Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten: Band 2 [Reprint 2022 ed.] 9783112671986, 9783112671979

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Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten: Band 2 [Reprint 2022 ed.]
 9783112671986, 9783112671979

Table of contents :
Inhaltsübersicht
1. Rechel Natur des Anspruchs aus § 148 im allgemeinen
2. Begriff des Schadens und seiner Entstehung
3. Der Schaden muß entstanden sein an „dem Grundeigentume oder dessen Zubehörungen“
4. Der Schaden muß zugefügt sein durch den „Betrieb“ des Bergwerks.
5. Der Schaden muß „durch“ den Betrieb zugefügt sein
6. Für allen diesen dem Grundeigentume und seinen Zubehörungen entstehenden Schaden hat der Bergwerksbesitzer vollständige Entschädigung zu leisten
7. Die Entschädigung ist zu leisten von dem „Bergwerksbesitzer"
8. Für allen diesen Schaden ist „vollständige" Entschädigung“ zu leisten
9. Die gerichtliche Geltendmachung des Bergschädenanspruchs
10. Die sonstigen Ansprüche bei Beschädigungen von Grundeigentum durch den Bergwerksbetrieb
11. Vergleichsweise Erledigung des Bergschädenanspruchs
12. Zu Absatz 2
Anhang zu § 148
Dritter Abschnitt. Von dem Verhältnisse des Bergbaues zu öffentlichen Verkehrsanstalten
Sechster Titel. Von der Aufhebung des Bergroerkseigenfums
Knappschaftsgeseß
Achter Titel. Von den Bergbehörden
Neunter Titel. Von der Bergpolizei
Erster Abschnitt. Von dem Erlasse bergpolizellicher Vorschriften
Zweiter Abschnitt. Von dem Verfahren bei Ünglücksfällen
Dritter Abschnitt. Strafbestimmungen
Zehnter Titel. Provinzialrechtliche Bestimmungen
Elfter Titel. Übergangsbestimmungen
Zwölfter Titel. Schlussbestimmungen
Anhang zum ersten und zweiten Titel
I. Gesetz, betreffend die Abänderung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865
II. Gesetz. Betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen der Allgemeinen Berggesetzes vom u. Juni 7865
III. Gesetz über den Bergwerksbetrieb ausländischer juristischer Personen und den Geschäftsbetrieb ausserpreussischer Gewerkschaften
Anhang zum dritten Titel
I. Reichsgesetz betr. die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes
II. Ausführung-Anweisung zu dem Gesetze vom 24. Juni 1892
III. Gesetz, betreffend die Abänderung des Allgemeinen Berggesetzes vorn 24. Juni 1865/1892 und u. Juli 1905
IV. Ausführungsanweisung zu dem Gesetz vom 28. Juli 1909
V. Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 21. Juni 1869
Das Reichshaftpflichtgesetz
Anhang zum Knappschaftsgesetz
I. Gesetz, Betreffend die Abänderung des Siebenten Titels im Allgemeinen Berggesetze vorn 24. Juni 1865. Vom 19. Juni 1906
II. Gesetz, betreffend die Abänderung des Siebenten Titels im Allgemeinen Berggesetze vom 24. Juni 1865 sowie 19. Juni 1906
III. Verordnung über Geschäftsgang und Verfahren der Versicherungsämter vom 24. Dezember 1911
IV. Verordnung über das schiedsgerichtliche Verfahren bei knappschaftlichen Streitigkeiten (Schledsgerichtsordnung) vom 3. Dezember 1913
V. Verordnung über Geschäftsgang und Verfahren der Oberversicherungsämter vom 24. Dezember 1911
VI. Verordnung über das Verfahren vor dem Oberschiedsgericht in Knappschaftsangelegenheiten (Oberschledsgerichtsordnung) vom 3. Dezember 1913
VII. Auszug aus der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911
Anhang zum achten Titel
I. Zuständigkeitsordnung für die Verwaltung der Staatswerke im Bereiche der Berg-, Bütten- und Salinenverwaltung
II. Allgemeine Vorschriften für die Markscheider im Preußischen Staate
III. Gebühren
IV. Bestimmungen, betreffend die Zusammensetzung und die Geschäftsführung der Bergbaudeputation
Anhang zum neunten Titel
I. Gemeinschaftlicher Erlaß des Gandeisministers und des Ministers für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten vorn 7. April 1976, betreffend die Kompetenz der Bergbehörden und der Ortspolizeibehörden bei Beschwerden über Verunreinigung fließender Gewässer durch den Bergbau
II. Erlaß der minister der öffentlichen Urteilen, für Bandel und des Innern vom 23 August 1911, betreffend die Grubenanschlusbahnen
III. Grundzüge für die Ausübung der Aufsicht über diejenigen Privatanschlußbahnen im Sinne des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli 1892 (GS. S. 225), welche zugleich Zubehör eines Bergwerks bilden
IV. Gesetz betreffend die Gründung neuer Ansiedlungen in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und Westfalen. vom 10. August 1904
V. Gesetz Ober die Bestrafung unbefugter Gewinnung oder Aneignung von Mineralien. vom 26. März 1856
VI. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen. Vom 9 Juni 1884
Anhang zum zehnten Titel
I. Verordnung, betreffend die Einführung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 in das Gebiet des vormaligen Herzogtums Nassau, vorn 22. Februar 1867
II. Beiordnung betreffend die Einführung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 in die mit der Preußischen Monarchie vereinigten Landesteile der Großherzoglich hessischen Provinz Oberhessen, sowie in das Geblet der vormaligen Landgrafschaft Hessen-Homburg, einschließlich des Oberamtsbezirks Meisenheim. vom 22. Jebruar 1867
III. Beiordnung betreffend die Einführung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 in das mit der Preußischen Monarchie vereinigte Gebiet des vormaligen Kurfürstentums Hessen und der vormaligen freien Stadt Frankfurt, sowie der vormals Königlich Bayerischen Landestelle. vom 1. Juni 1867
IV. Einführungsgeseitz für Lauenburg
V. Gesetz betreffend die Einführung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni lies in das Gebiet der Herzogtümer Schleswig und Holstein, vom 12. März 1869
VI. Verordnung betreffend die Einführung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 in das Gebiet des vormaligen Königreichs Hannover, vorn 8. Mai 1867
VII. Gesetz betreffend die Ausdehnung verschiedener Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 auf den Stein- und Kalisalzbergbau in der Provinz Hannover. vom 14. Juli 1895
VIII. Gesetz, betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vorn 24. Juni 1865 auf die Arbeiten zur Aufsuchung von Stein- und Kalisalz und von Solquellen in der Provinz Hannover. Vom 26. Juni 1904
IX. Gesetz über die Bestellung von Salzabbaugerechtigkeiten in der Provinz Hannover. vom 4. August 1904
Anhang zum zwölften Titel
I. Gesetz wegen Verwaltung der Bergbau-Hilfskassen. vom 5 Juni 1865
Berichtigungen
Sachregister

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Brassert,Berggesetz. 2

Zweiter Abschnitt. Von dem Schadenersatz für Beschädigungen usw.

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Seitdem sind auf Grund des ABG. auch von dem Reichs­ gerichte zahlreiche wichtige Entscheidungen über den bergrechtlichen Schadensersatz getroffen, und ebenso hat die neuere Fachliteratur dem Gegenstände besondere Beachtung zu Teil werden lassen. In Kreisen der Grundeigentümer, namentlich innerhalb des niederrheinisch-wcstfälischen Steinkohlenbeckens, fehlt es freilich nicht an Bestrebungen, eine Änderung des bestehenden Rechtszu­ standes, und zwar in der Richtung herbeizuführen, daß die berg­ rechtliche Haftpflicht des Bergwerksbesitzers noch erheblich ver­ schärft werden soll. Es kann indes von einer solchen weiteren Beschwerung des ohnehin erheblich belasteten Bergbaues im Hin­ blick auf das Gemeinwohl und im wohlverstandenen Interesse beider Beteiligten nur ebenso dringend abgeraten werden, wie dies bereits seitens der Vertreter der Staatsregierung geschah, als hierauf bezügliche Petitionen zum ersten Male in den Sitzungen des Hauses der Abgeordneten vom 23. und 26. Juni 1876 zur Beratung kamen: vgl. Z. Bd. 17 S. 455. Als damaliger Minister für Handel usw. warnte Dr. Achenbach nach Bekämpfung der auf Abänderung des vorliegenden Abschnitts des Gesetzes gerichteten Anträge „vor Maßregeln, die nicht zum Heile des Bergbaues gereichen. Es handelt sich um große Interessen, und diese Interessen schädigen, heißt das Land schädigen". In demselben Sinne erhob damalsMa as, Z.Bd. 17 S. 369, seine abmahnende Stimme, und als jene Peti­ tionen in der Session von 1879 bis 1880 erneuert wurden, ent­ schied die Justizkommission des Hauses der Abgeordneten sich ein­ stimmig gegen die beantragte Abänderung der geltenden Vor­ schriften,' Z.Bd.21 S.429. Nicht minder vertritt Dauben speck (Haftpflicht S. 98), welchem die Lehre vom Bergschaden ihre wissenschaftliche Durcharbeitung verdankt, die Ansicht, daß an den Grundprinzipien, auf welchen diese Lehre beruht, „überhaupt nicht gerüttelt werden darf". Waren demnach nicht anderweitige materielle Grundsätze über den Bergschaden ins Auge zu fassen, so konnten andererseits die Beschwerden über die Mängel des Prozeßverfahrens bei Geltendmachung solcher Entschädigungsansprüche nicht als unbe­ gründet bezeichnet werden. Allerdings hat seitdem die Zivilprozeß­ ordnung günstig eingewirkt durch die Abkürzung des Verfahrens und hauptsächlich durch die freie richterliche Würdigung des Beweises. Konnte doch der Bericht des Justizministers über die Justizverwaltung und Rechtspflege in Preußen (1882 bis 1887) hervorheben, „wie sehr nach den von den Gerichten gemachten Erfahrungen die einfachen und elastischen Formen des neuen Ver­ fahrens die sichere, ungehemmte Anwendung des materiellen Rechtes erleichtern". Aber schon vor der Reform des Prozeß­ rechts wurde der Versuch gemacht, durch Einsetzung von Schieds­ gerichten „zur Regulierung der Bergschäden" Abhilfe zu schaffen. Vgl. Z. Bd. 19 S. 18. Der Einrichtung des ersten Schiedsgerichts, und zwar für den Stadtkreis Essen lag eine auf Zeit beschränkte 35

546

Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautreibenden usw. |§ 148

Vereinbarung zwischen den Beteiligten vom Jahre 1877 zu Grunde- später erfolgte die Einsetzung der Schiedsgerichte von Amts wegen auf ministerielle Anordnung. Jedes dieser Schiedsgerichte bestand aus zwei Abteilungen. Die erste hatte über den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Bergbaubetriebe und der Grundstücksbeschädigung zu ent­ scheiden, die zweite die vollständige Entschädigung zu ermitteln und festzusetzen, jedoch über den Minderwert nur dann zu befinden, wenn beide Teile ausdrücklich hierauf antrugen. Für den Fall der Reparaturfähigkeit eines beschädigten Gebäudes hatte die zweite Abteilung auch die Kosten der Wiederherstellung zu ermitteln, sowie unter Umständen die angeordneten Reparaturen und Aus­ besserungen ausführen zu lassen und die vorschriftsmäßige Aus­ führung zu überwachen. Vor Anrufung des Schiedsgerichts hatten beide Teile sich der Entscheidung desselben unter Verzicht auf richterliche Entscheidung zu unterwerfen. Über die ministeriell genehmigten Geschäftsanweisungen vgl. Z. Bd. 19 S. 29, Bd. 21 S. 447, 93b. 22 S. 178, 93b. 23 S. 341, 93b. 24 S. 77, 324, 493, sowie Daubenspeck, die Schiedsgerichte für Regulierung der Bergschäden. Diese Schiedsgerichte haben sich jedoch nicht bewährt und sind daher durch MinisteriabErlaß vom 12. Januar 1904 aufgehoben worden, Westhoff S. 269, Thielmanu Anm. 7 zu 8 149. Die dem preußischen folgenden Berggesetze haben die Vor­ schriften über den Bergschaden größtenteils wörtlich übernommen die wenigen Abweichungen sind nicht von Belang. Mehr oder weniger abweichende Grundsätze enthalten das großherzoglich und das königlich sächsische Berggesetz. Das anzuwendende Recht bestimmt sich nach den Gesetzen desjenigen Ortes, wo der beschädigende Bergbau betrieben wird, nicht aber desjenigen, wo das beschädigte Grundstück liegt, denn die Schadensersatzverbindlichkeit ist eine lediglich auf der Ausübung des Bergwerkseigentums beruhende obligatio ex lege (vgl. § 148 Anm. 1), welche dem Gesetze untersteht, wo die die Verpflichtung begründende Handlung vorgenommen wird, Urt. des RG. v. 6. Febr. 1889, Z. Bd. 30 S. 371, Urt. des OTr. v. 13. Nov. 1876, Z. Bd. 18 S. 135, a. A. Westhoff S. 271/2.

§ 148.

Der Bergwerksbesitzer ist verpflichtet, für allen Schaden, welcher dem Grundeigentums oder dessen Zubehörungen durch den unterirdisch oder mittels Tagebaues geführten Betrieb des Bergwerks zugefügt wird, vollständige Entschädigung zu leisten, ohne Unterschied, ob der Betrieb unter dem beschädigten Grund­ stücke stattgefunden hat oder nicht, ob die Beschädigung von dem Bergwerksbesitzer verschuldet ist, und ob sie vorausgesehen werden konnte oder nicht.

§ 148]

Zweiter Abschnitt. Bon dem Schadenersatz für Beschädigungen usw.

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Den Hypotheken-, Grundschuld- und Rentengläubigern wird eine besondere Entschädigung nicht gewährt. Mot. S. 89 (208), KH. AH. S. 77/8 (1243).

Inhaltsübersicht. 1. Recht!. Natur des Anspruchs aus § 148 im allgemeinen. 2. Begriff des Schadens und seiner Entstehung. 3. Begriff des Grundstücksschadens. 4. Begriff des Bergwerksbetriebes. 5. Der Kausalzusammenhang zwi­ schen Schaden und Bergwerks­ betrieb. 6. Die Entschädigungsberechtigten. 7. Der zum Schadensersatz ver­ pflichtete Bergwerksbesitzer. 8. Die Entschädigung. A. Allgemeine Grundlagen. B. Der Herstellungsanspruch. C. Die Entschädigung in Geld. D. Minderung der Entschädi­ gungsansprüche (konkurrieren­ des Verschulden und Borteils­ ausgleichung).

9. 10.

11.

12.

E. Form der Geldentschädigung (Kapital oder Rente). F. Verzinsung der Entschädigung. G. Maßgebender Zeitpunkt für die Bemessung der Entschädi­ gung. Die gerichtliche Geltendmachung des Bergschädenanspruchs. Sonstige Ansprüche bei Beschädi­ gungen durch den Bergwerks­ betrieb (negatorische und Delikts­ klage). Vergleichsweise Erledigung des Bergschädenanspruchs. Rechte der Hypotheken- usw. Gläu­ biger an der Entschädigungsforde­ rung bei Bergschäden (Aos. 2).

Anhang: Die wasserrechtlichen Ver­ hältnisse des Bergbaus.

1. § 148 enthält den besonderen bergrechtlichen Verpflich­ tungsgrund zu dem Schadensersätze, welchen der Bergbautreibende, abgesehen von seiner etwaigen zivilrechtlichen Haftpflicht, für Beschädigungen des Grundeigentums und dessen Zubehörungen zu leisten hat. Diese Entschädigungsverbindlichkeit, eine obligatio ex lege ist durch positives Gesetz lediglich an die Tatsache geknüpft, daß ein Grundstück oder ein Zubehör desselben beschädigt und dieser Schaden durch den Betrieb eines Bergwerks unmittelbar oder mittelbar verursacht worden ist- das bloße Eintreten eines solchen Schadens begründet kraft Gesetzes die Verbindlichkeit zur vollständigen Entschädigung. Ein vertragsähnliches Verhältnis liegt hier nicht zu Grunde, und ebensowenig ist eine unerlaubte Handlung, ein subjektives Verschulden des Beschädigers voraus­ gesetzt- es kommt nicht darauf an, „ob die Beschädigung von dem Bergwerksbesitzer verschuldet ist, und ob sie vorausgesehen werden konnte oder nicht." Daß der beschädigende Betrieb ordnungsmäßig, nach den Regeln der Technik und den Vorschriften der Bergpolizei geführt worden ist, kann daher als Befreiungsgrund nicht geltend gemacht werden. Urt. des OTr. v. 26. Juni 1872, Z.Bd. 13 S. 547, Entsch. Bd. 67 S. 240, Striethorst Bd. 85 S. 285- auch Urt. v. 16. März 1839 und Plenarbeschlüsse v. 18. April 1843 und 7. November 1849, Entsch. Bd. 4 S. 354, Bd. 9 S. 101, Bd. 18 S. 71. Daubenspeck, Haftpflicht S. 5, Bergschaden S. 18. Der auf dem § 148 beruhende Entschädigungsanspruch hat

548

Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautreibenden usw.

[§ 148

nicht die Natur eines dinglichen Rechts, sondern ist, wie schon nach den früheren landrechtlichen Vorschriften, ein subjektiv und objektiv persönliches Recht (wegen der hieraus sich ergebenden Folgen vgl. die Anm. 6 und 7), vgl. z. B. Urt. des OTr. v. 26. Juni 1872, 24. Jan. 1873 u. 30. März 1874, Z. Bd. 13 ®. 547, Bd. 14 S. 251, Bd. 16 S. 106, des OLG. Hamm v. 15. Mai 1874, Gruchot Bd. 11 S. 784, des LG. Essen v. 4. Okt. 1881, Bd. 24 S. 224, des LG. Dortmund v. 10. April 1883, Bd. 27 S. 91, Urt. des RG. v. 1. Mai 1880, 29. Nov. 1890, 21. Dez. 1892, Z. Bd. 22 S. 118, Bd. 32 S. 395, Bd. 34 S. 508; Daubenspeck, Haftpflicht S. 10, Bergschaden S. 65, West1)0ff S. 44. 2. Es muß ein „Schaden entstanden“ fein. a) Als Schaden gilt nach allgemeinen Rechtsbegriffen (vgl. z. B. tz 1 T. I Tit. 6 ALR.) jede Verschlechterung des Zustandes eines Menschen in Ansehung seiner Person oder seines Vermögens. Da nun § 148 einen dem „Grundeigentume oder dessen Zu­ behörungen" zugefügten Schaden betrifft, so kommt hier nur die Verschlechterung der Vermögenslage in Betracht. Ist also die Vermögenslage durch die Schadensursache, d. h. den Bergwerksbetrieb nicht verschlechtert worden, so ist auch kein Schaden entstanden, so z. B., wenn die infolge des Bergbaues eingetretenen Bodensenkungen und Risse so geringfügig oder die Bodensenkungen so gleichmäßige sind, daß eine Wertsverminderung des Grundstücks nicht herbeigeführt ist, Urt. der RG. vom 13. November 1886, Z. Bd. 28 S. 507; auch Urt. der Kreisg. Dep. Hattingen v. 18. Okt. 1876, Z. Bd. 19 S. 90; Daubenspeck, Haftpflicht S. 18, Westhoff S. 95, Thielmann Anm. 3 zu §148. Andrerseits ist aber ein Schaden in jeder Verschlechterung der Vermögenslage des Grundbesitzers in Beziehung auf das betreffende Grundstück und dessen Zubehörungen zu erblicken. Maßgebend ist lediglich, daß ohne den Betrieb des Bergwerks die Wertverminderung nicht eingetreten wäre, Urt. des RG. vom 21. Dezember 1892, Z. Bd. 34 S. 508 ff., insbes. S. 511. Es ist also nicht etwa erforderlich, daß die Integrität des Grundstückes in irgend einer Weife beeinträchtigt wird. Ein Schaden ist vielmehr schon dann vorhanden, wenn das Grundstück infolge der durch den Bergbau drohenden Gefahr die Bauplatz­ qualität verloren (vgl. a. Anm. 8 C d a) oder ein auf ihm befind­ licher Fabrikbetrieb durch die Verschlechterung des erforderlichen Wassers Störungen erleidet, vgl. insbesondere Urt. des RG. vom 15. März 1902, Z. Bd. 44 S. 141, ferner Urt. des RG. vom 21. Dezember 1892, 8. Januar 1898, 15. Januar 1902, 23. Ok­ tober 1912, Z. Bd. 34 S. 508, Bd. 39 S. 226, Bd. 43 S. 355, Bd. 54 S. 272, sowie Westhoff S. 97 ff., wo die entgegenstehende (vgl. Funke in Z. Bd. 37 S. 297 ff., Bd. 38 S. 437 ff.), früher auch vom Reichsgericht vertretene Meinung widerlegt ist.

§ 148] Zweiter Abschnitt. Bon dem Schadenersatz für Beschädigungen usw. 549 Ebensowenig braucht der Minderwert schon greifbar in die Erscheinung getreten zu sein, z. B. beim Verkaufe ein niedriger Kaufpreis erzielt oder bei der Beleihung ein geringerer Geldwert angenommen worden zu sein, es genügt vielmehr, daß ein solcher geringerer Kaufpreis, bzw. Geldwert bei einem Verkaufe, bzw. einer Beleihung nach der allgemeinen Wertschätzung, welche in dem Gutachten der Sachverständigen zum Ausdrucke gelangt, zu erwarten sein wird, Urt. des RG. vom 2. Juni 1894, Z. Bd. 35 S. 373, sowie die obigen Urteile. Jedoch muß anderseits der Schaden bereits tatsächlich ein­ getreten, nicht nur bloß möglich sein, Urt. des RG. vom 26. November 1887, 1. November. 1890, 22. Juni 1901, Z. Bd. 30 S. 96, Bd. 32 S. 257, Bd. 43 S. 219, Daubenspeck, Haft­ pflicht S. 18. Für die Beurteilung des Zeitpunktes des Schadenseintritts ist der Eintritt der Schadens Ursache unter allen Umständen un­ erheblich, maßgebend ist allein das Hervortreten ihrer schädigenden Wirkung. Die Entstehung des Schadens kann zurückzuführen sein auf den Betrieb als solchen, z. B. bei Minderbewertung eines Grund­ stücks wegen drohender Bergbaugefahr (s. oben) oder durch die einzelne Äetriebshandlung. Wann ein Schaden durch den Betrieb als solchen eingetreten ist, wird sich in der Regel nach den in der betreffenden Gegend erfolgenden Grundstücksbewertunz, insbesondere bezüglich ihrer Eigenschaft als Bauplatz, beurteilen lassen, Urt. des RG. vom 25. Juni 1913, D. Bergw.-Zeitg. Nr. 148 (vgl. ei. S. 572). Die Entstehung des durch eine einzelne Betriebs­ handlung verursachten Schadens ergibt sich aus der Einwirkung der­ selben auf das Grundstück bzw. seine Zubehörungen. Der Schaden muß aber gerade auf die betreffende Betriebshandlung zurückzuführen sein. Dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn durch denselben Abbau, der schon früher inzwischen zum Stillstände gekommene Boden­ bewegungen verursacht hat, in einem späteren Zeitpunkt von neuem Bodensenkungen und damit zugleich Gebäudebeschädigungen oder Geleissenkungen usw. herbeigeführt werden, Urt. des OLG. Hamm vom 6. Juni 1899, Z. Bd. 41 S. 117, Urt. des RG. vom 11. November 1891, 14. Dezember 1892, Z. Bd. 33 S. 233, Bd. 34 S. 253, Urt. des OLG. Hamm vom 14. April 1891, Z. Bd. 32 S. 373, noch viel weniger wenn es sich um eine Betriebs­ handlung in einem ganz anderen Flöze handelt. Ebenso bringt die fortgesetzte Ableitung von Abwässern oder das fortgesetzte Auspumpen von Grubenwässern, welches die Austrocknung eines Grundstücks zur Folge hat, jedesmal einen neuen Schadensersatzanspruch zur Entstehung, Urt. des RG. vom 30. September 1872, vom 22. Februar 1875, Z. Bd. 15 S. 115, Bd. 17 S. 266, Urt. des RG. vom 9. Oktober 1882, Z. Bd. 24 S. 504, Urt. des OLG. Hamm vom 5. Dezember 1899, Z. Bd. 41 S. 239; es muß natürlich im einzelnen Falle je nach Lage der

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Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautreibenden usw.

[§ 148

Sache geprüft werden, ob nicht schon mit dem erstmaligen Ab­ leiten oder Auspumpen der Schaden bereits in seinem ganzen Umfange entstanden war, vgl. West ho ff S. 100 ff. Ist nach Vorstehendem ein Schaden als entstanden anzu­ sehen, so ist es dies aber auch in vollem Umfange, d. h. mit allen seinen, auch in die Zukunft sich erstreckenden Folgen. b) Der Schaden umfaßt ferner nicht nur die unmittelbaren schädigenden Einwirkungen des Bergwerksbetriebs, sondern auch die nur mittelbaren. Um solche mittelbaren Folgen handelt es sich z. B. bei der Beschädigung eines Gebäudes infolge verminderter Tragfähigkeit des Grundstücks, welche auf die Wasserentziehung durch den Bergbau zurückzuführen ist, Urt. des OLG Hamm vom 18. November 1898, Z. Bd. 40 S. 351, bei Ausdehnung einer durch den Brand eines Kohlenflözes hervorgerufenen Inbrand­ setzung eines Hauses auf ein Nachbarhaus, Urt. des OTr. vom 20. März 1874, Striethorst Bd. 71 S. 180, bei Beschädigung der Kessel oder der Produkte einer Zuckerfabrik infolge der durch bergbauliche Abwässer verursachten Verunreinigung des zum Betriebe benutzten Waffers, Urt. des RG. v. 6. Febr. 1895, 1. Juli 1899, 17. März 1902, Z. Bd. 36 S. 360, Bd. 40 S. 479, Bd. 44 S. 141; weitere Beispiele vgl. bei Westhoff S. 124.

3.

Der Schaden muß entstanden sein an „dem Grund-

eigentume oder dessen Zubehörungen“. a) Grundeigentum sind die Grundstücke selbst nebst ihren sämtlichen Bestandteilen und ihrem Zubehör. Der Begriff der Bestandteile ergibt sich für das geltende Recht aus den §§ 93 bis 96 BGB. Vor allem gehören danach hierzu die Bodenbestand­ teile, Sand-, Torf-, Kies-, Lehmlager, die auf dem Grundstücke stehenden Bäume und Früchte, ferner die auf ihm errichteten Gebäude, sofern sie nicht nur zu vorübergehenden Zwecken oder in Ausübung eines Rechts an dem Grundstücke mit diesem ver­ bunden worden sind, nebst den zu dauernden Zwecken, insbesondere zu ihrer Herstellung eingefügten Bestandteilen (§ 95 BGB.), sowie die mit dem Eigentum an einem Grundstücke verbundenen Rechte, z. B. Grunddienstbarkeiten (§ 96 BGB.); wegen der Wassers vgl. den Anhang zu § 148. Zubehör sind gemäß §97 bewegliche Sachen, welche, ohne Bestandteile zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache dauernd zu dienen bestimmt, zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnisse stehen und im Verkehr als Zubehör angesehen werden, z. B. bei einem zum Gewerbebetriebe bestimmten Gebäude die dem Betriebe dienenden Maschinen und sonstigen Gerätschaften, bei einem Landgute das dem Wirtschafts­ betriebe dienende Gerät und Vieh, die zur Fortführung der Wirt­ schaft erforderlichen landwirtschaftlichen Erzeugnisse, sowie der vor­ handene, auf dein Gute gewonnene Dünger (§ 98 BGB.). Voraussetzung ist aber stets, daß sowohl die Bestandteile,

§ 148]

Zweiter Abschnitt. Bon dem Schadenersatz für Beschädigungen usw. 551

als das Zubehör dauernd in diesen Beziehungen zu dem Grund­ stücke stehen, dies wird aber z. B. bei dem von dem Mieter oder Pächter auf ein Grundstück gebrachten Gegenständen regelmäßig nicht der Fall sein. Die Motive zum ABG. S. 88 nannten als Zubehörungen insbesondere industrielle Anlagen, dieselben werden nach dem BGB. in der Regel als Bestandteile zu gelten haben, z. B. eine Bleicherei, Urt. des RG. v. 9. Okt. 1882, Z. Bd. 24 S. 500, eine Zucker­ fabrik, Urt. des RG. v. 1. Juli 1899 und 15. März 1902, Z. Bd. 40 S. 479, Bd. 42 S. 141, ferner die Rohrleitungen eines Gas-, Wasser- oder Elektrizitätswerks, Telegraphenleitungen und Schienengeleise, welche, sofern sie in Ausübung eines Rechts durch ein fremdes Grundstück gelegt sind, Bestandteile desjenigen Grund­ stücks sind, auf welchem sich die Anlage befindet, deren Betrieb sie dienen, vgl. z. B. Urt. des OLG Hamm v. 1. Febr. 1898, Z. Bd. 39 S. 472 betr. Wasserleitungsrohre, Urt. des RG. v. 24. Juni 1885, Z. Bd. 27 S. 100 betr. Gasleitungsrohre und die an letzterem Urteil, soweit dadurch der Bergwerksbesitzer auch zum Ersätze der Gasverluste verurteilt worden ist, wohl mit Recht geübte Kritik Westhoffs S. 77/8. Vgl. im übrigen Westhoff S. 68 ff., so­ wie Anm. 6 zu 8 50 und Thielmann Anm. 4 zu 8 148. Es ist aber stets zu beachten, daß es sich um einen „Grund­ stücksschaven" handeln muß, ein bloßer Vermögensschaden genügt nicht. Die Entziehung der Möglichkeit, ein benachbartes lehm­ haltiges Grundstück zum Betriebe einer auf dem Grundstücke des Grundeigentümers betriebenen Ziegelei infolge der Beschädigung der auf seinem Grundstücke befindlichen Oefen benutzen zu können, stellt daher z. B. einen Grundstücksschaden im Sinne des § 148 nur dann dar, wenn vor den bergbaulichen Einwirkungen im Ver­ kehre gewertete Beziehungen zwischen diesen Grundstücken bestanden haben und diese durch die bergbaulichen Einwirkungen nachteilig beeinflußt sind, der bloße räumliche Zusammenhang dagegen bildet für sich allein noch keine den Wert des Grundstücks erhöhende Eigenschaft, Urt. des RG. v. 8. Nov. 1911, Z. Bd. 53 S. 236 ff. Aehnliches gilt für die mit der Beschädigung eines Grund­ stücks verbundene Beeinträchtigung des auf diesem ausgeübten Gewerbebetriebes. Diese bildet einen auf Grund des 8 148 zu ersetzenden Grundstücksschaden nur insoweit, als der Betrieb des Gewerbes durch die Eigenschaften des Grundstücks erst ermög­ licht oder doch wenigstens zu einem besonders gewinnbringenden gestaltet wird, z. B. Vorhandensein von Bodenschätzen, Lehm, Torf, Kies, Lage an einer Geschäftsstraße usw., Urt. des RG. v. 20. Dez. 1882, 25. Okt. 1883, Z. Bd. 25 S. 397, Bd. 26 S. 115, Urt. des OLG. Hamm v. 18. April 1882, Z. Bd. 23 S. 397, vgl. auch Anm. 3 zu 8 137 (S. 505) und Westhoff S. 79 ff. Bei der Bemessung eines solchen Schadens sind aber auch bereits vorhandene Aus­ dehnungsmöglichkeiten des Gewerbebetriebs und ihre Bewertung bei einem evtl. Verkaufe zu berücksichtigen, wobei es unerheblich ist, ob

552 Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautretbenden usw. [§ 148 ihre Ausnutzung bzw. ein Verkauf von dem Grundbesitzer tatsäch­ lich beabsichtigt war, Nrt. des RG. v. 18. Dez. 1912, Z. Bd. 54 S. 408 ff. betr. die Erweiterungsanlage einer Ziegelei. Daher sind z. B. die Ausfälle in dem Ertrage eines Erwerbs­ geschäftes, welches von dem Eigentümer eines beschädigten Grund­ stücks in einem anderen benachbarten, aber von den Einwirkungen des Bergbaues nicht betroffenen Grundstücke betrieben wird, von dem Bergwerksbesitzer nicht zu ersetzen, litt, des RG. v. 14. Nov. 1906, Z. Bd. 48 S. 295. b) Die Entschädigungsverbindlichkeit aus § 148 erstreckt sich nicht auf Beschädigungen, welche durch den Betrieb des Berg­ baues Personen oder beweglichen, nicht zum Zubehör eines Grundstücks gehörigen Gegenständen zugefügt sind, und zwar auch dann nicht, wenn eine mittelbare Einwirkung des beschädigten Grundstücks stattgefunden hat, z. B. ein Mensch in einen Tages­ bruch gestürzt ist, von Dritten eingestelltes Weidevieh durch den Zusammensturz eines Stalles getötet wird usw. In diesen Fällen ist vielmehr die Haftbarkeit des Bergwerksbesitzers nur nach Zivil­ recht zu beurteilen, also namentlich davon abhängig, ob demselben ein Verschulden zur Last fällt, Mot. S. 88; Urt. des OLG. Hamm v. 18. April 1882, Z. Bd. 23 S. 383, Urt. des LG. Saarbrücken v. 25. April 1907, Z. Bd. 49 S- 178; Rek.-Besch. v. 26. April 1886, Z. Bd. 27 S.396; Daubenspeck, Haftpflicht S. 15, Westhoff S. 77, Arndt Anm. 2, Thielmann Anm. 4 zu § 148. c) Ebensowenig fallen Beschädigungen von Bergwerkseigentum unter die Bestimmung des § 148, sondern sind nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts über Schadensersatz, insbesonoere also den §§ 823 ff. BGB. zu beurteilen. Ersäuft daher z. B. ein Bergwerk infolge der Zuleitung von Grubenwäffern aus einem anderen Bergwerk, so haftet der Eigentümer des letz­ teren nur, wenn ihn ein Verschulden trifft, Urt. des RG. v. 28. Jan. 1882, Daubenspeck Bd. I S. 209, Urt. des RG. v. 16. Dez. 1909, Z. Bd. 51 S. 621, Entsch. Bd. 72 S. 303, sowie dessen Kritik in dem Aufsatze von K. Gottschalk, Bergnach­ barrecht und Markscheidersicherheitspfeiler, Glückauf 1911S. 1648 ff. Handelt es sich dagegen lediglich um ein Grundstück, welches im Eigentume eines Bergwerkseigentümers steht, so steht selbst­ verständlich der Anwendbarkeit des § 148 nichts entgegen, und zwar selbst dann nicht, wenn das Grundstück, z. B. ein Flut­ graben den Zwecken des Bergwerksbetriebes zu dienen bestimmt ist, vgl. Urt. des RG. v. 14. Okt. 1891, Z. Bd. 33 S. 226. Ebenso untersteht der Grundeigentümerbergbau dem § 148, denn bei diesem bilden die Mineralien bis zu ihrer Entnahme durch den Abbauberechtigten Bestandteile des Grund und Bodens, Westhoff S. 83, Arndt Anm. 2, Thielmann Anm. 4 zu § 148, a.A. Urt. des RG. v. 28. Jan. 1882, Daubenspeck Bd. I S. 209. Wegen der Schadensersatzpflicht bei der bergpolizeilich auf-

§ 148]

ZweiterAbschnitt. Von dem Schadenersatz für Beschädigungen usw.

553

erlegten Verpflichtung zum Stehenlassen von Sicherheitspfeilern, vgl. § 62 Anm. 2. d) Ueber die bei Eingriffen des Grundeigentümers in dos Bergwerkseigentunr entstehenden rechtlichen Beziehungen f. Vor­ dem. zum 1. Titel S. 11 ff-, § 54 Anm. 3.

4. Der Schaden muß zugefügt sein durch den „Bdrieb“ des Bergwerks. Unter dem „Betrieb eines Bergwerks" im Sinne des § 148 ist nach der feststehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts nur die unmittelbar auf die Förderung des Minerals gerichtete Tätig­ keit, der Betrieb im engeren Sinne, nicht aber sind darunter Anstalten zu verstehen, welche die Bearbeitung, Weiterbeförderung oder Verwertung des Minerals betreffen, vgl. insbes. Urt. des RG. v. 23. Jan. 1911, Z. Bd. 52 S. 526 ff. mit eingehender Begründung und Literaturangabe. Nicht als Bergwerksdetrieb gelten daher die Tages­ anlagen (Maschinen, Kessel usw.) KB. AH. S. 78, ein Kohlen­ abfuhrweg, Urt. des RG. v. 10. Nov. 1880, Z. Bd. 22 S. 528, eine Entwässerungsanlage für ein durch den Bergbau gesunkenes Gelände, Urt. des RG. v. 8. Febr. 1890, Z. Bd. 31 S. 381, Anlage eines Brunnens, um dem Beschädigten das durch den Bergbau entzogene Wasser zu verschaffen, Urt. des RG. v. 6. März 1895, ß- Bd. 36 S. 356, Wasserentnahme aus einem Brunnen­ schächte, Urt. des OLG. Hamm v. 22. März 1895, Z. Bd. 37 S. 240, Stollen zu Zwecken der Wafferschürfung, Urt. des OLG. Frankfurt a. M., Z. Bd. 50 S. 119, Grubenanschlußbahnen, Urt. des RG. v. 23. Jan. 1911, Z. Bd. 52 S. 526. Als zum Bergwerksbetriebe gehörig ist dagegen angesehen worden: das Niederbringen eines Schachtes, Ürt. des RG. v. 15. März 1902, Z. Bd. 44 S. 141, das Aufwerfen von Gruben zwecks Aufsuchung von Eisenerz, Urt. des RG. v. 12. Febr. 1910, Z. Bd. 51 S. 628, die Aufschüttung von Halden, Urt. des RG. v. 3. April 1886, 8. Febr. 1890, 27. Juni 1901, Z. Bd. 27 S. 369, Bd. 31 S. 381 (Entsch. Bd. 26 S. 227), Bd. 43 S- 223 (Entsch. Bd. 49 S. 281), die Ableitung von Grubenwässern, Urt. des RG. v. 16. Nov. 1896, 1. Juli 1899, 14. Aug. 1906, 9. März 1910, Z. Bd. 38 S. 233, Bd. 40 S. 479, Bd. 48 S. 288, Bd. 51 S. 631. Gegen diese letztere Rechtsprechung (Aufschüttung von Halden und Ableitung von Grubenwässern als Bergwerksbetrieb im Sinne des § 148) wendet sich Westh off mit beachtlichen Ausführungen, welche offenbar auch das Reichsgericht in seinem Urt. v. 23. Jan. 1911, Z. Bd. 52 S. 530 int Auge hat. Westhoff legt dar, daß dadurch der Begriff des Bergwerksbetriebes eine zu weitgehende Ausdehnung erfahre, da nach dem gesamten Inhalte des ABG. nur der Schaden auf Grund des § 148 zu ersetzen sei, welcher dem Bergbau als unterirdisch oder mittels Tagebaus geführtem

554

Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautreibenden usw.

[§ 148

Betriebe eigentümlich fei; die Ableitung von Grubenwäffern stellt daher nach seiner Ansicht nur in den verhältnismäßig seltenen Fällen einen solchen Bergwerksbetrieb dar, wenn die Zuleitung vorübergehend durch einen Stollen oder eine Wasserhaltungs­ maschine unmittelbar auf ein Grundstück oder in einen Wasserlauf erfolgt. (West ho ff a. a. O. Bd. I S. 87 ff.) Zutreffend wird die zwischen diesen beiden Ansichten ver­ mittelnde Auffaffung sein, welcher anscheinend auch das Reichs­ gericht in der letzterwähnten Entscheidung ist und welche dahin geht, daß alle solche Betriebshandlungen als Bergwerksbetrieb im Sinne des § 148 anzusehen sind, ohne deren Vornahme der Berg­ werksbetrieb und zwar aus technischen, nicht etwa aus bloß wirtschaftlichen Rücksichten eingestellt werden müßte. Danach wird das Aufschütten von Halden als Bergwerksbetrieb zu gelten haben, ebenso die Ableitung von Grubenwäffern, soweit dieselbe z. B. notwendig ist, um das Bergwerk vor der Gefahr des Er­ saufens zu bewahren. Wegen der Anwendbarkeit der §§ 148 ff. auf den Grund­ eigentümerbergbau vgl. S. 484. Wegen des planmäßigen Zubruchebauens der Erdoberfläche vgl. S. 494/5.

5.

Der Schaden fügt sein.

muß „durch“

den Betrieb

zuge­

Es muß also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Bergwerksbetriebe und der Beschädigung bestehen. Das Gesetz enthält keine Bestimmungen, wann ein solcher Kausalzusammen­ hang anzunehmen ist, die Entscheidung darüber liegt vielmehr dem Gericht auf Grund freier Beweiswürdigung (§ 287 ZPO.) ob. Jedoch genügt die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines solchen Zusammenhangs nicht, es muß vielmehr nachgewiesen sein, daß der Schaden die erweislich wirkliche Folge des Berg­ werksbetriebes ist, wobei allerdings unter Umständen ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit ausreichend ist, Urt. des RG. v. 24. April 1901, Z. Bd. 42 S. 488; vgl. Daubenspeck, Haft­ pflicht S. 22ff., Bergschaden S. 51 ff., Westhoff, S. 119ff., Thielmann Anm. 7 zu 8 148. Ein bloß möglicher, einen Schadensersatzanspruch nicht be­ gründender Kausalzusammenhang liegt z. B. in dem Falle vor, wenn ein Grundstückseigentümer, dessen Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung verkauft ist, einen Schadensersatzanspruch gegen den Bergwerkseigentümer mit der Behauptung geltend macht, daß das Meistgebot um deswillen geringer ausgefallen sei, weil das Grundstück durch den Bergbau beschädigt sei, Urt. des LG. Essen v. 29. März 1881, Z. Bd. 24 S. 219. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Bergwerksbetrieb und Schaden besteht überhaupt nicht, wenn durch die bei der Verlegung eines Weges, welche infolge von Bergschäden erforder-

§ 148]

Zweiter Abschnitt. Bon dem Schadenersatz für Beschädigungen usw. 555

lich geworden ist, von der Regierung angeordnete Verbreiterung desselben höhere Kosten entstanden sind, in Ansehung dieser Mehr­ kosten, Urt. des RG. v. 7. März 1896, Z. Bd. 37 S. 349. Dagegen ist es für das Vorliegen des Kausalzusammen­ hangs unerheblich, ob der Bergwerksbetrieb den Eintritt des Schadens nur beschleunigt hat, ebenso ob er die alleinige Ursache des Schadens ist oder ob er den Schaden in Verbindung mit anderen Schadensurhebern, z. B. dem Betriebe eines anderen Bergwerks­ besitzers, Urr. des OLG. Hamm v. 23. Febr. 1894, 3. April 1900, Z. Bd. 35 S. 365, Bd. 41 S. 366, oder der vertretbaren Hand­ lung eines Dritten, Urt. des OLG. Hamm v. 11. Febr. 1881, Z. Bd. 22 S- 389, herbeigeführt hat, es sei denn, daß die Mit­ wirkung des Bergbaus eine ganz unwesentliche ist. Auch ist es unerheblich, ob durch das Hinzutreten des weiteren schädigen­ den Ereignisses der Schaden, welcher auch ohne dies Hinzu­ treten entstanden wäre, nur vergrößert ist. Dabei ist aber zu beachten, daß die mitwirkende Ursache eine solche sein muß, welche zum Schadensersatz verpflichtet, es genügt daher z. B. nicht Zufall, z. B. Naturereignisse, Zusammenstürzen alter verlassener Bergwerke, Urt. des RG. v. 28. Jan. 1886, Z. Bd. 27 S. 381, usw., ebensowenig nichtschuldhaftes Handeln eines Dritten, sowie ferner, daß eine solche mitwirkende Ursache nicht in Betracht kommen kann, wenn der durch sie herbeigeführte Zustand allein nicht schädigend gewirkt hätte, derselbe vielmehr erst durch das Hinzutreten des weiteren Schadensurhebers zu einem schädlichen geworden ist, so haftet z. B. der Bergwerksbesitzer allein, wenn feine Grubenwasser durch die Vermischung mit den an sich un­ schädlichen chemischen Niederschlägen einer Fabrik das Grundstück des Besitzers derselben beschädigt haben, Urt. des RG. v. 9. Okt. 1882, Z. Bd. 24 S. 500, Urt. des OLG. Dresden v. 5. April 1892, Z. Bd. 34 S. 374, ebenso wenn durch seinen Bergwerks­ betrieb eine Verminderung der Tragfähigkeit eines Grundstückes herbeigeführt, dessen Baugrund allerdings schlecht ist, aber ohne das Hinzutreten der Einwirkungen des Bergbaus tragsähig ge­ blieben wäre, Urt. des RG. v. 11. Nov. 1896, Z. Bd. 33 S. 228, Daubenspeck, Bd. II S. 131, Urt. des RG. v. 15. Jan. 1898, Z- Bd. 39 S. 228. Es genügt also für die Annahme des Kausalzusammenhangs, daß der Bergwerksbetrieb die bloße mittelbare Ursache des Schadens gewesen ist. Die nach Vorstehendem mögliche gemeinschaftliche Haftung mehrerer Schadensurheber tritt aber nur dann ein, wenn es sich um einen einheitlichen untrennbaren Schaden handelt,' dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn jeder von ihnen nebeneinander oder nacheinander einen selbständigen für sich feststellbaren Schaden herbeigeführt hat. Liegt nun ein Fall gemeinschaftlicher Haftung vor, so richtet sich dieselbe, falls es sich um mehrere Bergwerks­ besitzer handelt, nach § 149 ABG. (vgl. Näheres dort, Sinnt. 2),

556 Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautreibenden usw.

[§ 148

ist dagegen der eine Schadensurheber kein Bergwerksbesitzer, so bestimmt sich die gemeinschaftliche Haftung desselben mit dem schädigenden Bergwerksbesitzer nach § 431 BGB-, da sowohl der Anspruch auf Wiederherstellung als auch den an seine Stelle tretende Anspruch auf Geldersatz ein unteilbarer ist, sie haften also als Gesamtschuldner, Urt. des RG. v. 28. Dez. 1907, Z. Bd. 49 S. 299 ff., Entsch. Bd. 67 S. 273 ff., Westhoff S. 127/8; vgl. auch Anm. 6 B und Anm. 3 zu § 149.

6.

Für allen diesen dem Grundeigentume und seinen Zubehörungen entstehenden Schaden hat der Bergwerksbesitzer vollständige Ent­ schädigung zu leisten.

A) über die Person des Cntsdiädigungsbereditigten besagt das Gesetz nichts, § 148 spricht vielmehr lediglich von dem dem Grundeigentume und seinen Zubehörungen zugefügten Schaden. Daraus wird mit Recht der Schluß gezogen, daß bezüglich der Person des Entschädigungsberechtigten in § 148 keinerlei Schranken gezogen sind. Es ist daher vor allem unerheblich, ob es sich um ein dingliches oder ein persönliches Recht handelt (Urt. des RG. v. 30. Jan. 1909, Z. Bd. 51 S. 466 ff., Entsch. Bd. 70 S. 242 ff., v. 29. Okt. 1910, Z. Bd. 52 S. 517, Entsch. Bd. 74 S. 313; Westhoff S. 13, Thielmann Anm. 9, Arndt Anm. 2 zu 8 148; vgl. auch die frühere Auflage S. 393). Voraussetzung ist lediglich, daß ein solches Recht am Grundeigentume in irgend einer Weise beschädigt ist. Immerhin muß cs sich aber um ein wirkliches Recht handeln, die Entziehung oder Beschränkung rein tatsächlicher Vorteile verpflichtet daher den Bergwerksbesitzer nicht zum Schadens­ ersatz. Als solche kommen z. B. in Betracht ein lediglich ver­ günstigungsweise (preoario) eingeräumtes Recht auf Wasserentnahme, besonders schöne oder günstige Lage eines Grundstücks an einem durch den Bergbau beschädigten Park oder See usw. Inwieweit solche rein tatsächlichen Vorteile im übrigen bei der Benieffung der dem beschädigten Grundeigentume zu gewährenden Entschädigung in Anschlag zu bringen sind, ist eine andere, unter gewissen Um­ ständen zu bejahende Frage (vgl. darüber näheres in Anm. 8). Das Vorhandensein derartiger Vorteile als solcher bildet jedenfalls kein Vermögensrecht und ihre Beeinträchtigung daher auch keinen Schaden int Sinne des § 148, vgl. auch Urt. des RG. v. 10. Nov. 1880, Z. Bd. 22 S. 528 ff. Hiernach sind zur Geltendmachung von Schadensersatz­ ansprüchen auf Grund des § 148 berechtigt: I. Der Eigentümer. Diesem stehen regelmäßig sämtliche Ansprüche zu, welche aus einer Beschädigung seines Grundeigentums und dessen Zubehörungen durch den Betrieb eines Bergwerks ent­ stehen. Es muß sich aber dabei um einen ihm persönlich er­ wachsenen Schaden handeln. Er ist daher zur Geltendmachung der durch die Beschädigung der an seinem Grundstücke bestellten

§ 148]

Zweircr Abschnitt. Bon dem Schadenersatz für Beschädigungen usw. 557

Rechte entstehenden Ansprüche nur dann befugt, wenn ihm selbst dadurch Nachteile an seinem Vermögen erwachsen, z. B. wenn er dem Mieter oder Pächter deswegen einen Nachlaß bewilligt hat oder zu bewilligen vertraglich oder gesetzlich (§ 537 BGB.) ver­ pflichtet ist; vgl. Urt. des OLG. Hamm v. 18. April 1882, Z. Bd. 23 S. 383 ff., insbes. S. 390, Urt. des RG. v. 25. Okt. 1883, Z. Bd. 26 S. 114, Urt. des OTr. v. 26. Jan. 1872, Gruchot Bd. 17 S. 883; Daubenspeck, Bergschaden S. 43, Westhoff S. 16, sowie unten Ziff. IIb. Daß eine solche Ver­ pflichtung für ihn nicht besteht und er somit zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nicht legitimiert ist, hat der Berg­ werksbesitzer zu beweisen, Westhoff S. 29/30, 32. II. Abgesehen von solchen besonderen Fällen sind aber die an dem Grundeigentume und dessen Zubehörungen Berechtigten zur Geltendmachung der ihnen erwachsenen Schäden selbständig und ausschließlich berechtigt. Als solche kommen in Betracht: a) die dinglich Berechtigten, nämlich

a) der Erbbauberechtigte. Das Erbbaurecht, welches an die Stelle der gemeinrechtlichen superficies getreten ist, berechtigt den Inhaber desselben, auf oder unter der Oberfläcke des be­ lasteten Grundstücks ein Bauwerk zu haben (§ 1012 BGB). Als Bauwerk gilt nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (Entsch. Bd. 56 S. 41) eine durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache, z. B. Keller, Gleisanlagen, Brücken, Viadukte, gemauerte Wasserkanäle, nicht dagegen artesische Brunnen, Rohrleitungen, Drainageanlagen usw. Das Erbbaurecht unterliegt den für Grundstücke geltenden Vor­ schriften (§ 1017). Der Berechtigte hat daher bei Beschädigungen des Bauwerks dieselben Rechte, wie der Eigentümer eines Grund­ stücks. Zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist er, wenn er, wie dies die Regel ist, das Bauwerk selbst errichtet und keinen Anspruch auf dessen Erhaltung gegen den Grund­ stückseigentümer hat, allein, und wenn der letztere das Bau­ werk hergestellt hat, neben diesem berechtigt (vgl. a. Westhoff S. 24/5). ß) Die Inhaber von Dienstbarkeiten. Die Dienst­ barkeiten — Servituten des früheren Rechts — schränken den Eigen­ tümer eines Grundstücks in dessen Benutzung zu Gunsten des Berechtigten ein. Die Beeinträchtigung eines solchen Rechts durch den Betrieb eines Bergwerks berechtigt daher dessen Inhaber zur Erhebung von Entschädigungsansprüchen auf Grund des § 148.

Als solche Dienstbarkeiten können nach dem BGB. bestellt werden: aa) Die Grunddienstbarkeiten. Durch sie kann ein Grundstück zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, daß dieser das Grund­ stück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, oder daß auf dem

558

Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautreibenden usw.

(Z 148

Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, oder daß die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentume an dem belasteten Grundstücke dem anderen Grundstücke gegenüber ergibt (§ 1018 BGB.) Als Grunddienst­ barkeit kann z. B. bestellt werden das Recht auf Entnahme von Bodenbestandteilen, Wasser usw., auf Errichtung eines Bauwerks, zur Benutzung, bzw. Anlage eines Weges usw. Hat der Berech­ tigte zur Ausübung der Dienstbarkeit eine Anlage auf dem bela­ steten Grundstücke errichtet, so liegt ihm, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die ordnungsmäßige Unterhaltung derselben ob (§§ 1020 ff. BGB.), er hat daher kein Recht, bei Beschädigung derselben Wiederherstellung durch den Eigentümer des belasteten Grundstücks zu fordern. Es stehen ihm somit Ansprüche nur gegen den Bergwerksbesitzer zu. Dementsprechend sind Schadens­ ersatzansprüche auf Grund des § 148, die sich allerdings zum Teil auf das frühere Recht stützen, welches aber in dieser Hinsicht im wesentlichen dem BGB. entspricht, anerkannt worden bei der Behinderung in der Ausübung einer Wegegerechtigkeit, Urt. des OTr. v. 7. Dez. 1865, Gruchot Bd. 10 S. 365, der Beschädigung von Rohrleitungen und Kanälen, welche auf Grund einer Dienstbarkeit durch ein Grundstück gelegt sind, Urt. des LG. Essen v. 8. Nov. 1881, Z. Bd. 24 S. 226, des OLG. Hamm v. 16. März 1900, Z. Bd. 41 S. 484, der Beeinträchtigung von Berechtigungen zur Wasser­ benutzung oder Wasserentnahme infolge von Wasserentziehung durch den Bergbau, Urt. des RG. v. 10. Nov. 1880 u. v. 7. Juli 1897, Z. Bd. 22 S. 528, Bd. 38 S. 471. Keine Grunddienstbarkeit, aber ein Nutzungsrecht mit servitut­ ähnlichem Charakter bildet nach der Rechtsprechung des Reichs­ gerichts (vgl. Entsch. Bd. 70 S. 77) das den Straßenanliegern im Gebiete des ALR. und code civil an Stadt- und Dorfstraßen, regelmäßig aber nicht an Landstraßen zustehende Recht auf unge­ hinderte Kommunikation mit der Straße, an welcher sie gebaut haben. Diese Rechte bleiben bestehen, da sie zu den nach Art. 113 EG. z. BGB. aufrechterhaltenen Vorschriften der genannten Gesetze über die Regulierung der Wege gehören (a. A. Westhoff S. 23). Das gemeine Recht kannte em solches Recht der Straßen­ anlieger nicht. In seinem Gebiete können daher ebenso wie nach dem Inkrafttreten des BGB. solche Rechte nur durck Eintragung erworben werden (§ 873 BGB.). War ein solches allerdings schon vor diesem Zeitpunkte als Grunddienstbarkeit bestellt, so bleibt es gemäß Art. 184 EG. z. BGB. bestehen. ßß) Der Nießbrauch. Er verleiht das Recht, die Nutzungen einer Sache — hier also eines Grundstücks nebst Zubehörungen — zu ziehen (§ 1030 BGB ). Außerdem liegt auch dem Nießbraucher die gewöhnliche Unterhaltung der Sache ob (§ 1041 BGB.). In diesem Umfange kann er daher bei Beschädigungen

§ 148]

Zweiter Abschnitt. Von dem Schadenersatz sür Beschädigungen usw.

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durch den Bergbau selbständig Ansprüche gegen den Bergwerks­ besitzer geltend machen, West ho ff S. 20. Als Nießbraucher gilt z. B. auch der Pfarrer bezüglich des Pfarrguts, Urt. des RG. v. 15. Juni 1895, Z. Bd. 37 S. 218. Ts) Die beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (88 1090 ff. BGB.). Diese unterscheiden sich von den Grunddienst­ barkeiten hauptsächlich dadurch, daß die Berechtigung nicht mit dem Eigentums an einem Grundstücke verbunden, sondern an eine bestimmte Person geknüpft sind. Es kann daher auf die Ausführungen unter aa verwiesen werden. Eine besondere Art dieser Dienstbarkeiten bildet das Wohnungs­ recht, d. h. das Recht, ein Gebäude oder einen Teil desselben unter Ausschluß des Eigentümers als Wohnung zu benutzen (8 1093). y) Die Reallastberechtigten. Als Reallast kann das Recht aus Entrichtung wiederkehrender Leistungen aus einem Grundstücke für eine bestimmte Person oder den jeweiligen Eigen­ tümer eines anderen Grundstückes bestellt werden (88 1105 ff. BGB.). Wird hier das dienende Grundstück durch den Bergbau beschädigt, so wird allerdings in der Regel ein besonderer Schaden dem Berechtigten nicht entstehen. Es ist aber doch möglich, daß die Reallast gerade für den Berechtigten einen besonderen Wert hat. Ist dieses aber der Fall, so kann der Grundstückseigen­ tümer den in dieser Hinsicht entstehenden Schaden nicht geltend­ machen, es besteht vielmehr ein selbständiger Anspruch des Berech­ tigten. Eine häufig vorkommende Art von Reallasten bildet das sog. Altenteil oder Leibgedinge, deffen Regelung jedoch auf Grund des Vorbehalts in Art. 96 EG. z. BGB. durch den Art. 15 pr. AG. z. BGB. erfolgt ist. b) Die obligatorisch Berechtigten. Unter ihnen sind von besonderer Bedeutung der Mieter und Pächter. a) Dem Mieter wurde auch schon nach bisherigem Rechte (vgl. die unter I angezogenen Entscheidungen) ein selbständiger Schadens­ ersatzanspruch insoweit gewährt, als der Schaden ihn trifft- dabei war es unerheblich, ob sein Recht als dingliches (wie nach ALR.) oder als persönliches (wie nach gemeinem und französischem) Recht galt. Dasselbe gilt nach dem BGB., vgl. die unter A angezogenen Entscheidungen, sowie Urt. des RG. v. 23. April 1909, Z. Bd. 51 S. 468 ff. Ein Schaden des Mieters ist aber regelmäßig insofern nicht vorhanden, als ihm Ansprüche gegen den Vermieter auf Mietnachlaß zustehen- dies ist aber dann der Fall, wenn die vermietete Sache zurzeit der Überlassung mit einem Fehler behaftet ist, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch auf­ hebt oder mindert, oder wenn ein solcher Fehler während der Mietzeit entsteht. (8 537 BGB.) Insoweit ist vielmehr lediglich der Grundstückseigentümer zur Geltendmachung von Entschädigungs-

560 Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergkautretbenden usw. [§ 148 ansprüchen befugt. Ist aber ein solcher Nachlaß vertraglich aus­ geschlossen, bzw. wegen Versäumung der Anzeige verloren gegangen (§ 545 BGB.) oder entsteht ihm ein besonderer Schaden, der durch den Nachlaß am Mietzinse nicht gedeckt ist, z. B. Verluste in einem auf dem beschädigten Mietsgrundstücke betriebenen Geschäfte oder Gewerbe, Notwendigkeit der Miete einer teureren Wohnung, Umzugskosten, so ist zu dessen Geltendmachung der Mieter und zwar dieser allein berechtigt, vgl. Westhoff S. 27 ff., sowie Ult. des RG. v. 11. Juni 1902, Z. Bd. 44 S. 144 ff., Urt. des OLG. Hamm v. 28. Febr. 1890, Z. Bd. 34 S. 506 (Geschäfts­ verluste). Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, daß der Vermieter der schädigende Bergwerksbesitzer selbst ist, nur wird hierbei im einzelnen Falle besonders zu prüfen sein, ob nicht nach dem Inhalte des Vertrages der Anspruch auf Ersatz eines Bergschadens gegen den Vermieter gänzlich ausgeschlossen oder doch auf den Fall des Verschuldens des Vermieters eingeschränkt sein sollte, Urt. des RG. v. 23. April 1909, Z. Bd. 51 S. 468. ß) Bezüglich des Pächters gilt im wesentlichen das Gleiche wie für den Mieter, da auf ihn die Vorschriften über die Miete entsprechende Anwendung finden (§ 581 Abs. 2 BGB.). Der vom Verpächter zu gewährende Nachlaß umfaßt hier auch den Er­ tragsausfall, da die Pacht auch den Genuß der Früchte des Grund­ stücks umfaßt (§ 581 Abs. 1 BGB.), vgl. Westhoff S. 30 ff. l) Der Leiher. Dieser hat wegen Beeinträchtigung des ihm zustehenden Gebrauchsrechts durch den Bergwerksbetrieb stets selbständige Ansprüche, da der Leiher nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einzustehen hat (§ 599 BGB.). d) Sonstige persönlich Berechtigte, denen ein besonderer Schaden entsteht, z. B. der Käufer, der ein Haus vorteilhaft gekauft hat oder wer sich ein besonders günstiges Wiederkaufs­ recht (§§ 497 ff. BGB.) oder Vorkaufsrecht (§§ 504 ff. BGB.) hat einräumen lassen. Ein Vorkaufsrecht kann übrigens auch als dingliches zu Gunsten einer bestimmten Person oder des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks bestellt werden (§§ 1094 ff. BGB ). Wegen sonstiger Schadensberechtigter vgl. Westhoff S. 15ff.

B. Zur Geltendmachung des ihm entstandenen Schadens sind die nach dem Vorstehenden nebeneinander Ersatzberech­ tigten jeder für sich selbständig befugt. Der Bergwersbesitzer kann daher z. B. den neben dem Eigentümer des Grundstücks Schadensberechtigten, soweit ihnen ein selbständiger Schaden entstanden ist, nicht den Einwand entgegensetzen, daß er bereits an den Eigentümer Entschädigung geleistet habe, es sei denn, daß es sich um in das Grundbuch einzutragende Rechte, z. B. Nieß­ brauch, Grunddienstbarkeiten, handelt, bezüglich deren gemäß §§ 892, 893 BGB. der Inhalt des Grundbuches als richtig gilt, Daubenspeck, Bergschaden S. 43, Westhoff S. 34 i. V. m.

§ 148] Zweiter Abschnitt. Bon dem Schadenersatz für Beschädigungen usw. 561 S. 16 ff. Dies ist vor allem bei dem Abschluß von Vergleichen über Bergschäden (vgl. Anm. 11) von Bedeutung, da solchen Rechten trotz eines Verzichts des Eigentümers auf weitergehende An­ sprüche nichts vergeben werden kann, vgl. hierzu Wolff, Über die sog. Abfindung wegen Bergschäden, Z. Bd. 30 S. 307 ff., insbes.

S. 310. Eine Einschränkung ist jedoch in dieser Hinsicht bezüglich der Art der Entschädigung zu machen. Diese ist, sei es, daß es sich um den Anspruch auf Herstellung, sei es daß es sich um den auf Geldersatz handelt, regelmäßig unteilbar, das Gleiche muß auch für das dem Gläubiger nach § 249 BGB. zustehende Wahlrecht zwischen diesen Ansprüchen gelten. Hier können also gemäß §432 BGB. die ver­ schiedenen Schadensberechtigten ihre Ansprüche nur gemeinschaftlich geltend machen, es sei denn, daß diese Ansprüche ein verschiedenes Ziel haben, z. B. der Nießbraucher die Wiederherstellung eines Gebäudes, der Eigentümer die Wiederbeschaffung des durch den Bergbau entzogenen Wassers verlangt, vgl. Urt. des RG. v. 28. Dez. 1907, Z. Bd. 49 S. 299 ff., Entsch. Bd. 67 S. 273 ff., welches diese Frage für den Fall der Gesamtschuldnerschaft be­ handelt,- a. A. bezüglich der Teilbarkeit des Anspruchs auf Geld­ ersatz, WesthoffS. 36, Staudinger Anm. I 5 zu §432 BGB.

Naturgemäß kann jeder der hiernach gemeinschaftlich Berech­ tigten den Schaden nur insoweit geltend machen, als er ihn trifft, z. B. also der Nießbraucher für die Dauer seines Rechts.

Im übrigen bilden sie eine Gemeinschaft nach Maßgabe der §§ 741 ff. BGB. Ueber die Behandlung der Fälle, in welchen einer der genannten Schadensberechtigten aus einer Personemnehrheit besteht, z. B. einer Erbengemeinschaft, Gütergemeinschaftsmasse, Mit­ eigentum vgl. West ho ff S. 37 ff.

C. Stehen solche Schadensersatzansprüche mehreren Personen nicht nebeneinander, sondern nacheinander zu, so entscheidet die Person desjenigen, welcher zurzeit des Eintritts des Schadens zur Geltendmachung von Ansprüchen gemäß A berechtigt ist, denn der Anspruch aus § 148 ist ebenso wie auf der passiven, so auch auf der aktiven Seite ein rein persönlicher (vgl. Anm. 1); wann und in welchem Umfange ein Schaden als entstanden gilt, ist be­ reits in Anm. 2 dargelegt worden. Will ein anderer als der hier­ nach zur Geltendmachung des Schadens Berechtigte einen solchen Anspruch erheben, so bedarf er dazu, soweit nicht allgemeine Rechtsnachfolge (Erbschaft, Gütergemeinschaft) vorliegt, einer be­ sonderen Zession, die unter gewissen Umständen auch als still­ schweigend oder auf Grund eines umfassenderen Rechtstitels, z. B. eines Übertragsvertrages, Übertragung einer ganzen Vermögens­ masse usw. erfolgt angesehen werden kann, Urt. des LG. Essen v. 4. Okt. 1881, Z. Bd. 24 S. 224, Urt. des RG. v. 1. Mai 1880, 5. Juni 1885, 2. Nov. 1881, Z. Bd. 22 S. 118, Daubenspeck

36

562 Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautretbenden usw. [§ 148 Bd. I S. 204 und (5.206; Westhoff S. 43 ff., Thielmann Anm. 1 und 9 zu § 148. Wegen der Vornahme einer solchen Zession während eines Prozesses vgl. Anm. 9. Wegen der Behandlung der Bergschädenansprüche in der Zwangsversteigerung vgl. Anm. 12. 7. Die Entschädigung ist zu leisten von dem

„berg-

roerksbesitzer“. a) Als Bergwerksbesitzer im Sinne des § 148 gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts nur der Bergwerks­ eigentümer, nicht auch, wer sonst ein Bergwerk auf Grund eines von dem Bergwerkseigentümer abgeleiteten Rechts betreibt, also z. B. nicht der Pächter eines Bergwerks. Das Reichsgericht stützt seine Ansicht- einmal darauf, daß nach den Motiven des § 148 die Schadensersatzpflicht in Anschluß an die §§ 112 ff. T. II Tit. 16 ALR. geregelt, daß diese Bestimmung vom Ober­ tribunal dahin aufgefaßt worden sei, daß die Ausübung des Berg­ werks eigentums den Verpflichtungsgrund für die durch den Bergwerksbetrieb verursachten Schäden bilde (vgl. Plenarbeschl. des OTr. v. 18. April 1843 u. 9. Nov. 1849, Entsch. Bd. 9 S. 101, Bd. 18 S. 71, sowie Urt. des OTr. v. 22. Sept. 1871 u. 7. Okt. 1872, Z. Bd. 13 S. 278, 553) und daß kein Grund zu der Annahme vorliege, daß der Gesetzgeber des ABG. von dieser Rechtsauffassung habe abweichen wollen, Urt. des RG. v. 16. Nov. 1892, 2. Juni 1894 und insbes. v. 12. Mai 1909, Z. Bd. 34 S. 403 (Entsch. Bd. 30 S. 228), Bd. 35 S. 373, Bd. 51 S. 158 (Entsch. Bd. 71 S. 152), ebenso Urt. des OLG. Hamm v. 6. Mai 1892, Z. Bd. 33 S. 399; Daubenspeck, Haftpflicht S. 6, Bergschaden S. 57, Arndt, Anm. 1 zu 8 148. Demgegenüber hat die bei weitem überwiegende Zahl der Schriftsteller diesen Standpunkt des Reichsgerichts verworfen, jo insbesondere Brassert in der ersten Auflage dieses Kommentars Anm. 7 zu 8 148, Nachtrag S. 179, Z. Bd. 13 S. 279, Bd. 34 S. 409 (mit ausführlicher Begründung), Bd. 41 S. 145 Anm. 1, Oppenhoff Nr. 837, Schlüter-Hense Anm. II, Thiel­ mann Anm. 1 zu 8 148, Hense, Die Bergwerkspacht, Z. Bd. 38 'L>. 67, Völkel, Die bergrechtliche Zwangsgrundabtretung, Z. Bd. 51 S. 400 ff. und insbesondere Westhoff S. 55 ff., Gott­ schalk, Der Begriff „Bergwerksbesitzer" im 8 148 ABG-, Glück­ auf 1912, S. 1581 ff. Von diesen Schriftstellern, vor allem von Brassert (Z. Bd. 34 S. 413) wird gegenüber der obengenannten Begründung des Reichsgerichts mit Recht darauf hingewiesen, daß der Gesetz­ geber durch den Hinweis auf die Bestimmung des ALR. in den Motiven nur zum Ausdruck hat bringen wollen, daß die Schadenscrsatzpflicht auf Grund des 8 148, ebenso wie nach jener Bestim­ mung, unmittelbar auf dem Gesetze beruht, sowie gegenüber der

§ 148]

Zweiter Abschnitt. Bon dem Schadenersatz für Beschädigungen usw. 563

Rechtsprechung des OTr., daß dieses sich mit der Frage, ob auch den Bergwerksbesitzer eine Entschädigungspflicht trifft, überhaupt nicht befaßt hat. Ferner ist für die Entscheidung dieser Frage die Bemerkung Brasserts (a. a. O. S. 415/6) von Wichtigkeit, daß bei der Redaktion des ABG. durch die Kommission des Herrenhauses besonders geprüft worden sei, ob die Ausdrücke „Bergwerkseigentümer" und „Bergwerksbesitzer" der beabsichtigten rechtlichen Unterscheidung entsprechend überall richtig gebraucht worden seien, und daß das Ergebnis dieser Prüfung in der jetzigen Fassung des ABG. vorliege. Dementsprechend ist auch die Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen im ABG. überall streng durchgeführt. Dies bestreitet allerdings das RG. (Z. Bd. 51 S. 160) mit Rücksicht auf den § 65 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 und den § 64 i. B. m. § 135. Dem ist aber entgegen­ zuhalten, daß die Verwendung des Ausdrucks „Bergwerkseigen­ tümer" in § 65 Abs. 2 und § 64 und „Bergwerksbesitzer" in § 65 Abs. 1 und § 135 durchaus berechtigt ist. Die im § 65 Abs. 1 vorgeschriebene Betriebspflicht mußte jedem Betreiber des Bergwerks auferlegt werden, die in Abs. 2 angedrohte Entziehung des Bergwerkseigentums kann aber naturgemäß nur gegenüber dem Eigentümer erfolgen, in gleicher Weise konnte in § 64, wo ebenso wie in den vorhergehenden Bestimmungen der §§ 50—63 von den Ausflüssen des Bergwerkseigentums die Rede ist, nur das Ent­ eignungsrecht des Bergwerkseigentümers genannt werden, obwohl gemäß den §§ 135 ff. dieses Recht, wie übrigens auch das RG. anerkennt (Z. Bd. 51 S. 160), jedem, der das Bergwerk betreibt, zusteht. Auch die Berufung des Reichsgerichts darauf, daß, da Pächter und Mieter wohl nach dem ALR., nicht aber nach dem gemeinen und französischen Rechte Besitzer gewesen seien, der Gesetzgeber sicherlich zum Ausdruck gebracht haben würde, wenn er den Sprachgebrauch des ALR. bei dem Ausdruck „Bergwerks­ besitzer" hätte zugrunde legen wollen, kann nicht als zutreffend anerkannt werden. Denn, wie auch das Reichsgericht an anderer Stelle (vgl. Urt. v. 22. Dez. 1906, Z. Bd. 48 S. 379 ff., wo es sich um das Erfordernis der Schriftlichkeit bei der Verpfändung von Kuxen handelt s. a. § 108 Anm. 1) anerkannt hat, sind bei der Abfassung des ABG. in erster Linie die Rechtsanschauungen des ALR. zugrunde gelegt worden und Bra sser t bestätigt, daß auch die Terminologie des ALR. als des hauptsächlich in Betracht kommen­ den Zivilrechts in erster Linie ins Auge gefaßt worden ist (a. a. O. S.414). Ganz abgesehen davon erscheint aber die von Völkel (a.a.O. S. 405/6) vertretene Auffassung zutreffend, daß es sich bei dem Ausdruck „Bergwerksbesitzer" um einen spezifisch bergrechtlichen Begriff handelt und also maßgebend für die Eigenschaft als solcher lediglich die Tatsache des Betriebes ist, eine Tatsache, die auch bei dem Pächter eines Bergwerks vorliegt. Als letztes Argument führt das Reichsgericht (Z. Bd. 51 S. 161) an, daß eine Haftung des Bergwerksbesitzers auch um deswillen nicht gegeben sei, weil

564

Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautreibenden usw. [§ 148

der Verpflichtungsgrund zum Schadensersatz aus § 148 die Aus­ übung des durch die Verleihung erworbenen Bergwerkseigentums bilde, daß aber z. B. der Pächter der Verleihung fernstehe und nicht diese, sondern sein Pachtrecht ausübe, andererseits aber auch kein Grund bestehe, ihn über den von ihm verursachten Schaden hinaus in derselben Weise wie den Bergwerkseigentümer haften zu lassen, was bei Ausdehnung des § 148 auf den Bergwerks­ besitzer der Fall sein müßte, da die Verpflichtung aus § 148 ohne Rücksicht auf die Verursachung lediglich an die Tatsache des Eintritts eines Schadens geknüpft sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß einmal den Berpflichtungsgrund des § 148 die Ausübung des Bergwerkseigentums bildet, diese aber gemäß § 54 in der Aufsuchung und Gewinnüng des verliehenen Minerals besteht und daher auch derjenige, der diese Aufsuchung und Gewinnung kraft eines von dem Bergwerkseigentümer abgeleiteten Rechts betreibt, das Bergwerkseigentum in diesem Sinne ausübt und ferner, daß eine Überspannung der Haftung des Bergwerksbesitzers nicht vor­ liegt, weil, wenn auch jeder Betreiber für die während der Aus­ übung durch ihn entstandenen Schäden und zwar in dem vollen, in Anm. 2 bezeichneten Umfange, haftet, er doch anderer­ seits während dieser Zeit den Genuß der dem Bergwerkseigen­ tümer zustehenden weitgehenden Vorrechte hat (vgl. näheres bei Gottschalk a. a. O. S. 1584, ebenso Westhoff S. 63, a. A. Brassert a. a. O. S. 412, welcher die Haftung des Bergwerks­ besitzers auf die während seiner Betriebszeit verursachten Schäden beschränken will)- im übrigen wird es Sache des Berg­ werksbesitzers sein, sich in dem Vertrage mit dem Bergwerkseigen­ tümer, welcher die Grundlage seines Betriebs bildet, gegen eine übertriebene Inanspruchnahme wegen Bergschäden zu schützen. Es muß sich aber stets um eine Ausübung des Bergwerks­ eigentunis im Sinne des § 54, d. h. auf Grund einer Verleihung handeln. Eine solche Ausübung liegt aber bei dem sog. Raubbau nicht vor. Für den durch solchen Raubbau verursachten Schaden kann daher weder der Bergwerkseigentümer (vgl. Urt. des OLG. Hamm v. 15. Mai 1894, Z. Bd. 35 S. 506, bestätigt durch Urt. des RG. v. 23. Februar 1895, Z. Bd. 36 S. 354), noch derjenige, welcher den Raubbau getrieben hat, auf Grund des § 148 in Anspruch genommen werden, letzterer haftet aber nach den all­ gemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§§ 823 ff. BGB.), ebenso Westhoff S. 60 ff. mit allerdings zum Teil ab­ weichender Begründung, Thielmann S. 412. Da nun der Anspruch aus § 148, wie bereits in Anm. 1 bemerkt, aktiv und Passiv ein rein persönlicher ist, so haftet jeder Bergwerksbesitzer für allen Schaden, der während der Ausübung des Bergwerkseigentums durch ihn entstanden ist, und zwar auch dann, wenn derselbe auf den Betrieb eines Borbesitzers zurückzuführen ist oder erst während der Besitzzeit eines Rechtsnachfolgers in die Erscheinung tritt- letzterer haftet vielmehr für einen solchen

§ 148] Zweiter Abschnitt. Von dem Schadenersatz für Beschädigungen usw.

565

Schaden nur bei besonderer Übernahme desselben, West ho ff S. 65, 67/8. Dabei ist es unerheblich, ob der Betrieb zurzeit der Entstehung des Schadens in dem in Anm. 2 bezeichneten Sinne in dem betreffenden Bergwerke oder Feldesteile noch um­ geht, es sei denn, daß auf das Bergwerkseigentum verzichtet (§§ 161 ff.) oder daß dasselbe zwangsweise entzogen ist (§§ 156 ff.). Es muß sich aber stets um dasselbe Bergwerk handeln, dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn das Bergwerkseigentum, das den Schaden verursacht hat, durch Verzicht oder Entziehung unter­ gegangen und sodann von neuem verliehen worden ist, ebensowenig wenn eine Konsolidation oder reale Feldesteilung stattgefunden hat, da das durch diese Rechtsakte entstandene Berwerkseigentum als völlig neues Rechtsobjekt gilt (vgl. die Vordem, vor § 41,

die Anm. zu § 49, sowie Anm. 7 zu § 51), Urt. des RG. v. 23. Jan. 1886, Z. Bd. 27 S. 381, Urt. des OLG. Hamm v. 4. Okt. 1881, Z. Bd. 23 S. 244, Urt. des RG. v. 10. Juli 1912, D. Bergw.-Zeitg. Nr. 162. Für den während seiner Betriebszeit entstandenen Schaden haftet der Bergwerksbesitzer allein. Der Ansicht von Brassert in der früheren Auflage S. 394 und Westhoff S. 61/2, daß neben ihm äuch der Bergwerkseigentümer haftet, weil auch bei ihm die Voraussetzungen des Klageanspruchs vorliegen, kann nicht bei­ getreten werden. Der Haftungsgrund ist die Ausübung des Berg­ werkseigentums durch den Betrieb des Bergwerks, d. h. also eine Tatsache. Dieses tatsächliche Verhältnis liegt aber nur auf Seiten des betreibenden Bergwerksbesitzers, nicht auch bei dem Berg­ werkseigentümer, welcher sein Recht auf einen anderen übertragen hat, vor. Wegen der Haftung mehrerer Schadensurheber vgl. Anm. 5. 8. Für allen diesen Schaden schädigung“ zu leisten.

ist „nollsfändige Ent­

A. Der Begriff der vollständigen Entschädigung ist, da das ABG. darüber nichts enthält, dem allgemeinen bürgerlichen Recht zu entnehmen, Mot. S. 88. Maßgebend sind daher zur Zeit die §§ 249—255 BGB., welche lauten: § 249. wer zum Schadensersätze verpflichtet ist, hat den Zustand her­ zustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. § 250. Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Pflicht mit der Erklärung bestimmen, daß er die Herstellung nach dem Ablaufe der Frist ablehne. Aach dem Ablaufe der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung recht­ zeitig erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen. § 25b Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung

des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

666 Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergbautreibenden usw. [§ 148 Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. § 252. Der zu ersetzende Schaden umfaßt auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. § 253. wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen ge­ fordert werden. § 25h. Hat bei der Entstehung des Schadens ein verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersätze sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist. Dies gilt auch dann, wenn sich das verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, daß er Unterlasten hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuld­ ner weder kannte noch kennen mußte, oder daß er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung. § 255. wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechtes Schadens­ ersatz zu leisten hat, ist zum Ersätze nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechtes gegen Dritte zustehen.

Der Bergwerksbesitzer hat demnach grundsätzlich den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Zugleich aber steht dem Grund­ stücksbesitzer, da es sich bei den nach § 148 zu ersetzenden Be­ schädigungen durch den Bergwerksbetrieb in allen Fällen um einen Sachschaden handelt, gemäß § 243 Satz 2 das Recht zu, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Alternativobligation gemäß § 262 ff. BGB., bei welcher mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, daß die von dem wahlberechtigten Teile, hier also dem Gläubiger, gewählte Leistung als die von vorneherein geschuldete gilt, es kommt daher auch nicht das dem Schuldner nach § 264 Abs. 2 gewährte Recht in Frage, dem Gläubiger zur Ausübung der Wahl eine Frist mit der Wirkung zu setzen, daß nach Ablauf derselben das Wahlrecht auf ihn übergeht. Ebenso­ wenig liegt eine sog. facultas alternativa vor, auf Grund derer der Gläubiger befugt ist, an Stelle der zunächst allein geschuldeten Leistung eine andere zu wählen. Es wird vielmehr stets nur eine Leistung geschuldet, nämlich die Herstellung, denn auch das Recht des § 249 Abs. 2 stellt lediglich einen solchen Anspruch dar, „nur nicht in der Form der unmittelbaren Leistung des Schuldners, sondern in der Form einer durch eine Geldzahlung des Schuldners vermittelten Selbstbefriedigung des Gläubigers", RG. Entsch. Bd. 71 S. 212 ff., insbes. S. 214. Es steht also von vorneherein im

§ 148] Zweiter Abschnitt. Von dem Schadenersatz für Beschädigungen usw. 567

freien Belieben des Gläubigers, welche der beiden Erfüllungsorten er wählen will. Dem Schuldner ist nicht die Möglichkeit gegeben, ihn zur Ausübung des Wahlrechts zu zwingen. Eine Bindung tritt erst ein, nachdem der Gläubiger die Wahl vorgenommen hat, eine Annahme dieser Erklärung durch den Schuldner ist nicht er­ forderlich (Komm, der RGR. zu § 249 BGB. Anm. 2, Holländer S. 30, a. A. St au bin ge r Anm. 5 zu § 249). Jedoch hindert die Ausübung des Wahlrechts aus § 249 den Gläubiger nicht, beim Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 250 ff. späterhin noch zu dem Ansprüche auf Geldentschädigung überzugehen, zum Teil ab­ weichend Westhoff S. 142, Thielmann S. 415. Wegen der Behandlung dieser Fragen, insbesondere bezüglich der Zulässigkeit von Klageänderungen vgl. Anm. 9. Neben dem Anspruch auf Herstellung gemäß § 249 steht dem Gläubiger der Anspruch auf Ersatz seines Schadens in Geld (§§ 250 ff.) zu. Dieser darf aber nicht verwechselt werden mit dem Anspruch auf den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag (§§ 249 Satz 2). Die Geltendmachung einer dahingehenden Forderung hindert da­ her den Gläubiger nicht, für seinen etwa dadurch nicht gedeckten Schaden eine weitere Entschädigung in Geld zu verlangen.

Lediglich Geldentschädigung kann verlangt werden, a) wenn die vom Gläubiger zur Herstellung gesetzte Frist abgelaufen ist (§ 250), b) soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist (§ 251 Abs. 1), c) wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Auf­ wendungen möglich ist (§ 251 Abs 2) und dieses vom Schuldner geltend gemacht wird.

Lediglich Naturalherstellung kann, abgesehen von den gesetzlichen besonders bestimmten Ausnahmefällen, wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, gefordert werden (§ 253).

B. Wie sich aus § 249 ergibt, geht das Gesetz von dem Grundsätze der sog. „Naturalrestitution" aus

a) Der Grundstückseigentümer kann also in Anwendung dieses Grundsatzes in erster Linie Herstellung des Zustandes verlangen, der bestehen würde, wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre. Dies bedeutet aber nicht, daß der frühere Zustand in genau derselben Weise wiederhergestellt werden muß. Es genügt vielmehr, wie auch der Wortlaut des § 249 ergibt, der nicht von „Wiederherstellung", sondern nur von „Her­ stellung spricht, „wenn die beschädigte Sache durch die Verbefferungsarbeiten namentlich hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Brauch­ barkeit und Nutzbarkeit im allgemeinen wieder so gestaltet wird, wie sie es vor Eintritt der Beschädigung gewesen ist", Urt. des RG. v. 19. April 1911, Z. Bd. 53 S. 228 ff., insbes. S. 230; Entsch. Bd. 76 S. 146; vgl. a. Staudinger Anm. 3 zu § 249 Westhoff S. 139, Holländer S. 23 ff., Thielmann Anm. 10 a zu 8 148.

568 Fünfter Titel. Rechtsverhältnisse zwischen Bergvautretvenden usw.

[§ 148

Eine weitere Einschränkung erleidet der Herstellungsanspruch, wie Holländer 526, Bd. 23 S. 128, der Grundsatz festgestellt, daß bei der Verzichtleistung auf einen den Fundpunkt eines verliehenen Bergwerks einschließenden Feldes­ teil die Einleitung des in §§ 158 ff. vorgeschriebenen Verfahrens abzulehnen ist, wenn klar erhellt, daß der freizugebende Fundpunkt zur alsbaldigen Einlegung einer neuen Mutung benutzt werden soll. Der Rek.-Besch. v. 24. Jan. 1877, Z. Bd. 18 S. 141, dehnt diesen Grundsatz auch auf den Fall aus, daß der betreffende Feldesteil den Fundpunkt des Bergwerks nicht einschließt, aber der Verzicht­ leistung die ausgesprochene oder erkennbare Absicht zugrunde liegt, die Feldesfreiheit zur alsbaldigen Einlegung einer neuen, diesen Feldesteil umfaffenden Mutung herbeizuführen. Vgl. Arndt S. 166. In dem neueren Rek.-Besch. u. Min.-Erl. v. 16. Dez. 1887,

§§ 162.163]

Bon der Aufhebung deS Bergwerkeigentums.

643

Z. Bd. 29 S. 267, ist diese „wohlbegründete" Praxis der Berg­ behörden, welche „zur Vermeidung einer Umgehung der gesetz­ lichen Bestimmungen über die Maximalgröße der Bergwerksfelder" bient, für beide vorbezeichnete Fälle wiederum bestätigt, jedoch gleichzeitig ausgesprochen, daß bei der freiwilligen Verzichtleistung auf Teile eines Grubenfeldes die Einleitung des Verfahrens (88 158 ff.) nicht davon abhängig gemacht werden dürfte, daß „überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses" zu der Wieder­ herstellung der Bergbaufreiheit Anlaß geben. Die entgegenstehende, aber nicht zutreffende Ansicht in jenem früheren Erlasse v. 5. Jan. 1875 ist demnach nicht weiter festgehalten. Klostermann Anm. 360a u. Z. Bd. 24 S. 333 beurteilte die Fälle verschieden, je nachdem der Fundpunkt in dem aufzugebenden Feldesteile liegt oder nicht, s. jedoch jetzt Thiel mann Anm. 2 zu 8162, vgl. a. Urt. des RG. v. 24. Mai 1895, Z. Bd. 37 S. 111, Entsch. Bd. 35 S. 283 u. die ähnliche Bestimmung für das Muten in § 19 a. 3. Die Befugnis der Realberechtigten, die Zwangsverstei­ gerung zu verlangen (§ 159), bezieht sich auch in dem Falle des § 162 auf das ganze Bergwerk, nicht auf den einzelnen Feldes­ teil. Oppenhoff Nr. 920, Thielmann Anm. 1, Arndt Anm. 2 zu § 162. 4. Weil die Bestimmung des § 162 zu Mißbräuchen Anlaß gegeben hat, ist dieselbe in die Berggesetze für Elsaß-Lothringen, Württemberg, Hessen, Baden und Bayern nicht ausgenommen worden und daher dort ein freiwilliger Verzicht auf einzelne Feldes­ teile unstatthaft. Vgl. Z. Bd. 15 S. 62, 501; Bd. 17 S. 246.

8 163.

Bei jeder Aufhebung eines Bergwerkseigentums darf der bisherige Eigentümer die Zimmerung und Mauerung des Grubengebäudes nur insoweit wegnehmen, als nach der Ent­ scheidung der Bergbehörde nicht polizeiliche Gründe entgegenstehen. Mot. S. 95/6 (210/1), KB. AH. S. 90 (1248/9).

Der Regel nach sind Zimmerung und Mauerung eines Grubengebäudes unentbehrlich, um letzteres vor dem Einstürze zu schützen und für einen späteren Betrieb zugänglich zu erhalten sowie gemeingefährliche Tagebrüche zu verhüten. Der bisherige Eigentümer des Bergwerks darf daher bei Aufhebung seines Berg­ werkseigentums durch Entziehung oder Verzicht die Zimmerung und Mauerung weder ganz noch teilweise wegnehmen, es sei denn, daß er die vorgängige polizeiliche Erlaubnis hierzu von dem Revierbeamten (§ 189) erlangt hat. Übertretungen unterliegen jder Bestrafung nach § 207. Ein Entschädigungsanspruch gegen den etwaigen Neumuter erwächst aus der Zurücklaffung solcher Gegen­ stände nicht.

644

Sechster Titel.

Bon der Aufhebung des Bergwerkseigentums.

[$ 164

§ 164.

Die Kosten, welche durch das im gegenwärtigen Titel an­ geordnete Verfahren bei der Bergbehörde erwachsen, hat der Bergwerkseigentümer zu tragen. Mot. S. 96 (211), KB. AH. S. 90 (1248/9).

Diese Vorschrift findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Bergwerkseigentümer die Kosten des Verfahrens der Bergbehörde entweder durch sein gesetzwidriges Verhalten oder durch seinen freiwilligen Verzicht verursacht. Nach § 194 können diese Kosten im Verwaltungs-Zwangsverfahren beigetrieben werden.

Knappschastsgeseh. Mot. S. 96/7 (211) KB. AH. S. 91 (1249). Nov. 06: Mot. S. 1-4, KB. AH. S. 1-3, StenB. AH. S. 637 ff., 4206 ff., 4951 ff., KB. HH. S. 667/8, Sten.B. HH. S. 394 ff. Nov. 12: Mot. S. 103-105, KB. HH. S. 158-60, Sten.B. HH. S. 66 ff., 406 ff., Sten. B. AH. S. 5884 ff. Literatur: Steinbrtnck-Reuß, Knappschaftsgesetz nebst Kommentar (zitiert: „Reuß"), 3. Stuft., Berlin 1912. — Gottschalk, Die Knappschaftsnovelle vom 3. Juni 1912, Glückauf 1912 S. 1162, 1199 ff.

Der 7. Titel des ABG. trug die Überschrift „Bon den Knappschaftsvereinen" und regelte in den §§ 165—186 p gemäß der Fassung des Gesetzes vom 19. Juni 1906 die Organisation der Knappschaftsvereine. Bei der Beratung der infolge der Reichsver­ sicherungsordnung und des Bersicherungsgesetzes für Angestellte er­ forderlich gewordenen Novelle zu diesem Titel im Jahre 1912 wurde nun in der Kommission des Herrenhauses darauf hingewiesen, daß sich in den ßß 165—186 des 7. Titels für die Aufnahme der zahl­ reichen neuen Vorschriften kein Raum biete und daß es daher im Interesse der Übersichtlichkeit empfehlenswert sei, diesem Titel die Form eines besonderen Gesetzes mit selbständiger fortlaufender Nummernfolge der Paragraphen zu geben. Dieser Anregung wurde stattgegeben und dementsprechend beschloffen, dem Gesetz vom 3. Juni 1912 einen Artikel VI hinzuzufügen, durch welchen der Minister für Handel und Gewerbe ermächtigt wurde, den 7. Titel mit der Überschrift „Knappschaftsgesetz" unter selbständiger fort­ laufender Nummernfolge der Paragraphen durch die Gesetzsamm­ lung bekannt zu machen, KB. HH. S. 5, 8 und 9. Die beiden Häuser des Landtages haben sich diesem Beschlusse angeschloffen (Sten. B. HH. S. 68, 72, KB. AH. S. 12) und die dementsprechende

SnappschaftSgesetz.

