die Police nicht taxirt ist: so zahlt der Versicherer, im Falle eines Totalschadens, die durch Connoffemente oder Charte. Partie zu erweisende, wirklich bedungen gewesene Fracht, und die zur kleinen Hqverei gehörenden Ausladen, bis zum Betrage der gezeichneten Summe. §. 2245. Sind Waaren ftir Rechnung der Rheder geladen; oder ist sonst keine Fracht bedungen: so wird die Fracht zum Grunde gelegt, welche am Landungsorte, zu der Zeit, als das Schiff in Ladung gelegen hat, für ähnliche Waaren und Reisen gewöhnlich ist. §. 2246. Ist die versicherte Sache nur beschädigt worden, oder nur zum Theil verloren gegangen; so muß der eigentliche Betrag des Schadens ausgemittelt werden. §. 2247. Bei Schiffen bestimmt denselben die vor der Ausbessemng vorzu­ nehmende Untersuchung, und der darnach anzufertigende Kostenanschlag. §. 2248. Zu dieser Untersuchung muß ein erfahrener Schiffer, Schiffsbau­

meister, Repschläger und Segelmacher, entweder durch Uebereinkunft der Antereffenten gewählt, oder von der Obrigkeit ernannt, und in beiden Fällen vereidet werden. §. 2249. Bei Waaren müssen die beschädigten Stücke von den unbeschädigten gehörig abgesondert, und erstere durch vereidete Taxatoren gewürdigt, hiernächst aber öffentlich verkauft werden. §. 2250. Sind keine öffentlich bestellte kunstersahrene Taxatoren zu haben, so können auch andere von beiden Theilen zu erwählende glaubwürdige Männer gebraucht werden. §. 2251. Die Taxe muß geschehen, ehe noch der Empfänger die Güter in seine Gewahrsam übernimmt.

schrist meint die Personen, über welche der Versicherte eine Art Gewalt hat. Daher sind die bei ihm lebenden Eltern nicht genannt; diese gehören zu den „Lausgenoffen".

Bon Versicherungen.

1065

8 2252. Hat der Empfänger die Waaren angenommen, ohne den Schaden vorher untersuchen und abschätzen zu lassen, so wird der Versicherer frei-'). §• 2253. Ist der Empfänger nur Bevollmächtigter gewesen, so bleibt derselbe dem Versicherten verantwortlich. §. 2254. Ist nach dem Gutachten der Taxatoren der Schade an den ver­ sicherten Waaren so beschaffen, daß sie zu ihrer eigentlichen Bestimmung gar nicht weiter zu gebrauchen sind; so müssen selbige für Rechnung des Versicherers, ohne weitere Rücksprache, sogleich öffentlich an den Meistbietenden verkauft werden. §. 2255. Ein Gleiches muß geschehen, wenn die beschädigten Waaren an sich unter die verderblichen gehören. §. 2256. Außer diesen beiden Fällen ist der Verffcherte oder deffen Commis­ sionair schuldig, nach aufgenommener Taxe zuvor mit dem Versicherer über den Verkauf Rücksprache zu halten, und dessen Anweisung zu befolgen.

§. 2257. Das aus solchem Verkaufe gelösete Gell» erhält der Versicherte, auf Abschlag der ihm von dem Versicherer zukommenden Vergütung. 8- 2258. Die Würdigung muß bei Schiffen an dem Orte, wo sie zuerst ein­ laufen, und bei Waaren an dem Orte, wo sie ausgeladen werden, geschehen. §. 2259. Der daselbst gegenwärtige Versicherer, oder deffen dem Schiffer bekannt gemachter Commissionair, muß dabei mit zugezogen; außerdem aber dem Versicherer ein zuverlässiger Mann, zur Wahrnehmung seiner Rechte, zugeordnet werde«. §. 2260. Die Würdigung muß unter gerichtlicher Aufsicht erfolgen. §. 2261. Doch soll, wenn die SchadenSaufnehmung außerhalb Lande- geschieht, auch die Zuziehung des ConsulS der Nation, von welcher der Versicherer ist, oder eines Rotarii und zweier Zeugen hinreichend sein. v §. 2262. Die Schadensberechnung selbst muß, wenn beide Theile darüber ee«*ung uneinig sind, von vereideten Sachkundigen oder Dispacheur-, nach den ihnen' vor- e*S«e. zutegeNden richtig befundenen Briefschaften und Beweismitteln, angefertigt werden "). $. 2263. Bei beschädigten Schiffen ergiebt sich der Betrag dessen, war der Versicherer vergüten muß, aus dem aufgenommenen Anschläge. (§. 2247.) 8- 2264. Ist der vormalige Werth des Schiffe- in der Police bestimmt, und nicht voll versichert: so wird der Schade nur nach Verhältniß der gezeichneten Summe vom Versicherer vergütet"). 'S. 2265. Bei beschädigten Waaren ergiebt sich die zu vergütende Summe