645

Bekanntmachung des neuen „Knappschaftsgesetzes" durch den Handels­ minister ist in der Nr. 22 S. 137 der Gesetzsammlung erfolgt. Damit ist der 7. Titel formell aus dem Allgemeinen Berg­ gesetze ausgeschieden. Der organische Zusammenhang dieses formell neuen Ge­ setzes mit dem ABG. ist naturgemäß, wie auch bei den Verhand­ lungen des Landtages allseitig anerkannt wurde, dadurch in keiner Weise berührt, und es muß daher in einem Komnientare zum Allgemeinen Berggesetze die Erläuterung des Knappschaftsgcsetzes an die Stelle der des 7. Titels treten. Zu diesem Titel gab die frühere Auflage folgende Einleitung: „Als bei Beratung des Gesetzes über die eingeschriebenen Hilfskassen vom 7. April und der hiermit zusammenhängenden Novelle zum achten Titel der Gewerbeordnung vom 8. April 1876 im Reichstage von sozialdemokratischer Seite der Antrag gestellt war, die über die gewerblichen Hilfskaffen neu zu erlassenden Vorschriften auf sämtliche Bergarbeiter auszudehnen und sonach die bestehenden Knappschaftseinrichtungen als eine Tradition, vor welcher bisher die Reform stehen geblieben sei, zu beseitigen, be­ kämpfte der damalige Minister für Handel usw. Dr. Achenbach diesen Antrag in der Sitzung vom 1. Februar 1876 mit den schwerwiegenden Worten: „Es würde dies nichts anderes sein, als Einrichtungen angreifen und lähmen, verkümmern und ihre weitere Blüte verhindern, die auf diesem Gebiete das allein Bedeutende bei uns in Deutschland geleistet haben. . . Die neuen Bestrebungen, welche bei uns zutage getreten sind, sollen erst in Zukunft, diejenigen Erfolge zeigen, welche die Knappschaftsvereine bereits erreicht haben. .. Es liegt hier ein teures Erbe unserer Väter vor, was der Gegenwart zur weiteren Pflege überkommen ist." Sten. B. Bd. II S. 1088, 1089. Dieses Mahnwort hat die seitdem tatkräftig fortgeschrittene sozialpolitische Gesetzgebung des Reiches nicht unbeachtet gelassen- sie hat zwar auch das Knapp­ schaftsinstitut in den Bereich ihrer Reformen hineingezogen, jedoch in Anerkennung seiner segensreichen Wirksamkeit den Fortbestand desselben nicht in Frage gestellt. In der Tat handelt es sich hier um eine ehrwürdige Schöpfung des deutschen Bergbaues, welche, mit ihren Anfängen tief in das Mittelalter zurückreichend, im 15. und 16. Jahrhundert einen neuen, kräftigen Anstoß erhielt. Je deutlicher es hervortrat, daß die Zukunft des wieder auf­ blühenden Bergbaues mit der Arbeiterfrage eng verwachsen war, um so eifriger wurde schon damals an der Lösung derselben von Bergbautreibenden und Gesetzgebern gearbeitet. Eine sinnige Eigentümlichkeit des deutschen Bergbaues, entstand das Knapp­ schaftsinstitut unter dem Eindrücke der den Bergmann stets um­ gebenden Gefahren und der vielen Opfer an Menschenleben, welche der Bergbau unerbittlich fordert/ es galt, den beschädigten, er­ krankten und invaliden Bergleuten und ihren Hinterbliebenen die Segnungen eines geordneten Unterstützungswesens zu gewähren.

646

Knappschaft-gesetz.

So gestalteten die Knappschaftsvereine sich schon früh zu einer sozialen Einrichtung, welche auf gemeinsamer Tätigkeit der Arbeit­ geber und Arbeitnehmer beruhte und diesen fruchtbaren Gedanken im Laufe der Zeit immer mehr entwickelt hat. Vornehmlich waren es die von Friedrich dem Großen geschaffenen verbesserten Grund­ lagen für das Knappschaftswesen, auf welchen seitdem mit zu­ nehmendem Erfolge weiter fortgebaut worden ist. Einen besonders wichtigen Abschnitt in dieser Entwickelung bezeichnet das Knappschaftsgesetz vom 10. April 1854 (GS. S. 139). Durch dasselbe wurde das Knappschaftswesen für das ganze Staats­ gebiet einheitlich geregelt und namentlich auch der gänzliche Mangel gesetzlicher Vorschriften hierüber in den linksrheinischen Landesteilen beseitigt. Alle für Rechnung des Staates oder für Privatrechnung betriebenen und unter der Aufsicht der Bergbehörde stehenden Bergwerke, Hütten, Salinen und Aufbereitungsanstalten müssen nach dem Gesetze einem Knappschaftsvereine angehören/ die Bei­ tritts- und Beitragspflicht erstreckt sich auf die Arbeiter und Eigentümer dieser Werke. Mit letzteren verbundene, nicht unter der Aufsicht der Bergbehörde stehende Gewerbsanlagen können dem Vereine beitreten. Als Leistungen der Knappschaftsvereine be­ stimmte das Gesetz: in Krankheitsfällen freie Kur und Arznei sowie Krankenlohn, bei eingetretener Arbeitsunfähigkeit eine lebens­ längliche Jnpalidenunterstützung, bei Todesfällen einen Beitrag zu den Begräbniskosten und Unterstützung von Witwen und Waisen. Die Knappschaftsvereine erhielten die Rechte einer ju­ ristischen Person und eine statutarische korporative Verfassung. Mit der gesamten Verwaltung wurde unter Aufsicht der Berg­ behörde ein Knappschaftsvorstand beauftragt, dessen Mitglieder die Knappschaftsältesten als Vertreter der Vereinsgenossen und die Werkseigentümer bzw. deren Repräsentanten je zur Hälfte aus ihrer Mitte oder aus der Zahl der Königlichen oder Privat-Bergoder Hüttenbeamten zu wählen haben. Der Beitrag der Werks­ eigentümer zu den für die Vereinszwecke erforderlichen Geldmitteln wurde auf die Hälfte bis zum vollen Betrage des Arbeiterbei­ trages bestimmt. In die so geschaffene Neugestaltung des Knappschaftswesens griff das sogenannte Kompetenzgesetz vom 10. Juni 1861 (GS. S. 425) insofern störend ein, als alle Hüttenwerke und die kein Zubehör von Bergwerken bildenden selbständigen Aufbereitungs­ anstalten aus dem Ressort der Bergverwaltung ausgeschieden, den Regierungen und den Bestimmungen der Gewerbegesetze unter­ stellt und zugleich in die rechtliche Lage versetzt wurden, auf ge­ meinschaftlichen Antrag ihrer Besitzer und Arbeiter aus bau Knappschaftsvereine ausscheiden zu können. Zwar haben seith:r nur verhältnismäßig wenige Hüttenwerke von dieser Befugnis Gebrauch gemacht) indes sind durch diese Abänderung der Gesetz­ gebung doch manche sich wiederholende Weiterungen und Schwierig­ keiten für die beteiligten Knappschaftsvereine hervorgerufen worden.

Knappschaftsgesetz.

647

Das ABG. hatte diesen von der Gesetzgebung eben erst be­ tretenen Weg einzuhalten und im übrigen die erprobten Grund­ sätze und Einrichtungen des Knappschaftsgesetzes von 1854 nur in einigen Punkten, soweit bestimmte Erfahrungen vorlagen, weiter zu entwickeln. In diesem Sinne fand namentlich die schon da­ mals viel erörterte Frage wegen Trennung der Krankenunter­ stützung von der Fürsorge für die Invaliden, Witwen und Waisen der Knappschaft ihre vorläufige Lösung dahin, daß die Bildung besonderer, mit den Hauptvereinen organisch verbundener Kranken­ kassen gesetzlich ermöglicht, aber nicht vorgeschrieben wurde. So­ dann war es angezeigt, die Bergbehörde von der unmittelbaren Mitwirkung bei der Verwaltung der Knappschaftsvereine in die Stellung der staatlichen Aufsichtsbehörde zurücktreten zu laffen und die Selbstverwaltung in der Richtung, welche seitdem in der sozialpolitischen Gesetzgebung allgemein zur Geltung gelangt ist, auszubilden (Mot. S. 96, 97). In den neu erworbenen Landesteilen sand das ABG. zum Teil schon Knappschaftseinrichtungen vor und konnte auch hier fortbildend und erweiternd eingreifen. Im allgemeinen genügte hierzu die Ausführung des 7. Titels- einzelne besondere Vor­ schriften waren in den Einf.-Verordnungen zu treffen. Begünstigt durch die Selbstverwaltung erstarkte das Knappschaftsinstitut in erfreulicher Weise. Nachdem bereits im Jahre 1870 die Vorstände der Knappschaftsvereine im Oberbergamts­ bezirke Bonn zu einem Verbände zusammengetreten waren, deffen statutenmäßiger Zweck darin besteht, die gemeinsamen Interessen dieser Vereine zu fördern und namentlich Vorschläge zur Ver­ besserung und Fortbildung der bestehenden Einrichtungen den einzelnen Vereinen zur selbständigen weiteren Veranlaffung mit­ zuteilen, ging aus diesem Verbände int Jahre 1882 die Anregung zur Bildung des das ganze Reichsgebiet umfassenden „deutschen Knappschaftsverbandes" hervor, welcher sich zunächst die Aufgabe stellte, in der die Reichsgesetzgebung beschäftigenden Frage der Kranken- und Unfallversicherung der Arbeiter gemeinsam vorzu­ gehen. Der auf reichen Erfahrungen fußenden Tätigkeit dieses Verbandes ist es wesentlich zu verdanken, daß nicht allein der Besitzstand der Knappschaftsvercine von der Neueinrichtung der allgemeinen Kranken- und Unfallversicherung unberührt geblieben, sondern auch für den gesamten deutschen Bergbau eine einzige „Knappschafts-Berufsgenossenschaft" geschaffen und hiermit ein äußerst wertvolles gemeinsames Band um diesen großen Industrie­ zweig geschlungen worden ist. Außerdem hat jener Verband im Jahre 1884 das „Normalstatut für die deutschen Knappschafts­ vereine" aufgestellt, mit dessen Hilfe es gelungen ist, die Statuten der deutschen Knappschaftsvereine, unter Berücksichtigung der durch das Krankenversicherungsgesetz vom 15. Juni 1883 und das Un­ fallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884 gebotenen Änderungen, soweit als irgend tunlich in Übereinstimmung zu bringen."

648

Knappschaftsgesetz.

Trotz dieser Maßnahmen des Knappschaftsverbandes stellten sich aber in der Folgezeit Rechtsunsicherheiten heraus, da vielfach Zweifel darüber entstanden, ob die Bestimmungen des ABG. gegenüber denen jener Reichsgesetze noch Geltung hatten. Dies in Verbindung mit der Tatsache, daß die bestehenden Vorschriften keine genügende Handhabe boten, um die bei zahlreichen Knapp­ schaftsvereinen gefährdete dauernde Leistungsfähigkeit sicherzustellen, machte eine Reform des 7. Titels erforderlich. Diese erfolgte durch das Gesetz vom 19. ftuni 1906, betreffend die Abänderung des 7. Titels des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (GS. S. 199), welches am 1. Januar 1908 in Kraft trat. Wie die Begründung zu diesem Gesetze S. 2 ff. ausführt, erblickte es seine Hauptaufgabe in der tunlichsten Sicherstellung der den Knappschaftsvereinen obliegenden Leistungen, welche einer­ seits durch die Zersplitterung in zu viele kleine und daher nicht leistungsfähige Vereine und andererseits durch unsachgemäße Bemeffung der Beiträge und Leistungen, vor allem bei den Pensions­ kaffen gefährdet war. Durch die Novelle wurden daher den Auf­ sichtsbehörden vielfache Befugniffe beigelegt, welche darauf ab­ zielten, diese beiden Hauptübelstände zu beseitigen. Der durch die Zersplitterung drohenden Gefahr wurde durch die Möglichkeit vor­ gebeugt, einen nicht mehr leistungsfähigen Verein einem anderen Vereine zu überweisen (§ 177 a) oder den Zusammenschluß mehrerer Vereine herbeizuführen (§ 177 b). Die Leistungsfähigkeit wurde einer Nachprüfung 'durch die Aufsichtsbehörde unterstellt, welcher die Unterlagen für die dauernde Erfüllbarkeit der Pensionskaffen­ leistungen von dem betreffenden Vereine zur Verfügung zu stellen waren und welche dieselben sodann einer sachverständigen Begut­ achtung unterziehen zu laffen hatte (§ 169). Aber auch in sonstiger Beziehung führte das Gesetz vielfache bedeutsame Neuerungen ein. So wurde, um ausscheidenden Pen­ sionskaffenmitgliedern ihre Ansprüche erhalten, einmal für alle dem ABG. unterstehenden Vereine ein Gegenseitigkeitsverhältnis gesetzlich festgelegt (§ 172c), und andererseits solchen Mitgliedern das Recht gewährt, die bereits erworbenen Ansprüche durch Zahlung einer Anerkennungsgebühr aufrechtzuerhalten (§ 172 d). Ferner hatte sich bei der Aufbringung von Mitteln der Mißstand gezeigt, daß auch diejenigen Mitglieder, welche keinen Anspruch auf Pen­ sionskassenleistungen erwerben konnten, zu vollen Beiträgen heran­ gezogen wurden/ dieser Mißstand wurde durch die Vorschrift des § 172 beseitigt. Eine Änderung der inneren Organisation der Knappschaftsvereine wurde insofern vorgenommen, als die rech­ nungsmäßige Trennung von Kranken- und Pensionskaffe gesetzlich vorgeschrieben wurde (§ 168 Abs. 2). Schließlich wurden die Be­ stimmungen über die Rechtsmittel gegen die Entscheidungen über Mitgliederansprüche im Anschluß an die Arbeiterversicherungs­ gesetze neu geregelt (§§ 186 ff.). Die letzte Änderung hat dieser Titel durch die schon zu

§ 1]

Knappschaftsgesetz.

649

Eingang erwähnte Novelle vom 3. Juni 1912, betreffend die Ab­ änderung des 7. Titels im Allgemeinen Berggesetze vom 24. Juni 1865, 19. Juni 1906 (GS. 1865 S. 705, 1906 S. 199) erfahren, durch deren Artikel VI die Neufassung des 7. Titels als,,Knapp­ schaftsgesetz" dem Handelsminister übertragen wurde. Die Ände­ rung wurde durch den Erlaß der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (RGBl. S. 509) und des Versicherungsgesetzes für Angestellte vom 20. Dezember 1911 (RGBl. S. 989) erforderlich, mit deren Vorschriften die ^Bestimmungen des 7. Titels in Ein­ klang gebracht werden mußten. Näheres s. in Anm. 2 ju § 9. Über die Materialien vergleiche die Zusammenstellung derselben in den Vorbemerkungen. Wegen des Inkrafttretens des Knappschaftsgesetzes vgl. § 9 Anm. 2. 8 1.

Für die Arbeiter, welche auf den dem Allgemeinen Berg­ gesetz unterworfenen Bergwerken, Aufbereitungsanstalten, Salinen und den zugehörigen Betriebsanstalten beschäftigt sind, sollen, soweit das Gesetz nicht besondere Ausnahmen vorfieht, Anappschaftsvereine bestehen, welche den Zweck haben, ihren Mit­ gliedern und deren Angehörigen nach näherer Bestimmung des Gesetzes und der Satzungen (§ 6) Unterstützungen zu gewähren. Inwieweit auch die Werksbeamten und die Verwaltungs­ beamten der Anappschaftsvereine zum Beitritte verpflichtet und berechtigt find, bestimmt sich nach den §§ 9 und 27 bis 29. Sind mit den im Abs. ( bezeichneten Werken zugleich Gewerbsanlagen verbunden, welche nicht unter der Aufsicht der Bergbehörde stehen, so können die bei diesen Gewerbsanlagen beschäftigten Arbeiter und Beamten auf den gemeinschaftlichen Antrag der Werksbesitzer und der Mehrheit der künftigen bei­ trittspflichtigen Mitglieder durch den Anappschaftsvorstand in den Anappschaftsverein ausgenommen werden. Mot. S. 97 (211), KB. AH. S. 91 (1249). Nov. 06: Mot. S. 4, KB. AH. S. 3-5. 1. § 1 entspricht dem bisherigen § 165 ABG. 2. Durch Abs. 1 ist der Charakter der Knappschaftsvereine als Zwangskaffen aufrechterhalten. Dem, wie den Vorgängen bei der Arbeiterversicherungsgesetzgebung des Reiches entspricht es auch, daß die Mitgliedschaft mit der Beschäftigung auf einem der dort genannten Betriebe und nicht erst, wie früher, mit dem Bei­ tritte beginnt, Mot. 06 S. 4; vgl. a. § 9. 3. Der Abs. 1 ist als bloße Soll-, nicht als Mußvorschrift beibehalten worden, weil für einzelne isoliert gelegene, kleinere knapp­ schaftspflichtige Betriebe der Knappschaftszwang bisher noch nicht hat durchgeführt werden können, Begr. 06 S. 4, KB. AH. 06 S 4.

650

Knappschaftsgesetz.

[§ 1

4. Dem Knappschaftsgesetze unterstehen außer den dem ABG. unmittelbar unterworfenen Betrieben a) der Braunkohlenbergbau im Gebiete des westpreußischen Provinzialrechts (§ 210 ABG.), b) der Stein- und Braunkohlenbergbau im Mandatsbezirk (§ 9 Ziff. e des Ges. v. 22. Februar 1869) und im Fürstentum Calenberg (Art. XIII Einf.-Berordn. für Hannover v. 8. Mai 1867), c) der Stein- und Kalisalzbergbau in der Provinz Han­ nover (§ 1 Nr. 7 des Ges. v. 14. Juli 1895, vgl. a. Min.Erl. v. 25. Mai 1908, Z. Bd. 49 S. 471), d) die linksrhein. Dachschiefer-, Traß- und Basaltlavabrüche (§ 214 a ABG.), nicht dagegen a) die Gewinnung von Raseneisenerzen (vgl. § 1 Anm. 1), b) der Eisenerzbergbau in dem Herzogtum Schlesien und der Grafschaft Glatz (§ 211 b ABG.), c) die Salinen in der Provinz Hannover (Art. II Einf.Berordn. für Hannover v. 8. Mai 1867), d) die Aufsuchung von Erdöl (§ 1 des Ges. v. 6. Juni 1904 im Anhang). Ferner findet das Knappschastsgesetz Anwendung auf die gemäß § 196 Abs. 2 und § 58 (vgl. dort Anm. 2 ff.) dem ABG. unterworfenen Aufbereitungsanstalten und die zu den in Abs. 1 genannten Betrieben gehörigen und mit ihnen zu einem einheitlichen Betriebe verbundenen Betriebsanstalten, nicht da­ gegen auf Schürfarbeiten (§ 3a ABG.). 5. Die Worte „und der Satzungen", welche in dem ursprüng­ lichen Abs. 1 des § 165 fehlten, sind eingefügt worden, um zum Ausdruck zu bringen, daß es nach wie vor der Festsetzung durch die Satzung überlassen Bleiben soll, die näheren Voraussetzungen für den Bezug der Leistungen zu bestimmen, soweit dieselben sich unmittelbar aus dem Gesetze ergeben, Mot. 06 S. 4. 6. Zur Anwendbarkeit des Abs. 3 gehört, daß die Gewerbs­ anlage, um deren Beitritt zum Knappschaftsvereine es sich handelt, mit einem unter der Aufsicht der Bergbehörde stehenden Werke verbunden ist, d. h. im Zusammenhang mit diesem als ver­ wandte Unternehmung (Hüttenwerke, Walzwerke) von dem näm­ lichen Besitzer betrieben wird. Andere als die hier bezeichneten Werke können weder einem Knappschaftsvereine beitreten, noch einen besonderen Knappschaftsverein für sich bilden, vgl. Min.Erl. v. 10. Juli 1888, 6. Juni 1890, Z. Bd. 30 S. 540, Bd. 31 S. 416. Ferner setzt die Aufnahme in den Verein einen gemeinschaft­ lichen Antrag des Besitzers sowie der Arbeiter und der gemäß § 9 Abs. 2 und 3 beitragspflichtigen Beamten der betreffenden Gewerbs­ anlage voraus,- die bloße „Zustimmung" (§ 1 des Knappschaftsges. v. 10. April 1854) oder ein einseitiger Antrag des Werksbesitzers

§§ 1. 2]

Knappschaftsgesetz.

651

reicht nicht aus. Jedoch genügt gemäß einem Beschlusse der Kom­ mission des Abgeordnetenhauses (KB. AH. 06 S. 3) die Mehrheit der künftigen beitrittspflichtigen Mitglieder. Eine besondere Form ist für den Antrag nicht vorgeschrieben, Urt. des RG. v. 27. Okt. 1882, Berfg. des DBA. Clausthal v. 19. Sept. 1881, Z. Bd. 24 S. 368, 536. Eine Verpflichtung des Knappschaftsvorstandes, einem solchen Anträge stattzugeben, besteht nicht.

§ 2.

Die bestehenden Unappschaftsvereine und knappschaftlichen Urankenkassen bleiben in Wirksamkeit. Das gegenwärtige Gesetz findet jedoch auch auf sie Anwendung. Die Besitzer sowie die Beamten und Arbeiter der Hütten­ werke und der dem Allgemeinen Berggesetze nicht unterworfenen Aufbereitungsanstalten, welche bereits einem Unappschaftsverein angehören, scheiden auf ihren gemeinsamen Antrag aus dem Ver­ ein aus. Unter der gleichen Voraussetzung scheiden die Besitzer sowie die Beamten und Arbeiter der im ß f Abs. 3 bezeichneten, nicht unter der Aufsicht der Bergbehörde stehenden Gewerbs­ anlagen aus dem Verein aus, sofern ihre Verbindung mit knappschastspflichtigen Werken gelöst wird. Das Ausscheiden eines nach Abs. 2 oder 3 austrittsberech­ tigten Vereinswerkes tritt erst in Wirksamkeit, wenn eine ver­ mögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen dem ausscheidenden Werke und dem Unappschaftsvereine stattgefunden hat. Streitig­ keiten, welche hinsichtlich der vermögensrechtlichen Auseinander­ setzung zwischen dem austrittsberechtigten Vereinswerk und dem Unappschastsverein entstehen, werden mangels Verständigung über eine schiedsrichterliche Entscheidung von dem Mberschiedsgericht entschieden (§ 83). Mot. S. 97/8 (211), KB. AH. S. 91 (1249). Nov. 06: Mot. S. 5, KB. AH. S. 5-7.

1. § 2 entspricht dem bisherigen § 166 ABG. 2. Die Novelle von 1906 bestimmte ebenso wie das ABG. in seiner ursprünglichen Fassung im Abs. 1 des § 166, daß die bereits bestehenden Knappschaftsvereine dem 7. Titel (dem nun­ mehrigen Knappschaftsgesetze) unterfallen, im übrigen aber in Wirksamkeit bleiben, fügte aber ferner die inzwischen begründeten besonderen Krankenkassen hinzu. 3. Im Abs. 2 ist die den Hüttenwerken und den kein Zu­ behör von Bergwerken bildenden Aufbereitungsanstalten durch das

652

Knappschaftsgesetz.

Ges. v. 10. Juni 1861 eingeräumte Befugnis zum Austritt! aus dem Knappschaftsvereine (vgl. Vordem.) aufrechterhalten- der Aus­ tritt sollte denselben „auch für die Folge gestattet bleiben", Mot. S. 98. Diese Befugnis ist nicht an eine bestimmte Frist ge­ bunden ; sie geht nicht, wie das Urt. des LG. Trier v. 29. Okt. 1886, Z. Bd. 28 S. 83 annimmt, durch ein langjähriges Verbleiben im Knappschaftsvereine verloren, vgl. die Urt. unter 4. 4. Das Ausscheiden eines Hüttenwerks usw. aus dem Knapp­ schaftsvereine setzt einen gemeinschaftlichen Antrag des Werksbesitzers, seiner Arbeiter und — seit der Novelle von 1906 — auch seiner Beamten und zwar sämtlicher dem Vereine als Mitglieder an­ gehörenden voraus, Urt. des LG. Aachen v. 8. Mai 1880, Z. Bd. 21 S. 330. Zugleich enthält aber das Ausscheiden eines Bereinswerkes aus dem Knappschaftsverbande eine Änderung der Organisation des letzteren und diese kann nicht durch eine ein­ seitige Erklärung des beteiligten Werksbesitzers, bzw. seiner Arbeiter und Beamten in Vollzug gesetzt, sondern nur im Wege ander­ weitiger statutarischer Regelung zu einem für alle Beteiligten rechtsverbindlichen Abschlüße gebracht werden. Es bedarf sogar einer vollständigen vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Hüttenwerke und dem Knappschaftsvereine. Bis dahin bleiben die Bestimmungen des Knappschaftsstatuts auch für das Hütten­ werk in Kraft- dasselbe hat bis dahin seinen sämtlichen Ver­ pflichtungen nachzukommen, insbesondere auch die fälligen Beiträge zu zahlen und die beitragspflichtigen Arbeiter anzumelden. Im übrigen erwirbt das Hüttenwerk durch eine dem Abs. 2 entsprechende Austrittserklärung das durch die vorgängige Auseinandersetzung aufschiebend bedingte Recht des Ausscheidens, Rek.-Besch. v. 25. März 1878, Z. Bd. 19 S. 398, Urt. des OLG. Cöln v. 19. März 1887, des RG. v. 11. Nov. 1887, Z. Bd. 28 S. 385, Bd. 29 S. 239, vgl. a. Besch, des OBA. Halle v. 3. Juli 1885, Z. Bd. 26 S. 536. Diese gemäß den vorbezeichneten Entsch. in der Praxis bereits tatsächlich geltenden Grundsätze sind durch die Novelle von 1906 in Abs. 4 Satz 1 des § 166 (jetzt § 2) zum Gesetze erhoben worden. Da man es jedoch nicht für zweckmäßig hielt, bei Streitigkeiten über die Auseinandersetzung den ordent­ lichen Rechtsweg zuzulassen, ist in Anschluß an die §§ 100—102 JBG. (vgl. jetzt § 1337 RDO.) die Entscheidung, falls sich die Beteiligten über eine schiedsgerichtliche Entscheidung nicht verständigen können, dem OSchG. übertragen worden, KB. AH. 06 S. 5 ff. Wegen der Zusammensetzung des OSchG. in einem solchen Falle vgl. § 83 Abs. 2 Nr. 3 a, wegen des von ihm zu beobachtenden Verfahrens § 29 der Verordng. über das Verfahren vor dem OSchG. (im Anhang). Durch den Austritt eines Hüttenwerks usw. aus dem Knapp­ schaftsvereine werden im übrigen die gegen den letzteren als juristische Person erworbenen Rechte der Unterstützungsempfänger nicht berührt, vielmehr bleibt die Unterstützungspflicht des Vereins bestehen, unb es wirb deshalb durch den Austritt des Einzelwerks

§§ 2. 3)

KnappschastSgesetz.

653

dessen rechtliche Verpflichtung begründet, den Knappschaftsverein von der bestehenden Unterstützungspflicht zu befreien, Urt. des OTr. v. 9. Sept. 1873, $. Bd. 15 S. 361. Vgl. über den Austritt von Hüttenwerken aus den Knapp­ schaftsvereinen: Fleckser, Z. Bd. 15 S.346, Brassert, Z. Bd. 15 S. 368, Maas, Z. Bd. 21 S. 323. 5. Der Abs. 3 ist durch die Novelle von 1906 eingefügt worden, weil es empfehlenswert erschien, bei Loslösung der gemäß § 165 (jetzt § 1) Abs. 3 einem Knappschaftsvereine beigetretenen Gewerbsanlagen von den Werken, mit welchen sie verbunden sind, solchen Werken die Austrittsmöglichkeit unter den gleichen Be­ dingungen wie den Hüttenwerken usw. zu gewähren, Mot. 06 S. 5. Es gelten somit für sie die Ausführungen in Anm. 4. § 3.

Die Bestimmung der Bezirke, für welche neue Unappschafts­ vereine gegründet, sowie die Bestimmung derjenigen bereits be­ stehenden Unappschaftsvereine, welchen die dem Allgemeinen Berggesetz unterworfenen, außerhalb des Bezirkes eines bestehenden Unappschaftsvereins belegenen Bergwerke, Aufbereitungsanstalten und Salinen bei der Eröffnung des Betriebs zugeteilt werden sollen, hängt zunächst von dem Beschlusse der Beteiligten ab. Kann hierüber eine Einigung nicht erzielt werden, so entscheidet nach Anhörung der Werksbesitzer und eines von den künftigen beitrittspflichtigen Mitgliedern zu wählenden Ausschusses auf den Vorschlag des Vberbergamts der Minister für handel und Gewerbe. Wo ein ständiger Arbeiterausschuß besteht, ist dieser zu hören. Die Wahl eines Ausschusses nach Abs. \ findet alsdann nur durch die beitrittspflichtigen Beamten statt. Mot. S. 98 (211), KB. AH. S. 91 (1249). Nov. 06: Mot. S. 5/6.

1. § 3 entspricht dem bisherigen § 167 ABG. 2. Abweichend von § 2 des Knappschaftsgesetzes vom 10. April 1854 überläßt § 3 die Bestimmung der Bezirke für neuzugründende Knappschaftsvcreine zunächst den Beteiligten und erst, wenn diese sich untereinander hierüber nicht einigen können, tritt die Ent­ scheidung des Handelsministers ein; die ursprünglich hierfür be­ stehende Zuständigkeit des Oberbergamts ist durch die Novelle von 1906 beseitigt worden, da es sich bei der zu treffenden Entscheidung um die Bezirke verschiedener Oberbergamtsbezirke handeln kann, vgl. Reuß Anm. 5 zu § 3. Das gleiche gilt, wenn neue Werke einem bestehenden Knapp­ schaftsvereine zugewiesen werden, und zwar wird dieses der bei weitem häufigere Fall der Anwendbarkeit des § 3 sein, da die

654

Knappschaftsgesetz.

188 3. 4

Bildung neuer Vereine schon deshalb in den meisten Fällen nicht wird zugelaffen werden können, weil die von ihnen zu gewährenden Leistungen nicht in der von dem Gesetze (§§ 5, 6, 37, 4Ö) verlangten Art und Weise sichergestellt werden können, Mot. 06 S. 5. Eine ähnliche Bestimmung, wie den § 3, enthielt übrigens schon der § 1 Nr. 7 des Ges. v. 14. Juli 1905, betr. Ausdehnung verschiedener Bestimmungen des ABG. auf den Stein- und Kali­ salzbergbau in der Provinz Hannover, vgl. a. Mot. zu diesem Ges. S. 9, 10, sowie Reuß Anm. 1. zu § 3. 3. Vor der Entscheidung des Handelsministers sind gemäß Abs. 1 Satz 2 die Werksbesitzer und ein zu wählender Ausschuß zu hören. Wahlberechtigt hierzu sind nicht nur, wie bisher, die Arbeiter, sondern auch die gemäß § 9 Abs. 2 und 3 und § 27 Abl. 1 kraft Gesetzes beitrittspflichtigen, nicht aber auch die auf Grund einer Satzungsbestimmung gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 zum Beitritt zur Pensionskasse verpflichteten Beamten, Reuß Anm. 3 zu 8 3. Über die Vornahme der Wahl enthält das Gesetz keine Be­ stimmung. Es bleibt daher der Aufsichtsbehörde überlasten, die geeigneten Anordnungen zu treffen. 4. Wird ein neu entstandenes Werk durch eine einen be­ stimmten Zeitpunkt für die Zugehörigkeit nicht festsetzende Ent­ scheidung des Handelsministers' einem Knappschaftsvereine zu­ gewiesen, so treten die Wirkungen dieser Zugehörigkeit nicht erst vom Tage des Erlasses der Entscheidung, sondern bereits vom Tage der Betriebseröffnung an ein, Urt. des OSchG. v. 27. Okt. 1908, Z. Bd. 50 S. 110. 5. Abs. 2 ist mit Rücksicht auf die den Arbeiterausschüffen durch die Novelle vom 14. Juli 1905 (vgl. jetzt §§ 80 f, fd, fe, fi) zugewiesene erweiterte Tätigkeit durch die Novelle von 1906 ein­ gefügt worden. 8 4.

Jeder Anappschaftsverein hat nach näherer Bestimmung des Gesetzes und der Satzung zu gewähren: s. die Arankenversichernng seiner Mitglieder nach §§ f3 bis 26 (Arankenkassenleistungen); 2. Unterstützungen an die arbeitsunfähig gewordenen Mitglieder sowie an die Angehörigen verstorbener Mitglieder nach 88 30 bis 34 (Pensionskassenleistungen). Für diese beiden den Anappschafsvereinen obliegenden Auf­ gaben ist die Rechnungsführung nach Arankenkaffe und Pensions­ kaste getrennt vorzunehmen. Ausnahmen hiervon sind nur bei geringem Geschäftsumfange statthaft und unterliegen der beson­ deren Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.

Nov. 06: Mot. S. 6/7, HB. AH. S. 7/8.

§§4. 5]

Knappschaftsgesetz.

655

1. § 4 entspricht dem bisherigen § 168. 2. Die Knappschaftsvereine vereinigen in sich zwei völlig ver­ schiedene Versicherungszweige, nämlich: a) die Krankenversicherung, b) die Invaliden-, Witwen- und Waisenverstcherung. Es erschien zweckmäßig, die Trennung dieser beiden Zweige im Gesetze besonders zum Ausdrucke zu bringen, nicht aber auch die hierdurch den Knappschaftsvereinen erwachsenden, von einander gänzlich verschiedenen Aufgaben besonderen Kaffen zuzuweisen, wie dieses z. B. durch die sächs. Berggesetznovelle vom 2. April 1884 (Z. Bd. 25 S. 290) geschehen war. Man hielt es vielmehr, schon mit Rücksicht auf die geschichtliche Entwickelung des preußischen Knappschafts rechts, für ratsam, die Vereine „als Ganzes, als eine, alle in Betracht kommenden Ausgaben umfassende Organi­ sation beizubehalten und die Abtrennung selbständiger Kranken­ kassen im weiteren Ausbau des bisherigen § 172 nur fakultativ vorzusehen", Mot. 06 S. 6. Nur die Rechnungsführung nach Krankenkasse und Pensions­ kasse ist gemäß Abs. 2 getrennt vorzunehmen. Es müssen also für jede der beiden Kaffenzweige besondere Etats aufgestellt, die Einnahmen und Ausgaben besonders gebucht und die Beiträge besonders festgestellt werden, Mot. 06 S. 7. Jedoch können auch hiervon bei kleinen Vereinen mit besonders geringem Geschäftsum­ fange Ausnahmen durch die Aufsichtsbehörde nach Prüfung der obwaltenden Verhältnisse gestattet werden, Mot. 06 S. 7. Wird ein dahingehender Antrag gestellt und erachtet das zuständige Oberbergamt die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Genehmigung für vorliegend, so soll es vor Erteilung derselben die Entscheidung des Handelsministers einholen, Min.-Erl. v. 17. Jan. 1907, Z. Bd. 48 S. 176. Wegen der Bildung besonderer Beamtenabteilungen inner­ halb der Pensionskasse vgl. § 28.

§ 5. Innerhalb der einzelnen Unappschaftsvereine können nach dem gemeinschaftlichen Beschlusse der beteiligten Werksbesitzer und Anappschaftsältesten, sofern der Anappschaftsvorstand und die Generalversammlung zustimmen, besondere Arankenkassen für die zugehörigen Werke, und zwar für jedes einzelne Werk oder gruppenweise für mehrere Werke, errichtet werden. Die Errich­ tung besonderer Arankenkassen kann auch auf einen Teil der Vereinswerke beschränkt werden. Die Errichtung einer besonderen Arankenkasse ist nur dann zulässig, wenn durch die Zahl der im Aassenbezirke regelmäßig beschäftigten Arbeiter oder durch sonstige Umstände die dauernde

656

KnapPschastSgesetz.

[§ 5

Leistungsfähigkeit der Krankenkasse ausreichend fichergestellt er­ scheint. Die Geschäftsführung der besonderen Arankenkassen unter­ liegt der Beaufsichtigung durch den Anappschaftsvorstand. In der Satzung des Anappschaftsvereins find gegebenenfalls die näheren Bestimmungen hierüberzu treffen. Mot. (§ 172): S. 99/100 (212), KB. AH. S. 92/3 (1249/50). 91ot>. 06: Mot. S. 7/8, KB. AH. S. 8/9.

1. § 5 entspricht dem bisherigen § 168 a, welcher an die Stelle des § 172 in der ursprünglichen Fassung des ABG. ge­ treten roar. 2. In der Begründung zu § 172 (S. 99) ist eingehend dar­ gelegt, weshalb es sich empfahl, das Krankenunterstützungswesen tm Gegensatz zu dem Pensionswesen zu dezentralisieren und den Mitgliedern die Möglichkeit zu gewähren, durch gemeinschaftlichen Beschluß besondere Krankenkassen einzurichten. Das Bedürfnis nach derartigen besonderen Kassen trat noch stärker hervor, als das KBG. mit seinen größeren Anforderungen auch an die Knapp­ schaftsvereine herantrat und dieselben zwang, sich noch haus­ hälterischer als seither einzurichten und der gesteigerten Anregung zur Simulation von Krankheiten entgegenzutreten (vgl. auch erste Auflage S. 465/6). Die Novelle von 1906 hat die grundsätzliche Regelung des § 172 beibehalten, jedoch noch als weiteres Erfordernis die Zu­ stimmung der Generalversammlung verlangt, da es sich um eine Änderung der Organisation des Vereins handelt, Begr. 06 S. 7. 3. Nur diejenigen Werksbesitzer und Ältesten, für welche die Abtrennung erfolgen soll, sind berechtigt, an der Beschlußfassung teilzunehmen, Begr. 06 S. 7. 4. Die Errichtung einer einzigen besonderen Krankenkasse für alle einem Knappschaftsvereine angehörigen Werke ist durch die Fassung des Abs. 1 nicht ausgeschlossen, Äegr. 06 S. 7. Andererseits kann auch die Errichtung derartiger Kaffen auf einen Teil der Vereinswerke beschränkt werden. Dieser, auch schon früher in der Praxis geltende Satz (s. KB. AH. 65 S. 93/4) hat jetzt als Satz 2 des Abs. 1 Aufnahme in das Gesetz gefunden. 5. Die Vorschriften des Abs. V der Einf.-Berordn. für das vormalige Herzogtum Nassau betr. die Einrichtung besonderer Krankenkassen sind durch § 168 a, jetzt § 5 aufgehoben, da die Novelle von 1906 gemäß Art. II derselben (s. Anhang) auch für dieses Gebiet Geltung hat. 6. § 5 Abs. 2 macht im Gegensatz zum KVG. §§ 16, 60 (vgl. jetzt 88 240, 245, 255 RVO.) die Zulässigkeit besonderer Krankenkassen nicht lediglich von einer Mindestmitgliederzahl ab­ hängig, da diese nicht das allein maßgebende Moment für die Leistungsfähigkeit ist, sondern begnügt sich daniit, den für die Zu­ lassung maßgebenden Grundsatz festzulegen, Begr. 06 S. 7 ff.

§§ 5. 6]

Knappschaftsgesetz.

657

7. Dem Knappschaftsvorstande steht nach Abs. 3, wie auch schon früher, das Aufsichtsrecht über solche besonderen Kaffen zu, eine besondere Beschwerdeinstanz für sie bildet er aber nicht mehr, Begr. 06 S. 8, vgl. a. §§ 70 und 64. § 6.

Für jeden neu gegründeten Anappschaftsverein haben die Werksbesitzer unter Mitwirkung eines von den künftigen beitritts­ pflichtigen Mitgliedern zu wählenden Ausschusses eine mit dem Gesetz in Übereinstimmung stehende Satzung aufzustellen. Die­ selbe unterliegt der Bestätigung des Gberbergamts, welche nur versagt werden darf, wenn die Satzung den gesetzlichen Vor­ schriften zuwiderläuft oder Bestimmungen enthält, welche mit dem gesetzlichen Zwecke des Anappschaftsvereins nicht im Zu­ sammenhänge stehen. Mit dem Antrag auf Erteilung der Bestätigung sind die Unterlagen einzureichen, welche zur Beurteilung der dauernden Erfüllbarkeit der Leistungen der Pensionskasse (§ HO Abs. 2) notwendig sind. Vor der Entscheidung über die Bestätigung hat das Gberbergamt eine sachverständige Prüfung der Unterlagen herbeizuführen. War mit den Unterlagen ein versicherungs­ technisches Gutachten nicht eingereicht, so können die Kosten der Anfertigung eines solchen Gutachtens dem Anappschaftsverein auferlegt werden. Wird die Bestätigung vom Gberbergamts versagt, so erfolgt die Entscheidung durch Beschluß. Gegen diesen Beschluß findet, insoweit die dauernde Erfüllbarkeit der Leistungen der Pensions­ kasse in Frage steht, binnen einer Frist von einem Monate vom Tage der Zustellung an den Vorstand ab die Beschwerde an das Gberschiedsgericht statt (§ 83). Im übrigen bewendet es bei den Vorschriften in §§ bis fyH des Allgemeinen Berg­ gesetzes. Wo ein ständiger Arbeiterausschuß besteht, wählt dieser die Vertreter der Arbeiter zu dem im Abs. \ bezeichneten Ausschüsse. Wird die Satzung nach vorgängiger Aufforderung nicht innerhalb sechs Monaten vorgelegt, so hat das Gberbergamt dieselbe rechtsverbindlich außuftellen. Für die Errichtung besonderer Krankenkassen (§ 5) finden die Bestimmungen in Abs. f, H und 5 ensprechende Anwendung. Erfolgt die Errichtung in einem schon bestehenden Knappschafts­ vereine, so werden die Mitglieder durch die gewählten Knapp­ schaftsältesten vertreten.

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Knappschaftsgesetz.

[§6

Die Anappschaftsvereine und besonderen Arankenkassen (§ 5) erlangen durch die Bestätigung ihrer Satzung die Rechtsfähigkeit. Mot. S. 98 (212), KB. AH. S. 91/2 (1249). Nov. 06: Mot. S. 8-10, KB. AH. S. 9-15, 114 ff., KB. HH. S. 5 ff. (668/9).

1. § 6 entspricht dem bisherigen § 169 ABG. 2. Die früher (§ 2 des Knappschaftsgesetzes vom 10. April 1854) der Regierung vorbehaltene Aufstellung der Satzung über­ trägt § 6 den Beteiligten und legt in die Hand der Bergbehörde nur die Wahrung der allgemeinen Interessen (Mot. 65 S. 98). Die Werksbesitzer haben sich bei Aufstellung der Satzung der Mit­ wirkung eines von ihren Arbeitern und — nunmehr auch — von ihren gemäß § 9 Abs. 2 und 3 beitrittspflichtigen Beamten zu wählenden Ausschußes zu bedienen, woraus jedoch nicht mitOppenhoff Nr. 952 zu folgern ist, daß sämtliche Mitglieder dieses Aus­ schusses ihr Einverständnis erklärt haben müßen, wenn die Satzung rechtsgültig sein soll. Über die Wahl des Ausschusses ist nichts vorgeschrieben, daher der Weg der Vereinbarung offen gelaßen- vgl. a. § 3 Anm. 3. Die vom OBA. bestätigte Satzung bildet weder einen Teil des Arbeitsvertrages, noch stellt sie überhaupt einen Akt privat­ rechtlicher Vereinbarung zwischen dem Knappschaftsvereine und seinen Mitgliedern dar. Sie ist vielmehr eine Norm des öffent­ lichen Rechts, welche kraft gesetzlicher Vorschrift bindend die Grund­ sätze über die Rechte und Pflichten des Vereins und seiner Mit­ glieder regelt. Urt. des OSchG. v. 24. Aug. 1908, Z. Bd. 49 S. 540, Urt. des RG. v. 6. April 1911, Z. Bd. 53 S. 111. Das gleiche gilt für die von der Aufsichtsbehörde z. B. gemäß Art. IV der Novelle von 1906 oder Art. 81 EG. z. RVO. erlassenen Zwangs­ satzungen. Die Gültigkeit der Satzung hängt nicht davon ab, daß sie den Mitgliedern ausgehändigt oder öffentlich bekannt gemacht worden ist. § 8 Abs. 2, der eine solche Aushändigung vorschreibt, ist lediglich eine Ordnungsvorschrift. Es ist Sache der Mitglieder sich über den Inhalt der Satzung zu unterrichen, dies gilt auch für fremdsprachige Mitglieder, die nicht etwa Verlesung in ihrer Sprache verlangen können- vergleiche zu Vorstehendem Reuß Anm. 24 zu § 6 und die dort 'angezogenen Entscheidungen des OSchG. Ansprüche auf Grund einer Satzung stellen wohlerworbene Rechte nur insoweit dar, als sie bereits fällig sind- im übrigen steht es- dem Verein frei, im Rahmen des Gesetzes die Voraus­ setzungen für die Vereinsleistungen ebenso wie diese selbst unbe­ schränkt festzusetzen, die festgesetzten abzuändern oder wieder auf­ zuheben. Dies gilt in gleicher Weise für die Beiträge und die Beitragspflicht- Urt. des OSchG. v. 19. Jan. 1909, Z. Bd. 50 S. 281. 3. Durch das dem Oberbergamte vorbehaltene Bestätigungs­ recht soll verhütet werden, daß die Satzung „den gesetzlichen Be-

§6]

Knappschaftsgesetz.

659

stimmungen", also namentlich auch denjenigen des Knappschafts­ gesetzes zuwiderläuft/ weiter geht das Recht, die Bestätigung zu versagen, nicht. Diesem Grundsätze widerspricht es jedoch nicht, ergibt sich vielmehr aus der Natur der Sache und den gesetzlichen Bestimmungen (vgl. z. B. die §§ 5, 37 und 40), daß diese Mit­ wirkung der Behörde versagt werden kann, wenn der neuzu­ gründende Knappschaftsverein keine ausreichende Unterlage für seine dauernde Lebens- und Leistungsfähigkeit bietet- Rek.-Besch. v. 5. März 1885, Z. Bd. 26 S. 404. 4. Bis zum Inkrafttreten der Novelle von 1906 verstieß nach Ansicht der Praxis die Bestimmung eines Knappschaftsstatuts, daß lediglich der Knappschaftsvorstand darüber zu entscheiden hatte, ob die tatsächlichen Voraussetzungen vorlagen, unter welchen einem Vereinsmitgliede statutenmäßige Unterstützung zusteht, nicht gegen die gesetzliche Vorschrift, daß Streitigkeiten über Sachen und Rechte des Privateigentums durch richterlichen Ausspruch entschieden werden müssen und daß die Erfüllung der Verträge nicht lediglich der Willkür der Verpflichteten anheimgegeben werden darf. Urt. des OTr. v. 9. April 1877, Z. Bd. 19, S. 121, Urt. des RG. v. 25. Sept. u. 20. Nov. 1880, 26. März 1881, Z. Bd. 22, S. 352, 357, Bd. 24 S. 366. Nach jetzt geltendem Rechte würde eine derartige Satzungs­ bestimmung mit Rücksicht auf § 70 Abs. 2 und 3 für unzulässig zu erachten sein, Reuß Anm. 6 zu 8 6. 5. Die auf Grund der Rekursbescheide vom 4. Mai 1872 und 8. Dez. 1880, Z. Bd. 13 S. 290, Bd. 22 S. 138, des Urt. des Kompetenzger. vom 10. Juni 1876 und des OTr. v. 9. Febr. 1877, Z. Bd. 18 S. 117, Bd. 20 S. 34 in der früheren Auflage (Anm. 5 zu 8 169) vertretene Auffassung, daß die Recht­ mäßigkeit eines vom Oberbergamte bestätigten Statuts wohl im Rechtswege, nicht aber im Verwaltungswege angefochten werden könne, kann im Anschluß an die Ausführungen von Arndt 2. Aufl. S. 171 und des Rek.-Besch. v. 21. Jan. 1894, Z. Bd. 35 S. 404 nicht mehr aufrechterhalten werden, denn eine den ge­ setzlichen Vorschriften zuwiderlaufende Bestimmung einer Satzung kann nicht durch die Bestätigung des Oberbergamts zu einer rechts­ gültigen, bei der Aufsichtsbehörde nicht mehr anfechtbaren werden, vgl. auch Urt. des OVG. v. 25. Sept. 1905, Z. Bd. 47 S. 270, Thielmann Anm. 5, Arndt Anm. 1 zu 8 169 ABG., Reuß Anm. 8 zu 8 6. 6. Bei Änderungen einer Satzung, welche das OBA. auf Grund des Artikels IV der Novelle von 1906 (s. Anhang) vor­ genommen hat, steht dem Richter das Recht der Nachprüfung zu, ob die fragliche Änderung nach der Novelle erforderlich gewesen ist- dies ist zu bejahen, wenn die Beibehaltung der früheren Satzungsbestimmung mit der Durchführung der Novelle unver­ träglich gewesen wäre und die vom OBA. getroffene Neuordnung an sich geeignet ist, die Satzung mit der Novelle in Ueberein-

660

Knappschaftsgesetz.

[§ 6

stimmung zu bringen - Urt. des OSchG. v. 18. März 1909, Z. Bd. 50 S. 402 ff. 7. Während die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen un­ schwer zu beurteilen ist, erfordert diese Feststellung bei den Pensionskassen der Natur des Versicherungszweiges gemäß unter allen Umständen eine Klarstellung der Unterlagen und eine sachver­ ständige Prüfung, die das Oberbergamt vor der Bestätigung ge­ mäß Absatz 2 Satz 2 herbeizuführen daher verpflichtet ist, Begr. 06 S. 9. Die hierfür erforderlichen Unterlagen, insbesondere über die Höhe der Beiträge und sonstigen Einnahmen, Zahl und Lebens­ alter, Ab- und Zugang der aktiven Mitglieder und Unterstützungs­ empfänger, größere oder geringere Bedeutung und Ausdehnung der Vereinswerke, sind daher gemäß Absatz 2 mit dem Anträge auf Bestätigung einzureichen. Außer diesen statistischen Angaben ist ein die Bedeutung der maßgebenden Umstände würdigendes versicherungstechnisches Gutachten beizufügen- KB. HH. 06 S. 5. Die sachverständige Prüfung für die Bezirke sämtlicher Ober­ bergämter erfolgt durch die „Versicherungstechnische Prüfungsstelle im Ministerium für Handel und Gewerbe", welcher die oben­ genannten Unterlagen gemäß dem Min.-Erl. v. 17. Jan. 1907, Z. Bd. 48 S. 176 alsbald nach Eingang zu übersenden sind. 8. Da die Möglichkeit vorlag, daß ein Knappschaftsverein das zu den einzureichenden Unterlagen gehörende versicherungs­ technische Gutachten nicht rechtzeitig würde beschaffen können, ist durch einen Beschluß der Komm, des AH. von 1906 der letzte Satz des Absatzes 2 hinzugefügt worden, welcher in einem solchen Falle die Anfertigung des Gutachtens auf Kosten des Vereins zuläßt,- KB. AH. S. 104, 114, KB. HH. S. 5. Durch Min.-Erl. v. 7. März 1907 ist es versuchsweise für statthaft erklärt worden, Vereine mit weniger als 1000 Mit­ glieder von der Einreichung eines solchen Gutachtens zu entbinden. Die Prüfung erfolgt alsdann auf Grund der der Prüfungsstelle einzusendenden sonstigen Unterlagen. Reuß Anm. 11 u. 12. 9. Um in der für die Knappschaftsvereine wichtigsten Frage eine unabhängige Entscheidung zu sichern, ist gemäß einem Be­ schlusse der Komm, des AH. in Abweichung von der Regierungs­ vorlage, die ganz allgemein nur den Rekurs für zulässig erklärte, in Absatz 3 die Entscheidung über die Beschwerde gegen einen Beschluß des OBA., durch welchen die Bestätigung wegen mangelnder Sicherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit einer Pensionskasie versagt ist, dem OSchG. überwiesen worden- KB. AH. 06 S. 114ff. Über die Zusammensetzung desselben in diesem Falle vgl. § 83 Abs. 2 Nr. 3 b, über das von ihm zu beobachtende Verfahren die §§ 6 ff. der Verordnung, über das Verfahren vor dem OSchG. (im Anhang). In allen anderen Fällen der Bestätigungsversagung finkt der Rekurs statt.

§6]

Knappschaftsgesetz.

661

10. Die Arbeitermitglieder zu dem nach Abs. 1 zu be­ stellenden Ausschüsse wählt gemäß Abs. 4 der Arbeiterausschuß, wo ein solcher vorhanden ist; die Beamten dagegen wählen die Mitglieder aus ihrer Mitte stets unmittelbar; Begr. 06 S. 9, KB. AH. S. 10. 11. Eine Satzung, welche das OBA. von Amts wegen auf­ gestellt hat, weil die Beteiligten der Aufforderung zur Vorlegung der Satzung innerhalb der in Abs. 5 bestimmten Frist nicht nach­ gekommen sind, kann nur insofern angefochten werden, als die­ selbe „den gesetzlichen Bestimmungen" zuwiderläuft; vgl. Besch, des OBA. München v. 6. Juni 1874, Z. Bd. 16 S. 264, Reuß Anm. 19 zu § 6. 12. Zu Abs. 6: Erfolgt die Errichtung besonderer Krankenkassen in einem schon bestehenden Knappschaftsvereine, so ist in den von den Mitgliedern gewählten Knappschaftsältesten eine Ver­ tretung der Mitglieder zur Mitwirkung bei der Aufstellung der Satzung bereits vorhanden. Der im Abs. 1 vorgesehenen Wahl eines Ausschusses bedarf es daher in diesem Falle nicht; Begr. 06 S. 9. 13. Als letzter Absatz ist die Bestimmung des ursprünglichen § 165 Abs. 3, welcher wiederum den § 10 des Knappschaftsgesetzes von 1854 wiederholte, hierher übernommen worden und zwar im Anschluß an die für das frühere Herzogtum Nassau bereits auf Grund des Art. V der Einf.-Verordnung bestehende Regelung unter Einbeziehung der besonderen Krankenkassen; Begr. 06 S. 9. Die Knappschaftsvereine sind also juristische Personen und zwar solche öffentlichen Rechts, denn sie sind öffentlich-rechtliche Zwangsgenossenschaften dazu bestimmt, die Bergarbeiter gegen die Gefahren zu versichern, denen sie infolge ihres Berufs ausgesetzt sind. Die Anwendbarkeit der Vorschriften des BGB. über die juristischen Personen richtet sich somit nach § 89 BGB., d. h. mit Ausnahme des § 31 unterliegen sie nicht den Bestimmungen der 88 21—88 BGB., sondern denen des Landesrechts und zwar im Gebiete des ALR. den als öffentlich-rechtliche Vorschriften aufrecht­ erhaltenen 88 25-202 T. II Tit. 6 ALR (Art. 89 Nr. 1 c pr. AG. z. BGB). Dementsprechend bedürfen auf Grund des § 83 T. II Tit. 6 ALR. in bessern Geltungsgebiete im Gegensatze zu dem Gebiete des gemeinen und rheinischen Rechts Knappschaftsvereine zur Ver­ äußerung und Verpfändung von unbeweglichen Sachen der Ge­ nehmigung des OBA. als ihrer vorgesetzten Behörde, ebenso zum Erwerbe von Grundstücken, dies jedoch nur falls deren Wert 5000 M. übersteigt (Art. 86 EG., Art. 7 8 I Pr. AG. z. BGB.). Vgl. zu Vorstehendem die Verf. des OBA. Breslau v. 5. Nov. 1883, Z. Bd. 25 S. 410 ff., Beschl. des KG. v. 28. März 1904 und 17. Mai 1906. Z. Bd. 45 S. 486, Bd. 47 S. 556 ff., die Urt. des RG. v. 16. Jan. 1897 und 1. Okt. 1910, Z. Bd. 38 S. 240, Bd. 52 S. 133; Oppenhoff Nr. 983, Fürst in Z. Bd. 24 S.336, Thielmann Anm. 16 zu 8 169 ABG., Reuß

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Knappschaftsgesetz.

[§§ 6. 7

Anm. 23 zu § 6, Anm. 9 zu 8 55, Schlüter-Hense Anm. 3 zu § 6, a. A. Brassert, Z. Bd. 24 S. 344, sowie in der früheren Auflage Anm. 2 zu 8 181, Huyssen S. 98, Arndt 2. Aufl. S. 175 (siehe jedoch jetzt Anm. 2 zu 8 169); vgl. auch Beschl. des OBA. Clausthal v. 6. Nov. 1882, Z. Bd. 24 ©. 538 für das gemeine Recht; Lin big in Z. Bd. 8 S. 137. Über die Stellung der Knappschaftsvereine im Konkurse vgl. 8 43 Anm. 4. 13. Bezüglich der Krankenhäuser und Heilanstalten war bei der Beratung der Novelle von 1906 in der Komm, des AH. der Antrag gestellt, denselben die Eigenschaft als öffentliche Krankenhäuser zu gewähren, um ihnen Stempel- und Gerichts­ kostenfreiheit zu verschaffen. Der Antrag wurde aber abgelehnt, da ihn die Regierung aus grundsätzlichen Ewägungen als unan­ nehmbar bezeichnete; KB. AH. 06 S. 10—14. Die Krankenhäuser sind also nicht öffentliche Krankenanstalten — und somit nicht von den betreffenden Abgaben befreit — nach 8 5 Abs. 1 des StStG., § 8 Abs. 1 Ziff. 2 GKG., vgl. auch Beschl. des KG. v. 4. Juli 1904, Z. Bd. 46 S. 280. Dagegen sind sie öffentliche Anstalten im Sinne des 8 20 des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes vom 6. Februar 1875; ihre Vorstände, bzw. von der zuständigen Behörde er­ mächtigten Beamten haben daher die in den 88 17 bis 20, 22 bis 24, 51 bis 58 dieses Gesetzes bei Geburten und Sterbefällen vorgesehene Anzeigepflicht; Urt. des OLG. Breslau v. 20. Nov. 1900, Z. Bd. 42 S. 361, öffentliche Krankenhäuser im Sinne des 8 24 Abs. 1 h Kommunalabgabenges. vom 14. Juli 1893 und daher von der Gemeindegrund- und Gebäudesteuer befreit, jedoch nur bezüglich der unmittelbar für die Zwecke der Krankenanstalt verwendeten Gebäudeteile; Urt. des OVG. v. 15. Mai 1903 und 28. Nov. 1905, Z. Bd. 46 S. 275, Bd. 47 S. 275.

§ 7. Zu allen Abänderungen von Satzungen der Anappschaftsvereine und besonderen Krankenkassen (8 5) ist erforderlich, daß die Änderungen von der Generalversammlung nach den näheren Bestimmungen der Satzung beschlossen werden und sodann die Bestätigung des Gberbergamts nach Maßgabe des 8 6 erlangen. Mot. S. 98 (212), KB. AH. S. 91/2 (1249). Nov. 06: Mot. S. 10, KB. HH. S. 5 ff. (668/9).

1. 8 7 entspricht dem bisherigen 8 170 ABG. 2. Das Knappschaftsgesetz vom 10. April 1854 enthielt keine Vorschriften über die Abänderung von Knappschaftssatzungen; nach den meisten älteren Satzungen konnten Abänderungen auch ohne und selbst gegen den Antrag der Beteiligten von der Auf-

Knappschaftsgesetz.

663

sichtsbehörde vorgenommen werden. Da dieses Verfahren von den für Korporationen maßgebenden allgemeinen Grundsätzen abwich, so ist dasselbe schon durch den § 170 in der ursprüng­ lichen Fassung (jetzt § 7) beseitigt worden/ Mot. 65 S. 98. 3. Während § 170 in der ursprünglichen Fassung die Be­ schlußfassung über Satzungsänderungen „den Beteiligten nach den hierüber in das Statut aufzunehmenden Bedingungen" überließ, hat sie die Novelle von 1906 der Generalversammlung als dem für die Angelegenheiten der Knappschaftsvereine in erster Linie maßgebenden Organe überwiesen. Formelle oder materielle Mängel eines derartigen Generalversammlungsbeschlusses werden auch nicht etwa durch die Bestätigung der Satzungsänderung durch das OBA. geheilt, Thielmann Anm. 2, Arndt Anm. 1 zu § 170 ABG., Reuß Anm. 5 zu § 7; vgl. a. Anm. 5 zu 8 6. Aus die Bestätigung sind § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3, sowie die Anmerkung dazu entsprechend anwendbar. 4. Gegenstand der Satzungsänderung ist auch die Ver­ schmelzung bestehender Knappschaftsvereine. Dieselbe kann als Erweiterung der beiderseitigen Vereinsbezirke rechtsgültig auf dem Wege der Satzungsänderung vollzogen werden,' der vorgängigen Auflösung der zu verschmelzenden Vereine oder eines einstimmigen Beschlusses der Beteiligten bedarf es nicht,' Min.-Besch, v. 7. Aug. 1872, Z. Bd. 15 S. 408, Rek.-Besch. v. 8. Dez. 1880, Z. Bd. 22 S. 138. Im übrigen gehört zur Rechtsbeständigkeit einer solchen Vereinigung, daß jeder der beteiligten Knappschaftsvereine einen gültigen Generalversammlungsbeschluß hierüber und über die neue Satzung gefaßt hat und daß auf diese Weise eine Willenseinigung, ein Vertrag zwischen den Vereinen zustande gekommen ist. Der Mangel eines solchen Vertrages kann auch von den Mitgliedern desjenigen Vereins gerügt werden, welcher seinerseits in rechts­ gültiger Weise die Zustimmung zu dem neuen Gesellschaftsvertrage erteilt hat/ Urt. des OTr. v. 9. Febr. 1877, Z. Bd. 20 S. 94. Über die Verschmelzung auf Anordnung der Aufsichtsbehörde vgl. § 46. 5. Die früher streitige Frage, inwieweit satzungsmäßig fest­ gesetzte Leistungen durch Satzungsänderungen herabgesetzt werden dürfen (vgl. dazu die frühere Auflage Änm. 4 zü § 170), ist durch die Novelle von 1906 in den §§ 171 b Abs. 3 und 175 ä Abs. 1 (jetzt Z8 14 Abs. 1 und § 41 Abs. 1) entschieden worden. Diese Regelung ist eine erschöpfende und es ist nicht etwa 8 35 BGB., nach welchem Sonderrechte eines Vereinsmitgliedes ohne dessen Zustimmung nicht beeinträchtigt werden dürfen, anwendbar. Wohlerworbene, Satzungsänderungen nicht unterworfene Rechte sind daher nur insoweit vorhanden, als die Ansprüche bei Vor­ nahme der Satzungsänderung bereits fällig waren/ Urt. des OSchG. v. 19. Jan. 1909, Z. Bd. 50 S. 281, vgl. a. § 6 Anm. 2, Reuß Anm. 7 zu 8 7.

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KnapPschaftSzesctz.

§ 8.

Die Satzungen der Anappschaftsvereine und besonderen Arankenkassen (§ 5) müssen Bestimmung treffen: (. über Namen, Sitz und Bezirk des Vereins; 2. über die Alaffen der dem Beitrittszwang unterliegenden und über die zum Beitritte berechtigten Personen; 3. über die zur An- und Abmeldung derselben bestimmten Stellen und über den Zeitpunkt der An- und Abmeldung; über die Bemessung, dm (Ort und die Zeit der Ein­ zahlung etwa vorzuschreibender Eintrittsgelder sowie der Beiträge; 5. über Art und Umfang der einzelnen Unterstützungen; 6. über die Bildung und Zusammenberufung des Vorstandes, die Art seiner Beschlußfassung und die Entschädigung, welche den Vorstandsmitgliedern und Anappschaftsältesten für die ihnen infolge ihrer Teilnahme an den General­ versammlungen sowie an den Sitzungen des Vorstandes und der Ausschüsse erwachsenen Reise- und Zehrungs­ kosten, sowie den Anappschaftsälstesten und den von diesen gewählten Vorstandsmitgliedern außerdem noch für den aus gleichem Anlaß entgangenen Arbeitsverdienst zu ge­ währen ist; 7. über die Zusammensetzung und Berufung der General­ versammlung, über die Art ihrer Beschlußfassung und den Umfang ihrer Befugnisse, soweit nicht § 60 maß­ gebend ist; 8. über die Verwaltung des Vereins, soweit nicht die §§ 55 bis 59 und 63 maßgebend sind; 9- über die Aufstellung und Prüfung der Iahresrechnung; (0. über die Art rechtsverbindlicher Veröffentlichungen in Angelegenheiten des Vereins; H. über die Abänderung der Satzung. Jedes Mitglied des Anappschaftsvereins und der besonderen Arankenkasse (§ 5) erhält ein Exemplar der Satzung und etwaiger Abänderungen. Rov. 06: Mot. S. 10, KB. AH. S. 15-18, KB. HH. S. 5 ff. (668/9).

1. § 8 entspricht dem bisherigen § 170a ABG. 2. Diese Vorschrift ist im Anschluß an § 23 KVG. (vgl. § 23 RVO.) von der Novelle von 1906 ausgenommen worden, die Satzungen vieler, vor allem kleinerer Vereine dahingehende stimmungen vermissen ließen, deren Aufnahme im Interesse

jetzt weil Be­ des

§§ 8. 9]

Knappschaftsgesetz.

665

Verständnisses und der Übersichtlichkeit, wie der Handhabung des Aufsichtsrechts wünschenswert erschien. Begr. 06 S. 10. 3. Zu Nr. 1: Der „Bezirk" eines Vereins kann, wie auch früher, sowohl geographisch, als auch nach Arten von Werken abgegrenzt sein, und zwar sind unter Verein hier sowohl die Knappschafts­ vereine als auch die besonderen Krankenkassen zu verstehen. Begr. 06 S. 10. 4. Zu Nr. 4: Das Wort „Bemessung" ist gewählt, weil es nicht unbedingt erforderlich erschien, die Höhe der Beiträge in der Satzung so festzulegen, daß jede Änderung der Beiträge nur im Wege der Satzungsänderung erfolgen kann. Begr. 06 S. 10. Eintrittsgelder für noch nicht in Betrieb gesetzte Werke in der Satzung fcstzustellen, ist unzulässig, da die Zugehörigkeit zu dem Knappschaftsvereine erst mit der Inbetriebsetzung beginnt, Thielmann Anm. 5 zu 8 170a; vgl. für das frühere Recht Urt. des RG. v. 26. Okt. 1892, Z. Bd. 34 S. 397, Entsch. Bd. 30 S. 208; Oppenhoff Nr. 946, Brassert Nachtr. zur ersten Auflage S. 189. 5. Zu Nr. 6: Die hier genannte Entschädigung muß den betreffenden Knappschaftsältesten und Vorstandsmitgliedern ge­ währt werden. Ein Antrag, die Bestimmung darüber der Gene­ ralversammlung vorzubehalten, wurde abgclehnt, wohl aber hat diese über die Höhe der zu gewährenden Entschädigung zu befinden, falls die Satzung diese nicht im einzelnen, sondern mir die Grund­ sätze ihrer Bemessung festsetzt. KB. AH. 06 S. 10,17. Die vielfach gewährte Entschädigung für die Mühewaltung im allgemeinen, Papier, Schreibhilfe usw., fällt nicht unter die Vorschrift der Nr. 6, ein Zwang, sie zu gewähren, besteht somit nicht. KB. AH. 06 S. 17. 6. Abs. 2 schreibt der bisher schon geübten Praxis ent­ sprechend die Behändigung eines Exemplars der Satzung und jeder Satzungsänderung an jedes Mitglied vor. Die Geltung der Satzung ist jedoch davon nicht abhängig. Vgl. auch § 6 Anm. 2, sowie Anm. 2 zu § 80 a ABG. bez. der Arbeitsordnung. § 9.

Die Arbeiter, welche im Betriebe der in dem Bezirk eines bereits bestehenden oder neu gegründeten Anappschaftsvereins belegenen Bergwerke, Aufbereitungsanstalten, Salinen und zu­ gehörigen Betriebsanstalten sowie der zu dem Anappschaftsvereine gehörigen Hüttenwerke und sonstigen Gewerbsanlagen beschäftigt werden, sind mit Ausnahme der unständig Beschäf­ tigten Mitglieder der Arankenkasse des Anappschaftsvereins oder der errichteten besonderen Arankenkasse (§ 5). (Einer Beitritts­ erklärung bedarf es nicht. Unständig ist die Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache

Knappschaftsgesetz.

666

(§9

beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch den Arbeits­ vertrag beschränkt ist. Mitglieder der Krankenkassen sind auch die ausschließlich oder vorwiegend für den technischen, wirtschaftlichen oder kauf­ männischen Betrieb eines oder mehrerer der im Abs. ( bezeich­ neten Werke beschäftigten Beamten (Werksbeamten), sowie die Verwaltungsbeamten der Anappschaftsvereine und besonderen Arankenkassen (§ 5). Voraussetzung der Mitgliedschaft ist für die in Abs. ( und 2 Bezeichneten, daß sie gegen Entgelt (Abs. beschäftigt werden, für die im Abs. 2 Bezeichneten außerdem, daß nicht ihr regel­ mäßiger Zahresarbeitsverdienst zweitausendfünfhundert Mark an Entgelt übersteigt. Zum Entgelt gehören neben Gehalt oder Lohn auch Ge­ winnanteile, Sach- und andere Bezüge, die das Mitglied, wenn auch nur gewohnheitsmäßig, statt des Gehalts oder Lohnes oder neben ihm von dem Arbeitgeber oder einem Dritten erhält. Der Wert der Sachbezüge wird nach den durch das Versicherungs­ amt gemäß § 160 Abs. 2 der Reichsverficherungsordnung vom 19- Juli 19 U (Reichs-Gesetzbl. S. 509) festgesetzten Mrtspreisen berechnet. Zum Beitritte berechtigt sind auch die übrigen Werksbeamten und Verwaltungsbeamten der Anappschaftsvereine und besonderen Arankenkassen (§ 5). 3« Staatsbetrieben mit Pensionsberechtigung angestellte Beamte unterliegen den Vorschriften in Abs. 2 bis 5 nicht. Sie sind indessen zum Beitritte berechtigt, wenn die vorgesetzte Dienst­ behörde zustimmt. Die Beitrittsberechtigung erlischt in allen Fällen, wenn das regelmäßige jährliche Gesamteinkommen viertausend Mark über­ steigt.

Mot. (§ 168): S. 98 (211/2), KB. AH. S. 91 (1249). Nov. 06: Mot. S. 10/1. Nov. 12: Mot. S. 22/3 (106), KB. AH. S. 1-3, 24-26, Sten. B. HH. S. 71/2.

1. § 9 entspricht dem bisherigen § 171 ABG. (§ 168 der ursprünglichen Fassung) hat aber durch die Novelle von 1912 mehr­ fache bedeutsame Abänderungen erfahren, siehe darüber Gott­ schalk a. a. O. S. 1164. 2. Die §§ 9 bis 26, welche an Stelle der bisherigen §§ 171 u. 171e ABG. getreten sind, regeln nunmehr die Kranken­ versicherung der Knappschaftsmitglieder in Anschluß an die Vorschriften der RBO. In der Begründung zu dem Entwürfe der Novelle vom

Knappschaftsgesetz.

667

3. Juni 1912 ist eingehend dargelegt, weshalb und in welchem Umfange der Erlaß der RVO. Abänderungen des siebenten Titels des ABG. erforderlich machte. Dabei wird zunächst darauf hingewiesen, daß die gemäß Art. 1 EG. z. RVO. mit deren Verkündung in Kraft tretenden Maßnahmen zur Durchführung der RVO. auf das ABG. keine Anwendung finden, da gemäß § Ö02 RVO. (s. Anhang) die landesgesetzlichen Vorschriften über die Knappschaftsvereine und Knappschaftskassen unberührt bleiben, soweit die RVO. nichts anderes vorschreibt, Vorschriften über die Neuorbanisation dieser knappschaftlichen Institutionen aber im Gegensatz zu den der RVO. unterstehenden allgemeinen Kranken­ kassen in diesem Gesetze nicht enthalten sind. Dagegen finden sich in dem zweiten, die Krankenversicherung behandelnden Buche der RVO. sowohl in dem neunten, sich mit den knappschaftlichen Krankenkassen im besonderen beschäftigendenAbschnitte (§§ 495 bis 502, (s. Anhang), als auch vielfach an anderen Stellen Vorschriften, durch welche die Bestimmungen des 7. Titels des ABG. über die Krankenversicherung der Knappschaftsmitglieder wesentlich abge­ ändert werden. Diesen neuen Bestimmungen mußte der siebente Titel angepaßt werden. Jedoch hat man sich darauf beschränkt, lediglich solche Änderungen vorzunehmen, welche sich aus den Vorschriften der RVO. über die Krankenversicherung zwingend ergeben, und nicht etwa auch die Vorschriften, die den nicht auf die Knappschaftsvereine anwendbaren Bestimmungen des bisherigen KVG. nachgebildet waren, mit den dementsprechenden neuen Nornien der RVO. in Übereinstimmung gebracht- hierzu bestand kein Bedürfnis, da sich diese Regelung bisher in der Praxis durch­ aus bewährt hatte. Noch viel weniger lag ein Anlaß vor, die Be­ stimmungen des ABG. über die Invaliden- und Hinterbliebenen­ versicherung der neuen Regelung in der RVO. entsprechend abzu­ ändern. Jedoch hat man in dieser Hinsicht eine zweifache Aus­ nahme gemacht, nämlich einmal in Beziehung auf die Geschäfts­ fähigkeit der Minderjährigen über 16'Jahre (8 57 Abs. 3) und ferner bezüglich der Rechtsmittel (§§ 70 ff.). In formeller Beziehung hat man zahlreiche Vorschriften der RVO. wörtlich in den 7. Titel ausgenommen, obgleich sich deren Anwendbarkeit schon ohne weiteres aus der Eigenschaft der RVO. als eines den Landesgesetzen vorgehenden Reichsgesetzes ergab. Dies geschah einmal, weil die Einfügung zum Verständmsse des 7. Titels unumgänglich notwendig erschien und ferner, weil es sich hauptsächlich um Vorschriften über Mitgliedschaft, Rechte und Pflichten von Knappschaftsmitgliedern handelte, welche für diese naturgemäß ein ganz besonderes Interesse haben und welche sie daher in dem Sondergesetz und nicht in dem ihnen fernliegenden, umfangreichen Reichsgesetze finden müssen, Begr. 12 S. 22/3. Die neuen Vorschriften des 7. Titels, jetzt des „Knappschafts­ gesetzes" (f. Vorbemerkung) treten gemäß Art. IV der Novelle grundsätzlich — die Ausnahmen s. dort im Anhang — zu dem

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Knappschaftsgesetz.

Zeitpunkte in Kraft, welcher für das Inkrafttreten der Vorschriften der RVO- über die Krankenversicherung nach Art. 4 EG. z. RVO. durch Kaiserliche Verordnung festgesetzt wird- als solcher ist der 1. Januar 1914 in Aussicht genommen. 3. Außer den in das Knappschaftsgesetz aufgenommenen Vor­ schriften der RVO. enthält letztere noch eine Reihe von Bestimmnngen, welche für die Knappschaftsvereine und ihre Mit­ glieder von Bedeutung sind, vgl. hierüber Reuß S. 87 ff., sowie Anhang. Über den Inhalt der sechs Bücher der RVO. sei hier kurz folgendes bemerkt: Erstes Buch. Es behandelt Umfang und Träger der Reichsversicherung, sowie die Versicherungsbehörden. Letzteren können in erster und zweiter Instanz durch die Landesregierung auch weitere Aufgaben aus der knappschaftlichen Versicherung übertragen werden, vgl. §§ 37 Abs. 3, 60, bezüglich der Versicherungsämter, § 61 bezüglich der Oberversicherungsämter. Die öffentlichen Behörden der Reichsversicherung bilden gemäß § 35 folgende drei Instanzen: die Versicherungsämter, die Oberversicherungsämter, das Reichsversicherungsamt und die Landesversicherungs­ ämter. Andererseits kann die oberste Verwaltungsbehörde unter gewissen Voraussetzungen Aufgaben des Versicherungsamtes Organen von Knappschaftsvereinen oder Knappschaftskassen übertragen (§ 112), als auch für Gruppen von Betrieben, die Knappschafts­ vereinen oder Knappschaftskassen angehören, besondere Oberver­ sicherungsämter errichten (§ 63 Nr. 3); vgl. hierüber die Min.Bekanntmachungen in Z. Bd. 53 S. 462 ff. sowie die Anm. zu § 80.

Zweites Buch. Krankenversicherung. Außer den in das Knappschaftsgesetz aufgenommenen Vor­ schriften dieses Buches konimen hauptsächlich in Betracht: Die Bestimmungen über die Regel- und Mehrleistungenvgl. hierzu § 13 Anm. 2 ff. Drittes Buch. Unfallversicherung. Der erste Teil handelt von der Gewerbe-Unfallversicherung, welcher u. a. auf Grund des § 537 Nr. 1: Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Steinbrüche, Gräbereien (Gruben), sowie andere Betriebe, wenn sie wesentliche Bestandteile oder Neben­ betriebe der genannten Betriebe sind (§ 539), unterliegen.

§9]

Knappschaftsgesetz.

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Versichert sind gemäß § 544. 1. Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, 2. Betriebsbeamte, deren Jahresarbeitsverdienst nicht 5000 Mark an Entgelt übersteigt, wenn sie in diesen Betrieben beschäftigt sind. Gegenstand der Versicherung ist der Ersatz des Schadens, der durch Körperverletzung und Tod entsteht, sofern der Unfall nicht von dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen vorsätzlich herbeigeführt ist, §§ 555, 556. Teilweise oder gänzliche Ent­ ziehung kann ferner nach Maßgabe des § 557 eintreten. Bezüglich der von den Berufsgcnossenschaften zu gewährenden Krankenkassenleistungen—wegen der Pensionskassenleistungen vgl. Anm. 2 zu § 30 —sei folgendes erwähnt: Über Art und Höhe der zu gewährenden Leistungen vgl. §§ 558 ff. Hervorzuheben ist § 573, nach welchem dem Verletzten, wenn er auf Grund des RBO. oder bei einer knappschaftlichen Krankenkasse gegen Krankheit versichert ist, ihm mindestens die Regelleistungen der Krankenkassen nach § 179 RVO. an Kranken­ hilfe zu gewähren sind; dabei beträgt jedoch das Krankengeld vom Beginne der fünftenWoche nach dem Unfälle bis zumAblaufe der drei­ zehnten mindestens zwei Drittel des maßgebenden Grundlohns. Leistungen der Krankenkasse über die gesetzliche oder satzungsmäßige Pflicht hinaus hat, wenn dem Verletzten über die dreizehnte Woche hinaus eine Entschädigung zu gewähren ist, die Berufsgenossenschaft, anderenfalls der Unternehmer zu tragen (§ 576). Ist ein Ver­ letzter nicht gegen Krankheit versichert, so hat ihm grundsätzlich der Unternehmer für die ersten dreizehn Wochen Krankenhilfe zu gewähren (§ 577). Vom Beginne der vierzehnten Woche an ist Krankenbehandlung nach Maßgabe des § 558, sowie eine Rente für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 559 ff. zu gewähren. Im Falle der Tötung ist ein Sterbegeld zu zahlen (§ 586 Abs. 1 Nr. 1). An Stelle von Krankenhausbehandlung und Rente kann die Genossenschaft auch Pflege in einer Heilanstalt unter Zahlung einer Angehörigenrente gewähren oder auch mit Einwilligung des Verletzten sog. Hauspflege (§§ 598, 599). Sie ist ferner berechtigt, schon während der ersten 13 Wochen das Heilverfahren zu über­ nehmen oder die Erfüllung ihrer Pflichten der Krankenkasse zu übertragen (§§ 1513 ff. RVO.). Träger der Unfallversicherung für die im Bergbau beschäftigten Personen ist die Knappschafts-Berufsgenossenschaft in Berlin, die in 8 Sektionen geteilt ist. Ihre neue Satzung (§§ 675 ff. RVO.) ist unter dem 31. Dez. 1912 von dem Reichsversicherungs­ amt genehmigt worden. Es wird nun häufig der Fall eintreten, daß aus demselben Grunde, insbesondere wenn die Erkrankung mit dem Betriebs­ unfälle in Zusammenhang steht, Ansprüche der Verletzten oder

670

Knappschaftsgesetz.

[§9

ihrer Hinterbliebenen sowohl gegen die Berufsgenossenschaft wegen Unfall, als auch gegen den Knappschaftsverein wegen Krankheit entstehen und zwar liegt ein solcher Zusammenhang nicht nur dann vor, wenn die durch einen Betriebsunfall eingetretene Ver­ letzung die alleinige oder überwiegende Ursache der Erkrankung oder Arbeitsunfähigkeit eines Mitgliedes ist, sondern schon dann, wenn die Verletzung als eine von mehreren zusammenwirkenden Ursachen erheblich ins Gewicht fällt- Urt. des OVG. v. 28. Febr. 1910, Z. Bd. 52 S. 543. Obwohl es nun ein allgemeiner Grundsatz der sozialen Versicherungsgesetze ist, daß aus demselben Anlaß an einen Versicherten nicht Leistungen mehrerer Versiche­ rungsträger erfolgen sollen, so gilt dieser Grundsatz doch, da er nicht lückenlos zur Durchführung gelangt ist, nur da, wo er im Gesetze ausdrücklich ausgesprochen worden ist; Urt. des OSchG. v. 21. April 1910, Z. Bd. 52 S. 430. Derartige Vorschriften finden sich im fünften Buche der RVO-, welches von den Be­ ziehungen der Versicherungsträger zu einander und zu anderen Verpflichteten handelt; soweit also hier keine ausdrückliche Regelung getroffen worden ist, kann auch jetzt noch unter Umständen eine Doppelversicherung eintreten. Die Regelung der RVO. in den §§ 1501 ff. geht grundsätzlich dahin, daß, wenn ein Versicherungs­ träger die einem anderen Versicherungsträger oder Verpflichteten obliegende Leistung erfüllt, er die von dem anderen zu gewährende Leistung als Ersatz beanspruchen bzw. auf seine Leistung an­ rechnen kann, jedoch sind hierfür in den §§ 1528 ff. ganz bestimmte Grenzen gezogen.

Viertes Buch. Invaliden- und Hinterbliebenen-Versicherung. Für den Fall der Invalidität und des Alters sowie zu­ gunsten der Hinterbliebenen werden gemäß § 1226 RVO. vom vollendeten 16. Lebensjahre an versichert: 1. Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten. 2. Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, sämtlich, wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet usw. Voraussetzung der Versicherung ist, daß sie gegen Entgelt beschäftigt werden, für die unter Nr. 2 Bezeichneten außerdem, daß ihr regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst 2000 M. an Entgelt übersteigt. Gegenstand der Versicherung sind Invaliden- oder Alters­ renten, sowie Renten, Witwengeld und Waisenaussteuer für Hinterbliebene (§ 1250). Träger der Versicherung sind die Versicherungsanstalten (§§ 1326 ff.) und die zugelaffenen Sonderanstalten (§§ 1360 ff.), deren Leistungen gemäß § 1361 den gesetzlichen Leistungen der Versicherungsanstalt mindestens gleichwertig sein müssen. Als solche Sonderanstalten sind zugelaffen der Saarbrücker Knapp-

§9]

Knappschaftsgesetz.

671

schaftsverein, der Allgemeine Knappschaftsverein in Bochum, sowie die Norddeutsche Knappschaftspensionskaffe in Halle a. S. Da die diesen Anstalten zugewiesenen Aufgaben sich im wesent­ lichen mit denen der Pen sions kaffen decken, wird Näheres dort auszufiihren sein (vgl. § 30 Anmm. 2). Als auch auf die Krankenkaffen anwendbare Vorschriften (vgl. § 1521) sind hervorzuheben, daß die Versicherungsanstalt auf Grund des § 1269 zur Abwendung der infolge Erkrankung drohenden Invalidität berechtigt ist, ein Heilverfahren einzuleiten und zwar nach den Grundsätzen der von einer Krankenkasse zu ge­ währenden Leistungen. Besteht gleichzeitig eine Leistungspflicht der Krankenkasse, so hat sie der Versicherungsanstalt dementsprechend Ersatz zu leisten (§ 1518 Abs. 2), letztere kann aber auch das Heilverfahren der Krankenkaffe übertragen, muß aber für Kosten, welche die dieser obliegende Verpflichtung übersteigen, aufkommen (§ 1519). 4. Nach § 9 ist zu unterscheiden zwischen den kraft Gesetzes der Krankenkaffe der Knappschaftsvereine angehörigen Personen und den zumBeitritte zur Krankenkaffe berechtigten Personen. A) Die Voraussetzungen der Mitgliedschaft kraft Gesetzes sind gemäß Abs. 1—4 folgende: a) entweder Beschäftigung im Betriebe der in dem Bezirke eines bereits bestehenden oder neu gegründeten Knapp­ schaftsvereins belegenen Bergwerke, Aufbereitungsanstalten, Salinen und zugehörigen Betriebsanstalten, jedoch muß diese Beschäftigung eine entgeltliche (Abs. 3) und ständige (Abs. 1) sein. Für die Frage, ob eine Person „im Betriebe" der genannten Werke beschäftigt ist, ist ausschließlich die Tatsache entscheidend, daß der Arbeiter innerhalb des Bereiches des Bergwerksbetriebes eine zum Betriebe des Bergwerks usw. ge^öri^e Arbeit verrichtet, dagegen ist es unerheblich, ob er unmittelbar im Dienste des Be­ triebsunternehmers selbst oder im Dienste eines selbständigen Unternehmers, welchem die Ausführung einer bestimmten zum Betriebe des Bereinswerks gehörigen Arbeit vom Werksbesitzer übertragen ist, steht, Begr. 06 S. 10, litt, des OSchG. v. 20. Jan. 1911, 3- Bd. 52 S. 559; vgl. auch Min.-Besch, v. 13. Dez. 1892, Z. Bd. 34 S. 280. Die Beschäftigung muß aber a) eine entgeltliche sein. Der Begriff des Entgelts ist im Anschluß an die §§ 165 Abs. 2, 160 RBO. des Näheren in Abs. 4 bestimmt worden. Eine eingehende Bestimmung desselben findet sich in der vom Reichsversicherungsamt erlassenen Anleitung über den Kreis der nach der RBO. gegen Invalidität und gegen Krankheit ver­ sicherten Personen vom 26. April 1911 (Min.-Bl. d. H. u. G. B. 1912, Beil, zu Nr. 12); danach sind z. B. „Gehalt" die auf längere Zeiträume bemeffene feste Ver­ gütung für Dienstleistungen höherer Art,

672

Knappschaftsgesetz.

§ 9

„Lohn" die für kürzere Zeiträume oder nach der Menge der Leistung bemessene Vergütung für Arbeit, „Gewinnanteil" jeder Anteil am Ertrage der Arbeit, „Sachbezüge" alles, was als Gegenstand menschlichen Ge­ brauchs oder Verbrauchs verwendbar oder verwertbar ist. Daher sind beispielsweise Bergbaubeflissene versicherungs­ pflichtig, wenn sie Entgelt erhalten, Reuß Anm 11 zu § 9. ß) eine ständige sein. Unständig ist gemäß Abs. 1 Satz 2 die Beschäftigung, welche auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache beschränkt zu sein pflegt oder im vor­ aus durch den Arbeitsvertrag beschränkt ist. Nähere Bestimmungen hierüber enthalten die §§ 441—458 RVO. (s. Anhang). b) oder Eigenschaft als Werksbeamter im Sinne des Abs. 2, bzw. Verwaltungsbeamter der Knappschaftsvereine und besonderen Krankenkassen- jedoch viuß auch die Beschäftigung dieser Personen gegen Entgelt erfolgen, welches aber regelmäßig 2500 M. im Jahre nicht übersteigen darf, Abs. 3. Die Fassung des Abs. 2 gemäß der Novelle von 1912 be­ ruht auf einem Beschlusse der Kommission des AH. Der Entwurf bezeichnete int Anschluß an den bisherigen Wortlaut als Mit­ glieder der Krankenkassen einfach die „Werksbeamten". Die Ver­ anlassung zu der Abänderung gab das Urteil des RG. v. 22. Dez. 1910, 3' Bd. 52 S. 422 ff., Entsch. Bd. 75 S. 45, welchem sich auch das OSchG. in einem Urteile vom 13. Dez. 1911, R. L. 324/11 angeschlossen hatte, nach welchen, Beamte, welche auf der Hauptverwaltung eines mehrere Einzelwerke umfassenden Werkes beschäftigt sind, nur dann knappschaftspflichtig seien, wenn sie gleichzeitig auch als Beamte auf einen, der Einzelwerke tätig seien. Aus den gleichen Gründen, wie die Beitrittspflicht dieser Beamten mußte daher auch ihr Beitrittsrecht auf Grund des §171 Abs. 3 ABG. (vgl. jetzt § 9 Abs. 5) entfallen. Sie hätten also aus den Knappschastsvereinen ausscheiden müssen, würden die be­ reits erworbenen Ansprüche verloren haben und hätten auch in Zukunft nicht mehr beitreten können. Um dieses zu verhüten, ist dem Abs. 2 die nunmehrige Fassung gegeben worden, KB. AH. 1912 S. 1—3, 24 ff.- Reuß Anm. 10 zu § 9, sowie ausführlich Butz im Glückauf 1913 S. 411 ff. Danach sind also entsprechend der auch bereits früher herrschenden Auffassung (vgl. Thielmann zu § 171 Abs. II) „Werksbeamte" alle Beamten, welche für das Werk tätig sind, gleichgültig, ob sie mit technischen, kaufmännischen oder wirtschaft­ lichen Arbeiten beschäftigt sind, gleichgültig auch ob ein örtlicher Zusammenhang zwischen Bureau und Betrieb besteht. Alle diese Beamten sind seit der Novelle von 1906 nicht nur, wie bisher, beitrittsberechtigt, sondern vielmehr Mitglieder kraft Gesetzes, Begr. 06 S. 11. Eine fernere Bedingung ist nur, daß ihre Beschäftigung gegen Entgelt erfolgt und daß dieses den Betrag von 2500 M. regelmäßig im Jahre nicht übersteigt.

§§ 9.10]

673

Knappschastsgesetz.

Die Festsetzung der Berdienstgrenze auf 2500 M., anstatt wie bisher 2000 M., ist durch die Novelle von 1912 in Anschluß an § 165 Abs. 2 RVO. erfolgt. Erreicht das regelmäßige Ein­ kommen einen höheren Betrag, so ist dieses als eine Änderung des Beschäftigungsverhciltnisses anzusehen, welche das Ausscheiden aus der die Mitgliedschaft begründenden Beschäftigung zur Folge hat- Urt. des OSchG. v. 15. Nov. 1911, Z. Bd. 53 S. 411, Urt. des OBG. v. 7. Nov. 1907, Entsch. Bd. 51 S. 344. Über das Inkrafttreten des Abs. 2 mit dem Tage der Ver­ kündigung der Novelle von 1912 s. deren Art. IV im Anhang. B) Beitrittsberechtigt sind gemäß Abs. 6 die nicht unter Abs. 2 fallenden Werksbeamten und Verwaltungsbeamten der Knappschaftsvereine und besonderen Krankenkassen. An diesem schon früher auf Grund des Abs. 2 des § 168 in der ursprüng­ lichen Fassung bestehendem Rechte etwas zu ändern, erschien nicht angebracht, Begr. 06 S. 11. 5. Obgleich im allgemeinen die in Staatsbetrieben mit Pen­ sionsberechtigung angestellten Beamten den Knappschaftsvereinen nicht angehören sollen, erschien es doch zweckmäßig, ihnen unter besonderen Umständen, z. B. wenn es sich um gering besoldete, auf entlegenen Werken wohnende Beamten handelt, das Beitritts­ recht zu gewähren. Dieses Recht ist ihnen durch den Abs. 6 gegeben, seine Ausübung aber an die Zustimmung der vorgesetzten Dienstbehörde geknüpft worden, Beg. 06 S. 11. 6. Das Erlöschen der Beitrittsberechtigung bei Erreichung eines regelmäßigen Jahreseinkommens von mehr als 4000 M. ist in Abs. 7, ebenso wie in § 178 RVO. deshalb vorgeschrieben worden, weil es im Interesse der Arzte nicht angezeigt erschien, daß verhältnismäßig wohlhabende Leute sich als Kassenpatienten behandeln lassen. Das Einkommen muß aber ein „regelmäßiges" sein, erreichen also solche Personen in einzelnen, besonders günstigen Jahren ein Einkommen von dieser Höhe, so führt dieser Umstand das Erlöschen ihrer Beitrittsberechtigung nicht herbei, Begr. 12 S. 23. Sten. B. d. HH. S. 71/2. § 10. Auf seinen Antrag wird von dem Beitrittszwange befreit, wer auf die Dauer nur zu einem geringen Teile arbeitsfähig ist, solange der vorläufig unterstützungspflichtige Armenverband einverstanden ist. Wird der Antrag vom Borstand abgelehnt, so entscheidet auf die Beschwerde des Antragstellers die Aufsichtsbehörde endgültig. Nov. 06: Mot. S. 11. Nov. 12: Mot. S. 24 (106), KB. AH. S. 3/4.

43

Knappschaftsgesetz.

674

[§§ 10-12

1. § 10 gibt den bisherigen § 171 a Abs. 1 ABG. in einer dem § 173 RVO. entsprechenden Fassung wieder. Sachlich ist an der sich an den 8 3 a KVG. anlehnenden Fassung des Abs. 1, wonach den Antrag auf Befreiung vom Beitrittszwange solche Personen stellen konnten, welche „infolge von Verletzungen, Gebrechen, chronischen Krankheiten oder Alter nur teilweise oder nur zeitweise erwerbsfähig" sind, nichts geändert. Man wollte nur nicht mehr, wie bisher, bestimmte Voraus­ setzungen im Gesetze festlegen, sondern die Möglichkeit geben, ihr Vorliegen von Fall zu Fall prüfen zu können, so soll z. B. die Tatsache allein, daß jemand Invalide ist, nicht ohne weiteres die Anwendbarkeit dieser Vorschrift begründen, vgl. die Erklärungen des Staatssekretärs des Innern, sowie des Vertreters des preußi­ schen Handelsministers zu § 173 RVO., KB. des Reichstages zur RVO. Drucks. Nr. 946 II. Teil S. 445ff.; Reuß Anm. 3 zu 8 10. 2. Zu Abs. 2 vgl. 8 54 Abs. 4, sowie 8 497 RVO. (Anhang). 3. Die auf die Beschwerde entscheidende Aufsichtsbehörde ist das Oberbergamt. Ein bei der Beratung der Novelle von 1912 in der Komm, des AG. gestellter Antrag, diese Entscheidung, wie auch nach 8 175 RVO. dem Versicherungsamte zu übertragen, wurde auf Grund der Darlegung eines Regierungsvertreters, daß einmal die Auf­ sichtsbefugnisse der Oberbergämter über die Knappschaftsvereine, wie sich aus 8 502 Abs. 2 RVO. (s. Anhang) ergebe, aufrecht­ erhalten seien, und daß andererseits die Versicherungsämter schon aus dem Grunde nicht die berufenen Stellen zu derartigen Ent­ scheidungen seien, weil sie einmal in den meisten Fällen nur den Teil eines Knappschaftsvereins umfassen würden und daher die Gefahr bestehe, daß für denselben Verein die Entscheidungen der verschiedenen zuständigen Versicherungsümter voneinander abweichen würden, dann aber auch, weil die Versicherungsämter nicht die zu solchen Entscheidungen erforderliche Sachkunde besäßen; KB. AH. S. 3/4. §11.

Die Mitglieder der Arankenkasse eines Anappschaftsvereins oder einer besonderen Arankenkasse (8 5) können einer Mrts-, Land-, Betriebs- oder ^nnungskrankenkaffe nicht angehören. Nov. 12: Mot. S. 24 (106).

Der neue 8 H (§ 171 aa des Entw.) bringt entsprechend dem 8 225 Abs. 2. RVO. den Grundsatz zum Ausdruck, daß niemand gleichzeitig Mitglied zweier Krankenkassen sein kann. § 12. Von Mitgliedern, die nachweislich bereits der Arankenkasse eines anderen Anappschaftsvereins oder einer anderen besonderen

§§ 12. 13]

Knappschaftsgesetz.

675

Krankenkasse (§ 5) oder einer Grts-, Land-, Betriebs- oder Innungskrankenkaffe angehört haben, darf Eintrittsgeld nur erhoben werden, wenn zwischen Ausscheiden und Beitritt mehr als sechsundzwanzig Wochen liegen. Nov. 12: Mot. S. 24 (106).

Der neue § 12 (§ 171 ab des Entw.) gibt den § 496 RVO. (f. Anhang) wieder, fügt ihm aber die Bestimmung hinzu, daß auch beim Übergange eines Knappschaftsmitgliedes zur Krankenkasse eines anderen Knappschaftsvereins oder einer anderen besonderen Krankenkaffe die Erhebung von Eintrittsgeld unzulässig ist, falls nicht ein Zeitraum von mehr als einem halben Jahre dazwischen liegt.

§ 13.

Die Unappschaftsvereine und besonderen Krankenkassen (§ 5) müssen ihren Mitgliedern und deren Angehörigen an Kranken Hilfe, Wochengeld und Sterbegeld mindestens die Regelleistungen der (Ortskrankenkassen nach den Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung gewähren. Das Krankengeld können sie mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde anders als wöchentlich, längstens jedoch halbmonatlich zahlen. Der Anspruch auf die Regelleistungen entsteht für die Bei­ trittspflichtigen mit ihrer Mitgliedschaft (§ 9 Abs. ( bis 3). Mehrleistungen sind nach näherer Bestimmung der Satzungen in demselben Umfange zulässig, wie er im Zweiten Buche der Reichsversicherungsordnung für (Ortskrankenkassen vorgesehen ist. Außerdem sind zulässig satzungsmäßige Bestimmungen, nach welchen den Knappschaftsinvaliden und deren Angehörigen gegen Entrichtung von Beiträgen freie Kur und Arznei in Krank­ heitsfällen sowie den Mitgliedern des Knappschaftsvereins oder der Krankenkasse und deren Angehörigen oder Hinterbliebenen in Fällen der Notlage nach dem Ermessen des Vorstandes außerordentliche Unterstützungen gewährt werden können. Steht nach der Satzung eines Knappschaftsvereins den Knappschafts­ invaliden und ihren Angehörigen freie Kur und Arznei in Krankheitsfällen zu, ohne daß die Invaliden hierfür Beiträge zu entrichten haben, so sind diese Leistungen für Rechnung der Pensionskasse zu gewähren. Bestimmt die Satzung für den Anspruch auf Mehrleistungen eine Wartezeit, so können Mitglieder, die zur Erfüllung ihrer Dienstpflicht im Heere oder der Marine ausscheiden, diese Warte­ zeit auf die Dauer der Dienstzeit sowie noch auf höchstens sechs-

676

Knappschaftsgesetz.

[§ 13

undzwanzig Wochen unterbrechen. In diesem Falle darf von ihnen kein neues Eintrittsgeld erhoben werden. Die Satzung hat in entsprechender Anwendung des § (80 der Reichsversicherungsordnung den Grundlohn festzusetzen. In­ soweit die Festsetzung der Zustimmung des Dberversicherungsamts bedarf, tritt an deren Stelle die Zusttmmung des Gberbergamts. Die Satzung kann mit Zusttmmung des Dberbergamts für kleinere Heilmittel einen Höchstbetrag festsetzen, auch be­ stimmen, daß die Rasse bis zu dieser höhe einen Zuschuß für größere Heilmittel gewähren darf. Der Höchstbetrag einer nach der Satzung wider ein Bkitglied zu verhängenden (Ordnungsstrafe darf den dreifachen Betrag des täglichen Rrankengeldes und bei Rnappschaftsinvaliden das Dreifache desjenigen Betrags, welchen sie als Rrankengeld zu­ letzt zu beanspruchen hatten, für jeden einzelnen mit Drdnungs­ strafe zu belegenden Fall nicht übersteigen. Mot. (§ 171): S. 98/9 (212), KB. AH. S. 92 (1249). Nov. 06: Mot. S. 11/2. Nov. 12: Mot. S. 24 (106), KB. AH. S. 4-9, Sten. B. AH. S. 585/6.

1. § 13 (§ 171 b des Entw.) regelt ebenso wie der bisherige § 171 b ABG. die Leistungen der Knappschaftsvereine und be­ sonderen Krankenkassen in Krankheits- und Sterbefällen. Die Regelung schließt sich an die entsprechenden Bestimmungen der RBO. (88 179 ff.) an. 2. Danach ist zu unterscheiden zwischen „Regelleistungen" und „Mehrleistungen". Die Aufzählung der Leistungen im ein­ zelnen ist ebenso wie bei der Novelle von 1906 unterblieben, die Entscheidung darüber vielmehr, wie bisher, der Rechtsprechung überlaßen worden,' Begr. 12 S. 24. 3. Die Regelleistungen müssen mindestens die Regel­ leistungen der Ortskrankenkassen erreichen (8 495 Abs. 1 RBO). Dies sind entsprechend dem 8 179 RBO. (f. Anhang): a) Krankenhilfe, welche nach § 182 RBO. besteht in ot) Krankenpflege vom Beginn der Krankheit an; sie umfaßt ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei sowie Brillen, Bruchbändern und anderen kleinen Heilmitteln, ß) Krankengeld in Höhe des halben Grundlohns für jeden Arbeitstag, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht; es wird vom vierten Krankheits­ tage an, wenn aber die Arbeitsunfähigkeit erst später eintritt, vom Tage ihres Eintrittes an gewährt. Als Grundlohn setzt gemäß § 180 RBO. die Satzung den durchschnittlichen Tagesentgelt derjenigen Klaffen Versicherter, für

§13]

Knappschaftsgesetz.

677

welche die Kaffe errichtet ist, bis 5 Mark für den Arbeitstag fest; jedoch kann der durchschnittliche Tagesentgelt auch nach der ver­ schiedenen Lohnhöhe der Versicherten stufenweise bis 6 Mark fest­ gesetzt werden. Die Satzung kann aber auch statt des durch­ schnittlichen Tagesentgelts den wirklichen Arbeitsverdienst der Ver­ sicherten bis 6 Mark für den Arbeitstag als Grundlohn be­ stimmen. Für freiwillig Beitretende, für welche sich hiernach kein Grundlohn ermitteln läßt, bestimmt ihn die Satzung (§ 180 RVO.). Die Krankenhilfe endet grundsätzlich spätestens mit dem Ab­ laufe der 26. Woche nach Beginn der Krankheit; vgl. im übrigen § 183 RVO. (Anhang). An Stelle der Krankenhilfe kann die Kasse Kur und Ver­ pflegung in einem Krankenhause (Krankenhauspflege) nach näherer Maßgabe der §§ 184 ff. RVO. (f. Anhang) gewähren, jedoch be­ darf es hierzu der Zustimmung des Kranken, falls er einen eigenen Haushalt hat oder Mitglied des Haushaltes seiner Familie ist. Den Angehörigen eines in Krankenhauspflege befindlichen Ver­ sicherten, welcher bisher von seinem Arbeitverdienste Angehörige ganz oder überwiegend unterhalten hat, ist ein Hausgeld im Betrage des halben Krankengeldes zu zahlen (§ 186 RVO.). Über die Erweiterung (vgl. auch Anm. 5 a), Ermäßigung oder Versagung der hiernach als Krankenhilfe zu gewährenden Leistungen durch die Satzung, vgl. die §§ 187—194 RRO. im Anhang. b) Wochenhilfe. Wöchnerinnen, welche im letzten Jahre vor der Niederkunft mindestens 6 Monate hindurch auf Grund der Reichsversicherung oder bei einer knappschaftlichen Kranken­ kasse gegen Krankheit versichert gewesen sind, erhalten ein Wochen­ geld in Höhe des Krankengeldes für acht Wochen, von welchen mindestens sechs in die Zett nach der Niederkunft fallen müssen (§ 195 Abs. 1 RVO.). Mit Zustimmung der Wöchnerinnen kann die Kaffe: a) an Stelle des Wochengeldes Kur und Verpflegung in einem Wöchnerinnenheim gewähren; ß) Hilfe und Wartung durch Hauspflegerinnen gewähren und dafür das Wochengeld bis zur Hälfte anrechnen (§ 196 Abs. 1 RVO.). e) Sterbe gelt». Als Sterbegeld wird beim Tode eines Versicherten das Zwanzigfache des Grundlohnes (s. unter a) ge­ zahlt (§ 201 RVO.). Stirbt ein als Mitlied der Kaffe Erkrankter binnen einem Jahre nach Ablauf der Krankenhilfe an derselben Krankheit, so wird das Sterbegeld gezahlt, wenn er bis zunl Tode arbeitsunfähig gewesen ist (§ 202 RVO.). In welcher Weise und an wen das Sterbegeld zu zahlen ist, bestimmt §203 RVO. 4. Abs. 2 entspricht dem § 206 RVO., welcher nach § 498 Abs. 1 RVO. auf die knappschaftlichen Krankenkassen anwend­ bar ist. 5. Mehrleistungen sind auf Grund des Abs. 3, ähnlich wie auch bereits gemäß Abs. 2 des § 171 b Abs. 9 in der Fassung

678

Knappschaftsgesetz.

[§ 13

der Novelle von 1906, in demselben Umfange zulässig, wie er für die Ortskrankenkassen vorgesehen ist. Solche sind beispielsweise bezüglich: a) der Krankenhilfe: Erweiterung der Krankenhilfe bis auf ein Jahr (§ 187 Abs. 1 RVO.)Erhöhung des Krankengeldes bis auf drei Viertel des Grund­ lohns und Zubilligung desselben allgemein für Sonn- und Feier­ tage (§ 191 Abs. 1 RVO.),' Zubilligung des Krankengeldes schon vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an nach näherer Maßgabe des § 191 Abs. 2 RVO. Erhöhung des Hausgeldes bis zum Betrage des gesetzlichen Krankengeldes^ 194 Ziff. 1 RVO.). b) der Wochenhilfe: Zubilligung von Hebammendiensten und ärztlicher Geburtshilfe, von Schwangerengeld und Stillgeld (88 198-200 RVO.). c) des Sterbegeldes: Erhöhung des Sterbegeldes bis zum Vierzigfachen des Grundlohns (s. Anm. 4 a) oder Festsetzung des Mindestbetrages desselben auf 50 Mark (§ 204 RVO.). Auch kann die Satzung gemäß § 205 91930. Familienhilfe zubilligen, die bestehen kann in Krankenpflege an versicherungsfreie Familienmitglieder, Wochenhilfe an versicherungsfreie Ehefrauen oder Sterbegeld beim Tode des Ehegatten oder eines Kindes eines Versicherten. Jedoch muß bei der satzungsmäßigen Festsetzung solcher Mehrleistungen stets die dauernde Leistungfähigkeit der Kassen gewahrt werden- Begr. 06 S. 12. 6. Fernere fatzungsmäßige Erweiterungen der Leistungen sind in gleicher Weise, wie auch schon bisher auf Grund des § 171b Abs. 2 Satz 2 und 3 ABG., nach Abs. 2 Satz 2 und 3 zulässig, sie beziehen sich auf die Gewährung von freier Kur und Arznei, sowie von außerordentlichen Unterstützungen in besonderen Notfällen; vgl. auch Begr. 06 S. 12. Die Gewährung von freier Kur und Arznei an Invaliden und deren Angehörige stellt eine Krankenkassenleistung nur dann dar, wenn von den Invaliden dafür Beiträge entrichtet werden. Werden die Invaliden dagegen — wie dies nach den bestehenden Satzungen vielfach der Fall ist — zu solchen Beiträgen nicht mehr herangezogen, so fällt diese Leistung naturgemäß der Pensions­ kasse zur Last- Begr. 06 S. 12. Außerordentliche Unterstützungen können den Invaliden überhaupt nicht gewährt werden- Min.-Erl. v. 19. Aug. 1908, Z. Bd. 49 S. 560. 7. Abs. 4 enthält eine Wiedergabe des § 498 Abs. 2 RVO. (s. Anhang). 8. Abs. 5 stellt zur Vermeidung von Zweifeln fest, daß die Festsetzung des Grundlohnes in der Satzung der Zustimmung des Oberbergamts und nicht, wie nach § 180 Abs. 3 RVO. der des Oberversicherungsamtes bedarf- Begr. 12 S. 24. In der

8813. 14]

Knappschaftsgesetz.

679

Kommission des AH. war ein Antrag gestellt worden, diesen Ab­ satz zu streichen und dadurch die Zuständigkeit des Oberversiche­ rungsamtes festzustellen,' dies werde für die Arbeiter eine große Beruhigung sein, da an der Beschlußfassung des Oberversicherungs­ amtes auch. Arbeitnehmer beteiligt seien. Der Antrag wurde aber abgelehnt, da von Seiten der Regierung darauf hingewiesen wurde, daß an den Aufsichtsbefugnissen des Oberbergamts in Knappschaftsangelegenheiten gemäß § 502 Abs. 2 RVO. nichts habe geändert werden sollen,' KB. AH. 12 S. 4 ff., Sten.B. AH. S. 5885. 9. In gleicher Weise ist in Abs. 6 die Zuständigkeit des Oberbergamts für die entsprechend dem § 193 Abs. 1 RVO. satzungsmäßig zu gewährenden Beträge für kleinere und größere Heilmittel festgestellt. 10. Abs. 7 stimmt mit Abs. 4 des bisherigen § 171b ABG., welcher dem § 26 a Abs. 2 Nr. 2 a KVG. entsprach (Begr. 06 S. 12), überein. Bei der Beratung der Novelle von 1912 war in der Kommission des AH. zur Verhütung allzu harter Strafen wegen geringer Verstöße zu Abs. 7 folgender Zusatz beantragt worden: „Eine Ordnungsstrafe, die den einfachen Betrag des täg­ lichen Krankengeldes übersteigt, darf nur auf Beschluß des Vorstandes verhängt werden." Der Antrag wurde aber abgelehnt, weil eine derartige Be­ stimmung einmal zu einer zu großen Belastung des Vorstandes führen, dann aber „auch die Energie der Aufrechterhaltung der Ordnung" schwächen werde, auch wurde darauf hingewiesen, daß gegen Mißbrauch der Strafgewalt der vorgesehene Beschwerde­ weg ausreichenden Schutz verleihe,' vgl. Erklärung des Handels­ ministers in der Kommission des ÄH., KB. S. 8/9; Sten.B. AH. 12 S. 5886. 11. Die Abs. 3 und 5 des bisherigen § 171b ABG. sind an dieser Stelle in Wegfall gekommen, sie finden sich als Abs. 1 des § 14, bzw. Abs. 5 des § 26 KnG. § 14.

Für Versicherungsfälle, die bereits eingetreten find, können durch Satzungsänderung die Leistungen erhöht, nicht aber herab­ gesetzt werden; Änderungen des Grundlohns haben keinen Einfluß.

Tritt ein Versicherter, der Aaffenleistungen bezieht, von einer Grts-, Land-, Betriebs- oder Innungskrankenkasse zu der Arankenkasse eines Anappschaftsvereins oder einer besonderen Arankenkasse (§ 5) oder tritt er von der Arankenkasse eines Anappschafts­ vereins oder einer besonderen Arankenkasse zu einer Grts-, Land-, Betriebs- oder Innungskrankenkasse über, so übernimmt die Aasse, zu der er übertritt, die weitere Leistung nach ihrer

680

Knappschaftsgesetz.

[§§ 14. 15

Satzung. Die Zeit der bereits genossenen Leistung wird ange­ rechnet. Die Mehrleistungen erhält er nur, wenn er schon in seiner früheren Kaffe Anspruch auf Mehrleistungen erworben hatte. Das gleiche gilt beim Wechsel der Mitgliedschaft zwischen Krankenkassen von Knappschaftsvereinen oder besonderen Kranken­ kassen (§ 5). Hat die Krankenkasse eines Knappschastsvereins oder eine besondere Krankenkasse (§ 5) für eine Person nach vorschrifts­ mäßiger und nicht vorsätzlich unrichttger Anmeldung drei Mo­ nate ununterbrochen und unbeanstandet die Beiträge angenommen und stellt sich nach Eintritt des Versicherungsfalles heraus, daß die Person nicht beitrittspflichtig und nicht beitrittsberechtigt ge­ wesen ist, so muß ihr die Kasse gleichwohl die satzungsmäßigen Leistungen gewähren. Nov. 12: Mot. S. 24/5 (106/7) KB. AH. S. 9/10, KB. HH. S. 159. 1. Die neuen §§ 14 und 15 (§§ 171 baff, des Entw.) regeln die zu gewährenden Leistungen in den Fällen des Kassen­ wechsels sowie des Eintritts von Krankheitsfällen bei Wohnsitz­ veränderungen, bzw. vorübergehendem Aufenthalt außerhalb des Kassenbezirks oder im Auslande in Anschluß an die gemäß § 500 Abs. 1 RVO. auf die knappschaftlichen Krankenkassen anwendbaren 88 211—214, 219—222, 224 RVO. entsprechend den auch bis­ her schon für die Knappschaftsvereine geltenden Grundsätzen. Neu hinzugekommen ist die in Abs. 3 festgestellte Verpflich­ tung, auch irrtümlich, aber vorschriftsmäßig angenreldeten Mit­ gliedern die satzungsmäßigen Leistungen zu gewähren, sofern sie über drei Monate Beiträge geleistet haben, vgl. auch KB. d. HH. 12 S. 159. In der Kommission des AH. war der Antrag ge­ stellt worden, die Worte „und nicht vorsätzlich unrichtiger" zu streichen, da der Nachweis, daß die Anmeldung nicht vorsätzlich unrichtig sei, fast stets unmöglich sein werde. Der Antrag wurde aber abgelehnt, weil der Wortlaut dem 8 213 der als Reichsgesetz durch Landesgesetz nicht abänderbaren RVO. ent­ nommen ist; KB. AH. 12 S. 10.

§15.

Kranke Mitglieder der Krankenkasse eines Knappschafts­ vereins oder einer besonderen Krankenkasse (8 5), die außerhalb des Bezirkes ihrer Kaffe wohnen, erhalten auf Erfordern ihrer Kaffe die ihnen bei ihr zustehenden Leistungen von der allgegemeinen (Ortskrankenkasse des Wohnorts. Gehört der Wohn­ ort zum Bereich einer Knappschaftskasse, so hat, von dringenden Fällen abgesehen, diese die vorläufige Hilfe zu bewilligen. Das

Knappschaftsgesetz.

§§ 15. 16]

681

gleiche gilt für berechtigte Familienmitglieder sowie für aus-

geschiedene Erwerbslose (§ |9). Das gleiche gilt für ein Mitglied, das während eines vor­

übergehenden Aufenthalts außerhalb seines Kassenbereichs er­ krankt, solange es seines Zustandes wegen nicht nach seinem Wohnorte zurückkehren kann. Eines Antrags seiner Kaffe be­

darf es nicht.

Die Kaffe, welche die Leistungen gewährt, hat

jedoch binnen einer Woche den Eintritt des Versicherungsfalls der Krankenkasse des Knappschaftsvereins oder der besonderen Krankenkasse (§ 5) mitzuteilen und soll deren Wünsche wegen der Art der Fürsorge tunlichst befolgen.

Erkrankt ein Mitglied im Auslande, so erhält es, solange es seines Zustandes wegen nicht ins Inland zurückkehren kann, die ihm geber.

bei seiner Kasse zustehenden Leistungen vom Arbeit­ Dieser hat binnen einer Woche den Eintritt des Ver­

sicherungsfalls der Kaffe mitzuteilen und soll deren Wünsche wegen der Art der Fürsorge tunlichst befolgen; die Kasse kann die Fürsorge selbst übernehmen. Die Krankenkasse des Knappschaftsvereins oder die be­ sondere Krankenkasse (§ 5),

deren Mitglied

die Leistungen be­

zogen hat, hat der anderen Kasse und dem Arbeitgeber die Kosten zu erstatten. Dabei gelten drei Achtel des Grundlohns als Ersatz der Kosten für die Krankenpflege.

Bei Streit

über

die

Erstattungsansprüche

entscheidet

das

Versicherungsamt im Spruchverfahren nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung. 1. Der neue § 15 (§ 171 bb des Entw.) gibt die nach § 500 Abs. 1 RVO. anwendbaren §§ 219—222, 224 RVO., Abs. 1 Satz 2 den § 500 Abs. 2 RVO. wieder. 2. Abs. 3 gelangt nur dann zur Anwendung, wenn die Er­ krankung selbst im Auslande eintritt; Reuß Anm. 3 zu § 15. 3. Die gegenseitige Erstattungspflicht ist in Abs. 4 nur im Verhältnis der Knappschaftskaffen untereinander, sowie zu den reichsgesetzlichen Krankenkassen geregelt. Bestimmungen über das Verhältnis zu anderen Versicherungsträgern, bzw. Fürsorgepflichtigen, wie sie im fünften Buche der RVO. enthalten sind, sind als über den Rahmen der Novelle hinausgehend nicht ausgenommen worden; Begr. 12 S. 22, KB. HH. S. 159. § 16.

Kafsenmitglieder, welche aus der ihre Mitgliedschaft bei der

Krankenkasse des Knappschastsvereins oder bei einer besonderen Krankenkasse (§ 5) begründenden Beschäftigung freiwillig oder

682

Knappschaftsgesetz.

[§§16.17

infolge Kündigung oder Entlassung durch den Werksbesitzer aus­ scheiden, verlieren, soweit das Gesetz nicht besondere Aus­ nahmen vorsieht, ihre Ansprüche aus die Leistungen der Kasse.

Nov. 06: Mot. S. 12. Nov. 12: Mot. S. 25 (107), KB. AH. S. 10-12. 1. § 16 entspricht dem bisherigen § 171 o Abs. 1 ABG. Der bis­ herige Abs. 2 ist an dieser Stelle in Wegfall gekommen und der Inhalt seiner ersten Hälfte an die Spitze des § 18 gestellt worden, Begr. 12 S. 25. 2. Die Vorschrift be§ § 15 gibt einen alten Grundsatz der Knappschaftssatzungen wieder, dessen Aufnahme hinsichtlich der Krankenkassen in das Gesetz mit Rücksicht auf die Ausnahmen in den folgenden Paragraphen angezeigt erschien- Begr. 06 S. 12. 3. Durch das Ausscheiden aus der die Mitgliedschaft be­ gründenden Beschäftigung 'werden die Krankenkassenleistungen in einem bereits eingetretenen Unterstützungsfalle nicht beendet, da eine solche Beendigung mit der Vorschrift in § 13 Abs. 1 in Wider­ spruch stehen würde- vgl. Begr. 06 S. 12.

§ 17. Scheidet ein Mitglied, das bei der Krankenkasse eines Anapp­ schaftsvereins oder einer besonderen Arankenkasse (§ 5) oder auf Grund der Reichsversicherung in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens sechsundzwanzig Wochen oder unmittelbar vorher mindestens sechs Wochen versichert war, aus der ver­ sicherungspflichtigen Beschäftigung aus, so kann es in seiner Klaffe oder Lohnstufe Mitglied bleiben, solange es sich regelmäßig im Inland aufhält und nicht Mitglied einer anderen Anappschafts­ oder einer Mrts-, Land-, Betriebs- oder Innungskrankenkasse wird. Es kann in eine niedere Klaffe oder Lohnstufe übertreten. Wer Mitglied bleiben will, muß es der Kasse binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden oder, falls das Mitglied arbeits­ unfähig ist und Kassenleistungen empfängt, nach Beendigung der Kassenleistungen anzeigen. Wer jedoch in der zweiten oder dritten dieser Wochen erkrankt, hat für diese Krankheit, vorbe­ haltlich des § (9, Anspruch auf die Kassenleistungen nur, wenn er die Anzeige in der ersten Woche genracht hat. Der Anzeige steht es gleich, wenn in der gleichen Frist die satzungsmäßigen Beiträge voll gezahlt werden. Mit Zustimmung des Gberbergamts kann die Satzung längere Fristen bestimmen. Zur Erhaltung der Mitgliedschaft haben die in Abs. ( und 2 erwähnten Mitglieder die vollen für andere Kassenmit­ glieder von diesen und von den Werksbesitzern aufzubringenden

§§ 17. 18]

Knappschaftsgesetz.

683

Beiträge (§§ 36 und 37) aus eigenen Mitteln ;u leisten. Sie dürfen weder Stimmrechte ausüben noch Kassenämter über­ nehmen, soweit letzteres nicht im § 52 Abs. 2 ausdrücklich zu­ gelassen ist.

Nov. 06: Mot. S. 22—25. Nov 12: Mot. S. 25 (107), KB. AH. S. 10-12. 1. § 17 ist an die Stelle des bisherigen § 171 d ABG. ge­ treten. Die Absätze 1 und 2 entsprechen dem nach § 500 Abs. 1 RBO. anwendbaren § 313 RVO. Der bisherige Abs. 2 ist ge­ strichen, da er durch die allgemeine Borschrist der § 18 überflüssig geworden ist; Begr. 12 S. 25. Das Recht ausscheidender Mitglieder, sich die Mitgliedschaft zu erhalten, ist von einer Kassenzugehörigkeit von 26 Wochen, statt wie bisher von zwei Jahren abhängig gemacht worden, auch braucht die dahingehende Anzeige erst binnen drei Wochen (früher einer Woche) zu erfolgen. 2. Über das Ausscheiden von Beamten bei Erhöhung des Gehalts über 2500 M. s. die in § 9 Anm. 4Ab angeführte Entsch. des OSchG. 3. Abs. 3 entspricht dem Abs. 3 des bisherigen § 171 d ABG., jedoch sind die Schlußworte mit Rücksicht auf die neue Bestimmung des § 52 Abs. 2 hinzugefügt worden; Begr. 12 S. 25. Die hiernach als Älteste gewählten Invaliden können daher, wie alle anderen Ältesten, zu Mitgliedern des Vorstandes (s. jedoch § 53 Abs. 2), zu Beisitzern des Schiedsgerichts und Oberschieds­ gerichts gewählt werden, auch nehmen sie nach Maßgabe des § 61 an der Generalversammlung teil; Reuß Anm. 4 zu § 17. Ein in der Kommission des AH. gestellter Antrag, dem § 17 einen weiteren Absatz hinzuzufügen, durch welchen zur Ver­ meidung von Härten den Invaliden, die ihre Mitgliedschaft nicht nach den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 aufrechterhalten wollten, diese Möglichkeit durch Zahlung einer Anerkennungsge­ bühr gewährt werden sollte, fand keine Annahme; KB. AH. 12 S. 11.

§ 18. Die Mitgliedschaft Beitrittsberechtigter erlischt, wenn sie dem Vorstand ihren Austritt anzeigen. Das gleiche gilt, wenn sie zweimal nacheinander am Zahltage die Beiträge nicht entrichten und feit dem ersten dieser Tage mindestens vier lvochen ver­ gangen sind. Die Satzung kann diese Frist bis zum nächst­ folgenden Zahltage verlängern. Erfährt der Vorstand der Kaffe glaubhaft, daß das regel­ mäßige jährliche Gesamteinkommen eines beitrittsberechtigten Mitgliedes viertausend Mark übersteigt, so hat er diesem Mit-

KnappschaftSgrsetz.

684

[§§ 18. 19

glied alsbald mitzuteilen, daß seine Mitgliedschaft erloschen sei. Die Mitgliedschaft erlischt mit der Zustellung der Mitteilung. Nov. 06: (§ 171c) S. 12. Nov. 12: Mot. S. 25 (107) KB. AH. S. 10—12.

1. Der neue § 18 gibt in seinem ersten Satze die erste Hälfte des Abs. 2 des bisherigen § 171 c ABG., im übrigen den nach § 500 Abs. 1 RBO. auf die Knappschaftskassen anwendbaren § 314 RBO. wieder. Er enthält eine allgemeine Vorschrift, welche sowohl für den freiwilligen Beitritt, als auch für die freiwillige Fortsetzung gemäß § 17 gilt,- Begr. 12 ©. 25. 2. Zu Äbs. 2 vgl. § 9 Abs. 7. § 19.

Scheiden Kassenmitglieder wegen Erwerbslosigkeit aus, die in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens sechsund­ zwanzig Wochen oder unmittelbar vorher mindestens sechs Wochen bei der Krankenkasse eines Anappschaftsvereins oder einer besonderen Krankenkasse (§ 5) oder auf Grund der Reichs­ versicherung versichert waren, so verbleibt ihnen der Anspruch auf die Regelleistungen der Kasse, wenn der Versicherungsfall während der Erwerbslosigkeit und binnen drei Wochen nach dem Ausscheiden eintritt. Die Kasse hat dem Berechtigten auf Antrag seinen Anspruch auf diese Leistungen zu bescheinigen. Sterbegeld wird auch nach Ablauf der drei Wochen gewährt, wenn die Krankenhilfe bis zum Tode geleistet worden ist. Der Anspruch fällt weg, wenn der Erwerbslose sich im Ausland aufhält und die Satzung nichts anderes bestimmt. Nov. 06: Mot. S. 12, KB. AH. S. 23. Nov. 12: Mot. S. 25 (107), KB. AH. S. 10-12, KB. HH. S. 159.

1. § 19 entspricht dem dem § 28 KBG. entnommenen bisherigen § 171e ABG., jedoch ist seine Fassung dem nach § 500 Abs. 1 RBO- anwendbaren § 214 RBO. entsprechend abgeändert, vgl. auch KB. HH. 12 S. 159. 2. Erwerbslosigkeit besteht in dem Fehlen einer gegen Ent­ gelt stattfindenden Beschäftigung, Urt. des OBG- v. 27. Oft. 1890, Entsch. Bd. 20 S. 365. Ob dieselbe verschuldet ist, ist unerheb­ lich, § 18 findet daher auch auf Streikende Anwendung, Thiel­ mann Anm. 2 zu § 171 e ABG. Vorbemerkung zu den §§ 20 bis 25. Mot. 12 S. 25/6 (107).

Die 88 20—25 führen Verbesserungen im Interesse der Versicherten hinsichtlich der Auswahl der Ärzte, einschließlich der

§§ 19. 20]

Knappschaftsgesetz.

685

Zahnärzte, der Apotheken, der Krankenhäuser, des Bezuges von Arzneimitteln usw. in Anschluß an die §§ 368—376 RBO. ein. Da die Anwendbarkeit der §§ 368—376 auf die Knappschafts­ krankenkassen in § 502 Abs. 1 RVO. schlechthin ausgesprochen ist, so stehen die in diesen Vorschriften den Oberversicherungsämtern bzw. Versicherungsämtern zugewiesenen Befugniffe, diesen reichsgesetzlichen Behörden und nicht etwa den Oberberg­ ämtern als der Aufsichtsbehörde im allgemeinen auch gegenüber den Knappschastsvereinen zu, da diese positive Vorschrift für eine anderweitige landesgesetzliche Regelung keinen Raum läßt. Je­ doch ist die Zuteilung dieser Aufgaben an die gemäß § 63 RVO. für die bergbaulichen Betriebe eingerichteten besonderen Oberversicherungsämter (vgl. die Anm. zu § 80) für zulässig zu erachten, da die oberste Verwaltungsbehörde deren Zuständigkeit nach freiem Ermessen bestimmen tonn; Begr. 12 S. 25/6. § 20.

Die Beziehungen zwischen den Anappschaftsvereinen, soweit sie Arankenkassenleistungen gewähren, sowie besonderen Krankenkassen (§ 5) und Ärzten werden durch schriftlichen Vertrag ge­ regelt; die Bezahlung anderer Arzte kann die Kaffe, von dringenden Fällen abgesehen, ablehnen. Soweit es die Kaffe nicht erheblich mehr belastet, soll sie ihren Mitgliedern die Auswahl zwischen mindestens zwei Ärzten freilaffen. Wenn das Mitglied die Mehrkosten selbst über­ nimmt, steht ihm die Auswahl unter den von der Kaffe be­ stellten Ärzten frei. Die Satzung kann jedoch bestimmen, daß der Behandelte während desselben Versicherungsfalls oder Ge­ schäftsjahrs den Arzt nur mit Zustimmung des Vorstandes wechseln darf. Wird bei einer Krankenkasse die ärztliche Versorgung dadurch ernstlich gefährdet, daß die Kaffe keinen Vertrag zu angemessenen Bedingungen mit einer ausreichenden Zahl von Ärzten schließen kann oder daß die Ärzte den Vertrag nicht einhalten, so er­

mächtigt das Dberversicherungsamt (§6/ der Reichsversicherungs­ ordnung) die Kasse auf ihren Antrag widerruflich, statt der Krankenpflege oder sonst erforderlichen ärztlichen Behandlung eine bare Leistung bis zu zwei Dritteln des Durchfchnittsbetrags ihres gesetzlichen Krankengeldes zu gewähren. Das Gberverficherungsamt (Befchlußkammer) kann zugleich bestimmen: (. wie der Zustand dessen, der die Leistungen erhalten soll, anders als durch ärztliche Bescheinigungen nachgewiefen werden darf;

Knappschaftsgesetz.

686

[§§ 20-22

2. daß die Kaffe ihre Leistungen so lange einstellen oder zurückbehalten darf, bis ein ausreichender Nachweis er­ bracht ist; 3. daß die Leistungspflicht der Kaffe erlischt, wenn binnen einem Jahre nach Fälligkeit des Anspruchs kein aus­ reichender Nachweis erbracht ist; daß die Kaffe diejenigen, denen sie ärztliche Behandlung zu gewähren hat, in ein Krankenhaus verweisen darf, auch wenn die Voraussetzungen des § Abf. 3 der Reichsversicherungsordnung nicht vorliegen. Gegen den Beschluß des Dberversicherungsamts (Abf. 3 und 4) hat der Kaffenvorstand die Beschwerde bei dem Minister für handel und Gewerbe.

§ 20 gibt den Inhalt der §§ 368—370 NVO. (f. Anhang) wieder, vgl. im übrigen die Vordem.

8 21.

Die Satzung kann den Vorstand ermächtigen, die Kranken­ hausbehandlung nur durch bestimmte Krankenhäuser zu gegewähren und, wo die Kaffe Krankenhausbehandlung zu ge­ währen hat, die Bezahlung anderer Krankenhäuser, voit dringenden Fällen abgesehen, abzulehnen. Dabei dürfen Krankenhäuser, die lediglich zu wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken bestimmt oder von öffentlichen Verbänden oder Körperschaften errichtet und die bereit sind, die Krankenhauspsiege zu den gleichen Bedingungen wie die im Abf. 1 bezeichneten Krankenhäuser zu leisten, nur aus einem wichtigen Grunde mit Zustimmung des Mberverficherungsamts ausgeschlossen werden. Nov. 12: KB. HH. S. 160/1. § 21 gibt den § 371 RVO. wieder, vgl. im übrigen die Vordem, zu '§§ 20 ff.

§22.

Genügt bei einer Krankenkasse die ärztliche Behandlung oder Krankenhauspflege nicht den berechtigten Anforderungen der Erkrankten, so kann, vorbehaltlich des § 20 Abf. 3 bis 5, das Mberversicherungsamt nach Anhören der Kaffe jederzeit an­ ordnen, daß diese Leistungen noch durch andere Arzte oder Krankenhäuser zu gewähren find. Diese Anordnung soll nur auf solange getroffen werden, wie es ihr Zweck fordert, und bedarf, wenn sie über ein Jahr

§§ 22-24]

Knappschaftkgcsetz.

687

gelten soll, der Genehmigung des Ministers für handel und Gewerbe. wird die Anordnung nicht binnen der gesetzten Frist be­ folgt, so kann das Dberversicherungsamt selbst das Erforder­ liche auf Kosten der Kaffe veranlassen. Verträge, welche die Kasse mit Ärzten oder Krankenhäusern bereits geschlossen hat, bleiben unberührt. Die Kasse hat gegen diese Anordnungen und Maßnahmen binnen einer Woche die Beschwerde bei dem Minister für handel und Gewerbe. Nov. 12: KB. AH. S. 26.

§ 22 entspricht den Abs. 3—6 des Entw. von 1912, welche auf Grund eines Beschlußes der Kommission des AH. abgetrennt und in einen besonderen Paragraphen (§ 171 ag) verwiesen wurden, weil diese Bestimmungen sich sowohl auf die in § 171 f (jetzt § 20) geregelte ärztliche Versorgung bei den Krankenkassen, als auch auf die Krankenhausbehandlung gemäß § 171 g (jetzt § 21) beziehen - KB. AH. S. 26. Er gibt die §§ 372, 373 RVO. (s. Anhang) wieder. Bgl. im übrigen die Vordem, zu §§ 20 ff.

§23.

Für die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und den Zahnärzten gelten die §§ 20 Abs. (, 22 entsprechend. § 23 gibt den § 374 RVO. (s. Anhang) wieder. §24.

Die Satzung kann den Vorstand ermächtigen, innerhalb des Kassenbereichs oder mit Genehmigung des Versicherungsamts, in dessen Bezirke die Kasse ihren Sitz hat, darüber hinaus wegen Lieferung der Arznei mit einzelnen Apothekenbesitzern oder -Verwaltern oder, soweit es sich um die dem freien Verkehr überlassenen Arzneimittel handelt, auch mit anderen Personen, die solche feilhalten, Vorzugsbedingungen zu vereinbaren. Alle Apothekenbesitzer und -Verwalter im Bereiche der Kasse können solchen Vereinbarungen beitreten. Der Vorstand kann dann, von dringenden Fällen abgesehen und vorbehaltlich des Abs. 5, die Bezahlung der von anderer Seite gelieferten Arznei ablehnen. Genügt die Arzneiversorgung, die eine Kasse gewährt, nicht den berechtigten Anforderungen der Erkrankten, so gilt § 22 ent­ sprechend. Die Apotheken haben den Krankenkassen für die Arzneien einen Abschlag von den Preisen der Arzneitaxe zu gewähren.

688

Knappschastsgesetz.

[§§ 24-26

Der Minister für handel und Gewerbe bestimmt seine Höhe; er kann ihn für die einzelnen Apotheken davon abhängig machen, daß die Aaste aus ihnen mindestens zu einem be­ stimmten Betrage bezieht. Der für den Atz des Anappschaftsvereins oder der besonderen Arankenkasse (§ 5) zuständige Regierungspräsident setzt unter Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse und die im Handverkauf üblichen Preise die Höchstpreise von solchen einfachen Arznei­ mitteln fest, welche sonst ohne ärztliche Verschreibung (im Hand­ verkauf) abgegeben zu werden pflegen. Diese Höchstpreise dürfen einen Betrag nicht überschreiten, der sich nach Abs. 3 ergibt. Der Minister für Handel und Gewerbe kann näheres anordnen. Beziehen die Berechtigten die im Abs. 4 bezeichneten Arznei­ mittel zu einem Preise, der die Festsetzung nicht übersteigt, aus einer Apotheke, so kann der Regierungspräsident anordnen, daß die Aaste die Bezahlung nicht deshalb ablehnen darf, weil sie nach Abs. s mit Personen, die nicht Apothekenbesitzer oder -Ver­ walter sind, niedrigere Preise vereinbart hat.

§ 24 gibt die §§ 375, 376 RVO. (s. Anhang) wieder, jedoch sind, um, falls sich der Knappschaftsverein über die Bezirke mehrerer Versicherungsämter erstreckt, das zuständige Versicherungs­ amt bestimmen zu können, hinter den» Worte Versicherungsamt in Abs. 1 Satz 1 die Worte: „in dessen Bezirk die Kasse ihren Sitz hat" eingeschaltet worden/ Begr. 12 S. 25/6. Vgl. im übrigen die Vordem, zu den §§ 20 ff. § 25.

Erstreckt sich ein Anappschaftsverein oder eine besondere Arankenkasse (§ 5) über die Bezirke mehrerer Gberversicherungsämter, so werden die in den §§ 20 Abs. 3 und 4, 2 \ Abs. 2,22 Abs. s und 3, 24 Abs. 2 bezeichneten Ausgaben von demjenigen Dberversicherungsamte wahrgenommen, in dessen Bezirke der Verein oder die Aaste den Sitz hat. § 25 regelt entsprechend den in der Anm. zu § 24 für die Versicherungsämter angegebenen Gründen die Zuständigkeit der Oberversicherungsämter, falls sich ein Knappschaftsverein über den Bezirk von mehreren dieser Ämter erstreckt. Vgl. im übrigen die Vordem, zu den §§ 20 ff.

§26. Die mit Ärzten, Zahnärzten, Arankenhäusern und Apothekern oder anderen Personen, welche die den, freien Verkehr über-

88 26. 27]

Knappschaftsgesetz.

689

lassenen Arzneimittel feilhalten (§ 24 Abs. (), abgeschlossenen Verträge find dem Gberbergamte mitzuteilen. § 26 entspricht dem bisherigen § 171b Abs. 5 ABG., dehnt seine Anwendbarkeit aber auch auf die im § 24 bezeichneten „anderen Personen, welche die dem freien Verkehr überlassenen Arzneimittel feilhalten", aus. Vgl. im übrigen die Vordem, zu den §§ 20 ff.

§27.

Diejenigen Arbeiter, welche gemäß § 9 Abs. s und 3 der Arankenkasse des Anappschaftsvereins oder einer besonderen Arankenkasse (§ 5) als Mitglieder angehören, sowie diejenigen Beamten, deren regelmäßiger Iahresarbeitsverdienst zweitausend Mark an Entgelt nicht übersteigt, sind ohne Antrag als Mit­ glieder in die Pensionskasse des Anappschaftsvereins aufzunehmen, sofern sie den in den Satzungen aufgestellten Erfordernissen über Lebensalter und Gesundheit genügen. Als Erfordernis für die Aufnahme darf das Mindestlebensalter nicht über achtzehn Jahre und das Höchstlebensalter nicht unter vierzig Jahre festgesetzt werden. Die Beamten mit einem regelmäßigen Iahresarbeitsverdienste von mehr als zweitausend Mark sind, auch wenn ihr jährliches Gesamteinkommen viertausend Mark übersteigt, unter den im Abs. \ bezeichneten Voraussetzungen berechtigt, den Pensions­ kassen als Mitglieder beizutreten. Arbeiterinnen können durch die Satzung von der Mitglied­ schaft in der Pensionskasse ausgeschlossen werden. Personen, welche wegen Nichterfüllung der fatzungsmäßigen Erfordernisse nicht als Mitglieder in die Pensionskasse ausgenommen werden, dürfen zur Zahlung von pensionskassenbeiträgen nicht herangezogen werden. Indessen können Personen, welche durch ihr Verhalten die Feststellung nicht ermöglichen, ob die satzungs­ mäßigen Erfordernisse für ihre Aufnahmepsiicht vorliegen, bis zur Ermöglichung dieser Feststellung bereits zur Zahluug der pensionskassenbeiträge herangezogen werden. Auf die Leistungen der Pensionskasse erlangen diese Personen erst dann Anwart­ schaft, wenn ihre Aufnahmefähigkeit festgestellt ist, und zwar erst vom Zeitpunkte dieser Feststellung ab.

Nov. 06: Mot. 12/3, KB. AH. S. 24-31. Nov. 12: Mot. S. 26 (107). 1. § 27 entspricht dem bisherigen § 172 ABG. in der Fassung der Novelle von 1912.

690

Knappschaftsgesetz.

[§ 27

Die Absätze 1 und 2 sind mit der Verkündung der Novelle von 1912 in Kraft getreten, vgl. Art. IV ders. im Anhang. 2. Die Änderungen in Abs. 1 und 2 waren erforderlich, weil für die Beamten bezüglich ihrer Mitgliedschaft bei den Penfionskasscn die Einkommensgrenze von 2000 M., welche durch die Novelle hinsichtlich der Krankenkassen auf 2500 M. (§ 9 Abs. 3) erhöht wurde, beibehalten worden ist, Begr. 12 S. 26. 3. Die Vorschriften des Knappschaftsgesetzes über die Pensionskassen sind nicht erschöpfend, es ist vielmehr der statutarischen Bestimmung ein weiter Spielraum gelassen, so z. B. hinsichtlich der Bildung von Mitgliederkassen und der Zuweisung der Mitglieder in diese, Reuß Anm. 2 zu 8 27. 4. Alle Personen, welche zur Mitgliedschaft in der Kranken­ kasse verpflichtet sind, gehören ohne weiteres auch der Pensionskasse an, sofern sie den in der Satzung hinsichtlich des Lebensalters und der Gesundheit aufgestellten Erfordernissen entsprechen, Begr. 06 S. 13. Weitere Erfordernisse für die Aufnahme darf — abgesehen von dem Falle des Abs. 3 — die Satzung nicht aufstellen, es sind daher z. B. auch die sog. Unternehmerarbeiter (§ 9 Anm. 4Aa) pensionskassenpflichtig. Alle Anträge^ durch welche die satzungs­ mäßige Ausschließung gewisser Arbeiter bzw. Arbeiterklassen er­ möglicht werden sollte, hat die Kommission des AH. bei Bera­ tung der Novelle von 1906 abgelehnt, KB. AH. 06 S. 24, 29-31. Hierin liegt eine sehr erhebliche Umgestaltung des vorher bestehenden Zustandes, nach welchem die sog. Minderberechtigten zwar Beiträge zahlen mußten, Pensionsansprüche aber überhaupt nicht oder doch unter unerfüllbaren Bedingungen hatten und ein Zwang, in die Klasse der Meistberechtigten sich aufnehmen zu lassen, nicht bestand, Begr. 06 S. 13. Das Vorhandensein der satzungsmäßigen Erfordernisse über Lebensalter und Gesundheit ist nicht Voraussetzung der An­ nahme zu knappschaftspflichtiger Beschäftigung, die dahingehende Feststellung kann vielmehr auch nach der Annahme erfolgen, Reuß Anm. 4 zu 8 27. 5. Die beitrittsberechtigten Beamten können zum Beitritte zur Pensionskasse nicht gezwungen werden, Rek.-Besch. v. 17. Aug. 1895, Z. Bd. 37 S. 121. Andererseits ist aber bei ihnen die Mitgliedschaft zur Krankenkasse nicht Voraussetzung der Aufnahme in die Pensionskasse. Reuß Anm. 5 zu 8 27. 6. Die gemäß Abs. 3 bestehende Möglichkeit, Arbeiterinnen von der Pensionskassenmitgliedschaft auszuschließen, entspricht dem bisherigen Rechtszustand und ist in den besonderen Verhältnissen dieser Klasse sachlich begründet, Begr. 06 S. 14, KB. AH. 06 S. 29 ff. 7. Abs. 4 beruht auf der Erwägung, daß Personen, die wegen Nichterfüllung der satzungsmäßigen Erfordernisse nicht in die Pensionskasse ausgenommen werden können, auch keine Bei-

§27]

Knappschaftsgesetz.

691

träge zu derselben zu zahlen brauchen,- daß aber von solchen Per­ sonen, die durch ihr Verhalten, z. B. dadurch, daß sie sich der vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchung nicht unterziehen, die Feststellung des Vorliegens dieser Erfordernisse unmöglich machen, Beiträge zunächst erhoben werden dürfen und zwar solange, bis die von ihnen der Feststellung entgegengesetzten Hindernisse be­ hoben sind, Begr. 06 S. 14. Es ist daher auch zulässig, daß die Knappschaftsvereine zunächst, bis diese Feststellungen getroffen sind, alle zur Mitglied­ schaft in der Krankenkaffe verpflichteten Personen zu Pensions­ kaffenbeiträgen heranziehen, Urt. des OSchG. v. 17. Dez. 1908, Z. Bd. 50 S. 280; vgl. auch die übrigen bei Reuß Anm. 9 zu § 27 angezogenen Entsch. des OSchG. Ergeben die Ermitt­ lungen, daß eine Aufnahme in die Kasse nicht erfolgen kann, so verbleiben die bis dahin erhobenen Beiträge gleichwohl der Pen­ sionskasse; vgl. Urt. des OSchG. v. 8. Juni 1911 bei Reuß a. a. O. Vorbemerkung zu den §§ 28 und 29. Nov. 12: Mot. S. 21 (104), 33 (111), KB. AH. S. 12-14, KB. HH. S. 161. Literatur: Bertrams, Die Grubenbeamtenverstcherung im Ruhrkohlen­ bergbau und das Berstcherungsgesetz für Angestellte, Glückauf 1912 S. 358, 399ff., Butz, Das Berstcherungsgesetz für Angestellte, Glückauf 1912 S. 1492 ff.

Durch diese Bestimmungen soll den Knappschaftsvereinen die sachgemäße Anpassung an die Vorschriften des Versiche­ rungsgesetzes für Angestellte vom 20. Dezember 1911 (RGBl. S. 989) ermöglicht werden. Die Begründung der No­ velle von 1912 S. 21 ff. führt hierzu folgendes aus: „Dieses Gesetz sieht für die nach ihm versicherten Personen Unterstützungen der gleichen Art vor, wie sie den Beamten der Bergwerke usw. schon von den Knappschaftsvereinen auf Grund des Berggesetzes gewährt werden, nämlich Pensionen für den Fall der Berufsunfähigkeit und Hinterbliebenenrenten. Grundsätzlich sind auch die Beamten der Bergwerke der neuen Reichsversiche­ rung, die sich als Zwangsversicherung darstellt, unterworfen; auf die nach Landesgesetz bestehende knappschaftliche Versicherung ist in dem Reichsgesetze nur insofern Rücksicht genommen, als die §§ 387 und 388 'Sondervorschriften über eine erleichterte Durch­ führung der Versicherung bei den Knappschaftsvereinen enthalten. Diese Paragraphen greifen nicht, wie zahlreiche Vorschriften der RBO., unmittelbar ändernd in den Knappschaftstitel ein. Bei näherer Prüfung läßt sich aber die Notwendigkeit nicht abweisen, die besonders auch von den Knappschaftsvereinen betont worden ist, die bisherigen Bestimmungen über die knappschaftliche Ver­ sicherung der Beamten zu ergänzen, um eine sachgemäße Durchfüh­ rung des Angestelltenversicherungsgesetzes zu ermöglichen und

692

Knappschaftsgesetz.

[§ 27

namentlich die Voraussetzungen zu schaffen, unter denen die Knappschaftsvereine auf Grund ihrer Satzungen bezüglich der Beamtenmitglieder Zuschußkassen oder Ersatzkosten im Sinne des Reichsgesetzes werden können." Weiter führt die Begründung folgendes aus: „Nach § 388 des Versicherungsgesetzes für Angestellte vom 20. Dez. 1911 können Knappschaftsvereine auf den Antrag des Vorstandes oder der Mehrheit der Beamtenmitglieder, soweit sie dem Reichsgesetz unterworfen sind, durch den Bundesrat als Er­ satzkassen im Sinne der 88 372 ff. zugelassen werden, wenn sie den in 88 375 und 377 bezeichneten Voraussetzungen genügen, d. h. die Leistungen der Knappschaftsvereine müssen denen der Reichsver­ sicherung mindestens gleichwertig und in dieser Höhe gewährleistet sein. Ferner müssen die Beiträge der Werksbesitzer als Arbeitgeber min­ destens den reichsgesetzlichen Arbeitgeberbeiträgen — das sind 4 Pro­ zent des versicherten Einkommens der Beamten (vgl. Begründung zu 88 172 bis 175 des Entwurfs, Nr. 1035 der Drucksachen des Reichstags 12. Legislaturperiode II. Session 1909/1911 S. 135 ff. und 88 16, 172, 178 des Gesetzes) — und, soweit die Beiträge der Versicherten höher sind, diesen gleichkommen . . . Insoweit Knappschastsvereine nicht Ersatzkassen werden — womit sie völlig an die Stelle der Neichsversicherungsanstalt treten —, können sie von der Regelung nach 8 387 des Angestelltenversicherungsgesetzcs Gebrauch machen, d. h. sie können die reichsgesetzlichen Leistungen ganz oder zum Teil auf ihre satzungsmäßigen Leistungen anrechnen, wofern die dem angerechneten Betrage entsprechenden Beiträge zur reichsgesetzlichen Versicherung aus den Mitteln des Knappschaftsvereins an die Reichsversicherungsanstalt bezahlt werden und die Arbeitgeber mindestens die Hälfte der aus den Mitteln des Knappschaftsvereins zu zahlenden reichsgesetzlichen Beiträge entrichten. Die Knappschaftsvereine werden dann Zu­ schußkassen im Sinne der 88 365 ff. des Angestelltenversicherungs ­ gesetzes. Die Erfordernisse dieser Regelung im einzelnen ergeben sich aus dem Inhalt des 8 387 und der dort angezogenen weiteren Bestimmungen des Reichsgesetzes. Schließlich sind noch Fälle denkbar, in denen sich für Knapp­ schaftsvereine weder die Regelung nach 8 388 noch nach 8 387 empfiehlt. So sind auf größeren Werken vielfach (z. B. in Ober­ schlesien) für die Beamten besondere private Pensionskassen vor­ handen, deren Zulassung als private Ersatzkaffen angestrebt wird. Falls diese Pensionskaffen bei hinreichender Leistungsfähig­ keit als Ersatzkassen anerkannt werden, genügen die Beamten durch die Beteiligung bei ihnen der reichsgesetzlichen Versiche­ rungspflicht und sie haben einen gesicherten Anspruch auf eine der reichsgesetzlichen gleichwertige Fürsorge, so daß die Not­ wendigkeit der Versicherung bei der Knappschaft entfällt. Ferner kann die Aufhebung der knappschaftlichen Versicherung der Beamten bei kleineren Vereinen zweckmäßig erscheinen, die den Beamten-

§§ 27. 28]

Knappschaftsgesetz.

693

mitgliedern nur geringe Leistungen gewähren und die durch das Reichsgesetz vorgeschriebene erweiterte Beamtenfürsorge der Reichs­ versicherungsanstalt zu überlasien wünschen. Auf die vorstehend dargelegten Möglichkeiten ist in dem Ent­ wurf Rücksicht zu nehmen, indem Bestimmungen vorgesehen werden, die nach den verschiedenen Richtungen hin eine sachgemäße Durchführung der Angestelltenversicherung ermöglichen. Welche Stellung die Vereine im einzelnen einnehmen wollen, ist ebenso, wie in dem Anqestelltenverstcherunasaesetz, ihrer freien Entschließung zu überlasten." Begr. 1912 S. 33. § 28.

Für die Beamten kann eine besondere Abteilung der pen= fionskasse eingerichtet werden. Geschieht dies, so ist die Rech­ nungsführung nach Arbeiterabteilung und Beamtenabteilung getrennt vorzunehmen. Für den im Abs. s bezeichneten Fall kann durch die Satzung bestimmt werden: s. daß die im § 27 Abs. 2 bezeichneten Beamten mit einem regelmäßigen Iahresarbeitsverdienste von mehr als zwei­ tausend bis fünftausend Mark zum Seilritte zur Pensions­ kasse und die Werksbesitzer zur Beitragsleistung für diese Beamten nach § 36 Abs. ( Satz 2 verpflichtet sind; 2. daß die Mitglieder der besonderen Abteilung nach näherer Bestimmung der Satzung an den Entscheidungen der Vereinsorgane über die Leistungen der Abteilungen zu beteiligen sind. Über die Bildung der besonderen Beamtenabteilung (Abs. ()

und die für diesen Fall zu treffenden Satzungsbestimmungen beschließt die Generalversammlung. Ihr Beschluß bedarf der Bestätigung des Gberbergamts. Wird die Bildung der besonderen Beamtenabteilung oder werden die für die besondere Beamtenabteilung zu treffenden Satzungsbestimmungen von der Generalversammlung nicht be­ schlossen, so entscheidet auf Antrag der Mehrheit der Merks­ besitzer oder der Mehrheit der Beamten der.Minister für handel und Gewerbe nach Anhörung des Unappschaftsvorstandes dar­ über, ob die Bildung der besonderen Beamtenabteilung zu er­ folgen hat und welche Satzungsbestimmungen als beschlossen anzusehen sind. Nov. 12: Mot. S. 34-37 (111-113).

1. Zu 8 28 ist folgende Begründung gegeben: In ihm sind „diejenigen Erweiterungen des Gesetzes vor-

694

KnappschaftSgefetz.

[§ 28

gesehen, die für die Zuschußkassen und für die Ersatzkaffen er­ forderlich erscheinen (vgl. Vordem.). Eine sachgemäße Durchführung der Vorschriften der §§ 387 und 388 des Angestelltenversicherungsgesetzes setzt die Bildung besonderer Beamtenabteilungen voraus. Diese ist nach § 172 Abs. 3 des gegenwärtigen Gesetzes (von 1906) schon jetzt zulässig. Die allgemeine Vorschrift, daß eine Beamten­ abteilung eingerichtet werden kann, bedarf aber der näheren Aus­ gestaltung, namentlich nach der Richtung hin, daß durch die Bereinssatzung für sämtliche Beamten mit einem Einkommen bis zu 5000 Mark, der Grenze für die Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes, der Beitrittszwang ausgesprochen werden kann. Nach den bisherigen Bestimmungen des § 172 (jetzt § 27) Abs. 2 des Berggesetzes sind die Beamten mit einem Einkommen über 2000 Mark berechtigt, den Pen­ sionskassen der Knappschaftsvereine als Mitglieder beizutreten. Durch Satzungsvorschrift die gesetzliche Beitnttsberechtigung in einen Beitrittszwang umzuwandeln, ist nicht zulässig. (Vgl. Rek.-Besch. v. 17. Äug. 1893, Z. f. B. Bd. 37 S. 121.) Es bedarf dazu vielmehr der ausdrücklichen Ermächtigung durch das Gesetz, wie sie in dem Entwurf ausgesprochen wird. Von dieser Ermächtigung werden zunächst diejenigen Knappschastsvereine Ge­ brauch zu machen haben, die ihre Zulassung als Ersatzkassen zu erreichen wünschen. Wenn auch § 374 des Angestelltenversicherungsgesetzes, wonach den privaten Ersatzkassen sämtliche Versiche­ rungspflichtigen der Unternehmungen, für die sie errichtet sind, angehören müssen, auf Knappschaftsvereine nicht anwendbar ist (vgl. Bericht der Reichstagskommission Nr. 1198 der Drucksachen 12. Legislaturperiode II. Session 1909/1911 S. 65 zu § 380), so ist doch anzunehmen, daß der Bundesrat die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 388 a. a. O. nicht als gegeben an­ sehen wird, wenn nur ein Teil der Beamten der Knappschafts­ pensionskasse beitritt, während ein anderer Teil sich bei der Reichsanstalt versichert. Namentlich die Leistungsfähigkeit der Kaffe, die durch die Zahl der Mitglieder und die gleichmäßige Ver­ teilung der Risiken wesentlich beeinflußt wird, würde in einem solchen Falle voraussichtlich nicht für hinreichend dargetan erachtet werden. Aber auch für die Zuschußkaffen ist die statutarische Ein­ führung des Beitrittszwanges von wesentlicher Bedeutung. Bliebe es in das Belieben der Beamten gestellt, ob sie der Pensionskasse beitreten wollen oder nicht, so würde nicht allein durch den dann mög­ licherweise eintretenden Zustand, daß die Beamten desselben Berg­ werks teils der Knappschaft angehören und durch deren Vermitte­ lung als Zuschußkaffe die Beiträge zur Reichsversicherungsanstalt entrichten, teils die Versicherung unmittelbar bei der Reichsanstalt nehmen, die Rechnungsführung erschwert, sondern es würde hier­ von auch die finanzielle Entwicklung und Leistungsfähigkeit der Kasse wesentlich berührt werden. Denn es würden der Kasse voraussichtlich nur diejenigen Beamten beitreten, die ein besonderes

§28]

Knappschaftsgesetz.

695

Interesse an den höheren Leistungen der Zuschußkasse für sich und ihre Angehörigen haben, also besonders ältere und verheiratete Personen, während die besseren Risiken bei der für sie billigeren Reichsanstalt blieben. Ferner ist durch das Gesetz noch auszusprechen, daß im Falle der Errichtung einer besonderen Beamtenabteilung die Bergwerksbesitzer durch die Satzung zur Zahlung der Hälfte der Beiträge abweichend von der gesetzlichen Regel des § 174 Abs. 2 (jetzt § 36 Abs. 3) des Knappschaftsgesetzes verpflichtet werden können. Diese Verpflichtung muß den Bergwerksbesitzern sowohl bei den Ersatzkassen (vgl. § 388 in Verbindung mit § 377 des Angestelltenversicherungsgesetzes) wie bei den Zuschußkassen (vgl. § 387 Abs. 1 a. a. O. und § 174 (jetzt 8 36) Abs. 1 Satz 2 des Knappschaftsgesetzes) als satzungsmäßige Leistung auferlegt werden." Begr. 1912 S. 34, 35. 3. Zu Abs. 1: „Hierhin ist die bisherige Vorschrift des § 172 Abs. 3 übernommen und ferner nach dem Vorgänge des § 168 bestimmt, daß die Rechnungsführung nach Arbeiterabteilung und Beamtenabteilung getrennt vorzunehmen ist. Diese Bestimmung reicht als gesetzliche Grundlage für die Vornahme der Errichtung und Abtrennung der besonderen Beamtenklasse aus- die Regelung der Einzelheiten ist der Satzung zu überlassen. Die Schaffung einer eigenen Organisation für die Beamtenabteilung erscheint unnötig und bei kleineren Knappschaftsvereinen nicht einmal durch­ führbar. Zudem würde sie mit den bestehenden gesetzlichen Vor­ schriften über die Verwaltung der Knappschaftsvereine unverein­ bar sein. Im Falle der Bildung einer innerhalb des Vereins bestehenden selbständigen Beamtenabteilung müßte den Beamten eine besondere Vertretung bei der Verwaltung des Gesamtvereins zugestanden werden. Nach den Bestimmungen des Knappschaftsges. v. 9. Juni 1906 (§ 180 Abs. 1), die auf Grund langwieriger Kompromißverhandlungen in der Kommission des Abgeordneten­ hauses zustande gekommen sind, können Beamte aber in den Vor­ stand nur gewählt werden, soweit sie beitrittspflichtige Knapp­ schaftsälteste sind. Die Forderung, daß den Beamten als solchen ohne jene Einschränkung Sitz und Stimme im Knappschaftsvorstande eingeräumt werde, ist bei den erwähnten Kompromißver­ handlungen abgelehnt worden (vgl. den Bericht der Kommission, Drucksache Nr. 302 des AH., 20. Legislaturperiode II. Session 1905/06 S. 93, 94). Die vorgesehene getrennte Rechnungsführung hat zur Folge, daß für die Arbeiterabteilung und die Beamtenabteilung besondere Etats aufgestellt, die Einnahmen und Ausgaben besonders gebucht und die Beiträge besonders festgesetzt werden müssen. Was den letzten Punkt anbelangt, so muß bei Zuschußkassen und bei den Ersatzkaffen nach dem Reichsgesetz der Arbeitgeberbeitrag mindestens der Hälfte der reichsgesetzlichen Arbeitgeberbeiträge gleichkommen (§§ 387 Abs. 1 Satz 2, 388 Abs. 1 in Verbindung mit 377). Hieraus ergibt

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Knappschaftsgesetz.

[§ 28

sich daß in der Beamtenabteilung Beiträge mindestens in Höhe der reichsgesetzlichen Beiträge zur Angestelltenversicherung zu zahlen sind- innerhalb der Beamtenabteilung werden die Bei­ träge nach der Lohnhöhe entsprechend den im § 16 des Angestellten­ versicherungsgesetzes bezeichneten Gehaltsklassen abzustufen sein. Schon dieser Umstand weist auf die Notwendigkeit einer gesonderten Festsetzung der Beiträge für die Beamtenabteilung hin. Diese Notwendigkeit folgt aber auch aus den landesgesetzlichen Be­ stimmungen, und zwar aus § 172b (jetzt § 31) Abs. 1 Satz 2 des Berggesetzes, wonach der Betrag der Steigerungssätze sowohl für die Jnvalidenpensionen wie für die Witwenpensionen und — soweit für die Pensionskassenlcistungen Mitgliederkassen bestehen — auch für jede Mitgliederklasse besonders festzusetzen ist, sowie ferner aus der Vorschrift des § 175c (jetzt § 40) Abs. 3, daß in den verschiedenen Mitglicderklassen die Beiträge für die einzelnen Mitglieder gleich zu bemessen und lediglich nach der durchschnitt­ lichen Höhe der in denselben zu gewährenden Jnvalidenunterstützungen abzustufen sind. Unter Hinweis auf diese Bestimmungen ist bei der Beratung des § 172 Abs. 3 des Knappschaftsgesetzes (von 1906) in der Kommission des Abgeordnetenhauses von dem Regiernngsvertreter mehrfach ohne Widerspruch ausgeführt worden, es könne nicht zweifelhaft sein, daß int Falle der Errichtung einer besonderen Beamtenabteilung die Beiträge nach der Absicht der Gesetzes so zu Gemessen sind, daß sie zur Deckung der Leistungen nach dem Grundsatz des § 175c (jetzt § 40) Abs. 2 ausreichen die Heranziehung von Arbeiterbeiträgen für die Leistungen an die Beamten ist unstatthaft (vgl. Kommissionsbericht S. 26 bis 28, 106 und 112). Ergibt sich hiernach die Notwendigkeit getrennter Beitragsfestsetzung zweifelsfrei aus den landesgesetzlichen Be­ stimmungen, so kann von der Aufnahme des § 387 Abs. 1 Satz 3 zweiter Halbsatz des Angestelltenversicherungsgesetzes, der bezüglich der Zuschußkassen die getrennte Festsetzung der Beiträge ausdrück­ lich vorschreibt, unbedenklich abgesehen werden (vgl. hierzu auch KB. AH. 12 S. 12—14). Auch sonst erscheinen Einzelbestimmungen über die Durch­ führung der rechnungsmäßigen Trennung nicht erforderlich. Namentlich bedarf es keiner besonderen Vorschrift über die Er­ haltung der bis zur Abtrennung der Beamtenabteilung erworbenen Ansprüche und Anwartschaften, denn aus der allgemeinen Regel des § 172b (jetzt § 31) Abs. 1 des Berggesetzes, wonach die Be­ messung der Jnvalidenpensionen und der Witwenpensionen ledig­ lich nach Steigerungssätzen stattfindet, folgt ohne weiteres, daß die bis zur Bildung der Beamtenabteilung erdienten Steigerungs­ sätze derjenigen Mitgliederklasse zur Last fallen, der die in die neue Abteilung übertretenden Beamten bisher angchört haben. Über die Durchführung einer etwa erforderlichett Vermögens­ auseinandersetzung zwischen der Arbeiterabteilung und der Beamtenabteilung Bestimmung zu treffen, ist Sache der nach Abs. 3

§§ 28. 29]

Knappschaftsgesetz.

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von der Generalversammlung zu beschließenden Satzung. Diese unterliegt der Bestätigung des Oberbergamts, die nach § 169 (jetzt § 6) Abs. 2 des Knappschaftsgesetzes nur zu erteilen sein wird, wenn eine nach versicherungstechnischen Grundsätzen nicht zu be­ anstandende Verteilung des Aktiv- und Passivvermögens vorgesehen ist." Begr. 1912 S. 35 ff. 4. Zu Abs. 2. „Hier ist unter Nr. 1 die bereits oben er­ wähnte statutarische Einführung des Bersicherungszwanges für die Beamten mit einem Einkommen bis zu 5000 M. vorgesehen, der die Verpflichtung der Werksbesitzer, die Hälfte der Beiträge zu entrichten, gegenüberstehen muß. Zur Vermeidung von Zweifeln sei hervorgehoben, daß es bezüglich der Beitrittsberechtigung der Beamten mit einem Ein­ kommen von mehr als 5000 M. bei den bestehenden ^Bestimmungen verbleibt. Die unter Nr. 2 vorgesehene fakultative Beteiligung der Beamten an den Entscheidungen der Vereinsorgane über die Leistungen der Beamtenabteilung entspricht der Billigkeit und wird den Beamten namentlich größerer Vereine erwünscht fein. Ein Anspruch auf weitergehende Teilnahme an der allgemeinen Verwaltung über die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen hin­ aus kann jedoch aus den schon dargelegten Gründen durch die Satzung für die Beamten nicht begründet werden." Begr. 1912

5. Zu Abs. 3 und 4. „Die Bildung einer besonderen Be­ amtenabteilung ist im Wege der Satzungsänderung von der Generalversammlung des Knappschaftsvereins zu beschließen. Es ist jedoch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß ein Generalver­ sammlungsbeschluß nicht zustande kommt, obwohl die Bildung der besonderen Beamtenabteilung im Interesse sowohl der Be­ amten wie des Knappschaftsvereins läge. Mit Rücksicht hierauf ist dem Minister für Handel und Gewerbe nach dem Vorbilde des § 387 Abs. 5 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes die Be­ fugnis eingeräumt, unter den im Abs. 4 näher bezeichneten Voraussetzungen über die Bildung der besonderen Beamtenabteilung und die vorzunehmenden Satzungsänderungen Entscheidung zu treffen." Begr. 1912 S. 37. Der Mehrheit der Knappschaftsältesten steht das in Abs. 4 genannte Antragsrecht nicht zu, KB. AH. 12 S. 14. §29.

Ist ein Anappschaftsverein weder Zuschußkasse im Sinne des § 387 des Versicherungsgesetzes für Angestellte vom 20. De zember (9U (Reichs-Gesetzbl. 5. 989) noch als Lrsatzkaffe im Sinne des § 388 dieses Gesetzes zugelassen oder bei einer als Lrlatzkasfe zugelassenen Vereinigung von Anappschaftsvereinen beteiligt, so kann die Satzung bestimmen, daß die Beamten der

Knappschaftsgesetz.

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[§§ SS. 30

Penftonsfaffe als Mitglieder nicht angehören und, soweit sie ihr bisher angehört haben, ausscheiden, Für den letzteren Fall hat die Satzung zugleich über die Erhaltung der bis zu dem Ausscheiden erworbenen Ansprüche der Beamten auf die Pen­ sionskassenleistungen Bestimmung zu treffen. "Kommt ein Beschluß der Generalversammlung nach Abs. \ nicht zustande, so entscheidet auf Antrag der Mehrheit der Werks­ besitzer oder der Mehrheit der Beamten der Minister für handel und Gewerbe nach Anhörung des Anappschaftsvorstandes dar­ über, ob die Mitgliedschaft aufzuheben ist und welche Satzungs­ bestimmungen als beschlossen anzusehen sind. Nov. 12: Mot. 37 (113).

1. Vgl. die Vorbemerkungen zu den §§ 28 und 29. 2. Zu Abs. 1. „Hier ist für den Fall, daß ein Knapp­ schaftsverein aus den oben angedeuteten Gründen weder Zuschuß­ kasse noch Ersatzkasse wird, die Aufhebung der knappschaftlichen Versicherung durch die Satzung zugelassen und zwar sowohl für Beitrittspflichtige wie für Beitrittsberechtigte. Für die beitritts­ pflichtigen Beamten ist die Möglichkeit der Aufhebung hauptsäch­ lich deshalb vorzusehen, um das Eintreten einer gesetzlichen Doppel­ versicherung in Fällen, in denen sie der reichsgesetzlichen Versiche­ rungspflicht bei der Reichsanstalt oder bei der privaten Ersatzkasse genügen, zu vermeiden. In der Regelung der Erhaltung erworbener Ansprüche ist die Satzung frei und nicht durch die Vorschrift des § 172 (jetzt § 53) des Knappschaftsgesetzes gebunden. Die Erhaltung der Ansprüche braucht daher nicht notwendig von der Zahlung einer Anerkennungsgebühr abhängig geuiacht zu werden. Ob sich im einzelnen Falle die Einführung einer mäßigen Gebühr, der die Bedeutung einer Verwaltungskostengebühr zukommen würde, empfiehlt, bleibt der Entschließung der über die Satzungsänderung entscheidenden Organe überlassen." Begr. 1912 S. 37. 3. Abs. 2 beruht auf denselben Erwägungen, wie § 28 Abs. 4, es ist daher auf die in Anm. 5 zu demselben wiedergegebene Begründung zu verweisen. § 30.

Die Leistunzen, welche die Pensionskassen der Anappschafts­ vereine nach näherer Bestimmung der Satzung ihren Mitgliedern mindestens zu gewähren haben, sind: (. eine lebenslängliche Invalidenpension bei eingetretener Unfähigkeit zur Berufsarbeit; 2. eine Pension für die Witwen auf Lebenszeit oder bis zur Wiederverheiratung;

Knappschaftsgesetz.

699

3. eine Beihilfe zur Erziehung der Rinder verstorbener Mit­ glieder und Invaliden bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensjahres; 4. ein Beitrag zu den Begräbniskosten der Invaliden. Dem Mitglieds steht ein Anspruch auf Invalidenpension nicht zu, wenn die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich herbeigeführt ist. Die Gewährung der Invalidenpension kann ganz oder teil­ weise versagt werden, wenn das Mitglied die Arbeitsunfähigkeit bei Begehung eines durch strafgerichtliches Urteil festgestellten Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens sich zugezogen hat. In Fällen der letzteren Art kann die Invalidenpension, sofern der Versicherte eine im Inlands wohnende Familie besitzt, deren Unterhalt er bisher aus seinem Arbeitsverdienste bestritten hat, ganz oder teilweise der Familie überwiesen werden. Die Leistungen können durch die Satzung an die Zurück­ legung einer bestimmten Wartezeit gebunden werden. Die Wartezeit darf auf einen längeren Zeitraum als fünf Jahre nicht festgesetzt werden. Eine Invalidenpension nach Abs. f Nr. f ist bereits vor zurückgelegter Wartezeit zu gewähren, wenn die Arbeitsunfähig­ keit durch Verunglückung bei der Berufsarbeit verursacht ist. Steht eine der im Abs. f unter Nr. f bis 3 bezeichneten Unterstützungen einem Ausländer zu, so kann der Berechtigte, falls er einen Wohnsitz im Deutschen Reiche nicht besitzt oder seinen Wohnsitz im Deutschen Reiche aufgibt, mit dem drei­ fachen Iahresbetrage der Unterstützung abgefunden werden. Tritt in den Verhältnissen des Empfängers einer Invaliden­ pension eine Veränderung ein, welche ihn nicht mehr als unfähig zur Berufsarbeit erscheinen läßt, so kann ihm die Pension ent­ zogen werden. Nov. 06: Mot. S. 14-17, KB. AH. S. 32-35.

1. § 30 entspricht dem bisherigen § 172a ABG. 2. Inwieweit zur Ergänzung des Knappschaftsgesetzes die Vorschriften der RVO. im allgemeinen heranzuziehen sind, ist bereits in der Anm. 3 zu 8 9 dargelegt worden. Dieser Zu­ sammenstellung ist hier, wo es sich um die Pensionskassenleistungen im besonderen handelt, noch folgendes hinzuzufügen: A.

Unfallversicherung.

(Buch III der RVO.) Die Unfallsberufsgenossenschaften gewähren: a) bei Verletzung des Versicherten für die Dauer der völligen oder teilweisen Erwerbsunfähigkeit eine Rente. Die

Knappschaftsgesetz.

700

(§30

Leistungen beginnen mit der 14. Woche nach dem Unfälle, fällt aber das auf Grund der Krankenversicherung gewährte Kranken­ geld schon vor Ablauf der 13. Woche weg, so ist die Rente schon vom Tage des Wegfalls desselben zu entrichten, §§ 558 ff., 582 RVÖ.

b) bei Tötung des Versicherten eine Rente für die Hinter­ bliebenen vom Todestage an, §§ 586 ff. RVO. Hat der Knappschaftsverein die den Trägern der Unfall­ versicherung hiernach obliegenden Leistungen gewährt, so kann er Zahlung der Unfallentschädigung nach näherer Maßgabe der §§ 1527 ff. RVO. verlangen, haben dagegen diese bereits vor­ geleistet, so kann der Knappschaftsverein die Entschädigung auf seine Leistungeu anrechnen (§ 1529 KVO.). Näheres siehe bei Neuß S. 138. B.

Invaliden- und Hinterbliebcnenversicherung.

(Buch IV der RVO.) Über den Umfang der Versicherung vgl. Anm. 3 zu § 9. Gegenstand der Versicherung sind Invaliden- oder Alters­ renten sowie Renten, Witwengeld und Waisenaussteuer für Hinter­ bliebene (§ 1250 9??SO.) a) Invaliden- oder Altersrente erhält, wer die In­ validität oder das gesetzliche Alter nachweist, sowie die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft aufrechterhalten hat (§ 1251 RVO.). Ohne Rücksicht auf das Lebensalter erhält diese Rente der Ver­ sicherte, welcher infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen dauernd invalide ist, d. h. nicht mehr imstande ist, durch eine seinen Kräften und seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit ein Drittel von dem zu erwerben, was in denselben Verhältnissen lebende, geistig und körperliche gesunde Menschen zu verdienen pflegen (§ 1255 Abs. 1 und 2 RVO.) Altersrente erhält auch der nicht invalide Versicherte vom vollendeten 70. Lebensjahre an (§ 1257 RVO.) b) Den Hinterbliebenen wird gewährt: «) der dauernd invaliden Witwe nach dem Tode ihres Mannes eine Witwenrente nach näherer Maßgabe des § 1258 RVO., ß) den ehelichen Kindern unter 15 Jahren nach dem Tode des Vaters eine Waisenrente, ebenso den vaterlosen — hierzu gehören auch die unehelichen — Kindern unter 15 Jahren nach dem Tode einer Versicherten (§§ 1259 RVO.), y) dem erwerbsunfähigen Ehemann eine Witwerrente nach dem Tode der versicherten Ehefrau (§ 1260 RVO.), d) den ehelichen Kindern unter 15 Jahren eine Waisenrente nach dem Tode der versicherten Ehefrau, wenn der Ehemann erwerbsunfähig ist oder sich seiner Unterhaltungspflicht ent­ zogen hat (§§ 1260, 1261 RVO.),

§30]

Knappschaftsgesetz.

701

e) den elternlosen Enkeln des Versicherten unter 15 Jahren, deren Unterhalt er bestritten hat, eine Waisenrente, Z) ferner Witwengeld und Waisenaussteuer nach Maßgabe der 88 1264 und 1296. Wegen des Heilverfahrens vgl. Anm. 3 zu 8 9. Uber das Verhältnis der Ansprüche auf Grund der reichs­ gesetzlichen Unfallversicherung zu anderen Ansprüchen, z. B. auch der an die Knappschaftsvereine, vgl. die 88 1321, 1322. Danach sind letztere berechtigt, die reichsgesetzlich versicherten Mitgliedern zu gewährenden Invaliden- und Altersunterstützungen um höchstens den Wert der reichsgesetzlichen Bezüge zu ermäßigen, andererseits müssen sie aber alsdann die Beiträge, zum mindesten die der Kassenmitglieder, entsprechend herabsetzen, wenn nicht diese Ersparnisse zur Deckung der ihnen verbleibenden Leistungen er­ forderlich sind oder ihre Verwendung zu Wohlfahrtszwecken für Kassenangehörige von der Aufsichtsbehörde genehmigt wird. Die Hinterbliebenenunterstützungen der Knappschaftsvereine er­ mäßigen sich in solchen Fällen um den halben Wert der reichs­ gesetzlichen Bezüge der gleichen Art- die Unterstützungen der Vereine müssen aber unter Hinzurechnung der reichsgesetzlichen Bezüge mindestens um den Betrag des Reichszuschusses (8 1285) höher sein, als die satzungsmäßigen Unterstützungen ohne die Ermäßigung sein würden. Auch hier hat eine entsprechende Ermäßigung der Beiträge einzutreten. Durch die Satzung kann eine Verringerung oder der Ausschluß der hiernach zulässigen Unterstützungs- bzw. Beitragsermäßigungen bestimmt werden, vgl. a. Reuß S. 140, Schlüter-Hense S. 402. Besonderes gilt für die sog. „Sonderanstalten". Als solche sind für den preußischen Bergbau auf Grund des 8 1360 RVO. vom Bundesrat genehmigt worden: der Allgemeine Knappschaftsverein zu Bochum, der Saarbrücker Knappschaftsverein zu Saarbrücken und die Norddeutsche Knappschafts-Pensionskasse zu Halle a. S. Für diese gelten die Vorschriften der 88 1361 ff. RVO. Die Beteiligung bei einer Sonderanstalt steht der Versicherung bei einer Versicherungsanstalt gleich (8 1367 RVO.). Sie erhalten zu ihren reichsgesetzlichen Leistungen den Reichszuschuß(81368 RVO.). Versicherungsberechtigte in Betrieben, für welche eine Sonderan­ stalt besteht, können sich nur bei ihr fteiwillig versichern und beim Ausscheiden aus der Beschäftigung nur bei ihr die Versicherung gemäß 8 1234 fortsetzen oder sich bei ihr gemäß 8 1244 weiter­ versichern (8 1371 RVO.). 3. Die gemäß Abs. 1 zu gewährenden Leistungen entsprechen den im Abs. 1 Nr. 3—6 des 8 171 in seiner ursprünglichen Fassung vorgesehenen. Dagegen mußte die Bestimmung des 8 171 Abs. 2, nach welcher für die Knappschaftsmitglieder der am wenigsten begünstigten Klasse, wenn sie bei der Arbeit verunglücken, auch eine Invaliden-

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Knappschaftsgesetz.

[§ 30

Unterstützung gewährt werden mußte, schon aus dem formalen Grunde in Fortfall kommen, weil die gemäß der Novelle von 1906 noch minderberechtigten Mitglieder nur der Krankenkasse, der Pensionskasse aber überhaupt nicht angehören. Da übrigens durch Verunglückung bei der Arbeit arbeitsunfähig gewordene Krankenkassenmitglieder Anspruch auf Unfallrente an die Berufs­ genoffenschaft gemäß §§ 558 ff. RVO. (vgl. Anm. 3 zu § 9) haben und diese die bisher den minderberechtigten Mitgliedern gewährte Jnvalidenunterstützung erheblich übersteigt, so führt diese Abände­ rung zu einer Verbesserung der Lage der Minderberechtigten, Begr. 06 S. 15. 4. Die Leistungen sind „nach näherer Bestimmung der Satzung" zu gewähren. Diese hat mangels gesetzlicher Vorschriften vor allem die Bemeffung der Leistungen zu regeln. Sie kann aber auch innerhalb des Rahmens der gesetzlichen Vorschriften über das Bezugsrecht selbst Bestimmungen treffen und daher z. B. vorschreiben, daß in gewiffen Fällen die Witwenpension zu vexsagen ist, Urt. des OSchG. v. 19. Jan. 1911, Z. Bd. 52 S. 554, oder daß die Jnvalidenpension für die Dauer einer Strafhaft des Invaliden, bessert Ehefrau auszuzahlen ist, Urt. des OSchG. v. 16. Nov. 1911, Z. Bd. 53 S. 415/ jedoch sind gemäß dieser Entscheidung derartige Vorschriften als Ausnahmebestimmungen streng aus­ zulegen. Dagegen ist eine Satzungsbestimmung, nach welcher lediglich Organe des Knappschaftsvereins unter Ausschluß der nach § 70 Abs. 2 zugelaffenen Rechtsmittel über das Vorliegen der tatsäch­ lichen Voraussetzungen des Bezugsrechts zu entscheiden haben, utt« zulässig- Reuß Anm. 5 zu §30. 5. Kommen mehrere nacheinander erlassene Satzungen des­ selben Vereins in Frage, so ist diejenige maßgebend, zu deren Geltungszeit die den Anspruch begründende Tatsache, z. B. Ar­ beitsunfähigkeit ober Tod des Versicherten, zur Entstehung gelangt ist, und nicht etwa diejenige, welche zurzeit des Beginnes der Mit­ gliedschaft in Geltung war- Reuß Anm. 6 zu § 30 und die dort angezogenen Entscheidungen des OSchG. 6. Unfähigkeit zur eigentlichen bergmännischen Berufsarbeit, früher Arbeitsunfähigkeit, im Sinne der Ziff. 1 des Abs. 1 ist die Unfähigkeit zur Verrichtung einer jeden der wesentlichen berg­ männischen, Arbeiten unter Tage oder einer diesen wesentlichen bergmännischen Arbeiten gleichwertigen Arbeit auf Bergwerken; Urt. des OSchG. v. 26. Nov. 1908, Z. Bd. 50 S. 116. Genau das Entsprechende gilt nach diesem Urteil für die Unfähigkeit zur eigentlichen hüttenmännischen Arbeit- vgl. a. Rek.-Besch. v. 11. Okt. 1902, Z. Bd. 44 S. 165. Diese Unfähigkeit muß eine dauernde sein, und zwar ist dies schon dann anzunehmen, wenn dieselbe über die Höchstdauer

§30]

Knappschaftsgesetz.

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des Krankengeldbezuges hinausgeht- Urt. des OSchG. v. 16. Dez. 1908, v. 16? Febr. 1910, Z. Bd. 50 S. 270, Bd. 51 S. 505. Trotz Unfähigkeit zu den wesentlichen bergmännischen Arbeiten liegt aber Invalidität dann nicht vor, wenn das Mitglied a) eine, wenn auch nur vereinzelt auf Bergwerken vor­ kommende gleichwertige Arbeit tatsächlich dauernd verrichtet oder ihm doch die greifbare Möglichkeit zu solcher Verrichtung ge­ geben ist; b) entweder zu so häufig auf Bergwerken vorkommenden, den wesentlichen bergmännischen Arbeiten gleichwertigen Arbeiten oder zu so vielen Arten derartigerArbeiten noch fähig ist, daß die Beschränkung der Arbeitsfähigkeit des Mitgliedes in ihrem wirtschaftlichen Er­ folge nicht dem Verluste der Fähigkeit zur Verrichtung der auf Berg­ werken vorkommenden Arbeiten als gleichwertig anzusehen ist; Urt. des OSchG. v. 24. Nov. 1910, Z. Bd. 52 S. 284 ff.,- vgl. a. Urt. des OSchG. v. 13. März 1912, Beschl. des Bayr. Verw.Gerichtshofes in München v. 20. Nov. 1911, Z. Bd. 53 S. 532,540, wo Arbeitsunfähigkeit verneint ist, solange der Arbeiter imstande ist, Arbeiten über Tage ohne Einschränkung zu verrichten. Ebenso gilt nicht als Invalide, wer nur zu vereinzelt auf Bergwerken vorkonimenden Arbeiten befähigt und auch mit solchen beschäftigt ist, diesen Posten aber, ohne durch Herabminderung der Arbeitsfähigkeit gezwungen zu sein, aufgibt und damit selbst die Unmöglichkeit herbeiführt, ihn seinen Fähigkeiten entsprechend zu be­ schäftigen; Entsch. des OSchG. v. 28. Sept. 1911, Kompaß 1911 S. 327, Reuß S. 145. Andererseits beweist aber auch die tatsächliche Ausübung der Berufsarbeit nicht ohne weiteres die körperliche Fähigkeit dazu im Sinne des Gesetzes; Urt. des OSchG. v. 24. Nov. 1910, Reuß S. 146. Für die Frage, ob Unfähigkeit zur Berufsarbeit vorliegt, sind lediglich die körperlichen Verhältnisse des Mitgliedes ent­ scheidend, außerhalb seiner Person liegende Umstände, z. 95, Mangel an Gelegenheit zu bergmännischer Arbeit, sind unerheblich; Urt. des OSchG. v. 22. April 1909, Z. Bd. 50 S. 615. Als Zeitpunkt des Eintritts der Invalidität ist nicht der Zeitpunkt anzusehen, in welchem der körperliche Zustand des Mitglieds als ein solcher zuerst erkannt oder erkennbar geworden ist, der dauernd die Fähigkeit des Mitglieds zur Berufsarbeit aus­ schließt, sondern der Zeitpunkt, von welchem ab — objektiv be­ trachtet — die Arbeitsfähigkeit des Mitglieds aus einer die dauernde Arbeitsunfähigkeit' bedingenden Ursache aufgehoben ge­ wesen ist; Urt. des OSchG. v. 16. Dez. 1908, Z. Bd. 50 S. 272 ff. Bei Streitigkeiten über die Fähigkeit zur Berufsarbeit ist das Schiedsgericht nicht auf die Beurteilung des Zustandes des Mitgliedes zurzeit des angefochtenen Bescheides beschränkt, es kann vielmehr der Zustand in der Zeit von der Erhebung des

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Knappschaftsgesi tz.

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Anspruchs an bis zum Erlasse des Urteils berücksichtigt werden,' Urt. des OSchG. v. 16. Febr. 1910, Z. Bd. 51 S. 638. Die durch den Nachweis der Invalidität erforderlich ge­ wordenen besonderen Kosten hat in Ermangelung einer ander­ weitigen Satzungsbestimmung oder Vereinbarung der Pensions­ bewerber zu tragen- Urt. des OSchG. v. 22. April 1909, Z. Bd. 50 S. 622. 7. Als Witwe im Sinne der Ziff. 2 des Abs. 1 ist eine ihres Ehemannes durch den Tod beraubte Ehefrau, nicht aber z. B. auch eine geschiedene Ehefrau, deren früherer Ehemann ge­ storben ist, anzusehen,' Urt. des OSchG. v. 17. Dez. 1908, Z. Bd. 50 S. 277. Die rechtskräftige Abweisung des von einem Knappschaftsmitgliede geltendgemachten Jnvalidenpensionsanspruchs kann seiner die satzungsmäßige Witwenpension verlangenden Witwe nicht entgegengehalten werden, da die Rechtskraft einer Entscheidung nur zwischen den Parteien und ihren Rechtsnachfolgern gilt. Auch kann die knappschaftliche Witwenpension nicht etwa als ein Teil der dem Ehemann der Witwe erwachsenen Jnvalidenpension an­ gesehen werden, welcher nach deni Tode des Ehemannes der Witwe zufällt, der Pensionsanspruch der Witwe stellt vielmehr einen völlig selbständigen, in ihrer Person entstandenen, eigenen An­ spruch der Witwe dar,' Urt. des OSchG. v. 24. Aug. 1908, Z. Bd. 49 S. 546 ff. 8. Unter Nr. 4 des Abs. 1 sind in Abweichung von der ur­ sprünglichen Fassung nur die Begräbniskosten der Invaliden er­ wähnt, da den aktiven Mitgliedern die entsprechende Leistung gemäß § 13 Abs. 1 durch die Krankenkasse gewährt wird,' Begr. 06 S. 15. Die Bestimmung erstreckt sich auch auf die am l.Jan. 1908 vorhanden gewesenen Invaliden- Entsch. des OSchG. v. 11. Juni 1908, Z. Bd. 49 S. 530. 9. Zu Abs. 2: Der Entwurf der Novelle von 1906 wollte im Anschluß an den geltenden Rechtszustand die Pensionskassen­ ansprüche bei durch eigenes grobes Verschulden herbeigeführter Arbeitsunfähigkeit oder Tod ausschließen. Die Kommission des AH. beschloß aber die nunmehrige Fassung- KB. AH. 06 S. 32 ff. Abs. 2 trifft nur die Jnvalidenpensionen, nicht aber die unter Nr. 2—4 des Abs. 1 aufgezählten Leistungen, die daher selbst bei vorsätzlich herbeigeführtem Tode zu gewähren sind- KB. AH. 06 S. 6. Im übrigen ist Abs. 2 den § 17 JVG. und § 8 GUVG. (vgl. jetzt § 556, 1254 RVO.) nachgebildet. Wegen des Begriffs des Verbrechens vgl. § 1 Abs. 1, des Ver­ gehens § 1 Abs. 2 RStGB. 10. Zu Abs. 3 bemerkte die Begründung der Novelle von 1906 S. 16 folgendes: „Es liegt in der Natur der Sache, daß die Pensionskaffen­ leistungen nicht bereits mit dem Tage der Aufnahme in die Kasse

§30]

Knappschaftsgesrtz.