au- Vergleichung des gelöseten Geldes, gegen den comptanten Marktpreis am Be­ stimmungsorte. 8- 2266. Wird aber die beschädigte Waare im Nothhafen verkauft, so muß der Einkaufspreis ausgemittelt werden. 8. 2267. Dies geschieht auf den Grund der Factur und Einkaufsrechnung, mit Zuschlagung der Ladungskosten, der Fracht, des Beitrages zur Keinen Haverei, der Versicherungsprämie und anderer Unkosten» welche die Waare gewöhnlich bis zum Verkauf am Bestimmungsorte erfordert. 8- 2268. Beträgt die gezeichnete Summe weniger, als der nach vorstehenden Grundsätzen auszumittelnde Werth der Waaren, so muß der Schade zwischen beiden Theilen, nach Verhältniß des Versicherungsquanti zum auSgemittelten Werthe, vertheilt werden. 21) Diese Bestimmung gilt nach dem H.G.B. Art- 879 bei Seeversicherungen nicht 22) Die amtliche Dispache ist nach Art. 88« des H.G.B. nicht erforderlich. 23) Der Grundsatz gilt allgemein auch bei anderen Versicherungen, wenn nur ein Partial­ schade zu vergüten ist, was bei Feuerversicherungen häufig vorkommt. Der Grundsatz kommt auch in den §§. 2268 u. 2272 zur Anwendung.

1056

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 2269-2298.

§. 2269. Sind Waaren von gleicher Art bei Mehreren versichert, und es kann nicht auSaemittelt werde«, von wem die beschädigten versichert find: so tragen sämmt­ liche Versicherer den Schaden auf vorstehende Art, nach Verhältniß der gezeichneten Summen. §. 2270. Ist zur Zeit des entstandenen Unglücks die versicherte Sache schon durch solche Vorfälle, wofür der Versicherer nicht einsteht, beschädigt gewesen: so wird der Betrag dieses Schadens nach dem Gutachten vereideter Sachverständigen

in Abzug gebracht. §. 2271. Bei Frachtversicherungen wird, im Falle eines Partialschadens, auf die Taxe in der Police keine Rücksicht genommen; sondern der Versicherte muß durch Counoffemeute und Charte-Partie die bedungen gewesene Fracht, und die kleine Haverei erweisen. §. 2272. Was er weniger erhält, wird in Verhältniß des ausgemittelten Be­ trages der bedungenen Fracht und der kleinen Haverei, prozentweise berechnet; und der Versicherer bezahlt so viel Prozente von der gezeichneten Summe. §. 2273. Wenn aber die gezeichnete Summe die wirklich bedungene Fracht und kleine Haverei übersteigt, so bezahlt der Versicherer nur jene Differenz. §. 2274. Beträgt bei an sich verderblichen Waaren der Schade nur zehn; bei unverderblichen aber, ingleichen bei Cascoversicherungen, unter drei Prvcent von der versicherten Summe gerechnet: so kann der Versicherte keine Vergütung fordern M). §. 2275. Ist ein Schade durch Schuld und Versehen des Schiffers, der Steuer­ leute, oder des Schiffsvolks geschehen: so muß der Versicherte alle Mühe anwenden, auf Kosten des Versicherers, auS deS Schuldigen Vermögen, aus dem Schiffe oder befien Frachtgeldern, den Ersatz seines Schadens zu erhalten. §. 2276. Nur so weit26 24),27 25 als er solchergestalt zu seiner Befriedigung ganz oder zum Theil nicht gelangen kann, ist er dieselbe von dem Versicherer zu fordern berechtigt. §. 2277. Dem Versicherer steht jedoch frei, den Prozeß gegen den Schuldigen selbst zu übernehmen, ohne daß er dazu eine Vollmacht oder Cession nöthig hat; er muß aber alsdann dem Versicherten die Bergütungssumme auf dessen Verlangen

ew

fimiBt.