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gewährt, sondern an die Zurückleguna einer Wartezeit gebunden werden, wie dies auch in §§ 28 ff. JVG. (§§ 1278 ff. RBO.) für die reichsgesetzlichen Invaliden-und Altersrenten und durchweg in den bestehenden Knappschaftssatzungen vorgesehen ist. Dagegen erscheint es erforderlich, für die durch die Satzung festzusetzende Wartezeit ein Höchstmaß vorzuschreiben, und zwar schon um deswillen, weil andernfalls die Durchführung der Vorschrift im § 172 des (Ent­ wurfs über die Unzulässigkeit der Beitragserhebung von solchen Personen, welche einen Anspruch auf die Kassenleistungen nicht er­ werben können, sowie der Vorschriften des Abs. 1 nicht völlig sicher­ gestellt sein würde. Die Feststellung des Höchstmaßes der Warte­ zeit auf fünf Jahre trägt den bestehenden Verhältniffen ausreichend Rechnung und erscheint auch an sich sachgemäß"- Begr. 06 S. 16, vgl. auch KB. AH. S. 32 ff. und KB. HH. S. 6. Unter dem Zeitraum des Satz 2 ist eine fünfjährige Mit­ gliedschaft zu verstehen- Urt. des OSchG. v. 18. Mai 1911, Z. Bd. 53 S. 132. Die Wartezeit wird nicht erfüllt, wenn das Mitglied während derselben infolge einer Erkrankung zur Verrichtung der bergmännischen Berufsarbeit unfähig geworden ist, und zwar selbst dann nicht, wenn es trotz der Erkrankung für die ganze Warte­ zeit Pensionskaffenbeiträge gezahlt hat- das gilt auch für die An­ sprüche der Hinterbliebenen Witwe und der Kinder eines ver­ storbenen Mitgliedes- Urt. des OSchG. v. 16. Febr. 1910, Kompaß 1912 S. 125, Reuß Anm. 14 zu § 30. 11. Abs. 4 wird in dem Entwürfe zur Novelle von 1906 S. 16, wie folgt, begründet: „Von dem Erfordernis der Zurücklegung einer bestimmten Wartezeit muß hinsichtlich der Gewährung der Jnvalidenunterstützung an diejenigen Mitglieder, welche vor Zurücklegung der Wartezeit durch Verunglückung bei der Berufsarbeit arbeitsunfähig werden, eine Ausnahme bemacht werden. Andernfalls würden solche Mitglieder, wenn sie innerhalb der zum Bezüge der Kranken­ unterstützung berechtigenden Zeit ihre Arbeitsfähigkeit noch nicht wiedererlangt haben, ihrer Mitgliedschaft beim Knappschaftsverein verlustig gehen und beim späteren Eintritt ihrer Arbeitsfähigkeit nur beim Nachweis der satzungsmäßigen Voraussetzungen hin­ sichtlich Lebensalter und Gesundheit in die Pensionskasse wieder ausgenommen werden können und ihres bis zur Verunglückung erworbenen Dienstalters verlustig gehen. Durch die Vorschrift in Abs. 4 ist diesem Übelstand vorgebeugt. Die Vorschrift verfolgt hiernach lediglich den formalen Zweck die Mitgliedschaft des auch vor Zurücklegung der Wartezeit bei der Berufsarbeit verunglückten Pensionskassenmitgliedes nicht verloren gehen zu lassen. Eine Unterstützung erhält ein solches Mitglied bereits durch die von der Berufsgenossenschaft gewährte Unfallrente. Die aus der Pensions­ kaffe zu gewährende Jnvalidenunterstützung kann daher mit Rücksicht auf die nicht erfüllte Wartezeit so niedrig bemessen werden, daß 45

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Knappschaftsgesetz.

[$ 30

sie durch Überweisung der Unfallrente in dem nach § 25 res GUBG. (vgl. jetzt §§ 1528, 1505, 1506 RVO.) statthaften Unfang regel­ mäßig gedeckt und eine finanzielle Mehrbelastung der Pensionsklasse durch die Vorschrift somit nicht herbeigeführt wird." 12. Zu Abs. 5: „Die Bestimmung ist dem § 26 ZVG. wach­ gebildet und entspricht dem § 95 Abs. 2 GUVG. Ter Umstand, daß auf den an den Grenzen des Reichsgebiets gelegenen knapp­ schaftspflichtigen Werken vielfach ausländische Arbeiter beschäftigt sind, welche nicht im Reichsgebiete, sondern in ihrem Heimatsstaate wohnen, ließ eine geringe Änderung in der Fassung der Be­ stimmung angezeigt erscheinen. Die Aufnahme dec Vorschrift empfahl sich um so mehr, als bei einer § 95 Abs. 2 GUVG. vgl. jetzt 88 617, 618, 1316, 1317 RVO.) erfolgenden Abfindung and-ernfalls der dem Knappschaftsverein nach § 25 GUBG. zrstehende Er­ satzanspruch praktisch bedeutungslos werden könnte. De Abfindung durfte daher hier auch nicht von einem Antrag des Mterstützumqsberechtigten abhängig gemacht werden, wie dies übrigens im 8 26 JVG. gleichfalls nicht geschehen ist. Die Abfindung erfolgt für jeden Unterstützungsanspruch be­ sonders. Es ist daher zulässig, die Abfindung nur auf einen Unterstützungsanspruch zu beschränken, wenn etwa ein und der­ selben Person verschiedene Unterstützungsansprüche zustehen oder wenn aus Abs. 1 Ziff. 3 etwa selbständige Unterstützungsansprüche verschiedener Personen begründet sein sollten"- Begr. 06 S. 16 f. 13. Der Abs. 6 ist von der Kommission des AH. eingefügt worden, weil er der schon bisher geübten langjährigen Praxis entspricht- KB. AH. 06 S. 34, vgl. a. 8 1304 RVO. Die Voraussetzungen für die Entziehung einer Rente sind mangels besonderer Bestimmung nach der zurzeit der Entziehung geltenden Satzung zu beurteilen- Urt. des OSchG. v. 26. Nov. 1908 bei Reuß Anm. 17 zu 8 30. 14. Die Reaktivierung eines Invaliden kann nur er­ folgen, wenn eine Besserung eingetreten ist, die eine dauernde zu sein verspricht- Urt. des OSchG. v. 14. Febr. 1912, Kompaß 1912 S. 135, Reuß Anm. 17 zu 8 30. Dagegen steht die Möglichkeit der Wiederkehr eines Leidens durch die Aufnahme der Grubenarbeit der Reaktivierung nicht ent­ gegen- Entsch. des OSchG. v. 23. Nov. 1909 bei Reuß S. 145. Vorbemerkung zu den 88 31—33. Nov. 06: Mot. S. 17., KB. AH. S. 36-64, 104—114, KB. HH. S. 6-9 (669/70).

Vor dem Erlasse der Novelle von 1906 war es als eine empfindliche Lücke der Knappschaftsvereine empfunden worden, daß keine gesetzliche Vorschriften vorhanden waren, durch welche das jedem Staatsbürger zustehende Recht der Freizügigkeit mit dem die Grundlage der knappschaftlichen Versicherung bildenden

KnappschafrSgesetz.

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Bessicherungszwange in Einklang gebracht wurde. Nach dem j vor dem 1. Januar 1908 bestehendem Rechtszustande verlor vielmehr derjenige, welcher durch den Wechsel seiner Arbeitsstelle aus einem Knappschaftsvereine ausschied, alle bisher erworbenen Ansprüche gegen den betreffenden Verein. Ein Teil der Knappschaftsvereme hatte allerdings diesem Umstande dadurch abzuhelfen gesucht, deß er einerseits mit anderen Knappschaftsvereinen ein sogenanntes Gegenseitigkeitsverhältnis vereinbarte und andererseits den ausscheidenden Mitgliedern, welche keinem anderen Knappschafts­ vereine beitraten, durch Satzungsbestimmung die Möglichkeit gab, sich die erworbenen Anwartschaften zu erhalten. Das vertragliche Gegen­ seitigkeitsverhältnis beruhte auf dem Grundsätze, daß das betreffende Mitglied mit dem Eintritt in einen neuen Verein aus dem alten völlig ausschied und in ersterem so behandelt wurde, als wäre es während seiner ganzen Dienstzeit in dem alten Verein Mit­ glied des neuen gewesen, welcher demgemäß auch beim Eintritt eines Fürsorgefalls die Fürsorge in ihrer Gesamtheit zu tragen hatte. Dieses System krankte aber einmal an dem Mißstände, daß es sich nur auf wenige Vereine beschränkte, und ferner daran, daß ein solches Gegenseitigkeitsverhältnis nur dann sachgemäß war, wenn die Beiträge und Leistungen bei den in Betracht kommenden Vereinen wenigstens annähernd gleich sind und wenn die Zu- und Abgänge der Vereinsmitglieder in ihrer Wirkung sich wenigstens annähernd gegenseitig aufheben. Da dieses bei den in den einzelnen Knappschaftsvereinen obwaltenden verschiedenen tatsächlichen Verhältnissen nicht möglich war, hat die Novelle von 1906 davon Abstand genommen, solche Gegenseitigkeitsverhältnisse der gesetzlichen Regelung dieser Fälle zu Grunde zu legen. Man hat vielmehr auf Grund eingehender Beratungen mit den in Betracht kommenden Interessentenkreisen, insbesondere dem Allgemeinen Deutschen Knappschaftsverbande, den Weg eingeschlagen, daß bei einem Vereinswechsel die Bemeffung der Pensionen unter Berücksichtigung der von dem be­ treffenden Mitgliede bereits erworbenen Ansprüche erfolgt und daß an der Aufbringung der Unterstützungen für ein solches Mit­ glied sämtliche Vereine, denen es angehört hat, beteiligt werden. Und zwar geschieht dieses gemäß den Vorschriften der §§172 b—d (jetzt §§ 31—33) in der Weise, daß die Pensionen unter Fortfall der bisher meist üblichen Grundbeträge lediglich nach in Zeitabschnitten eintretenden Steigerungssätzen abgestuft werden, die Unterstützung ist gleich derSumme der erdienten Steigerungssätze (§31),bei Vereins­ wechsel eines Mitglieds hat jeder einzelne Verein die Unterstützung in Höhe derjenigen Steigerungssätze zu zahlen, welche das be­ treffende Mitglied während der Zugehörigkeit zu ihm erdient hat. Diese gesetzliche Regelung des obenbezeichneten Grundgedankens stellt gleichzeitig den zu seiner Durchführung unvermeidlichen, geringsten Eingriff in die bisherige Autonomie der Knappschaftsvereine be-

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Knappschaftsgesetz.

[§ 31

züglich der Bemessung ihrer Pensionskassenleistungen dar. In der Kommission des AH. war allerdings ein Antrag Dr. Wagner ge­ stellt worden, nach welchem die Pensionen, wie bisher üblich, nach Grundbeträgen und Steigerungssätzen abgestuft werden sollten. Der Antrag wurde einer besonderen Subkommission zur Beratung überwiesen, in welcher er auch Annahme fand. Die Kommission selbst lehnte ihn aber nach eingehender Erörterung ab. Bezüglich des anderen Falles, daß nämlich ein ausscheidendes Mitglied keinen anderem Knappschaftsvereine beitrat, erhob die Novelle von 1906 die obengenannte, bei vielen Knappschaftsvereinen bereits bestehende, satzungsmäßige Möglichkeit, sich die erworbenen Ansprüche durch Zahlung einer Anerkennungsgebühr zu erhalten, im § 172 d (jetzt § 33) zur gesetzlichen Regel. Vgl. im übrigen zu vorstehendem Begr. 06 S. 17 ff., sowie die Anl. I der Begr., KB. AH. 06 S. 36—64, 104—114, sowie Anl. I und II, KB. HH. 06 S. 6—9.

§ 31.

Die Bemessung der Invalidenpenfionen und der lvitwenpenfionen erfolgt durch die Satzung, und zwar lediglich nach alljährlich oder allmonatlich oder allwöchentlich eintretenden Steigerungssätzen, so daß der Betrag der im Einzelfalle zu ge­ währenden Pension gleich der Summe der von dem Mitglied erdienten Steigerungssätze ist. Der Betrag der Steigerungssätze ist sowohl für die Invalidenpenfionen wie für die Witwenpenfionen — soweit für die penfionskassenleistungen Mitglieder­ klaffen bestehen — auch für jede Mitgliederklaffe besonders festzusetzen. Hierbei ist zulässig, die Steigerungssätze nach Dienst­ alterszeiten verschieden zu bemessen. Die hiernach zu gewährenden Invalidenpenfionen und lvitwenpensionen find in Tabellen erfichllich zu machen, welche der Satzung beizufügen find. Die Bemessung der Beihllfen zur Erziehung der Ainder verstorbener Mitglieder und Invaliden erfolgt durch die Satzung entweder unter Berücksichtigung des von dem Mitgliede zurück­ gelegten Dienstalters, und alsdann gleichfalls nach den vor­ stehenden Grundsätzen, oder ohne Berücksichtigung dieses Dienst­ alters in festen Monatssätzen für die einzelnen etwa bestehenden Mitgliederklassen. Rov. 06: Mot. S. 20—22, KB. AH. S. 68—61. 1. § 31 entspricht dem bisherigen § 172b ABG. Vgl. im übrigen die Vorbem. zu den §§ 31—33. 1. Zu Abs. 1 führt die Begründung der Novelle von 1906 S. 21 ff. folgendes aus:

§31]

KnappschastSgesetz.

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„Der Festsetzung der Invaliden- und der Witwenunter­ stützungen in den meisten der gegenwärtigen Knappschastssatzungen liegt der Gedanke zu Grunde, daß sich diese Unterstützungen aus Grundbetrag und Steigerungssätzen zusammensetzen. Die Durch­ führung der neuen Grundsätze wird daher durchweg eine Neu­ bemessung dieser Unterstützungen auf völlig veränderter Grundlage notwendig machen. Insoweit die bisherigen Unterstützungssätze eines Knappschaftsvereins seiner finanziellen Leistungsfähigkeit entsprechen, wird die Überführung der Unterstützungssätze in das neue System jedenfalls von dem Gesichtspunkt auszugehen haben, daß die bisherigen Ansprüche der Mitglieder im allgemeinen nicht eingeschränkt werden. Dabei kann es sich naturgemäß nicht um den Anspruch eines einzelnen Mitgliedes handeln, sondern es muß das Augenmerk darauf gerichtet sein, die Gesamtansprüche der Mitglieder oder den im Durchschnitt auf ein Mitglied entfallenden Anspruch nicht beeinträchtigen. Dieser Durchschnittsanspruch kommt aber demjenigen Anspruch gleich, der nach einer der durch­ schnittlichen Aktivitätsdauer gleichkommenden Mitgliedschaftsdauer erworben wird. Man wird deshalb zweckmäßig anzustreben haben, die Steigerungssätze so zu bemessen, daß mit Vollendung der durchschnittlichen Aktivitätsdauer diejenigen Pensionssätze erworben werden, welche nach den bisherigen Bestimmungen erworben worden sind. Für die übrigen Zeiträume und zwar namentlich für die Zeit bis zu Vollendung der durchschnittlichen Aktivitäts­ dauer, wird allerdings die Umgestaltung der bisherigen satzungs­ mäßigen Pensionsberechnungen nach Grundbeträgen und Steige­ rungssätzen in eine Pensionsbemessung lediglich nach Steigerungs­ sätzen vielfach dazu führen, daß die Festsetzung des Anspruchs nach den neuen Bestimmungen niedrigere Beträge ergeben wird, als dies nach den alten Bestimmungen der Fall war. In solchen Fällen werden — soweit nicht die Anfangspensionen nach den alten Sätzen übermäßig hoch bemessen waren — durch eine verschiedene Abstufung der Steigerungssätze allzu schroffe Unterschiede in der Bemeffung der Unterstützungen zwischen dem bisherigen und dem neuen System gemildert werden können. Außerdem wird von denjenigen Knappschaftsvereinen, deren finanzielle Lage dies zu­ läßt, zur Vernieidung etwa trotzdem noch obwaltender Härten eine Übergangsbestimmung durch die Satzung dahin getroffen werden können, daß durch die Neubemeffung der Unterstützungs­ sätze eine Kürzung bisher bereits erworbener Anwartschaften nicht ein­ treten soll. Diejenigen Knappschaftsvereine dagegen, deren finanzielle Lage die dauernde Erfüllbarkeit der gegenwärtigen Pensionskassen­ leistungen nicht ermöglicht und deren Einnahmen nicht entsprechend gesteigert werden können, werden ohnedies zur Erfüllung der im § 175c (jetzt § 40) Abs. 2 aufgestellten Vorschriften eine Her­ absetzung ihrer Pensionskassenleistungen vornehmen müssen. Im übrigen ist es für jeden einzelnen Knappschaftsverein — seine finanzielle Leistungsfähigkeit vorausgesetzt — nicht allzu schwierig,

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Knappschaftsgesetz.

[§ 31

die Pensionssätze nach dem neuen Verfahren zu bemessen, ohne daß auf Grund dieser Neubemessung die bisherigen Leistungen in allzu empfindlicher Weise geändert werden müßten." Die früher übliche Bemessung der Invaliden- und Witwen­ pensionen nach Grundbeträgen und Steigerungssätzen ist demnach nicht mehr zulässig. Vielmehr muß die Bemessung ausschließlich nach Steigerungssätzen derart erfolgen, daß der Betrag der im Einzelfalle zu gewährenden Pensionen gleich der Summe der vom Mitglied erdienten Steigerungssätze ist (Reuß Anm. 10 zu § 33). Die Bemessung der Steigerungssätze selbst ist der Satzung überlassen, dies mußte schon aus dem Grunde geschehen, weil da­ bei die besonderen Berhältniffe der einzelnen Vereine und vor allem ihre finanzielle Leistungsfähigkeit den Ausschlag geben; Begr. 06 S. 20. Die Satzung hat auch zu bestimmen, ob die Steigerungs­ sätze alljährlich, allmonatlich oder allwöchentlich eintreten sollen, ein Zeitabschnitt von über einem Jahre ist jedoch nicht zulässig. Unstatthaft ist auch mit Rücksicht auf den zwingenden Charakter der Vorschrift in Abs. 1 eine Satzungsbestimmung, nach welcher bei Bemessung der Invaliden- und Witwenpensionen ohne Rücksicht auf die Dauer der Beitragsleistung eine bestimmte Mindestzahl von Steigerungssätzen in Anrechnung gebracht werden soll; Rek. Besch. v. 28. Oft. 1907, Z. Bd. 49 S. 188. Ebensowenig dürfen die Invaliden- und Witwenpensionen durch die Satzung je nach dem Umstande verschieden bemessen werden, ob der Invalide, bzw. der verstorbene Ehemann nur der Pensionskaffe des betreffenden Vereins oder auch anderen Knapp­ schaftspensionskassen angehört hat, da eine unterschiedliche Behand­ lung der zu gleich hohen Beiträgen verpflichteten Mitglieder nur in den durch das Gesetz ausdrücklich vorgeschriebenen oder zu­ gelassenen Fällen statthaft ist, vgl. obigen Rek.-Besch. Die Abstufung der Pensionen darf überhaupt nur nach Dienstalter und Mitgliederklaffen erfolgen; Min.-Erl. v. 16. Sept. 1907 bei Reuß Anm. 9 § 31. 3. Abs. 1 erstreckt sich übrigens nur auf die Jnvalidenund Witwenpensionen, während sich über die Erziehungsbeihilfen für die Kinder der dritte Absatz verhält. 4. Für die Zulässigkeit der verschiedenen Bemeffung der Steigerungssätze nach Dienstalterstufen (Abs. 1 Satz 3) wird in der Begründung der Novelle von 1906 S. 20 folgendes an­ geführt: „Unter Umständen kann es angezeigt sein, von dieser Mög­ lichkeit Gebrauch zu machen. Dadurch werden sich beispielsweise in den Fällen, in welchen bei einheitlichen Steigerungssätzen die Anfangspensionen unverhältnismäßig niedrig ausfallen würden, die Sätze für Anfangspensionen auf eine angemessenere Höhe bringen lassen. Allerdings wird sich die Höherbemefsung der

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Knappschaftsgesetz.

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Anfangspensionen im allgemeinen in mäßigen Schranken halten müssen, und zwar schon im eigensten Interesse des betreffenden Knappschaftsvereins. Andernfalls würden die Vereinsmitglieder, welche nach Erreichung der Anwartschaft auf eine unverhältnis­ mäßig hohe Anfangspension für ihre fernere Mitgliedschaft in diesem Verein naturgemäß nur noch geringere Steigerungen zu er­ warten haben, sich nach Erreichung der Anwartschaft auf die hohe Anfangspension leicht anderen Knappschaftsveinen mit ge­ ringen Anfangspensionen, aber höheren Steigerungssätzen für die späteren Dienstjahre zuwenden, zumal sie dadurch zu außerge­ wöhnlich hohen Pensionssätzen in späteren Jahren gelangen würden. Dem Verein mit den hohen Anfangspensionen würden aber alsdann für die ihn später nach § 172c (jetzt § 32) Abs. 2 des Entwurfs betreffende Belastung in den geringen Beiträgen der früheren Mitglieder keine genügenden Mittel zur Verfügung stehen." Begr. 06 S. 20 f. 5. Die nach Abs. 2 aufzustellenden Tabellen, in welchen in den verschiedenen Mitgliederklassen nach den einzelnen Dienstalters­ jahren erworbenen Ansprüche zur Darstellung zu bringen sind, sollen dazu dienen, den Mitgliedern den Überblick über die ihnen und ihren Witwen zustehenden Pensionen zu erleichtern- Begr. 06 S. 22. 6. Zu Abs. 3: „Die Bemessung der Unterstützung zur Erziehung der Kinder verstorbener Mitglieder und Invaliden, der sog. Waisenunter­ stützungen, erfolgt bei den preußischen Knappschaftsvereinen mit verschwindenden Ausnahmen abweichend von der Art der Bemessung der Jnvalidenunterstützungen und der Witwenunterstützungen nach festen Monatssätzen. Diese Tatsache erscheint schon aus dem Um­ stande als erklärlich, daß die Unterstützung für die einzelne Waise naturgemäß auf einen weit geringeren Betrag als die Invaliden­ unterstützung und die Witwenunterstützung bemessen werden muß. Eine etwaige Abstufung der Waisenunterstützungen nach Dienst­ alterszeiten ist daher nicht nur an und für sich schwieriger durch­ führbar, sondern wird auch in ihrem Erfolge nicht zu besonders erheblichen Unterschieden zwischen den für die verschiedenen Dienst­ alterszeiten aufgestellten Unterstützungssätzen führen, sofern die Sätze für die geringen Dienstalterszeiten nicht auf allzu niedrige Beträge bemessen werden sollen. Der Entwurf zwingt daher die Knappschaftsvereine zu einer Änderung des bisherigen Systems in der Bemessung der Waisenunterstützungen nicht. Er überläßt es vielmehr den einzelnen Vereinen, ob sie die Waisenunter­ stützungen nach den im Abs. 1 für die Invaliden- und Witwen­ unterstützungen vorgeschriebenen Grundsätzen oder nach festen Monats­ sätzen für die einzelnen etwa bestehenden Mitgliederklassen bemessen wollen. Die naturgemäße Folge hiervon ist, daß bei stattgehabtem Vereinswechsel für die Bemessung der Waisenunterstützungen nicht die Sätze der einzelnen Knappschaftsvereine, in welchen der

712

Knappschaftsgesetz.

[§§ 31. 32

Vater der betreffenden Waise Mitglied gewesen ist, sondern wie bisher lediglich die Sätze desjenigen Knappschaftsvereins maß­ gebend sein können, in welchem der Vater bei Eintrilt des Unterstützungsfalles Mitglied oder Invalide war." Begr. 06 S. 22. § 32. Mitglieder der Pensionskassen werden bei Übernahme von Beschäftigung im Bezirk eines anderen Anappschaftsvereins ohne Rücksicht auf ihr Lebensalter Mitglieder der Pensionskasse dieses Vereins mit ihrem bisherigen Dienstalter, sofern sie nicht erst zu einem Zeitpunkte Pensionskassenmitglied geworden sind, zu welchem sie das in der Satzung des neuen Vereins als Er­ fordernis für die Aufnahme aufgestellte Lebensalter bereits über­ schritten hatten und sofern sie zur Berufsarbeit nicht bereits unfähig find (§ 30 Abs. s Nr. s). Liegt zwischen dem Aus­ scheiden aus der die Mitgliedschaft, im bisherigen Vereine be­ gründenden Beschäftigung und der Übernahme der Beschäftigung

im Bezirke des neuen Vereins ein Zeitraum von mehr als drei Monaten, so ist die Übernahme in die Pensionskasse des neuen

Vereins an die weitere Voraussetzung gebunden, daß das Mit­ glied den in der Satzung des neuen Vereins für die Aufnahme in die Pensionskasse aufgestellten Erfordernissen über Gesund­ heit genügt. Tritt ein solches Mitglied, welches zwei oder mehreren penstonskaffen angehört hat, oder seine Witwe in den Genuß der im § 30 Abs. j Nr. f bzw. 2 bestimmten Leistungen, so hat jede beteiligte Pensionskasse für die Zeit, während welcher das Mitglied ihr angehört hat, die Summe der bei ihr erdienten Steigerungssätze zu gewähren, hierbei kommen Mitgliedzeiten unter einem Jahre auch bei penfionskassen mit Iahressteigerungssätzen und zwar insoweit in Anrechnung, als diese Mit­ gliedzeiten in Verbindung mit den in anderen beteiligten penfions­ kassen zurückgelegten Mitgliedzeiten sich zu vollen Jahren ergänzen lassen. Der Steigerungssatz für diese weniger als ein Jahr betragenden Mitgliedzeiten berechnet sich alsdann auf denjenigen Bruchteil des Iahressteigerungsfatzes, welcher der Zahl der in Betracht kommenden vollen Beitragsmonate entspricht. Die Berechnung, Festsetzung und Auszahlung der Leistungen der beteiligten Pensionskassen erfolgt durch denjenigen Anappschastsverein, dessen penfionskasse das Mitglied zuletzt angehört hat. Letzterer hat den übrigen beteiligten Vereinen die nach der Berechnung auf sie entfallenden Anteile alsbald mitzuteilen.

§32)

Knappschaftsgesetz.

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Die demnach im kaufe eines Vierteljahrs fällig werdenden An­ teile sind zur Vermeidung des Verwaltungszwangsverfahrens spätestens bis zum Schluffe des ersten Monats des folgenden Vierteljahrs zu erstatten. Streitigkeiten über die Anteile an der Aufbringung der Leistungen entscheidet in diesen Fällen unter Ausschluß des Rechtswegs das Gberbergamt, wenn die Vereine verschiedenen Mberbergamtsbezirken angehören, der Minister für Handel und Gewerbe. Die im § 30 Abs. s Nr. 3 und 4 bestimmten Leistungen werden stets nach der Satzung desjenigen Unappschaftsvereins berechnet, welchem der Verstorbene zur Zeit seines Todes als Mitglied oder Invalide angehört hat, und von diesem Unappschaftsverein allein getragen. Nov. 06: Mot. S. 22—25, KB. AH. S. 36-58, Sten. B. AH. S. 4975/6, KB. HH. S. 9 (689/70).

1. § 32 entspricht beut bisherigen § 172c ABG. Vgl. im übrigen die Vordem, zu den §§ 31—33. 2. § 32 regelt die bei einem Vereinswechsel entstehenden gegenseitigen Beziehungen nur für die preußischen Knappschafts­ vereine, es steht diesen somit frei, mit außerpreußischen Ver­ einen in dieser Beziehung eine anderweitige Regelung zu treffen, Begr. 06 S. 23, KB. ÄH. 06 S. 9. Derartige Abmachungen sind durch Vermittlung des Allgemeinen Deutschen Knappschafts­ verbandes zwischen fast sämtlichen deutschen Knappschaftsvereinen auf einheitlicher Grundlage im Jahre 1908 getroffen wordenReuß Änm. 3 zu § 32. 3 Bei Übernahme einer Beschäftibung in dem Bezirke eines andereren Vereins werden die Mitglieder einer Pensionskaffe, sofern sie im übrigen die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen, ohne weiteres Mitglieder der Penfionskasse dieses neuen Ver­ eins und zwar selbst dann, wenn zwischen der Aufgabe der Be­ schäftigung im Bezirke des alten Vereins und der Übernahme einer solchen im Bezirke des neuen ein längerer Zeitraum liegt, sich das betreffende Mitglied indessen die bis zur Aufgabe der Beschäftigung im alten Verein erworbetten Ansprüche gemäß § 33 erhalten hat. Begr. 06 S. 23; letzteres gilt auch für feiernde Mitglieder, Urt. des OSchG. v. 23. Sept. 1908, Reuß S. 160. 4. Die Übernahme erfolgt „ohne Rücksicht auf das Lebens­ alter .... mit dem bisherigen Dienstalter" (vgl. hierzu § 33 Anm. 3) des betreffenden Mitgliedes. Die Übernahme erfolgt also selbst dann, wennderNeueintretende das satzungsmäßige Höchstlebens­ alter (§27 Abs. 1) bereits überschritten hatte, es sei denn, daß dieses Höchstlebensalter nach den Satzungen des neuen Vereins bereits bei dem Eintritte in den alten Verein erreicht war. Da-

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Knappschaftsgesetz.

[§ 32

gegen ist maßgebend das Dienstalter. Dies kann von praktischer Bedeutung sein, einmal wenn die Steigerungssätze in dem neuen Berein nach Dienstalterszeiten verschieden bemessen sind (§ 31 Abs 1 letzter Satz), da dann für das neueintretende Mitglied die seinem bisher erreichten Dienstalter entsprechenden Steigerungssätze in Betracht kommen, und ferner auch unter Umständen für die Bemessung der Waisenunterstützung (§ 31 Abs. 3); Begr. 06 S. 23. 5. Der Regierungsentwurf stellte als weiteres Erfordernis der Übernahme die Bedingung auf, daß das neueintretende Mitglied den in der Satzung des neuen Vereins für die Aufnahme fest­ gesetzten Erfordernissen über die gesundheitlichen Verhältnisse genüge. Die Kommission des AH. hat, um die Übernahme nicht allzusehr zu erschweren, dieses in dieser Allgemeinheit beseitigt und an dessen Stelle die in Abs. 1 Satz 1 am Schlüsse und in Satz 2 enthaltenen Bestimmungen eingefügt, nach welchen nur, wenn zwischen der Aufgabe der Beschäftigung im Bezirke des alten Vereins und der Aufnahme der Beschäftigung im Be­ zirke des neuen Vereins ein Zeitraum von mehr als drei Mo­ naten liegt, ein solcher Gesundheitsnachweis verlangt werden kann, daß dagegen, wenn ein Zeitraum von solcher Dauer nicht da­ zwischen liegt, nur der Nachweis gefordert werden kann, daß das Mitglied nicht bereits unfähig zur Berufsarbeit ist. Ein solcher Nachweis erscheint um deswillen erforderlich, weil bei mancherlei auf knappschaftspflichtigen Betrieben vorkommenden Arbeiten auch Invaliden verwendet werden können und tatsächlich verwendet werden,- KB. AH. S. 37, 43 ff., 56 ff. 6. „Durch die Fassung des ersten Satzes von Abs. 2 hat ins­ besondere auch zum Ausdruck gebracht werden sollen, daß dem Knappschaftsmitglied ein besonderer Rechtsanspruch gegen jeden der beteiligten Knappschaftsvereine zusteht und daß daher der Knappschaftsverein, welcher die Berechnung, Festsetzung und Aus­ zahlung der Unterstützungen vornimmt (vgl. Abs. 3), hierdurch Geschäfte der anderen Knappschaftsvereine mitbesorgt. Das Rechtsverhältnis deutlich in dieser Weise zu gestalten, erscheint namentlich mit Rücksicht auf die den Knappschaftsvereinen durch § 52 JVG. und 8 25 GUVG. (vgl. jetzt §§ 1321, 1322, 1528 ff. RVO.) gewährten Befugnisse angezeigt. Daß nach der vor­ gesehenen Fassung die Knappschaftsvereine befugt erscheinen, im Falle des gleichzeitigen Bezuges einer Reichsinvalidenrente ihre Anteilleistungen entsprechend den auf 8 52 JVG. beruhenden Bestimmungen ihrer Satzung zu kürzen, kann keinem Zweifel unterliegen. Auch liegt es in der Natur der Sache, daß diese Kürzung nur im Verhältnis der Teilleistung zu der Ge­ samtunterstützung erfolgen darf. Beispielsweise kann also ein Verein, dessen Satzung die Anrechnung der halben Invaliden­ rente auf die Knappschaftspension vorsieht, wenn er zu der — aus der Summe der Steigerungssätze sich zusammensetzenden —

88 32. 33]

Knappschastsgesetz.

715

Gesamtunterstützung nur ein Viertel beiträgt, auf seine Leistung nicht die Hälfte, sondern nur ein Achtel der Reichsinvalidenrente anrechnen. In gleicher Weise ist der Ersatzanspruch aus § 25 GUVG. für jeden einzelnen Knappschaftsverein, und zwar int Verhältnis seiner Teilleistung zur Gesamtunterstützung begründet." Begr. 1906 S. 24. 7. Die Bestimmungen im Satz 2 und 3 des Abs. 2 be­ zwecken den Schutz der Mitglieder gegen Verluste, welche bei mehrfachem Wechsel zwischen Vereinen mit jährlichen Steigerungs­ sätzen eintreten könnten, wenn bei diesen Vereinen ausnahmslos nur die vollen Mitgliederjahre in Anrechnung kämen. Vgl. des näheren Begr. 1906 S. 25, wo zur Erläuterung noch ein Beispiel angeführt ist. 8. Die Vorschrift des Abs. 3 beruht auf der Erwägung, daß die Aufsichtsbehörde stets in der Lage sein wird, die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen festzustellen, beim Feststehen dieser Tatsachen die Entscheidung selbst aber kaum zweifelhaft sein kann,' Begr. 06 S. 25. 9. „Die im Abs. 2 vorgesehene Regelung der Ansprüche von Mitgliedern, welche mehreren Penfionskassen angehört haben, er­ streckt sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur auf die im § 172a (jetzt § 30) Abs. 1 Ziff. 1 und 2 bezeichneten Leistungen. Die daselbst unter Ziff. 3 und 4 bezeichneten Pensions­ kassenleistungen werden dagegen lediglich nach der Satzung derjenigen Pensionskasse bemessen, welcher das Mitglied bei Eintritt des Unterstützungsfalles angehört hat, und fallen ausschließlich dieser Pensionskasse zu Last Insoweit indessen diese Leistungen satzungs­ mäßig von dem Dienstalter des Verstorbenen abhängig sind, ist das Dienstalter selbstredend nach der im Abs. 1 getroffenen Be­ stimmung zu berechnen." Begr. 06 S. 25. § 53.

Mitglieder der jDensionskassen, welche, ohne arbeitsunfähig ;u sein, aus der die Mitgliedschaft begründenden oder zu der­ selben berechtigenden Beschäftigung ausscheiden und nicht Mit­ glieder einer anderen Unappschaftspensionskasse werden, sind bei einem Dienstalter von wenigstens fünf Zähren berechtigt, sich die bis dahin erworbenen Ansprüche auf die penfionskassenleistungen durch Zahlung einer in der Satzung festzusetzenden Anerkennungsgebühr zu erhalten, deren monatlicher Betrag eine Mark nicht übersteigen darf. Der Verlust der erworbenen Ansprüche tritt in diesem Falle erst ein, wenn die Zahlung der Anerkennungsgebühr für sechs

aufeinander folgende Monate unterlassen ist. Durch die Satzungen kann bestimmt werden, daß und unter

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Knappschaftsgesetz.

[§ 33

welchen Bedingungen eine Steigerung der Ansprüche auch nach Ausscheiden aus der Beschäftigung eintreten kann. Nov. 06: Mot. ©. 25/6, KB. AH. S. 63/4.

1. § 33 entspricht dem bisherigen § 172d ABG., vgl. im übrigen die Vordem, zu den §§ 31—33. 2. Ein Ausscheiden eines Mitgliedes im Sinne des Abs. 1 liegt auch dann vor, wenn es ohne Aufkündigung aus seinem Arbeitsverhältnifse entlassen wird, und zwar scheidet es mit dem Zeitpunkte aus, wo es die Werksarbeit tatsächlich einstellt, gleich­ gültig, ob die Entlassung zu Recht erfolgt ist oder nicht- Urt. des OSchG. v. 24. Nov. 1909, Z. Bd. 51 S. 334. Die Erhöhung des Jahresgehalts eines Werksbeamten auf mehr als 2000 M. ist als eine das Ausscheiden des Beamten aus der Knappschaftsmitgliedschaft zur Folge habende Änderung des Beschäftigungsverhältnisses anzusehen - lirt. des OSchG. v. 15. Nov. 1911, Z. Bd. 53 S. 411. 3. Wegen des Dienstalters vgl. Anm. 4 zu 8 32. Es zählt im allgemeinen nicht nach der Dauer des Dienstverhältnisses als Arbeiter, sondern nach der Dauer der Zugehörigkeit zu einer Pen­ sionskasse- Begr. 06 S. 25. Im Sinne des § 33 Abs. 1 bezeichnet der Ausdruck „Dienst­ alter" jedoch die Summe der für die Bemessung der Invaliden und Witwenpensionen nach Steigerungssätzen gemäß § 31 in Be­ tracht zu ziehenden Beitragszeiten und ist nicht notwendig gleich der Dauer der Pensionskassenmitgliedschaft eines Mitgliedes- Urt. des OSchG. v. 16. Febr. 1910, Z. Bd. 51 S. 508. 4. Die Berechtigung zur Aufrechterhaltung der Ansprüche ist an folgende drei Bedingungen geknüpft, nämlich daß das Mitglieo: a) nicht bereits arbeitsunfähig ist; b) nicht Mitglied einer anderenKnappschaftspensionskasse wird c) für wenigstens fünf Jahre Pensionskaffenbeiträge ge­ leistet hat. Die beiden ersten Voraussetzungen ergeben sich aus der Natur der Sache, die dritte entspricht der Festsetzung des Höchstmaßes der Wartezeit auf fünf Jahre in § 30 Abs. 3. Die fünfjährige Dienstzeit braucht keine ununterbrochene zu sein, die Unter­ brechungen werden aber selbstverständlich nicht eingerechnet- KB. AH. 06 S. 64. Eine Herabsetzung der fünfjährigen Dienstzeit durch die Satzung ist zulässig- sie kommt vor allem bei solchen Vereinen in Betracht, welche die Wartezeit nicht auf das Höchstmaß von fünf Jahren festgesetzt haben- Begr. 06 S. 25. 5. „Mitglieder, welche mit einem in anderen Vereinen bereits erworbenen Dienstalter in die Pensionskaffe ausgenommen sind, aus der sie nunmehr ausscheiden, wahren sich durch die Zahlung der Anerkennungsgebühr an den letzten Verein auch dies frühere Dienstalter"- Begr. 06 S. 25.

88 33. 34]

Knappschaftsgesetz.

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6. Nur die Unterlassung der Monatszahlungen gemäß Abs. 2 führt den Verlust der erworbenen Ansprüche herbei, andere Gründe des Verlustes können durch die Satzung nicht festgesetzt werden. Eine vorhergehende Mahnung ist nicht erforderlich, man hat davon abgesehen, eine solche gesetzlich vorzuschreiben, weil häufig der Aufenthalt des früheren Mitgliedes dem Knappschaftsverein unbekannt und auch nicht oder nur mit Schwierigkeiten zu er­ mitteln ist. Vgl. Begr. 06 S. 25; Urt. des OSchG. v. 20. April 1910, Z. Bd. 51 S. 644. 7. Wird eine Steigerung der Ansprüche gemäß Abs. 3 durch die Satzung bestimmt, so sind die vollen Mitglieder- bzw. Werks­ besitzerbeiträge zu leisten; KB. AH. 06 S. 63. § 34.

Insoweit die Voraussetzungen der §§ 32 und 33 nicht vor­ liegen^ verlieren Mitglieder, welche aus der ihre Mitgliedschaft bei der Pensionskasse begründenden Beschäftigung freiwillig oder infolge Kündigung oder Entlassung durch den Merksbefitzer ausscheiden, ihre Ansprüche auf die Leistungen der penfionskasse. Nichtbeitrittspflichtige Mitglieder verlieren außerdem ihre Ansprüche auf die Leistungen der Pensionskasse, wenn sie dem Vorstand ihren Austritt anzeigen oder die Beiträge an sechs aufeinander folgenden Zahlungsterminen nicht geleistet haben. Tritt ein früheres penfionskaffenmitglied wieder in eine Anappschaftspenfionskafse als Mitglied ein, so leben seine früheren Penfionskassenansprüche nach einjähriger Mitgliedschaft wieder auf. Nov. 06: Mot. S. 26, KB. AH. S. 64/6.

1. § 34 entspricht dem bisherigen § 172e ABG. 2. Zu Abs. 1 vgl. § 16. Ein Ausscheiden im Sinne des § 34 ließt nur dann vor, wenn mit dem Aufhören der tatsächlichen Arbeitsausübung auch das zugrundeliegende Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich gelöst wird; Urt. des OSchG. v. 24. Nov. 1910, Z. Bd. 52 S. 286, nicht dagegen genügt hierfür eine bloße Beurlaubung für eine kürzere bestimmte Zeit; Urt. des OSchG. v. 20. April 1910, Z. Bd. 51 S. 641. Der Fall der Einberufung zum Militär fällt nicht unter die in Abs. 1 geordneten Fälle; es ist daher die in den Satzungen gebräuchliche Bestimmung, daß die Mitgliedschaft während der Dienstzeit fortdauert, als nicht gegen das Gesetz verstoßend zu er­ achten; Urt. des OSchG. v. 27. Juni 1912, Z. Bd. 53 S. 534. 3. Daß die Ansprüche nichtbeitrittspflichtiger Mitglieder in Abweichung von der im übrigen analogen Bestimmung des § 18

718

Knappschaftsgesetz.

[§§ 34 35

Abs. 1 erst nach sechsmaliger Unterlassung der Monatszahlung erlöschen, entspricht dem § 33 Abs. 2. 4. Der Abs. 3 ist von der Kommission des AH. eingefügt worden, um vorübergehend, z. B. wegen Ableistung der Militär­ pflicht oder Krankheit ausscheidenden Mitgliedern die Möglichkeit zu gewähren, sich die früher erworbenen Ansprüche zu erhalten KB. S. 64 ff. Abs. 3 gelangt aber nur dann zur Anwendung, wenn ein solcher Verlust von Ansprüchen nach dem Inkrafttreten der No­ velle von 1906, dem 1. Januar 1908, eingetreten ist und zwar mit der Wirkung, daß nach einjähriger erneuter knappschaftlicher Pensionskassenniitgliedschaft die früheren Ansprüche in demselben Umfange wieder aufleben, in welchem sie nach dem 1. Januar 1908 im Augenblicke des Verlustes der früheren Mitgliedschaft bestanden hatten- Min.-Erl. v. 17. Jan. 1907, Z. Bd. 48 S. 177.

§ 35.

Die Unterstützungsansprüche auf Grund dieses Gesetzes ver­ jähren in zwei Jahren vom Tage ihrer Entstehung an. Die Ansprüche des Unterstützungsberechtigten auf die Lei­ stungen der Knappschaftsvereine und Krankenkassen können mit rechtlicher Wirkung übertragen, verpfändet und gepfändet werden nur wegen:

J. eines Vorschusses, den der Berechtigte auf seine Ansprüche vor Anweisung der Leistungen vom Arbeitgeber oder von einem (Organe des Knappschaftsvereins oder der Krankenkasse oder einem seiner Mitglieder erhalten hat; 2. der im § 850 Abs. 4 der Zivilprozeßordnung bezeich­ neten Forderungen; 3. der Forderungen der nach § 1531 der Reichsversicherungs­ ordnung ersatzberechtigten Gemeinden und Armenverbände sowie Arbeitgeber und Kaffen, die an ihre Stelle getreten sind; die Übertragung, Verpfändung und Pfändung ist nur in Höhe der gesetzlichen Ersatzansprüche zulässig; 4. rückständiger Beiträge, die nicht seit länger als drei Monaten fällig sind. Ausnahmsweise darf der Berechtigte auch in anderen Fällen den Anspruch mit Genehmigung der zuständigen Behörde ganz oder zum Teil auf andere übertragen. Welche Behörde zu­ ständig ist, bestimmt der Minister für handel und Gewerbe. Die Ansprüche dürfen nur aufgerechnet werden auf: 1. Ersatzforderungen für Beträge, die der Berechtigte in den Fällen des § 1542 der Reichsversicherungsordnung oder

§ 35]

Knappschaftsgesetz.

719

aus der reichsgesetzlichen Unfallversicherung bezog, aber an den Anappschaftsverein oder die Krankenkasse zu er­ statten hat; 2. geschuldete Beiträge; 3. gezahlte Vorschüsse; zu Unrecht gezahlte Aassenleistungen; 5. Kosten des Verfahrens, die der Berechtigte zu erstatten hat; 6. Geldstrafen, welche die Aassenleitung verhängt hat. Ansprüche auf Krankengeld dürfen nur bis zur Hälfte auf­ gerechnet werden. Mot. S. 100 (212), KB. AH. S. 92 ff. (1249/50). Nov. 06: Mot. S. 26/7.

1. § 35 entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 173 ABG. Jedoch ist auf Grund der Novelle von 1912 die Abtretungs­ befugnis bezüglich der Unterstützungsansprüche in etwa erweitert worden und andererseits die Aufrechnung gegen rückständige Ein­ trittsgelder nicht mehr zulässig; vgl. KB. HH. 1912 S. 159. 2. Abs. 1 ist dem §56 Abs. 1 KVG. (vgl. jetzt § 223 RVO.) entnommen. Satzungsbestimmungen, durch welche für die Zeit vor dem Inkrafttreten der Novelle von 1906 kürzere Verjährungsfristen als die des bürgerlichen Rechts festgesetzt wurden, sind rechts­ wirksam. Die Verjährung wird durch Geltendmachung des Anspruchs beim Vorstande unterbrochen. Die Unterbrechung dauert bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Anspruch nn schiedsrichter­ lichen Verfahren oder seiner anderweitigen Erledigung fort. Urt. des OSchG. v. 15. Juni 1909, Z. Bd. 50 S. 634; vgl. auch Urt. des OSchG. v. 20. April 1910, Z. Bd. 51 S. 640. 3. Die neue Fassung der Abs. 2 und 3 beruht auf § 499 Abs. 1 RVO. (im Anhang) und entspricht den dortgenannten ߧ 119 und 223 RVO.; Begr. 12 S. 26. Der in Ziff. 2 erwähnte § 850 Abs. 4 ZPO. lautet: „In den Fällen der beiden vorhergehenden Absätze ist die Pfändung ohne Rücksicht auf -en Betrag zulässig, wenn sie wegen der den ver­ wandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichteuden Unterhaltsbeiträge beantragt wird. Das Gleiche gilt in Ansehung der zugunsten eines un­ ehelichen Kindes von dem Vater für den bezeichneten Zeitraum kraft Gesetzes zu entrichtenden Unierhaltungsbeiträge; diese Vorschrift findet jedoch insoweit keine Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines notdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Ver­ wandten, seiner Ehefrau oder seiner früheren Ehefrau gegenüber gesetz­ lich obliegenden Unterhaltspflicht der Bezüge bedarf, Hier werden aus­ schließlich die Leistungen berücksichtigt, welche vermöge einer solchen

720

Knappschaftsgesetz.

[§ 35

Unterhaltspflicht für den nämlichen Zeitraum oder, falls die Klage zugunsten des unehelichen Kindes nach der Klage eines Unterhalts­ berechtigten erhoben ist, für die Zeit von dem Beginne des der Klage dieses Berechtigten vorausgehenden letzten Vierteljahrs ab zu ent­ richten find."

4. Der Schlußsatz des Abs. 2 weicht insofern von dem bis­ herigen Abs. 4 ab, als die Bestimmung der die Abtretung ge­ nehmigenden Behörde entsprechend dem § 499 Abs. 2 RBO- den: Handelsminister überlassen ist. Diese Befugnis, dem Revier­ beamten zu belassen, wie dieses bisher der Fall war, erschien un­ zweckmäßig, weil diesem sowohl wegen zu großer Ausdehnung seines Reviers, als auch wegen der Zugehörigkeit von Hütten und anderen seiner Aufsicht nicht unterstehenden Gewerbebetrieben zu den Knappschaftsvereinen häufig die nötige Sachkunde fehlen würde- Begr. 12 S. 26. Als Genehmigungsbehörde für die Knappschaftsvereine sind durch den Min.-Erl. v. 7. Dez. 1911 (Min.-Bl. der H.-u. G.-Berw. S. 447, Z. Bd. 53 S. 160) die Bergrevierbeamten bestimmt worden. 5. In Abs. 3 sind, wie bereits in Anm. 1 erwähnt, die Eintrittsgelder entsprechend der Vorschrift des § 223 RBO. in Fortfall gekommen. 6. Ziff. 1 des Abs. 3 trifft namentlich die Fälle, in welchen der Knappschaftsverein nach §§ 1528, 1501 Abs. 2 RBO. als Er­ satz für gewährte Unterstützungen Entschädigung verlangen kann, oder in welchen nach § 1542 RBO. Ansprüche auf ihn über­ gegangen sind, Reuß Anm. 6 zu § 35; vgl. auch für das frühere Recht. Urt. des OSchG. v. 22. April 1909, Z. Bd. 50 S. 618. 7. Zu Ziff. 2 sind die Ausführungen der Begründung zu § 56 Abs. 3 KVG. in der Fassung der Novelle vom 25. Mai 1903 von Bedeutung, welche S. 13 ff. folgendes besagen: „Im § 56 Abs. 2 des jetzt geltenden Krankenversicherungs­ gesetzes ist ausdrücklich ausgesprochen, daß nur noch solche Bei­ träge aufgerechnet werden können, ,welche von dem Unter­ stützungsberechtigten selbst einzuzahlen waren^. Dieser letztere Zusatz ist ini Abs. 3 des Entwurfs nicht wieder ausgenommen worden. Eine materielle Änderung enthält indessen der Fort­ fall dieses Zusatzes nicht. Die Streichung erfolgt vielmehr um deswillen, weil nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur solche gleichartigen Leistungen aus­ rechenbar sind, welche zwei Personen einander schulden. Für die Aufrechnung können daher nur die vom Unterstützungs­ berechtigten geschuldeten Beiträge, d. h. nur die Beiträge, welche von dem Unterstützungsberechtigten selbst einzuzahlen waren, in Betracht kommen. Es erscheint überflüssig, diese sich aus der Sache ergebende Beschränkung noch besonders auszu­ sprechen. Im § 55 Abs. 2 des Jnvalidenversicherungsgesetzes ist gleichfalls nur von geschuldeten Beiträgen^ ohne weiteren Zusatz die Rede."

§§86 36]

SnappschaftSgesetz.

721

Vgl. jetzt § 223 RVO., sowie § 394 Abs. 2 BGB. 8. Zu Ziff. 6: Der bisherige Abs. 3 des § 173 ABG. er­ klärte nur solche Geldstrafen für ausrechenbar, welche von den Orginen der Vereine „nach näherer Vorschrift der Satzungen" verhingt waren. Wenn dieses in der jetzigen Fassung auch nicht besonders zum Ausdruck gebracht worden ist, so hat doch der der bisherigen Bestimmung zugrundeliegende Gedanke, daß ein Ver­ einsorgan nur dann und nur insoweit zur Verhängung von Geldstreifen befugt ist, als ihm die Satzung das Recht dazu verleiht (vgl. Begr. 06 S. 26 ff.), seine Geltung behalten- Reuß Anm. 8 zu § 35. 9. Die Beschränkung in Abs. 4 gilt also jetzt für alle in Abs. 3 aufgeführten Forderungen, nicht nur, wie bisher, für die iim früheren Satz 2 des Abs. 3 genannten Ersatzforderungen. § 36.

Sowohl die Mitglieder als auch die Werksbesitzer haben zu den Arankenkaffen und den j)ensionskaffen Beiträge zu leisten. Die Beiträge der Werksbesitzer für beitrittspflichtige Mitglieder dürfen nicht geringer als die Beiträge dieser Mitglieder sein. Bei Arbeitsunfähigkeit sind für die Dauer der Arankenhilfe keine Beiträge zu den Arankenkaffen zu entrichten. Das gleiche gilt während des Bezugs des Machen- und des Schwangeren­ geldes. Zur Beitragsleistung für nichtbeitrittspflichtige Mitglieder sind die Werksbesitzer nicht verpflichtet. Soweit eine Bei­ tragsleistung für ein nichtbeitrittspflichtiges Mitglied durch den lverksbesitzer nicht erfolgt, hat das nichtbeitrittspflichtige Mit­ glied neben dem Mitgliedsbeitrag auch den auf den Werks­ besitzer entfallenden Beitrag seinerseits zu entrichten. Mot. S. 101 (212/3), KB. AH. S. 94 (1250). Nov. 06: Mot. S. 27, KB. AH. S. 65-70.

1. § 36 entspricht dem bisherigen § 174 ABG., jedoch ist Abs. 2 durch die Novelle von 1912 eingefügt worden. 2. Während nach § 175 Abs. 2 ABG. in der ursprünglichen Fassung, welcher dem §4 des Knappschaftsgesetzes von 1854 nach­ gebildet war, die Beiträge der Werksbesitzer mindestens die Hälfte der Beiträge der Arbeiter ausmachen mußten, ist durch die No­ velle von 1906 bestimmt worden, daß diese Beiträge mindestens die gleichen sein müssen. Dadurch wurde einem bereits in vielen Vereinen auf Grund der Satzungen bestehendem Gebrauche und gleichzeitig auch der Billigkeit entsprochen, da auch in den Vor­ ständen eine gleichmäßige Vertretung der Werksbesitzer und Ar­ beiter vorgeschrieben ist (§ 53); vgl. Begr. 06 S. 27. 3. Durch die neue Vorschrift des Abs. 2, welcher dem nach

722

Knappschaftsgesetz.

[§§ 36. 37

§ 498 Abs. 1 RVO. auf die Knappschaftsvereine anwendbaren § 383 RVO (s. Anhang) entspricht, ist die nach dem bisherigen § 174 ABG. bestehende Möglichkeit, auch während der Dauer der Krankenunterstützung Beiträge zu erheben, in dem dort näher be­ zeichneten Umfange beseitigt worden- Reuß Anm. 4 zu 8 36. Ein ähnlicher Antrag war auch schon bei der Beratung der Novelle von 1906 in der Kommission des AH. gestellt, aber ab­ gelehnt worden. Ebenso der gleichzeitig gestellte Antrag, dem § 174 hinzuzufügen, daß Eintrittsgelder nur von freiwilligen Mit­ gliedern erhoben werden dürften, KB. AH. 06 S. 65—69, Thiel­ mann Anm. 4 zu § 174 ABG., Reuß Anm. 2 zu § 36. Wegen der Eintrittsgelder vgl. im übrigen die §§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 1, 44 Abs. 1, sowie die §§ 12 und 13 Abs. 4. 4. Der in Satz 1 des Abs. 3 ausgesprochene Grundsatz unterliegt gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 der Abänderung durch die Satzung.

§ 37.

Die Beiträge der Mitglieder zur Krankenkasse sind in einem Bruchteil ihres Arbeitslohns oder Gehalts oder in einem festen Satze so zu bemessen, daß sie unter Hinzurechnung der Beiträge der Werksbesitzer und der etwaigen sonstigen Einnahmen der Kaffe ausreichen, um deren gesetzliche und satzungsmäßige Ausgaben zu decken und außerdem einen Reservefonds im Mindestbetrage der durchschnittlichen Iahresausgabe der letzten drei Jahre an­ zusammeln und erforderlichenfalls den Reservefonds bis zu dieser Höhe zu ergänzen. Mot. S. 101 (213), KB. AH. S. 49 (1250). Nov. 06: Mot. S. 27, KB. AH. S. 70—73, KB. HH. S. 10 (670). 1. § 37 entspricht dem bisherigen § 175 ABG. 2. Daß die Beiträge für die Krankenkasse und Pensionskasse gesondert festzusetzen sind (vgl. §§ 37 und 40), ist eine Folge der für diese Kassen in § 4 Abs. 2 grundsätzlich vorgeschriebenen ge­ trennten Rechnungsführung. Sind hiervon nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 Satz 2 Ausnahmen gestattet, so sind die §§ 37 ff. in­ soweit, aber auch nur insoweit, nicht anwendbar, als für ihre An­ wendung die Trennung der Rechnungsführung notwendige Voraus­ setzung ist- Begr. 06 S. 27. 3. Daß § 175 in der Fassung der Novelle von 1906 abweichend von dem ursprünglichen § 175 auch die Art der Bemessung der Beiträge vorschreibt, beruht auf dem Bestreben nach möglichster Sicherstellung der Leistungen. 4. Die Vorschriften über die Ansammlung und Ergänzung des Reservefonds lehnen sich an die §§ 22 Abs. 1 und § 32 Abs. 1 KVG. (vgl. jetzt § 364 RVO. im Anhang) an- Begr. 06 S. 27. In der Kommission des AH. gestellte Anträge, diese Anforderungen

§§ 37—40]

KnaPPschaftsgesetz.

723

zu ermäßigen, wurden abgelehnt, KB. AH. 06 S. 70 ff.; vgl. auch KB. HH. 06 S. 10. Wegen der Anlegung der Gelder des Reservefonds vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4. § 58.

Reichen die Mittel einer besonderen Krankenkasse (§ 5) zur Deckung der laufenden Ausgaben nicht aus, so sind die Werks­ besitzer zur Leistung der erforderlichen Vorschüsse verpflichtet. Nov. 06: Mot. S. 27/8.

1. § 38 entspricht dem bisherigen § 175a ABG. 2. Die §§ 38 und 39 gelten nur für die besonderen Kranken­ kassen, haben also für diejenigen Knappschaftsvereine, welche eine solche nicht errichtet haben, keine Bedeutung. 3. Die Vorschrift schließt sich an den für die Betriebskranken­ kassen geltenden § 64 Nr. 4 KVG. an; Begr. 06 S. 27, vgl. jetzt § 390 RVO. (im Anhang). § 59.

werden die gesetzlichen Regelleistungen (§ (3) einer besonderen Arankenkasfe (§ 5) durch die Beiträge, nachdem diese für die Mitglieder vier Prozent des durchschnittlichen Arbeitslohns oder Gehalts erreicht haben, nicht gedeckt, so haben die Werksbesitzer die zur Deckung der gesetzlichen Regelleistungen erforderlichen Zuschüsse aus eigenen Mitteln zu leisten. Nov. 06: Mot. S. 27/8.

1. §39 entspricht dem bisherigen § 175b ABG. Vgl. im übrigen Anm. 2 zu ß 38, ferner § 65 Abs. 2 KVG., dem diese Vorschrift entnommen ist, sowie nunmehr § 390 RVO. (im Anhang). § 40.

Die Beiträge der Mitglieder zur Pensionskasse sind in einem Bruchteil ihres Arbeitslohns oder Gehalts oder in einem festen 5atze zu bestimmen. Die Höhe der Beiträge ist derart zu bemessen, daß sie unter Hinzurechnung der etwaigen weiteren Einnahmen der Kaffe und unter Berücksichtigung aller sonstigen für die Leistungsfähigkeit des Anappschaftsvereins in Betracht kommenden Umstände die dauernde Erfüllbarkeit der Pensionskassenleistungen ermöglichen. Zn den verschiedenen Mitgliederklassen sind die Beiträge für die einzelnen Mitglieder gleich zu bemessen und lediglich nach

784

Knappschaftsgesetz.

[6 40

der durchschnittlichen Höhe der in denselben zu gewährenden Invaliden- und lvitwenunterstützungen abzustufen. Nov. 06: Mot. S. 28/9, KB. AH. S. 105 ff., KB. HH. S. 10 (670). Nov. 12: Mot. S. 38 (113), KB. AH. S. 12/13, 35.

1. § 40 entspricht dem bisherigen § 175c ABG., nur sind in Abs. 3 die Witwenunterstützungen eingefügt worden. Wie schon in der Vorbemerkung zum Knappschaftsgesetze ausgeführt, war es bis zum Erlaffe der Novelle von 1906 einer der erheblichsten Mißstände bei den Knappschaftsvereinen, daß es keine gesetzliche Handhabe gab, ihre dauernde Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Die Aufsichtsbehörden hatten allerdings schon vor­ her darauf hinzuwirken versucht, daß offenkundige Mängel in dieser Hinsicht abgestellt wurden, es hatte sich jedoch bei dahin­ gehenden Verhandlungen das Fehlen einer diesbezüglichen aus­ drücklichen gesetzlichen Bestimmung als eine empfindliche Lücke des Gesetzes bemerkbar gemacht. Diese Lücke hinsichtlich der Pensionskaffenleistunaen nach dem Vorgänge der §§ 22, 30, 33, 37 KVG. und § 32 JVG. auszu­ füllen, war der Zweck des § 175 c der Novelle von 1906 (jetzt § 40), insbesondere seines zweiten Absatzes,- vgl. Begr. 06 S. 28. 2. Die Aufbringung der Pensionskaffenleistungen kann nach drei Verfahren geschehen. Dieses sind: a) das Umlageverfahren, welches vor der Novelle von 1906 fast ausschließlich angewendet wurde. Bei ihm wird der Betrag der in einem gewissen Zeitabschnitte, z. B. in einem Jahre erwachsenen Ausgaben auf die Beitragspflichtigen verteilt. Die Beiträge sind also zunächst gering, steigen aber erheblich nach Maßgabe der an die Kasse herantretenden Ansprüche,b) das Kapitaldeckungsverfahren nach Perioden. Hierbei werden die während einer bestimmten Reihe von Jahren voraussichtlich zu gewährenden Pensionen kapitalisiert und danach die Beiträge bemessen, und zwar so, daß aus den Zinsen und der allmählichen Aufzehrung des aus den Beiträgen angesammelten Kapitals die Pensionen während dieser Periode gezahlt werden können. Die Beiträge sind zwar zunächst etwas höher, wie bei dem Verfahren zu a, andrerseits ist aber auch ihre Steigerung nur eine mäßige, entsprechend dem Steigen des Kapitalwertes der zu bewilligenden Pensionen; c) das Prämiendurchschnitts verfahren. Hierbei werden die Beiträge von vornherein so bemeffen, daß ihr Gesamt­ betrag einschließlich Zinsen dem Gesamtbetrag der zu erwartenden Pensionen gleichkommt. Die Beiträge sind dementsprechend zu Anfang höher, als bei den Verfahren zu a und b, behalten dafür ober auch in der Folgezeit regelmäßig die gleiche Höhe. Durch dieses letztere Verfahren wird die dauernde Leistungs­ fähigkeit der Pensionskaffen am besten gesichert, da hier die

Knappschaftsgesetz.

725

Zahlung sämtlicher zu erwartenden Pensionen gewährleistet wird. Weniger empfehlenswert ist das Kapitaldeckungsverfahren nach Periode»», da hierbei nur die Pensionen für einen bestimmten Zeit­ raum sichergestellt werden, während das Umlageverfahren vom versicherungstechnischen Standpunkte aus gänzlich zu verwerfen ist. Dies zeigt sich insbesondere auch bei der Auflösung einer Pensionskaffe. In einem solchen Falle würde bei dem Prämien­ durchschnittsverfahren sowohl das Kapital zur Deckung der bereits bewilligten Pensionen (Deckungskapital), als auch ein zur Reali­ sierung der künftigen Pensionskassenleistungen ausreichendes Ka­ pital (Prämienreserve) vorhanden sein, während beim Kapital­ deckungsverfahren nach Perioden nur das Kapital zur Zahlung der bereits bewilligten Pensionen, beim Umlageverfahren aber nicht einmal dieses sichergestellt sein würde. Die Nachteile dieser beiden letzteren Verfahren hat man nun vielfach dadurch auszugleichen versucht, daß man zur Deckung der bei ihnen ungedeckten Pensionskaffenleistungen durch Erhebung von Zuschüssen einen Reservefonds bildete, so z. B. die meisten Knappschaftsoereine in früherer Zeit und auch das alte UVG. v. 6. Juli 1884, nach welchem ein Reservefonds bis zum doppelten Betrage des Jahresbedarfs vorgeschrieben war. Dies Verfahren ist aber bedenklich, wenn z. B. die Mitgliederzahl erheblich zurückgeht. Dann tritt naturgemäß eine große Zu»»ah»ne der dem Vereine zugehörigen Invaliden im Verhältnisse zu der Gesamtrnitgliederzahl des Vereins ein. Um ihre Ansprüche zu befriedigen, muß alsdann der Reservefonds angegriffen und, wenn dieser erschöpft ist, zur Herabsetzung der satzungsmäßigen Leistungen geschritter» werden. Auch vor diesem Verfahren verdient daher das Prämien­ durchschnittsverfahren, das alle diese Mißstände vermeidet, den Vorzug- vgl. im übrigen hierzu R e u ß Anm. 3 zu 8 40. 3. Die Novelle von 1906 hat davon abgesehen, für die Pen­ sionskassen der Knappschaftsvereinc eines dieser Verfahren gesetz­ lich vorzuschreiben, wie dieses z. B. durch die Reichsgesetzgebung für die Unfall- und Invalidenversicherung geschehen ist. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, in Abs. 2 des § 175c den für die Beitragsbemessung maßgebenden Grundsatz gesetzlich festzulegen. Die Begründung S. 28 ff. führt hierzu folgendes aus: „Was den Inhalt der über die Beitragshöhe in den Ent­ wurf einzustellenden Vorschriften anlangt, so konnte nur in Frage kommen, ob der Entwurf sich lediglich auf die Festlegung des für die Beitragsbemessung maßgebenden Grundsatzes beschränken oder nach dieser Richtung noch speziellere Vorschriften treffen soll. Bei der ungemein verschieden gestalteten Lage, in der sich die für die Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit maßgebenden Verhältniffe bei den verschiedenen Knappschaftsvereinen befinden, erschien es ratsam und sogar notwendig, über die Festlegung des maßgebenden Gesichtspunktes nicht hinaüszugehen, zumal anderen«

726

Knappschaftsgesetz.

[§ 40

falls den bei den einzelnen Knappschaftsvereinen bestehenden tat­ sächlichen Verhältnissen nicht ausreichend Rechnung getragen werden könnte. Nach dem im Abs. 2 niedergelegten Grundsatz sollen für die Prüfung der Frage, ob die Beiträge einer Penfionskasse die dauernde Erfüllbarkeit der dieser Kasse obliegenden Leistungen er­ möglichen, nicht nur die Höhe dieser Beiträge und die der Kasse zufließenden weiteren Einnahmen in Betracht gezogen, sondern auch alle sonstigen für die Leistungsfähigkeit des Knappschaftsvereins in Betracht kommenden Umständen berücksichtigt werden. Als solche Umstände werden unter anderen in Frage kommen müssen: die größere oder geringere Nachhaltigkeit der Vereinswerke, die größere oder geringere Bedeutung und Ausdehnung der Betriebe, für welche der Knappschaftsverein errichtet ist, Zahl und Lebens­ alter der aktiven Mitglieder und der Unterstützungsempfänger überhaupt sowie der erfahrungsgemäß in Zugang und in Ab­ gang konimenden aktiven Mitglieder und Unterstützungsempfänger. In: übrigen verlangt der im Abs. 2 aufgestellte Grundsatz nicht unbedingt und unter allen Umständen die Bemessung der Beiträge nach dem Kapitaldeckungsverfahren oder einem sonstigen Deckungsverfahren. Insbesondere erscheint es zulässig, den Über­ gang zu einem Deckungsverfahren allmählich zu bewerkstelligen. Auch wird unter Umstände»: bei genügend breiter Unterlage, z. B. bei der Bildung eines Rückversicherungsverbandes für alle preußischen Knappschaftsvereine, auch das Umlageverfahren mit Ansammlung eines hohen Reservefonds für die Bemessung der Beiträge in Frage kommen können. Endlich ist nicht außer acht zulassen, daß bei der über­ wiegenden Mehrzahl der preußischen Knappschaftsvereine die Be­ messung der Beiträge bisher nicht nach dem im Abs. 2 aufgestellten Grundsatz erfolgt ist und daß in diesen Fällen das der Vorschrift im Abs. 2 vorschwebende Ziel, die dauernde Sicherstellung der Pensionskassenleistungen, nicht sofort, sondern erst in einer unter Umständen weit gesteckten Frist tatsächlich erreichbar sein wird. Die Vorschrift im Abs. 2 verlangt indessen auch nicht die sofortige Erreichung dieses Zieles,' vielmehr ist dieser Vorschrift auch dann entsprochen, wenn durch die Satzung ein Plan festgelegt wird, der in einer den Umständen des einzelnen Falles angemessene»» Frist zu der tatsächlichen Ermöglichung der dauernden Erfüllbarkeit und damit zu der dauernden Sicherstellung der Pensionskassenleistunge»» führt. Im übrigen vgl. hinsichtlich der Überleitung der jetzt tat­ sächlich bestehenden in die der Vorschrift des Abs. 2 entsprechenden Verhältnisie den Art. IV des Entwurfs und die Begründung zu diesem Art. IV." Begr. 06 S. 28 f. In der Kommission des AH. wurde allerdings durch den Antrag Wagner der Versuch gemacht, auch für die Pensionskassen ein bestimmtes System für die Beitragsbemessung auf einer ein­ heitlichen Grundlage einzuführen. Der Antrag wurde einer be-

§40]

Knappschaftsgesetz.

727

sonderen Subkommission überwiesen und von dieser nach eingehendep Beratung auch angenommen. In der Kommission selbst wurde er aber nach lebhafter Erörterung auf Grund einer eingehenden Erklärung des Handelsministers abgelehnt, KB. AH. 06 S. 104—117, Aul. I und II des KB., KB. HH. S. 4 ff., 10; Reuß Anm. 4 und 5 zu 8 40, Thielmann Anm. 2 zu § 175c ABG. Ferner führt ein Min.-Erl. v. 17. Jan. 1907, Z. Bd. 48 S. 178 hierzu aus: „Die Vorschrift, wonach die dauernde Erfüllbarkeit der Pen­ sionskassenleistungen ermöglicht werden muß, schließt jedenfalls aus, die Beiträge fortan in einer Weise zu bemessen, daß ein be­ reits vorhandenes Defizit der Pensionskasse eine weitere Zunahme erfahren muß. Vielmehr kann das in der Vorschrift aufgestellte Ziel überhaupt nur erreicht oder seine Erreichung auch nur an­ gebahnt werden, wenn zum mindesten fortan keine neuen Schulden mehr gemacht und die vorhandenen Schulden verzinst und allmählich getilgt werden. Hiernach wird bei den einzelnen Pensionskassen jedenfalls dann, wenn sie nicht einem großen Rückversicherungs­ verband angehören, davon ausgegangen werden müssen, daß die vom Gesetze verlangte Ermöglichung der dauernden Erfüllbarkeit der Pensionskassenleistungen zum mindesten die Forderung in sich schließt, einmal die bereits vorhandene ungedeckte Last zu verzinsen und in einem innerhalb der mutmaßlichen Lebensdauer der be­ treffenden Pensionskasse liegenden Zeitraume zu tilgen und sodann die neu entstehende Last zum mindesten auf der Grundlage des Kapitaldeckungsverfahrens zu sichern. Auf dieser Grundlage wird jeder einzelne Knappschaftsverein vor alleni zu prüfen haben, ob er überhaupt in der Lage ist, für sich allein dem im § 175 a Abs. 2 aufgestellten Erfordernisse Rechnung zu tragen. Die Prüfung kann nur unter Zuziehung eines auf dem Gebiete des Pensionskassenwesens erfahrenen versiche­ rungstechnischen Sachverständigen sachgemäß erfolgen." Wegen des Rückversicherungsverbandes vgl. § 46, sowie Reuß Anm. 7 zu §40. Soweit die Knappschaftsvereine an diesen angeschlossen sind, wird nach einem Erl. des Min. f. H. u. G. v. 9. Juli 1912, I 5379 für die Aufbringung der Leistungen auch der Beamtenabteilungen, bezüglich deren die Vereine Ersatzkassen im Sinne des Angestelltenvers.-Ges. (vgl. Anm. 1 zu § 28) werden, das Kapitaldeckungsverfahren maßgebend bleiben, obgleich dieses Gesetz der Bemessung der Beiträge das Prämiendurchschnittsver­ fahren zugrunde legt. 4. Durch die Vorschrift des Abs. 3, welche von der Kom­ mission des AH. dem Entwürfe der Novelle von 1906 hinzuge­ fügt worden und dem § 32 Abs. 3 JVG. nachgebildet ist, soll eine derartige Bemessung der Beitrags- und Leistungssätze sicher­ gestellt werden, daß der bisher zuweilen beobachtete Mißstand, daß die Beiträge einer Mitgliederklasse zur Deckung der von ihr

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SnaPpschaftSgesetz.

[§ 40

zu gewährenden Leistungen nicht ausreichten und daher die Beiträge anderer Mitgliederklassen zur Deckung herangezogen werden mußten, in Zukunft vermieden wird. Der Abstufung der Beiträge waren nach der Novelle von 1906 lediglich die in der betreffenden Mit­ gliederklasse zu gewährenden Jnvalidenunterstützungen zu Grunde zu legen. Bon einer Berücksichtigung der übrigen Leistungen, ins­ besondere der Witwenpensionen hatte man im Interesse der Ber--einfachung der Berechnung abgesehen, zumal diese nur auf einen Bruchteil der Jnvalidenpensionen bemessen werden, so daß ihre besondere Einstellung nicht erforderlich erschien. Die Novelle von 1912 hat aber auch die Berücksichtigung der Witwenpensionen bei der Bemessung der Beiträge vorgeschrieben und zwar deshalb, weil bei der Prüfung der Gleichwertigkeit der Leistungen eines Knapp­ schaftsvereins behufs Zulassung als Ersatzkaffe neben den Invaliden­ unterstützungen auch die Unterstützungen an die Hinterbliebenen in Be­ tracht kommen werden (Reuß Anm. 9 zu 8 40). Dagegen hat man, um die Berechnung nicht zu sehr zu komplizieren, von der Be­ rücksichtigung der Erziehungsbeihilfen, die im Verhältnisse zu den anderen Leistungen nur eine geringe Belastung des Vereins dar­ stellen, abgesehen- Begr. 12 S. 38. Die Witwenpensionen sind naturgemäß nur dort als besonderer Faktor der Berechnung zu Grunde zu legen, wo sie nach besonderen, in einem anderen Ver­ hältnisse als bei den Jnvalidenpensionen zueinander stehenden Steigerungssätzen bemessen, nicht etwa auch dort, wo sie, wie dies meistens der Fall ist, in festen Teilbeträgen der Jnvalidenpensionen gewährt werden, so auch Reuß Anm. 11 zu § 40. Abs. 3 ist auch auf jede der beiden etwa nach § 28 ge­ bildeten Abteilungen der Pensionskasse anwendbar, denn es soll jedes Hinübergreifen der Vermögensentwicklung der einen Abtei­ lung auf die der anderen verhütet werden- KB. AH. 12 S. 35. 5. Daß die Bemessung der Beiträge für jede Mitgliederklasse besonders zu erfolgen hat, berechtigt aber nicht zu der Forderung, daß auch die dauernde Erfüllbarkeit der Leistungen für jede Klasse gesondert zu ermitteln ist, diese Ermittlung hat vielmehr für die Gesamtheit der Mitglieder einer Pensionskaffe zu erfolgen- Min.Erl. v. 17. Jan. 1007 Nr. 5, Z. Bd. 48 S. 179. 6. Die Beitragsabstufung für die verschiedenen Mitglieder­ klassen muß auf Grund der von dem versicherungstechnischen Sach­ verständigen ermittelten Gesamtabstufung der Pensionskasse, und zwar lediglich nach der durchschnittlichen Höhe der in den ver­ schiedenen Mitgliederklvssen zu gewährenden Jnvalidenpensionen (und — jetzt auch — Witwenpensionen) bewirkt werden- Rek.Besch. v. 28. Okt. 1907, Z. Bd. 49 S- 188 ff. Ein Beispiel für eine derartige Berechnung gibt Reuß Anm. 11 zu 8 4:0.

§41]

SnapPschaftSgesetz.

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§ 4b

Ergibt sich, daß die Beiträge zur Arankenkaffe oder zur Penftonsfaffe den Bestimmungen des § 57 oder des § HO Abf. 2 nicht genügen, so ist eine entsprechende Erhöhung der Beiträge oder eine entsprechende Minderung der Aassenleistungen herbei­ zuführen. Die Minderung kann sich auch auf die bereits be­ willigten oder rechtskräftig festgestellten Penfionskassenleistungen erstrecken, soweit letztere nicht bereits vor Inkrafttreten der Minderung fällig geworden sind. Unterläßt der Anappschaftsverein oder die besondere Kranken­ kasse (§ 5), diese Abänderungen zu beschließen, so hat das Mberbergamt die Beschlußfassung anzuordnen. Die Anordnung erfolgt durch Beschluß. Gegen diesen Beschluß findet binnen einer Leist von einem Monate vom Tage der Zustellung an den Vorstand ab die Beschwerde an das Oberschiedsgericht statt (§ 83). Wird der Anordnung, nachdem sie unanfechtbar geworden ist, keine Folge gegeben, so hat das Oberbergamt seinerseits die erforderliche Abänderung der Satzung von Amts wegen mit rechtsverbindlicher Wirkung zu vollziehen. Wird zur Aufrechterhaltung der Wiederherstellung der Lei­ stungsfähigkeit eines Anappschaftsvereins oder einer besonderen Arankenkaffe (§ 5) eine schleunige Vermehrung ihrer Einnahmen oder Verminderung ihrer Ausgaben erforderlich, so kann das Oberbergamt, vorbehaltlich des vorstehend vorgeschriebenen Verfahrens, eine sofortige vorläufige Erhöhung der Beiträge oder Herabsetzung der Leistungen verfügen. Der Rekurs gegen diese Verfügung hat keine aufschiebende Wirkung.

Nov. 06: Mot. S. 29-31, KB. AH. S. 116 ff., KB. HH. S. 10 (670). 1. § 41 entspricht dem bisherigen § 175d ABG., welcher dem § 33 KVG. entnommen war, vgl. jetzt §§ 387, 391 RBO. im Anhang. 2. Es bedurfte einer Vorschrift über die Maßnahmen, welche bei zur Erfüllung der §§ 37 und 40 nicht ausreichender Bemessung der Beitrüge zu treffen sind. Eine dahingehende sach­ verständige Prüfung innerhalb bestimmter Zeiträume gesetzlich vorzuschreiben, erschien jedoch mit Rücksicht auf die bei den ver­ schiedenen Vereinen herrschenden tatsächlichen Verhältnisse nicht zweckmäßig, zumal auch die Aufsichtsbehörde auf Grund dec ihr nach § 65 zustehenden Befugnisse in der Lage ist, die Vereine zur Vornahme einer solchen Prüfung nötigenfalls anzuhalten. Man hat vielmehr in § 41 den Weg eingeschlagen, die Vereine in der­ artigen Fällen zu einer Erhöhung der Beiträge oder einer Ver-

730

Knappschaftsgesetz.

L§41

Minderung der Leistungen, erforderlichenfalls durch Eingreifen des Oberbergamts zu zwingen, vgl. auch Begr. 06 S. 30. 3. Bon den nach Abs. 1 zulässigen Maßregeln wird natur­ gemäß zunächst die erste — Erhöhung der Beiträge — ergriffen werden. Eine solche Erhöhung wird aber nicht immer durch­ führbar sein, da durch sie die Leistungsfähigkeit der Beitrags­ pflichtigen häufig überschritten werden würde, es bleibt dann nur die Möglichkeit, die Leistungen herabzusetzen. Die hiernach zulässige Minderung der Krankenkassen­ leistungen entspricht genau dem § 33 Abs. 1 und 4 KVG., sie findet ihre Grenze in den durch § 74 KVG. und § 13 Abs. 1 KnG. gesetzlich bestimmten Mindestleistungen sowie in der Vor­ schrift des § 13 Abs. 3. Auch eine Minderung der Pensionskassenleistungen erscheint zulässig und steht mit der rechtlichen Natur der Knapp­ schaftsvereine nicht in Widerspruch. Denn sie sind keine reinen Versicherungsanstalten, auf deren Leistungen ihre Mitglieder ein unter allen Umständen zu verwirklichendes, wohlerworbenes Recht auf das bei ihrem Eintritt oder während ihrer Mitgliedschaft in der Satzung vorgeschriebene Maß der Unterstützungen haben, sondern ihre Ausgabe ist die Unterstützung ihrer Mitglieder nach Maßgabe der verfügbaren Mittel. Es ist daher auch eine Herabsetzung dieser Unterstützungsansprüche und zwar auch hinsichtlich der be­ reits in den Genuß der Unterstützungen getretenen Mitglieder und ihrer Hinterbliebenen zulässig. Dieser Grundsatz ist sowohl in der Praxis der Aufsichts­ behörden stets festgehalten, als auch von der Rechtsprechung des Reichsgerichts, wenigstens hinsichtlich der Jnvalidenunterstützungen, anerkannt werden. Beide in Abs. 1 zugelassenen Maßregeln können übrigens auch und zwar sowohl bei der Kranken-, als auch der Pensions­ kasse miteinander verbunden werden. Vgl. zu Vorstehendem auch Begr. 06 S. 30 ff. Vor dem Erlasse der Novelle von 1906 war die Frage, ob die Herabsetzung von Pensionen zulässig sei, sehr bestritten- vgl. über die hierzu ergangenen Entscheidungen Thielmann Anm. 5 zu § 175 ä ABG. und das Urt. des OSchG. v. 19. Jan. 1909, Z. Bd. 50 S. 281 ff. Nach diesem Urteile sind die Leistungen oder Anwartschaften nur dann wohlerworbene Rechte, werden also durch Satzungs­ änderungen nicht mehr berührt, wenn die Leistung bereits fällig geworden ist. 4. Abs. 2: Satz 1 und 4 sind dem § 33 Abs. 3 KVG. nach­ gebildet, vgl. jetzt auch § 391 RVO. im Anhang. Satz 2 und 3 sind von der Kommission des AH. eingefügt worden, während der Entwurf nur den Rekurs an den Handelsminister vorgesehen hatte- KB. AH. 06 S. 117. Wegen der Besetzung des Oberschiedsgerichtes im Falle einer

§§ 41. 42]

Knappschaftsgesetz.

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Entscheidung nach Abs. 2 vgl. § 83 Abs. 2 Nr. 3 b, wegen des Verfahrens "die §§ 6 ff. der Verordnung über das Verfahren vor dem OSchG. (s. Anhang). 5. Gegen die Entscheidungen des Oberbergamts nach Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 ist nur der Rekurs zulässig. 6. Trifft das Oberbergamt eine vorläufige Anordnung nach Maßgabe des Abs. 3, so hat es das Verfahren nach Abs. 2 als­ bald einzuleiten. Ergeht in diesem eine gegenteilige Entscheidung des Oberschiedsgerichts, so hat dieselbe rückwirkende Kraft- Reuß Sinnt. 12 zu § 41.

§ 42. Die Werksbesitzer haben jede von ihnen beschäftigte Person, für welche gemäß den §§ 9 und 27 die Zugehörigkeit zu dem Anappschaftsvereine begründet ist, an den durch die Satzungen festzusetzenden Zeitpunkten und auf dem darin bezeichneten Wege (§ 8 Abs. ( Nr. 3) bei dem Anappschaftsvorstand und, wo besondere Arankenkassen (§ 5) bestehen, auch bei dem Vorstande der zuständigen Arankenkasse anzumelden und nach Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses wieder abzumelden. Unterbleibt die Anmeldung, so sind die Vorstände befugt, die Zahl der Personen, für welche die Beiträge zur Anappschaftskaffe oder zur Arankenkasse eingezogen werden sollen, nach ihrem Ermessen zu bestimmen. Werksbesitzer, die ihrer Anmeldepflicht vorsätzlich oder fahr­ lässigerweise nicht genügen, haben außerdem alle Aufwendungen zu erstatten, welche der Anappschaftsverein oder die Arankenkasse auf Grund gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschrift in einem vor der Anmeldung durch die nichtangemeldete Person Der« anlaßten Unterstützungsfalle gemacht hat. Auch ist zulässig, die Unterlassung der Anmeldepflicht wie der Abmeldepflicht durch die Satzung mit einer Geldstrafe bis zu 20 Mark zu belegen. Mot. S. 101 (213), KB. AH. S. 94 (1250). . Nov. 06: Mot. S. 31.

1. § 42 entspricht dem bisherigen § 176 ABG. in der Fassung der Novelle von 1906, welche den Abs. 2 und 3 des § 176 in der ursprünglichen Fassung wiedergab, während dessen erster Absatz den Inhalt des neuen § 176a (jetzt 8 43) bildete. 2. Ein Unterbleiben der Anmeldung im Sinne des Abs. 2 (bzw. ein Unterlasten im Sinne des Abs. 4 Satz 2) liegt auch dann vor, wenn die Anmeldung nur unvollständig ist- der Vorstand kann auch in diesem Falle die Zahl der Beitragspflichtigen „nach seinem Ermessen" (nicht willkürlich) bestimmen- Rek.-Besch. v. 29. Juni 1878, Z. Bd. 19 S. 396- Brassert in der früheren

732

KnaPPschaftSgesetz.

[§§ 42. 43

Auflage Anm. 4, Thielmann Amn. 1 nnd 2 zu § 176 ABG., Reuß Anm. 3 und 4 zu § 42. 3. Abs. 3 Satz 1 entspricht dem § 50 KVG., vgl. jetzt §§ 530, 531 RVO. Während der Abs'. 2 des § 176 in der ursprünglichen Fassung dem Borstande nur die Befugnis einräumte, bei dem Oberbergamt den Erlaß eines Strafbefehls gegen den säumigen Werksbesitzer zu beantragen, weil es sich mit seiner rechtlichen Stellung nicht vertrage, ihm eine eigene Strafbefugnis zu ge­ währen (vgl. Mot. 65 S. 101), hat die Novelle von 1906 es für zulässig erklärt, die Unterlassung in der Satzung mit einer Geld­ strafe zu belegen. § §3.

Die Werksbesitzer sind verpflichtet, die Mitgliederbeiträge, etwa vorgeschriebene Eintrittsgelder und auf Grund der Satzung verhängte Ordnungsstrafen von den bei ihnen beschäftigten Personen einzuziehen und zugleich mit ihren eigenen Beiträgen zu den in der Satzung bestimmten Zeitpunkten an die vor­ geschriebenen Stellen abzuführen. Sie haften für die Einziehung und Abführung der Beiträge, Eintrittsgelder und Ordnungs­ strafen der beitrittspflichtigen Mitglieder wie für eine eigene Schuld. Die Mitglieder find verpflichtet, sich ihre Beiträge, etwaige Eintrittsgelder und auf Grund der Satzung verhängte Ord­ nungsstrafen bei den Lohnzahlungen einbehalten zu lassen. Die Einbehaltungen für die Beiträge sind auf die Lohnzahlungs­ zeiträume, auf welche sie entfallen, möglichst gleichmäßig zu verteilen. Mot. (§ 176) S. 101 (213), KB. AH. S. 94 (1250). Nov. 06: Mot. S. 31.

1. § 43 entspricht dem bisherigen § 176a ABG., welcher den aus dem ß 11 des Knappschaftsgesetzes v. 1854 übernommenen § 176 Abs. 1 ABG. in seiner ursprünglichen Fassung mit mehr­ fachen durch die Praxis als zweckmäßig erwiesenen Änderungen wiedergibt. So sind z. B. die Werksbesitzer nicht nur, wie früher, zur Einziehung und Abführung der Beiträge, sondern auch der Ein­ trittsgelder und Ordnungsstrafen verpflichtet. 2. Die Einziehung der in Abs. 1 bezeichneten Beträge liegt den Werksbesitzern bezüglicher aller bei ihnen beschäftigten Knappschaftsmitglieder ob- wie für eine eigene Schuld haften sie nur für die von den beitrittspflichtigen, nicht auch den bei­ trittsberechtigten Mitgliedern zu entrichtenden Beträge,' Reuß Anm. 4 zu tz 42, Thielmann Anm. 2 zu 8 176a ABG. 3. Die Haftung gemäß Abs. 1 Satz 2 erstreckt sich nur bis

§5 43. 44]

Knappschaftsgesetz.

733

zu dem Betrage des von dem Werksbesitzer jeweils zu zahlenden verdienten Lohnes des Mitgliedes- Urt. des OSchG. v. 25. Nov. 1911, Z.Bd. 53 S. 272. 4. Die von dem Werksbesitzer gemäß § 174, § 175 Abs. 2 und § 176 Abs. 1 ABG. — b. t. § 174 Abs. 1 und § 176a ABG. in der Fassung der Novelle von 1906 — § 36 Abs. 1 und § 43 der jetzigen Fassung — selbst zu zahlenden Beiträge, bzw. die von ihm einzuziehenden und abzuführenden Mitgliederbeiträge rangieren: a) bei der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung eines Bergwerkseigentums, eines unbeweglichen Bergwerksan­ teils, einer selbständigen Kohlenabbaugerechtigkeit im Mandats­ bezirk und einer Salzabbaugerechtigkeit in dec Provinz Hannover — nicht aber auch in sonstigen Fällen, z. B. bei sonstigen Abbau­ gerechtigkeiten, Hüttenwerken usw. — als gemeine Lasten im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 des pr. AG. z. ZBG. (Art. 17 i. B. m. Art. 15 dieses AG. und § 4 des Ges. v. 4. Aug. 1904); vgl. auch Reuß Anm. 6a zu § 43; b) beim Konkurse in der dritten Klasie, soweit es sich um die im letzten Jahre vor der Eröffnung des Verfahrens zu ent­ richtenden Betrüge handelt. Dieses folgt aus § 61 KO., welcher dieses Vorrecht den „Forderungen der öffentlichen Verbände wegen der nach Gesetz oder Verfassung zu entrichtenden Abgaben und Leistungen" einräumt; daß die Knappschaftsvereine öffentliche Ver­ bände sind, unterliegt keinem Zweifel (vgl. auch Anm. 13 zu § 6). Ebenso folgt aus dieser Fassung der KO., daß zu den dort ge­ nannten Forderungen auch diejenigen gehören, für welche gemäß Abs. 1 der Werksbesitzer wie für eine eigene Schuld haftet; Urt. des RG- v. 31. März 1886, Z. Bd. 27 S. 367, Brassert in der früheren Auflage Anm. 6 § 175 zu ABG.. Reuß Amn. 6b zu 8 43. 8 U

Die im § 43 Abs. ( Satz ( bezeichneten Leistungen zu den Unappschaftskassen und zu den besonderen Arankenkassen (§ 5) können auf vorgängige Festsetzung durch das Gberbergamt im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens eingezogen werden. Durch Einlegung der nach § 70 Abs. 2 und 3 zulässigen Rechtsmittel wird die Zwangsvollstreckung nicht aufgehalten. Rückständige Beiträge, Eintrittsgelder und Ordnungsstrafen verjähren binnen zwei Jahren nach der Fälligkeit. Mot. S. 101 (213), SB. AH. S. 94 (1260). Rov. 06: Mot. S. 32.

1. § 44 entspricht dem bisherigen § 177 ABG. 2. Durch den jetzigen Wortlaut des Abs. 1 ist der durch die frühere Fassung, welche von „allen Beiträgen" sprach, ent-

734

Knappschaftsgesetz.

[§§ 44. 45

standenen Streitfrage, ob auch z. B. Ordnungsstrafen darunter begriffen waren, der Boden entzogen- Begr. 06 S. 32. 3. Mer das Verwaltungszwangsverfahren vgl. die Sinnt, zu § 194 ABG. 4. Die in Abs. 2 genannten Rechtsmittel sind: a) hinsichtlich der Eintrittsgelder und Beiträge zur Krankenund Pensionskasse die Berufung auf schiedsgerichtliche Entscheidung (§ 70 Abs. 2 i. B. m. §§ 56, 57) und dagegen die Revision^ gemaß § 82 Abs. 1, welche jedoch bezüglich der Krankenkassenleistu^gen ausgeschlossen ist (§ 82 Abs. 2); * b) hinsichtlich der Ordnungsstrafen Beschwerde all sdas Oberbergamt und in weiterer Instanz an den Handelsnnnister unter Ausschluß des Rechtsweges (§ 70 Abs. 1 und 3); vgl. Reuß Anm. 4 zu 8 44. 5. Die Vorschrift des Abs. 3 über die Verjährung ist dem § 55 Abs. 1 KVG. und § 103 GUVG. (vgl. jetzt §§ 29, 148 RBO.) nachgebildet. Für die Verjährung gelten jetzt die §§ 197, 198, 201 BGB., für die am 1. Jan. 1900, bzw. 1. Jan. 1908 noch nicht abgelaufenen Fristen Art. 169 EG. z. BGB., vgl. litt, des OSchG. v. 17. März 1909, Z. Bd. 50 S. 395, welches sich auch über die in früherer Zeit vertretenen Rechtsauffassungen ausläßt. Die Zustellung des die Einziehung von Mitgliederbesträ^en anordnenden Bescheids des Knappschastvorstandes unterbricht die Verjährung wie die Klageerhebung nach § 209 BGB., vgl. ob. Urt. des OSchG. § 45.

Erscheint die dauernde Leistungsfähigkeit eines Anappschafts­ vereins oder einer besonderen Arankenkasse (§ 5) durch an­ dauerndes Linken auf eine für diese Leistungsfähigkeit nicht ausreichende Mitgliederzahl oder aus anderen Gründen derart gefährdet, daß im Wege des 8 41 eine dauernde Abhilfe nicht mehr zu erwarten ist, so kann die Aufsichtsbehörde den Anapp­ schaftsverein oder die Arankenkasse auflösen und die Mitglieder einem anderen Anappschaftsverein oder einer anderen Aranken­ kasse mit der Maßgabe überweisen, daß gegen den letzteren Verein aus der bei dem aufgelösten Vereine verbrachten Bei­ tragszeit Ansprüche nicht geltend gemacht werden können und daß die bisherigen Pensionskassenmitglieder im übrigen mit ihrem bisherigen Dienstalter auch der Pensionskasse angehören, sofern sie den im 8 32 Abs. ( für die Aufnahme aufgestellten Erfordernissen genügen. Dabei werden diejenigen bisherigen Pensionskassenmitglieder, welche in dem Zeitpunkte der Über­

weisung hinsichtlich des Lebensalters und der Gesundheit den durch die Satzung des neuen Anappschaftsvereins für die Auf-

§45)

Knappschaftsgesetz.

735

nchme in die Pensionskasse aufgestellten Erfordernissen genügen, soprn sie bei der Übernahme auf eine Berücksichtigung ihres bicherigen Dienstalters für ihre Einsprüche an den neuen Anapp; schrftsverein ausdrücklich verzichten, ohne Berücksichtigung ihres bicherigen Dienstalters in die Pensionskasse des neuen Anappschrftsvereins übernommen. Außerdem hat die Aufsichtsbehörde einen Anappschaftsverein oder eine besondere Arankenkasse (§ 5) aufzulösen: wenn der Betrieb oder die Betriebe, für welche der Verein errichtet ist, aufgelöst werden; 2. wenn dem Anappschaftsvereine lediglich Werke der im § 2 Abs. 2 bezeichneten Art angehören und die Besitzer dieser Werke sowie die auf diesen Werken beschäftigten Mitglieder die Auflösung gemeinschaftlich beantragen; 3. wenn einer besonderen Arankenkasse (§ 5) lediglich Werke der im § 2 Abs. 2 bezeichneten Art angehören und das Ausscheiden dieser werke aus dem Anappschaftsvereine nach § 2 Abs. 2 und H mit Wirksamkeit erfolgt ist. DVe den bisherigen Mitgliedern bis zur Auflösung des Änappschaftsvereins oder der Arankenkasse erwachsenen An­

sprüche bleiben gegen den aufgelösten Verein bestehen, können aber über den Zeitpunkt der Auflösung hinaus sich nicht erhöhen. Das vorhandene Vermögen ist von der Aufsichtsbehörde in Verwahrung zu nehmen, zu verwalten und zur tunlichst gleich­ mäßigen Befriedigung der vorhandenen Ansprüche zu verwenden. Ben Befriedigung der Ansprüche gegen die Pensionskasse eines (Aufgelösten Anappschastsvereins sind die Ansprüche der­ jenigen Personen vorweg zu befriedigen, die sich zur Zeit der Auflösulng bereits im Genuß einer Pension befanden. Später eintretemde Ansprüche sind nach Maßgabe des vorhandenen Vermögensrestes zu befriedigen. Die Aufsichtsbehörde hat in diesen Fällen einen Liquidationsplan aufzustellen. Wewden nach Wegfall aller Berechtigten Ansprüche nicht mehr ewhoben, so fällt ein etwa vorhandener Vermögensrest demjenigen Vereine zu, welchem die dem aufgelösten Verein angehörng gewesenen Mitglieder überwiesen worden sind, hat eine solche Überweisung nicht stattgefunden, so ist ein etwa vorhand-ener Vermögensrest in der dem bisherigen Zwecke am meisten entsprechenden weise zu verwenden. Nov. 06: Mot.. S. 32—34, KB. AH. S. 74—78. 1. § 4i5 entspricht dem bisherigen § 177a ABG. Er regelt die Auflösung eines Knappschaftsvereins

oder

736

Knappschaftsgesetz.

[§ 45

einer besonderen Krankenkasse in Anschluß an die §§ 47 und 68 KVG.; Begr. 06 S. 32. Unter „Verein" im Sinne dieser Vorschrift sind sowohl die Knappschaftsvereine als auch» die besonderen Krankenkassen zu verstehen. 2. Ein Fall der in Abs. 1 bezeichneten Gefährdung der dauernden Leistungsfähigkeit wird vor allem in einem andauernden, derartig tiefen Stande der Mitgliederzahl zu erblicken sein, daß sie die dauernde Erfüllbarkeit der Leistungen nicht mehr ermöglicht; Begr. 06 S. 32. 3. Damit die Mitglieder des aufgelösten Vereins der ge­ setzlichen Knappschaftspflicht genügen können, mußte ihre Über­ weisung an einen anderen Verein, welcher damit eine entsprechende Erweiterung seines satzungsmäßig festgesetzten Bezirks erfährt, vorgesehen werden. Um aber eine Schädigung dieses Vereins, an welchen die Überweisung erfolgt, auszuschließen, ist vorgeschrieben worden, daß gegen ihn Ansprüche aus der Beitragszeit bei dem früheren Verein nicht erhoben werden können. Vgl. Begr. 06 S. 32. 4. Über die Aufnahmeerfordernisie gemäß § 32 Abs. 1 vgl. dort Sinnt. 3 ff. 5. Die Vorschrift des Abs. 1 Satz 2 ist ausgenommen worden, weil die dort genannten Personen anderenfalls durch die Über­ weisung in die Pensionskasse eines Vereins, welcher für die ersten Dienstjahre erheblich höhere Steigerungssätze als für die späteren festgesetzt hat, weit ungünstiger gestellt sein würden, als die in diesen Verein unter sonst gleichen Verhältnissen neueintretenden Mitglieder; Begr. 06 S. 33. 6. Gegen den Auflösungsbeschluß des Oberbergamts findet nach § 47 die Beschwerde an das Oberschiedsgericht statt. 7. Die Auflösung in den in Abs. 2 genannten Fällen ist der Aufsichtsbehörde zur Pflicht gemacht, weil sie notwendig ist. Gegen ihre Verfügung ist nicht wie in Abs. 1 die Beschwerde an das Oberschiedsgericht, sondern nur der Rekurs an den Handels­ minister zulässig; Reuß Anm. 12 zu § 45. Da den in Ziff. 2 bezeichneten Werken in § 2 Abs. 2 die Möglichkeit gegeben ist, aus dem Knappschaftsverein auszuscheiden, so ist es nur folgerichtig, für den Fall, daß der Verein aus­ schließlich aus derartigen Werken besteht, seine Auflösung zuzu­ lassen ; Begr. 06 S. 33. 8. Die Regelung der Liquidation eines Vereins in den Abs. 3—6, welche sich an den § 47 Abs. 5 KVG. anschließen, ist unter tunlichster Berücksichtigung der Billigkeit hinsichtlich der Ver­ wendung des Vereinsvermögens erfolgt. Ist die Liquidation beendet, so fallen die nicht befriedigten Gläubiger aus; Begr. 06 S. 34.

§§ 46. 47]

Knappschaftsgesetz.

737

§ *6. Nach Anhörung der Generalversammlungen der beteiligten Anappschaftsvereine kann die Aufsichtsbehörde im Interesse der Lauernden Sicherstellung der Ansprüche der Mitglieder die Vereinigung von zwei oder mehreren Pensionskassen in der Weife anordnen, daß entweder die vollständige Vereinigung der Pensionskassen erfolgt oder daß sie ihre Selbständigkeit behalten und sich zu einem Rückverficherungsverbande vereinigen. Nov. 06: Mot. S. 34, KB. AH. S. 75, 78.

1. § 46 entspricht dem bisherigen § 177b ABG. Satz 1. Die Sätze 2 und 3 sind seit der Novelle von 1912 an dieser Stelle in Fortsall gekommen und durch die Bestimmungen der §§ 48 und 49 ersetzt worden. 2. Die Vorschrift des § 46 bezweckt die Bekämpfung eines der wesentlichsten Mißstände bei den preußischen Knappschaftsvereinen, nämlich der Zersplitterung in eine übergroße Zahl meist wenig leistungsfähiger Vereine. Z. Das „Interesse der dauernden Sicherstellung der An­ sprüche der Mitglieder" fordert schon dann die Vereinigung, wenn dieses Interesse durch einen solchen Zusammenschluß gefördert wird, nicht nur dann, wenn die Vereinigung zu einer solchen Sicherstellung notwendig ist. Bei der Anordnung der Bereinigung „ist selbstverständlich ausgeschlossen, das vorhandene Vermögen der vereinigten Vereine nach Len gleichen Grundsätzen — unter völliger Zusammenschlagung ohne Rücksicht auf den in dem einzelnen Verein auf das Mitglied entfallenden Vermögensanteil — zu behandeln. Eine gesonderte Behandlung muß auch im Falle der vollständigen Vereinigung hinsichtlich derjenigen Personen, welche bereits im Genuß von Leistungen der Pensionskasse stehen, eintreten und kann hinsichtlich aller derjenigen Personen erfolgen, die im Zeitpunkte der Vereinigung bereits Eventualansprüche gegen einen der be­ teiligten Vereine erworben hatten",' Begr. 06 S. 34. 5. Die Vereinigung kann naturgemäß erst erfolgen, wenn ihre Einzelheiten, insbesondere die Behandlung der Vermögen der einzelnen Vereine, entweder im Wege der Vereinbarung unter ihnen oder durch Anordnung der Aufsichtsbehörde festgestellt sindKB. AH. 06 S. 75—77. 6. Wegen der Schaffung freiwilliger Rückversicherungs­ verbände vgl. § 48.

§ V. Die Auflösung im Falle des § 45 Abs. { und die Anord­ nung der Vereinigung im Falle des § 46 erfolgt durch Beschluß, handelt es sich um die Vereinigung von Pensionskassen, über welche verschiedene Gberbergämter die Aufsicht führen, so er47

Knappschaftsgesetz.

738

[§47

folgt die Anordnung durch gemeinschaftlichen Beschluß der be­ teiligten Gberbergämter. Gegen den Beschluß findet binnen einer Frist von einem Monate vom Tage der Zustellung an den Vorstand ab die Beschwerde an das Vberschiedsgericht statt (§ 83). Nov. 06: KB. AH. S. 75—78, 114—119.

1. § 47 entspricht dem bisherigen § 177 c ABG. Der Re­ gierungsentwurf von 1906 sah nur den Rekurs an den Handels­ minister vor. Die Kommission des AH. gab aber dieser Vorschrift die nunmehrige Fassung, um auch für diese Fälle den Rechtsweg zu eröffnen- KB. AH. 06 S. 75—78, 114—119, Anl. II S- 34 ff. 2. Wegen der Besetzung des Oberschiedsgerichts bei der­ artigen Entscheidungen vgl. § 83 Abs. 2 Nr. 3 b, wegen des Ver­ fahrens 88 6 ff. der Verordnung über das Verfahren vor dem Oberschiedsgericht (Anhang).

Vorbemerkung zu den §§ 48 und 49. Nov. 12: Mot. S. 38 (113).

Die 88 48 und 49 sind durch die Novelle von 1912 (8 177 c a und 177cb) eingefügt worden. Die Begründung bemerkt hierzu: „Die hier vorgesehenen Erweiterungen des bisherigen Ge­ setzes haben den Zweck, die Vereinigung von Knappschaftsvereinen zur gemeinschaftlichen Durchführung der Angestelltenversicherung, die im 8 388 Abs. 1 und 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes v. 20. Dez. 1911 zugelassen ist, zu erleichtern und namentlich die freiwillige Bildung von Rückversicherungsverbänden im Hinblick auf die Vorschrift des 8 388 Abs. 2 a. a. O. zu fördern. Die bis­ herigen 88 177b und 177c (jetzt 88 46 und 47) des Knappschafts­ gesetzes beziehen sich nur auf den Fall, daß mehrere Pensions­ kassen zwangsweise durch Anordnung der Aufsichtsbehörde zu einem Rückversicherungsverbande vereinigt werden. Über die Bildung von Verbänden durch freie Vereinbarung der Beteiligten enthält das Gesetz keine Vorschriften. Solche Vorschriften werden nun­ mehr im Entwurf im Anschluß an die 88 177b und 177c in den 88 177 ca und 177cb (jetzt 88 48 und 49) vorgeschlagen. Daß auch freiwillig gebildete Rückversicherungsverbände der Aufsicht der Bergbehörde unterstehen, ist aus der Verweisung auf 8 169 (jetzt 8 6) im 8 177cb Abs. 1 zu entnehmen. Der Zusammenhang mit den Knappschaftsvereinen, deren öffentlich-rechtlicher Charakter an­ erkannt ist (vgl. auch Überschrift zu den 88 387—389 des An­ gestelltenversicherungsgesetzes), nötigt überdies zu dem Schluß, daß die freiwillig gebildeten Rückversicherungsverbände gleichfalls als öffentlich-rechtliche Bersicherungseinrichtungen anzusehen sind, die nicht unter das Gesetz über die privaten Versicherungsunter­ nehmungen v. 12. Mai 1901 (RGBl. S. 139) fallen und daher der Aufsicht der Behörden dieses Gesetzes nicht unterstellt sind.

§§48- 50]

Knappschaftsgesetz.

739

Erstreckt sich ein solcher Rückversicherungsverband über den Bezirk mehrerer Oberbergämter, so findet § 177 d (jetzt § 50) An­ wendung," Begr. 12 S. 38. § 48Anappschaftsvereine können sich auch freiwillig ;u einem Rückversicherungsverbande vereinigen. Über diese Vereinigung beschließen die Vorstände der beteiligten Vereine, soweit in der Satzung der einzelnen Vereine diese Befugnis dem Vorstand übertragen ist, sonst die Generalversammlungen. Der Beschluß jedes einzelnen Vereins bedarf der Zustimmung des Gberbergamts.

1. Vgl. die Vorbemerkung. 2. Durch diese Vorschrift ist die den Knappschaftsvereinen auch schon bisher zustehende Möglichkeit, sich zu einem Rückversicherungsveroande zu vereinigen, auch im Gesetze selbst zum Ausdrucke gebracht worden. Schon bald nach Erlaß der Novelle von 1906 war unter Mitwirkung der Regierung und des Allgemeinen Deutschen Knapp­ schaftsverbandes die „knappschaftliche Rückversicherungsanstalt auf Gegenseitigkeit in Berlin" gegründet worden, der im Jahre 1911 38 Knappschaftsvereine an gehörten. Über deren, unter dem 28. Juni 1912 neugefaßte Satzung vgl. Z. Bd. 54 S. 80 ff., Reuß S. 377 ff. In dieser, von der Hauptversammlung beschlossene neuen Satzung hat die Rückversicherungsanstalt von der ihr nach Art. IV Nr. 3 der Novelle von 1912 (f. Anhang) gegebenen Mög­ lichkeit Gebrauch gemacht, sich den §8 177ca und 177ob (jetzt §§ 48 und 49) zu unterwerfen; vgl. im übrigen Reuß Anm. 4 zu § 46, Anm. 3 zu 8 48, sowie Thielmann Anm. 4 zu 8 177b ABG. § 49-

Für die Aufstellung der Satzungen in den Fällen der 88 46 und 48 gelten die 88 6 bis 8 entsprechend. Die Rückversicherungsverbände erlangen durch die Bestätigung ihrer Satzungen die Rechtsfähigkeit.

Vgl. die Vordem, zu den 88 48 und 49, zu 8 48.

sowie die Anm.

8 50. Erstreckt sich ein Anappschaftsverein oder ein Rückversiche­ rungsverband über den Bezirk mehrerer Mberbergämter, so bestimmt der Minister für handel und Gewerbe die Behörde,

durch welche die den Gberbergämtern zugewiesenen Befugnisse

Knappschaftsgesetz.

740

[§| 50—52

hinsichtlich dieses Unappschaftsvereins oder Rückversicherungs­ verbandes wahrzunehmen sind. Nov. 06: Mot. S. 34/5.

1. § 50 entspricht dem bisherigen § 177ä ABG. 2. Die Begründung zu 8 177 e des Entwurfs der Novelle von 1906, welcher dem § 177 d dieser Novelle entspricht, führt dazu aus: Im § 47 „ist für die zwangsweise Vereinigung mehrerer Pensionskafsen die Möglichkeit ausdrücklich vorgesehen, daß auch solche Pensionskassen vereinigt werden können, die verschiedenen Oberbergamtsbezirken angehören. Auch sonst wird die gedeihliche Weiterentwicklung der Knappschaftsvereine unter Umständen die Zuweisung von Betrieben zu einem und demselben Knappschafts­ verein oder die Vereinigung von Knappschaftsvereinen auch dann als angezeigt erscheinen lassen, wenn die Betriebe bzw. die Knapp­ schaftsvereine verschiedenen Oberbergamtsbezirken angehören. Ins­ besondere wird die Bildung eines Rückversicherungsverbandes nicht an die Grenzen eines Oberbergamtsbezirks gebunden werden dürfen. Hiernach erscheint die Aufnahme einer Bestimmung dar­ über angezeigt, durch welche Behörde in den in Rede stehenden Fällen die den Oberbergämtern zugewiesenen Befugnisse wahr­ zunehmen sind. Die zu diesem Zweck in den Entwurf aufge­ nommene Bestimmung bietet die Möglichkeit, der Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Fälle sachgemäß Rechnung zu tragen." Begr. 06 S. 34 ff. 8 5V Die Verwaltung eines jeden Unappschaftsvereins erfolgt unter Beteiligung von Unappschaftsältesten durch den Unapp­ schaftsvorstand und die Generalversammlung. Wo besondere Urankenkassen (§ 5) errichtet sind, muß für diese auch ein besonderer Vorstand bestehen. Mot. S. 101/2 (213), KB. AH. S. 94 (1250). Nov. 06: Mot. S. 35.

1. § 51 entspricht dem bisherigen § 178 ABG. 2. Die Bestimmung der Generalversammlung als Ver­ waltungsorgan war vor der Novelle von 1906 in § 178 nicht enthalten. Ihre Einfügung steht in Zusammenhang mit der obli­ gatorischen Einführung der Generalversammlung, die übrigens schon vorher bei den meisten Vereinen auf Grund der Satzung bestand, bei allen Knappschaftsvereinen und besonderen Kranken­ kaffen gemäß 88 181a, 182b ABG., jetzt 88 60, 64. 3. Abs. 2 ist eine selbstverständliche Folge der Errichtung besonderer Krankenkaffen- Begr. 06 S. 35. 8 52. Die Unappschaftsältesten werden von den beitragzahlenden, männlichen, volljährigen Vereinsmitgliedern, welche sich im Ve-

6 62]

Knappschaft-gesetz.

741

fitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, in einer durch die Satzung bestimmten Zahl und unter den in der Satzung hinfichtlich der Wählbarkeit bestimmten besonderen Voraussetzungen auf Grund geheimer und unmittelbarer Abstimmung aus ihrer Mitte gewählt. Sie müssen die deutsche Reichsangehörigkeit besitzen und der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig sein. Insoweit innerhalb eines Anappschaftsvereins besondere Arankenkassen (§ 5) eingerichtet find, kann durch die Satzung des Anappschaftsvereins bestimmt werden, daß die Wahl der Anappschaftsältesten bei den besonderen Arankenkassen erfolgt. Anappschaftsinvaliden können als Älteste gewählt werden, wenn sie als beitrittspflichtige oder als freiwillige Mitglieder Beiträge zur Arankenkaffe eines Anappschaftsvereins oder zu einer besonderen Arankenkaffe (§ 5) zahlen. Die Verhältniswahl ist zulässig; dabei kann die Stimm­ abgabe auf Vorschlagslisten beschränkt werden, die bis zu einem in der Satzung festgesetzten Zeitpunkte vor der Wahl einzu­ reichen sind. Die Anappschaftsältesten haben im allgemeinen das Recht und die Pflicht, einerseits die Befolgung der Satzung durch die Anappschaftsmitglieder zu überwachen und andererseits die Rechte der letzteren gegenüber dem Vorstande wahrzunehmen. Die Anappschaftsältesten oder von ihnen gewählte Abgeordnete vertreten die Anappschaftsmitglieder in den Generalversamm­ lungen. Die Satzung oder eine besondere Dienstanweisung (§ 55) regelt ihre Dienstobliegenheiten.

Mot. S. 102 (213), KB. AH. S. 94 (1250). Nov. 06: Mot. S. 35/6, KB. AH. S. 79 ff., 91 ff., StenB. AH. S. 4926 ff., KB. HH. S. 12-14 (671/2), StenB. HH. S. 401. Nov. 12: Mot. S. 27/8 (107/8).

1. § 52 entspricht dem bisherigen § 179 ABG., jedoch ist im Abs. 1 das Wort „geheimer" und Abs. 2 ganz neu eingefügt worden. Er gilt auch für die besonderen Krankenkaffen- vgl. § 64. 2. Die Voraussetzungen der aktiven Wahlfähigkeit sind also: a) die Zahlung von Beiträgen. Invalide Mitglieder, welche keine Beiträge zahlen, haben, wie dies übrigens auch schon früher Rechtens war, kein Wahlrecht, eS kann ihnen auch nicht etwa durch die Satzung verliehen werdenReutz Anm. 3 zu § 52, Thielmann Anm. 1 zu § 179 ABG.

742

Knappschaftsgesetz.

[§ 52

b) Männliches Geschlecht. Diese Bestimmung ist um so unbedenklicher, als die weiblichen Mitglieder durchweg der Pensionskasse nicht angehören, mithin nur beschränkt an den Einrichtungen des Knappschaftsvereins teil­ nehmen,' Begr. 09 S. 35, vgl. auch § 27 Abs. 3. c) Volljährigkeit. d) Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte. Diese beiden Be­ dingungen stimmen mit den in § 37 Abs. 1 KVG. (vgl. jetzt §§ 333, 339 u. § 652 RVO.) enthaltenen überein. e) Eigenschaft als Vereinsmitglied. Hierunter sind sowohl die Angehörigen der Pensions-, als auch der Krankenkassen zu verstehen/ Rek.-Besch. v. 21. Nov. 1908, Z. Bd. 50 S. 140. 3. Die passive Wahlfähigkeit, die Wählbarkeit als Knappschaftsältester, ist an folgende Voraussetzungen geknüpft: a) Besitz der aktiven Wahlfähigkeit (vgl. Anm. 2), jedoch sind auch die in Abs. 2 bezeichneten Invaliden wählbar (s. unten); b) Besitz der deutschen Reichsangehörigkeit; c) Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift; d) Erfüllung der in der Satzung vorgesehenen besonderen Voraussetzungen der Wählbarkeit, z. B. höheres Lebensalter als die Volljährigkeit, unbescholtener Lebenswandel, hinreichende Ele­ mentarkenntnisse im Lesen, Rechnen und Schreiben oder auch Zu­ gehörigkeit zur Pensionskasse; Begr. 06 S. 35, Rek.-Besch. v. 21. Nov. 1908, Z. Bd. 50 S. 140. Auch Invaliden können auf Grund des Abs. 2 nunmehr wieder als Älteste gewählt werden, sofern sie beitrittspflichtige oder beitrittsberechtigte Mitglieder der Krankenkasse eines Knappschaftsvereins oder einer besonderen Krankenkasse sind. Ihre Wählbarkeit kann auch nicht etwa durch die Satzung ausgeschlossen werden, da dieselbe auf der zwingenden Vorschrift des § 501 Abs. 2 RVO. (s. Anhang) beruht. Hierin liegt eine wesentliche Ab­ änderung des auf Grund der Novelle von 1906 bestehenden Rechts­ zustandes. Denn während nach dem § 179 Abs. 2 ABG. in der ursprünglichen Fassung den Invaliden die Wählbarkeit durch die Satzung beigelegt werden konnte, war ihnen dieses Recht gemäß einem Kommissionsbeschlusse des AH. durch die Novelle von 1906 abgesprochen worden, weil sie nur Vorteile von den Kassen hätten, zu den Lasten aber nichts beitrügen. KB. AH. 06 S. 79 ff., 92—94; vgl. aber auch Art. III Abs. 3 der Novelle von 1906 im Anhang (Beibehaltung der im Amte befindlichen Invaliden bis zum Ab­ laufe ihrer Wahlperiode). 4. Die Wahl selbst muß a) unmittelbar, so daß also die früher vereinzelt übliche, in­ direkte Wahl durch Wahlmänner unzulässig ist, und b) geheim sein; die geheime Abstimmung, die schon vor der Novelle von 1912 durch die Satzungen zahlreicher Knappschafts­ vereine vorgeschrieben war, ist nunmehr entsprechend der Be-

§§52. 53]

Knappschaftsgesetz.

743

stimmung des § 501 Abs. 1 RVO. (f. Anhang) allgemein als zwingend eingeführt worden. Über die Wahl der Knappschaftsältesten bei den besonderen Krankenkassen (Abs. 1 Satz 3) vgl. § 64 Anm. 2. 5. Die Verhältniswahl, bei welcher nach Listen gewählt wird, ist durch die Kommission des AH. in die Regierungsvorlage von 1906 eingefügt worden, um bei den Wahlen auch der Minderheit die Möglichkeit einer Vertretung zu gewähren,' KB. AH. 06 S. 79, 82. Praktisch wird die Verhältniswahl bei der Wahl von Knapp­ schaftsältesten nur in den seltensten Fällen in Betracht kommen, da sie naturgemäß nur zur Anwendung gelangen kann, wenn ein und derselbe Wahlkörper mehrere Personen zu wählen hat, die Altestenwahl aber regelmäßig in örtlichen oder nach Werken abgegrenzten Sprengeln in der Weise geschieht, daß jeder Sprengel einen Ältesten wählt. Vgl. im übrigen § 80fe ABG. Anm. 2, sowie Reuß Anm. 11 und 12 zu § 52, Thielmann Anm. 8 zu § 179 ABG. 6. Abs. 4 entspricht dem § 179 Abs. 4 ABG. in der ur­ sprünglichen Fassung mit dem durch die gesetzliche Einführung der Generalversammlung als Organ des Knappschaftsvereins (§ 60) notwendig gewordenen Zusatz. Hiernach sind die Knappschaftsältesten die Vertrauensleute des Vereins und seiner Mitglieder, sie haben den Verkehr unter beiden zu vermitteln. Sind hierzu Anträge erforderlich, so haben sie dieselben aufzunehmen. Hat aber der Verein eine Entscheidung auf einen solchen Antrag getroffen, so ist die Ausgabe des Ältesten erschöpft und es gehört nicht etwa zu seinen Dienstpflichten, in dem von dem Mitgliede gegen eine derartige Entscheidung an­ hängig gemachten Rechtsmittelverfahren die Interessen desselben zu vertreten und z.B. Prozeßschriften anzufertigen- Urt. des OSchG. v. 22. März 1911, Z. Bd. 53 S. 129 ff. 7. Die nach Abs. 5 zulässige besondere Dienstanweisung für die Knappschaftsältesten ist gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 1 vom Vorstände zu erlassen. Da dieser aber die Bestimmungen der Satzung nicht abändern kann, so darf dieselbe keinerlei Vorschriften enthalten, welche mit den entsprechenden Satzungsbestimmungen in Wider­ spruch stehen,' Oppenhoff Nr. 974, Thielmann Anm. 11 zu § 179 ABG., Reuß Anm. 14 zu § 52. § 53.

Die Mitglieder des Anappschaftsvorstandes werden zur einen Hälfte aus den lverksbefitzern oder aus deren Vertretern (§§ ((?, (27, (3H des Allgemeinen Berggesetzes), zur anderen Hälfte in geheimer Wahl aus den nach § 52 Abs. ( und 2 gewählten und nach § 9 Abs. ( bis 3 beitrittspflichtigen Anappschafts­ ältesten gewählt.

744

Knappschaftsgesetz.

[§ 63

Bei Anappschaftsvereinen mit besonderen Arankenkassen für alle Vereinswerke (§ 5) werden die Vertreter der Mitglieder im Anappschaftsvorstande nur aus den nach § 52 Abs. s ge­ wählten und nach § 9 Abs. [ bis 3 beitrittspflichtigen Anappschustsältesten gewählt. Die Verhältniswahl ist zulässig; dabei kann die Stimm­ abgabe auf Vorschlagslisten beschränkt werden, die bis zu einem in der Satzung festgesetzten Zeitpunkte vor der Wahl einzu­ reichen sind. Wählbar als Vertreter der Werksbesitzer sind auch solche Personen, welche mit der Leitung der zum Vereine gehörigen Betriebe betraut oder in der Verwaltung dieser Betriebe an­ gestellt sind. Der Anappschaftsvorstand wählt seinen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter aus der Zahl seiner aus den Werksbesitzern oder deren Vertretern gewählten Mitglieder. Mot. S. 102 (213), KB. AH. S. 94/5 (1250). Nov. 06: Mot. S. 36, KB. AH. S. 87-90, 91-96, StenB. AH. S. 4943 ff., StenB. HH. S. 13/4 (672). Nov. 12: Mvt. S. 27 (107), KB. AH. S. 15-17, 26/7.

1. § 53 entspricht im wesentlichen dem bisherigen § 180 ABG. Durch die Novelle von 1912 ist jedoch mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 501 RVO. (s. Anhang) der Abs. 1 ab­ geändert und der Abs. 2 neu eingefügt worden. Er gilt auch für die besonderen Krankenkassen. 2. Gemäß der neuen Bestimmung des Abs. 1 ist die den Knappschaftsältesten zu entnehmende Hälfte der Vorstandsmitglieder in geheimer Wahl zu wählen (vgl. § 501 Abs. 1 RVO.). Invaliden sind grundsätzlich bei den Knappschaftsvereinen in den Vorstand wählbar, ausgenommen sind gemäß Abs. 2 die Vereine mit besonderen Krankenkassen für alle Vereinswerke, da hier dem Knappfchaftsvorstande lediglich die Verwaltung der Pensionskaffe obliegt- KB. AH. 12 - u. S.-W. Bd. 45 S. 96 maßgebend. Nach denselben ist zur Bekleidung der Stelle eines Revierbeamten oder technischen Mitgliedes der höheren Bergbehörden des Staates eine technisch-wissenschaftliche und praktische Ausbildung sowie die Ablegung der Bergreferendar­ und der Bergassessor-Prüfung erforderlich,- vgl. im einzelnen Schlüter-Hense I 3 o zu § 190. 5. Der Schlußsatz des § 190 bezweckt, durch eine bis dahin fehlende gesetzliche Bestimmung auszusprechen, daß die Oberlergämter, ihrer Stellung als Provinzialbehörden und dem v»rgefundenen Rechtszustande entsprechend, in ihrem Geschäftskreise die­ selben Befugnisse und Berpstichtungen haben wie die Bezirks­ regierungen. Mot. S. 105. Die Zuständigkeit der letzterer be­ ruhte auf der Instruktion v. 23. Okt. 1817 und der Verordnung

< 190]

Bon den Bergbehörden.

803

v. 26. Dez. 1808 (GS. 1817 S. 248, 282). Soweit diese Vor­ schriftei infolge der neuen Organisation der Landesverwaltung, insbesmdere durch das Gesetz v. 30. Juli 1883 (GS. S. 195) aufgehlben und die einschlägigen Geschäfte der Regierungen auf die Regierungspräsidenten übergegangen sind, werden die neuen Borschuften auch seitens der Oberbergämter sinngemäß anzu­ wenden. im übrigen aber die älteren Vorschriften noch als maß­ gebend zu betrachten sein. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um die Prozeßführung, die Anwendung exekutivischer Zwangs­ mittel ifro. In ersterer Beziehung liegt den Oberbergämtern die Ver­ tretung des Bergfiskus in den von demselben als Kläger oder Beklagtm zu führenden Prozessen ob, § 14 der Jnstr. v. 23. Okt. 1817. Wegen der mit der Verwaltung der Bergwerke, Hütten und Salinen des Staates zusanimenhängenden Prozesse, vgl. § 12 Abs. 3 5er Zust.-Ordng. v. 31. März 1904 (Anhang). Bezüg­ lich der Prozeßvollmachten nnd deren Einschränkung vgl. Min.Erlasse o. 17. u. 24. Aug. 1881, Z. Bd. 22 S. 424. Die innere Geschäftsführung der Oberbergämter ist gegen­ wärtig wesentlich geregelt durch die „Geschäftsordnung für die Königlichen Obcrbergämter" v. 15. Sept. 1888; die derselben ent­ gegenstehenden, im Verwaltungswege ergangenen Vorschriften sind aufgehoben. Die Befugnis der Oberbergämter zur exekutivischen Bei­ treibung von Kosten usw. in Bergbauangelegenheiten beruht auf § 42 der Verordnung v. 26. Dez. 1808 und ist gegenwärtig nach Maßgabe der Verordnung v. 15. Nov. 1899 u. 18. März 1904 auszuüben; § 194 Anm. 2. Nach § 11 der Jnstr. v. 23. Okt. 1817 in Verbindung mit § 48 Nr. 2 der Verordnung v. 26. Dez. 1808 sind die Ober­ bergämter befugt, ihren Verfügungen nötigenfalls durch gesetzliche Zwangsmittel Nachdruck zu geben und insbesondere auch exekutivische Strafbefehle zu erlassen. Diese Befugnis muß den Oberbergämtern grundsätzlich auch dann zugesprochen werden, wenn es sich um zwangsweise Durch­ führung von Anordnungen bergpolizeilicher Natur handelt. Be­ reits der Min.-Erl. v. 15. Jan. 1862, Z. Bd. 3 S. 125, wies darauf hin, daß die Vorschrift im § 20 des Gesetzes über die Polizei­ verwaltung v. 11 .z 1850 (GS. S. 265): „Jede Polizei­ behörde ist fiere. ihre polizeilichen Verfügungen durch An­ wendung der gesetzlichen Zwangsmittel durchzüsetzen," auch auf die Bergpolizeibehörde Anwendung finde, und daß also den Ober­ bergämtern (nicht auch den Revierbeamten, § 189 Anm. 2) das Recht zustehe, die Befolgung bergpolizeilicher Anordnungen durch Androhung und Festsetzung von Geldstrafen, an deren Stelle im Unvermögensfalle Freiheitsstrafe tritt, zu erzwingen; hinzugefügt wurde jedoch, daß „von diesen Zwangsmitteln kein anderer als der dringend notwendige Gebrauch zu machen ist." An dieser

804

Achter Titel.

Rechtslage hat das ABG. nichts geändert. Allerdings sind ab­ weichend gegen früher im § 208 auch die Zuwiderhmdlumgen gegen bergpolizeiliche Anordnungen unter gesetzliche, von den Gerichten zu verhängende Strafe gestellt- indes kann hieraus nicht gefolgert werden, daß nunmehr jene Exekutivgewalt derOberbergämter in Ansehung der Bergpolizei aufgehoben sei. Andererseits ist es selbstverständlich, daß wegen einer und derselben Übertretung nicht die gerichtliche Bestrafung erfolgen und außerdem eine Exekutivstrafe verhängt werden kenn. Vgl. auch Erl. des Ministers des Innern v. 15. März 1869, Min.Bl. usw. S. 74. Überhaupt entspricht es mehr dem Geiste des ABG. und dem vorerwähnten Erlasse v. 15. Jan. 1862, die Be­ folgung bergpolizeilicher Anordnungen statt durch Strafbefehl des Oberbergamts durch Strafantrag bei den Gerichten zu erzwingen und daneben nötigenfalls von denjenigen Zwangsmitteln Gebrauch zu machen, welche das ABG. selbst vorsieht, wie Betriebs­ einstellung (88 70, 75) oder Ausführung auf Kosten des Berg­ werksbesitzers (88 202, 205), zumal zur Anwendung dieser Zwangsmittel auch der Revierbeamte gesetzlich befugt ist; vgl. 8 189 Anm. 2. Völlig unzulässig ist die Androhung von Exekutivstrafen in den Fällen, in welchen das ABG. bestimmte Rechtsnachteile privat­ rechtlicher Natur eintreten läßt. Wenn Oppenhoff Nr. 1097, 1071 den Erlaß exekutivischer Strafbefehle, soweit es sich um polizeiliche Anordnungen im Sinne der 88 198 und 199 handelt, allgemein für ausgeschlossen hält, so reichen die hierfür geltend gemachten Gründe trotz ihres Ge­ wichtes doch nicht aus, um jene Fälle von der Zuständigkeit der Oberbergämter ausnehmen zu können, da eine desfallsige aus­ drückliche Ausnahme von 8 190 nicht getroffen ist. Klostermann Anm. 444 und Arndt 2. Aust. S. 200 sowie Vordem, zum 9. Titel sprechen sich für diese Zuständigkeit aus,' der erstere ging aber zu weit, wenn er annahm, daß ungeachtet der gesetz­ lichen Strafandrohung in häufigen Fällen das Bedürfnis zur An­ wendung exekutivischer Strafbefehle eintreten werde,' die Praxis bestätigt dies nicht, so auch jetzt Thielmann Anm. 1 zu 8 202. Die Strafbefehle der Oberbergämter können Geldstrafe bis zur Höhe von 300 M. androhen und gleichzeitig nach Maßgabe der 88 28, 29 StGB, die Dauer der Haft festsetzen, welche für den Fall des Unvermögens an die Stelle der Geldstrafe treten soll. Vgl. auch 8 132 Nr. 2 des Ges. über die ollg. Landes­ verwaltung v. 30. Juli 1883. 6. Auf Grund allgemeiner Gesetze gehören zu dem Geschäfts­ kreise der Oberbergämter noch die nachbezeichneten Gegenstände, und zwar zunächst die Handhabung der Disziplin über die ihnen unterstellten Beamten, sowie insbesondere das Disziplinarverfahren nach dem Disziplinargesetze v. 21. Juli 1852 (GS. S- 465). Gemäß 8 24 Nr. 2 desselben sind die Oberbergäunter die ent-

6190)

Bon den Bergbehörden.

806

sccheiidendk Disziplinarbehörde erster Instanz in Ansehung aller

Wemmten welche bei ihnen angestellt oder ihnen untergeordnet siinid und zu deren Anstellung nicht eine von dem Könige ausg,eh«nde Ernennung, Bestätigung oder Genehmigung erforderlich isst. Raä dem auf Grund des § 26 des Gesetzes ergangenen Bescchlwffe tes Staatsministeriums v. 23. Aug. 1853 (Min.-Bl. f. d.. innere Berw. S. 227) erstreckt sich diese Zuständigkeit gegenw'äritig aich auf alle von dem Minister der öffentlichen Arbeiten ernamnter oder bestätigten Beamten der Bergverwaltung. Die Berufung gegen Entscheidungen der Oberbergämter in Disziplinär» swchen gest an das Staatsininisterium. Auä die Entscheidung über die Pensionierung von Beamten, deren Errennung und Anstellung den Oberbergämtern zusteht, hat durch letztere zu erfolgen. Min.-Erl. v. 12. Jan. 1885, Z. Bd. 26 S. 282. Die Oberbergämter sind ferner nach § 5 der K. Verordn, beitr. die Lompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den Ver­ waltungsbehörden, vom 1. August 1879 (GS. S. 573) zur Er­ hebung drs Konipetenzkonflikts befugt,' vgl. auch § 113 LVG. Desgleichen steht ihnen nach § 1 des Gesetzes, betr. die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Diensthandlungen, vom 13. Februar 1854 (GS. S. 86) die Befugnis zu, den Konflikt zu erheben, wenn gegen einen Beamten wegen einer in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlung oder wegen Unterlassung einer Amtshandlung eine gericht­ liche Verfolgung im Wege des Zivil- oder Strafprozesses eingeleitet worden ist; vgl. § 11 EG. z. GVG. v. 27. Jan. 1877 (RGBl. S. 77). Entscheidende Behörde ist in den ersteren Fällen der „Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte", in letzteren sowie im Falle des § 113 LVG. das „Oberverwaltungsgericht". Auch sind von den Oberbergämtern die gemäß der RBO. der GO. und des Gew.-Ger.-G. den höheren Verwaltungsbehörden zugewiesenen Verrichtungen in betreff derjenigen Betriebe wahrzu­ nehmen, welche berggesetzlich der polizeilichen Beaufsichtigung der Bergbehörden unterliegen (vgl. § 189 Anm. 3b und d und § 82 i. D. in. §§ 17, 21, 22 Gew.-GerG. und dem Erl. v. 30. Juni 1893, Z. Bd. 35 S. 14). Ferner steht ihnen die Aufsicht über das auf Grund des KnG. (vgl. § 80 Anm. 3) noch bestehenbleibende Knappschafts­ gericht für den Bezirk des OBA. Breslau zu (§ 30 der Verordn, über das Berf. vor den SchG, im Anhang); bei den für die übrigen Oberbergamtsbezirken zu bildenden besonderen Oberver­ sicherungsämtern (8 80 Anm. 3) ist der Berghauptmann der Vor­ sitzende, als sein Vertreter ist ein Direktor bestellt, die Aufsicht führt der Handelsminister (§§ 67, 79 Abs. 1 RVO.). Schließlich liegt ihnen die Verwaltung der Bergbauhilfskaffen ob, vgl. § 245 und das hierzu ergangene Gesetz v. 5. Juni 1863 (Anhang).

806

Achter Titel.

[§§ 191. 192

Außerdem ist das OBA. verpflichtet, auf Ersuchen der be­ treffenden Behörden in Sachen der Reichsstempelsteuer (§ 9 der Ausf. Best, des Bundesrats z. RStG. v. 15. Juli 1909), in Steuersachen bez. der von den Gewerkschaften eingereichten Jahres­ abschlüsse (Verordn, v. 12. August u. 29. November 1891) sowie in Zuwachssteuersachen (Min.-Erl. v. 9. April 1913, Z. Bd. 54 S. 341) Gutachten abzugeben. § 191.

Gegen Verfügungen und Beschlüsse des Revierbeamten ist der Rekurs an das Gberbergamt, gegen Verfügungen und Beschlüsse des letzteren der Rekurs an den Handelsminister zu­ lässig, insofern das Gesetz denselben nicht ausdrücklich ausschließt.

Mot. 105 (214), KB. AH. S. 96 S. 96 (1251). 1. Während das Recht der Beschwerde über Behörden und Beamte in Beziehung auf die Geschäfts» und Dienstführung der­ selben im allgemeinen an Fristen und Formen nicht gebunden ist, empfahl es sich, für die zahlreichen Fälle, in welchen nach dem ABG. durch Verfügungen und Beschlüsse der Bergbehörden Rechtsverhältnisse festgestellt und Privatrechte betroffen werden, ein gesetzlich geregeltes Rekursverfahren einzuführen, damit ein geordneter Geschäftsgang aufrecht erhalten und die Erledigung von Streitsachen nicht von dem einen Teile zum Schaden des anderen auf unbestimmte Zeit hingehalten wird. Für das Ver­ leihungswesen war ein solches Rekursverfahren bereits durch § 4 des Ges. v. 10. Juni 1861 ein geführt, und hieran lehnen sich die § 191 bis 193 verallgemeinernd an. 2. Im § 191 ist die allgemeine Zulässigkeit des Rekurses unter Hinweis auf ausdrückliche Ausnahmen ausgesprochen und der Jnstanzenzug geordnet. Solche Ausnahmen finden sich in § 8 Abs. 3 und in § 145 Abs. 1 (Festsetzung der Entschädigung und der Kaution bei dem Unternehmen von Schürfarbeiten und bei der Grundabtretung, wo nur der ordentliche Rechtsweg zulässig ist), § 75 Abs. 2 (Klage bei dem Bergausschuß gegen die Entscheidung des Revier­ beamten betr. Entfernung einer Aufsichtsperson), § 192a Abs. 1 u. 2 (Klage bei dem Bergausschuß in den Fällen der §§ 15 Abs. 1 Ziff. 1, 27, Abs. 4, 80 kg, Abs. 1 u. 2 und 197 Abs. 1, sowie Art. XI der Mutungsnovelle), ferner in §§ 6 Abs. 3, 41 Abs. 2, 47 und 54 Abs. 3 KnG. (Beschwerde an das Oberschieds­ gericht gegen die dort genannten Beschlüffe des OBA.).

§ 192. — Fassung des Art. VI des Gesetzes vom 24. Juni 1892.—

Der Rekurs muß binnen vier lvochen vom Ablaufe des Tages, an welchem die Verfügung oder der Beschluß zugestellt

§ ^2] \ber

„ . Von den Bergbehörden. sonst

bekannt

gemacht

worden

807

ist,

eingelegt

werden,,

widrigenfalls das Rekursrecht erlischt. Widersprechen Verfügungen oder Beschlüffe des Reviers­ beamten oder des Mberbergamts den von der zuständigen Berufsgenossenschaft erlassenen Vorschriften zur Verhütung von Unfällen, so ist zur Einlegung des Rekurses binnen der vor­ stehend bezeichneten Frist auch der Vorstand der Berufsgenossen­ schaft oder Berufsgenossenschaftssektion befugt. Mot. S. 105 (214), KB. AH. S. 91 (1251).

1. Die vierwöchentliche Rekursfrist ist eine ausschließende. Bezüglich der nach § 59 ABG. den Gewerbegesetzen unter­ liegenden Dampfkessel und Triebwerke (vgl. Anhang zu § 59) sowie in Angelegenheiten der Markscheider (§ 190 Anm. 3) kommt jedoch nicht diese, sondern die vierzehntägige Rekursfrist der §§ 20 u. 24 GO. zur Anwendung. Vgl. Ausf.-Anw. z. GO. v. 1. Mai 1904 Ziff. 26, Min.-Erl. v. 13. Sept. 1869, Zeitschr. f. B., H. u. S.-W. Bd. 18 S. 62; Min.-Erl. v. 2. Juli 1900 Ziff. 7, Z. Bd. 42 S. 16. Die Frist des § 192 bezieht sich nur auf Rekurse gegen „Verfügungen und Beschlüsse" (§ 191), nicht auch auf Beschwerden über öffentlich verkündigte allgemeine Bergpolizeiverordnungen der Oberbergämter (§ 197). 2. 'Da die Berechnung der Rekursfrist von dem Tage der Zu­ stellung und sonstigen Bekanntmachung abhängt, so ist es erforder­ lich, diesen Zeitpunkt durch Post-Zustellungsurkunde oder aus andere beweisende Art festzustellen. 3. Ob die Rekursfrist gewahrt ist, hängt lediglich davon ab, an welchem Tage die zuständige Behörde die Rekursschrift er­ wiesenermaßen empfangen hat; der Tag, an welchem die letztere bei der Postanstalt am Sitze der Behörde angelangt oder nach Eingang bei der Behörde erst später mit dem Präsentationsver­ merke versehen ist, kommt nicht in Betracht. Rek.-Besch. v. 12. April 1866, Z. Bd. 7 S. 266. Min.-Erl. v. 9. Jan. 1875, Z. Bd. 16 S. 263. 4. Die Zurückweisung eines wegen Verspätung unzulässigen Rekurses ist der Behörde vorbehalten, welche sonst in der Sache selbst zu entscheiden haben würde. 5. Die dem Rekursrechte unterliegenden Verfügungen und Beschlüsse werden erst endgültig mit Ablauf der Rekursfrist und, wenn Rekurs eingelegt ist, mit Erlaß der Rekursentscheidung; bis dahin bleiben die rechtlichen Wirkungen bzw. die Ausführung ausgesetzt; ausgenommen hiervon ist gemäß § 201 Abs. 2 der Fall des § 199; vgl. a. § 67 Anm. 3 bez. der Beanstandung eines Betriebsplans, sowie § 41 Abs. 3 Satz 2 KnG. 6. Die Rekurse und Rekursbeantwortungen sind stempelfrei, dagegen die Rekursbescheide nur insoweit, als sie lediglich das

808

Achter Titel

[§ 192 a

öffentliche Interesse, namentlich die Bergpolizei betreffen, Min -Erl. J>. 3. Juni 1873, Z. Söb. 14 S. 326, Anm. 1, StStG. Tar.-St. 10. 7. Abs. 2 ist durch die Novelle vom 24. Juli 1892 eingefügt "worden. Näheres hierzu vgl. § 197 Anm. 6. Die Knappschaftsberufsgenoffenschaft hat bisher für die der Aufsicht der Bergbehörde unterstehenden Betriebe noch keine Unfall­ verhütungsvorschriften erlassen.

§ 192 a.

— Fassung des Art. IV der Novelle vom 28. Juli 1909. — Gegen die Entscheidung des Oberbergamts in den Fällen des § 80fq Abs. ( und 2 findet innerhalb zwei Wochen von der Zustellung an die Klage im Verwaltungsstreitverfahren bei dem Bergausschusse statt. Die Anrufung des Bergausschusses steht dem Bergwerkseigentümer und den durch die Entscheidung betroffenen wahlberechtigten Arbeitern oder den Arbeiter­ vertretern zu. Gegen die Entscheidung des Oberbergamts auf Grund des § 15 Abs. I Ziffer des § 27 Abs. -s und des § (9? Abs. \ findet innerhalb zwei Wochen von der Zustellung an die Klage im Verwaltungsstreitversahren bei dem Bergausschusse statt. Gegen die Entscheidungen des Bergausschusses ist das Rechts­ mittel der Revision bei dem Gberverwaltungsgerichte gegeben.

Nov. 05: KB. AH. S. 85, StenB. AH. S. 13357, 13511 ff., KB. HH. S. 25 ff. (1202/3), StenB. HH. S. 1075. Nov. 07: KB. AH. S. 56, StenB. AH. S. 4799/800. Nov. 09: Mot. S. 31. 1. § 192 a ist dem ABG. zunächst durch Art. III der Novelle vom 14. Juli 1905 hinzugefügt worden. Durch Art. VII des Ges. v. 18. Juni 1907 ist sodann das Verwaltungsstreitversahren, das ursprünglich nur gegen die Entscheidungen des Oberbergamts auf Grund des § 197 Äbs. 1 vorgesehen war, auch auf die Fälle des § 15 Abs. 1 Ziff. 1 und § 27 Abs. 4 ausgedehnt worden. Weitere Abänderungen haben die Abs. 1 und 3 dieser Bestimmung durch die Novelle vom 28. Juli 1909 erfahren. 2. Die Hinzufügung des § 192 a zu der Novelle vom 14. Juli 1905 beruhte auf den Beschlüssen des Landtags. Der Zweck der Bestimmung nach ihrer Gestaltung in der ersten Lesung der Komm, des AH.: „Gegen die Entscheidung des Oberbergamts findet im Falle des § 80 f Abs. 2 a die Klage int Verwaltungsstreitversahren statt", war, gegenüber den Entscheidungen des Öberbergamts über die Auflösung eines ständigen Arbeiterausschusses (§ 80 f Abs. 3, jetzt § 80 f q Abs. 2) gewisse Rechtsgarantten zu schaffen. Aus demselben Grunde wurde das Verwaltungsstreitverfahren in der

§ 192 a]

Von den Bergbehörden.

809

zweiten Lesung der Kommission hinsichtlich der Entscheidungen auf Grund des § 80 f Abs. 4 Ziff. 4 und § 197 Abs. 1 für zulässig erklärt. Nach den Beschlüssen der Kommission sollte die zuständige Behörde für das Verwaltungsstreitverfahren in allen Fällen der Bezirksausschuß sein. Das Plenum behielt dies gemäß den Be­ schlüßen der dritten Lesung jedoch nur bezüglich der beiden ersten Fälle {§ 80 f Abs. 3 und Abs. 4 Ziff. 4) bei, während die Entscheidung in den Fällen des § 197 Abs. 1 dem neugeschaffenen „Bergausschuß" übertragen wurde (KB. AH. S. 85, 103/4, Sten.-B. AH. S. 13357, 13511 ff., KB. HH. S. 25 ff., Sten.-B. HH. S. 1075). Die Zuständigkeit des Bergausschuffes ist sodann durch die Novelle von 1909 auf alle Fälle des § 192 a ausgedehnt worden, da es sich vielfach um rein bergtechnische Fragen handelt, zu deren Beurteilung den Bezirksausschüssen die nötige Sachkunde fehlt. Mot. S. 31). Die Klage beim Bergausschuffe findet demgemäß statt: nach Abs. 1 gegen eine Entscheidung des Oberbergamts a) über eine Beschwerde betr. die Gültigkeit der Wahl eines Sicherheitsmanns, b) über die Beschwerde betr. die Gültigkeit der Wahl eines Arbeiterausschuß-Mitgliedes, c) über die Auflösung des Arbeiterausschussesnach Abs. 2 gegen eine Entscheidung des Oberbergamts a) über die Versagung der Verleihung auf Grund des § 15 Abs. 1 Ziff. 1 und in Gemäßheit des § 31, b) über die Ungeeignetheit des vom Muter verlangten Feldes gemäß § 27 Abs. 4; in den Fällen zu a und b steht die Klage aber nur dem Muter, nicht auch einem Dritten zu, dieser kann dahingehende Einwendungen nur im ordentlichen Rechtswege geltend machen- Urt. des OVG. v. 21. Okt. 1912, Z. Bd. 54 S. 278 Arndt Anm. 3 zu § 192 a, a. A. Eskens Z. Bd. 49 S. 106, SchlüterHense Anm. 4b zu § 36, c) über Dauer, Beginn oder Ende der täglichen Arbeitszeit im einzelnen Fall auf Grund der allgemeinen dahin­ gehenden Festsetzungen und Anordnungen, sowie über die Ablehnung des Befreiungsantrages eines Bergwerksbesitzers von derartigen Festsetzungen (§ 197 Abs. 1 S. 2—4), KB. AH. 1905 S. 110/1, Sten.-B. AH. S. 13342, KB. HH. S. 26/7, sowie Reuß Z. Bd. 46 S. 517/8). Trotz des Wortlautes des Abs. 2: „§ 197 Abs. 1" ist die Klage beim Bergausschuffe nur in den zu c genannten Fällen, nicht auch in denen des § 197 Abs. 1 Satz 1 und 3 zulässig, denn nach den Verhandlungen des Landtages war die Einführung dieses Verfahrens nur betreffs der Anordnungen bezüglich des sanitären Arbeitstages, nicht auch hinsichtlich der in Satz 1 des des Abs. 1 genannten Anordnungen des Oberbergamts beabsichtigt vgl. Sten.-B. AH. S. 13511-13, KB. HH. S. 26/7, Reuß

810

Achter Titel.

[§ 193

S. 518/9, Urt. des OVG. v. 28. Jan. 1909, Z. Bd. 50 S 389, Thielniann Anm. 1 zu § 192a. Die Klage ist gegen das Oberbergamt, dessen Entschidung angefochten wird, zu richten,' Urt. des OVG. v. 29. Aprl und 10; Mai 1909, Z. Bd. 51 S. 323/326. Neben dieser Klage ist der Rekurs nicht zulässig, woll aber in den Fällen der §§ 31, 35 die Klage im ordentlichen fiechtswege,' vgl. Anm. 12 zu §31, Rek.-Besch. v. 8. Mai 19>8, Z. Bd. 49 S. 469, Eskens, Z. Bd. 49 S. 148, Thielmann Ann. 4, Arndt Anni. 1 zu § 192 a. Wegen der sonstigen Zuständigkeit des Bergauschusses vgl. § 194 a 3. Die Revision beim Oberverwaltungsgerichte kam nur darauf gestützt werden, a) daß die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwndung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechtes, insbesondere auch der von den Behörden innerhalb ihr>r Zu­ ständigkeit erlassenen Verordnungen beruhe, b) daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leid-' (§ 94 LVG., § 194 a Abs. 7), Reuß S. 520.

8 193.

In den Fällen, wo nach den, gegenwärtigen Gesetze ein Beschluß des Gberbergamts erforderlich ist, desgleichei gegen Verfügungen, welche eine Entscheidung zwischen stiebenden Parteien enthalten, muß der Rekurs innerhalb der iw § (92 bestimmten Frist bei derjenigen Behörde eingelegt werd-n, von welcher die beschwerende Entscheidung getroffen woiden ist. Durch Einlegung bei einer anderen Behörde wird das Rekurs­ recht nicht gewahrt. In den Fällen, wo eine Gegenpartei vorhanden st, wird derselben die Rekursschrift zur Beantwortung binnen eher vier­ wöchentlichen, vom Ablaufe des Tages der Behändigunz begin­ nenden Frist mitgeteilt. Geht innerhalb dieser Frist dir Beant­ wortung nicht ein, so werden die Verhandlungen ohne weiteres zur Rekursentscheidung eingesendet. Mot. S. 105/6 (214), KB. HH. S. 62/3 (251). 1. Nicht allgemein, sondern nur für die im § 193 bexichneten beiden Fälle ist hier unter Androhung des Verlustes des Rekurs­ rechts vorgeschrieben, daß der Rekurs bei derjenigen Behörde eingelegt werden muß, welche die beschwerende Entscheidung getroffen hat. Diese Vorschrift bezweckt Vereinfachung und Be­ schleunigung des Verfahrens,- Mot. S. 106. Es empfiehlt sich in solchen Fällen, die Beteiligten darauf aufmerksam zu machen, wo

f§ 194194a]

Von den Bergbehörden.

811

ein etvaiger Rekurs cinzulegen ist; Min.-Erl. v. 4. Nov. 1871, Z. Bi. 12 S. 533. !. Die hier in Betracht kommenden Fälle sind die der 88 8, 31, 59, 68 Abs. 3, 80 fq Abs. 3, 142, 154 Abs. 2, 156, 160, B8, 199 Abs. 2, 216 Abs. 2 ABG., §§ 6 Abs. 3, 7, 54 Abf. 3 75 Abs. 3 KnG. (vgl. Schlüter-Hense Anm. I zu 8 193). § 194.

Die bei den Bergbehörden in Bergbauangelegenheiten erwichsenen Kosten können von denjenigen Personen, welchen diselben nach dem gegenwärtigen Gesetze zur Last fallen, im Aege der Verwaltungsexekution eingezogen werden. Mot. IG (215).

1 Die mancherlei Gebühren, welche früher in den älteren rechtsrleinischen Landcsteilen von den Bergwerken zu entrichten waren, wurden bereits im 8 6 des Gesetzes über die Besteuerung der Bergwerke v. 12. Mai 1851 (GS. S. 261) und die übrigen in bergamtlichcu Berwaltungsangelegeuheiten zu entrichtenden Gebühren und Swrteln durch das Gesetz v. 21. Mai 1860 (GS. S. 206, Z. Bd. 1 S. 23) aufgehoben. Desgleichen erfolgte in den neu« erworbmen Landesteilen die Aufhebung der mit dem Bergbau zusammmhäugenden verschiedenartigen Abgaben und Gebühren bei Einführung des ABG. Demnach bestehen die bei den Bergbehörden in Bergbarangelegenheiten erwachsenden Kosten, von welchen 8 194 han­ delt, nut noch in baren Auslagen, namentlich Schreibgebühren, Porto, Tagegelbern und Reisekosten von Beamten, sowie Stempelkosten. Für die Verwendung der Stempel ist das Stempelsteuergesetz vom Q1 Cv.jC 1 QQA 30~ Juls 1909 maßgebend, vgl. auch Z. Bd. 36 S. 468, Bd. 38 S.' 50. 2. Die „Verwaltungsexekution" erfolgt gegenwärtig nach der Verordnung, betr. das Verwaltungszwangsverfahrcii wegen Bei­ treibung von Geldbeträgen, vom 15. November 1899 (GS. S. 545) und 18. März 1904 (GS. S. 36) sowie den dazu ergangenen Ausführuugsbestimmungen vom 28. November 1899, 4. Juli 1904 und 26. Okt. 1912. 8 194 a. — Fassung des Art. IV des Gesetzes vom 28. Juli 1909. — Bei dem Gberbergarnte besteht für dessen Bezirk der Berg­ ausschuß; er ist für diejenigen Angelegenheiten zuständig, welche seiner Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren gesetzlich über­ wiesen sind. Der Bergausschuß besteht aus Abteilungen, Für jede Pro­ vinz, in der innerhalb des Gberbergarntsbezirks Bergbau um-

412

Achter Titel.

[§194a

geht, besteht eine Abteilung. Jede Abteilung der Bergausschusses besteht aus dem Berghauptmanne, bei Verhinderung des Berg­ hauptmannes dessen amtlichen Stellvertreter als Vorsitzenden und aus sechs Mitgliedern. Zwei dieser Mitglieder werden ernannt, und zwar aus den Mitgliedern des Mberbergamts durch den Minister für handel und Gewerbe. Die Ernennung erfolgt auf die Dauer des Hauptamts. In gleicher Weise erfolgt die Ernennung je eines Stellvertreters. Der Vorsitzende und, sofern nicht für die verschiedenen Abteilungen besondere Ernennungen erfolgen, die ernannten Mitglieder gehören allen Abteilungen an.

Die vier anderen Mitglieder werden für jede Abteilung aus den Einwohnern der Provinz, für welche die Abteilung besteht, durch den Provinzialausschuß gewählt. Eines dieser Mitglieder muß einem Vberlandesgerichte der Provinz angehören.

In gleicher Weise wählt der Provinzialausschuß vier StelD Vertreter, über deren Einberufung das Geschäftsregulativ bestimmt.

Wählbar ist mit Ausnahme des Gberpräsidenten, der Regierungspräsidenten, der staatlichen Bergbeamten, der Vor­ steher Aöniglicher Polizeibehörden, der Landräte und der Beamten -es Provinzialverbandes jeder zum Provinziallandtage wählbare Angehörige des Deutschen Reichs.

Auf den Bergausschuß und seine Mitglieder finden die §§ ((, (2, 32 bis 3H des Gesetzes über die Allgen,eine Landes­ verwaltung vom 30. Juli (883 (Gesetz-Samml. S. (95) und auf das Verfahren der I. und II. Abschnitt des dritten Titels im gleichen Gesetze mit der Maßgabe sinngemäße Anwendung, daß der Bergausschuß an die Stelle des Bezirksausschusses, der Berghauptmann an die Stelle des Regierungspräsidenten und der Minister für handel und Gewerbe an die Stelle des Ministers des Innern tritt. In den Hohenzollernfchen Landen kommen die vorstehenden Bestimmungen mit der Maßgabe zur Anwendung, daß die zu wählenden Mitglieder von dem Landesausschuß aus der Zahl der zum Rommunallandtage wählbaren Angehörigen des LandesAommunalverbandes gewählt werden und daß auch die Gberamtmänner und die Beamten des Landes-Aommunalverbandes von der Wählbarkeit ausgeschloffen sind. Das richterliche Mit­ glied (Abs. q) ist dem Landgerichte zu Fechingen zu entnehmen.

Rov. 09: StenB. AH. S. 13512/3, KB. HH. S. 25 ff. (1202/3). Rod. 09: Mot. S. 32, KB. AH. S. 97/8, 140, KB. HH. S. 676/7.

§§ 194 a. 194 b]

Bon den Bergbehörden.

81»

1. § 194 a entstammt der Novelle vom 14. Juli 1905 (Art. III), durch die Novelle tiont 28. Juli 1909 ist dem Absatz 3 der zweite Satz hinzugefügt worden. 2. Der Bergausschuß soll als Organ in den Fällen dienen, in welchen die an sich gebotene Rechtskontrolle eine gewisse technische Sachkenntnis zur Voraussetzung hat- Sten.-B. AH. S. 13512/3. Er ist zuständig gemäß § 75 Abs. 2, § 192 a (vgl. die Anm. dort), sowie Art. IX und XI der Nov. v. 18. Juni 1907. 3. Wer als der in Abs. 2 genannte „amtliche Stellvertreter" des Berghauptmanns zu fungieren hat, bestimmt sich nach § 8 der Geschäftsanweisung für die Oberbergämter v. 15. Sept. 1888 (vgl. § 190 Anm. 5). Die besondere Hervorhebung desselben war erforderlich, weil im § 28 LLG. eine Bestimmung über die Ver­ tretung des Vorsitzenden des Bezirksausschusses enthalten ist, welche auf den Bergausschuß nicht anwendbar ist; Reuß, Z. Bd. 46 S. 520. Der Berghauptmann ist am Vorsitz behindert, wenn er in dem Streitverfahren das Oberbergamt, gegen welches die Klage erhoben ist, vertritt; Urt. des OVG. v. 14. April 1910, Z. Bd. 51 S. 635. 4. Das in Abs. 4 erwähnte Geschäftsregulativ ist an« 8. Dez. 1905 erlassen und im Anhang abgedruckt. Vgl. im übrigen über die Zusammensetzung und das Ver­ fahren des Bergausschusses Schlüter-Hense Anm. 11 und III zu § 194 a. 5. Die Hinzufügung des Satzes 2 in Abs. 8 erfolgte, weil in Hohenzollern die Einrichtung eines Bergausschusses bisher nicht möglich gewesen sei, da dort kein Oberlandesgericht sei, eines der Mitglieder des Bergausschusses aber gemäß Abs. 4 dem Ober­ landesgerichte der Provinz angehören müsse; KB. AH. 1909S. 140. § 194 b.

— Art. IV des Gesetzes vom 28. Juli 1909. —

Für den Umfang der Monarchie wird durch den Minister für handel und Gewerbe eine Bergbaudeputation gebildet, die sich auf Erfordern des genannten Ministers über bergtechnische, bergpolizeiliche und sonstige das Gebiet des Bergbaues be­ rührende Fragen zu äußern hat. Die näheren Vorschriften über die Zusammensetzung und die Geschäftsführung dieser Deputation werden von dem Minister für handel und Gewerbe erlassen, Nov. 09: Mot. S. 32, KB. AH. S. 98. Zu dieser Bestimmung wurde folgende Begründung gegeben: „Schon seit längerer Zeit hat sich das Fehlen eines Organes fühlbar gemacht, welches den Bergbehörden, namentlich auch der

814

Achter Titel.

[§§ 194 b. 195

Zentralinstanz, als begutachtendes Organ für bergbauliche Fragen aller Art zur Seite stehen könnte. In Ermangelung eines solchen ständigen Organs sind mehrfach besondere Kommissionen gebildet worden, die — in geeigneter Weise zusammengesetzt — einzelne Gegenstände, namentlich auf dem Gebiete der Bergpolizei, eingehend erörtert und sich über die ihnen vvrgelegten Fragen gutachtlich geäußert haben. Es mag hier nur auf die Arbeiten der Schlagwetterkommission, der Steinfallkommission und der Seilfahrt­ kommission hingewiesen werden. So befriedigend die mit diesen Einzelkommissionen gemachten Erfahrungen sind, so wird eine wirklich ausgiebige Nutzbarmachung der Kenntnisse und Erfahrungen der an ihnen beteiligten Fachmänner doch nur dadurch herbei­ geführt werden können, daß ein ständiges, beratendes Organ geschaffen wird, das nicht nur zur Beantwortung einzelner Fragen, sondern vielmehr zur laufenden begutachtenden Bearbeitung geeig­ neter Materien berufen sein soll. Werden bei der Zusammen­ setzung eines solchen ständigen Organs Angehörige des staatlichen und des privaten Bergbaues: Werksbesitzer oder ihre Vertreter, Beamte und Arbeiter in angemessener Weise berücksichtigt und wird dafür Sorge getragen, daß die Auswahl der hiernach zu bestimmenden Mitglieder in geeigneter Weise erfolgt, so erscheint die Erwartung berechtigt, daß ein solches Organ sich als bedeu­ tungsvoller Berater der staatlichen Bergbehörden in allen berg­ baulichen, namentlich auch bergpolizeilichen Fragen bewähren wird. Es soll deshalb nach dem Vorbilde der „technischen Deputation für Gewerbe" eine ständige „Bergbaudepuration", und zwar für den ganzen Umfang der Monarchie, eingerichtet werden." (S. 32). Die Bestinittiungen, betr. die Zusammensetzung und die Geschäftsführung der Bergbaudeputation vgl. im Anhang.

8 195. Die Bergbeamten des Staats, deren grauen und unter väterlicher Gewalt stehenden Rinder können im Verwaltungs­ bezirke der ersteren durch Mutung keine Bergwerke oder Ruxe erwerben. Zu solchen Erwerbungen durch andere Rechtsgeschäfte unter Lebenden ist die Genehmigung des Handelsministers erforderlich. Mot. S 106 (215).

1. Bei Erlaß des ABG. war den Bergbeamten des Staates, deren Frauen und unter väterlicher Gewalt stehenden Kindern der Besitz von Bergwerksvermögen gänzlich untersagt. Über den früheren wechselnden Rechtszustand vgl. Brassert, Z. Bd. 16 S. 470. Zur Aufrechthaltung des Verbots in dieser Ausdehnung lag kein Grund mehr vor, nachdem die Bergbehörde auf die staatliche Oberaufsicht über den Privatbergbau beschränkt war. Im § 195 Abs. 1 ist deshalb das unbedingte Verbot nur in

Von den Bergbehörden.

815

bezug auf die unmittelbare Erwerbung von Bergwerkseigentum durch Mutung und zwar nur für den Verwaltungsbezirk des Beamten beibehalten. Dagegen macht Abs. 2 die mittelbare Er­ werbung von Bergwerkseigentum durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden und zwar ebenfalls für den Verwaltungsbezirk des Beamten von der Genehmigung des Ressortniinisters abhängig, während Erwerbungen von Todeswegen einer solchen Beschränkung überhaupt nicht unterliegen. Auf diese Weise soll Kollisionen zwischen den Amtspflichten und den Privatinteressen der Berg­ beamten sowie einer Erschütterung des Vertrauens des Publikums auf die Unparteilichkeit derselben vorgebeugt werden. Mot. S. 106. Beide Vorschriften des § 195 betreffen nur die Bergbeamten „des Staates" und deren Angehörige, daher nicht die konzessio­ nierten Markscheider (Min.-Erl. v. 1. Dez. 1869, Z. Bd. 11 S. 367), und nicht die Privatbergbeamten und die Knappschafts­ beamten. Auch kommen von den im Staatsdienste angestellten Bergbeamten nur diejenigen in Betracht, welchen ein „Verwaltungs­ bezirk" d. h. ein Bezirk zugewiesen ist, in welchem sie den ihnen vermöge ihres Amtes obliegenden Dienst zu verrichten haben. In den Fällen, in welchen bei Beamten der Staatsverwaltung von einem solchen Verwaltungsbezirke zu reden ist, gehören auch diese hierher (Z. Bd. 16 S. 476). Dagegen unterliegen pensio­ nierte und auf Wartegeld gesetzte Bergbeamte den Beschränkungen des § 195 nicht. Desgleichen beziehen sich letztere nicht auf andere als die im § 195 ausdrücklich bezeichneten Angehörigen der Ber'gbeamten. Die Gegenstände, auf welche das Verbotsgesetz Anwendung findet, sind lediglich „Bergwerke" und „Kuxe" (Bergwerksanteile im weiteren Sinne, Z. Bd. 16 S. 477), nicht auch Hüttenwerke und Salinen oder Anteile an solchen. Aus dem Verbote der Er­ werbung von Bergwerkseigentum durch Mutung ergibt sich, obwohl nicht ausdrücklich ausgesprochen, auch das Verbot des Schürfens als der die Mutung vorbereitenden Handlung, als Mittel zum Zwecke. Z. Bd. 16 S. 478-Wachter S. 87. Anders Oppenhoff Nr. 35- Arndt 2. Stuft. S. 187, Thielmann § 3 Anm. 4. § 195 Abs. 2 umfaßt alle Rechtsgeschäfte, onerose und lukrative, welche das Zivilrecht zu den „Rechtsgeschäften unter Lebenden" rechnet. Erwerbungen von Bergwerkseigentum durch solche Geschäfte sind ohne Genehmigung des Ressortministers, welche von der diskretionären Entscheidung desselben abhängt, verboten. Der Erwerb kraft Gesetzes, z. B. durch Eingehung einer gütergemeinschaftlichen Ehe fällt nicht unter § 195, TurnauFörster Bd. II S. 448, Arndt Anm. 3, Thielmann Anm. 2 zu § 195. Abgesehen von der disziplinarischen Verantwortlichkeit des dem § 195 Zuwiderhandelnden Beamten, sind die zivilrechtlichen Wirkungen, welche infolge verbotswidriger Erwerbung von

816

Achter Titel.

[§ 195

Bergwerkseigentum eintreten, je nach Beschaffenheit der Fälle verschieden. Hat eine der im § 195 genannten Personen durch Mutung ein Bergwerk für sich allein erworben, so muß die Ver­ leihung als nichtig behandelt und von der verleihenden Behörde wieder aufgehoben oder, falls Rechte Dritter konkurrieren, diesen die vorgängige Beschreitung des Rechtsweges überlassen werden, a. A. Arndt Anm. 3 sowie Thielmann Anm. 4 zu § 195, der übrigens mit Recht darauf hinweist, daß diese Streitfrage praktisch bedeutungslos ist, da das Oberbergamt auf Grund einer solchen Mutung niemals die Verleihung aussprechen werde. Beschränkt sich das durch Mutung erworbene Recht auf eine Mitbeteiligung an einem Bergwerke, so bleibt zwar das verliehene Bergwerks­ eigentum als solches bestehen, dagegen können die betreffenden Personen weder von der Gewerkschaft usw. noch von der Berg­ behörde und dem Grundbuchrichter als Mitbeteiligte behandelt werden und machen sich Dritten gegenüber zivilrechtlich verant­ wortlich. Ist Bergwerkseigentum durch irgend ein anderes Rechts­ geschäft unter Lebenden ohne Genehmigung des Ressortministers erworben und diesem Mangel nicht nachträglich abgeholfen worden, so muß das Rechtsgeschäft, weil einem Verbotsgesetze zuwider­ laufend, als von Anfang an ungültig betrachtet und dem anderen Teile überlassen werden, seine etwaigen Entschädigungsansprüche gerichtlich zu verfolgen. Brassert, Z. Bd. 16 S. 480, 481; Turnau, Z. Bd. 18 S. 303 und Grundbuchordnung T. II S. 190; vgl. auch litt, des OTr. v. 9. Nov. 1855 u. 23. Sept. 1859, Striethorst Bd. 18 S. 306, Bd. 35 S. 106. 2. Die Einlegung einer Mutung für den Staat von feiten eines Bergbeamten desselben verstößt nicht gegen § 195. Urt. des OTr. v. 29. Juni 1870, Z. Bd. 11 S. 345/346. 3. Dem Verbotsgesetze des § 195 ist für die Bergbeamten des Staates eine weitere Beschränkung hinzugetreten durch das Gesetz, betr. die Beteiligung der Staatsbeamten bei der Gründung und Verwaltung von Aktien-, Kommandit- und Bergwerks-Gesell« schäften, v. 10. Juni 1874 (GS. S. 244). Nach § 1 dürfen unmittelbare Staatsbeamte ohne Genehmigung des Reffortministers nicht Mitglieder des Vorstandes, Aufsichts- oder Verwaltungsrates solcher Gesellschaften sein und nicht in Komites zur Gründung derselben eintreten. Gänzlich verboten ist die mittelbar oder unmittelbar mit einer Remuneration oder mit einem anderen Ver­ mögensvorteile verbundene Mitgliedschaft. Zu den hier bezeich­ neten „Bergwerksgesellschaften" gehören auch die Gewerkschaften alten wie neuen Rechts und Schürfgesellschaften. Vgl. im übrigen über Inhalt und Tragweite des Ges. v. 10. Juni 1874 Brassert, Z. Bd. 16 S. 482.

Bon der Bergpolizei.

817

Neunter Titel.

Uon der Bergpolizei. Mot. S. 106/7 (215). Literatur: Achenbach, Die Bergpolizetvorschriftcn des rheinischen Hauptbergdistrtkts, Köln 1859. — Herold, Der Arbeiterschutz in den preußischen Bergpolizeiverordnunften, Berlin 1904. — Einecker, Die Sicherheits« Vorschriften über die Bergwerke in Deutschland.

1. Nachdem das sog. Miteigentümergesetz v. 12. Mai 1851 (GS. S. 265) den Weg betreten hatte, aus welchem der Privat­ bergbau zur Selbstverwaltung gelangen sollte, stellte sich alsbald das Bedürfnis heraus, eine ausreichende gesetzliche Grundlage für das Bergpolizeirecht zu schaffen; denn darüber bestand kein Zweifel, daß der Bergbau vermöge seiner natürlichen Berhältniffe mehr als andere Industriezweige der polizeilichen Beaufsichtigung bedürfe. Solange aber die Bergbehörde in den meisten älteren rechtsrheinischen Landesteilen den Betrieb der Bergwerke unmittelbar leitete, so daß Betriebsleitung und Bergpolizei zusammen sielen und der ausführende Bergbeamte in der einen wie anderen Beziehung nach den ihm erteilten Anweisungen zu verfahren hatte, lagen die Be­ dingungen für die selbständige Entwicklung eines Bergpolizeirechts nicht vor. Ein solches bestand wesentlich nur tn dem linksrheinischen Geltungsbereiche des franz. Bergpolizeidekrets v. 3. Jan. 1813. Bahnbrechend für die übrigen Landesteile wurde das Gesetz, betr. die Aufsicht der Bergbehörden über den Bergbau, v. 21. Mai 1860 (GS. S. 201), indem es im § 1 den Grundsatz an die Spitze stellte: „Der Bergwerkseigentümer ist bei dem unter der Aufsicht der Bergbehörde stehenden Bergbau der Einwirkung derselben auf die Gewinnung und Benutzung der Mineralien fortan nicht weiter unterworfen, als zur Wahrung der Nachhaltigkeit des Bergbaues, der Sicherheit der Baue, der Oberfläche im Interesse des Privatund öffentlichen Verkehrs, des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter notwendig ist." Sodann wurde durch das Gesetz, betr. die Kompetenz der Oberbergämter, v. 10. Juni 1861 §§ 8 u. 9 (GS- S. 425) denselben die Befugnis beigelegt, bergpolizeiliche Vorschriften über die vorbezeichneten Gegenstände zu erlassen. Vgl. Z. Bd. 1 S. 1, 349; Bd. 2 S. 188. An diesen die Zeichen einer Übergangszeit an sich tragenden Rechtszustand hatte das ABG. anzuknüpfen und, da auch das linksrheinische Bergpolizeirecht nur noch teilweise zu den veränderten Verhältnissen paßte, gemeinsame Vorschriften über die Bergpolizei aufzustellen, wie dies in den drei Abschnitten des neunten Titels geschehen ist. Der vorläufige Entwurf von 1862 hatte außerdem eine Anzahl der wichtigsten materiellen Grundsätze des Bergpolizei­ rechts ausgenommen, ähnlich den „General Rules" der englischen 52

818

Neunter Titel.

Berggesetzgebung. In dem ABG. ist hiervon jedoch aus prak­ tischen Gründen Abstand genommen, um die weitere Ausbildung der bergpolizeilichen Vorschriften nach Maßgabe der wachsenden Bedürfnisse und fortschreitenden Erfahrungen nicht von erschwerenden Formen abhängig zu machen. 2. Das Amt der Polizei ist nach dem das gesamte preußische Polizeirecht beherrschenden Grundsätze des § 10 T. II Tit 17 ALR. „Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publiko oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahren zu treffen." Die Aufgabe der Polizei beschränkt sich auf Grund der Auslegung, welche diese Vorschrift durch die feststehende Recht­ sprechung des Oberverwaltungsgerichts erfahren hat, auf die sog. Sicherheitspolizei, d. h. den Schutz des Publikums vor Gefahren. Soll der Polizei das Recht übertragen werden, auch in solchen Fällen einzugreifen, in denen es sich nicht sowohl um die Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden, bestimmt erkennbaren und auf andere Art nicht abwendbaren Gefahr, als vielmehr um die Förderung des allgenieinen Wohles handelt, soll sie also auch die sog. Wohlfahrtspolizei ausüben können, so bedarf es dazu nach dieser Rechtsprechung einer besonderen gesetzlichen Ermäch­ tigung (vgl. Eskens Z. Bd. 49 S. 366, Arndt Vordem, zum 9. Titel, a. A. Rosin, Polizeiverordnungsrecht, 2. Aufl. § 21). Die Ausübung der Polizei erfolgt durch die Polizei­ behörden. Dieselben sind entweder Behörden der allgemeinen Polizei, deren sachlicher Wirkungskreis begrifflich und grundsätzlich auf die Einheit, den Inbegriff der polizeilichen Obliegenheiten, gerichtet ist, oder besondere Polizeibehörden, deren Obliegenheiten, wie z. B. die der Bergpolizei, sachlich auf ein besonderes poli­ zeiliches Rechtsgebiet beschränkt ist, so Schlüter-Hense Vordem, zum 9. Titel in Anschluß an Rosin a. a. O. § 32. Zwecks Ausführung ihrer Aufgaben sind die Polizeibehörden berechtigt zum Erlasse von a) Polizeiverordnungen, d. h. allgemeinen Geboten oder Verboten unter Strafandrohung, b) Polizeiverfügungen, d. h. Geboten, Verboten oder Ermächtigungen an einzelne Personen für einen konkreten Fall, vgl. hierzu Sinnt, zu § 197 Sinnt. 2, c) polizeilichen Strafverfügungen- zum Erlaße dieser sind jedoch die Bergpolizeibehörden nicht berechtigt (vgl. § 209 Sinnt. 1). Im übrigen gelten die vorstehenden Grundsätze sämtlich auch für die Bergpolizei. 3. Die Vorschriften des neunten Titels werden von dem Grundsätze (§ 196 Abs. 1) beherrscht: „Der Bergbau steht unter der polizeilichen Aufsicht der Bergbehörden."

Bon der Bergpolizei.

819

Hier handelt es sich demnach darum, die polizeiliche Aufsicht, welche die Bergbehörden auf Grund des Berggesetzes über den Bergbam zu führen befugt und verpflichtet sind, gesetzlich zu regeln und die Grenzen dieser Zuständigkeit gegenüber anderen Organen der pollizeilichen Gewalt und den Bergbautreibenden fest zu bestimmen. Der Kreis der polizeilichen Tätigkeit der Bergbehörden ist hiermit zwar nicht geschlossen, vielmehr sind auch im Bereiche der Gewerbegesetzgebung den Bergbehörden polizeiliche Funktionen zugewiejsen, namentlich in bezug auf die Dampfkesiel, die Be­ schäftigung der jugendlichen und weiblichen Arbeiter usw.; hiermit hat es aber die Bergpolizei und der nur diese betreffende neunte Titel nicht zu tun. Das Gebiet der Bergpolizei ist durch die namentliche Aufzählung seiner Gegenstände im § 196 fest begrenzt (Mot. S- 107). Wenn dem entgegen Klostermann Anm. 430 und ähnlich auch ThielmannAnm. 3 zu § 196, welcher übrigens mit Recht darauf hinweist, daß mit Rücksicht auf die inzwischen erlassenem vielfachen Bestinimungen über die polizeilichen Befugniffe derc Bergbehörden diese Streitfrage kaum noch praktische Bedeutung hat, die Gegenstände der Bergpolizei als im § 196 nicht vollständig aufgezählt ansieht, und Arndt 2. Aust. S. 188 meint, diie Bergpolizei müsse über den Wortlaut des § 196 hinaus soweit greifen, wie die Aufgaben der Bergverwaltung gesetzlich bestimmt sind, so läuft dies darauf hinaus, daß die „Bergpolizei" -nicht im Sinne des ABG., sondern als Inbegriff sämtlicher polizeilicher Aufgaben der Bergbehörden, auch derjenigen, welche anderen gesetzlichen Gebieten entstammen, aufgefaßt ist. Diese Auffassung entspricht aber der Absicht des ABG. nicht und ver­ dunkelt die Tragweite der Vorschriften des neunten Titels. Es ist deshalb Wert darauf zu legen, daß letztere lediglich auf die Bergpolizei im eigentlichen, berggesetzlichen Sinne bezogen und bei Ausübung derselben streng die im § 196 gesteckten Grenzen eingehaltem werden. Soll die von dem Gesetze gewollte Selbstverwaltunig des Bergbaues Wahrheit bleiben, so muß die der­ selben gegenüberstehende Bergpolizei notwendigerweise ihrem Gegenstände nach fest begrenzt sein, wie andererseits eine solche Begrenzung auch für das Verfahren und dessen Formen maß­ gebend ist.. 4. Dem neunten Titel unterliegen nicht nur die verliehenen Bergwerke einschließlich der im § 222 bezeichneten, sondern auch der Braunkohlenbergbau im Gebiete des westpreußischen Provinzial­ rechts (§ 210 Abs. 2), der Stein- und Braunkohlenbergbau in den vormaligen sächs. Landesteilen (Ges. v. 22. Febr. 1869 § 9 Ziff. e) und im Fürstentum Calenberg (Einf.-Verordn. für Hannover Art. XIII), der Eisenerzbergbau im Herzogtum Schlesien und der Grafschaft Glatz (§211 b Ziff. 5), die Dachschiefer-, Traß- und Basaltlavabrüche in den linksrheinischen Landesteilen (§ 214aZiff.4), der Stein- und Kalisalzbergbau, sowie die Arbeiten zur Auf­ suchung dieser Salze und der Solquellen in der Provinz Hannover

820

Neunter Titel.

Bon der Bergpolizei.

[§ 196

(8 1 Ziff. 9 des Ges. v. 14. Juli 1895, § 1 des Ges. v. 26. Juni 1904), sowie die Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl (§ 1 Ziff. 5 des Ges. 6. Juni 1904). 5. Die dem preußischen folgenden Berggesetze behandeln die Bergpolizei in wesentlicher Übereinstimmung mit ersterem. Nament­ lich ist dieselbe nach ihren Gegenständen ebenso begrenzt wie im § 196, vgl. z. B. Art. 253 bayr. Bergg. Im übrigen hängen die teilweisen Abweichungen in jenen Gesetzen hauptsächlich mit der anderweitigen Organisation der Verwaltung zusammen.

Erster Abschnitt.

Von dem Erlasse bergpolizellicber Vorschriften. 8 196. — Fassung des Art. IV des Gesetzes vom 24. Juni 1892. —

Der Bergbau steht unter der polizeilichen Aufsicht der Berg» behördeu. Dieselbe erstreckt sich auf die Sicherheit der Baue, die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter, die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebes, den Schutz der (Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs, den Schutz gegen gemeinschädliche Einwirkungen des Bergbaues. Dieser Aufsicht unterliegen auch die in den §§ 58 und 59 erwähnten Aufbereitungsanstalten, Dampfkessel und Triebwerke, sowie die Salinen.

Mot. S. 107/8 (215), KB. HH. S. 63 (251), KB. AH. S. 96/7 (1251). Nov. 92: Mot. S. 47/8 (1495).

1. Der allgemeinen Aufgabe der Polizei entsprechend hat auch die polizeiliche Aufsicht der Bergbehörde über den Bergbau sich nur mit dem Schutze der öffentlichen Interessen, nicht auch mit rein privatrechtlichen Interessen zu beiassen. Unter diesem Gesichtspunkte sind die Gegenstände der Bergpolizei im § 196 erschöpfend angegeben. Die Aufzählung weicht von derjenigen im

§ 196]

Erster Abschnitt. Bon dem Erlasie vergpolizetltcher Vorschriften. 821

Gegenwärtig ist § 9 des Ges. v. 10. Juni 1861 teilweise ab. nämlich der Schutz der Oberfläche in der Weise genau begrenzt, daß hierbei nur „die persönliche Sicherheit und der öffentliche Verkehr" in Betracht kommen- neu ist ferner der eine Lücke aus­ füllende Zusatz, nach welchem die Bergpolizei sich auch auf „den Schutz gegen gemeinschädliche Einwirkungen des Bergbaues" erstreckt- Mot. S. 108, KB. d. HH. S. 63. Dagegen ist von der früheren Ausdehnung auf die „Wahrung der Nachhaltigkeit des Bergbaues" abgesehen, „weil dieser dehnbare Begriff eine scharfe Begrenzung der Bergpolizei verhindert, und es unter den heutigen Verhältnissen regelmäßig im eigenen Interesse des Berg­ bautreibenden liegt, auf die Nachhaltigkeit seines Bergbaues Be­ dacht zu nehmen, überdies aber auch der förmliche Raubbau schon von dem eigentlich bergpolizeilichen Standpunkte aus verhindert werden kann." Mot. S. 107, 108, KB- d. AH. S. 97. 2. Unter der so abgegrenzten Bergpolizei steht der gesamte dem ABG. unterworfene „Bergbau", und zwar nicht nur die eigentlichen Förderarbeiten, sondern auch die mit dem Bergwerks­ betrieb zusammenhängenden Neben- und Vorbereitungsarbeiten, und zwar ohne Unterschied, ob sie von dem Bergwerksbesitzer selbst oder einem Dritten ausgeführt werden, z. B. Montierungsarbeiten an einem Schachtgerüst- Urt. des KG. v. 17. April 1905, Z. Bd. 46 S. 532- Rek.-Besch. v. 4. Febr. 1909, Z. Bd. 50 S. 287, ebenso ist es unerheblich, ob die Bergwerke sich zurzeit in oder außer Betrieb befinden, ferner der Grundeigentümerbergbau und Steinbruchbetrieb, soweit auf dieselben die Vorschriften des neunten Titels ausdrücklich ausgedehnt sind (s. Vorbem.). Weiter unter­ liegen der Bergpolizei sämtliche Zubehörungen der Bergwerke, darunter die Aufbereitungsanstalten, Dampfkessel und Triebwerke, sowie die Röstöfen, Koksöfen, Teeschwelereien und Brikettfabriken, vorausgesetzt, daß diese Anlagen zu einem Bergwerke gehörende Betriebsanlagen sind- § 58 Anm. 2. Soweit auf diese Zube­ hörungen zugleich die Gewerbegesetzgebung Anwendung erleidet, geht neben der Handhabung der Bergpolizei die Anwendung der gewerbepolizeilichen Vorschriften her- vgl. § 59, sowie Erl. des Min. für Handel u. Gewerbe v. 11. Nov. 1907, Z. Bd. 49 S. 333. Nicht minder stehen unter der bergpolizeilichen Aufsicht die Maschinen- und sonstigen Betriebsgebäude, unbeschadet der Zuständigkeit der Orts­ oder Landespolizeibehörde zur Erteilung der Bauerlaubnis, § 54 Anm. 6 sowie unten Anm. 4 - desgleichen die Aufbewahrungs­ räume für Sprengstoffe unter und über Tage (§§ 33 Abs. 4 PB. der Min. für Handel u. Gewerbe u. des Inn. v. 14. Sept. 1905, Z. Bd. 47 S. 100 ff., vgl. § 189 Anm. 3i), sowie die Trans­ portanstalten der Bergwerke, insbesondere die Drahtseilbahnen und die eigentlichen Grubenbahnen, vgl. auch Anm. 4. Bezüglich der Grubenbahnen ist zu unterscheiden zwischen den Grubenanschlußbahnen und den eigentlichen Gruben­ bahnen:

822

Neunter Titel.

Von der Bergpolizei.