sogleich bezahlen. §. 2278. Hat außer dem Schiffer oder Schiffsvolke, sonst ein Dritter, der nicht die Stelle des Versicherten verttitt26), den Schaden verursacht: so ist der Versicherte schuldig, die Klage wider denselben sogleich anzustellen, und den Prozeß, auf Kosten deS Versicherers, so lange gehörig fortzusetzen, als dieser, nach dem Laufe der Posten, dazu die nöthigen Verfügungen selbst treffen kann. §. 2279. Wegen der Münzsorte, worin die Zahlung von dem Versicherer geleistet werden muß, gelten die Vorschriften des ersten Theils Titel 16. §. 74. sqq. § 2280. Die Zahlung muß an denjenigen geschehen, auf deffen Namen die Police lautet, oder dem sie von diesem cedirt worden2T). 24) Wenn nicht ein Anderes ausgemacht ist. An die Stelle dieser Bestimmung treten bei Seeversicherungen die Art. 849—851 des H.G.B. 25) Die 88 2275 - 2278 sind weitere Ausführungen des §. 2216. 26) Diese Borschrist ist eine Fortsetzung des §. 2215. — Bei Seeversicherungen kommt die Borschrift deS §. 2278 nicht Mehr zur Anwendung. H.G.B. Art. 808. 27) H. Bgl. die Anm. 13 zu §. 2163. Der §. 2280 steht dem Rechtsgrundsatze, dah der Uebernehmer des versicherten Gebäudes ohne weiteres den Anspruch auf die Versicherungssumme erwirbt, nicht entgegen, denn derselbe ist nur als eine Bestimmung über die Legitimationsfrage aufzufaffen. Bgl. LaSker in der deutsch. Ger.Zeit. Rr. 34, 36 u. 37. Ueber die Rechte des in einer LebensversicherungSpolize benannten Dritten s. Anm. 12 zu §. 1951 d. T.

Bon Versicherungen

1057

§. 2281. Ist nach §. 2071. die Versicherung an Zeiger diese-, oder fürRechnung dessen, den es angeht, geschlossen: so kann der Versicherer zwar an jeben Inhaber sicher zahlen; jedoch hängt es von ihm ab*8), von der Vorschrift deS §. 2072. Gebrauch zu machen. 8- 2282. Von der zu zahlenden Vergütungssumme kaun der Vü^icherer zwei Procent in Abzug bringen2e), wenn er dieser Besugniß nicht ausdrücklich entsagt hat. §. 2283. Bei einem Totalschaden sowohl, als bei Partialschäden, muß die Vergütung binnen zwei Monaten, vom Tage der Bekanntmachung und Andeutung, entrichtet werden; wenn binnen dieser Zeit die erforderlichen Beweise beigebracht werden 80). §. 2284. Werden die erforderlichen Beweise später beigebracht, sa ist die Zahlung binnen acht Tagen vom Tage der angelegten Dispache zu leiste«. §. 2285. Von der hier zu bestimmenden ZahluugSzett, oder, wen» die zu leistende Vergütung erst durch Prozeß festgesetzt wird, vom Tage der eingehüudigteu Klage, kann -er Versicherte auch die im Srften Theil Titel 11. §. 827. sqq. be­ stimmten Verzögerungszmsen fordern. §. 2286. Auf die Zwischenzeit kann er in. denjenigen Fällen Sicherheits­ bestellung verlangen, da gesetzmäßige Gründe zum Arrestschlage vorhanden sind. §. 2287. Bei Versicherungen der Freiheit eine» Menschen must der Versicherer die gezeichnete Summe binnen acht Tagen von dem Tage an bezahlen, da ihm die eingegangene glaubhafte Nachricht von der Gefangenuehmung des Versicherten an­ gedeutet, oder in Ermangelung vollständiger Beweise, bis zur Beibringung, derselben hinreichende Sicherheit bestellt worden. §. 2288. Der §. 2282. bestimmte Abzug der Zwei vom Hundert findet in einem solchen Falle nicht statt. §. 2289. Ist der Versicherte ohne Lösegeld frei gekommen, so wird der Ver­ sicheret dadurch nicht außer Verbindlichkeit gesetzt, noch kann er die bereit» gezahtte

Summe zurückfordern. §. 2290. Dagegen findet die Zurückforderung statt, wenn der Versicherte vor der Auslösung gestorben ist; jedoch muß alsdann der Wittwe und den Lindern des Verstorbenen der vierte Theil der gezeichneten Summe gelosten werden81). §. 2291. Ist auf die Freiheit eines Menschen keine bestimmte Summe in der Police gezeichnet, so muß der Versicherer für alle Kosten zu der versuchten Losmachung deS Gefangenen haften8*). §. 2292. Doch soll, bei ermangelnder Bereinigung, auf den Antrag des Versicherers, ein Dritter von der Obrigkeit bestellt werden, der das Auslösungs­ geschäft, auf Rechnung des Versicherers, welcher den Vorschuß dazu hergeben must betreibe. Eine Lebensverstcherungspolize mit der Klausel „zahlbar nach dem Tode des Versicherten an den Inhaber (vgl. §. 1968 d. T.) ist nur ein Legitimationspapier (J. Amn. 92 zu 8.2072b. D-X die Rechte au» einer solchen Poliz« gehen daher nur durch schriftliche Cesfion über. SL@. H.