[§ 196

a) Grubenanschlußbahnen sind die voll- oder schmal­ spurigen, nicht dem öffentlichen Verkehre dienenden, zum Betriebe mit Maschinenkraft eingerichteten Bahnen, welche von dem Berg­ werksbesitzer im Interesse des Betriebes des Bergwerks oder der mit diesen verbundenen, unter der Aufsicht der Bergbehörde stehenden Betriebsanlagen hergestellt werden, wenn diese Bahnen mit Eisen­ bahnen im Sinne des Gesetzes vom 3. Nov. 1838 (GSS. S. 505) oder mit Kleinbahnen (Gesetz vom 28. Juli 1892, GS. S. 225) der­ art in unmittelbarer Gleisverbindung stehen, daß ein Übergang der Betriebsmittel stattfinden kann (vgl. § 1 der BPV. des OBA. Breslau vom 15. April 1910, betr. die Grubenanschlußbahnen (Z. Bd. 52 S. 3 ff.), § 43 des Kleinbahngesetzes, Z. Bd. 33 S. 431 ff., Westhoff Band II S. 297). b) Grubenbahnen sind alle anderen Bergwerksbahnen, welche den Verkehr mit außerhalb des Bergwerkes liegenden Örtlichkeiten vermitteln. Die nur innerhalb der Bergwerksanlagen befindlichen Schienen­ wege fallen weder unter die Grubenanschlußbahnen noch unter die Grubenbahnen (vgl. auch Schlüter-Hense S. 505/6). Im allgemeinen gilt bezüglich aller Grubenbahnen im vorbe­ zeichneten Sinne folgendes: Sie sind keine öffentlichen Bahnen, das Eisenbahngesetz vom 3. Nov. 1838 gelangt somit auf sie nicht zur Anwendung, eben­ sowenig die Art. 41 ff. der Reichsverfassung,' sie bedürfen keiner besonderen staatlichen Genehmigung, so daß also auch Tar. St. 22e StStG. auf sie nicht anwendbar ist, Min.-Erl. vonr 13. Sept, und 27. Nov. 1869, Z. Bd. 11 S. 359, RG. Entsch. Bd. 65 S. 69 ff., Schr. des OBA. Halle und des Provinzialsteuerdirektors in Magdeburg vom 6. Mai bis 27. Juli 1896, Z. Bd. 38 S. 373. Wohl aber sind sie Eisenbahnen im Sinne des § 1 des Reichs­ haftpflichtgesetzes (s. Anhang) und zwar findet dieses Gesetz nach der feststehenden Rechtsprechung des RG. unter Umständen auch auf die unter Tage betriebenen Bergwerksbahnen mit den zugehörigen Bremsbergen Anwendung, nämlich dann, wenn sie in Ansehung der Gefährlichkeit des Betriebes einer zum allgemeinen Verkehr bestimmten Eisenbahn gleichstehen, vgl. Urt. des RG. vom 24. April 1902, Z. Bd. 45 S. 82 und die dort (S. 83) angezogenen früheren Entsch., sowie gegen diese Rechtsprechung Engels, Z. Bd. 26 S. 525 ff., Egerzu § 1 Reichshaftpflichtgesetzes, 7. Aufl. S. 59/60. Lediglich durch die Einführung eines Personenverkehrs von geringer Bedeutung auf einer Grubenbahn verliert diese nicht die Eigenschaft einer solchen und braucht daher nicht den für die öffentlichen Eisenbahnen maßgebenden Bestimmungen unterworfen zu werden, Beschl. des Min. der öffentl. Arb. vom 11. Inn. 1889, Z. Bd. 30 S. 408, vgl. auch Erlaß des Min. der öffentl. Arb., für H. und G. und des Inn. vom 23. August 1911, Z. Bd. 52 S. 466 ff., insbesondere S. 468/69.

§ 196] Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergpoltzetlicher Vorschriften.

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Die Regelung der Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden für die Grubenanschlußbahnen hat mehrfachen Veränderungen unterlegen: Die hierbei m Betracht kommenden Behörden sind: die Berg­ behörden, die Eisenbahnbehörden und die Landes- bzw. Ortspolizei­ behörden. Der Rechtszustand war gemäß dem Erl. des Min. für H. und G. vom 20. August 1875, Z. Bd. 16 S. 425 zunächst der, daß bezüglich der Prüfung und Genehmigung des Projekts von Anschlußgleisen, abgesehen von derjenigen des Anschlusses selbst, welcher stets der Eisenbahnbehörde zustand, eine Mitwirkung dieser Behörde nur dann stattfand, wenn die betreffenden Anschlußgeleise mit dem Betriebsmaterial der anschließenden Hauptbahn befahren werden sollten, und daß in diesem Falle auch eine Genehmigung der Eisenbahnbehörde zur Inbetriebnahme des Geleises erforderlich war. Dagegen erfolgte die polizeiliche Beaufsichtigung des Baues und Betriebes solcher Geleise regelmäßig lediglich durch die Landes­ polizei- und Bergbehörden und nur dann durch die Eisenbahnbe­ hörden, wenn auch der Betrieb auf den Anschlußgeleisen durch die Eisenbahnverwaltung selbst geführt wurde (Erl. des Min. für öffentl. Arb. vom 30. Juni 1881, Z. Bd. 22 S. 285). In Abänderung dieser Erlasse wurde sodann durch den Erl. des Mm. der öffentl'. Arb. vom 22. Dez. 1882, Z. Bd. 24 S. 145 die Zuständigkeit dieser Behörden dahin geregelt, daß eine Mit­ wirkung der Eisenbahnbehörde bei der Prüfung, Genehmigung und Inbetriebnahme von Anschlußgeleisen nur noch insofern stattfinden sollte, als dieselbe über die des Anschlusses als solchen und des Übergangs von Betriebsmaterial auf das Anschlußgeleise zu be­ finden hatte, sowie ferner, daß die bahnpolizeiliche Beaufsichtigung des Baues und Betriebes dieser Geleise unter allen Umständen durch die Landespolizei- und Bergwerksbehörden erfolgen sollte. Der gegenwärtige Rechtszustand beruht auf den §§ 50 und 51 des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli 1892, Z. Bd. 33 S. 431, welche bestimmen: § 50. Die eisenbahntechnische Aufsicht und Ueberwachung der Privat­ anschlußbahnen erfolgt durch diejenige Behörde, welcher diese Aufgaben bezüglich der dem öffentlichen Verkehre dienenden Bahn, an welche sie anschließen, obliegen. § 5b Die Bestimmungen der §§ 45 bis 49 finden auf diejenigen Bahnen, welche Zubehör eines Bergwerks im Sinne des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (GS. S. 705) bilden, keine Anwendung. Durch die Bestimmungen in § 50 wird das auf dem Allgemeinen Berg­ gesetze vom 24. Juni |865 (GS. S. 705) beruhende Auffichtsrecht der Bergbehörden gegenüber diesen Bahnen nicht berührt.

Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß gemäß dem Erl. des Min. für H. und G. vom 19 Jan. 1895, Z. Bd. 36 S. 182, in §51 unter „Bergwerken tut Sinne des Allgemeinen Berggesetzes" alle der Aufsicht der Bergbehörde unterstellten Bergwerke, insbesondere

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Neunter Titel.

Bon der Bergpolizei.

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also auch der Grundeigentümerbergbau in diesem Umfange zu ver­ stehen ist. Demgemäß und auf Grund der zur Ausführung der §§ 50, 51 Kleinbahnges. von den Min. für H- und G. und der öffentl. Arb. erlassenen „Grundzügen für die Aufsicht über die Privatan­ schlußbahnen im Sinne des Gesetzes über Kleinbahnen und Privat­ anschlußbahnen vom 28. Juli 1892 (GS. S. 225), welche zugleich Zubehör eines Bergwerkes bilden" (Z. Bd. 40 S. 1 ff., vgl. An­ hang), gilt bezüglich der Zuständigkeit der genannten Behörden folgendes: a) Den Eisenbahndirektionen steht die Genehmigung des Anschlusses als solchen zu, sowie die eisenbahntechnische Prüfung des Projektes der Grubenanschlußbahn im Interesse der eisenbahn­ technischen Aufsicht und Überwachung der Grubenanschlußbahn ge­ mäß den §§ 50 und 51 Kleinbahngesetz, welche die betriebsfähige und betriebssichere Unterhaltung der Bahnanlage und der Betriebs­ mittel, sowie die sichere und ordnungsmäßige Durchführung der Züge umfaßt (Art. VII der Grundzüge, vgl. auch Erl. des Min. der öffentl. Arb. vom 20. August 1906, EVBl. S. 487, W e si­ tz o f f Bd. II S. 298/99). b) Von den Bergbehörden steht die Prüfung des mit dem Prüfungsvermerk der Eisenbahndirektion versehenen Projekts zunächst dem Revierbeamten zu, bei welchem es daher gemäß § 67 ABG. von dem Werksbesitzer betriebsplanmäßig anzumelden ist. Sind zugleich mit der Anschlußbahn bauliche Anlagen über oder neben den Anschlußgeleisen geplant, die auf die Betriebssicherheit der Bahn von Einfluß sein können, z. B. Transportbrücken für die Bergwerksprodukte, Kohlenwäschen, Separationen u. dgl., so hat der Revierbeamte außerdem noch den Genehmigungsvermerk der Baupolizeibehörde zu verlangen (Erl. des Min. der öffentl. Arb. vom 20. August 1906 EVBl. S. 487). Bei der baupolizeilichen Prüfung derartiger Anlagen ist der zuständige Revierbeamte gemäß dem Min.-Erl. vom 10. August 1906, Z. Bd. 47 S- 500 (vgl. Anm. 4) als sachverständiger Berater zu beteiligen. In allen Fällen hat der Revierbeamte nach der Praxis zur Wahrung der Frist des § 68 zunächst Einspruch gegen den Plan zu erheben (vgl. § 68 Anm. 4) und das Projekt zur Herbeiführung einer Entscheidung gemäß § 68 Abs. 3 und 4 dem Oberbergamt vorzulegen. Letzteres hat, bevor es eine Entscheidung trifft, sich c) mit der Landespolizeibehörde in Verbindung zu setzen (Erl. des Min. für H- und G. und des Inn. vom 4. Sept. 1898, Z. Bd. 40 S. 2 Anm. 1). Demgemäß ist die Äußerung des Regierungspräsidenten darüber einzuholen, ob durch die An­ lage einer Grubenbahn landespolizeiliche Interessen überhaupt be­ rührt werden und welche Anstände von deren Standpunkte aus gegen die Ausführung der Bahn zu erheben sind, vgl. auch die Bestim­ mungen des OBA. Breslau vom 11. Juni 1910 „über das Ver­ fahren der Bergbehörden bei der Anlage und Inbetriebsetzung der

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Erster Abschnitt. Von dem Erlasse bergpolizeilicher Vorschriften.

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dem Bergwerksbetriebe dienenden Bahnen sowie bei der Beauf­ sichtigung dieser Bahnen", Glückauf 1910 S- 1929 ff. Die mit der Prüfung befaßten Behörden, vor allem die Berg­ behörde, haben gemäß dem Min. Erl. vom 23. Aug. 1911, Z. Bd. 52 S. 466 bei der Prüfung eines Grubenbahnprojekts ihr Augen­ merk in erster Linie auch darauf zu richten, daß nach den ob­ waltenden tatsächlichen Verhältnissen die Zweckbestimmung der neu herzustellenden Bahn als Gruben bahn hinreichend dargetan ist, insbesondere, ob mit Sicherheit angenommen werden darf, daß die Bahn nach ihrer Vollendung tatsächlich dem Absätze von Bergwerks­ produkten oder einem sonstigen bergbaulichen Betriebszwecke, nicht dagegen der Verfrachtung von Hüttenprodukten oder anderen mit dem Bergbau nicht zusammenhängenden industriellen Zwecken dienen wird. Ergibt die nach diesen Grundsätzen vorgenommene Prüfung, daß der Ausführung der Bahn keine Bedenken entgegenstehen, er­ mächtigt das Oberbergamt den Revierbeamten seinen Einspruch zurückzuziehen und die Anlage der Bahn durch den Bergwerksbe­ sitzer kann erfolgen. Bevor aber der Betrieb auf ihr eröffnet wird, muß noch die Abnahme der Bahn durch die Kommissare der be­ teiligten Behörden stattfinden. Die polizeilicheBeaufsichtigung des Betriebes liegt dem Revierbeamten ob, vgl. Urt. des OVG. vom 9. März 1899, Z. Bd. 41 S. 349. Daneben steht aber der Eisenbahnbehörde die eisenbahntechnische Aufsicht und Überwachung zu. Das Polizeiverordnungsrecht hat allein das Ober­ bergamt gemäß § 197 ABG., welches jedoch die von ihm zu er­ lassenden Verordnungen zuvor den zuständigen Eisenbahndirektionen und Regierungspräsidenten zur Erklärung ihres Einverständnisses mitzuteilen hat. Bezüglich der elektrischen Stark st roman lagen auf Bergwerken haben die Min. für H. und G. und des Inn. unter dem 11. Jan. 1912 „Grundzüge für die Regelung und Abgrenzung der Zuständigkeit hinsichtlich der Genehmigung und Beaufsichtigung der mit Bergwerken in Zusammenhang stehenden elektrischen Stark­ strom-Anlagen und -Leitungen" erlassen (Z. Bd. 53 S. 329), auf Grund derer regelmäßig, soweit die Erzeugung bzw. Verwendung der elektrischen Energie auf der Aufsicht der Bergbehörde unter­ stehenden Betrieben erfolgt, diese, im übrigen aber die allgemeine Polizeibehörde zuständig ist, vgl. auch Urt. des KG. vom 27. Juli 1910, Z. Bd. 52 S. 145. Unter der polizeilichen Aufsicht der Bergbehörde stehen nach § 196 endlich die Salinen mit Ausnahme derjenigen im vor­ maligen Königreich Hannover (Einf.-Verordn. Art. II). Besondere Polizeiverordnungen für die Salinen haben erlassen das OBA. Halle am 21. Mai 1881 u. das OBA. Dortmund am 14. März 1882, Z. Bd. 22 S. 417, Bd. 23 S. 417. Einige neuere Berggesetze dehnen die Bergpolizei auf den

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Neunter Titel.

Von der Bergpolizei.

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Steinbruchs- bzw. Gräbereibetrieb aus. So das Berggsetz für Bayern Art. 253, für Hessen Art. 188, für Elsaß-Lothrinen § 172? (vgl. ß. Bd, 20 S. 436, 451). Vgl. auch Leuthold, De pwlizeiliche Überwachung der Steinbrüche und Gräbereien, ins>eso>ndere im Königreich Sachsen, ß. Bd. 21 S. 220. 3. Wie nach ihren Gegenständen (§ 196), so ist >te Berg,polizei auch in bezug auf die Personen begrenzt. Sie kamn in Angelegenheiten des Bergbaues zunächst und wesentlich nur dem­ jenigen gegenüber, welche bei dem Bergwerks betriebe in )er einen oder anderen Weise beteiligt find, ausgeübt, dagegen auf uibelteiligtre Drüte und das Publikum nur insoweit ausgedehnt werden, als es sich für den örtlichen Bereich eines der Bergpolizei unterworfen« Werkes und seiner ßuhörungen um allgemein zu befolgende Verbot: handelt, z. B. um das Verbot des Befahrens einer Grube ohne Vegbeitung, des Betretens der Maschinenräume, Grubenbahnen rsw. Stet weiter greifenden, dritte Personen oder das Publikun mit be­ treffenden Anordnungen und Verboten bedarf es der Mitwirkung der Orts- und Landespolizeibehörden. Die Bergbehörde ist daher z. B. nicht, wie Wachter, ß. Bd. 8 S. 493, annimmt einseitig befugt, einem Dritten die Anlage eines Teiches polizeilich zu untersagen, weil derselbe den darunter liegenden Grulenbau be­ droht. Vgl. Oppenhoff Nr. 1047, Schlüter-Hense Vordem. B zu §§ 196 ff., Arndt Anm. 6, Thielmann Anm. 4 zu § 196; auch Rek.-Besch. v. 14. Febr. 1882, ß. Bd. 23 S. 409 und Urt. des OVG. v. 21. Febr. 1913, ß. Bd. 54 S. 412. 4. Unter den „Bauen", für deren Sicherheit die Vergpolizei zu sorgen hat, sind im § 196 zunächst die eigentlichen Grubenbaue, aber diese nicht allein, sondern das ganze Bergwerk enschließlich der Hilfsbaue, der Betriebsvorrichtirngen unter und Iber Tage, der Aufbereitungsanstalten und ßubehörungen oerftanben; anderen­ falls würde das Gesetz jene engere Bezeichnung gewählt haben. Dadurch, daß zu der ersten Ausführung von Togesanlagen gemäß dem gem. Erl. der Min. s. Handel u. Gewerbe u. der öff. Arb. v. 10. Aug. 1906, ß. Bd. 47 S. 500 die ortspolizeiliche Bau­ erlaubnis erforderlich und der zuständige Revierbeamte nur als sachverständiger Berater zuzuziehen ist, wird die Bergpolizei nicht ausgeschlossen. Huyssen S. 113, Arndt, Über bergbauliche Neben­ betriebe, ß. Bd. 35 S. 495 und Anm. 2 zu § 196, SchlüterHense Anm. B 1 zu 8 196; Urt. des KG. v. 17. April 1905, Z. Bd. 46 S. 532, v. 27. Juli 1910, ß. Bd. 52 S. 146, insbes. S. 149, Urt. des OVG. v. 23. Mai 1907, ß. Bd. 50 S. 98, Entsch. Bd. 51 S. 210, zum Teil abweichend Oppenhoff Nr. 1047, Thielmann Anm. 5 zu § 196. 5. Die „Sicherheit der Baue" kommt häufig bei Sicherheits­ pfeilern und Grenzstreitigkeiten zwischen benachbarten Bergwerken in Frage, und bei dem Steinkohlenbergbau handelt es sich in solchen Fällen meistens um Trennung und Abdämmung der beiderseitigen Grubenwasser. Es beziehen sich hierauf nachstehende Grundsätze:

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Filgt die Berechtsamsgrenze zwischen zwei miteinander markscheidenten Bergwerken dem wechselnden Verhalten der Flötze im Streicher und Einfällen und eignet sich infolgedessen nicht zur Baugrerze und Feststellung eines die beiderseitigen Grubenbaue gegen -das Eindringen der Wasser schützenden Markscheider-SicherheitsPfeilers, so kann die Bergbehörde, unter Vorbehalt der richter­ lichen Entscheidung über die unter den Parteien streitige Aus­ dehnung der beiderseitigen Berechtsame, die Lage des Sicherheits­ pfeilers in möglichsten« Anschlüsse an die ermittelte Berechtsams­ grenze bergpolizeilich feststellen. Rek.-Besch. v. 4. Mai 1868, Z. Bd. 26 S. 134. Ist der durch allgemeine Bergpolizeiverordnung vorgeschriebene Sicherheitspfeiler an den Markscheiden der Steinkohlenbergwerke zerstört und für seinen Zweck ungeeignet geworden, so kann die Verlegung dieses Sicherheitspfeilers, unbeschadet der Berechtsamsgrenzen der niarkscheidenden Bergwerke, bergpolizeilich angeordnet werden. Rek.-Besch. v. 4. Febr.'187O, Z. Bd. 11 S. 369.

Die Verlegung oder Durchbrechung eines MarkscheidenSicherheitspfeilers kann von der Bergbehörde nur gestattet werden, wenn die für diesen Fall durch Bergpolizeiverordnung vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt sind. Beschl. des OBA. Dortmund v. 18. Febr. 1871, Z. Bd. 12 S. 266. Bei obwaltendem Streite über die Lage der Berechtsams­ grenze zwischen aneinander grenzenden Bergwerken hat die Berg­ behörde bergpolizeilich nur die einzuhaltende Baugrenze zu bestiurmen und hierbei zunächst den Besitzstand zu berücksichtigen; die Ent­ scheidung über die Rechtmäßigkeit des Besitzstandes bzw. über die streitigen Eigentumsverhältnisse steht nur den Gerichten zu. Rek.Besch. v. 16. Okt. 1869, 22. Dez. 1872, 27. Febr. 1878 u. 25. Sept. 1907, Z. Bd. 11 S. 368, Bd. 14 S. 260, Bd. 24 S. 379, Bd. 49 S. 187; vgl. auch Urt. des OTr. v. 21. März 1879, Z. Bd. 22 S. 520. 6. Die Bergbehörde ist befugt, zur Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter eine Begrenzung der regelmäßigen Arbeitszeit der bei dem Bergbau beschäftigten Personen berg­ polizeilich anzuordnen; vgl. § 197 Abs. 1. 7. Durch die Novelle vom 24. Juni 1892 sind in § 196 Abs. 2 die Worte: „Die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebes" hinzufügt worden. Nach Anleitung der Motive (S. 44 ff.) ist zur Erläuterung dieser Bestimmung folgendes zu bemerken: Das Maß der Einwirkung, welches den Berghörden auf die Arbeiterverhältnisse nach der bisherigen Gesetzgebung zustand, ergibt sich im wesentlichen auch aus § 196 ABG. nach weichern die polizeiliche Aufsicht der Bergbehörden sich auch erstreckt auf „die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter". Außerdem war im Verwaltungswege den Bergrevierbeamten die Aufsicht über die Ausführung der Vorschriften der Reichs-Gewerbeordnung,

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Bon der Bergpolizei.

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betreffend die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter, inoweit diese Beschäftigung auf den dem Berggesetze unterworfenen Berkerr stattfindet, noch besonders übertragen. Vgl. Min.-Erlasse v. 2< Dez. 1878 u. 1. Sept. 1879, Z. Sb.'21 S. 2ff. Bezüglich der Tragweite jenes Grundsatzes des § 196 roinmt ein Doppeltes in Betracht. Einerseits umfaßt der § 196 unter „Bergbau" nicht nur die Bergwerke im eigentlichen Sinie und die in den § 58 und 59 erwähnten Aufbereitungsanstalten, Dampf­ kessel und Triebwerke, sowie die Salinen, sondern nach dir fest­ stehenden behördlichen Praxis auch diejenigen Anlagen, welche, wenn auch nicht zum Bergwerksbetriebe im engeren Sinne gehörig, doch als notwendiges Zubehör oder als Bestandteil eine» berg­ baulichen Betriebes anzusehen sind. Andererseits erleidet der Begriff des Bergbaues insofern eine Einschränkung, als dcrunter immer nur der unmittelbare Betrieb des Bergbaues und der sorstigen, unter Aufsicht der Bergbehörden stehenden Anlagen verstanden worden ist. Demnach konnte die Fürsorge für Leben und Gesrndheit der Arbeiter einen Gegenstand der Bergpolizei nur insoweit bilden, als es sich um deu Schutz der Arbeiter vor denjenigen Gefahren handelte, welche sich für Leben und Gesundheit unmittelbar aus dem Betriebe oder aus der besonderen Beschaffenheit der Betriebs­ einrichtungen und der Betriebsstätte ergeben. Dagegen rstreckt sich die Bergpolizei nicht auf hygienische Schädlichkeiten, welche sich für die Bergarbeiter nicht unmittelbar durch den Einfluß des bergbaulichen Betriebes, sondern beispielsweise aus ungenügenden Wohnungsverhältniffe ergeben. An dieser Beschränkung des Begriffes der Bergpolizei mußte im wesentlichen festgehalten werden, weil die BergpoUzei ihrer Natur nach eine Betriebspolizei ist und diese Beschränkung ihrer Aufgaben mit der allgemeinen Gewerbepolizei teilt, und weil eine Erweiterung der polizeilichen Befugnisse der Bergbehörden über die gedachte Schranke hinaus die Gefahr zahlreicher Kollisionen mit der Zuständigkeit der allgemeinen Polizeiverwaltung herbei­ führen würde. Auf Grund dieser Erwägungen ist die Grenze gezogen worden, bis zu welcher die, zumal aus Anlaß der Berg­ arbeiterbewegung im Frühjahr 1889 laut gewordenen, zum Teil sehr weitgehenden Wünsche nach einer Erweiterung der Macht6efugniffe der Bergbehörden berücksichtigt werden konnten. Immer­ hin ist aber auch bei Innehaltung jener begrifflichen Beschränkung der Bergpolizei eine Erweiterung der Befugnisse der Berg­ behörden zur Sicherung eines wirksameren Schutzes der Arbeiter­ interessen nach mehrfacher Richtung unbedenklich und zweckmäßig erschienen. So muß nach § 120b Abs. 2 GO., soweit es die Natur des Betriebes zuläßt, bei der Arbeit die Trennung der Geschlechter durchgeführt werden, „sofern nicht die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebes ohnehin gesichert ist." Die Gewerbe-Aufsichtsbeamten haben gemäß

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Erster Abschnitt. Von dem Erlasse bergpolizeilicher Vorschriften.

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ß 139 b GO. und § 1 der Dienstanweisung v. 23. März 1892 darüber zu wachen, daß die Gewerbeunternehmer dieser Verpflich­ tung rachkommen. In Anschluß hieran ist durch den auf Grund des Art. IV der Nov. v. 24. Juni 1892 dem zweiten Absatz des § 196 hinzuge­ fügten Zusatz Fürsorge getroffen, daß auch bei dem Bergbau „durch die Einrichtung des Betriebes", d. h. durch die Art und Weise, wie der Betrieb eingerichet wird, die guten Sitten und der An­ stand nicht verletzt werden. Die Bestimmung des Art. IV geht aber weiter als die GO., insofern nämlich „die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebes" denjenigen Gegenständen hinzugefügt ist, auf welche sich die Berg Polizei erstreckt, so daß die Bergbehörde auch hier mit bergpolizeilichen Vorschriften und Anordnungen, z. B. bei Prüfung des Betriebsplanes (§§ 67 ff.), vorzugehen befugt ist. Dieser Erweiterung der bergpolizeilichen Befugnisse der Bergbehörden liegen folgende Erwägungen zu Grunde: Auch bei dem Bergbau gibt es Betriebszweige (Aufbereituug usw.), welche, zumal bei Verwendung von jugendlichen Arbeitern und von Arbeite­ rinnen, mit besonderen Gefahren in Beziehung auf die Sittlichkeit verbunden sind. Auf Grund des § 139 a GO., der auch auf den Bergbau Anwendung findet (§ 154a), kann nun zwar durch Be­ schluß des Bundesrats die Herwendung von Arbeiterinnen sowie von jugendlichen Arbeitern in gewissen Betriebszweigen, welche mit besonderen Gefahren für die Sittlichkeit verbunden sind, gänz­ lich untersagt oder von besonderen Bedingungen abhängig gemacht werden. Letzteres ist u. a. im Bereiche des Bergbaues geschehen durch die Bundesratsbeschlüsse vom 17. und 24. März 1892. Aber auch da, wo die Voraussetzungen für ein solches Einschreiten des Bundesrats fehlen oder wo es sich um Rücksichten des öffentlichen Anstandes handelt, welche auch für den Verkehr der erwachsenen männlichen Arbeiter untereinander zu beobachten sind, kann die Notwendigkeit polizeilicher Anordnungen sich ergeben. Mot. 1892, S. 47, 48. Ein bei Beratung des Art. IV in der Kommission gestellter Antrag, in Ergänzung des § 196 Abs. 2 die bergpolizeiliche Auf­ sicht auch auszudehnen auf „die zum Besten der Arbeiter getroffenen Einrichtungen und Anstalten (Waschkauen, Aufenthalts- und Um­ kleideräume, Arbeiterwohnungen der Werksverwaltung, Logier­ häuser, Menagen, Unterstützungskassen usw.)", wurde hauptsächlich deshalb abgelehnt, weil der Antrag über die Bestimmungen der GO. hinausging und die in Frage kommenden Einrichtungen und An­ stalten, soweit sie mit dem Betriebe in Zusammenhang stehen, schon jetzt der bergpolizeilichen Aufsicht unterworfen sind. KB. 1892, S. 26. 8. Der „Schutz der Oberfläche" durch bergpolizeiliche, den Bergwerksbesitzer verpflichtende Anordnungen der Bergbehörde hat sich soweit zu erstrecken, als dies im Interesse „der persönlichen

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Neunter Titel.

Von der Bergpolizei.

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Sicherheit" oder im Interesse „des öffentlichen Verkehrs" not­ wendig ist. Unter persönlicher Sicherheit ist hier die Sicherheit von Menschen überhaupt, dieSicherheit des Publikums zu verstehen. Der Bergbehörde liegt daher u. a. ob, die Sicherstellung von Senkungen und Rissen, welche auf der Erdoberfläche durch den Bergwerks­ betrieb verursacht sind, sowie die Zufüllung von Tagebrüchen und unbenutzten Schächten usw. anzuordnen. Zur Ausführung der getroffenen Anordnungen und zur Beseitigung der Gefahr ist der Bergwerkseigentümer auch dann verpflichtet, wenn zur Zeit des Eintritts der Gefahr kein Betrieb in dem Grubenfelde mehr um­ geht oder wenn der beschädigende Bergbau iu Übereinstimmung mit dem unbeanstandet gebliebenen Betriebspläne ausgeführt ist oder wenn der Betrieb von einem Pächter des Bergwerks geführt wird, welcher seinerseits nicht zur Sicherstellung älterer Schächte usw. verpflichtet ist. Rek.-Besch. v. 10. April 1892 u. 10. Sept. 1885, Z. Bd. 13 S. 293, Bd. 27 S. 116. Sind im übrigen die Voraussetzungen für bergpolizeiliche Maßregeln zum Schutze der Oberfläche vorhanden, so wird die Zulässigkeit derselben dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Berg­ werkseigentümer nach § 150 zur Vergütung des durch den Berg­ bau verursachten Schaden nicht verpflichtet sein würde- auch in diesem Falle kann die Bergbehörde den bergpolizeilichen Schutz nicht versagen. Rek.-Besch. v. 13.» u. 29. Mai u. v. 29. Aug. 1868, Z. Bd. 15 S. 86, 93, 97. Unter Umständen kann aber auch die Ortspolizeibehörde angegangen werden, ein Gebäude, welches unter Nichtbeachtung des § 150 errichtet ist, wegen ein­ getretener gefährlicher Beschädigung polizeilich räumen zu lassen. Arndt 2. Ausl. S. 192. Anders Klostermann Anm. 433, welcher nur den letzteren Weg für zulässig hält, s. jedoch jetzt Thielmann Anm. 9 zu 8 196. Lediglich im Privatinteresse Beschädigungen der Oberfläche zu verhindern, gehört nicht zu den Aufgaben der Bergpolizei- hier tritt nur die Entschädigungsfrage auf. Rek.-Besch. v. 29. Aug. 1868, Z. Bd. 15 S. 97. Es liegt ferner außerhalb der Aufgabe und der Befugniffe der Bergbehörde, dem Grundbesitzer die Beseitigung von Anlagen auf der Oberfläche oder eine Änderung in der Art und Weise ihrer Benutzung polizeilich aufzugeben, um zu ermöglichen, daß ein beabsichtigter Grubenbetrieb ohne „die persönliche Sicherheit", Leben und Gesundheit von Menschen zu gefährden, zur Aus­ führung gebracht werden könne. Rek.-Besch. v. 14. Febr. 1882, Z. Bd. 23 S. 409, Urt. des OVG. v. 8. Juni 1886, Z. Bd. 37 S. 487. Auch bergpolizeiliche Vorkehrungen zum Schutze von Eisen­ bahnen, öffentlichen Wegen usw. gegen nachteilige Einwirkungen des Bergbaues setzen eine Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere des „öffentlichen Verkehrs" voraus. Rek.-Besch. v. 14. Jan. 1869 u. 5. Jan. 1875, Z. Bd. 16 S. 256, 257.

§ 196]

Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergpoltzeiltcher Vorschriften.

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Die Bergbehörde ist auf Grund des § 196 auch berechtigt, dem Bergwerksbesitzer die Auftragung von Eisenbahnlinien auf sein Grubenbild aufzugeben und zwar sowohl wenn sie bereits ausgeführt und in Betrieb sind, als auch schon dann, wenn ihre landespolizeiliche Prüfung stattgefunden hat, Rek.-Besch. 6. Febr. 1895, Z. Bd. 36 S. 413. Bei dem Bruchbau auf Braunkohlen kann mit Rücksicht auf das planmäßige Zubruchbauen der Oberfläche die bergpolizeiliche Genehmigung des Grubenbetriebes im Interesse der „persönlichen Sicherheit" und unter Umständen auch „des öffentlichen Verkehrs" davon abhängig gemacht werden, daß vorher die Genehmigung des Grundbesitzers beigebracht bzw. der von ihm erhobene Einspruch beseitigt ist oder die zwangsweise Grundabtretung herbeigeführt wird. Vgl. § 135 Anm. 7 g, namentlich die Erlasse v. 27. Juni 1881 u. 10. Febr. 1882, u. die beiden Rek.-Besch. v. 10. Febr. 1882, sowie v. 16. Juni 1888, Z. Bd. 30 S. 125. Auch auf Grund des Feld- und Forstpolizeigesetzes v. 1. April 1880 § 29 (GS. S. 230) kann der Bergbautreibende zur Ein­ friedigung oder Zuwerfung von Schächten, Schürflöchern usw. angehalten werden) s. Anhang und Z. Bd. 21 S. 276. 10. Als „gemeinschädliche Einwirkungen des Bergbaues" sind die Einwirkungen anzusehen, durch welche das Gemeinwohl erheb­ lich benachteiligt oder gefährdet wird. Wesentlich in demselben Sinne spricht die Gewerbeordnung § 51 von den „überwiegenden Nachteilen und Gefahren für das Gemeinwohl", wegen deren die Benutzung einer gewerblichen Anlage untersagt werden kann. Ob eine Ein­ wirkung des Bergbaues als „genieinschädliche" anzusehen oder aber anzunehmen ist, daß der Bergbau nur einem oder mehreren Einzelnen einen zivilrechtlich zu verfolgenden Privatschaden zugefügt hat, hängt ganz von der tatsächlichen Beschaffenheit des Falles ab. Ein bestimmtes Ereignis, z. B. ein Tagebruch, kann unter Umständen den Umfang der Gemeinschädlichkeit annehmen oder nur einen privat-rechtlichen Entschädigungsanspruch rechtfertigen. Es kommt teils auf die Gegenstände, welche beschädigt oder gefährdet sind, teils auf die Art und den Umfang der Beschädigung oder Gefahr an. Bedroht der Bergbau gemeinnützige Mineralquellen, öffent­ liche Bauten oder Denkmäler, Friedhöfe usw., so ist eine „gemein­ schädliche" Einwirkung ebenso unzweifelhaft anzunehmen, wie in den Fällen, in welchen die Wasserbehälter oder Wasserzuflüsse einer Ortschaft in größerer Ausdehnung ausgetrocknet, die Wasser eines Flusses auf eine längere Erstreckung durch Verunreinigung unbrauchbar gemacht, ganze Stadtteile durch Bodensenkungen be­ droht werden. Als allgemeines Merkmal der Gemeinschädlichkeit läßt sich nur eine erhebliche Benachteiligung oder Gefährdung des Gemeinwohls — des öffentlichen Wohls, der öffentlichen Interessen — hinstellen, und hierauf muß die Beantwortung der Tatsrage in jedem einzelnen Falle gerichtet sein. Im übrigen kommt es nicht darauf an, ob eine unter diesem Gesichtspunkt fallende schädliche

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Neunter Titel. Von der Bergpolizet.

[§ 196

Einwirkung des Bergbaues unmittelbar die Gesamtheit als solche oder zunächst nur gewisse Personen trifft. Die Feststellung des Begriffes der gemeinschädlichen Einwirkung des Bergbaues, welche Baron, Z. Bd. 18 S. 55, 56 unter Verwertung des strafrecht­ lichen Begriffes der Gemeingefährlichkcit versucht hat, ist bereits von Klostermann, Gruchot Bd. 22 S. 300, Z. Bd. 20 S. 411, als nicht befriedigend bezeichnet worden, vgl. a. Thielmann Anm. 12 zu § 196; sie ist ebenso wie die Begriffsbestimmung von Arndt 2. Aufl. S. 192 zu eng. Die Praxis hat in einer Reihe verschieden gearteter Fälle zutreffend entschieden, ob eine gemeinschädliche Einwirkung des Bergbaues in dem vorangegebenen Sinne anzunehmen ist oder nicht. Die wichtigsten hierbei angenommenen Grundsätze folgen unter 11—19. 11. Bekanntlich haben die durch den Bergbau verursachten ausgedehnten Bodensenkungen und Häuserbeschädigungen in und bei der Stadt Essen zu eingreifenden bergpolizeilichen Anordnungen Veranlassung gegeben. Hierbei ist in einer Reihe von Beschlüssen des OBA. Dortmund und von Rekursbescheiden angenommen, daß die Beschädigung und Gefährdung ganzer Häusergruppen. Straßen und Stadtteile als eine gemeinschädliche Einwirkung des Bergbaues anzusehen ist. In gleicher Weise wurde die Gefährdung des Bassins der dortigen' städtischen Wafferversorgungsanstalt, nicht aber des städtischen Gaswerks aufgefaßt. Die bezüglichen Ent­ scheidungen finden sich bei v. Brunn, Mitteilungen über die Boden­ senkungen bei Essen, Z. Bd. 15 S. 77. Auch ist es für eine ge­ meinschädliche Einwirkung des Bergbaues erklärt, wenn eine volks­ reiche und in stetem Wachstum begriffene Stadt (Essen) durch den Bergbau an ihrer notwendigen Erweiterung gehindert würde, Beschluß des OBA. Dortmund vom 27. Febr. 1867, Z. Bd. 8 S. 128; desgleichen, wenn ein industrielles Etablissement (wie das­ jenige der Firma Fr. Krupp zu Essen), welches vielen Tausenden von Arbeitern die zu ihrem Lebensunterhalt erforderliche Beschäf­ tigung gewährt und wesentlich den Fortbestand des Wohlstandes einer Stadt bedingt, durch Beschädigung seiner Betriebsanlagen zum Stillstände gebracht würde; Rek.-Besch. vom 29. Aug. 1868, Z. Bd. 15 S- 97. 12. Eine Wasserentziehung, welche sich auf eine größere An­ zahl von Brunnen einer Gemeinde erstreckt (im gegebenen Falle handelte es sich, um 48 Brunnen, durch welche 107 Gehöfte mit Trink- und Wirtschaftswasser versehen wurden), ist als ein Ge­ meinschaden im Sinne des § 196 anzusehen. Rek. Besch, vom 3. Juli 1877, Z. Bd. 19 S. 127; auch Min.-Erl. vo,m 9. Okt. 1875, Z. Bd. 17 S. 124. Eine solche gemeinschädliche Wasserentziehung kann im Wege bergpolizeilicher Anordnungen verhindert werden; dagegen hat die Bergbehörde über die Entschädigungsfrage nicht zu entscheiden, wenn die Wafferentziehung bereits eingetreten ist. Rek.-Besch. vom 18. April 1867, Z. Bd. 9 S. 224.

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Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergpoltzeilicher Borschrtften.

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Es ist zulässig, die Gestattung eines Grubenbetriebes, von welchem eine gemeinschädliche Wasserentziehung zu befürchten steht, von der Bedingung abhängig zu machen, daß der Bergwerksbesitzer eintretenden Falles eine künstliche Wasserleitung herstelle und vor­ gängig eine die Kosten der letzteren deckende Kaution hinterlege. Min.-Erl. vom 9. Okt. 1875 und Rek.-Besch. vom 24. Mai 1869, Z. Bd. 17 S. 124, 125. Vgl. wegen der Kautionsleistung auch den vorbez. Rek.-Besck. vom 3. Juli 1877 und Rek-Besch. vom 19. Juni 1877, Z. Bd. 18 S. 414. Die Wiederaufwältigung eines Stollens, durch welche einer Stadtgemeinde das für ihre Wasserversorgungsanstalt erforderliche Quellwasser entzogen würde, ist als „gemeinschädliche Einwirkung des Bergbaues" im Sinne des § 196 zu behandeln. Rek.-Besch. vom 9. Juni 1889, Z. Bd. 31 S. 133. 13. Auch gemeinschädliche, durch den Bergbau verursachte Wasseransammlungen auf der Oberfläche und Vorflutstörungen bilden einen Gegenstand bergpolizeilicher Anordnungen. Min.-Erl. vom 12. Okt. 1880 und 4. Nov. 1881, Z. Bd. 22 S. 145, Bd. 23 S. 276; auch § 67 Anm. 8. Große Tragweite erlangten diese Anordnungen namentlich in dem flachen Flußgebiete der Emscher inl westfälischen Steinkohlenbecken, vgl. Trainer, Vorflutstörun­ gen im Emschergebiet, Z. Bd. 38 S. 190 ff., insbesondere S. 209. 14. Ob Einwirkungen des Bergbaues auf Mineralquellen, namentlich auf Heilquellen, z. B. durch Abtrocknung, Verminderung der Ergiebigkeit, Schwächung des Mineralgehaltes, als gemein­ schädliche zu behandeln und deshalb im Wege bergpolizeilicher An­ ordnungen zu verhüten sind, hängt wesentlich davon ab, ob die un­ veränderte Erhaltung solcher Quellen im öffentlichen Interesse liegt und insbesondere in therapeutischer Beziehung einen nam­ haften Wert hat. Unter dieser Voraussetzung sind bergpolizeiliche Schutzmaßregeln gerechtfertigt, im anderen Falle nicht. Vgl. z. B. wegen der Schutzbezirke für gewisse Mineralquellen §4 Anm. 4—10. 15. Die Verunreinigung fließender Gewässer durch den Berg­ bau ist im allgemeinen als eine gemeinschädliche Wirkung anzu­ sehen, Mot. S. 108, Rek.-Besch. vom 28. Nov. 1867, Z. Bd. 9 S. 226; Achenbach, Z. Bd. 11 S. 103, z. B. auch dann, wenn ein wichtiger Gewerbszweig (Bleichereien) durch Verunreinigung des zu seinem Betriebe unentbehrlichen fließenden Wassers zerstört wird, Rek.-Besch. vom 16. Okt. 1877, Z. Bd. 21 S. 403. Die Bergbehörde ist daher befugt, zur Verhütung eines durch eine solche Verunreinigung entstehenden Gemeinschadens die erforderlichen Schutzvvrkehrungen bergpolizeilich anzuordnen, insbesondere auch den Bergwerksbesitzer zu denjenigen Veranstaltungen anzuhalten, welche zur Klärung bzw. zur Entsäuerung von Grubenwassern oder * von Abwässern der Kohlenwäschen und Aufbereitungsanstalten not­ wendig sind. Von seiner desfallsigen Verpflichtung wird der Berg­ werksbesitzer durch die Mitwirkung anderer industrieller Etablissements bei der Verunreinigung der fließenden Gewässer nicht entbunden. 53

834

Neunter Titel.

Bon der Bergpolizei.

[§ 196

Vgl. die beiden vorbezeichneten Rekursbescheide und den Min.-Erl. vom 8. Jan. 1880, Z. Bd. 21 S. 406. Gemäß § 196 gehört es in erster Linie zu den Aufgaben der Bergbehörde, die polizeilichen Anordnungen zu treffen, welche not­ wendig sind, um eine gemeinschädliche Verunreinigung fließender Gewässer durch Grubenwasser (Abgänge von Aufbereitungsanstalten usw.) zu verhindern. Andererseits steht den allgemeinen Polizei­ behörden die Handhabung der Wasserpolizei zu. Da dieselbe jedoch die Einführung der Abgänge von Gruben oder Aufbereitungsan­ stalten in ein fließendes Gewässer nicht wird verbieten können, ohne daß vorher eine sorgsame Abwägung der kollidierenden Interessen des Oberflächeneigentums und des Bergbaues stattgefunden hat, und da ferner die Herstellung entsprechender Klärvorrichtungen oder sonstiger Einrichtungen bei dem Grubenbetriebe nicht von der Ortspolizeibehörde, sondern nur von der Bergbehörde angeordnet werden kann, so würde ein einseitiges Vorgehen der Ortspolizei­ behörde, abgesehen von Fällen dringender Gefahr, weder zweckmäßig noch zielführend sein. Mit Rücksicht hierauf war das Verfahren zunächst durch gemeinschaftlichen Erlaß der Minister für Handel usw. und für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten vom 7. April 1876, Z. Bd. 17 S. 298, dahin geregelt, daß Beschwerden der in Frage stehenden Art an den Bergrevierbeamten zu richten bzw. abzugeben sind, daß in wichtigeren Fällen eine gemeinschaftliche Erörterung der Beschwerden seitens beider beteiligten Behörden zu erfolgen hat (wobei nach § 198 das Oberbergamt zuständig ist, Min.-Erl. vom 23. Jan. 1879, Z. Bd. 21 S. 405), um eine Verständigung darüber herbeizuführen, welche polizeilichen Maßnahmen in Beziehung auf die Abführung der Grubenwasser usw. bzw. deren Klärung zu treffen sind, und daß die Überwachung der Ausführung der dem Bergwerksbetreiber dieserhalb gemachten Auflagen in die Zuständig­ keit der Bergbehörde fällt, unbeschadet der Befugnis der Orts­ polizeibehörde, sich von den Ergebnissen der angeordneten Maß­ regeln in Kenntnis zu erhalten und nach Befinden deren Ergänzung in Anregung zu bringen. Dieser Rechtszustand ist auch durch die von fünf Ministerien gemeinsam erlaffene „Allgemeine Verfügung vom 20. Febr. 1901, betreffend Fürsorge für die Reinhaltung der Gewässer" (Z. Bd. 42 S. 255) aufrechterhalten worden, indem es unter VI dort heißt: „Soweit es sich um eine Verunreinigung der Gewässer durch den Bergbau handelt, ist den Bergbehörden (Oberbergämtern, Revier­ beamten) durch die §§ 196—199 ABG. die Aufgabe übertragen, jeder gemeinschädlichen Einwirkung des Bergbaues entgegenzutreten. Es ist jedoch bereits in dem Erlasse vom 7. April 1876 angeord­ net, daß die Bergbehörden sich in wichtigeren Fällen mit den Wasser­ polizeibehörden ins Benehmen zu setzen haben. Dort ist es bereits als zweckmäßig bezeichnet, daß die Polizeibehörden Maßnahmen, die auf den Bergbau zurückwirken können — abgesehen von Fällen einer dringenden Gefahr —, tunlichst erst nach Anhörung der

§ 196]

Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergpolizeiltcher Vorschriften.

835

Bergbehörden und möglichst im Einverständnisse mit ihnen treffen» Bei diesen Bestimmungen kann es einstweilen sein Bewenden haben." Auch durch das neue preußische Waffergesetz vom 7. April 1913 wird in dieser Beziehung keine Änderung herbeigeführt werden. Die Begründung zu dem das Verhältnis dieses Gesetzes zum ABG. behandelnden § 360 des Entw. (§ 396 des Gesetzes) führt hierzu S. 258 folgendes aus: „Was das Verhältnis der Wasserpolizei zur Bergpolizei an­ langt, so liegt es nicht in der Absicht des Entwurfs, nach dieser Richtung eine Änderung herbeizuführen. Eine völlig zweifelsfreie Scheidung zwischen der Zuständigkeit der Wasserpolizeibehörden einerseits und der Bergpolizeibehörden andererseits kann durch Aufstellung allgemeiner Regeln nicht erreicht werden. Es werden immer Angelegenheiten übrig bleiben, die sowohl als wasserrecht­ liche wie auch als bergrechtliche angesehen werden können und hin­ sichtlich derer daher sowohl die Zuständigkeit der Wasserpolizeibe­ hörde als auch die Zuständigkeit der Bergpolizeibehörde begründet sein wird. Dieser Rechtszustand hat immer schon bestanden, ohne daß sich daraus wesentliche praktische Unzuträglichkeiten ergeben haben. Soweit solche zu befürchten waren, sind sie durch die ge­ meinschaftliche Verfügung des Ministers für Handel und Gewerbe und des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom 7. April 1876 und durch die allgemeine Ministerialverfügung vom 20. Februar 1901 (Min.-Bl. f. d. i. V. S. 91) unter VI verhütet worden, wonach insbesondere die Wasserpolizeibehörde vor dem Er­ lasse polizeilischer Maßnahmen grundsätzlich mit der Bergpolizei­ behörde ins Benehmen treten soll. Durch eine ähnliche Anweisung wird auch nach Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Vorschriften ein befriedigender Zustand zu erreichen sein. Diese Ausführungen behalten auch gegenüber der endgültigen Fassung, welche der § 396 in den Beratungen des Landtages er­ halten hat (vgl. Anhang zu § 148), ihre Gültigkeit. Denn, wie dort ausdrücklich festgestellt ist, kommt bezüglich der Befugnis der Bergpolizeibehörden, auf Grund des § 196 BGB. gegen gemein­ schädliche Verunreinigungen von Wasserläufen einzuschreiten, ein Widerspruch zwischen dem ABG. und dem Wafsergesetze und damit eine ausschließliche Anwendung des letzteren gemäß § 396 Satz 2 nicht in Frage, vgl. KB. AH. z. WG. S. 517 ff., StenB. AH. S. 8314, 8621 ff., sowie die im Anhang zum § 148 genannten Kommentare zum WG. 16. Zu den „gemeinschädlichen Einwirkungen des Bergbaues" ist auch eine durch denselben verursachte, die religiösen Gefühle und die Pietät verletzende Störung der Friedhofsruhe zu rechnen. Die Bergbehörde ist daher befugt, die zur Beseitigung einer solchen Störung erforderlichen bergpolizeilichen Anordnungen zu treffen, z. B. die Schießarbeit unter dem Areal eines alten Totenhofs zu untersagen,' Min.-Erl. vom 18. Okt. 1883, Z. Bd. 25 S. 140.

836

Neunter Titel.

Von der Bergpoltzet.

[§ 196

17. Auf den bergpolizeilichen Schutz gegen gemeinschädliche Einwirkungen des Bergbaues hat auch der Bergbau selbst Anspruch. Beschl. des OBA. Dortmund vom 19. Dez. 1866, Z. Bd. 8 S. 127; auch § 67 Anm. 8. Abgesehen von dem Falle einer gemeinschäd­ lichen Einwirkung ist aber die Bergbehörde nicht befugt, dem Berg­ werksbesitzer Einschränkungen in fernem Gewinnungsrechte zu dem Zwecke aufzuerlegen, um ein benachbartes, nicht in Betrieb ge­ nommenes Bergwerk gegen nachteilige Einwirkungen auf die zur Berechtsame desselben gehörigen Mineralablagerungen zu schützen und Erschwernisse des zukünftigen Betriebes von demselben abzu­ wenden. Rek.-Besch. vom 23. Juni 1869, Z. Bd. 11 S. 367. 18. Die schädliche Gesamteinwirkung der Flugstaubverwehungen bei der Brikettfabrik eines Braunkohlenbergwerks kennzeichnet sich als eine gemeinschädliche Einwirkung des Bergbaues int Sinne des § 196, Rek.-Besch. vom 18. April 1896, Z. Bd. 37 S. 505. 19. Eine Befreiung von der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Bergwersbesitzers zur Abstellung gemeinschädlicher Einwirkungen des von ihm geführten Bergwerksbetriebes kann weder durch Er­ sitzung noch durch die erfolgte Einstellung des Betriebes erworben werden. Rek.-Besch. vom 23. Jan. 1879, Z. Bd. 21 S. 405. 20. Inwieweit dem Bergwerksbefitzer, welcher durch polizei­ liche Maßnahmen in dem Abbau des ihm verliehenen Minerals, z. B. durch Festsetzung eines Sicherheitspfeilers oder durch An­ ordnung des Abbaues nur mittels Hand- und Spülversatz, be­ schränkt wird, Schadensersatzansprüche gegen denjenigen, zu deffen Gunsten die betreffende Maßnahme getroffen ist, zustehen, ist lebhaft bestritten. Das Obertribunal hatte dahingehende Ansprüche in feststehen­ der Rechtsprechung abgelehnt, indem es den Standpunkt vertrat, daß es sich bei derartigen Auflagen an den Bergwerksbesitzer um gesetzliche Beschränkungen des Bergwerkseigentums handle, für welche nach den Grundsätzen des ALR. eine Entschädigung nicht gefordert werden könne; Urt. des OTr. v. 28. März 1862, 20. März 1863, 24. Febr. 1868 und 20. Nov. 1871, Z. Bd. 3 S. 359 ff., Bd. 4 S. 245 ff. (Striethorst Bd. 49 S. 119), Bd. 10 S. 271, Bd. 13 S. 116 ff. Derselben Auffassung war auch die Kommission des Abgeordnetenhauses, wie sich aus der bei Hahn S. 306 mitgeteilten Stelle ihres Berichts ergibt, vgl. diese und die damit übereinstimmende Ansicht von Fürst in der 5. Auflage des Klostermannschen Kommentars zum ABG. Thielmann S. 139/40. Gegen diesen Rechtsstandpunkt wandte sich zunächst West ho ff in seinem Aufsatze „Der Schadensersatzanspruch des Bergwerks­ besitzers bei Anordnung eines Sicherheitspfeilers durch bergpvlizeiliche Verfügung", Z. Bd. 43 S. 450 ff. Westhoff gelangte nach eingehender Prüfung der bei Be­ antwortung dieser Frage in Betracht kommenden gesetzlichen Be­ stimmungen zu dem Ergebnisse, daß im Gebiete des ALR. dem

§ 196]

Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergpolizeiltcher Borschrtften.

837

Bergwerksbesitzer zwar keine Entschädigungsansprüche zustehen, wenn der polizeiliche Eingriff auf Grund der Gesetze selbst oder allgemeiner Polizeiverordnungen erfolgt, wohl aber dann wenn die polizeiliche Anordnung vermittels einer für den konkreten Fall besonders ergehenden Polizeiverfügung erfolgt. Noch weiter ging Bitt« in seiner Abhandlung „Bergrecht­ liche Fragen", Z. 93b. 44 S. 125 ff., der den von Westhoff bezüglich solcher Entschädigungsansprüche gemachten Unterschied zwischen allgemeinen Polizeiverordnungen und Spezialverfügungen für unberechtigt erklärt und in beiden Fällen dem Bergwerks­ besitzer einen solchen Anspruch zuspricht, ebenso Arndt Änm. 1

zu § 202. Das Reichsgericht hat sich in seinen Urteilen vom 12. März und 20. Okt. 1909, 20. Juni 1911, Z. 93b. 51 S. 115 ff (Entsch. 93b. 70 S. 387), 93b. 51 S. 315 ff. (Entsch. 93b. 72 S. 85), 93b. 53 S. 233ff. grunbsätzlich bett Darlegungen von Westhofs an­ geschloffen. Es vertritt bett Standpunkt, baß ber Bergwerksbesitzer sich ohne einen Anspruch auf Schabloshaltung bett durch ein Gesetz ober eine auf gesetzlicher Grunblage beruhenbe allgemeine Berorbnung gegebenen einschlägigen Vorschriften zu unterwerfen hat unb baß bieses auch für konkrete bergpolizeiliche Anordnungen, bie ber unmittelbaren Durchführung einer gesetzlichen ober verordnungs­ mäßigen Einschränkung bienen, gilt, baß ihm aber ein solcher Anspruch zusteht, trenn ihm im Interesse eines Nachbargrunbstücks besondere Auflagen im Wege der Polizeiverfügung gemacht werden (RG. Z. 93b. 51 S. 157). In Anwendung bieses Grundsatzes hat es einem Bergwerksbesitzer, dem ber Abbau in einem be­ stimmten Bezirke im Interesse einer Oberflächenanlage nur mittels kombinierten Hanb- unb Spülversatzes gestattet worben war, einen Schabensersatzanspruch zugebilligt, da es sich hierbei ebenso wie bei der Anordnung eines Sicherheitspfeilers nicht um eine gesetzliche Einschränkung des Bergbaues, sondern um eine besondere Auflage im Interesse dieser Oberflächenanlage handele (Z. 93b. 51 S. 155 ff.); andererseits hat es einen solchen Anspruch in einem Falle abgewiesen, wo dem Besitzer eines Kaliwerks im Interesse der Nachbarwerke untersagt worden war, das Kali­ salz auf nassem Wege, durch planmäßiges Aussolen der Lager­ stätte auszubeuten, da durch die dieses Verbot treffende polizeiliche Anordnung der Besitzer des betreffenden Kaliwerks in der Aus­ übung seiner Gerechtsame keineswegs beschränkt sei, sondern ihm nur im Interesse des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter der Nachbargruben erforderliche, also rein gesetzliche, nämlich auf dem § 196 2193®. beruhenbe Auflagen gemacht worden seien, RG. Z. Bb. 51 S. 315 ff., insbes. S. 322; vgl. gegen diese Recht­ sprechung Fl ei sch au er in Z. 93b. 52 S. 247 ff. Der nach diesen durchaus zutreffend erscheinenden Grund­ sätzen zu beurteilende Schadensersatzanspruch des Bergwerksbesitzers in solchen Fällen erleidet eine Einschränkung nach dem auch hier

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Neunter Titel.

Von der Bergpoltzet.

[§§ 196. 197

anwendbaren Prinzip der Borteilsausgleichung. Soweit nämlich infolge der polizeilichen Anordnung die sonst etwa eintretende Entschädigungspflicht des Bergwerksbesitzers gemäß § 148 ver­ mieden wird, ist dieses bei der Festsetzung der ihm zu gewähren­ den Entschädigung zu berücksichtigen (RG. Z. Bd. 53 S. 236, Westhoff a. a. O. ®. 474/75, Schlüter-Hense Anm. IV zu §§ 153 ff., Arndt Anm. 1 zu § 202). Der hiernach dem Bergwerksbesitzer zustehende Anspruch ist nicht etwa gegen den Staat, sondern gegen denjenigen, in dessen Interesse die bergpolizeiliche Anordnungen ergangen ist, zu richten (Schlüter-Hense a. a. O. und die dort an gezogenen Entsch. des OTr. und RG.). § 197. — Fassung des Art. IV des Gesetzes vom 14. Juli 1905. —

Die Oberbergämter sind befugt, für den ganzen Umfang ihres Verwaltungsbezirks oder für einzelne Teile desselben Polizei­ verordnungen über die im § (96 bezeichneten Gegenstände zu erlassen. Sie find verpflichtet zu prüfen, ob mit Rücksicht auf die den Gesundheitszustand der Arbeiter beeinflussenden Betriebs­ verhältnisse eine Festsetzung der Dauer, des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit geboten ist. Gegebenenfalls trifft das (Dberbergamt nach Anhörung des Gesundheitsbeirats die hierzu erforderlichen Festsetzungen für den Oberbergamtsbezirk oder Teile desselben und erläßt die zur Durchführung erforder­ lichen Anordnungen. Aus besonderen Gründen können einzelne Bergwerke auf ihren Antrag durch das Oberbergamt von der Beobachtung dieser Vorschriften gänzlich oder teilweise, dauernd oder zeitweise entbunden werden. Die Verkündigung dieser Verordnungen erfolgt durch das

Amtsblatt der Regierungen, in deren Bezirk dieselben Gülttgkeit erlangen sollen. Der Gesundheitsbeirat wird für den Umfang des Ober­ bergamtsbezirkes gebildet und besteht aus dem Berghauptmann als Vorsitzenden und vier Beisitzern, die zu gleichen Teilen aus der Zahl der Bergwerksbesitzer oder ihrer Stellvertreter und der Zahl der aus den Arbeitern gewählten Anappschaftsältesten zu entnehmen find. Die Auswahl der Beisitzer erfolgt durch den Provinzialausschuß derjenigen Provinz, in der sich der Sitz des Oberbergamts befindet. An den Verhandlungen des Gesund­ heitsbeirats nimmt ein vom Oberbergamte zu berufender Anappfchaftsarzt mit beratender Stimme teil.

§ 197]

Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergpolizeilicher Vorschriften.

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Vor dem Erlaß von Polizeiverordnungen, welche sich auf diie Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter und auf die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes inn Betriebe beziehen, ist dem Vorstande der beteiligten Be­ rufsgenossenschaftssektion Gelegenheit zu einer gutachtlichen Äußerung zu geben. Auf diese finden die Bestimmungen des § 79 Absatz 1 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 (Reichs­ gesetz bl. S. 69) Anwendung. Mot. S. 108 (215) KB. AH. S. 97 (1251). Nov. 92 Mot. S. 48 ff. (1595/6) KB. AH. S. 29 ff. (2009—11), StenB. AH. 15S6, 1723 ff., StenB. HH. S. 260i. Nov. 05: KB. AH. S. 65, 100 ff., StenB. AH. S. 13513/4, KB. HH. S. 1203.

1. Bis zu dem Gesetze vom 10. Juni 1861 war das Recht zum Erlaß von Polizeiverordnungen in bezug auf den Bergbau gesetzlich nicht ausreichend und zweckmäßig geregelt. Nur das Oberbergomt Bonn besaß für den linksrheinischen Teil seines Be­ zirks auf Grund des französischen Berggesetzes die Befugnis selb­ ständig allgemeine Bergpolizeiverordnungen zu erlassen. Achen­ bach, Bergpolizeivorschriften Einl. S. XXI ff. Erst durch § 8 des ersteren Gesetzes wurde diese Befugnis sämtlichen Oberberg­ ämtern beigelegt. Im § 197 ist die Bestimmung des § 8 wieder­ holt, während die mit letzteren zusammenhängenden §§ 10 u. 11 daselbst nicht übernommen zu werden brauchten. Mot. S. 108. 2. Unter den „Polizeiverordnungen", von deren Erlaß § 197 handelt, versteht derselbe diejenigen auf den Bergbau bezüglichen allgemeinen Polizeivorschriften der Oberbergämter, deren Gebote und Verbote von den davon betroffenen Personen fortdauernd in allen kü nftigen Fällen befolgt werden müssen, vgl. auch Vordem. 2 zum 9. Titel. Den Gegensatz bilden die bergpolizeilichen „Anordnungen" welche nach §§ 198 bzw. 199 für den einzelnen Fall zum Zwecke der Beseitigung einer drohenden Gefahr getroffen werden. Die Bergpolizeiverördnungen des § 197 enthält ebenso wie ein Gesetz dauernde Rechtsregeln, welche so lange in Kraft bleiben, bis neue, in gesetzlicher Form erlassene Vorschriften an ihre Stelle treten; ihre Veranlassung kann eine sehr verschiedenartige sein und der Zeit nach weit zurückliegen, sie braucht nicht auf einer gegen­ wärtigen Gefahr zu beruhen. Dagegen setzen die bergpolizeilichen Anordnungen §§ 198 u. 199 allemal voraus, daß in dem einzelnen Falle eine Gefahr besteht, zu deren Beseitigung besondere Maß­ regeln erforderlich sind; letztere erledigen sich mit Erreichung des Zweckes. Der Unterschied zwischen beiden Arten bergpolizeilicher Vorschriften ist demnach ein sachlicher, nicht ein rein formeller; die Verschiedenheit des Verfahrens findet in dem sachlichen Unter­ schiede ihre Begründung; es hängt von den gegebenen Verhält­ nissen ab und ist nicht bloß Zweckmäßigkeitsfrage, ob das Ober­ bergamt nach § 197 oder nach § 198 zu verfahren hat. Mot. S. 108; Oppenhoff Nr. 1052, 1058 u. Z. Bd. 6 u. S. 454;

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Neunter Titel. Von der Bergpoltzei.

[§ 197

Thielmann Anm. 1 zu tz 196, Anm. 4 zu § 198, Rosin, Das Polizeiverordnungsrecht in Preußen S. 41. Anders Arndt S. 194 u. Das Verordnungsrecht des Deutschen Reiches S. 168. Bezüglich ihres Inhaltes haben beiderlei bergpolizeiliche Vor­ schriften mit einander gemein, daß sie sich nur mit den im § 196 bezeichneten Gegenständen zu befassen haben. Im übrigen können Bergpolizeiverordnungen nach § 197 für den ganzen Verwaltungs­ bezirk eines Oberbergamts oder nur für einzelne Teile desselben, mithin auch, wenn etwa besondere Verhältnisse dies mit sich bringen, für ein einzelnes Werk erlassen werden; sie können sämtliche Berg­ werke usw. oder nur eine gewisse Gruppe derselben, z. B. die Schlagwettergruben, umfassen,- sie können nur einzelne Materien der Bergpolizei oder den gesamten Stoff derselben mehr oder weniger erschöpfend behandeln und auf diesem Wege das Berg­ polizeirecht kodifizieren. Letzteres ist im wesentlichen in den all­ gemeinen Bergpolizeiverordnungen des OBA. Dortmund vom 1. Januar 1911, des OBA. Clausthal v. 7. April 1911, des OBA. Bonn v. 1. März 1912, vgl. auch Z. Bd. 53 S. 328 ff., des OBA. Breslau v. 18. Jan. 1900, Z. Bd. 45, S. 300 usw. geschehen. Die Befugnis zur selbständigen Wiederaufhebung von Berg­ polizeiverordnungen steht den Oberbergämrern auch dann zu, wenn es sich hierbei um ältere Vorschriften handelt, welche nach den früher maßgebenden Grundsätzen vom Ministerium erlassen oder bestätigt worden sind. Min.-Erl. v. 22. Juni 1867, Z. Bd. 8 S. 452. Als Satz 2 war dem Abs. 1 des § 197 durch Art. V der Nov. v. 28. Juni 1892 zunächst folgende Bestimmung hinzugefügt worden: „Für solche Betriebe, in welchen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, können die Oberbergämter Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorschreiben und die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen erlassen". Entlehnt war diese Zusatzbestimniung dem fast wörtlich gleich­ lautenden Abs. 3 des § 120e GO., woselbst dem Bundesrat die Befugnis beigelegt ist, auf dem Gebiete des allgemeinen Gewerbe­ wesens (nicht auch des Bergbaues, vgl. § 154 a GO.) Anordnungen der bezeichneten Art zu treffen. Mot. 92 S. 49. Sie beruhte in ihrer endgültigen Fassung aus einer einstimmigen Verständi­ gung zwischen den Regierungsvertretern und der Kommission des Abgeordnetenhauses und wich von der Regierungsvorlage darin ab, daß letztere im Eingänge lautete: „Insbesondere können die Oberbergämter, wenn durch übermäßige Dauer" usw. Hierin wurde aber eine Verschärfung der dem Bundesrat im § 120e GO. für Ausnahmefälle beigelegten Befugnis erblickt- nach dieser Fassung könne nämlrch der Bergbau als solcher von den in Rede stehen­ den Ausnahmebestimmungen betroffen werden, obgleich derselbe im

§ 197]

Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergpolizeilicher Vorschriften.

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allgemeinen nicht als ein gesundheitswidriges Gewerbe anzusehen fei; der Zusatz berge daher in seiner ursprünglichen Fassung den Keim des Normalarbeitstages sür den Bergbau und die Gefahr in sich, daß einmal bei gegebener Veranlassung der Normalarbeits­ tag wegen Gesundheitswidrigkeit des Bergbaues für diesen ver­ kündet werde; es müsse deshalb die größere Machtbefugnis, welche er der Bergbehörde beilege, auf die einzelnen Betriebe des Bergbaues — die einzelnen Bergwerke oder Bergwerksabteilungen — be­ schränkt werden. KB. S. 28. Gerade diese Einschränkung hatte aber, wie bereits in der Vorbemerkung zu den §§ 93a--e erwähnt, zur Folge, daß die Oberbergämter von dieser Befugnis fast gar keinen Gebrauch ge­ macht hatten, da die Notwendigkeit des Erlasses derartiger Fest­ setzungen für einzelne Betriebe gar nicht oder doch nur sehr schwer feststellen ließ (vgl. auch StenB. AH. 1905 S. 12 162, KL. AH. S. 71, 79). Diesem Mißstande wollte die Regierung in deni Entwürfe zu der Novelle von« 14. Juli 1905 durch eine gesetzliche Regelung der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit für die in Steinkohlen­ bergwerken unterirdisch beschäftigten Arbeiter, soweit es sich um warme Gruben oder Grubenabteilungen handelt, unter besonderer Berücksichtigung außergewöhnlich heißer Betriebspunkte (§§ 93 a—i des Entw., Mot. S. 19 ff.) abhelfen. Der Landtag hat aber diese Vorlage nur in sehr eingeschränkten« Umfange angenommen (vgl. die Vorbemerkung zu den §§ 93a—e und die Anm. zu diesen §§) und als Ausgleich eine Abänderung des § 197 Abs. 1 Satz 2 vor­ genommen, aus der die jetzigen Sätze 2—4 Abs. 1, sowie der Abs. 3 hervorgegangen sind, vgl. ferner § 192a Abs. 2. Die Kommissionsbeschlüffe des Abgeordnetenhauses zu dieser neuen Bestimmungen haben in der zweiten und dritten Lesung wesent­ liche Abänderungen erfahren (StenB. AH. S. 13 338, 13 342, 13 357, 13 513). Den Oberbergämtern ist daher nunmehr die Verpflichtung zur Prüfung der betreffenden Betriebsverhält­ nisse auferlegt, jedoch bezieht sich diese Pflicht nur auf die Dauer, den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht etwa auf den Schutz der Gesundheit der Arbeiter in« allgemeinen (StenB. AH. S. 13 513, KB. HH. ©.26/7; Reuß, Z. 93b. 46 S. 523). Vor allem aber sind die Oberbergämter jetzt befugt, derartige Feststellungen für „den Oberbergamtsbezirk oder Teile desselben" (Abs. 1 S. 3) zu treffen, sind also nicht mehr auf Einzelwerke beschränkt, die sie aber auf Antrag ausschsteßen können (Abs. 1 Satz 4). Neugeschaffen ist ferner der Gesundheitsbeirat, wel­ cher vor dem Erlasse solcher Anordnungen zu hören ist. Seine Zusammensetzung ergibt sich aus Abs. 3, der seine endgültige Fassung den Beschlüssen der zweiten Lesung verdankt (vgl. KB. AH. S. 83, 102, StenB. AH. S. 13357). 3. Handelt es sich bei dem Erlaß von Polizeiverordnungen

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Neunter Titel.

Bon der Bergpolizei.

[§ 197

nicht bloß um die im § 196 bezeichneten, sondern auch um solche Gegenstände, welche in den Zuständigkeitsbereich der allgemeinen Landespolizei gehören, so wurde früher die Form einer gemein­ schaftlichen Polizeiverordnung des Oberbergamts und der Landes­ polizeibehörde gewährt. Dies ist heute nicht mehr der Fall, vgl. z. B. betr. der Grubeneisenbahnen den Min.-Erl. vom 18. April 1895, Z. Bd. 36 S. 300 (§ 196 Anm. 2). 4. Ist in einer Bergpolizeiverordnung keine Zeitbestimmung für den Anfang ihrer.Wirksamkeit enthalten, so beginnt letztere mit dem achten Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages, an welchem das die Verordnung enthaltende Stück des Regierungs­ amtsblatts ausgegeben ist. § 4 der Verordnung vom 28. März 1811 (GS. S. 165) nebst Ergänzung vom 14. Jan. 1813 (GS. S. 2) und für den Bereich des rheinischen Rechts § 10 der Ver­ ordnung vom 9. Juni 1819 (GS. S. 148); vgl. auch § 141 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883. 5. Anfechtbar sind Bergpolizeiverordnungen (§ 197) sowie bergpolizeiliche Anordnungen (§§ 198, 199) regelmäßig nur auf dem Beschwerdewege, wobei das Verfahren sich in den letzteren Fällen nach §§ 191 bis 192 richtet; wegen der Anfechtung von Entscheidungen auf Grund des Abs. 1 Satz 2 vgl. Anm. zu § 192a. Es findet nämlich auch auf die polizeilichen Vorschriften der Berg­ behörden das Gesetz, betr. die Zulässigkeit des Rechtsweges in Be­ ziehung auf polizeiliche Verfügungen, vom 11. Mai 1842 (GS. S. 192) Anwendung. Dasselbe bestimmt in § 1: Beschwerden über polizeiliche Verfügungen jeder Art, sie mögen die Gesetzmäßigkeit, Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit derselben betreffen, gehören vor die vorgesetzte Dienstbehörde. Der Rechtsweg ist in Beziehung auf solche Verfügungen nur dann zulässig, jweirn die Verletzung eines zum Privateigentum gehörenden Rechts behauptet wird, und nur unter den nachfolgenden näheren Be­ stimmungen, dgl. auch Urt. des RG. v. 7. Jan. 1891, Z. 32 S. 384.

Die Bestimmungen des Gesetzes über die allg. Landesver­ waltung vom 30. Juli 1883 wegen der „Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen" (§ 127 ff.) kommen hier nicht zur An­ wendung. Die Prüfung bergpolizeilicher Vorschriften seitens der Gerichte im Strafverfahren hat sich auf deren gesetzliche Gültigkeit zu be­ schränken. Vgl. § 209 Anm. 8 und wegen der Strafandrohung § 208 Anm. 1 und 2. 6. Bereits auf Grund des § 81 des UVG. vom 6. Juli 1884 waren vor dem Erlasse von Anordnungen „zur Verhütung von Unfällen" durch die Landesbehörden die beteiligten Genoffen­ schaft- oder Sektionsvorstände gutachtlich zu hören. Diese Vor­ schrift ist durch die Novelle vom 24. Juni 1892 als Abs. 4 des § 197 in das ABG. ausgenommen und in der dort angegebenen Weise erweitert worden. Zur Erläuterung des unverändert nach dem Regierungsentwurfe angenommenen Art. VI dieser Novelle und

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Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergpolizeiltcher Vorschriften.

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der Zusatzbestimmungen, welche derselbe unter Nr. 1 zu § 192 und unter Nr. 2 zu 8 197 BG. enthält, bemerken die Motive (S. 50) folgendes: „Die Tätigkeit der gewerblichen und Bergaufsichtsbehörden zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter deckt sich in wesentlichen Beziehungen mit der durch § 78 des Unfallver­ sicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 den Berufsgenossenschaften eingeräumten Befugnis zum Erlaffe von Unfallverhütungsvor­ schriften. Damit ist aber auch die Möglichkeit von Kollisionen zwischen den betreffenden behördlichen und genossenschaftlichen Be­ fugnissen gegeben, auf deren Vermeidung bzw. Ausgleichung in geeigneter Weise Bedacht zu nehmen ist. In diesem Sinne erscheint es namentlich empfehlenswert, in entsprechender Art, wie bei den genossenschaftlichen Unfallver­ hütungsvorschriften eine behördliche Mitwirkung durch die vorbe­ haltene Genehmigung des Reichsversicherungsamtes gesichert ist, so auch umgekehrt den Berufsgenossenschaften vor Erlaß behördlicher Anordnungen der einschlägigen Art Gelegenheit zur Wahrung ihres Standpunktes und ihrer Interessen zu gewähren. Durch die Vorschrift im § 81 des Unfallversicherungsgesetzes wird diesen Ge­ sichtspunkten nicht in vollem Umfange Rechnung getragen, weil danach nur die von den Landesbehörden zur Verhütung von Un­ fällen zu erlassenden allgemeinen Anordnungen den beteiligten Ge­ nossenschaften zur Begutachtung mitzuteilen sind, während auch einzelne polizeiliche Verfügungen des mehrerwähnten Inhalts mit den genossenschaftlichen Unfalloerhütungsvorschriften in Widerspruch treten können und eine gutachtliche Anhörung der Genossenschaften auch bei den die Krankheitsverhütung und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes beim Betriebe betreffenden allgemein behördlichen Anordnungen zweckmäßig ist. Diese Erwägungen haben bei Erlaß der Novelle zur Gewerbe­ ordnung vom 1. Juni 1891 dazu geführt, einmal im § 120 d Abs. 4 der zuständigen Berufsgenossenschaft die Befugnis zur Ein­ legung der gesetzlich zulässigen Rechtsmittel gegen polizeiliche Ver­ fügungen zum Schutze des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter, sowie zur Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes beini Betriebe beizulegen, sofern diese Verfügungen ihren Unfall­ verhütungsvorschriften widersprechen, und ferner im § 120e Abs. 2 die Erhebung einer gutachtlichen Äußerung der zuständigen Berufs­ genossenschaft, unter Zuziehung der Vertreter der Arbeiter, vor Erlaß von Polizeiverordnungen über die bezeichneten Gegenstände vorzuschreiben. Da die gleichen Erwägungen auch auf das Gebiet des Bergwesens anwendbar erscheinen, so wird im Artikel VI unter Nr. 1 und 2 die Aufnahme entsprechender Vorschriften in das Allgemeinen Berggesetz in Form von Zusätzen zu den §§ 192 und 197 vorgesehen." Die Nichtanhörung der Berufsgenoffenschaft hat die Ungültig­ keit der Polizeiverordnung zur Folge, Urteil des RG. vom 30. Sept.

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Neunter Titel.

Bon der Bergpoltzei.

[§§ 197. 198

1901, Z. Bd. 43 S. 480, Entsch. in Straff. Bd. 34 S. 368 vom 26. Mai 1902, Z. Bd. 43 S. 484, Entsch. in Straff. Bd. 35 S. 262, Urt. des KG. vom 27. Dez. 1900, 30. Mai 1904 und 29. Juni 1908, Z. Bd. 42 S. 473 (Entsch. Bd. 21 C, S. 3 ff.), Z. Bd. 45 S- 494 (Entsch. Bd. 28 6 S. 3 ff.), Z. Bd. 49 S. 522, Thielmann Anm. 10, Arndt Anm. 6zu 8 197, auch A. Rosin Z. Bd. 42 S- 439 ff., Bd. 46 S. 39 ff., DIZ. 1905 S. 135, v. Landmann Anm. 4 zu 8 120e GO. Die Anhörung der Berufsgenossenschaft bedarf jedoch nach An­ sicht des Reichsgerichts nicht der besonderen Erwähnung in der Ver­ ordnung selbst, vgl. die vorgenannten Urteile, sowie T h i e l m a n n Anm. 10, Schlüter-Hense Anm. I 1, Arndt Anm. 6 zu 8 197 und in DIZ. 1907 S. 257. Den entgegengesetzten Stand­ punkt vertritt das Kammergericht in den oben angezogenen Erkennt­ nissen, ebenso Kronecker in DIZ. 1907, S. 346, sowie Ausf. Anm. 7 GO. Ziff. 201. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, für alle Fälle die Anhörung der Berufsgenossenschaft in der Ver­ ordnung selbst zu erwähnen. Nach 88 853 ff. RVO., welche an die Stelle des 8 79 Abs. 1 UVG. und des 8 113 Abs. 2 GUVG. getreten sind, hat der Vor­ stand der Berufsgenossenschaft zu der gutachtlichen Äußerung gemäß Abs. 4 Vertreter der Versicherten (nach 8 858 Abs. 2 allenfalls Knappschaftsälteste) mit vollem Stimmrecht und in gleicher Anzahl wie die beteiligten Vorstandsmitglieder zuzuziehen. 7. Über die Kosten der Prüfung überwachungsbedürftiger Anlagen ist ein Gesetz vom 7. Juli 1905 (GS. S. 317) ergangen, das bestimmt: „Soweit durch Polizeiverordnung ... des Oberberg­ amts angeordnet wird, daß '1. Aufzüge, 2 3. Dampffässer, 4. Gefäße für verdichtete und verflüssigte Gase, 5 6. Azethylenanlagen, 7. Elektrizitätsanlagen durch Sachverständige vor der Inbetriebsetzung oder wiederholt während des Betriebes geprüft werden, kann in diesen Verord­ nungen den Besitzern die Verpflichtung auferlegt werden, die hierzu nötigen Arbeitskräfte und Vorrichtungen bereitzustellen und die Kosten der Prüfungen zu tragen." 8 198. Tritt auf einem Bergwerke in Beziehung auf die im 8 196 bezeichneten Gegenstände eine Gefahr ein, so hat das Gberbergamt die geeigneten polizeilichen Anordnungen nach Ver-

8 198]

Erster Abschnitt. Von dem Erlasse bergpolizeilicher Vorschriften.

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nehmung des Bergwerksbesitzers oder des Repräsentanten durch einen Beschluß ;u treffen.

Mot. S. 108/9 (215/6). 1. Die zusammen gehörenden §§ 198 und 199 lehnen sich an das französische Bergpolizeidekret vom 3. Januar 1813 Art. 4 ff. und das hiernach auf der linken Rheinseite ausgebildete Verfahren an, welches dem öffentlichen Interesse vollständig gerecht wurde, ohne andererseits den Rechten des Bergbautreibenden zu nahe zu treten. Motive S. 109; Achenbach, Bergpolizeivorschriften ©ins. S. XXXVIII; Französisches Bergrecht S. 312. „Es sind die Fälle dringender Gefahr von denjenigen unter­ schieden, in welchen die Gefahr keine dringende ist, indem sich aus der Natur der Sache dort ein anderes Verfahren er­ gibt, als hier. Ist die Gefahr keine dringende (§ 198), so er­ heischt es die Rücksicht auf den Rechtsschutz des Bergwerksbesitzers, daß nicht allein ein förmlicher Beschluß des Oberbergamts über die zu treffende polizeiliche Anordnung abgefaßt, sondern auch vorher der Bergwerksbesitzer oder dessen Stellvertreter vernommen wird; denn häufig greifen derartige Anordnungen tief und nach­ haltig in die Betriebs- und Wirtschaftsverhältnisse eines Berg­ werks ein. Bei dringender Gefahr können dagegen die erforder­ lichen Anordnungen weder von einem Beschlusse des Oberbergamts noch von jener vorgängigen Vernehmung abhängig gemacht werden. Hier hat vielmehr der Revierbeamte sofort, vorbehaltlich der Be­ stätigung oder Wiederaufhebung seiner Anordnungen durch das Oberbergamt und der Vernehmung des Werksbesitzers, einzu­ schreiten." Mot. S. 109. Zur Ausführung der Anordnungen auf Grund der §§ 198, 199 ist ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Grund und Boden, auf welchem die betreffende Gefahr ein getreten ist, der Bergwerksbesitzer verpflichtet; Urt. des KG. v. 26. Sept. 1910, Z. Bd. 52 S. 278 ff. 2. Im Gegensatze zu den allgemeinen Bergpolizeiverord­ nungen (§ 197) sind die bergpolizeilichen Anordnungen der §§ 198 und 199 als Spezialverordnungen anzusehen, welche durch die gefahrdrohenden besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles ver­ anlaßt werden, weil zur Beseitigung der Gefahr die bestehenden allgemeinen Bergpolizeivorschriften nicht ausreichen; vgl. S. 818 u. § 197 Anm. 2. Es gilt hier der in einem Bescheide des OBA. Dortmund vom 1. Juni 1866, Z. Bd. 7 S. 413, ausgesprochene Grundsatz, daß der Bergbau nur ausnahmsweise und nur in Fällen der Gefahr polizeilichen Anordnungen nach Maßgabe der §§ 198 und 199 zu unterwerfen ist, dagegen der Regel nach den allgemeinen polizeilichen Bestimmungen unterliegt, welche aus­ drücklich durch die Gesetze oder durch die auf Grund des § 197 erlassenen Bergpolizeiverordnungen vorgesehen sind. Verschieden von den vorbezeichneten Spezialverordnungen

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Neunter Titel.

Bon der Bergpoltzet.

[§ 198

sind diejenigen Anordnungen der Bergbehörde, welche lediglich die Ausführung bereits bestehender, aber nicht befolgter bergpolizei­ licher Vorschriften bezwecken. In diesen Fällen tritt nicht das Verfahren der §§ 198 oder 199 ein; vielmehr kann der Revier­ beamte sofort über die vorliegenden Übertretungen Protokolle be­ hufs gerichtlicher Verfolgungen aufnehmen (§ 209) oder auch zu­ nächst nur die alsbaldige Abstellung der vorgefundenen Mängel anordnen. 3. Indem § 198 von der „auf einem Bergwerke" eintreten­ den Gefahr redet, bezeichnet derselbe nur den regelmäßigen, haupt­ sächlichsten Fall, ist aber gleichmäßig anwendbar nicht nur auf die Zubehörungen eines Bergwerks, z. B. die Aufbereitungsanstalten und die Salinen (§ 196), sondern auch auf den Fall, daß mehreren Bergwerken eine gemeinsame Gefahr droht; Achenbach, Z. Bd. 8 S. 267; Franz. Bergrecht S. 264. Ob ein Bergwerk sich im Betrieb befindet oder nicht, ist für die Amvendbarkeit des § 198 gleichgültig. Dieselben Grundsätze gelten für § 199. 4. „Gefahr" im Sinne der §§ 198 und 199 ist vorhanden, wenn von einem Zustande, einem Ereignisse, einer Handlung eine nachteilige Einwirkung auf die nach § 196 dem Schutze der Bergpolizei unterstellten öffentlichen Interessen bzw. eine Schädi­ gung oder Verletzung derselben zu besorgen ist. Vgl. Rek.-Besch. v. 23. Jan. 1879, Z. Bd. 21 ®. 406. ö. Der Regel nach hat auch in den Fällen gewöhnlicher (nicht dringender) Gefahr (§ 198) der Revierbeamte die einleitenden Schritte zu tun. Ihm liegt ob, die für die Anordnungen des Oberbergamts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen vorzunehmeu und hierüber sowie über die von ihm vorzuschlagenden polizeisichen Anordnungen den Bergwerksbesitzer oder Repräsentanten zu vernehmen. Für die Vernehmung (§§ 198, 199) ist keine be­ stimmte Form vorgeschrieben; sie kann zu Protokoll oder durch Schriftwechsel erfolgen; Z. Bd. 7 S. 414. 6. Da Zuwiderhandlungen gegen die auf Grund der §§ 198 und 199 getroffenen bergpolizeilichen Anordnungen im Gesetze selbst (§ 208 Abs. 2) unter Strafe gestellt sind, so findet die An­ drohung einer besonderen Strafe hier ebensowenig wie in den allgemeinen Bergpolizeiverordnungen (§ 197) statt; es genügt die Hinweisung auf jene Gesetzesvorschrift. 7. Die zur Beseitigung der Gefahr erforderlichen polizei­ lichen Anordnungen (§§ 198, 199) zu treffen, ist die Bergbehörde so berufen wie verpflichtet ohne Rücksicht darauf, durch wessen Verschulden der gefahrdrohende Zustand herbeigeführt ist und welche Rechte und Verbindlichkeiten sich hieraus etwa unter streitenden Parteien ergeben. Rek.-Besch. v. 18. Nov. 1873, Z. Bd. 15 S. 140. 8. Soweit nach § 198 bzw. 199 die Zuständigkeit der Berg­ behörde begründet ist, im Interesse der öffentlichen Sicherheit usw. bergpolizeiliche Anordnungen zu treffen, ist ein unmittelbares

§ 198.199] Erster Abschnitt. Von dem Erlasse bergpolizeil. Vorschriften.

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Eingreifen jeder anderen Behörde, z. B. der Ortspolizeibehörde ausgeschlossen- diese hat nur die Befugnis, ihrerseits die Berg­ behörde in Anspruch zu nehmen und an dieselbe etwaige Anträge richten. Urt. des OTr. v. 12. Sept. 1872, Z. Bd. 14 S. 483, Entsch. Bd. 68 S. 284, Gruchot Bd. 17 S. 885. Für Fälle, in welchen gleichzeitig außer der Bergpolizei ein anderes Gebiet der Polizei, z. B. die Wasserpolizei in Frage kommt, ist ein ge­ meinschaftliches Verfahren der beteiligten Behörden vorgesehen,§ 196 Anm. 15. 9. Eine dem § 197 Abs. 4 (Gutachtliche Äußerung der Berufs­ genossenschaft vor dem Erlaß der dort genannten Polizeiverord­ nungen) entsprechende Vorschrift besteht für die polizeilichen An­ ordnungen auf Grund der §§ 198, 199 nicht. § 199.

Ist die Gefahr eine dringende, so hat der Revierbeamte sofort und selbst ohne vorgängige Vernehmung des Bergwerks­ besitzers oder des Repräsentanten die jur Beseitigung der Gefahr erforderlichen polizeilichen Anordnungen zu treffen, gleichzeitig aber dem Mberbergamte hiervon Anzeige zu machen. Das Mberbergamt hat die getroffenen Anordnungen durch einen Beschluß zu bestätigen oder wieder aufzuheben. Vorher ist die Vernehmung der genannten Personen nachzuholen. Mot. S. 108/9 (216).

1. Vgl. zunächst die den § 199 mitbetreffenden Anmerkungen zu § 198.'

2. Ob die Gefahr eine „dringende" und demnach die Voraus­ setzung des § 199 vorhanden ist, unterliegt zunächst der Beur­ teilung des Revierbeamten, welche der Nachprüfung durch die Gerichte nicht unterliegt- Urt. des KG. v. 17. Jan. 1895, Z. Bd. 38 S. 349. Die bergpolizeilichen Anordnungen sind von dem­ selben schriftlich zu treffen. Zu ihrer Vollständigkeit gehört die Angabe der Gründe und die Verweisung auf § 199, ersteres, weil es einer Unterlage für die nachfolgende Entscheidung des Oberbergamts (Abs. 2) bedarf - letzteres, weil die Verpflichtung zur so­ fortigen Ausführung dieser Anordnungen (§ 201) davon abhängt, daß der Fall als ein Fall dringender Gefahr bezeichnet ist. Sofern die sofort erforderlichen bergpolizeilichen Anordnungen hierdurch nicht aufgehalten werden, kann der Revierbeamte schon vorher den Bergwerksbesitzer oder den Repräsentanten über die­ selben vernehmen. Anderenfalls muß die Vernehmung durch den Revierbeamten ohne Verzug nachgeholt und die desfallsige Er­ klärung dem Oberbergamte eingereicht werden. Die Anzeige von den getroffenen Anordnungen ist dem Oberbergamte in jedem Falle sofort zu erstatten.

Neunter Titel.

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Bon der Bergpoltzet.

[§§ 199. 200

Der von Klostermann Anm. 439, siehe jedoch jetzt Thiel­ mann Anm. 4 zu 8 199, vermißte Grund für die dem Oberberg­ amte vorbehaltene nachträgliche Prüfung der auf Grund des § 199 getroffenen Anordnungen liegt darin, daß es sich auch hier wie in den Fällen des § 198 um Spezialverordnungen handelt, in Ansehung deren dem Bergwerksbesitzer „ein unverkürzter Rechtsschutz" Gewährt werden soll; Mot. zu dem vorläufigen Entw. von 1862 5. 154.

3. In dem Urteil des Kammergerichts vom 9. Oktober 1882, Z. Bd. 27 S. 233, Johow,Bd. 4S'. 314, heißt es: „Wenn 8 199

voraussetzt, daß die erforderliche polizeiliche Anordnung in erster Linie von dem Revierbeamten vorbehaltlich der Bestätigung durch das Oberbergamt getroffen werde, so versteht es sich von selbst, daß, wenn in einem dazu geeignet scheinenden Falle solches seitens des Revierbeamten nicht geschehen ist, auch das Oberbergamt, so­ bald es von der Sachlage Kenntnis erhält, direkt eingreifen und die ihm durch das Vorhandensein dringender Gefahr geboten er­ scheinende polizeiliche Anordnung unmittelbar treffen tarnt"; vgl. auch Befehl, des OBA. Halle v. 21. Juli 1894, Z. Bd. 36 S. 137, Arndt Anm. 2 zu § 199. Hinzugefügt ist, daß auf einen desfallsigen Beschluß des Oberbergamts die Bestimmungen des 8 201 analoge Anwendung finden, vorausgesetzt, daß die Absicht, mittelst des Beschlusses einer dringenden Gefahr im Sinne des 8 199 zu begegnen, ausdrücklich ausgesprochen ist. Ein solches direktes Ein­ greifen des Oberbergamts in Fällen des 8 199 entspricht jedoch der bestimmten Abgrenzung der Zuständigkeit im Gesetze nicht; korrekter ist vielmehr eine im Aufsichtswege an den Revierbeamten ergehende Anweisung, seinerseits die erforderlichen polizeilichen Anordnungen sofort zu treffen. 4. Die auf Grund des 8 199 von dem Revierbeamten ge­ troffenen Anordnungen haben die Wirkung, daß die Ausführung derselben bei Vermeidung der Bestrafung (8 208) und der Zwangs­ ausführung auf Kosten des Bergwerksbesitzers (8 202) sofort er­ folgen muß und weder von der nachfolgenden Entscheidung des Oberbergamts noch von einer Rekursentscheidung abhängig gemacht werden darf. 5. Zu den Fällen dringender Gefahr im Sinne des 8 199 gehört auch der Ausbruch der Choleraepidemie auf Bergwerken. Befehl. des OBA. Dortmund v. 19. Dez. 1866, Z. Bd. 8 S. 142. 8 200.

Die Bekanntmachung der auf Grund der 88 t98 und 199 getroffenen polizeilichen Anordnungen an den Bergwerksbefitzer oder den Repräsentanten erfolgt durch Zustellung des Beschlusses des Vberbergamtes, beziehungsweise der Verfügung der Reoterbeamten.

Kß 199 200]

Erster Abschnitt. Bon dem Erlasse bergbaul. Vorschriften.

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Die Bekanntmachung an den Betriebsführer und die Grubenteamten wird von dem Revierbeamten oder auf dessen An­ weisung durch Eintragung in das Zechenbuch bewirkt, welches ju diesem Zwecke auf jedem Bergwerke gehalten werden muß. Soweit eine Bekanntmachung an die Arbeiter erforderlich ist, geschieht dieselbe auf Anweisung des Revierbeamten durch Verlesen und durch Aushang auf dem Werke.

Mot. S. 109 (216). 1. Für das Strafverfahren bedurfte es gesetzlicher Vor­ schriften über die Formen, in welchen die aus Grund der §§ 198 und 199 getroffenen bergpolizeilichen Anordnungen bekannt zu machen sind. § 200 schreibt diese Formen nach Verschiedenheit der Fälle vor, indem zwischen den Bekanntmachungen an den Bergwerksbesitzer und Repräsentanten, an die Betriebsführer und Grubenbeamten und an die Arbeiter unterschieden, und für jeden dieser drei Fälle eine besondere Art der Bekanntmachung, der Natur der Verhältnisse und den herkömmlichen Einrichtungen ent­ sprechend vorgeschrieben ist. Das Gesetz verlangt zugleich, daß auf jedem Bergwerke ein Zechenbuch zu dem angegebenen Zwecke gehalten wird, dessen übliche Mitbenutzung zu anderen Eintra­ gungen dem Werksbesitzer und der Bergbehörde überlassen ist. Mot. S. 109. Gilt eine bergpolizeiliche Anordnung sämtlichen im § 200 bezeichneten Personen oder mehreren derselben, so sind die verschiedenen Arten der Bekanntmachung miteinander zu verbinden. Die Strafbarkeit wegen Übertretung bergpolizeilicher An­ ordnungen (88 198, 199) hängt davon ab, daß die Bekanntmachung an die betreffenden Personen in der gerade für sie vorgeschriebenen Form stattgefunden hat. Andererseits genügt aber zur Strafbar­ keit des einzelnen der Nachweis, daß die gesetzliche Form der Bekanntmachung erfüllt worden ist; es ist daher z. B. nicht er­ forderlich, daß ein Arbeiter der Verlesung beigewohnt, bzw. den Aushang gelesen hat, Thielmann Anm. 3 8 200; Urt. des RG. v. 28. Jan. 1887, Z. Bd. 28 S. 522, nach welchem übrigens die „Rechtsgültigkeit" einer bergpolizeilichen Anordnung dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß die vorgeschriebene Eintragung in das Zechenbuch unterblieben ist. Die Zustellung an den Bergwerksbesitzer oder Repräsentanten ist durch Zustellungsurkunde nachzuweisen.

2. Die Anwendung der Strafvorschrift des 8 207 Abs. 1 auf den § 200 hat die Bedeutung, daß der Bergwerksbesitzer oder Repräsentant, welcher kein Zechenbuch auf dem Werke hält, des­ gleichen derjenige straffällig ist, welcher der Verpflichtung, auf An­ weisung des Revierbeamten die Eintragung in das Zechen buch bzw. die Bekanntmachung durch Verlesen und Aushang zu be­ wirken, niicht nachgekommen ist. 3. Eintragungen des Revierbeamten in das Zechenbuch, welche nut Hinweisungen auf bereits bestehende polizeiliche Vor54

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Neunter Titel.

Bon der Bergpolizri.

[§§ 200-202

schriften enthalten, brauchen dem Bergwerksbefitzer oder Repräsen­ tanten durch Zustellung nicht mitgeteilt werden. Beschl. des OBA. Halle v. 9. Okt. 1885, Z. Bd. 27 S. 244. §201. 3« den Fällen des § 199 muß mit der Ausführung der polizeilichen Anordnungen des Revierbeamten ohne Rücksicht auf die vorbehaltene oberbergamtliche Bestätigung oder Wiederaufhebung sofort begonnen werden. Die Ausführung dieser Anordnungen wird durch Einlegung des Rekurses nicht aufgehalten. Mot. S. 109 (216), KB. HH. S. 63/4 (251).

Die Gründe für die Vorschriften des § 201 liegen in der Sache selbst. Mot. S. 109; § 199 Anm. 4. Das Gesetz fordert hier, daß mit der Ausführung der auf Grund des § 199 getroffenen polizeilichen Anordnungen sofort begonnen wird, und stellt Zu­ widerhandlungen gegen dieses Gebot im § 207 unter Strafe. Die Ausführung des § 201 im § 207 ist deshalb nicht unrichtig, wie Oppenhoff Nr. 1068 annimmt. Vgl. auch § 199 Anm. 3 und den dort angeführten Beschl. des OBA. Halle.

§ 202.

Werden die auf Grund der §§ (98 und (99 getroffenen polizeilichen Anordnungen nicht in der bestimmten Frist durch den Bergwerksbesitzer ausgeführt, so wird die Ausführung durch den Revierbeamten auf Rosten des Bergwerksbesitzers bewirkt. Mot. S. 109/10 (216).

1. Kommt der Bergwerksbesitzer der Verpflichtung zur Aus­ führung der polizeilichen Anordnungen der Bergbehörde (§§ 198, 199) nicht rechtzeitig nach, so entspricht es nicht nur der Exekutiv­ gewalt der Bergbehörde, sondern ist auch zur Beseitigung der Gefahr unerläßlich, daß die Ausführung unmittelbar durch den Revierbeaniten auf Kosten des Bergwerksbesitzers bewirkt wird. Der Revierbeamte ist befugt, zu diesem Zwecke einen Kostenvor­ schuß von dem Bergwerksbesitzer einzuziehen Rek.-Besch. vom 23. Jan. 1895, Z. Bd. 36 S. 411. Es ist zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen, daß statt der sofortigen Ausführung durch den Revierbeamten zunächst ein exekuiivischer Strafbefehl seitens des Oberbergamts an den renitenten oder säumigen Bergwerksbesitzer erlassen wird, um denselben zur eigenen Ausführung zu zwingen (vgl. § 190 Anm. 5). Indes wird in der Regel und namentlich bei dringender Gefahr (§ 199) der erstere, sichere Weg den Vorzug verdienen. Sobald derselbe betreten ist, muß es bei diesem Zwangsmittel sein Bewenden behalten.

§§ 202. 203.] Erster Abschnitt. Von dem Erlaffe bergpoltzeil. Vorschriften.

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2. Die Kosten jeglicher Art, welche die Ausführung durch den Revierbeamten veranlaßt, können gemäß § 194 im Wege deS Verwaltungszwangsverfahrens von dem Bergwerksbesitzer bei­ getrieben werden- § 194 Anm. 2, § 197 Sinnt. 5. Ob letzterer den Ersatz der in Rede stehenden Kosten von einem Dritten bean­ spruchen kann, hängt von der Beschaffenheit des Falles ab und unterliegt der Beurteilung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen. 3. Die Verpflichtung zur Ausführung der nach §§ 198, 199 getroffenen Anordnungen liegt ohne Rücksicht auf die EigentumsVerhältnisse am Grund und Boden dem Bergwerksbesitzer ob - das gilt auch für den Mandatsbezirk, Urt. des KG. v. 26. Sept. 1910, Z. Bd. 52 S. 278. 4. Die Regierungsvorlage zu der Novelle vom 24. Juni 1892 enthielt in ihrem Art. VII eine Zusatzbestimmung zu § 202, welcher von der Ausführung der auf Grund der §§ 198, 199 getroffenen bergpolizeilichen Anordnungen durch die Bergbehörde handelte. Der vorgeschlagene Zusatz lautete:

„Im gleichen Falle, sowie wenn der Bergwerksbesitzer einer auf Grund des § 197 ergangenen Polizeiverordnung zuwiderhandelt, kann der Revierbeamte bis zur Herstellung des der Verordnung oder der Verfügung entsprechenden Zu­ standes die Einstellung des Betriebes, soweit derselbe durch die Verordnung oder Verfügung getroffen wird, anordnen, falls dessen Fortsetzung erhebliche Nachteile oder Gefahren herbeizuführen geeignet sein würde." In den Motiven (S. 50, 51) wurde die Aufnahme dieser dem Schlußsätze des 8147 GO. entlehnten Bestimmung als empfehlenswert bezeichnet, weil es im Interesse des Arbeiterschutzes liege, die gleichen Befugnisse, welche der Gewerbepolizeibehörde beigelegt sind, für die Bergbehörden in Anspruch zu nehmen, es aber nicht unbestritten sei, ob letzteren die Befugnis zur Einstellung des Betriebes schon auf Grund der bisherigen berggesetzlichen Bestimmungen zustehe. Diese Zuständigkeit der Bergbehörden wurde jedoch von der Kommission des Abgeordnetenhauses als bereits durch das Berg­ gesetz unzweifelhaft begründet angesehen und daher die Streichung des Art. VII des Regieriingsentwurfes vorgeschlagen und be­ schlossen. KB. S. 30, 31; Sten.-B. S. 1552. § 203.

Sobald auf einem Bergwerke eine Gefahr in Beziehung auf die im § (96 bezeichneten Gegenstände eintritt, hat der Betriebsführer und im Verhinderungsfalls der denselben ver­ tretende Grubenbeamte dem Revierbeamten Anzeige hiervon zu machen. Mot. S. 110 (216).

Neunter Titel.

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Von der Bergpoltzet.

[§§ 203. 204

1. Die Anzeigepflicht, ohne welche ein rechtzeitiges Einschreiten der Bergpolizei häufig vereitelt werden würde, ist dem Betriebs­ führer und dessen Stellvertreter, nicht dem Bergwerksbesitzer selbst auferlegt, weil dieser in der Regel nicht persönlich auf dem Werke anwesend ist. Mot. S. 110. Macht jedoch letzterer seinerseits die alsbaldige Anzeige, so ist damit dem Gesetze genügt. 2. Das Gebot des § 203 erstreckt sich auch auf die Zu­ behörungen der Bergwerke und die Salinen,' § 198 Anm. 3. Die Anzeige muß ohne Verzug von dem Eintritt einer jeden Gefahr (§ 198 Anm. 4), auch der nicht dringenden, gemacht werden. 3. Übertretungen des § 203 unterliegen der Bestrafung nach § 207. Straffällig ist der Betriebsführer bzw. dessen Stellver­ treter, wenn derselbe unterläßt, ohne Verzug, nachdem er von dem Eintritt einer Gefahr Kenntnis erlangt hat, dem Revierbeamten Anzeige hiervon zu machen.

Zweiter Abschnitt.

Uon dem Uerfabren bei dnglücksfälkn. § 204.

(Ereignet sich auf einem Bergwerke unter oder über Tage ein Unglücksfall, welcher den Tod oder die schwere Verletzung einer oder mehrerer Personen herbeigeführt hat, so sind die im § 203 genannten Personen zur sofortigen Anzeige an den Revierbeamten und an die nächste Polizeibehörde verpflichtet. Mot. S. 110 (216).

1. Die Verpflichtungen der Bergbautreibenden und das Ver­ fahren der Bergbehörden bei Unglücksfällen waren vor Erlaß des ABG. in genügender Weise nur in den linksrheinischen Landes­ teilen durch das Bergpolizeidekret vom 3. Januar 1813 gesetzlich festgestellt- rechtsrheinisch beruhte das Verfahren wesentlich nur auf Verwaltungsvorschriften. Nachdem aber die Betriebsleitung von der Bergbehörde auf die Bergbautreibenden übergegangen war, bedurfte es auch für jenen Zweig der Bergpolizei gesetzlicher Regeln. Diese sind in §§ 204 und 205 im Anschluß an die sachgemäßen Vorschriften des Dekrets vom 3. Januar 1813 auf­ gestellt.

§ 204]

Zweiter Abschnitt.

Bon dem Verfahren bet Unglücksfällen.

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2. Die Anzeigepflicht (§ 204) und das Verfahren (§ 205) erstrecken sich zunächst auf die Bergwerke", dann aber auch auf die Zubehörungen derselben und die Salinen- § 198 Anm. 3. Ein Unfall „auf einem Bergwerke" liegt, dann vor, wenn er sich in dem örtlichen Bereiche des Bergwerks und der mit ihm zusammenhängenden, für seine Zwecke bestimmten Anlagen bei der Verrichtung bergmännischer oder sonstiger Arbeiten, also z. B. auch bei Montierungsarbeiten durch einen Unternehmer, ereignet hat- Rek.-Besch. v. 4. Febr. 1909, Z. Sb. 50 S. 286. Die Anzeige liegt dem Betriebsführer und im Verhinderungs­ fälle dem ihn vertretenden Grubenbeamten (§203) ob- vgl. Min.Erl. v. 2. Dez. 1898, Z. Bd. 40 S. 131. Sie muß „sofort" er­ folgen und zwar nicht nur an den Revierbeamten, sondern gleich­ zeitig auch an die nächste Polizeibehörde, letzteres wegen der Genehmigung zur Beerdigung und der etwaigen Einleitung eines gerichtlichen Untersuchungsverfahrens - § 157 StPO. 3. Übereinstimmend mit Art. 11 des Dekrets vom 3. Januar 1813 verlangt § 204 die Anzeige bei allen schweren Verletzungen („blessures graves“). Ob eine solche vorliegt, hängt von der Beschaffenheit des Falles ab- der strafrechtliche Begriff der schweren Verletzung §§ 224, 227, 226 StGB, ist hier nicht maßgebend. Im allgemeinen werden als schwere Verletzungen im Sinne des § 204 nicht bloß Verletzungen angesehen, welche eine Gefahr für das Leben des Verwundeten mit sich bringen, sondern auch solche, welche einen bleibenden Nachteil für die Gesundheit oder die Arbeits­ fähigkeit des Verletzten befürchten lassen. Um für die Feststellung des Begriffes „schwere Verletzung" im Sinne des § 204 einen sicheren Anhalt in der Praxis zu haben, war eine Arbeitsunfähigkeit von wenigstens vier Wochen als untere Grenze angenommen. Diese Grenze hat sich jedoch als zu niedrig gegriffen herausgestellt, indem sie viele Fälle in sich schloß, welche tatsächlich nicht als „schwere Verletzungen" bezeichnet werden konnten und die Zeit und Tätigkeit der Bergrevierbeamten un­ verhältnismäßig stark in Anspruch nahmen. Das Verfahren ist demnach im allgemeinen dahin geregelt worden, daß auf Grund des § 204 jeder Unglücksfall beim Bergbau dem Bergrevierbeamten anzuzeigen und von diesem bergpolizeilich zu untersuchen ist, welcher den Tod oder eine solche Körperverletzung einer oder mehrerer Personen zur Folge gehabt hat, die voraussichtlich den Tod oder eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 13 Wochen zur Folge haben wird. Vgl. u. a. die allg. Verf. des OBA. Dortmund v. 7. März 1892, Z. Bd. 33 S. 309, sowie § 80kg Abs. 2 und Anm. 2d dazu. Selbstverständlich unterliegen außerdem auch leichtere Körperverletzungen der bergpolizeilichen Untersuchung, wenn dabei strafbarer Vorsatz oder strafbare Fahrlässigkeit (§§ 223 bis 233 StGB.) oder eine Übertretung bergpolizeilicher Vorschriften in Frage kommen. Ebenso unterliegen Schlagwetterexplosionen der bergpolizeilichen Untersuchung auch dann, wenn dieselben keine

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Neunter Titel.

Von der Bergpoltzei.

[$§ 204. 206

Körperverletzungen verursacht haben. — Für die Statistik der Un­ glücksfälle beim Bergbau sind die hierfür besonders erlassenen Bor­ schriften maßgebend. 4. Unabhängig von der Anzeigepflicht des § 204 ist diejenige, welche § 1552 RVO. dem Betriebsunternehmer und im Falle der Abwesenheit oder Behinderung desselben dem Betriebsleiter auf­ erlegt. Hernach haben diese Personen von jeden in ihrem Be­ triebe vorkommenden Unfall, durch welchen ein im Betriebe Be­ schäftigter getötet oder so verletzt ist, daß er stirbt oder für mehr als drei Tage völlig oder teilweise arbeitsunfähig wird, und zwar binnen drei Tagen nach erlangter Kenntnis von dem Unfall bei der Ortspolizeibehörde Anzeige zu erstatten. (§§ 1552 Abs. 2, 1553 RVO.) Gegenüber dem § 204 ist hier also die Zahl der anzeigepflichtigen Fälle wesentlich erweitert und andererseits die Anzeigefrist verlängert. Die Stelle der Ortspolizeibehörde nimmt bei den berggesetzlich der polizeilichen Aufsicht der Bergbehörde unterworfenen Betrieben der Revierbeamte ein; Min.-Erl. vom 13. Aug. 1884, Z. Bd. 26 S. 153, v. 2. Aug. 1900, Z. Bd. 42 S. 245 und v. 7. Dez. 1911, Z. Bd. 53 S. 160, vgl. § 189 Anm. 4. Wegen der Unfalluntersuchungen vgl. §§ 1559 ff. RBO., sowie Anm. 2—4 zu § 205. 5. Abgesehen von den vorerwähnten Anzeigen muß regel­ mäßig, wenn eine amtliche Ermittelung über einen Todesfall statt­ findet, eine schriftliche Mitteilung an den Standesbeamten behufs Eintragung in das Sterberegister erfolgen (Gesetz über die Beur­ kundung des Personenstandes usw. v. 9. März 1874 § 41, GS. S. 95 und Reichsgesetz v. 6. Febr. 1875 § 58, RGBl. S. 23). Diese Mitteilung liegt aber auch bei den von der Bergbehörde zu untersuchenden Unglücksfällen der Ortspolizeibehörde, nicht dem Revierbeamten ob; Min.-Erl. v. 8. März 1875, Min.-Bl. f. d. innere Verw. S. 64, Z. Bd. 16 S. 148. 6. Durch Übertretung der Vorschrift des § 204 macht der Betriebsführer bzw. der ihn vertretende Grubenbeamte sich nach § 207 strafbar. Wegen Verhängung von Ordnungsstrafen durch den Vorstand der Berufsgenosienichaft gegen denjenigen, welcher die ihm nach den §§ 1552 ff. RVO. obliegende Unfallsanzeige nicht rechtzeitig gemacht hat, vgl. § 1556 daselbst. 7. Wegen der Zuziehung der Sicherheitsmänner zu den Un­ falluntersuchungen vgl § 80fg Abs. 2. § 205. Der Revierbeamte ordnet die zur Rettung der verunglückten Personen oder zur Abwendung weiterer Gefahr erforderlichen Maßregeln an. Die zur Ausführung dieser Maßregeln notwendigen Arbeiter

§ 205]

Zweiter Abschnitt. Bon dem Verfahren bei UnglückSfSllen.

855

und Hilfsmittel hat der Besitzer des Bergwerks zur Verfügung zu stellen. Die Besitzer benachbarter Bergwerke find zur Hilfeleistung verpflichtet. Mot. S. 110 (216).

1. Der mit § 204 unmittelbar zusammenhängende § 205 setzt Unglücksfälle voraus, bei welchen Personen bereits zu Tode gekommen oder schwer verletzt oder sonstwie, z. B. durch Ver­ schüttung, Grubenbrand usw. an ihrem Leben bedroht sind. In solchen Fällen bedarf es eines sofortigen energischen, häufig ge­ fahrvollen Eingreifens und der umsichtigsten Anwendung der geeigneten technischen Hilfsmittel. Da hierzu die Werksbeamten nicht immer geeignet oder in der Lage sind, so legt das Gesetz die Maßregeln, welche erforderlich sind, um die verunglückten Personen zu retten und weitere Gefahr für Personen abzuwenden, in die Hand des Revierbeamten) die demselben übertragene exekutivische Gewalt setzt ihn in den Stand, die Rettungs- und Siche­ rungsarbeiten, auf welche es im Augenblick ankommt, an Ort und Stelle anzuordnen und sofort zur Ausführung bringen zu lassen. Um hierbei unter allen Umständen der tätigen Mitwirkung deS Bergwerksbesitzers und nötigenfalls der Hilfeleistung der Besitzer benachbarter Bergwerke sicher zu sein, verpflichtet das Gesetz beide, der desfallsigen Aufforderung und Anordnung des Revier­ beamten bei Vermeidung der Strafe des § 207 unweigerlich Folge zu leisten. Wie sich aus dieser dem Revierbeamten zugewiesenen Auf­ gabe und Stellung ergibt, handelt es sich im § 205 nicht, wie Klostermann Anm. 451, s. jedoch jetzt Thielmann Anm. 1 zu § 205, annahm, um polizeiliche Anordnungen im Sinne des § 199. Allerdings können auch diese infolge eines bereits einge­ tretenen Unglücksfalles in Frage kommen- hiervon sind aber die auf § 205 beruhenden exekutiven Befugnisse des Revierbeamten unabhängig. Bei Ausübung der letzteren bedarf es daher auch der Formen des § 199 nicht- diese Formen würden sich sogar verbieten, da in der Regel sofortige mündliche Anordnungen not­ wendig sind. Andererseits darf aber jene Exekutivgewalt des Revierbeamten nicht über ihren im Gesetze bestimmt ausgesprochenen Zweck hinaus, mithin nicht auf solche Unfälle und Fälle drohender Gefahr aus­ gedehnt werden, bei welchen die Rettung verunglückter Personen oder die Abwendung weiterer Gefahr für Personen zunächst nicht in Frage steht. In Fällen dieser Art muß vielmehr, sobald die Gefahr eine dringende ist, nach Vorschrift des § 199 verfahren werden. Auch kann auf solche Fälle, die den Besitzern benachbarter Bergwerke int § 205 Abs. 3 auferlegte Verpflichtung zur Htlfeleistung nicht ausgedehnt werden, wie schon aus dem äußeren Zusammenhänge dieser Vorschrift mit dem übrigen Inhalte der

856

Neunter Titel.

Bon der Bergpoltzet.

[§205

einen selbständigen Abschnitt des Gesetzes bildenden §§ 2(4 bis 205 hervorgeht. Oppenhoff Nr. 1080. Anders Achenbach, Z. Bd. 8 S. 270, Franz. Bergrecht S. 268, welcher hauptsichlich unter Berufung auf Art. 12 u. 17 des Bergpolizeidekrets v. 3. Jan. 1813 jene Verpflichtung zur Hilfeleistung auf alle Unflücksfälle ausgedehnt, welche in bezug auf die im § 196 ABN. be­ zeichneten Gegenstände eintreten. Im übrigen würde die unberechtigte Weigerung der Hilfeletstung auf vorgängige polizeiliche Aufforderung auch ta, wo § 205 nicht anwendbar erscheint, nach § 360 Nr. 10 StGB, straf­ bar sein. 2. Über die Untersuchung der Unglücksfälle durch den ffevterbeamten erteilt das ABG. keine Borichriften. Dagegen sclreiben die Dienstanweisungen für die Revierbeamten (§ 189 Aim. 1) in wesentlicher Übereinstimmung vor, daß der Revierbeam-e nach Erfüllung der ihm im § 205 auferlegten Pflichten die Ursacken des Unglücksfalles durch Vernehmung der Grubenbeamten und drr über den Hergang unterrichteten Personen sowie durch eigene Untersuchung möglichst zu ermitteln und über den Vorfall ein Protokoll aufzu­ nehmen hat, welches eine genaue Beschreibung des ermittelten Befundes und der getroffenen Maßregeln, die Aussaze der vernommenen Personen und das Gutachten des RevierKamtep über die Ursachen des Unglücksfalles und die etwaige Verschuldung dritter Personen enthalten muß. Die Urschrift des Protokolles geht sofort an die Staatsanwaltschaft und eine Abschrift an das Oberbergamt. In ihrer Eigenschaft als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft (§ 189 Anm. 3) können die Revierbeamten auch von letzterer bei Unglücksfällen Aufträge erhalten. Über das von den Beamten der Staatsanwaltschaft nach Eingang der Verhandlungen des Revierbeamten einzuschlagende Ver­ fahren vgl. allg. Verfügung des Ersten Staatsanwalts zu Essen v. 19. Aug. 1886, Z. Bd. 28 S. 131. 3. Für die Untersuchung derjenigen Unfälle, auf welche die Reichsversicherungsordnung Anwendung findet, bestimmt § 1559 RVO., daß in allen den Fällen, in welchen ein Versicherter ge­ tötet oder derart verletzt worden ist, daß er voraussichtlich auf Grund der RVO. zu entschädigen ist, die Ortspolizeibehörde des Unfallortes sobald als möglich den Unfall zu untersuchen hat. Durch die Untersuchung sind festzustellen: 1. Veranlassung, Zeit, Ort, Hergang und Art des Unfalles; 2. Name der getöteten oder verletzten Personen, sowie Tag und Ort ihrer Geburt,' 3. die Art der Verletzung- 4. der Verbleib des Verletzten- 5. die Hinter­ bliebenen des Getöteten und die Angehörigen des Verletzten, die eine Entschädigung auf Grund der RVO. beanspruchen sönnen; 6. die Höhe von Unterstützungen und Renten, die der Verletzte aus der Reichsversicherung bezieht (§ 1565 RVO.).

$§ 205.206]

Zweiter Abschnitt. Bon dem Verfahren bei Unglücksfällen.

857

Bezüglich der berggesetzlich der bergpolizeilichen Beaufsichtigung der Bergbehörden unterworfenen Betriebe liegt diese Untersuchung dem Nevierbeamten ob; vgl. Min. Erl. v. 7. Dez. 1911 Z. Bd. 54 S. 160. 4. Nicht alle Unglücksfülle, welche bergpolizeilich untersucht Werder müssen, unterliegen auch der Untersuchung nach der RVO. und andererseits bedarf es mitunter auf Grund dieses Gesetzes der ncchträglichen Untersuchung von Unfällen, welche die Berg­ poltzeibehörde nicht in Anspruch genommen hatten. Ist letzteres der Fall, so hat der Revierbeamte in der Regel einen bezüglichen Antrag des Vertreters der Berufsgenosienschaft abzuwarten. Im übrigen sollen beiderlei Untersuchungen von dem Revierbeamten unter Vermeidung von Verzögerungen möglichst miteinander ver­ bunden werden. Hierbei sind die für die bergpolizeiliche Unter­ suchung bestehenden Vorschriften nach wie vor genau befolgen. Außerdem hat aber der Revierbeamte die im § 1562 RVO. be­ zeichneten Personen von der vorzunehmenden Unfalluntersuchung mit dem Anheimgeben in Kenntnis zu setzen, an den Untersuchungs­ verhandlungen teilzunehmen. Ferner sind soweit tunlich die sonstigen Beteiligten und auf Antrag und Kosten der Genossen­ schaft Sachverständige zuzuziehen. Das über den Unglücksfall auf^unehmende Protokoll muß einerseits den für die berpolizeiliche Untersuchung vorgeschriebenen Erfordernissen entsprechen und andererseits auch den oben angegebenen Anforderungen des § 1565 genügen. Die Aufnahme getrennter Protokolle empfiehlt sich in der Regel nicht. Die Unfallverbandlungen sind gemäß § 1567 RVO. dem Versicherungsträger zu übersenden, jedoch ist das Gutachten über eine etwaige gleichzeitig vorgenommene bergpolizeiliche Untersuchung zurückzubehalten (Min.-Erl. v. 18. Jan. 1913, I 395). 8 206.

Sämtliche Kosten für die Ausführung der im § 205 bezeichneten Maßregeln trägt der Besitzer des betreffenden Berg­ werks, vorbehaltlich des Regreßanspruchs gegen Dritte, welche den Unglücksfall verschuldet haben. Mot. S. 111 (217).

1. Die Verpflichtung des Besitzers des von einem Unglücks­ falle betroffenen Bergwerks zur Übernahme sämtlicher Kosten, welche durch die auf Grund des § 205 ausgeführten Maßregeln entstehen, war bereits im Art. 20 des Bergpolizeidekrets vom 3. Januar 1813 ausgesprochen und rechtfertigt sich dadurch, daß die Kosten im unmittelbaren oder mittelbaren Interesse des Werks­ besitzers aufgewandt werden. Mot. S. 111. 2. Soweit die Kosten, z. B. auch für Heranziehung von Rettungsmannschaften, bei der Bergbehörde erwachsen, können

858

Neunter Titel.

Bon der Bergpolizei.

[§206

dieselben von dem Werksbesitzer im Wege des Berwaltungszwangsverfahrens eingezogen werden,' § 194 Anm. 2. Kosten, welche dritten Personen erwachsen sind, müssen von diesen nötigenfalls gerichtlich gegen den Bergwerksbesitzer eingeklagt werden. Ebenso kann letzterer etwaige Regreßansprüche auf dem Rechtswege geltend machen.

Dritter Abschnitt.

Strafbestimmungen. No». 92: Mot. S. 52 (1597/8(.

Durch den Art. VII der Nov. vom 24. Juni 1892 hat dieser Abschnitt eine neue Fassung und wesentliche Erweiterung erhalten. Die Vermehrung der auf das bergmännische Arbeitsverhältnis bezüg­ lichen Vorschriften machte es unerläßlich, Zuwiderhandlungen gegen einen Teil der neu hinzugekommenen gesetzlichen Verpflichtungen mit Strafe zu bedrohen. In dem ursprünglichen § 207, welcher „eine Geldbuße bis zu fünfzig Talern" androhte, konnten aber sämt­ liche neue, unter Strafe zu stellende Paragraphen nicht ein­ geschaltet werden, weil in der GO. mehrere der entsprechenden Handlungen oder Unterlassungen mit höheren und einzelne mit geringeren Strafen bedroht sind. Die das Arbeitsverhältnis be­ treffenden Strafbestimmungen sind deshalb in den §§ 207 a bis 207 e im Anschluß an die §§ 146 ff. GO. besonders festgestellt worden. Zugleich hat der Abschnitt nach dem Vorgänge der GO. (Titel X) die Überschrift „Strafbestimmungen" erhalten. Die seit­ herige Überschrift „Von den Übertretungen bergpolizeilicher Vorschriften" konnte nicht beibehalten werden, weil einzelne der mit Strafe bedrohten Handlungen oder Unterlassungen „Vergehen" im Sinne des § 1 Abs. 2 StGB. sind. Auch ist gemäß § 1 Abs. 3 des letzteren der Ausdruck „Geldbuße" (207) durch „Geldstrafe" ersetzt und gemäß § 28 daselbst ausdrücklich hinzu­ gefügt worden, daß, wie schon seither, im Unvermögensfalle Haft ein tritt; Mot. 92 S. 52. Eine weitere Abänderung hat dieser Abschnitt durch die Novelle vom 14. Juli 1905 erfahren, indem die §§ 207 b und c abgeändert und die §§ 207 k und g eingeschaltet worden sind. Schließlich hat der § 207 durch die Novelle vom 28. Juli 1909 mit Rücksicht auf § 80 fg eine andere Fassung erhalten.

§ 207]

Dritter Abschnitt.

Bon den Strafvesttinmungen.

869

§ 207.

— Fassung des Art. V des Ges. v. 28. Juli 1909. — Übertretungen der Vorschriften in den §§ % (0, 66, 67,

69, 7(, 72, 73, 7% 77, 80fg Abs. 5 Satz 3, Abs. 7, Abs. 8 Satz 2, 93/ 163, 200, 201, 203, 20% 205 werden mit Geld­ strafe bis zu einhundertfünfzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bestraft. In den Lallen der §§ 67 und 69, sowie 73 und 7H tritt diese Strafe auch dann ein, wenn auf Grund der §§ 70 und 75 der Betrieb von der Bergbehörde eingestellt wird. Mot. S. 111 (217), KB. AH. S. 97 (1251). Nov. 92: Mot. S. 52 (1597/8). Nov. 09: KB. AH. S. 140/1.

1. § 207 stellt diejenigen Vorschriften des ABG. unter berg­ polizeiliche Strafe, bei welchen dies mit Rücksicht auf ihren Inhalt und Zweck notwendig erscheint. Zuwiderhandlungen werden gegen­ wärtig bis zu 150 M. geahndet, sind daher „Übertretungen" im Sinne des § 1 Abs. 3 StGB, und unterliegen den für letztere überhaupt maßgebenden Grundsätzen des Strafrechts. Hieraus folgt u. a. gemäß §§ 27, 28 und 29 StGB, auch für die berg­ gesetzlichen Übertretungen, daß der Mindestbetrag der Geldstrafe eine Mark ist, daß eine nicht beizutreibende Geldstrafe in Haft umzuwandeln und hierbei der Betrag von 1 bis zu 15 Mark einer eintägigen Freiheitsstrafe gleich zu achten, der Mindest­ betrag der an Stelle einer Geldstrafe tretenden Freiheitsstrafe aber ein Tag, ihr Höchstbetrag bei Haft sechs Wochen ist. Zu­ ständig für die Übertretungen sind die Schöffengerichte, § 27 GVG. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß §67 StGB, drei Monate; wegen deren Berechnung vgl. § 209a Anm. 2. Unter die im § 207 Abs. 1 unter Strafe gestellten Vor­ schriften ist durch die Novelle von 1892 der § 77 aufgenommen, und zwar nach den Motiven (S. 52) deshalb, weil anderenfalls Verstöße der verantwortlichen Betriebsbeamten gegen den Inhalt des durch die Novelle erweiterten § 77 nur durch Aberkennung der Befähigung geahndet werden könnten. Dagegen ist auf Grund der Novelle der § 80 aus der Reihe der früher im § 207 aufgezählten Vorschriften ausgeschieden, weil an die Stelle desselben (Abs. 2) die anderweitigen Bestimmungen über die Arbeitsordnungen getreten sind. Ebenso ist der § 85 im § 207 weggelassen und in Verbindung mit den §§ 85 b bis 85 g in den § 207 e Nr. 1 übernommen worden, weil es ange­ messen erschien, die Annahme eines großjährigen Bergmanns ohne Abkehrschein nicht höher zu bestrafen, als die Annahme eines Minderjährigen ohne Arbeitsbuch. Mot. 92 S. 52.

860

Neunter Titel.

Bon der Bergpolizei.

[§§ 206—207 b

2. Wer wegen Übertretung der im § 207 aufgeführten Vorschriften straffällig ist, hängt von der Beschaffenheit des Falles ab, Thielmann Sinnt. 5. So unterliegt z. B. der Strafe des § 207 wegen Übertretung der §§ 66, 67, 73, 74 jeder Betreiber eines Bergwerks ohne Rücksicht auf seinen Rechtstitel,' Besch, des Appell.-Ger. Arnsberg v. 27. April 1869, Z. Bd. 17 S. 464. Voraussetzung der Strafbarkeit ist ein vorsätzliches oder fahr­ lässiges Verschulden- Urt. des KG. v. 18. Nov. 1907, Z. Bd. 49 S. 330. 3. Da die Betriebseinstellung, von welcher im § 207 Abs. 2 die Rede ist, als Exekutivmaßregel der Bergbehörde den Zweck hat, einem bergpolizeiwidrigen Zustande ein Ende zu machen und weitere Verletzungen des Gesetzes zu verhindern, so ist die Be­ strafung bereits begangener Übertretungen der §§ 67, 69, 73 u. 74 hiervon völlig unabhängig. Dagegen werden durch diese Bestrafung exekutivische Strafbefehle der Bergbehörde und deren Vollstreckung ausgeschlossen- vgl. § 190 Anm. 5, Arndt Anm. 3, Schlüter-Hense Anm., Thielmann Anm.6 zu § 207. § 207 a.

— Art. VII des Ges. v. 24. Juni 1892. — Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Un­ vermögensfalle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten werden Bergwerksbesitzer bestraft, welche den §§ 84 Abs. 4 und 85 f Abs. 3 zuwiderhandeln. 1. § 207 a entspricht dem § 146 Abs. 1 Nr. 3 GO. 2. Die auf Grund des § 207 a verhängten Geldstrafen fließen gemäß § 92 ABG. in die Knappschaftskasse. Wegen des in den §§ 84 und 85 k gebrauchten Ausdrucks „Merkmal" vgl. die Entsch. des RG. in Straff, in § 85 k Anm. 4. 3. Zuständig für die Entscheidung ist die Strafkammer, da es sich um ein Vergehen handelt. Eine Überweisung an das Schöffengericht ist nicht zulässig, da § 207 a nicht wie § 116 GO. den hierfür maßgebenden § 75 GVG. für anwendbar erklärt, Thielmann Anm. 2 zu § 207 a. 4. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, §67 Abs.2 StGB.

§ 207 b. — Fassung des Art. V des Ges. v. 28. Juli 1909. — Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Unver­ mögensfalle mit Ijslft wird bestraft, wer ein Bergwerk betreibt und es unterläßt, den ihm nach den §§ 76 Abf. 3, 80 a, 80f, 80 fa, 80 fb, 80 fd, 80 fe, 80 fg, 80 fl, 80 fn Abs. I und 2, § 80so Abs. 4, §§ 80fp, 80fr, 80fs und 80h obliegenden Verpflichtungen nachzukommen. Nov. 09: Mot. S. 32, KB. AH. S. 140/1.

§5 207 c—207 d]

Dritter Abschnitt.

Strafbestimmungen.

861

1. § 207 b entspricht dem § 147 Abs. 1 Nr. 5 GO. 2. Zuständig ist das Schöffengericht, § 27 GVG. 3. Die Verjährungfrist beträgt gemäß § 209 a drei Monate, vgl. Näheres dort.

§ 207 c. - Fassung des Art. V des Ges. v. 18. Juli 1905. —

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft; s. wer der Bestimmung des § 80 e Abs. 2 zuwider gegen Arbeiter Strafen verhängt, welche in der Arbeitsordnung nicht vorgesehen sind oder den gesetzlich zulässigen Betrag übersteigen, oder wer Strafgelder oder die im § 80 b Ziffer 6 bezeichneten Beträge in einer dem Gesetze oder der Arbeitsordnung widersprechenden Weise verwendet; 2. wer es unterläßt, den durch die §§ 80 c Abs. 2, 80 g Abs. 1, 80 i und 80 k für ihn begründeten Verpflich­ tungen nachzukommen. Nov. 92: StenB. AH. S. 1725. Nob. 05: Mot. S. 25/6, KB. AH. S. 85 ff. J

1. § 207 e entspricht deni § 148 Abs. 1 Nr. 11 und 12 GO. 2. Das in Ziff. 1 hinter dem Wort „Strafgelder" folgende Wort „Lohnabzüge" ist durch die Novelle vom 14. Juli 1905 mit Rücksicht auf das durch sie eingeführte Verbot des „Nullens" (vgl. §§ 80 b Nr. 3, 80 c Abs. 2, 80 d Abs. 3) gestrichen worden. 3. In Ziff. 1 muß es nunmehr statt § 8Ög Abs. 1 heißen: § 80g Abs. 2, Schlüter-Hense Sinnt. 2 zu 8 207c. 4. Zuständig ist das Schöffengericht, § 27 GVG. 5. Die Verjährungsfrist beträgt drei Monate, § 67 Abs. 3 StGB. § 207 d. — Art. VII des Ges. v. 24 Juni 1892. —

Mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark und im Unvermögens­ falle mit Ijcift bis zu acht Tagen wird bestraft, wer es unter­ läßt, der durch § 80 g Abs. 2 für ihn begründeten Verpflichtung nachzukommen. 1. § 207 d entspricht dem § 149 Abs. 1 Nr. 7 GO. 2. Statt 80 g Abs. 2 muß es heißen: § 80 g Abs. 3, Schlüter-Hense Anm. 2 zu § 207c. 3. Zuständig ist das Schöffengericht, § 27 GVG. 4. Die Verjährungsfrist beträgt drei Monate, § 67 Abs. 3 StGB.

862

Neunter Titel.

Bon der Bergpolizet.

[§§ 207 e—207 g-

§ 207 e. — Art. VII des Ges. v. 24. Juni 1892. —

Mit Geldstrafe bis ;u zwanzig Mark und im Unvermögens­ falle mit l?aft bis zu drei Tagen für jeden jall der Verletzung des Gesetzes wird bestraft: j. wer den Bestimmungen der §§ 85 und 85 b bis 85 g zuwider einen Arbeiter in Beschäftigung nimmt oder behält; 2. wer außer dem im § 207 a vorgesehenen Falle den Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeits­ bücher zuwiderhandelt; 3. wer vorsätzlich ein auf seinen Namen ausgestelltes Arbeitsbuch unbrauchbar macht oder vernichtet; H. wer den Bestimmungen des § 87 Abf. J oder einer auf Grund des § 87 Abf. 3 erlassenen statutarischen Be­ stimmung zuwiderhandelt; 5. wer es unterläßt, den durch § 80 e Abf. 3 für ihn begründeten Verpflichtungen nachzukommen. 1. § 207 e entspricht dem § 150 Abs. 1 GO. 2. Die wegen Zuwiderhandlung gegen den § 85 verhängte Geldstrafe flieht gemäß § 92 ABG. in die Knappschaftskaffe, vgl. auch § 207 a Anm. 2. 3. Zuständig ist das Schöffengericht, § 27 GVG. 4. Die Verjährungsfrist beträgt drei Monate, § 67 Abs. 3 StGB. § 207 k. — Art. V Ziff. 3 des Ges. v. 14. Juli 1905. — Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unver­ mögensfalle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten wird bestraft, wer den Vorschriften der §§ 93 b, 93 c, 93 d zuwiderhandelt.

Begr. 05 S. 26, HB. AH. 05 S. 86/7. 1. § 207 f ist dem § 146 GO. nachgebildet. 2. Zuständig ist die Strafkammer. 3. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, § 67 Abs. 2 StGB.

§ 207 g. — Art. V Ziff. 3 des Ges. v. 14. Juli 1905. —

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark, im Unver­ mögensfalle mit ^ast, wird bestraft, wer es unterläßt, der durch 8 93e für ihn begründeten Verpflichtung nachzukommen.

$§ 207 f—208]

Dritter Abschnitt.

Strafbestimmungen.

863

1. Zuständig ist das Schöffengericht. 2. Die Verjährungsfrist beträgt drei Monate, § 67 Abs. 3 StGB.

§ 208. — Fassung des Art. VII des Ges. v. 24. Juni 1892. —

Zuwiderhandlungen gegen die von den Bergbehörden bereits erlassenen, sowie die von den Mberbergämtern auf Grund des § 197 noch zu erlassenden Bergpolizeiverordnungen werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Unvermögensfalle mit 1?aft bestraft. Dieselbe Strafe findet bei Zuwiderhandlungen gegen die auf Grund der §§ sys und 199 getroffenen polizeilichen Anord­ nungen Anwendung. Mot. S. 112 (217). Nov. 92: Mot. S. 53 (1598).

Vorbemerkung. Das sog. Kompetenzgesetz vom 10. Juni 1861 § 8 (GS. S. 425) legte den Oberbergämtern die Befugnis bei, gegen die Nichtbefolgung der von ihnen zu erlaffenden bergpolizeilichen Vorschriften Geldstrafen bis 10 Taler anzudrohen. Dieses höchste Strafmaß stimmte mit demjenigen im § 11 des Gesetzes über die Polizeiverwaliung vom 11. März 1850 überein. Da jedoch mit Rück­ sicht auf die große Gefährlichkeit des Bergbaues die pünktliche Be­ folgung der bergpolizeilichen Vorschriften durch Androhung hoher Strafen gesichert werden mußte, so machte sich das Bedürfnis nach einem Höheren Strafmaß als dem vorbezeichneten geltend, zumal die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der allgemeinen Strafgesetze nur in seltenen Fällen vorzuliegen oder nachweisbar zu sem pflegen. Andererseits fand es aber Bedenken, die Zu­ ständigkeit der Oberbergämter in bezug auf den Höchstbetrag der anzudrohenden Geldstrafen erheblich weiter auszudehnen, als die­ jenige der Landespolizeibehörden. Um dieses Bedenken, welches übrigens noch jetzt geltend zu machen sein würde (vgl. Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 §§ 136 ff.) zu beseitigen und doch dem unbiftrtttenen Bedürfnisse zu entsprechen, hat das ABG. den bereits von dem franz. Berggesetz Art. 96 einge­ schlagenen zweckmäßigen Weg ebenfalls betreten und im § 208 all­ gemein gegen die Zuwider! andlungen gegen bergpolizeiliche Vor­ schriften eine gesetzliche Strafe angedroht. Von der obigen Befugnis der Oberbergämter, in den Bergpolizeiordnungen besondere Geld­ strafen anzudrohen, konnte bemnach gänzlich abgesehen werden) dieselbe besteht nicht mehr. Mot. S. 111, 112. Selbst einer bloßen Hinweilung dieser Verordnungen auf die Strafvorschrift des Gesetzes würde es, um die Strafbarkeit der Übertretungen zu sichern, nicht bedürfen,- die>elbe ist jedoch zweckmäßig und üblich) Oppenhoff Nr. 1096 bis.

864

Neunter Titel.

Bon der Bergpolizei.

l§208

Zugunsten der Gleichmäßigkeit der gesetzlichen' Strafe ist § 208 auch auf die „bereits erlassenen" Bergpolizeiverordnungen ausgedehnt, mochten die Zuwiderhandlungen gegen die letzteren bis dahin mit geringerer oder höherer Strafe bedroht sein. Mot. S. 112. 1. Nach dem ursprünglichen § 208 unterlagen Zuwider­ handlungen gegen Bergpolizeiverordnungen und bergpolizeiliche Anordnungen als „Übertretungen" der für diese zulässigen Strafe bis zunl Höchstbetrage von 150 Mark oder entsprechender Haft. Durch die Novelle von 1892 ist eine Erhöhung dieses Strafmaßes bis auf 300 Mark eingetreten, weil auch in der GO. (§ 147 Abs. 1 Nr. 4) Zuwiderhandlungen gegen die auf Grund des § 120 d endgültig erlassenen Verfügungen und die auf Grund des § 120 e erlassenen Vorschriften mit einer solchen Strafe bedroht sind und kein Grund vorliegt, den Bergbau in dieser Beziehung nach anderen strafrechtlichen Grundsätzen zu behandeln, als den allge­ meinen Gewerbebetrieb. Mot. 92 S. 53. Die Androhung von Strafen gemäß § 208 kann nur in auf Grund des § 197 von den Oberbergämtern erlassenen Berpolizeiverordnungen, nicht aber auch in auf Grund derselben von einer Werksverwaltung erlaffenen (Schlagwetter-)Reglements erfolgen auch die Bestätigung des Reglements durch das OBA. vermag einer solchen Strafbestimmung Rechtsgültigkeit nicht zu verleihen Urt. d. KG. v. 10. Mai 1894,' Z. Bd. 38 S. 111.

2. Die Ausdehnung der Strafandrohung des Gesetzes auch auf die in den §§ 198 und 199 bezeichneten bergpolizeilichen An­ ordnungen (§ 208 Abs. 2) entspricht dem Charakter der letzteren als Spezialverordnungen- § J98 Anm. 2 u. 6. 3. Zuständig ist das Schöffengericht, § 27 GBG. Die Ver­ jährungsfrist betrügt gemäß § 209 a drei Monate, vgl. Näheres dort. 4. Die Bestrafung auf Grund des § 208 schließt den Erlaß und die Vollstreckung exekutivischer Strafbefehle der Bergbehörde als gleichzeitig unzulässig aus- § 190 Anm. 5, § 207 Anm. 3. Dagegen hindert sie nicht ein Eingreifen des Revierbeamten zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes auf Grund des §202, Arndt Anm. 2, Thielmann Anm. 3 zu 8208, SchlüterHense S. 496. 5. Die Übertretung der in § 208 in bezug genommenen Bergpolizeiverordnungen oder bergpolizeilichen Anordnungen gilt nicht mehr als „vorsätzliches Vorgehen" im Sinne der §§ 557 Abs. 2, 1254 Abs. 2 RVO., § 24 Abs. 2 AVG. und bildet daher keinen Grund zur Ablehnung solcher Ansprüche- (anders für das frühere Recht (§§ 8 Abs. 2 GUVG., § 177 JVG.) Rek.-Entsch. des RVA. v. 28. Juni 1902, Z. Bd. 44 S. 146. 6. Unabhängig von der nach § 208 verwirkten Strafe begründet die Übertretung bergpolizeilicher Vorschriften, wenn hier­ durch Schaden zugefügt wird, die zivilrechtliche Verbindlichkeit zum Schadensersätze.

§§ 208. 209]

Dritter Abschnitt.

865

Strafbestimmungen.

Nach diesem Grundsätze ist u. a. in dem Urt. d. OTr. v.

14. Juni 1878, Z. Bd. 19 S. 510, entschieden, daß, wenn eine Gewerkschaft einen auf bestehenden Bergpolizeiverordnungen be­ ruhenden Grenzsicherheitspfeiler widerrechtlich abgebaut und sich einer Grenzüberschreitung schuldig gemacht hat, dieselbe für den hierdurch einem benachbarten Bergwerke zugefügten Schaden auch zivilrechtlich ersatzpflichtig ist. Das Urteil entscheidet zugleich, worauf die Ersatzpflicht sich erstreckt. Einen ähnlichen Fall zivil­ rechtlicher Entschädigungsverbindlichkeit wegen Grenzüberschreitung behandeln die von Schede besprochenen Entscheidungen, Z. Bd. 5 S. 241. § 209.

— Fassung

des Art. VII des Ges. v. 24. Juni 1892. —

Über die Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Vor­

schriften (§ 207, §§ 207 a bis 207 e, § 208) sind von den Revierbeamten Protofolk aufzunehmen. Diese Protokolle werden der Staatsanwaltschaft zur Ver­ folgung übergeben. Die Entscheidung steht den ordentlichen Gerichten zu. Die­ selben haben hierbei nicht die Notwendigkeit oder Zweckmäßig­ keit, sondern nur die gesetzliche Gültigkeit der von den Berg­ behörden erlassenen polizeilichen Vorschriften zu prüfen. Mot. S. 111/2 (217/8), KB. HH. S. 64 (251), KB. AH. S. 97 (1251).

1. § 209 regelt das Verfahren, in welchem Zuwiderhand­ lungen gegen bergpolizeiliche Vorschriften zur Bestrafung zu bringen sind. Hinsichtlich aller sonstigen Übertretungen, Vergehen und Verbrechen richtet sich das Verfahren auch in bezug auf den Bergbau lediglich nach den allgemeinen Gesetzen. Wie im § 208, so hat auch im § 209 die Bezeichnung „Übertretungen", weil infolge der Erhöhung des Strafmaßes nicht mehr zutreffend (§ 1 Abs. 3 des Strafgesetzbuches) durch „Zuwider­ handlungen" ersetzt werden müssen. Der Ansicht von Arndt, 2. Ausl. S. 109, daß der Abs. 1 des § 209 im Gesetze „entbehrlich" sei, kann nicht beigepflichtet werden. Durch diese Bestimmung mußte die Zuständigkeit und das Verfahren der Bergbehörde bei Zuwiderhandlungen gegen die berggesetzlichen und bergpolizeilichen Vorschriften neu bzw. ein­ heitlich geregelt werden, vgl. Mot., Z. Bd. 6 S. 204 ff., auch Art. 93 des franz. Berggesetzes v. 21. April 1810. Das jetzige berggesetzliche Verfahren, nach welchem die Berg­ behörden zum Erlaß polizeilicher Strafverfügungen nicht zuständig, sondern Aufsichtsrecht und Strafgewalt in der Weise voneinander getrennt sind, daß ersteres von den Bergbehörden, letztere von den Gerichten ausgeübt wird, bestand vor Erlaß des ABG. nur im Geltungsbereiche des rheinischen Rechts. In den übrigen Landesteilen 55

866

Neunter Titel.

Bon der Bergpolizet.

[§ 209

waren die Revierbeamten auf Grund des Gesetzes, betr. die vor­ läufige Straffestsetzung wegen Übertretungen, v. 14. Mai 1852 (GS. S. 245), des Reglements v. 30. Sept. 1852 und des Erl. v. 8. Aug. 1857 (Min.-Bl. f. d. innere Verw. 1852 S. 259, 1857 S. 148) befugt, unbeschadet des Rechtsweges, polizeiliche Straf­ verfügungen wegen Übertretungen bergpolizeilicher Vorschriften zu erlassen. Diese mit der Überleitung zur Selbstverwaltung zu­ sammenhängende Zuständigkeit unterlag jedoch von vornherein wesentlichen Beschränkungen und erwies sich auch aus mehrfachen anderen Gründen in der Praxis nicht als zweckmäßig. Durch das ABG. wurde deshalb diese Einrichtung beseitigt und dem bewährten Verfahren des rheinischen Rechts der Vorzug gegeben. Mot. S. 112, 113; KB. d. AH. S. 97; Huyssen S. 117. Das hiernächst auf Grund des § 6 Nr. 3 des Eins. Ges. zur Strafprozeßordnung v. 1. Febr. 1877 erlassene Gesetz, betr. den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen vom 23. April 1883 (GS. S. 65) hat die Rechtslage nur insoweit geändert, als nunmehr auch die Orts- und Landespolizeibehörden im Bereiche des rheinischen Rechts die Befugnis besitzen, wegen Übertretungen „die Strafe durch Verfügungen festzusetzen, sowie eine etwa verwirkte Einziehung zu verhängen". Dagegen ist die auf § 209 beruhende Zuständigkeit der Bergbehörden und der Gerichte von jenem neueren Gesetze unberührt geblieben, indem dasselbe im § 2 bestimmt: „Die Festsetzung einer Strafe durch die Polizei­ behörde-findet nicht statt 3. bei Übertretungen berg­ polizeilicher Vorschriften." Z. Bd. 24 S. 275, 278. Wenn demzufolge die Bergrevierbeamten bezüglich der polizei­ lichen Strafgewalt nicht die Stellung der Organe der allgemeinen Polizeiverwaltung einnehmen, so ist diese Verschiedenheit als eine wohlbegründete anzusehen, deren Berechtigung vor allem darauf beruht, daß die Ausübung der Bergpolizei nur einen Teil der ausgedehnten Wirksumkelt des Revierbeamten bildet, und daß letz­ tere sich nach den verschiedenen Seiten hin freier und erfolgreicher zu entwickeln vermag, wenn nicht gleichzeitig auch die Strafgewalt in seiner Hand liegt, vielmehr auf seinen Antrag von dem außer­ halb stehenden ordentlichen Richter ausgeübt wird; auch bei den Revierbeamten handelt es sich in mancher Beziehung wesentlich um eine Vertrauensstellung, ähnlich derjenigen, welche den mit der Beaufsichtigung der Fabriken betrauten Gewerberäten angewiesen ist, s. dagegen Thielmann Anm. 1 zu § 209. 2. Die Vorschrift im § 209 Abs. 1 u. 2 ist lediglich als "Rechtsnorm über das Verfahren nicht als materielle Rechtsnorm anzusehen. Daß Übertretungen bergpolizeilicher Vorschriften nur auf dem hier vorgesehenen Wege verfolgt werden könnten, ergibt sich aus § 209 nicht; vielmehr ist die Staatsanwaltschaft befugt, auch auf die in der Strafprozeßordnung §§ 150 ff. vorgesehene gewöhnliche Veranlassung hin einzuschreiten; Urt. des KG. v. 15. Nov. 1883, Z. Bd. 27 S. 234, Johow Bd. 4 S. 309.

§ 209]

Dritter Abschnitt.

Strafbestimmungen.

867

3. In Fällen, in welchen die Bergbehörde sich zur Über­ wachung ihrer polizeilichen Anordnungen der Beihilfe von Organen der Orts- oder Landespolizeibehörden bedient hat, wird der Vor­ schrift im § 209 Abs. 1 genügt, wenn der Revierbeamte die von dem Hilfsbeamten wahrgenommene Übertretung zum Protokolle vermerkt hat. Rek.-Besch. v. 20. Aug. 1872, Z. Bd. 13 S. 565. 4. Aus dem Protokolle, welches der Revierbeamte über die Übertretungen in der allgemein vorgeschriebenen Form aufzu­ nehmen hat, müssen sich nach den Dienstanweisungen ergeben: die Person der Beschuldigten, die den Gegenstand der Beschuldigung bildenden Tatsachen, die etwaigen Beweismittel und die über­ tretenen Vorschriften. Die von Klostermann Anm. 461, s. jedoch jetzt Thielmann Anm. 3 zu § 209, angezogenen §§ 167 u. 186 der Strafprozeßordnung sind für das Protokoll des Remerbeamten und dessen Inhalt nicht maßgebend. 5. Das Amt der Staatsanwaltschaft wird bei den Über­ tretungen bergpolizeilicher Vorschriften von dem Amtsanwalt aus­ geübt,' ihm sind die Protokolle von dem Revierbeamten zur Verfol­ gung zu übergeben. § 143 GVG., Amtsanwaltsordnung v. 28. Aug. 1879, Just. M.-Bl. S. 260. Die Entscheidung über die Übertretungen bergpolizeilicher Vorschriften gehört in allen Fällen zur Zuständigkeit der Schöffen­ gerichte, 8 27 Nr. 1 GVG., ausgenommen sind die Fälle der 88 207 a und f, da diese Vergehen sind, für welche die Straf­ kammern zuständig sind/ eine Überweisung an die Schöffengerichte ist nicht statthaft, vgl. Anm. 3 zu 8 207 a. 6. Das gerichtliche Verfahren richtet sich nach den Vor­ schriften der Strafprozeßordnung. Demgemäß kann auch bei Über­ tretungen bergpolizeilicher Vorschriften auf Grund der 88 447 ff. daselbst „durch schriftlichen Strafbefehl des Amtsrichters ohne vorgängige Verhandlung eine Strafe festgesetzt werden, wenn die Staatsanwaltschaft schriftlich hierauf anträgt." 7. Zufolge Erlasses des Justizministers vom 15. Mai 1873, Z. Bd. 14 S. 326, haben die Anitsanwälte „in den bei ihnen zur Anzeige gelangenden bergpolizeilichen Übertretungssachen dem Revierbeamten unter Angabe der Gründe unverzüglich Mitteilung zu machen: 1. wenn sie die Erhebung der Anklage ablehnen,' 2. wenn infolge ihres Einschreitens vom Gerichte die Anklage zurückgewiesen oder eine freisprechende Entscheidung gefällt wird. Demselben Beamten ist von dem Inhalte des rechtskräftig ge­ wordenen Strafbefehls oder Strafurteils Kenntnis zu geben." 8. Der Schlußsatz des 8 209 wiederholt inhaltlich die Vorschrift im 8 17 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (GS. S. 265), welche bereits durch 8 U des Gesetzes vom 10. Juni 1861 auf die von den Oberbergämtern erlassenen bergpolizeilichen Vorschriften ausgedehnt war. Mot. S. 113, KB. d. HH. S. 64, vgl. auch Urt. des KG. vom 18. Nov. 1907, Z. Bd. 49 S. 330.

868

Neunter Titel.

Bon der Bergpolizet.

[§ 209. 209 a

Da hiernach die „Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit" der von den Bergbehörden erlassenen polizeilichen Vorschriften der Prüfung des Richters entzogen ist, so hat letzterer auch nicht darüber zu befinden, ob die Gefahr bzw. die dringende Gefahr, zu deren Beseitigung eine der richterlichen Entscheidung zugrunde zu legende bergpolizeiliche Anordnung (§§ 198,199) getroffen worden ist, wirklich bestanden hat. Oppenhoff Nr. 1102 neigt zu der entgegengesetzten Ansicht. Dagegen unterliegt die „gesetzliche Gültigkeit" der bergpolizeilichen Vorschriften der unbeschränkten Prüfung des Richters. Er hat demnach zu prüfen, ob die in Frage kommende Vorschrift von der zuständigen Behörde und in der gesetzlichen Form erlassen ist, ob dieselbe einen im § 196 ABG. bezeichneten Gegenstand betrifft, und ob die Bekanntmachung gesetz­ mäßig stattgefunden hat (§§ 197 bis 200). Erkennt der Richter die gesetzliche Gültigkeit nicht an, so hat dies für ihn nur die Bedeutung, daß er dem Strafantrag keine Folge geben kann. § 209 a.

- Art. VII des Ges. v. 24. Juni 1892. — Die Strafverfolgung der in den §§ 207 b und 208 mit Strafe bedrohten Handlungen verjährt innerhalb drei Monaten, von dem Tage an gerechnet, an welchem fie begangen sind. Nov. 92: Mot. S. 53 (1598).

1. Der § 209 a führt eine kürzere Verjährungsfrist von drei Monaten ein. Die im § 207 b mit Geldstrafe bis zu 300 Mark bedrohten Handlungen und Unterlassungen und die im § 208 mit der gleichen Strafe bedrohten Zuwiderhandlungen gegen Bergpolizeiverordnungen und bergpolizeiliche Anordnungen sind „Vergehen" im Sinne des § 1 Abs. 2 des Strafgesetzbuches und würden demgemäß nach § 67 Abs. 2 daselbst erst in fünf Jahren verjähren. Die entsprechenden Vergehen gegen die GO. (§ 147 Abs. 1 Nr. 4 u. 5) verjähren aber zufolge § 145 Abs. 2 GO. schon binnen drei Monaten. Zur Herbeiführung der wünschens­ werten Gleichmäßigkeit dieser Verhältnisse ist deshalb die Vorschrift des § 209 a getroffen worden. Mot. 92 S. 53. Auf den § 207 a erstreckt sich die dreimonatliche Verjährungs­ frist des § 209a nicht- die Strafverfolgung der dort bezeichneten Vergehen verjährt daher gemäß § 67 Abs. 2 StGB, erst in fünf Jahren. 2. Nach § 67 Abs. 3 StGB, verjährt die Strafverfolgung von Übertretungen in drei Monaten. Die für die Anwendung dieser Bestimmung maßgebenden Grundsätze gelten auch für die dreimonatliche Verjährung des § 209 a. Demnach beginnt auch diese Verjährung mit dem Tage, an welchem die Handlung be­ gangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges (§ 67 Abs. a. a. O.), und zwar wird dieser ganze Tag in

§ 209a]

Dritter Abschnitt.

Strafbestimmungen.

869

die Frist eingerechnet, Urt. des LG. Essen v. 11. Okt. 1904, Z. 93b. 46 S. 117. Besteht die Zuwiderhandlung in einer Unterlassung (Omissivdelikt), so beginnt die Verjährung erst mit dem Ende der strafbaren Unterlassung, daher regelmäßig erst mit der endlichen Vornahme der Handlung oder mit dem Aufhören der Verpflichtung, bzw. mit dem Ablaufe der Zeit, innerhalb welcher die Handlung noch vorgenommen werden konnte und sollte, vgl. auch Urt. des KG. v. 21. April 1910, 23. Febr. 1911, 4. Nov. 1912, Z. Bd. 52 S. 143, 430, Bd. 54 S. 150. Die Verjährung einer von einem Betriebsführer verübten Übertretung einer Bergpolizeiverordnung beginnt mit dem Zeitpunkte des Ausscheidens aus seiner Stellung, Urt. des KG. v. 3. Febr. 1896, Z. Bd. 39 S. 376.

Zehnter Titel.

Provlnzialrecbtlicbe Bestimmungen. Mot. S. 114 (218); KB. AH. S. 77/8 (1252). Literatur: Setzling, Die Rechtsverhältnisse an den der Beifügung deS Grundeigentümers nicht entzogenen Materialien, Leipzig 1904.

Unbeschadet bereits erworbener Privatrechte hob das ABG. das gesamte Partikularbergrecht auf und nahm hiervon nur die beschränkte Zahl provinzialrechtlicher Bestimmungen aus, welche den Gegenstand des zehnten Titels bilden und den Grundeigen­ tümerbergbau in einigen rechtsrheinischen Landesteilen sowie gewisse Steinbruchsbetriebe auf der linken Rheinseite betreffen. Nach den Motiven lag es außerhalb des Zweckes des ABG. die bis dahin partikularrechtlich von dem Bergregal ausgenommenen Mineralien allgemein den bergrechtlichen Regeln zu unterwerfen, zumal hier­ durch die bestehenden Besitz- und Rechtsverhältniffe wesentlich um­ gestaltet und insbesondere die Rechte des Grundeigentümers ein­ geschränkt worden wären. Bei Einführung des ABG. in den neu erworbenen Landes teilen sind einzelne von dem ABG. abweichende Bestimmungen des dort vorgefundenen Bergrechts aufrecht erhalten worden, so daß der Kreis der partikularbergrechtlichen Ausnahmen sich wieder etwas erweitert hat. Vgl. Einf.-Verordnungen und § 1 Anm. 2.

870

Zehnter Titel.

210

§210. In denjenigen Landesteilen, in welchen das unter dem 19- April (8HH publizierte provinzialrecht für Westpreußen Anwendung findet, sind nur Steinsalz und Solquellen den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes unterworfen. Auf den Braunkohlenbergbau in diesen Landesteilen sollen jedoch der dritte Abschnitt des dritten Titels (von den Berg­ leuten), der siebente Titel (von den Anappschaftsvereinen) und der neunte Titel (von der Bergpolizei) Anwendung finden. Mot. S. 114 (218), KB. AH. S. 97/8 (1252).

1. § 210 findet gegenwärtig Anwendung: A) im Geltungsbereiche des Provinzialrechts für Westpreußen, umfassend: a) nach dem Publikationspatent vom 19. April 1844 (GS. S. 103) diejenigen — damals — „zur Provinz Preußen gehörenden Landesteile, welche im Jahre 1806 zu Westpreußen gerechnet wurden, mit Einschluß des Thorner Kreises in seiner gegenwärtigen Begrenzung", jedoch mit Ausnahme der „zu dem früheren Marienwerderschen landrätlichen Kreise gehörigen Landes­ teile") b) nach dem Gesetze betr. die Einführung des westpreußischen Provinzialrechts in die Stadt Danzig und deren Gebiete, vom 16. Februar 1857 (GS. S. 87) in dieser Stadt und deren Gebiet, wie solches im Jahre 1793 mit der Monarchie vereinigt worden B) nach dem Gesetze wegen Aufhebung des preußischen Landrechts vom Jahre 1721 usw., vom 4. Aug. 1865 Art. I (GS. S. 873) in folgenden zur Provinz Pommern gehörigen Landes­ teilen: den Kreisen Lauenburg und Bütow und den in den Kreisen Belgrad, Dramburg und Neustettin belegenen Ortschaften, welche früher zu Westpreußen gehört haben. Art. III Nr. II des Gesetzes bestimmt nämlich: „Die im § 2jo des Allgem. Berggesetzes vom 24. Juni 1865 für den Geltungsbereich des Provinzialrechts für Westpreußen getroffenen Bestim­ mungen sind auch für die im Art. I benannten Landesteile maßgebend."

2. Das Provinzialrecht für Westpreußen bestimmt im § 82: „Von den in den §§ 69 bis 71 einschl. Tit. 16 T. II des Allg. Landrechts benannten Fossilien sind nur Steinsalz und Salzquellen als Regal zu betrachten und vom gemeinen Verkehr ausgenom­ men.^ Diesen Rechtszustand bezweckt § 210 Abs. 1 aufrecht zu erhalten. Obwohl das ABG. sich hierbei an den Wortlaut dieser partikularrechtlichen Bestimmung halten mußte und letzere daher auf die mit dem Steinsalz „auf der nämlichen Lagerstätte vorkommenden Salze" nicht ausdrücklich ausgedehnt hat, so wird es doch keinem Bedenken unterliegen, eintretenden Falles die dem Steinsalze bei­ brechenden Salze mit als Gegenstand der Verleihung zu behandeln. Vgl. die Begründung des Rek.-Besch. v. 26. April 1872, Z. Bd. 13 @ 284; Huyssen S. 118, Oppenhoff Nr. 108, SchlüterHense Anm. 1, Thielmann Anm. 3 zu § 210, Wahle in Z.

§§ 210. 211]

Provtnztalrechtltche Bestimmungen.

871

Bd. 47, S. 413 ff. Der Vorbehalt des § 2 der Nov. v. 18. Juni 1907 gilt auch für das Gebiet des § 210. Thielmann a. a. O-, zum Teil abweichend Schlüter- Hense Anm. 2. 3. Der Braunkohlenbergbau in den unter 1 bezeichneten Landesteilen unterliegt nach wie vor dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers, die Vorschrift im § 210 Abs. 2 hat lediglich den Zweck, für den Fall einer namhaften Entwickelung dieses Berg­ baues die Arbeiterverhältnisse und die polizeiliche Beaufsichtigung von vorneherein im allgemeinen Interesse ebenso zu regeln, wie dies schon früher für den Kohlenbergbau in den sächs. Landes­ teilen geschah und im § 213 beibehalten wurde. Mot. S. 114 (218). Nachdem aber für die letzteren Landesteile der § 213 durch das Ges. v. 22. Febr. 1869 aufgehoben und der Kreis der auf den sächs. Kohlenbergbau anwendbaren Vorschriften des ABG. wesentlich erweitert worden ist, decken sich die für die einen und die anderen Landesteilen geltenden berggesetzlichen Vorschriften nicht mehr vollständig. Zur Handhabung der im § 210 aufgeführten Vorschriften sind ebenso wie in dem übrigen Bereiche des ABG. die Berg­ behörden berufen da in dieser Beziehung keine Ausnahme von der allgemein geregelten Zuständigkeit dieser Behörden gemacht ist. Noch andere als die im § 210 ausdrücklich bezeichneten Vor­ schriften des ABG., z. B. diejenigen über die Betriebsführung (88 66 ff.) ohne weiteres auch auf den Braunkohlenbergbau im Geltungsbereiche des § 210 anzuwenden, erscheint nicht zulässig. Dagegen hat es kein Bedenken, im Wege der Bergpolizeiverord­ nung auf Grund der §§ 210 u. 197 den Betrieb wesentlich in derselben Weise, wie dies für den übrigen Bergbau im Tit. III Abschn. 2 des ABG. geschehen ist, einer bergpolizeilichen Rege­ lung zu unterwerfen. In diesem Sinne sind die Bergpolizei­ verordnungen des OBA. Breslau v. 7. Nov. u. des OBA. Halle v. 6. Dez. 1867 für jenen Braunkohlenbergbau erlassen wordenZ. Bd. 9 S. 49, 50.

8 211. — Fassung des Art. I des Ges. v. 8. April 1894.—

Von ausgenommen (. in 2. in

den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes sind die Eisenerze Neuvorpommern und auf der Insel Rügen und den Hohenzollernschen Landen.

1. In den im § 211 genannten Landesteilen, zu denen vor der Novelle auch die Eisenerze im Herzogtum Schlesien und der Grafschaft Glatz (vgl. jetzt § 211 aff.) gehörten, fielen sämtliche Eisenerze ohne Rücksicht auf die Art ihres Vorkommens nicht unter das Bergregal. Um bedenkliche Störungen dieses Rechts­ zustandes zu vermeiden, hatte das ABG. denselben beibehalten und somit die im § 1 zugunsten der Raseneisenerze gemachte

872

Zehnter Xitel

(§21

Ausnahme hier verallgemeinert. In Neuvorpommern, auf bei Insel Rügen und in den Hohenzollernschen Landen, wo bas land­ rechtliche Bergrecht nicht galt, fehlten hinreichende gesetzliche Grunds lagen für die Regalität der Eisenerze, weshalb dieselbe dort seitens des Staates nicht in Anspruch genommen wurde. 2. Der in § 211 genannte Eisenerzbergbau steht nicht unter der Bergpolizei, sondern unter der polizeilichen Beaufsichtigung durch die Orts- bzw. Landespolizeibehörden.

Vorbemerkung zu den §§ 211a—c Mot. zum Ges. b. 8. April 1894, StenB. AH. S. 1146—1151, StenB. HH. S. 54—56.

In Anschluß an Kap. I 8 2 der schles. Bergordnung v. 5. Juni 1769(Brassert, Bergordnungen S. 945), welcher lautete: „Es verbleiben aber denen Dominiis alle Eisenerze, sie mögen Namen haben, wie sie wollen," nahm §211 in der ursprünglichen Fassung auch die Eisenerze int Herzogtum Schlesien, zu welchem auch der jetzige Kreis Schwiebus der Provinz Brandenburg, nicht aber die einen Teil der Provinz Schlesien bildende Oberlausitz gehört, sowie die Graf­ schaft Glatz von den Bestimmungen des ABG. aus, vgl. a. StenB. AH. 94 S. 1151. Es war also auf den Eisenerzbergbau in diesen Landesteilen vor allem die Vorschriften des 9. Titels des ABG. „Von der Bergpolizei" nicht anwendbar. Dies hatte sich als ein fühlbarer Mangel erwiesen, da einerseits die Gefahren sowohl für die Arbeiter, als auch bezüglich gemeinschädlicher Einwirkungen auf die Oberfläche bei diesem Bergbau in demselben Maße vorhanden waren, wie bei den dem ABG. unterstehenden Betrieben, anderer­ seits die bisher zuständigen Orts- bzw. Landespolizeibehörden nicht die genügenden technischen Kenntnisse besaßen, um die zur Verhütung dieser Gefahren erforderlichen Vorschriften und Maß­ nahmen zu treffen. Ebenso erschien der auf Grund des § 154a der Gewerbe­ ordnung bestehende Rechtszustand, nach welchem sehr wichtige Be­ stimmungen dieses Gesetzes auf die Berhältniffe der beim schlesischen Erzbergbau beschäftigen Arbeiter keine Anwendung fanden, be­ denklich. Diese Lücken veranlaßten die Regierung vornehmlich im Mai 1893 einen Gesetzentwurf betr. die Abänderung des § 211 ABG. einzubringen, nachdem bereits bei der Beratung der Bergarbeiter­ novelle vom 24. Juni 1892 im Abgeordnetenhause eine Resolution zur Annahme gelangt war, in welcher die Ausdehnung der Bestimmungen des Abschnitts „Von den Bergleuten und den Betriebsbeamten" u. a. auch auf den schlesischen Eisenerzbergbau zur Erwägung ge­ stellt wurde (KB. AH. S. 33, StenB. AH. S. 1552). Der Entwurf kam erst im nächsten Jahre zunächst im Herrenhause zur

H 211. 211a]

Provinzialrechtltche Bestimmungen

873

Beratung, las ihn auf den mündlichen Bericht seiner Handels­ und Gewerkekommission unverändert annahm. Das Abgeordneten­ haus überwies ihn in der erster» Lesung an die Kommission. Diese empfahl nach mündlich erstattetem Berichte Ablehnung sämt­ licher Abänderungsanträge — z. B. auf Ausdehnung der §§ 148 ff. ABG. auf len schlesischen Eisenerzbergbau — und das Abgeord­ netenhaus beschloß dementsprechend die unveränderte Annahme der Regierungsvorlage (vgl. die Zusammenstellung der Materialien in den Vorbemerkungen). „Das Gesetz betr. die Abänderung des § 211 des Allge­ meinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865. Vom 8. April 1894" (GS. S. 41—43) enthält in Art. I die dementsprechende neue Fassung des § 211. Art. II und III treffen Einführungsbestimmungen. Sie lauten: Artikel II. An die Stelle der im — jetzt fortgefallenen — § so f Abs. r Ziffer 3 nnd im soi des Allgemeinen Berggesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 24. Joni (892, sowie im Artikel VIII Absatz 2 des letzteren Gesetzes bestimmten Termine tritt für die durch dieses Gesetz der Aufstcht der Bergbehörden unterstellten Betriebe der (. Januar W99, der b April W94 und der i. Juli I895. Artikel III. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar (895 in Kraft § 211a.

- Art. I des Ges. v. 8. April 1894. —

Zn dem Herzogtum Schlesien und der Grafschaft Glatz unterliegen die Eisenerze wie bisher dein Verfügungsrechte des Grundeigentümers, und es werden die bestehenden Berechtigungen zur Gewinnung dieser Erze aufrecht erhalten. 1. Was unter Dominium im Sinne des obenerwähnten Kap. I 8 2 der schles. Bergordnung zu verstehen sei, war streitig. Nach der konstanten Praxis des OTr. ist aber hiermit nicht der Gutsbesitzer, die Gutsherrschaft, sondern der Eigentümer des Grund und Bodens, in welchem die Eisenerze vorkommen, bezeichnet, Urt. v. 14. Febr. 1834, Präj.-Samml. Bd. I S- 300 v. 9. Juni 1852, Entsch. Bd. 23 S 381, v. 8. Nov. 1855, Striethorst Bd. 28 S. 296, v. 17. Okt. 1859, das. Bd. 35 S. 166. 2. Das Verfügungsrecht des Grundeigentümers erstreckt sich auch auf die manganhalligen, zum Hochofenbetriebe dienenden Eisenerze,' sie sind nicht als Manganerze zu behandeln und da­ her nicht verleihbar, § 1 Anm. 5ck. 3. Dadurch, daß ein Grundstück zum Zwecke der Anlage einer Eisenbahn an die Eisenbahnverwaltung verkauft und zu der Anlage verwendet worden ist, hat das auf diesem Grundstück be­ stehende Eisenerzfürderungsrecht gesetzlich nicht aufgehört- Urt. des OTr. v. 18. Okt. 1867, Striethorst Bd. 68 S. 280.

874

Zehnter Titel.

[§ 211a

Entschädigungs ansprüche auf Grund einer Kollision des Ge­ winnungsrechtes mit dem Eisenbahnbetriebe sind nicht nach den §§ 153 ff. ABG., sondern nach den Grundsätzen der allgemeinen bürgerlichen Gesetzgebung zu beurteilen; Urt. des OTr. v. 11. Nov. 1872, Z. Bd. 15 S. 272. Urt. des RG. v. 24. Okt. 1896 u. 11 Dez. 1897, Z. Bd. 38 S. 225, B. 39 S. 213; vgl. auch Art. 89 Ziff. la AG. z. BGB. 4. Das Gewinnungsrecht gehört zu denjenigen Rechten, deren Übertragung seitens des Berechtigten auf einen Dritten auch ohne ausdrückliche Zustimmung des Grundeigentümers statthaft ist, es ist ein dingliches, absolutes Recht, das aber, um Wirksamkeit gegen Dritte zu erlangen, der Eintragung im Grundbuche bedarf, jedoch, da es weder eine unbewegliche Sache noch eine selbständige Gerechtigkeit ist, kein besonderes Grundbuchblatt erhalten kann, Berf. des Apell.-Ger. Ratibor v. 15. Febr. 1870, Z. Bd. 24 S. 352, Johow Bd. 1 S. 74, Urt. des RG. v. 20. Jan., 27. März 1886, Z. Bd. 35 S. 520, 521, 517 und insbes. v. 9. Dez. 1908, Z. Bd. 51 S. 307. Nach BGB. wird es alsdann als beschränkte persönliche Dienstbarkeit anzusehen sein, die aber unvererblich und unver­ äußerlich ist. Dies alles gilt noch nach jetzigem Recht, vgl. Art. 184 EG. z. BGB., Arndt Anm. 1, Schlüter-Hense Anm. 2, Thiel­ mann Anm. 5 zu § 211a, Sehli ng S. 152 ff., Güthe S. 1380 ferner die Mot. des Ges. v. 4. Aug. 1904, Z. Bd. 45 S. 16. Eine besondere Bestimmung über die Aufhebung dieses Gewinnungsrechtes enthält Art. 39 AG. z. BGB., welcher lautet: „Ist in dem Herzogtums Schlesien und der Grafschaft Glatz in An< sehung einer im Grundbuch eingetragenen Berechtigung zur Gewinnung von Eisenerzen der Berechtigte unbekannt, so kann er im Wege des Aufgebotsverfahrens mit seinem Rechte ausgeschlossen werden, wenn die im § H7O BGB. für die Ausschließung eines Hypothekengläubigers bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Mit der Erlassung des Ausschluß­ urteils erlischt das Recht."

§ 1170 Abs. 1 BGB. besagt: „Ist der Gläubiger unbekannt, so kann er im Wege des Aufgebots­ verfahrens mit seinem Recht ausgeschlossen werden, wenn seit der letzten sich auf die Hypothek beziehenden Eintragung in das Grundbuch zehn Jahre verstrichen sind und das Recht des Gläubigers nicht innerhalb dieser Frist von dem Eigentümer in einer nach § 208 zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten Weise anerkannt worden ist. Besteht für die Forderung eine nach dem Aalender bestimmte Zahlungszeit, so be­ ginnt die Frist nicht vor dem Ablauf des Zahlungstages.

Die Aufnahme des Art. 39 beruht auf dem Beschlusse der Kommission des AH., der, wie folgt, begründet wurde: „Das BGB. erklärt in einer Anzahl von Fällen das Auf­ gebot dinglich Berechtigter für zulässig so in den §§ 927, 1017, 1170, 1171, 887, 1104, 1112. In der Praxis hat sich ein dringen­ des Bedürfnis bezüglich der Eisenerzgewinnungsrechte heraus-

§§ 211a. 211b]

Provinzialrechtliche Bestimmungen.

875

gestellt, in solchen Fällen das Aufgebot für zulässig zu erklären. Solche Rechte finden sich vielfach im Grundbuche eingetragen. Die berechtigten Personen üben oftmals das Recht tatsächlich nicht aus, sterben oder ihr Aufenthalt wird unbekannt. Bei Parzellierung der Grundstücke werden diese Rechte übertragen. Bei Verkäufen ist für den Besitzer die Eintragung solcher Rechte unbekannter Personen eine große Beschwerde, weil nur mit Be­ willigung des Berechtigten oder dessen Erben das Recht gelöscht werden kann und bis dahin der Käufer die Zahlung des Kauf­ geldes verweigert, in seinem Interesse auch verweigern muß."

§ 211 b. — Art. I des Ges. v. 8. April 1894. -

Auf den Eisenerzbergbau in den im § 2,, a bezeichneten Landesteilen — mit Ausnahme der Gewinnung von Rasen­ eisenerzen — kommen die nachfolgenden Vorschriften zur An­ wendung : ,. aus Titel III, erster Abschnitt, „Von dem Bergwerkseigentume im allgemeinen", die §§ 38 und 59, 2. aus Titel III, zweiter Abschnitt, „Von dem Betriebe und der Verwaltung" die §§ 66 bis 79, 3. Titel III, dritter Abschnitt, „Von den Bergleuten und den Betriebsbeamten", §§ 80 bis 93 unter Ausscheidung der auf die Anappschaftsvereine Bezug habenden Bestim­ mungen in den §§ 80 d Abs. 2, 80 f Abs.-2 Ziffer 2, 89 Abs. 2 und unter der Maßgabe, daß die im § 92 bezeichneten Geldstrafen derjenigen Hilfskasse zufallen, welcher der Arbeiter angehört, in Ermangelung einer solchen einer anderen zum Besten der Arbeiter an dem Drte bestehenden, von der Gemeindebehörde zu bestim­ menden Aasse und in deren Ermangelung der Vrts atmensaffe, 4- Titel VIII, „Von den Bergbehörden", §§ ,87 bis ,95, 5. Titel IX, „Von der Bergpolizei", §§ ,96 bis 209 u. 1. „Eisenerzbergbau" im Sinne dieser Bestimmung bilden sowohl die zur Gewinnung von Eisenerzen unter Tage, als auch diejenigen zu diesem Zwecke betriebenen Tagebaue, welche mit den unterirdischen Betrieben derart in Zusammenhang stehen und ineinandergreifen, daß beide zusammen tatsächlich einen einheitlichen Betrieb bilden, § 1 der BPV. des OBA. Breslau v. 12. Jan. 1895, Z. Bd. 36 S. 274; vgl. auch Thielmann Anm. 1 zu 8 211b. 2. Die Anwendbarkeit der §§ 58, 59 ist eine Folge der

876

Zehnter Titel.

[§§ 211 b. 211 c

Ausdehnung der Vorschriften über die Bergpolizei auf diesem Bergbau „da es nicht angängig erscheint, die dort bezeichneten Aufbereitungsanstalten, Dampfkessel und Triebwerke der Eisenerz­ gruben von den den Bergbehörden zugedachten Befugnissen aus­ zunehmen. Eine andere Bedeutung kommt dieser Maßnahme nicht zu, und es wird, wie kaum hervorgehoben zu werden braucht, für den Eisenerzbergbau eine Anwendbarkeit der §§ 135 ff. ABG. hieraus nicht geschlossen werden dürfen" - Mot. 94 S. 10. 3. Über die Gründe für die Ausdehnung des dritten Ab­ schnittes des III. Titels vgl. die Vorbemerkung. Von den ausgeschiedenen Bestimmungen kommt nur noch § 89 Abs. 2 in Betracht, da § 80d Abs. 2 die Knappschaftsvereine nicht mehr erwähnt und § 80f Abs. 2 Ziff. 2 durch die Novelle vom 28. Juli 1909 beseitigt worden ist. Die Ausscheidung dieser Vorschriften erfolgte, weil es „einer Einführung der Bestimmungen des ABG. über die Knappschafts­ vereine nicht bedurfte, nachdem in dieser Richtung inzwischen durch die Reichsgesetze über die Kranken-, Unfall-, Jnvaliditäts-, Alters­ versicherung Fürsorge getroffen worden ist" (Mot. S. 13).

§ 211 c. — Art. I des Ges. v. 8. April 1894. — Wird der Eisenerzbergbau in den im § 2\\a bezeichneten Landesteilen von mehreren Personen betrieben, so find dieselben, sofern ihre Vertretung nicht durch die allgemeinen Gesetze geordnet ist, verpflichtet, mittels notarieller oder gerichtlicher Urkunde einen innerhalb des Deutschen Reichs wohnenden Repräsentanten zu bestellen, welchem die Befugnis zusteht, alle Vorladungen und andere Zustellungen an die Beteiligten mit voller rechtlicher Wirkung in Empfang zu nehmen und letztere bei den Verhandlungen mit den Bergbehörden und den auf den

Bergbau Bezug habenden Instituten und Korporationen zu

vertreten. Dasselbe gilt, wenn der Alleineigentümer eines Eisenerz­ bergwerks außerhalb des Deutschen Reichs wohnt. Wird ein Repräsentant auf die Aufforderung der Berg­ behörde nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten bestellt und unter Einreichung der Bestallungsurkunde namhaft ge­ macht, so ist die Bergbehörde befugt, bis dahin, daß dies geschieht, einen Repräsentanten zu bestellen und diesem eine angemessene, von den Beteiligten aufzubringende und nötigenfalls im Verwaltungswege exekuüvifch einzuziehende Belohnung zuzufichern. Die Aufforderung gilt für zugestellt, wenn sie mindestens zwei Beteiligten behändigt ist.

§§ 212 u. 213]

ProvinzialrechtUche Bestimmungen.

877

Der von der Bergbehörde bestellte interimistische Repräsen­ tant hat die vorstehend angegebenen Befugnisse eines gewählten Repräsentanten, sofern die Bergbehörde keine Beschränkungen eintreten läßt. Mot. 94 S. 13.

„Im § 211 c ist entsprechend dem § 10 des Gesetzes vom 22. Februar 1869, betr. die Rechtsverhältnisse des Stein- und Braunkohlen Bergbaues in denjenigen Landesteilen, in welchen das Kurfürstlich Sächsische Mandat vom 19. August 1743 Gesetzeskraft hat (GS. S. 401) und im Anschluß an § 134 ABG. eine Bestim­ mung über die Vertretung mehrerer den Eisenerzbergbau treibenden Personen getroffen",- Mot. 94 S. 13. §§ 212 und 213. Die §8 212 und 213 sind aufgehoben durch das Gesetz, betr. die Rechtsverhältnisse des Stein- und Braunkohlen-Bergbaues in denjenigen Landesteilen, in welchen das Kurfürstlich Sächsische Mandat vom 19. August 1743 Gesetzeskraft hat. Vom 22. Febr. 1869/20. Sept. 1899. GS. 1869 S. 401, 1899 S. 177. Literatur: Kresstng, Bergrechtsverhältntsse der kgl. sächs. Oberlausttz usw. Z. Bb. 2 ©. 31; Derselbe, Die rechtliche Berfassung bet dem Steinund Braunkohlen-Bergbau tm Königreich Sachsen, Z. Bd. 3 S. 184; Brassert, Berggesetzentwürfe für Sachsen-Altenburg, Z. Bd. 5 S. 180; Hetne, Hypothekenfolien für Stein- nnd Braunkohlenwerke, Z Bd. 9 S. 277; v. Rhnsch, Bemerkungen zu dem Ges. v. 22. Febr. 1869, Z. Bd. 10 S. 120; Setzling, Die Rechtsverhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien, Leipzig 1904.

In den vormals k. sächsischen, mit Preußen vereinigten Landesteilen der Provinzen Sachsen, Brandenburg und Schlesien waren die Stein- und Braunkohlen von Alters her nicht Gegen­ stand des Bergregals und der Bergbaufreiheit, sondern unterlagen dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers, und nur, wenn dieser die Gewinnung „ohne triftige Ursachen" unterließ, hatte der Staat das Recht, dritten Personen die Konzession zur Gewin­ nung zu erteilen. Die gesetzliche Grundlage für diesen Rechtszu­ stand bildeten das kursächsische Mandat „wegen Entdeckung derer im Lande befindlicher Steinkohlenbrüche, und wie sich bey deren Aufnahme und Fortbau zu verhalten" v. 17. Aug. 1743 (Brassert, Bergordn. S. 473) und das durch Kabinetsvrder v. 13. Nov. 1843 genehmigte „Regulativ für den Betrieb und die Beaufsichtigung der Stein- und Braunkohlengruben in den ehemals zum König­ reich Sachsen gehörigen Landesteilen der Provinz Sachsen" v. 19. Okt. 1843 (a. a. O. S. 478; GS. von 1861 S. 356). Während der Geltungsbereich des Mandats von 1743 sich auf se itliche im 8 212 ABG. und gegenwärtig im 8 1 des Ges. v. 22. Febr. 1869 unter Nr. 1 bis 4 äufgeführten Landesteile er-

878

Zehnter Titel.

[§§ 212 u. 213

streckte war derjenige des Regulativs von 1843 auf die unter Nr. 1 genannten Teile der Provinz Sachsen beschränkt. Dagegen war für die Markgrafentümer Ober- und Niederlausitz (Nr. 3 u. 4) auf Grund des Mandats von 1743 § 7 das Bergpolizei­ reglement v. 20. Dez. 1854 ergangen, dessen Wirksamkeit demnächst durch die Min.-Verordnung v. 8. Juni 1857 auch auf die unter Nr. 2 bezeichneten Landesteile der Provinz Brandenburg ausgedehnt wurde- Brassert, Bergordn. S. 502 An die Stelle dieser Berg­ polizeivorschriften trat dann später die von den Oberbergämtern zu Halle u. Breslau gemeinschaftlich erlassene Bergpolizeiverordnung v. 8. u. 11. Slug. 1866, Z. Bd. 7 S. 304, 307. Auf diese Weise bestanden im Bereiche des Mandats von 1743 zwei von einander verschiedene engere Rechtsgebiete, der Regulativbezirk, in welchem das Regulativ von 1843 galt (§ 1 Nr. 1), und der Mandatsbe­ zirk im engeren Sinne (§ 1 Nr. 2, 3, 4); die ans der gemein­ samen Grundlage hervorgegangenen Systeme wichen in mehrfacher Beziehung erheblich von einander ab. Dieser Nechtsungleichheit und nicht minder der Umstand, daß die Vorschriften des Mandats von 1743 und des Regulativs von 1843 nach Inhalt und Fassung den veränderten Anschauungen und Bedürfnissen der Gegenwart nicht mehr entsprachen, veranlaßten schon bei Abfassung des ABG. den Vorschlag, die wenigen, für den Stein- und Braunkohlenbergbau jener Landesteile noch beizubehal­ tenden provinzialrechtlichen Bestimmungen in das ABG. mit auf­ zunehmen. Man sah jedoch damals von der gleichzeitigen Erledigung dieses Gegenstandes wesentlich aus dem Grunde ab, um durch die für erforderlich erachtete besondere Prüfung desselben die dringliche Reform der Berggesetzgebung nicht länger aufzuhalten. In den §§ 212 u. 213 ABG. wurden deshalb die Besitz- und Rechtsverhält­ nisse des Stein- und Braunkohlenbergbaues in den vormals sächs. Landesteilen aufrecht erhalten und im öffentlichen Interesse einst­ weilen nur die Arbeiter- und Kuappschaftsverhältnisse sowie die Bergpolizei regelnden Vorschriften des ABG. auch auf diesen Bergbau ausgedehnt. Mot. S. 115 (218), KB. d. AH. S. 98 (1252). Die vorbehaltene Verbesserung dieses unfertigen Rechtszu­ standes wurde alsbald in Angriff genommen und schon im Jahre 1867 ein bezüglicher Gesetzentwurf nebst Motiven veröffentlicht, Z. Bd. 8 S. 347, 351, auch im Frühjahr 1868 den Provinzial­ landtagen für Sachsen, Brandenburg und Schlesien zur Begut­ achtung vorgelegt. Hiernächst gelangte die Regierungsvorlage im Herbste 1868 an den Landtag und wurde von diesem mit einigen sachlichen Änderungen in der Fassung, in welcher das Gesetz vorliegt, angenommen. Vgl. aus der Sitzungsperiode 1868/69: StenB. d. HH. Bd. II S. 39 Nr. 9 u. S. 96 Nr. 21 der Anlagen, Bo. I S. 28; ferner Sten B. des AH. Anlagen Bd. III S. 1174 Nr. 199; Protokolle Bd. II S. 1356, 1370. Der bei der Beratung im Abgeordnetenhause gestellte Antrag, die Bergbaufreiheit auch auf die Stein- und Braunkohlen in den

§1]

Gesetz vom 21. Februar 1869.