äot. 1882, Gruchot 27 S. 968. 28) Er ist also nicht verpflichtet, die Legitimation zu prüfen29) In allen Fällen, wo da» Gesetz keine Ausnahme macht, also auch in dep» Fall« das §. 2272, der nichts weiter al» eine Anwendung de» Grundsätze» 8.2264 auf di« Fracht»vficherung ist und darüber: was der Versicherer sich abzuziehen berechtigt fein soll, keine BestnmmMg trifft. Wirklich« Au»nahm«n aber treffen die §g. 2288, 2316, 2818. 801 Die hier festgesetzten Zahlungsfristen gelten bei Seeversicherungen nicht. H.G.B. Art. 886, 31) Wenn diese nämlich bei der Versicherung rechtlich interessiren. 82) Fehlt es an einer bestimmten Festsetzung der Leistung, so ist der Kontrakt ungültig. ?. 2289. Der §. 2290 setzt also voraus, daß der Versicherer die Auslosung garantirt habe und «Shalb keine bestimmte Summe gezeichnet worden sei. §. 2292. v. 21.

Loch, Allgemeine? Landrecht.

III.

8. Anfl.

67

1068

Zweiter Theil.

Achter Titel.

§§. 2293—2323.

§. 2293. Ist das Leben eines Menschen versickert, so muß die gezeichnete Summe binnen zwei Monaten, nach dem Tage, da die von seinem Absterben ein­ gegangene glaubhafte Nachricht dem Versicherer angedeutet8S) worden, bezahlt werden. §. 2294. Ist der zur Dauer der Versicherung bestimmte Zeitpunkt verfloßen, ohne daß von dem Leben oder Tode der versicherten Person Nachricht eingegangen wäre: so ist der Versicherer zu nichts verbunden, bis das Absterben während der BersicherungSzeit erwiese» wird. §. 2295. War die Versicherung ausdrücklich zum Behufe einet bevorstehenden Gefahr geschloßen, und die versicherte Person ist dieser Gefahr wirllich ausgesetzt gewesen: so muß der Juhaber der Police die gesetzliche Frist, nach deren Verlauf ein Verschollener filr todt erklärt werden kann, abwarten. §. 2296. Die Todeserklärung muß der Inhaber auf feine eigenen Kosten fuchen, nach deren Erfolg aber kann er die gezeichnete Summe fordern. §. 2297. In der Zwischenzeit kann er verlangen, daß ihm landübliche Zinsen von der gezeichneten Summe, feit dem Ablauft der zur Dauer der Berfichemng bestimmten Zeit, gezahlt werden. §. 2298. Wird hiernächst erwiesen, daß der Versicherte während deS zur Dauer der Versicherung bestimmten Zeitpunktes verstorben fei, so muß nichts desto weniger die volle gezeichnete Summe bezahlt werden; wird aber dieser Beweis nicht geführt, so werden die genoßenen Zinsen von der gezeichneten Summe ab­ gerechnet. §. 2299. Findet sich hiernächst der Verschollene wieder ein, oder kann sonst erwiesen werden, daß er die Jahre der Berfichemng überlebt habe: so muß'der

Empfänger die gezeichnete Summe, jedoch ohne Zinsen, zurückzahlen. 9- 2300. Von vorstehenden aus dem Assecuranzvertrage fließenden Verbindlichkeiten kann keine von beiden Parteien sich, weder ganz, noch znm Theil, einseitig loSmachen. i)be*oct§. 2301. Doch kann der Versicherer von den zur Rettung oder Freimachung ftchrrrr,; Sache erforderlichen Kosten sich befreien, wenn er sich, nach entstandenem Unglückssalle, zur Zahlung der ganzen gezeichneten Summe erbietet.

SSutktn"'

§. 2302. Er muß sich aber darüber binnen der im ersten Theil Titel 6. §. 96. aqq. vorgeschriebenen Frist, von der Zeit an gerechnet, da ihm der geschehene Unglücksfall mit den Hauptumständen vollständig gemeldet worden, schriftlich83 84)* 86 erklären. §. 2303. Zögert er damit, so muß er alle bis zum Zeitpunkte der Erklärung bereits verwendeten Kostm, noch außer dem Bersichemngsquanto, bezahlen. yff*8- 2304 ••). Der Versicherte kann sich seiner Verbindlichkeit, zur Rettung der w