879

vormals sächs. Landesteilen auszudehnen, falls dies aber nicht angänig sei, den bestehenden Rechtszustand unverändert aufrecht zu erhalten, wurde mit überzeugenden Gründen bekämpft und abgelehnt. Die wesentlichsten Grundsätze, aus welchen das Ges. v. 22. Febr. 1869 beruht, sind: Beibehaltung des Verfügungsrechts des Grundeigentümers über die unter seinem Eigentum vorkvmmenden Stein- und Braunkohlen- Beseitigung der früheren Einschränkungen dieses Verfügungsrechts, namentlich auch des staatlichen Konzessions­ rechts, unter gleichzeitiger Wahrung des öffentlichen Interesses; Herstellung der Rechtseinheit im ganzen Geltungsbereiche des Mandats 1743; Ausdehnung des ABG. auf diesen Kohlenbergbau mit Ausnahme nur einiger Abschnitte; Aufnahme der Vorschriften des Ges. v. 1. Juni 1861, bett, die Anlegung von Hypotheken­ folien für Kohlenabbau-Gerechtigkeiten, soweit deren Beibehaltung neben den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über die Führung des Hypothekenbuches erforderlich war. Durch Art. 38 AG. z. BGB. ist dieses Gesetz in seinen §§ 2—8 dem neuen Reichsrechte angepatzt worden. Im Königreich Sachsen und im Herzogtum S.-Altenburg unterliegt der Stein- und Braunkohlenbergbau ebenfalls dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers. Vgl. das k. sächs. Bergg. v. 31. Aug. 1910 § 4; ferner für Sachsen-Altenburg das Ges. v. 18 April 1872, welchem das preutz. Ges. v. 22. Febr. 1869 zur Grundlage gedient hat, Z. Bv. 13 S. 169, 180.

§1. In den nachbenannten Landesteilen, nämlich: in den vormals zum Königreich Sachsen gehörigen Landesteilen der Provinz Sachsen, mit Ausschluß der Grafschaften Mansfeld und 23arby und der standesherrlichen Gebiete der Grafen von Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla, 2. in den vormals zum Königreich Sachsen gehörigen Landesteilen der Provinz Brandenburg, insbesondere in der Standesherrschaft Baruth und den Ämtern Jüterbog, Dahme, Belzig und Raben­ stein, nebst enklaoierten ritterschaftlichen Orten, sowie in den vormals zum Kreise Wittenberg gehörigen Orten Blankensee und Stangenhagen, 3. in dem Markgrafentum Oberlausitz, in dem Markgrafentum Niederlausitz, mit Einschluß der Herrschaft Sonnenwalde, sowie der Ämter Dobrilugk, Finsterwalde und Senftenberg, unterliegen die Stein- und Braunkohlen fernerhin lediglich dem verfügungs­ rechte des Grundeigentümers. Die bestehenden Berechtigungen zum Betriebe des Stein- oder Braun­ kohlenbergbaues bleiben jedoch aufrechterhalten. Gründet sich die Berechti­ gung auf eine zur Gewinnung der Stein- oder Braunkohlen auf fremdem Grund und Boden erteilte Konzession des Staates, so kommen hinsichtlich

880

Zehnter Titel.

Provinzialrechtliche Bestimmungen.

[§§ 1. 2

der Verbindlichkeit zum Betriebe und der Aufhebung der Konzession die Vorschriften der §§ es und (56 bis (6$ des Allgemeinen Berggesetzes vom 24- Juni (865 in Anwendung.

1. Die im § 1 aufgeführten Landesteile umfassen den Gel­ tungsbereich des Gesetzes. In Nr. 1 fehlt unter den ausgenom­ menen Teilen der Provinz Sachsen das „Amt Gommern," während dasselbe im § 212 genannt war. Mangels eines jeden anderen Anhaltspunktes ist anzunehnien, daß die Auslassung, welche übrigens praktisch ohne Belang zu sein scheint, lediglich auf einem Redaktions­ fehler beruht. Nach Nr. 4 gehört hierher das alte „Markgrafen­ tum" Niederlausitz, welches zum K. Sachsen in dem Verhältnisse einer Personalunion stand,- dagegen ist in denjenigen altpreußischen Enklaven aus der Kur- und Neumark, welche die „Niederlausitz" als politische Einheit in ihrem gegenwärtigen Umfange einschließt, die Stein- und Braunkohle nach wie vor Gegenstand der Berg­ baufreiheit. KB. d. AH;. Z. Bd- 10 S- 129; vgl. auch die Über­ sichtskarte über den Geltungsbereich des Gesetzes bei Thielmann S. 616. Mit Ausnahme des dem Oberbergamte Breslau unterstellten Markgrafentums Oberlausitz gehören die übrigen Gebiete zum Bezirke des Oberbergamts Halle. 2. Aus den, an die Spitze gestellten Satze, daß die Steinund Braunkohlen lediglich dem Berfügungrechle des Eigentümers unterliegen, folgt zunächst, daß Konzessionen zur Kohlengewin­ nung auf fremdem Grundeigentum seitens des Staates überhaupt nicht mehr erteilt werden können. Mot. S. 47 u. KB. d. AH. S. 1176, Min.- Erl. v. 19. März 1869. Z. Bd. 10 S. 135. Dagegen waren die „bestehenden Berechtigungen" (Abs. 2) als wohlerworbene Rechte aufrecht zu erhalten. Da aber die bereits erteilten „Kon­ zessionen" nach dem Mandat von 1743 und dem Regulativ von 1843 dem Betriebszwange unterlagen und sachlich den Berleihnngen auf bergfreie Mineralien gleichkommen, so sind auf sie folgerichtig auch die Vorschriften des ABG. über die Betriebspflicht und die eventuelle Entziehung des Rechts ausgedehnt worden. Mot. S. 47.

§2. Das Recht zum Stein- ober Braunkohlen-Bergbau kann von dem Eigentum an dem Grundstück, in welchem die Stein- ober Braunkohlen anstehen, abgetrennt und als selbständige Gerechtigkeit für den Grund­ eigentümer oder für einen Dritten bestellt werden.

1. Anschließend an das Gesetz betr. die Anlegung von Hypo­ thekenfolien usw. vom 1. Juni 1861 gewährt §2 die rechtliche Möglichkeit, dem Rechte zum Kohlenbergbau die Eigenschaft einer von dem Grundstücke getrennten selbständigen, des Realkredits fähigen „Kohlenbergbau-Gerechtigkeit" beizulegen. Der die sonstigen selbständigen Gerechtigkeiten behandelnde Art. 40 AG. z. BGB. findet gemäß Abs. 3 desselben auf die Kohlen­ bergbau-Gerechtigkeiten im Mandatsbezirk keine Anwendung.

§§2. 3]

Gesetz vom 22. Februar 1869.

881

2. Die selbständige Gerechtigkeit wird von dem Grundstücke „abgetrennt". Es handelt sich also nicht wie beim Bergwerks­ eigentum um die Schaffung eines neuen Rechts, sondern um die Selbständigmachung eines Teils des Eigentumsrechtes. 3. Die Gewinnung der Kohle im Mandatsbezirke kann auch im Wege eines Pachtvertrages (§ 581 BGB.) einem Dritten durch den Grundeigentümer überlassen werden, vgl. Urt. des RG. v. 10. Mai 1899, v. 7. März 1901, Z. Bd. 40 S. 464, Bd. 43 S. 49, Urt. des OLG. Köln v. 5. Mai 1897, Z. Bd. 40 S. 372. Auch die Bestellung eines Nießbrauchs (§ 1030 BGB.) oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (8 1090 BGB.) ist zulässig,- Sebling S. 157 ff., T h i e l m a n n Anm. 2 zu 8 2, vgl. auch Z. Bd. 45 S. 16.

8 3. Zur Bestellung einer selbständigen Kohlenabbau-Gerechtigkeit für den Grundeigentümer ist dessen Erklärung gegenüber dem Grundbuchamte, daß die Gerechtigkeit für ihn in das Grundbuch eingetragen werden soll, und die Eintragung erforderlich; die Vorschrift des § 878 des Bürgerlichen Gesetzbuches findet Anwendung. Zur Bestellung der selbständigen Kohlenabbau-Gerechtigkeit für einen Dritten ist die Einigung des Grundeigentümers und des Erwerbers über die Bestellung der Gerechtigkeit und die Eintragung im Grundbuch erforderlich; die Einigung muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor dem Grundbuchamt erklärt werden.

1. Zu 8 3 bemerkte die Begründung zu Art. 38 des AG. z. BGB. (vgl. Z. Bd. 41 S. 15): ' „Der an die Stelle von Abs. 2 des seitherigen 8 2 getretene § 3 ordnet die Bestellung einer selbständigen Kohlenabbau-Gerechtig­ keit im Anschluß an den 8 H96 (Bestellung einer Eigentümer­ grundschuld) und die 88 873, 1015 BGB. (Bestellung eines Erb­ baurechts). Die Bestimmung im Abs. 2 des 8 2 entsprach schon dem bis­ herigen Grundbuchrechte insofern nicht, als sie die Entstehung einer selbständigen Abbaugerechtigkeit an einen sich außerhalb des Grundbuchs vollziehenden Akt knüpfte. Auch bestand zwischen dem verliehenen Bergwerkseigentume und der selbständigen AbbauGerechtigkeit die nicht gerechlfertigte Verschiedenheit, daß ersteres nach 8 68 EEG. von Amts wegen eingetragen werden muß, für letztere dagegen ein Eintragungszwang nicht besteht, obwohl hier das Bedürfnis für die alsbaldige Eintragung in noch höherem Grade vorhanden ist, als bei dem verliehenen Bergwerkseigentum. Vollends war aber der bisherige 8 2 Abs. 2 nicht mit den Grund­ sätzen des neuen Liegenschaftsrechts vereinbar, wonach „zur Be­ lastung eines Grundstücks mit einem Rechte" die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich ist (vgl. insbeson­ dere 8 873 BGB.)."

882

Zehnter Titel.

Provinzialrechtl. Bestimmungen.

[§§ 3-5

2. Der im 8 2 angezogene § 878 BGB bestimmt: „Eine von dem Berechtigten in Gemäßheil der §§ 873, 875, 877 ab­ gegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam, daß der Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend ge­ worden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grnndbuchamte gestellt worden ist."

3. Abs. 2 stimmt wörtlich mit § 873 Abs. 1 Abs. 1 BGB. überein. 8 4.

bzw. § 925

Die Eintragung der selbständigen Gerechtigkeit in das Grundbuch soll nur erfolgen, wenn dem Grundbuchamt ein Situationsriß vorgelegt wird; auf den Situationsriß finden die Vorschriften des § \7 des Allgemeinen Berggesetzes vom 2^. Juni 1865, mit Ausschluß der Bestimmung über die Angabe des Fundpunktes, Anwendung.

§ 4 entspricht dem § 2 Abs. 3 der früheren Fassung. Der Maßstab der Situationsrisse ist von dem OBA. Halle auf 1: 6400 (Bek. v. 19. April 1869), von dem OBA. Breslau auf 1 : 10 000 (Bek. v. 13. Juli 1869, Z. Bd. 10 S. 295) festgesetzt worden. 8 5. Für die nach § i bestehenden und die später vom Grundeigentum abgetrennten Kohlenabbau-Gerechtigkeiten gelten die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die für den Erwerb des Eigentums und die Ansprüche aus dem Eigentum an Grundstücken geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.

1. § 5 ist an Stelle des § 3 bzw. des § 4 früherer Fassung, sowie des § 68 EEG. getreten. 2. Zu Abs. 2 vgl. § 50 Abs. 2 und 3, sowie die Anmerkungen hierzu, ferner für das frühere Recht Urt. des RG. v. 3. April 1901, Z. Bd. 43 S. 57 (Rechte Dritter gutgläubiger Erwerber). 3. Für die selbständige Kohlenabbau-Gerechtigkeiten gelten grundsätzlich auch die Art.'22 ff. AG. z. GBO., vgl. Anhang! zu § 50. Eine besondere Vorschrift ist dagegen in Art. 27 enthalten, welcher lautet: „Auf die Anlegung eines Grundbuchblattes für eine selbständige Kohlenabbau-Gerechtigkeit finden die für das Erbbaurecht geltenden Vor­ schriften des § 7 der Grundbuchordnung entsprechende Anwendung. Für andere selbständige Gerechtigkeiten wird ein Grundbuchblati nur auf Antrag des Berechtigten angelegt, soweit sich nicht aus den für die Anlegung der Grundbücher geltenden Vorschriften ein Anderes ergibt."

Der hiernach anwendbare § 7 GBO. bestimmt: „3ft auf dem Blatte eines Grundstückes ein Erbbaurecht eingetragen, so ist auf Antrag für dieses Recht ein besonderes Grundbuchblatt anzulegen. Die Anlegung erfolgt von Amts wegen, wenn das Recht veräußert oder belastet werden soll. Die Anlegung wird auf dem Blatte des Grundstücks vermerkt."

§6]

Gesetz vom 22. Februar 1869.

883

Vgl. ferner wegen der Anwendbarkeit der §§ 20 und 22 Abs. 2 GBO. den Art. 28 AG. z. GBO., oben S. 166. Der Vermerk auf dem Blatte des belasteten Grundstücks erfolgt in Abt. II Spalte 1-3 (§ 11 Abs. 1 Ziff. 1 Allg. Vfg. z. Ausf. der GBO.). Für die Zwangsvollstreckung sind die für Grundstücke geltenden Vorschriften anwendbar, vgl. oben Anhang II zu § 50, S. 170 ff. §6. Die Vorschriften über die Erteilung von Unschädlichkeits-Ieugniffen finden mit der Maßgabe Anwendung, daß das Zeugnis auch dann erteilt werden darf, wenn die vorhandenen Eintragungen im Grundbuche nach Abtrennung der Kohlenabbau-Gerechtigkeit noch innerhalb der ersten zwei Drittel des Wertes ländlicher oder der ersten Hälfte des Wertes städtischer Grundstücke versichert sind.

1. Die Bestimmungen des bisherigen Absatz 1 u. 2, welche lauteten: „Befinden sich auf dem Grundstücke, von welchem das Recht zum Stein- oder Braunkohlen Bergbau abgetrennt worden ist, Eintragungen im Hypothekenbuche, welche sich auf die anstehenden Kohlen mit beziehen, so kann gleichwohl auf Antrag des Berechtigten die Abschreibung der Kohlenabbau-Gerechtigkeit und deren Eintragung auf ein besonderes Folium des Hypothekenbuchs erfolgen; es sind aber alsdann die vorhandenen Ein­ tragungen unverändert auf dieses neue Folium mit zu übernehmen, wenn nicht die eingetragenen Realinteressenten die Kohlenabbau-Gerechtigkeit aus der Haftbarkeit gänzlich entlassen haben oder die Aufhebung der solidarischen Verpflichtung des Grundstücks und der Kohlenabbau-Gerechtigkeit vereinbart worden ist. Auf dem Folium des Grundbesitzes ist bei jeder bezüglichen Post zu vermerken, daß und auf welchem Folium die Übertragung geschehen ist",

sind durch das Ausführungsgesetz zum BGB. mit folgender Be­ gründung beseitigt worden: „Die Bestimmungen haben ihre Erledigung dadurch gefunden, daß die Bestimmungen der GBO. auf dieKodlenabbaugerechtigkeiten übertragen worden sind. Hieraus ergibt sich nämlich von selbst, daß bei der Anlegung eines besonderen Grundbuchblattes für eine Kohlenabbau-Gerechtigkeit die auf dem Blatte des Grundstücks ein­ getragenen Belastungen, welche sich auf die anstehenden Kohlen mitbeziehen, auf das neue Blatt mitzuübertragen sind, wenn nicht die eingetragenen Berechtigten die Abbaugerechtigkeit aus der Haftung entlassen oder nur eine anteilige Haftung des Grundstücks und der Gerechtigkeit vereinbart ist. Es kommen die Vorschriften zur Anwendung, welche bei Abschreibung eines Teiles eines Grund­ stücks gelten (§ 49 GBO)." Vgl. insbes. auch Turnau-Förster Bd. II S. 555, Sehling S. 205. 2. Der jetzige Wortlaut entspricht im wesentlichen dem bisherigen Absatz 3 und 4.

884

Zehnter Titel.

Provtnzialrechtl. Bestimmungen.

[§§ 6-8

Das für die Unschädlichkeitsatteste maßgebende Gesetz, betr. den erleichterten Abverkauf kleiner Grundstücke, vom 3. März 1850 (GS. S. 145) überträgt die Ausstellung derselben bei landschaft­ lich beliehenen Gütern der Kreditdirektion, bei anderen der Aus­ einandersetzungsbehörde. Gemäß § 2 des Gesetzes darf ein solches Attest nur erteilt werden, „wenn das Trennstück im Verhältnis zu dem Hauptgute von geringem Wert und Umfang ist, und wenn die auferlegte Geldabgabe oder das verabredete Kaufgeld den Ertrag oder den Wert des Trennstücks erreicht-" hierbei ist gemäß Art. 19 AG. z. BGB., wenn die Belastungen, von denen der Teil befreit werden soll, noch auf anderen Grundstücken desselben Eigentümers hasten, die Gesamtheit der belasteten Grundstücke als Hauptgrund­ stück zu behandeln. Als Zusatz hierzu ist die Bestimmung im vorliegenden § 6 zu dem Zwecke getroffen, um die Entlastung der Kohlenabbau-Gerechtigkeiten von der Mltoerhaftung für die Grund­ stücks-Hypotheken und Lasten noch mehr zu fördern, wie dies für die selbstständige wirtschaftliche Entwickelung des Kohlenbergbaues ein Bedürfnis ist. Genießen die vorhandenen Eintragungen auch nach Abtrennung der Kohlenabbau-Gerechtigkeit noch genügende Sicherheit, so ist die Erteilung des Unschädlichkeitsattestes zulässig.

§ 7. Eine Kohlenabbau-Gerechtigkeit kann nur dann einer anderen Bestandteil zugeschrieben oder mit ihr vereinigt werden, wenn die rechtigkeiten mit ihren Feldern aneinandergrenzen und zu einem heitlichen Baue zusammengefaßt sind, und wenn außerdem die auf einzelnen Gerechtigkeiten haftenden Belastungen auf Grund einer Rangordnung regelnden Einigung mit den Berechtigten auf das den Gerechtigkeiten gebildete Ganze übertragen werden.

als Ge­ ein­ den die aus

Der bisherige § 7 behandelte in Abs. 1 und 2 von einander verschiedene Fälle, nämlich in Abs. 1 den, daß mehrere demselben Berechtigten zustehende Abbaugerechtigkeiten auf demselben Grund­ buchblatte eingetragen werden, und in Abs. 2 die Eintragung mehrerer zu einem rechtlichen Ganzen vereinigter, d. h. also kon­ solidierter Abbaugerechtigkeiten. Der nunmehrige § 7 regelt diese beiden Fälle gemeinsam in Anschluß an § 890 BGB. (Vereinigung bzw. Zuschreibung von Grundstücken), sowie die §§ 4 und 5 GBO. über die grundbuch­ liche Behandlung derartiger Anträge.

8 8. Ist ein Kohlenfeld vollständig abgebaut, so kann die KohlenabbauGerechtigkeit auf Antrag eines beteiligten Grundeigentümers oder des­ jenigen, welchem ein Recht an dem Grundstücke zusteht, im Grund buche gelöscht werden. Zur Begründung des Antrages ist ein Zeugnis der Bergbehörde darüber beizubringen, daß das Kohlenfeld gänzlich abgebaut ist und daß auf dem Felde Gebäude oder sonstige zur Grube gehörende unbe­ wegliche Bestandteile nicht mehr vorhanden sind, vor der Erteilung

§§ 8. 9]

Gesetz vom 22. Februar 1869.

885

des Zeugnisses find diejenigen, welchen ein Recht an der Gerechtigkeit zusteht, zu hören. Auf Grund des Zeugnisses schließt das Grundbuchami das für die Gerechtigkeit angelegte Blatt und löscht die auf diesem eingetragenen Rechte. Zur Löschung einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld ist die Vorlegung des Briefes nicht erforderlich; das Grundbuchamt hat den Besitzer des Briefes zur Vorlegung anzuhalten, um nachträglich die Löschung auf dem Briefe zu vermerken.

Die im wesentlichen schon im 8 9 des Gesetzes vom 1. Juni 1861 enthaltenen Vorschriften des § 8 sind dazu bestimmt, einerseits den Gerichten die Möglichkeit zu geben, Grundbuchblätter, welche infolge des vollständigen Abbaues eines Kohlenfeldes gänzlich wertlos geworden sind und sonst für endlose Zeit aufbewahrt werden müßten, zu beseitigen, und andererseits den Grundeigen­ tümer im Interesse seiner Kreditfähigkeit in die Lage zu versetzen, die Schließung des Blattes der wertlosen Kohlenabbau-Gerechtigkeit erwirken zu können, KB. d. AH. S. 1177. Das zu der Löschung erforderliche Attest über den vollstän­ digen Abbau des Kohlenfeldes hat nicht der Bergrevierbeamte, sondern das Oberbergamt zu erteilen,- Min.-Erl. v. 19. März 1869, Z. Bd. 10 S. 135. Ohne das Attest der Bergbehörde über den vollständigen Abbau kann die Löschung einer KohlenabbauGerechtigkeit selbst dann nicht erfolgen, wenn die Interessenten mit der Löschung einverstanden sind. Besch, des OBA. Halle v. 8. Jan. 1885, Z. Bd. 26 S. 405, Urt. des KG. v. 9. Mai 1904, Rspr. der OLG. Bd. 10 S. 413; Güthe S. 1475; a. A. TurnauFörster Bd. 2 S. 556; Fuchs-Arnheim Bd. 2 Anm. 27 zu ß 3 GBO.; Schling S. 230; Thielmann Anm. 2; Arndt Anm. ju 8 8.

8 9. Auf den Betrieb des Stein- oder Braunkohlenbergbaues im Bereiche dieses Gesetzes, einerlei, ob eine vom Grund und Boden abgetrennte selbständige Kohlenabbau-Gerechtigkeit besteht oder nicht, kommen die nachfolgenden Vorschriften des AllgemeinenBerggesetzes vom 24. Juni (865 zur Anwendung: a) Tit. III Abschnitt ( (von dem Bergwerkseigentume im allgemeinen) die §§ 58 und 59, sowie die §§ 60—63 einschließlich hinsichtlich der Anlage von Hilfsbauen im Felde eines anderen KohlenabbauBerechtigten; b) Tit. III Abschnitt 2 (von dem Betriebe und der Verwaltung) die §§ 66—79 einschließlich und ferner Abschnitt 3 dieses Titels (von den Bergleuten); c) Tit. V Abschnitt ( nebst der zugehörigen Übergangsbestimmung des

8 241, Tit. XI (von der Grundabtretung) mit der Maßgabe, daß die Grundabtretung nur insoweit gefordert werden kann, als die Benutzung eines fremden Grundstücks zur Anlage von wegen, Eisenbahnen, Kanälen, Wasserläufen und Hilfsbauen zum Zwecke des Grubenbetriebes und des Absatzes der Kohlen notwendig ist;

886

Zehnter Titel.

Provinzialrechtl. Bestimmungen.

[§ 9

d) Tit. V Abschnitt 2 (vom Schadensersatz« für Beschädigungen des Grundeigentums), mit Ausnahme des § 152, soweit daselbst von „Arbeiten der Muter" die Rede ist, und Abschnitt 3 (von dem Ver­ hältnisse des Bergbaues zu den öffentlichen Verkehrsanstalten); ferner e) Tit. VII (von den Unappschaftsvereinen), Tit. VIII (von den Berg­ behörden), Tit. IX (von der Bergpolizei) und die §§ 2H2 und 244 des XII. Titels (Schlußbestimmungen).

1. Auf Grund des Mandats von 1743 und des Regulativs von 1843 unterlag der Stein- und Braunkohlenbergbau namentlich in dem sog. Regulativbezirke bereits vor Erlaß des ABG. einer größeren Anzahl von Vorschriften, welche auch für den Regal­ bergbau galten. Soweit diese Vorschriften sich auf die Arbeiter­ und Knappschaftsverhältnisse bezogen, traten die betreffenden Titel des ABG. an deren Stelle (§ 213). Das Gesetz vom 22. Februar 1869 hat sodann die rechtliche Gleichstellung dieses GrundeigentümerBergbaues mit dem auf der Bergbaufreiheit beruhenden Bergbau noch weiter durchgeführt. Nach § 9 finden auf denselben die Vor­ schriften des ABG. mit geringen Abänderungen und nur mit der Beschränkung Anwendung, daß die von der Erwerbung und Auf­ hebung des Bergwerkseigentums sowie von der Gewerkschaft handelnden Abschnitte ausgenommen sind. Die Ausschließung der ersteren Bestimmungen war selbstverständlich, und zur Einführung der gewerkschaftlichen Verfassung lag mit Rücksicht auf die be­ stehenden Verhältnisse kein Bedürfnis vor. Mot. S. 45—47. 2. Zu Ziff. a. a) Die auf die Aufbereitungsanstalten, Dampfkessel und Triebwerke bezüglichen §§ 58 u. 59 ABG. sind auch auf den Kohlenbergbau für anwendbar erklärt, um hiermit die Zuständigkeit der Bergbehörde zur polizeilichen Beaufsichtigung dieser Anlagen festzustellen. Mot. S. 48. Vgl. Sinnt, zu §§ 58 u. 59. b) Das Hilfsbaurecht (§§ 60—63) ist dem KohlenabbauBerechtigten als ein zweckentsprechendes Mittel eingeräumt, um die einzelnen Teile eines Baufeldes, welche durch fremde zum Kohlenbau berechtigte Grundstücke getrennt werden, miteinander in Verbindung zu setzen und übermäßige Preisforderungen des betreffenden Grundeigentümers für die Abtretung seines Abbau­ rechts zu hemmen. Mot. S. 46. Die Fassung: „Anlage von Hilfsbauen im Felde eines anderen Kohlenabbau-Berechtigten" hat nicht die einschränkende Bedeutung, daß nur ein dritter Abbauberechtigter, der die Gerecht­ same zur Kohlengewinnung von dem Grundeigentümer erworben hat, nicht aber der Grundeigentümer, der diese Gerechtsame kraft gesetzlicher Vorschrift (§ 1) besitzt, zur Gestattung eines Hilfsbaues verbunden sei. Vielmehr beruht die Fassung darauf daß bei diesem Grundeigentümer-Bergbau von „freiem Felde" im Sinne des § 60 Abs. 1 überhaupt nicht die Rede sein kann. Die Ver­ pflichtung zur Gestattung eines Hilfsbaues unter den Voraus­ setzungen des § 60 bezieht sich deshalb auf jeden die Gerechtsame

§91

Gesetz vom 22. Februar 1869.

887

zur Kohlengewinnung besitzenden Grundeigentümer, solange er dieselbe noch nicht übertragen hat. Rek.-Besch. v. 6. März 1874, v. 1. Sept. 1888, Z. Bd. 15 S. 406, Bd. 30 S. 409. c) Das Vorrecht zum Muten aus § 55 ABG. steht dem Kohlenabbau-Berechtigten nicht zu. Urt. des OTr. v. 23. Juni 1876, Z. Bd. 19 S. 79. 4. Zu Ziff. b. a) Durch § 2 der gemeinschaftlichen Polizeiverordnung der OBA. Halle und Breslau vom 8./11. August 1866 waren die §§ 66—76 ABG. auf den Mandatsbezirk im engeren Sinne (§ 1 Nr. 2, 3 und 4 des Gesetzes) für anwendbar erklärt. Diese Ver­ ordnung wurde indes durch § 9 lit. b des Gesetzes gegenstandslos und daher durch Bekanntmachung vom 4. Mai 1869 außer Kraft gesetzt- Z. Bd. 10 S. 135, 295. Die §§ 66—79 gelten demnach gleichmäßig im ganzen Bereiche des Gesetzes vom 22. Febr. 1869. b) Die Einwirkung der Bergbehörde auf den Betriebsplan hat sich nicht mit Erledigung vermögensrechtlicher Kollisionen zwischen bent Kohlenabbau-Berechtigten und dem Eigentümer eines verliehenen Bergwerks zu befassen. Urt. des OTr. v. 23. Juni 1876, Z. Bd. 19 S. 79. c) Der dritte Abschnitt des dritten Titels gilt in der Fassung, welche er durch die Novellen erhalten hat, vgl. Vorbem. 2 hierzu, S. 243, Thielmann Anm. 6 zu 8 9 Ziff. b. 4. Zu Ziff. c. a) Früher stand dem sächsischen Kohlenbergbau das Ent­ eignungsrecht wesentlich in demselben Umfange zu, wie gegen­ wärtig nach § 135 ABG. den verliehenen Bergwerken, was schon wegen der auf staatlicher Konzession beruhenden Kohlen­ gewinnungen notwendig war. Mit dem Aufgeben dieses Kon­ zessionsrechts beschränkte aber das Gesetz vom 22. Februar 1869 das Enteignungsrecht der Kohlenbergbau-Berechtigten erheblich und zwar sowohl in bezug aus die Zwecke, für welche es in Anspruch genommen werden kann, als auch in bezug auf die Grundstücke, welche demselben unterworfen sind- letzteres ist allerdings nicht unbestritten. Zur Begründung dieser Abänderung des früheren Rechtszustandes bemerken die Motive S. 45 n. 46: „Ebenso wie es in Zukunft dritten Bergbaulustigen überlassen bleibt, im Wege vertragsmäßiger Vereinbarung das Kohlengewinnungsrecht des Grundeigentümers an sich zu bringen, muß und kann es ferner­ hin den Interessenten überlassen werden, sich untereinander über die Benutzung des Grund und Bodens, welcher behufs der Aus­ beutung des Kohlengewinnungsrechts zu Schächten, zu Maschinenund Zechengebäudcn, Halden, Niederlageplätzen und zu anderen Betriebsanlagen innerhalb der Grenzen des zum Kohlenbergbau berechtigten Grundstücks verwendet werden muß, zu verständigen und die dafür zu leistende Vergütung unter sich zu vereinbaren .... Anders ist aber die Sachlage bei solchen Betriebsanlagen, welche nicht innerhalb der Grenzen des dem Grundeigentümer oder dem

888

Zehnter Titel.

Provtnzialrechtl. Bestimmungen.

[§ 9

Zessionar desselben zuständigen Baufeldes ausgeführt werden können, vielmehr nach ihrer Natur der Regel nach die Inanspruch­ nahme fremden Grund und Boden erfordern,' dies sind die Anlagen der „Wege, Eisenbahnen, Kanäle, Wasserläufe und Hilfsbaue" (Stollen, Wasserröschen). Für diese Zwecke kommen derzeitig sehr häufig Expropriationen vor. Das Bedürfnis dazu wird ohne Zweifel fortdauern, da der Kohlenbergbau in den hier fraglichen Landesteilen sich immer weiter ausbreitet und bei dem Fort­ schreiten desselben in größeren Tiefen die Schwierigkeit der Wasser­ bewältigung und der Abführung der Grubenwasser wächst." Dementsprechend ist im § 9 Ziff. c das Enteignungsrecht auf die Fälle beschränkt, in welchen die Benutzung eines freniden Grundstücks zur Anlage von Wegen, Eisenbahnen, Kanälen, Wasserläufen und Hilssbauten notwendig ist. Aber auch für diese Zwecke kann derjenige, welcher von dem Eigentümer eines Grundstücks eine Kohlenabbau-Gerechtigkeit erworben hat, die zwangsweise Grundabtretung nur bezüglich solcher Grundstücke verlangen, welche außerhalb der Grenzen des erworbenen Bau­ feldes liegen. Dies ist wenigstens die auf die Worte des Gesetzes: „Benutzung eines fremden Grundstücks" gestützte Auffassung in dem Urt. des OTr. v. 26. Juni 1876, Z. Bd. 18 S. 241, Entsch. Bd. 78 S. 78, Striethorst Bd. 96 S. 172. Auch Oppenhoff Nr 1312 u. Arndt 2. Aufl., S. 328 teilen diese Ansicht, letzterer mit der Maßgabe, daß dem Abbauberechtigten das Enteignungsrecht auch auf dem Grundstücke seines Rechtsurhebers in Ansehung solcher Kohlen zustehe, welche er unter Grundstücken Dritter gewinnt. Für diese Unterscheidung bietet aber das Gesetz keine Unterlage dar. Nach der entgegenstehenden, wohl zutreffenden Ansicht, ist auch dasjenige Grundstück, von welchem die Kohlenabbau-Gerechtig­ keit abgetrennt worden ist, für den Abbauberechtigten als „fremdes" Grundstück im Sinne des § 9 Ziff. c anzusehen, so daß also auch auf diesem (innerhalb der Grenzen des erworbenen Baufeldes) das Enteignungsrecht ausgeübt werden kann, wenn die übrigen Voraussetzungen vvrliegen. Brassert, Z. Bd. 18 S. 245, Anm. 2; Klostermann Anm. 473, welcher zutreffend hinzufügt, daß der Grundeigentümer bei Einräumung des Abbau­ rechts durch Vertrag die künftige Grundabtretung ausschließen kann, ebenso Thielmann Anm. 7 zu § 9; Schling S. 222, Westhoff Bd. II S. 25. b) § 9 lit. c bezieht sich nur auf die Verbindlichkeit zur Grundabtretung gegenüber dem Kohlenabbauberechtigten. Außer­ dem ist der Grundbesitzer nach § 135 ABG. aber auch verpflichtet, dem Besitzer eines außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes vom 22. Februar 1869 gelegenen verliehenen Stein- oder Braun­ kohlenbergwerks den zu Betriebszwecken erforderlichen Grund und Boden abzutreten, wie denn auch dieselbe Verpflichtung den metallischen Bergwerken gegenüber besteht, mögen diese innerhalb

SS 9. 10]

Gesetz vom 22. Februar 1869.

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oder außerhalb jenes Bereiches liegen. Rek.-Besch. v. 31. Okt. 1867, Z. Bd. 9 S. 216. Der Umstand, daß die Braunkohlen, welche in einem zu enteignenden Grundstücke vorkommen, nach dem Gesetz vom 22. Februar 1869 dem Grundeigentümer gehören, schließt die Statt­ haftigkeit der Enteignung des Grundstücks nicht aus, sondern kommt nur in Beziehung auf die dadurch bedingte Werterhöhung in Betracht. Rek.-Besch. v. 4. Juni 1890, Z. Bd. 31 S. 414. d) Durch die Angabe, daß er auf dem betreffenden Grund­ stücke selbst Kohlenbergbau betreiben wolle, wird der Grundbesitzer nicht von der Abtretungspflicht befreit- Rek.-Besch. vom 7. Nov. 1894, Z. Bd. 36 S. 131. 5. Zu Ziff. d. Unter Ziff. d ist der Kohlenabbau-Berechtigte denselben Vor­ schriften des ABG. unterworfen, welche für den Bergwerksbesitzer in bezug auf den Schadensersatz für Bergschäden und das Verhältnis des Bergbaues zu öffentlichen Verkehrsanstalten maßgebend sind, da hier zu einer abweichenden Behandlung keine Veranlassung vorlag. Mot. S. 46. Nach letzteren und der bestimmten Fassung der Vorschrift kann es nicht zweifelhaft sein, daß der Entschädigungs­ anspruch des Kohlenabbau-Berechtigten gegen eine öffentliche Ver­ kehrsanstalt nach § 154 ABG. beurteilt werden muß, Thiel­ mann Anm. 9 zu § 9. Anders Arndt 2. Ausl. S. 329, 330, sowie Anm. 3 zu 8 9 (vgl. dens. bei Gruchot Bd. 52 S. 78, sowie Schling S. 82), dessen Ansicht jedoch nicht beizutreten ist, daß die Vorschrift im § 9 Ziff. d, soweit die Schadensersatzfrage in Betracht komme, sich selbst aufhebe, und daß die öffentlichen Verkehrsanstalten für Kohlenfelder im Gebiete des Gesetzes vom 22. Februar 1869 nach den allgemeinen Rechtsregeln in eben­ dem Umfange Schadensersatz zu leisten haben, wie wenn es sich um Lehm-, Ton-, Kies- oder Marmorgruben handelt. 6. Zu § 9 Ziff. e. a) Den bereits im § 213 ABG. genannten Tit. VII und IX sind hier noch Tit. VIII über die Bergbehörden und die §§ 242 und 244 ABG. über die Berechnung der Fristen bzw. über die Aufhebung der älteren Gesetze hinzugefügt. b) Das Strafgesetz vom 26. März 1856 findet auf den sächsischen Kohlenbergbau keine Anwendung) vergl. Anm. zu diesem Gesetz im Anhang. § 10. wird der Sieitb oder Braunkohlen-Bergbau von mehreren Personen betrieben, so sind dieselben, sofern deren Vertretung nicht durch die allgemeinen Gesetze geordnet ist, verpflichtet, mittelst notarieller oder gerichtlicher Urkunde einen im Inlande wohnenden Repräsentanten zu bestellen, welchem die Befugnis zusteht, alle Vorladungen und andere Anstellungen an die Beteiligten mit voller rechtlicher Wirkung in Empfang zu nehmen und letztere bei den Verhandlungen mit der Bergbehörde,

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Zehnter Titel.

Provinzialrechtl. Bestimmungen.

[§ 10

mit dem Knappschaftsvereine und mit anderen auf den Bergbau bezüg­ lichen Instituten zu vertreten. Dasselbe gilt, wenn der Alleineigentümer einer Stein- oder Braun­ kohlengrube im Auslande wohnt. wird ein Repräsentant auf die Aufforderung der Bergbehörde inner­ halb einer Frist von drei Monaten nicht bestellt und unter Einreichung der Bestellungsurkunde namhaft gemacht, so ist die Bergbehörde befugt, bis dahin, daß dies geschieht, einen Repräsentanten zu bestellen und diesem eine angemessene, von den Beteiligten aufzubringende und nötigenfalls im Verwaltungswege exekutivisch einzuziehende Belohnung zuzusichern. Dieser interimistische Repräsentant hat die vorher angegebenen Be­ fugnisse des gewählten Repräsentanten, insofern die Bergbehörde keine Beschränkungen eintreten läßt. Bei Anwendung dieser Bestimmungen macht es keinen Unterschied, ob eine besondere Kohlenabbau-Gerechtigkeit besteht oder nicht.

1. Die Mitbeteiligten einer Kohlenabbau-Gerechtigkeit bilden keine Gewerkschaft im Sinne des ABG., sondern sind beim Mangel anderweitiger vertragsmäßiger Verabredungen als Gesell­ schaft bzw. Gemeinschaft gemäß §§ 705, 741 ff. BGB. anzusehen, Arndt Anin. 2 zu § 10, vgl. a. Urt. des RG. v. 20. April 1880, Z. Bd. 22 S. 111, sowie § 94 Sinnt. 4; § 133 Anm. 7.

2. Über die Verpflichtung zur Bestellung eines Repräsen­ tanten bemerken die Motive S. 47: Die Kohlenbau-Gesellschaften im „Regulativbezirke" waren verpflichtet, einen Vorstand zu ihrer Vertretung bei den Verhandlungen mit der Bergbehörde zu be­ stellen. Unerläßlich ist es, hieran festzuhalten und dieselbe Be­ stimmung auch auf den „Mandatsbezirk" auszudehnen. Es ent­ spricht dies der Vorschrift, welche im § 134 ABG. für den gleichen Fall getroffen ist, wenn bei dem verliehenen Bergbau eine von der gewerkschaftlichen Verfassung abweichende Gesellschaftsform angenommen ist." Obwohl der § 10 nur von der „Befugnis" dieses Repräsentanten zur Besorgung der dort bezeichneten Geschäfte redet, so muß doch aus der Fassung des § 10 in Ver­ bindung mit den Motiven gefolgert werden, daß der Gesetzgeber nicht die Absicht gehabt hat, in dieser Beziehung etwas Anderes zu bestimmen, als für den im § 134 bezeichneten Repräsentanten gilt; vielmehr ist anzunehmen, daß die im § 10 erteilte gesetzliche Befugnis zugleich die entsprechende unabänderliche Verpflichtung des Repräsentanten gegenüber der Bergbehörde usw. einschließt. Im übrigen ist die Vollmacht dieses Repräsentanten nicht nach dem vierten Titel des ABG., sondern nach den allgemeinen zivilrecht­ lichen Vorschriften zu beurteilen. 3. Für den allgemeinen Gerichtsstand einer Gewerkschaft im Mandatsgebiete ist ebenso wie bei den Gewerkschaften, deren Berg­ werk auf staatlicher Verleihung beruht, die Belegenheit des Berg­ werks gemäß § 17 Abs. 2 ZPO. maßgebend; Urt. des KG. v. 15. Dez. 1911. Z. Bd. 54 S. 406.

§214]

Provmzialrechtliche Bestimmungen.

891

§ 11. Das Rurfürstl.-fächfische Mandat vom 19. August i?43/ das Regulativ vom la Oktober 15 November ^8^3/ &05 ®cfeÖ vom i. Juni 1861 (Gesetzsammlung 5.353 ff.)

und die §§ 212 und 2\3 des Allgemeinen Berggesetzes vom 2-. Juni 1865 find aufgehoben.

Vorbemerkung zu § 214. Mot. 02 S. 10—16, StenB. HH. S. 348. Literatur: Achenbach, Die Anwendbarkeit des Allgemeinen Berggesetzes auf vorher entstandene Rechte und Rechtsverhältnille. Z. Bd. 6 S. 441. — Brassert, Die Übergangsbestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes. Z. Bd. 16 S. 209. — Herbig, Geschichte und wirtschaftliche Bedeutung der Rechtsverhältnisse des linksrheinischen Dachschieferbergbaus. Halle 1903.

Während in den rechtsrheinischen Landesteilen der ge­ samte Steinbruchsbetrieb, abgesehen von einzelnen partikularrecht­ lichen Ausnahmen, z. B. bezüglich des Dachschieferbergbaues, nicht unter dem Berggesetze und der Bergpolizei, sondern unter der Aufsicht der gewöhnlichen Orts- oder Landespolizeibehörden steht, und der Bergrevierbeamte unter Umständen nur technische Bei­ hülfe zu leisten hat, vgl. § 189 Anm. 5, kamen in den links­ rheinischen Landesteilen die Vorschriften des französischen Berggesetzes vom 21 April 1810 zur Anwendung, nach dessen Art. 81 u. 82 der Steinbruchsbetrieb mittelst Tagebaues lediglich der Aufsicht der gewöhnlichen Polizeibehörde und den allgemeinen oder örtlichen Gesetzen und Reglements, dagegen der unterirdische Steinbruchs­ betrieb der Beaufsichtigung durch die Bergbeamten nach Vorschrift des Tit. V unterworfen ist. Durch die Instruktion v. 3. Aug. 1810 § V. A. § 7 und das kaiserl. Dekret v. 18. Nov. 1810 Art 40 waren indes die Bergingenieure angewiesen, auch die mit Tage­ bau betriebenen Steinbrüche zu befahren und wegen des Betriebes derselben unter Berücksichtigung der Sicherheits- und Gesundheits­ verhältnisse Anleitung zu geben. Auf dieser Grundlage handhabte die Bergbehörde in dem linksrheinischen Teile der Rheinprovinz die Polizei über die Dachschieferbrüche, die Traßbrüche und die unterirdisch betriebenen Mühlsteinbrüche nach Maßgabe besonderer Bergpolizeiverordnungen des OBA. Bonn, Achenbach, Bergpolizei­ vorschriften S. 129 bis 138. Da gerade diese Steinbrüche, deren Produkte bekanntlich wichtige Handelsartikel bilden, wegen ihrer eigentümlichen Be­ triebsweise, der großen Anzahl und Ausdehnung der Betriebs­ punkte, der Gefährlichkeit des Betriebes und häufiger Uuglücksfälle die polizeiliche Beaufsichtigung durch eine technische Behörde nicht entbehren können, erschien es angezeigt, die Zuständigkeit der Bergbehörde hier aufrechtzuerhalten. Motiv S. 115, 116. Auf andere linksrheinische Steinbruchsbetriebe erstreckt sich dieselbe aber nicht,' vgl. Min.-Erl. v. 14. Febr. 1866, Z. Bd. 7, S. 267. Knappschaftsvereine waren für jene Steinbrüche bereits auf

892

Zehnter Titel.

[§ 214

Grund des Knappschaftsgesetzes vom 10. April 1854 eingerichtet worden, weshalb Titel VII des ABG. auf dieselben für anwend­ bar erklärt wurde. Außerdem war, soweit diese Betriebe oberirdisch — über Tage — betrieben wurden, für die übrigen Zweige des Arbeiter­ schutzes genügend Fürsorge getroffen, da nach § 154 GO. auf die in ihnen beschäftigten Arbeiter regelmäßig die §§ 133—139 b GO., die Verhältnisse der Fabrikarbeiter betreffend, Anwendung fanden. Dagegen waren diese Vorschriften auf die bei den unter­ irdisch betriebenen Brüchen und Gruben tätigen Arbeiter nicht anwendbar, da diese zum „Bergwesen" gemäß § 6 GO. gehörten und daher die Gewerbeordnung auf sie nur insoweit Anwendung fand, als dies Gesetz ausdrücklich Bestimmungen darüber enthielt. Infolgedessen war die Anwendbarkeit wichtiger Bestimmungen der Gewerbeordnung auf diese Betriebe ausgeschlossen (vgl. darüber im einzelnen Mot. S. 11/12). Nachdem der dritte Titel des dritten Abschnittes des ABG. durch die Novelle vom 24. Juni 1892 mit der Gewerbeordnung in dieser Beziehung in Einklang gebracht worden war, erschien es angezeigt, auch den in den linksrheinischen Bruchbetrieben beschäfrigten Arbeitern denselben Schutz zuteil werden zu lassen. Auf diesen Erwägungen beruht die neue Be­ stimmung des § 214 b. Einer besonderen Behandlung bedurfte ferner auf Grund der seit Erlaß des ABG. eingetretenen veränderten Verhältnisse der linksrheinische Dachschieferbergbau, der einen großen Aufschwung genommen hatte. Die bestehenden Rechtszustände standen einer gedeihlichen Entwicklung hindernd im Wege, weshalb im § 214 c auf ihn verschiedene Bestimmungen des ABG. ausgedehnt worden sind (vgl. im einzelnen zu diesem §). Der Entwurf des u. a. die herauf abzielenden Vorschriften ent­ haltenden Gesetzes betr. die Abänderungen einzelner Bestimmungen des ABG. vom 7. Juli 1902 wurde dem Herrenhause zunächst in der Session 1901 unterbreitet, er gelangte dort aber nur zur ersten Beratung. Er wurde sodann in im wesentlichen unveränderter Form im Jahre 1902 wieder eingebracht. Das Abgeordenetenhaus überwies ihn nach kurzer Beratung einer Kommission, auf deren Bericht das Gesetz sodann mit einer geringfügigen Abänderung angenommen wurde. Dasselbe geschah im Herrenhause (vgl. die Zusammen­ stellung der Materialien zu diesem Gesetze in den Vorbemerkungen). Das Gesetz ist gemäß Artikel IV desselben am 1. Januar 1903 in Kraft getreten. § 214. — Fassung des Art. II des Gesetzes vom 7. Juli 1902. — Zn den linksrheinischen Landesteilen sind die Dachschiefer­ brüche, die Traßbrüche und die Basaltlavabrüche der polizeilichen Beaufsichtigung durch die Bergbehörde unterworfen. Mot. S. 11.

3 214]

Provinzialrechtliche Bestimmungen.

893

1. Die linksrheinischen Steinbrüche sind hinsichtlich der Zu­ ständigkeit der Bergbehörden bei Anlage von Triebwerken, ins­ besondere von Wassertriebwerken, den Bergwerken gleichgestellt, Vers, des OBA. Bonn vom 15. April 1889, Z. Bd. 31 S. 134. 2. Die Anlage und der Betrieb der nicht den Bergbehörden unterstehenden Steinbruchbetriebe (vgl. S. 891) sind durch Verord­ nungen der Regierungen polizeilich geregelt, vgl. z. B. Z. Bd. 22, ©. 39 (Coblenz), Bd'. 23, S. 283, Bd. 28, S. 20 (Köln), Bd. 24, S. 220 (Aachen), Bd. 29, S. 185 (Trier), Bd. 33, S. 20 (Düsseldorf), vgl. a. die Bek. des Reichskanzlers vom 31. Mai 1909 in der Fassung v. 8. Dez. 1909 betr. die Einrichtung und den Betrieb von Steinbrüchen und Steinhauereien (Steinmetzbetrieben), Z. Bd. 51 S. 187. 3. Die Worte „unterirdisch betriebene Mühlstetnbrüche" wurde auf Grund der Novelle durch das Wort „Basalllavabrüche" ersetzt. Zur Begründung wurde folgendes geltend gemacht: „Zur Zeit des Erlasses des Allgemeinen Berggesetzes waren in dem fragliche Gebiete nur unterirdisch betriebene Mühlstembrüche vor­ handen. Diese alten Betriebspunkte lagen durchweg auf der Höhe eines Hanges, das zur Anfertigung der Mühlsteine geeignete Material — die Basaltlava — war durch ein mächtiges Deckgebirge überlagert. Man ging daher mit einem Schachte durch das Deck­ gebirge in die Tiefe und begann dann in der Basaltlava einen nach unten sich glockenartig erweiternden Bau. Infolge des in neuerer Znt erfolgten außerordentlichen Aufschwunges der Basalt­ lavaindustrie wurden zahlreiche neue Betriebspunkte eröffnet, die sich meistens talwärts — nach dem Abhange des Gebirges hin — an die älteren anschlossen. Mit dem Fortschreiten ins Tal nimmt aber die Mächtigkeit des Deckgebirges ab, so daß die Gewinnung der Basaltlava ganz allmählich aus dem unterirdischen Betrieb in den offenen Tagebau überging. Bei der Anmeldung des Betriebs bei der Aufsichtsbehörde stand aber vielfach die Art des spätern Betriebs noch nicht fest, weil auch der Tagebau mit dem Betrieb eines Gesenks durch das Deckgebirge begonnen wird und vielfach erst nach der Feststellung der Mächtigkeit des letztern die Ent­ scheidung über die Betriebsart stattfindet. Da die verschieden­ artigen Betriebe sich eng aneinanderreihen, nicht selten auch der einzelne Betrieb aus der einen Gewinnungsmethode in die andere nur ganz allmählich übergeht, so ist eine Scheidung in der Beauf­ sichtigung praktisch kaum durchführbar. Da zudem auch die Tage­ baue in der Regel verhältnismäßig eng und schmal, aber sehr tief — bis zu 30 Meter — sind, so erklärt es sich leicht, daß die Bergpolizeibehörden stets unbestritten von der Ortspolizeibehörde auch die Aufsicht über diese letztern Baue geführt haben. Es empfiehlt sich, diesen unzweifelhaft den, praktischen Bedürfnis ent­ sprechenden Zustand auch zu einem unbedenklich gesetzlichen zu machen. Zu diesem Behufe ist in den §§ 214 bis 214d des Gesetzentwurfs der Ausdruck: „unterirdisch betriebene Mühlstein-

894

Zehnter Titel.

[§§ 214 a. 214 b

brüche" ersetzt durch „Basaltlavabrüche", da die Basaltlava ausschließ­ lich das Mineral bildet, aus dem die Mühlsteine hergestellt werden. Diese Gesetzesänderung empfiehlt sich auch noch aus dem Grunde, weil schon seit langer Zeit aus der gewonnenen Basaltlava nur zum geringsten Teile Mühlsteine, zum überwiegenden Teile aber andere Produkte, Werksteine, Treppenstufen u. dgl. hergestellt werden." (Begr. S. 13.)

§ 214 a.

— 91 rt. II des Gesetzes vom 7. Juli 1902. —

Auf alle im § 2(4 bezeichneten Dachschiefer-, Traß- und Basaltlavabrüche kommen die nachfolgenden Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zur Anwendung: aus Titel III Abschnitt I „von dem Bergwerkseigentum im allgemeinen", die §§ 58 und 59; 2. Titel VII „von den Anappschaftsvereinen"; 3. Titel VIII „von den Bergbehörden"; 4. Titel IX „von der Bergpolizei"; 3. aus dem Titel XII „öchlußbestinimungen" der § 242. Mot. S. 11.

1. Die Anwendbarkeit der §§ 58 und 59, sowie des achten Titels des ABG. auf die in § 214a genannten Betriebe wurde schon früher in der Praxis angenommen, dies ist nunmehr auch in dem Gesetze zum Ausdruck gebracht worden. 2. Das OBA. Bonn hat Bergpolizeiverordnungen a) für Traß-, Basaltlava- und oberirdisch betriebene Dach­ schieferbrüche unter dem 9. Jan. 1904, Z. Bd. 45 S. 50 ff., b) für die unterirdischen Dachschieferbrüche unter dem 1. März 1912, Z. Bd. 53 S. 328 erlassen. 3. Anschlußbahnen der im § 214 genannten Brüche unter­ liegen nicht der bergpolizeilichen Aufsicht (arg. aus § 51 des Kleinbadngesetzes),' sie bedürfen der Genehmigung des Regierungs­ präsidenten, Min.-Erl. v. 19. Jan. 1895, Z. Bd. 36 S. 183. § 214 b.

— Art. II des Gesetzes vom 7. Juli 1902, — Auf die unterirdisch betriebenen Dachschiefer-, Traß- und Basaltlavabrüche (§ 2(4) kommen außerdem noch zur An­ wendung: Titel III Abschnitt 3 des gegenwärtigen Gesetzes „von den Bergleuten und den Betriebsbeamten" mit der Maßgabe, daß, soweit Anappschaftsvereine nicht errichtet find, die im

§§ 214b. 214c]

ProvinzialrcchtUche Bestimmungen.

895

§ 92 bezeichneten Geldstrafen derjenigen Krankenkasse zu­ fallen, welcher der Arbeiter angehört, in Ermangelung einer solchen einer anderen zum Besten der Arbeiter an dem Mrte bestehenden, von der Gemeindebehörde zu bestimmenden Kasse und in deren Ermangelung der Grtsarmenkasse.

Mot. S. 11-13. 1. Über die Gründe zur Aufnahme dieser Bestimmung vgl. die Vorbemerkung.

§ 214c. — Art. II des Gesetzes vom 7. Juli 1902. —

Auf die unterirdisch betriebenen Dachschieferbrüche (§2^4) kommen ferner noch zur Anwendung:

]. aus Titel III Abschnitt \ „von dem Bergwerkseigentum im allgemeinen" die §§ 60 bis 63 einschließlich, und zwar auch hinsichtlich der Anlage von Hilfsbauen im Felde eines anderen zur Dachschiefergewinnung Berech­ tigten, wobei letzteres dem Felde eines anderen Berg­

werkseigentümers gleichgeachtet wird;

2. aus Titel III Abschnitt 2 „von dem Betrieb und der Verwaltung" die §§ 66 bis ?9 einschließlich; 3. Titel V Abschnitt \ „von der Grundabtretung", nebst der zugehörigen Übergangsbestimmung des § 24] mit der

Maßgabe, daß die Grundabtretung nur insoweit gefordert werden kann, als die Benutzung eines stemden Grund­ stücks zur Anlage von Wegen, Eisenbahnen, Kanälen, Wasserläufen und Hilfsbauen zum Zwecke des Gruben­ betriebs und des Absatzes der Bergwerkserzeugnisse notwendig ist;

4. Titel V Abschnitt 2 „von dem Schadensersätze für Be­ schädigungen des Grundeigentums" mit Ausnahme des § ]52, insoweit darin von den „Arbeiten der Muter" die Rede ist. Mot. S. 14/15, KB. AH. S. 5, StenB. AH. S. 5916 ff., 5991.

1. Die Begründung dieser Vorschrift siehe in der Vor­ bemerkung und zu den einzelnen Bestimmungen die Anmerkungen zu Z 9 des Mandatsgesetzes. 2. In Ziff. 1 der Regierungsvorlage fehlten die sich jetzt hinter dem Worte „einschließlich" findenden Worte. Der Zu­ satz bezweckte, außer Zweifel zu stellen, daß das Hilfsbaurecht

896

Zehnter Titel.

Provinztalrechtl. Bestimmungen.

[§§ 214 c. 214 d

sich auch auf das Feld eines anderen zur Dachschiefergewinnung Berechtigten bezieht. 3. Ziff. 3 waren von der Kommission des Abgeordneten­ hauses hinter „Wasserläufen" die Worte „Halden-, Ablage- und Niederlageplätzen" eingeschoben worden. Dieser Zusatz ist auf Grund der von der Regierung geltend gemachten Bedenken in der zweiten Lesung wieder beseitigt worden (Sten. B. AH. S. 5914 ff., 5991). Dadurch ist klargestellt, daß die Aufzählung der Zwecke, für welche den Besitzern von linksrheinischen Dachschieferbrüchen das Enteignungsrecht zusteht, eine erschöpfende ist, vgl. auch Z. Bd. 43 S. 392.

8 214 d. — Art. II des Gesetzes vom 7. Juli 1902. —

Wird ein Dachschiefer-, Traß- oder Basaltlavabruch in den linksrheinischen Landesteilen von mehreren Personen gemein­ schaftlich betrieben, so finden die Bestimmungen des § 2(1 c in der Fassung des Gesetzes voni 8. April (894 (Gesetz-Samml. 5. 41) entsprechende Anwendung.

Mot. S. 16. Bei der vielfach weitgehenden Zersplitterung der Besitz- und Eigentumsverhältnisse an den in § 214 benannten Brüchen und Gruben hat sich der Mangel einer gesetzlichen Bestimmung über die Vertretung niehrerer, einen Bruch oder eine Grube gemein­ schaftlich betreibender Personen sehr fühlbar gemacht. Jn ß214ä des Entwurfs wird daher die Bestimmung des § 211 c (in der Fassung des Gesetzes vom 8. April 1894 (GS. S. 41), welche den gleichen Mangel für den Eisenerzbergbau im Herzogtum Schlesien und der Grafschaft Glatz abzustellen bezweckt, auf die in § 214 bezeichneten Betriebe entsprechend anwendbar erklärt." (Mot. S. 16).

Elfter Titel.

Übergangsbestimmungen.

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Elfter Titel.

ÜvergLngrdertimmungrn. Literatur: Achenbach, Die Anwendbarkeit des Allgemeinen Berggesetzes auf vorher entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse- Z. Bd. 6 S. 441. — Brassert, Die Übergangsbestimmungen des Allgemeinen BerggesetzesZ. Bd. 16 S. 209.

In Preußen fand die Bergrechtsreform einen ausgebreiteten, hoch entwickelten Bergbau und hiermit als nächstliegende und wichtigste die Aufgabe vor, für die weitere Erstarkung dieses be­ deutsamen Förderers des nationalen Wohlstandes mit Hilfe zeit­ gemäßer Rechtseinrichtungen Sorge zu tragen. Dies war indes dadurch allein nicht zu erreichen, daß der bereits bestehende Berg­ bau einem großen Teile der Vorschriften des neuen Gesetzes von vornherein und unmittelbar untergeordnet wurde- es bedurfte viel­ mehr außerdem einer vermittelnden Überleitung der unter dem früheren Rechte ausgebildete Verhältnisse auf den neuen Rechts­ boden und hierzu waren Übergangsbestimmungen in größerer Zahl erforderlich. Ohne diese zwischen dem alten und dem neuen Rechte geschlagene Brücke würde der ältere Bergbau auf unbestimmte Zeit an mangelhafte Rechtszustände gebannt und dem jüngeren, rechtlich besser ausgestatteten Bergbau gegenüber in eine ungünstige Lage versetzt worden sein. Die Übergangsbestimmungen des ABG. sind demnach in mancher Beziehung noch fortgesetzt von Bedeutung für zahlreiche Bergwerke und Bergwerkseigentümer. Neu hinzugekommen sind demnächst die Übergangsbestimmungen partikular-rechtlicher Natur, welche bei Einführung des ABG. in den neu erworbenen Landesreilen getroffen werden mußten. Die Übergangsbestimmungen des Titels XI erstrecken sich mit wenigen Ausnahmen auf alle rechtsrheinischen älteren wie neueren Landesteile und teilweise auch auf die linke Rheinseite. Sie zer­ fallen in zwei Hauptgruppen- die eine (§§ 215—225, 241) be­ schäftigt sich mit dem Bergwerkseigentum und gewissen Berechti­ gungen und Belastungen des Bergbaues, die andere (§§ 225 bis 240) mit der Beteiligung am Bergbau, hauptsächlich mit den älteren Gewerkschaften. An die Stelle des § 235 ist die Novelle v. 9. April 1873 (§§ 235a bis g) getreten. In bezug auf ihre Geltungsdauer und Tragweite sind die Bestimmungen dieses Titels wesentlich voneinander verschieden. Einige derselben (§§ 218, 221 u. 225) haben längst ihre Erledi­ gung gefunden und wiederum andere (§§ 215—217) keine Be­ deutung mehr, soweit es sich in denselben um Anträge auf Feldes­ erweiterung handelt- dagegen werden die übrigen Bestimmungen des Titels ihre Anwendbarkeit so lange behalten, als die bezüg57

898

Elster Titel.

[9§ 215-218

lichen, auf dem älteren Bergrechte beruhenden Verhältnisse fort­ bestehen, was voraussichtlich noch während einer längeren Reihe von Jahren der Fall sein wird. Insbesondere gilt dies von den Gewerkschaften alten Rechts.

88 215 bis 218. 8 215. Die Felder der bei dem Eintritt der Gesetzeskraft des gegenwärtigen Gesetzes eingelegten Mutungen und bestehenden Bergwerke sind nach Maßgabe desselben (88 26 ff.) auf den Antrag des Berechtigten, wenn sie gestreckte sind, in gevierte Felder umzuwandeln, und wenn sie gevierte Felder sind, bis ;u der zulässigen Ausdehnung (8 27) zu erweitern. Ein solcher Antrag gilt in Beziehung auf das begehrte freie Feld als Mutung. Bei konsolidierten Bergwerken kann der Antrag für jedes einzelne Feld gestellt werden. Ein Erweiterungsantrag ist nicht mehr zulässig, wenn er nicht binnen sechs Monaten nach Eintritt der Gesetzeskraft dieses Gesetzes bei der zur Annahme von Mutungen befugten Bergbehörde (8 12) gestellt worden ist. 8 2^6. Von dem durch einen Umwandlungs- oder Erwei­ terungsantrag (8 215) begehrten Felde dürfen die gestreckten Felder anderer Bergwerke nur dann ganz oder teilweise um­ schlossen werden, wenn die Eigentümer dieser Bergwerke auf eine desfallsige Aufforderung der Bergbehörde sich mit der Umschließung ihrer Felder ausdrücklich einverstanden erklären. Tritt diese Voraussetzung nicht ein, so muß der Antrag­ steller sich eine entsprechende, nötigenfalls durch einen Beschluß des (Dberbergamts festzustellende Beschränkung des begehrten gevierten Feldes gefallen lassen. 8 21?. Mehrere Umwandlungsanträge, welche auf das nämliche Feld gerichtet sind, begründen für jeden der Antrag­ steller ein gleiches Recht. Dasselbe gilt von mehreren Erwei­ terungsanträgen, welche auf das nämliche Feld gerichtet sind. Bei einer solchen Kollision bildet, insoweit eine vertrags­ mäßige Einigung nicht zu erzielen ist, die Teilung in gleiche Teile die Regel. Das Gberbergamt ist jedoch befugt, bei der Verleihung von diesem Teilungsverhältnisse abzuweichen, insoweit sich dies für einen zweckmäßigen Betrieb als erforderlich darstellt. 8 218. Diejenigen Umwandlungsanträge, welche innerhalb sechs Monaten nach Eintritt der Gesetzeskraft dieses Gesetzes

§§ 215-218]

Übergangsbestimmungen.

899

bei der zur Annahme von Mutungen befugten Bergbehörde (§ (2) eingehen, gewähren den auf Grund dieses Gesetzes ein­ gelegten Mutungen und Erweiterungsanträgen gegenüber ein Vorzugsrecht auf das im § 27 bestimmte Feld. Von den gevierten Feldern der Mutungen, welche innerhalb dieser Frist eingelegt werden, dürfen die gestreckten Felder bereits bestehender Bergwerke ohne ausdrückliche Einwilligung der Eigentümer auch dann nicht umschlossen werden, wenn seitens der letzteren keine Umwandlungsanträge gestellt sind. Mot. S. 117/118 (219), KB. AH. S. 65-67 (251/2), KB. AH. S. 99/100 (1252/3).

1. Die §§ 215—218 stehen untereinander in innigem Zu­ sammenhänge und erheischen deshalb eine gemeinsame Erläuterung. Die Feldesuniwandlung und die Feldeserweiterung, von welchem sie handeln, sind in dieser rechtlichen Gestaltung erst durch das ABG. neu in das Bergrecht eingeführt. Ihr genieinsamer Zweck geht dabin, die nämlichen Vorteile, welche durch die verbesserten Vorschriften über die Verleihung des Bergwerkseigentums zunächst nur den auf Grund des ABG. verliehenen Bergwerken zugute­ kommen, auch den bereits früher entstandenen Bergwerken darzuoieten. In bezug auf letztere mußte einem zweifachen, der technischen und wirtschaftlichen Entwickelung des Bergbaues hinder­ lichen Mangel abgehvlfen werden, nämlich der unzweckmäßigen Begrenzung und ungenügenden Ausdehnung vieler Grubenfelder, sowie der Gefährdung des Bergwerkseigentums in diesen Feldern durch Ansprüche Dritter. Es kam daher darauf an, soweit wie möglich einesteis auch für die älteren Bergwerke nachträglich Felder zu schaffen, deren Lage, Begrenzung und Größe den heutigen Anforderungen eines rationellen Bergbaues entspricht, und anderenteils in diesen Feldern ein gesichertes, von dem Vor­ behalte der Rechte Dritter befreites Bergwerkseigentum zu be­ gründen. Zu diesem Behufe gestattet das ABG. die „Umwandlung" der gestreckten Felder (Längenfelder) in gevierte Felder (Geviert­ felder) mit senkrechten, bis in die ewige Teufe niedergehenden, unveränderlichen Begrenzungsebenen und die „Erweiterung" der oberen gevierten Felder bis zu der für neue Verleihungen nach § 27 zulässigen Feldesgröße. Formen und Rechtswirkungen des Verfahrens sind im weientlichen dieselben, wie bet der ersten Ver­ leihung von Bergwerkseigentum) jedoch ist die Feldesveränderung in beiden Fällen an gewisse beschränkende Bedingungen geknüpft, welche zur Wahrung der allgemeinen Bergbauinteressen notwendig erfchlenen. In der Ausführung dieser gesetzlichen Maßregel hat sich deren große Tragweite herausgestellt. Soweit die tatsächlichen Verhältniffe es zuließen, haben die Bergwerkseigentümer in einer sehr erheblichen Zahl von Fällen von dem Rechte zur Umwand«

900

Elfter Titel.

[§§ 216-218

hing bzw. Erweiterung ihrer Felder Gebrauch gemacht und da­ durch die rechtliche, technische und wirtschaftliche Lage der Berg­ werke ungemein verbessert, ohne daß die auf der älteren Berechti­ gung beruhenden Rechte und überhaupt wohlerworbene Rechte geschmälert worden wären. Bis zu ihrer gegenwärtigen Fassung haben die Vorschriften der §§ 215—218 einen längeren Entwickelungsgang durchgemacht, aus welchem besonders die Vorschläge in dem im Dezember 1856 dem Landtage vorgelegten, aber nicht zur Erledigung gelangten Entwürfe eines Gesetzes über „die Bergeigentumsverleihung und Bestimmung der Grubenfelder", sowie in dem vorläufigen Berggesetzentwurfe von 1862 hervorzuheben sind. Vgl. Brassert, Über Feldesumwandlungen und Feldeserweiterungen, Z. Bd. 7 S. 183, Bd. 10 S. 45. Damals und auch noch in der Regierungs­ vorlage von 1865 handelte es sich indes lediglich um die Umwandlung der bestehenden Längenfelder in Geviertfelder. Die Vorschriften über die Ausdehnung der bestehenden Geviertfelder bis zu der jetzigen Feldesgröße, die Feldeserweiterung, kamen erst auf den Antrag der Herrenhaus-Kommission mit Einverständnis der Regierung in das Gesetz. Es sei recht und billig — so wurde geltend gemacht — daß, nachdem den Besitzern von gestreckten Feldern die Umwand­ lung in geviertes Feld und gleichzeitig die Ausdehnung bis zu der in Zukunft zulässigen Größe gestattet sei, auch den Besitzern von gevierten Feldern eine gleiche Begünstigung zugestanden und also die Möglichkeit gewährt werde, die an ihre verliehenen Felder angrenzenden freien Feldesteile bis zu jener Größe zu erwerben, ohne daß sie nötig hätten, auf Grund eines besonderen Fundes zu muten und demnächst den Umweg der Konsolidation einzuschlagen KB. d. HH. S. 65, d. AH. S. 99. Da das ABG. die Feldesumwandlung und die Feldeserweite­ rung als zwei voneinander verschiedene bergrechtliche Akte behandelt, so ist es zur Vermeidung von Irrtümern notwendig, die gesetzliche Bezeichnung genau beizubehalten und demnach von „Feldesum­ wandlung" nur bei gestrecktem, von „Feldeserweiterung" nur bei geviertem Felde zu reden, obgleich in der Regel auch die Umwand­ lung zugleich eine Vergrößerung des umgewandelten Feldes und andererseits die Erweiterung in gewisser Beziehung eine Umwand­ lung des älteren gevierten Feldes in sich schließt. Gemeinsam ist den Umwandlungs- und dem Erweiterungs­ anträgen die rechtliche Geltung als Mutung (§215 Abss.2), dieZulässigkeit für jedes einzelne Feld eines konsolidierten Bergwerks (§ 215 Abs. 3), die Beschränkung bei der Feldeslegung gegenüber benach­ barten Längenfeldern (§ 216) und die Behandlung mehrerer auf das nämliche Feld gerichteter Anträge (§ 217). Abweichend von den Umwandlungsanträgen stand dagegen den Erweiterungs­ anträgen das Vorzugsrecht des § 218 nicht zu und war deren Zulässigkeit überhaupt an die sechsmonatliche Frist des § 215 Abs. 4 geknüpft.

§§ 215—218]

Übergangsbestimmungen.

901

Diese Frist lief für die älteren Landesteile bereits am 1. April 1866 ab und endigte auch für die neu erworbenen Landesteile mit dem Ablaufe von sechs Monaten, nachdem dort das ABG. in Kraft getreten war. Die damaligen Erweiterungs­ anträge sind seitdem vollständig erledigt und somit die Übergangs­ bestimmungen der §§ 215—217 in Ansehung der Feldeserweite­ rung gegenstandslos geworden, was selbstverständlich ein Zurück­ gehen ' auch auf diese Bestimmungen nicht ausschließt, falls die Rechtswirkungen einer erfolgten Feldeserweiterung noch in Frage kommen sollten. An dieselbe sechsmonatliche Frist waren ferner auch die lediglich die Längenfelder berührende Übergangsbestimmungen des § 218 geknüpft, und demgemäß haben letztere ebenfalls ihre Er­ ledigung gefunden. Dieselben hatten den Zweck, während dieser Übergangszeit nicht nur der Feldesumwandlung möglichst Vorschub zu leisten «.Abs. 1), sondern auch die bestehenden Längenfelder gegen eine vorzeitige, die Feldesumwandlung vereitelnde Um­ schließung durch Mutungen Dritter zu schützen (Abs. 2). Obwohl die halbjährige Frist der §§ 215 u. 218 in aus­ giebigster Weise und mit günstigem Erfolge benutzt worden ist, vgl. die statistischen Angaben Z. Bd. 6 S. 62 u. Bd. 16 S. 212, so besteht doch noch jetzt, namentlich in einigen Erzrevieren des Oberbergamtsbezirks Bonn, eine große Zahl von Längenfeldern, bei welchen die Verhältnisse meistenteils so liegen, daß die Um­ wandlung überhaupt entbehrlich oder doch nur nach und nach ausführbar ist. Diese Längenfelder sind nämlich zum Teil von ihren Eigentümern selbst mit Geviertfeldern umschlossen und hier­ durch für alle Zeiten gegen Kollisionen mit benachbarten Berg­ werken geschützt worben, zum Teil aber in einem solchen Gemenge durcheinander gelegen, daß der Umwandlung notwendigerweise eine Vereinfachung der Eigentumsverhältnisse vorangehen muß. Wenn daher die Feldesumwandlung nur noch langsame Fortschritte machen kann, so behalten doch die für dieselbe maßgebenden Vor­ schriften und Rechtsgrundsätze ihre Bedeutung. Nachdem § 218 seine Anwendbarkeit verloren hat, kommen nur noch die §§ 215, 216 u. 217 und zwar insoweit in Betracht, als sie die „Umwandlung" der Längenfelder verliehener Berg­ werke betreffen, sie sind auch durch die Novelle vom 19. Juni 1907 (Art. VIII Abs. 1, s. Anhang) aufrechterhalten worden. Das Gesetz stellt nur die leitenden Grundsätze für die Feldes­ umwandlung auf und überläßt im übrigen der Praxis, dieselben auf die außerordentlich mannigfaltig gestalteten Fälle anzuwenden. 2. Den älteren, auf solche Mineralien verliehenen Berg­ werken, welche nach früherem Recht zum Bergregal gehörten, gegenwärtig aber dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers unterliegen, steht das Recht der Feldesumwandlung nicht zu, was dem § 222 nicht widerspricht. Rek.-Besch. v. 29. Dez. 1866 u. 14. Febr. 1868, Z. Bd. 8 S. 142, Bd. 9 S. 230.

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Elfter Titel.'

[§§ 215-218

3. Zu den den Gegenstand der Feldesumwandlung bildenden „gestreckten" Feldern gehören im Sinne des § 215 auch die „Breitenfelder", welche im vormaligen Herzogtum Nassau nach der Bergordnung vom 18. Febr. 1857 auf Dachschiefer verliehen worden sind, während die dortigen „Verttkallagerungsfelder" als „gevierte" Felder behandelt wurden. Z. Bd. 7 S. 461, Bd. 8 S. 20, Bd. 10 S. 66. 4. Die Feldesumwandlung setzt stets einen hierauf gerichteten Antrag voraus. Der Antrag gilt in Beziehung auf das begehrte Feld als „Mutung" (8 215 Abs. 2) und unterliegt deshalb auch den für die Mutung maßgebenden Vorschriften, soweit deren An­ wendung nicht durch die Verschiedenheit des Gegenstandes von selbst ausgeschlossen wird, indem z. B. weder ein Fundpunkt noch ein besonderer Namen des Feldes (§ 14 Nr. 3, 4) in Frage kommt. Der Situationsriß muß, abgesehen von dem Fundpunkte, den §8 17 u. 18, die Lage und Größe des begehrten Feldes den 88 26 u. 27 entsprechen usw. Wie die Mutung, so muß auch der Umwandlungsantrag bei den zuständigen Bergrevierbeamten angebracht werden. Berechtigt zu dem Antrag ist nur der Bergwerkseigentümer, nicht auch der Nutzungsberechtigte. Für die Gewerkschaft kann der Repräsentant oder Grubenvorstand die Feldesumwandlung be­ antragen, wenn mit derselben nicht zugleich eine Veränderung und namentlich eine Verringerung der Substanz des Bergwerks ver­ bunden ist, was indes in der Regel nicht der Fall sein wird. An sich kann in der Feldesumwandlung eine Verfügung über die Substanz des Bergwerks im Sinne des 8 214 ABG.nicht gefunden werden, da es sich wesentlich nur darum handelt, an die Stelle eines unzweckmäßigen Längenfeldes ein fest begrenztes und zugleich ausgedehntes Geviertfeld zu setzen, in welchem das ursprünglich verliehene Mineral vorteilhafter ausgebeutet werden kann. Z. Bd. 10 S. 67, 68; im Ergebnisse gleicher Ansicht, Thielmann Anm. 5 zu 8 215. Das auf Grund des Umwandlungsantrages einzuleitende Verleihungsverfahren hat sich im wesentlichen ebenfalls nach den­ selben Vorschriften zu richten, welche in dieser Beziehung für die Mutungen bestehen. Z. Bd. 10 S. 71—75. 5. Aus den besonderen Vorschriften der 8 215, 216 u. 217 ergeben sich für die Behandlung der Anträge auf Feldesumwand­ lung nachstehende Rechtsgrundsätze, wobei zunächst von den Fällen einer Konkurrenz mit anderen Bewerbern (vgl. unten Anm. 6) abgesehen ist. a) Das Umwandlungsfeld muß den Bedingungen der 88 26 u. 27 in der Weise entsprechen, daß das umzuwandelnde Längen­ feld, abgesehen von etwa aufgegebenen Feldesteilen, in die gesetz­ lich zulässige Maximalgröße des Umwandlungsfeldes eingerechnet wird.

§§ 215—218]

Übergangsbestimmungen.

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b) Die Freiheit, welche das ABG. dem Muter bei der Feldeslegung in den Grenzen der §§ 26 u. 27 läßt und der Rechts­ anspruch des Muters auf das gesetzliche Feld erleiden bei der Feldesumwandlung eine nicht unerhebliche Beschränkung dadurch, daß im § 216 die gänzliche oder teilweise Umschließung der ge­ streckten Felder anderer Bergwerke durch ein begehrtes Umwand­ lungsfeld von dem ausdrücklichen Einverständnisse der Eigen­ tümer dieser Bergwerke abhängig gemacht und, falls diese Voraussetzung fehlt, die entsprechende Beschränkung des begehrten Feldes der Beurteilung und Entscheidung des Oberbergamts als der verleihenden Behörde vorbehalten ist. Diese Beschränkung war hier, wo es sich um eine ausnahmsweise Begünstigung der Be­ teiligten durch Einräumung des Umwandlungsrechts handelt, unbedenklich, aber auch unerläßlich, um einem gemeinschädlichen Mißbrauche des neuen Rechts vorzubeugen und namentlich zu verhüten, daß im einseitigen Interesse einzelner Längenfeldbesitzer zahlreichen anderen Längenfeldern die Möglichkeit einer Umwand­ lung für immer entzogen würde. Der hierdurch den Längenfeldern gewährte Schutz bleibt so lange bestehen, als überhaupt noch Um­ wandlungen stattfinden können, während der gleiche Schutz, welchen § 218 Abs. 2 auch gevierten Mutungsfeldern gegenüber für sechs Monate gewährte, beabsichtigter Weise in Wegfall gekommen ist. c) Die Umschließung des gestreckten Feldes eines anderen Bergwerks durch ein bgehrtes Umwandlungsfeld ist nur dann von beut ausdrücklichen Einverständnisse des betreffenden Berg­ werkseigentümers abhängig, wenn es sich bei beiden Feldern um das nämliche Mineral handelt,' stehen dagegen verschiedene Mine­ ralien in Frage, so findet die Beschränkung des § 216 keine An­ wendung. Befehl, des OBA. Breslau v. 16. Okt. 1866, Z. Bd. 8 S. 143, Bd. 10 S. 77; Oppenhoff Nr. 1135, Arndt 2. Aufl. S. 205, Thielmann Anm. 1 zu 8 216, anders Huyssen S. 159. d. Nach § 216 dürfen die gestreckten Felder anderer Berg­ werke durch ein begehrtes Umwandlungsfeld nicht „ganz oder teil­ weise" umschlossen werden. Ob eine solche gänzliche oder teilweise Umschließung anzunehmen ist, hängt wesentlich von der sehr mannigfaltigen Gestaltung der einzelnen Fälle ab. Das ABG. schreibt deshalb auch nicht vor, wann eine unzulässige Umschließung von Längenfeldern anzunehmen ist und wann nicht, sondern über­ läßt dies der freien Beurteilung der verleihenden Bergbehörde und ermächtigt dieselbe zugleich, nötigenfalls auch über eine „entsprechende" Beschränkung des begehrten Umwandlungsfeldes zu befinden, damit die unstatthafte Umschließung anderer Längenfelder beseitigt wird. Vgl. Z. Bd. 10 S. 79—81. Daß durch die Umschließung die spätere Umwandlung der in Frage kom nenden Längenfelder unmöglich gemacht wirb, ist nicht Voraussetzung bes Begriffs der Umschließung, Rek.-Besch. v. 22. Jan. 1910, Z. Bd. 51 S. 347.

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Elfter Titel.

[§§ 215 -218

e) Bei konsolidierten Bergwerken kann nach der Wahl des Bergwerkseigentümers das durch die Konsolidation entstandene Feld als Ganzes umgewandelt werden, aber auch „jedes einzelne Feld" den Gegenstand eines Umwandlungsantrages bilden, was auf der positiven Vorschrift des § 215 Abs. 3 beruht, „weil in dieser Beziehung der Eigentümer eines solchen Bergwerks infolge der Konsolidation nicht ungünstiger gestellt sein darf, als der­ jenige, welcher seine Felder nicht konsolidiert hat." Mot. S. 117. Die Umwandlung solcher Einzelfelder bewirkt aber niemals die rechtliche Auflösung der Konsolidation selbst. Z. Bd. 10 S. 81 bis 83. 6. Für die Konkurrenz von Umwandlungsanträgeu mit anderen Bewerbern gelten folgende Rechtsgrundsätze, nachdem das vorübergehende Vorzugsrecht des § 218 Abf. 1 nicht mehr ausgeübt werden kann: a) Zwischen Umwandlungsanträgen, welche auf das nämliche Feld gerichtet sind, besteht kein Vorrecht des Alters- dieselben begründen nach § 217 Abs. 1 ohne Rücksicht auf das Präsentatum für jeden der Antragsteller „ein gleiches Recht". Rek.-Besch. v. 2. Nov. 1867, Z. Bd. 9 S. 231- Urt. des Kreisg. Beuthen v. 16. Sept. 1868 u. des Appell.-Ger. Ratibor v. 22. April 1869, Z. Bd. 10 S. 466- ferner Z. Bd. 6 S. 611, 613, Bd. 10 S. 83, 504. Gegenstand des gleich starken Rechts ist nur dasjenige Feld, auf welches die konkurrierenden Ansprüche gerichtet sind - auf Feldes­ stücke, welche von dieser Kollision nicht berührt werden, findet §217 keine Anwendung, so daß dieselben nicht mit in die Teilung gehen. Die Entscheidung der Bergbehörde hat in solchen Kollisions­ fällen nur einzutreten, wenn eine Einigung der Beteiligten nicht zustande kommt. Die Teilung des streitigen Feldes in gleiche reale Teile bildet alsdann die Regel (§ 217 Abs. 2). Da jedoch die ausnahmslose Durchführung dieser Regel zu unpraktischen Ergebnissen führen und unter Umständen offenbare Nachteile für den Betrieb verursachen würde, so hat das Oberbergamt als ver­ leihende Behörde die Befugnis, ein anderes Teilungsverhältnis festzustellen, welches sich „für einen zweckmäßigen Betrieb als er­ forderlich darstellt"- sonstige Beweggründe können nicht in Betracht kommen. Z. Bd. 10 S. 85, 86. b) Dem dem Bergwerkseigentümer „vor jedem Dritten" zu­ stehenden Vorrechte zum Muten (§ 55), muß im Kollisionsfalle auch der Umwandlungsantrag nachstehen. Beschl. des OBA. Bonn v. 5. Febr. 1866 Z. Bd. 7 S. 262- vgl. auch Rek.-Besch. v. 13. Juli 1867, Z. Bd. 9 S. 209, dagegen entscheidet bei der Konkurrenz mit sonstigen Mutungen nach dem ABG. das Vorrecht des Alters (§25), Thielmann Anm. 4, Arndt Anm. 3 zu §215.

§§ 215—218]

Übergangsbestimmungen.

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7. Abgesehen von den bergbaulichen und wirtschaftlichen Vorteilen, welche die gesetzlich vollzogene Feldesumwandlung ge­ währt, gelangen die rechtlichen Wirkungen derselben im wesentlichen in den nachstehenden Grundsätzen zuni Ausdruck: a) Infolge der Feldesumwandlung wird das auf dem älteren Rechte beruhende Bergwerkseigentum nicht etwa durch ein neu entstehendes Bergwerkseigentum beseitigt, sondern nur gewissen, ganz bestimmten Veränderungen unterworfen. Die Person des Berechtigten bleibt dieselbe- daher ist die Gewerkschaft alten Rechts nicht genötigt, die neue gewerkschaftliche Verfassung anzunehmen. Das Bergwerk selbst hält in bezug auf die gewinnenden Mine­ ralien seine ursprüngliche Berechtigung, es sei denn durch die neue Urkunde etwas anderes hierüber bestimmt. Desgleichen behält das Bergwerk sein bisheriges Blatt im Grundbuche (Berggegen­ buche), und zwar in der Weise, daß die erfolgte Uniwandlung des Feldes durch eine entsprechende Eintragung auf dem Titel ersicht­ lich gemacht wird. Dagegen erleidet das ursprüngliche Feld eine wesentliche Veränderung- das Längenfeld bleibt als solches nicht bestehen, an seine Stelle tritt vielmehr vermöge der Umwandlung das Geviertfeld als Ganzes, mit Einschluß der neu hinzugekonimenen, seither im Freien gelegenen Feldesteile. Urt. des Appell.-Ger. Köln v. 8. Juli 1874, Rhein. Archiv Bd. 66 S. 52, Z. Bd. 24 S. 217. Dem Bergwerkseigentümer stehen demnach außerhalb der Grenzen des Geviertfeldes keinerlei Rechte mehr zu, auch dann nicht, wenn etwa Teile .der ursprünglich durch das Längenfeld überdeckten Lagerstätte bei der Umwandlung von dem Geviertfelde ausgeschlossen worden sind. Eine weitere Folge der Aufhebung des Längenfeldes ist die, daß ein Vorbehalt des Bergwerkseigen­ tümers, durch welchen die Rechte eines Längenfeldes trotz der er­ folgten Umwandlung aufrecht erhalten werden sollen, unzulässig ist- Rek.-Besch. v. 15. Nov. 1867, Z. Bd. 9 S. 228. b) Haften auf dem Bergwerke, dessen Längenfeld unigewandelt ist, Hypotheken und andere Realrechte oder Privilegien des rheini­ schen Rechts, so geht die Verpfändung und Belastung zufolge all­ gemeiner Rechtsregeln ohne weiteres auf das ganze Umwandlungs­ feld einschließlich der neu hinzugekommenen Feldesteile über. Das Interesse der Gläubiger wird hierdurch nicht gefährdet, vielmehr deren Lage verbessert. Zu ihrer Befriedigung kann aber nur das Umwandlungsfeld, nicht das frühere Längenfeld in Anspruch genommen werden. B. Bd. 10 S. 90, 91 - auch Urt. des OTr. v. 30. Juni 1873, Z. Bd. 14 S. 394, Entsch. Bd. 70 S. 298. Ebenso, wie die Umwandlungsfelder von den dinglichen Lasten, welche auf den ursprünglich verliehenen Längenfeldern ruhen, mit ergriffen werden, findet dies bei den seiner Zeit auf Grund der Übergangsbestimmung des § 215 verliehenen Erweiterungsfeldern statt. Urt. des OTr. v. 30. Juni 1873, Entsch. Bd. 70 S. 298, Z. Bd. 14 S. 398. Das Reichsgericht hat diesen Grundsatz auch

906

Elfter Titel.

[§§ 215-218

auf die Grundkuxberechtigung ausgedehnt und angenommen, daß die Bestimmung im § 224 Abs. 1 ÄBG. nicht entgegensteht. Urt. v. 17. Juni 1893, Z. Bd. 34 S. 526. Unbedenklich ist die Aus­ dehnung auf den Grundkux wohl nicht. c) Nach Vorstehendem hat die Unterscheidung zwischen dem alten und neuen Bergwerkseigentum in einem Umwandlungsfelde oder auch zwischen dem alten und neuen Teile des Feldes selbst im wesentlichen nur eine theoretische Bedeutung, kann aber in gewissen Rechtsverhältnissen zu Dritten ausnahmsweise auch eine praktische Seite darbieten, z. B. wenn ein Längenfeld umgewandelt worden ist, durch welches ein jüngeres Längenfeld Ausfall erlitten hat,- Z. Bd. 10 S. 91, 92. 8. Für die bis jetzt noch nicht umgewandelten Längenfelder sind die zahlreichen Entscheidungen der Bergbehörden und Gerichte, namentlich diejenigen von Wichtigkeit, welche sich auf die recht­ liche Wirkungen der Längenvermessung, den Identitätsbeweis und den mit der Verleihung verknüpften gesetzlichen Vorbehalt der Rechte Dritter beziehen. Von diesen Entsch. vgl. Urt. des OTr. v. 7. Febr. u. 11. Juli 1873, Z. Bd. 14 S. 400, 408, Gruchot Bd. 17 S. 897; Urt. des Oberappell.-Ger. Berlin v. 27. März 1873 u. des RG. v. 30. April 1881, Z. Bd. 14 S. 257, Bd. 23 S. 120; Rek. Besch, v. 25. Aug. 1882, Z. Bd. 24 S. 265. Nach den neueren Entscheidungen gelten in dieser Hinsicht im allgemeinen folgende Grundsätze: Das Längcnfeld folgt beim Flözbergbau ebenso wie bei dem Gangbergbau im Streichen und Fallen dem Verhalten der Lager­ stätte. Es erstreckt sich innerhalb der verschiedenen Längenaus­ dehnung so weit, wie die Lagerstätte ununterbrochen fortschreitet und einfällt, findet aber seine natürliche Grenze da, wo die Kon­ tinuität des Fortstreichens oder Einfallens abgeschnitten, die Lager­ stätte verdrückt oder verworfen ist. Jede die Kontinuität der ganzen Lagerstätte unterbrechende Verwerfung macht, falls nicht dem Beliehenen ein sog. Vierungs­ recht zusteht, bei einem Längenfelde der Berechtsame ohne weiteres ein Ende. Vgl. hierzu die Urt. des OLG. Hamm vom 11. Juli 1896, Urt. des RG. vom 15. Okt. 1892, Z. Bd. 38 S. 81, Bd. 34 S. 126. In diesen Urteilen sowie in dem Urt. des OLG. Hamm vom 31. Okt. 1894, Z. Bd. 36 S. 54 finden sich auch nähere An­ gaben über den Umfang und die rechtliche Natur des Vierungs­ rechts, siehe ferner über die sog. künstliche Vierung Urt. des RG. vom 25. Nov. 1908, Z. Bd. 51 S. 297. Gegen den in diesem letzteren Urteil vertretenen Standpunkt, daß die Bestimmung des § 367 T. II Tit. 16 ALR. betr. die Ge­ rechtsame auf Längenfelder über Störungen hinaus nicht eine durch Gegenbeweis entkräftbare Beweisregel, sondern eine juristische Fiktion (praesumtio iuris et de iure) enthalte, wendet sich Hol­ länder in Z. Bd. 53 S. 500 ff. mit beachtlichen Ausführungen.

§§ 218. 219]

Übergangsbestimmungen.

907

Im übrigen unterliegt bei Gangstreitigkeiten in einem Längen­ felde der Identitätsbeweis gegenwärtig den allgemeinen Grund­ sätzen des § 286 ZPO. und der Richter hat auch hierüber unter Berücksichtigung des Inhalts der Verhandlungen und der Beweis­ ergebnisse nach freier Überzeugung zu entscheiden, vgl. ob. Urt. des RG., Z. Bd. 34 S. 126. Bei Kollisionen mehrerer Bergwerkseigentümer ist der in den Verleihungsurkunden zum Ausdruck gebrachte Verleihungswllle der verleihenden Bergbehörden maßgebend, z. B. gegenüber Verleihungs­ rissen, die auf irrigen Messungen beruhen (Urt. des RG. vom 1. Nov. 1899, Z. Bd. 41 S. 113), ebenso für die Frage, ob beab­ sichtigt war, von dem der Bergbehörde zustehenden Rechte, die Berechtsame auch über Gebirgsstörungen hinaus zu erstrecken, Ge­ brauch zu machen (Urt. des RG. vom 15. Juni 1910, Z. Bd. 52 S- 264, vgl. dagegen Arndt Anm. 2 zu § 215). Vgl. ferner Kreutz, Die Streckung von Längenfeldern über Gebirgsstörungen beim Steinkohlenbergbau im Geltungsbereiche der revidierten kleve märkischen Bergordnung, Glückauf 1909 Nr. 19 und 20, Arndt, Über die Begrenzung von Längenfeldern, Glückauf 1913 Nr. 38, 39 u. 49. Wegen der Vermessung von Längenfeldern vgl. § 39 Anm. 5 und von der Bercken, „Das "Alter im Felde" und „Die Grubenfelder mit ewiger Teufe und Vierung" Z. Bd. 1 S. 109, Bd. 2 S. 53, sowie Hatzfeld, Die Vermessung der Längenfelder, Z. Bd. 40 S. 418. 9. Von den neueren Bergges. hat nur dasjenige für Meiningen (Art. 203—208) die Bestlmmungen der §§ 215 bis 218 unver­ ändert übernommen - dagegen befinden sich in dem braunschw. Bergg. (§§ 211 und 212) nur die auf die Feldeserweiterung be­ züglichen Vorschriften. Das bayer. Bergg. (Art. 276—279) kennt nur die Feldesumwandlung. In die Bergg. für Elsaß-Lothr., Württemberg, Hessen, Anhalt und S. Altenburg sind wegen man­ gelnden Bedürfnisses Bestlmmungen über Feldesumwandlung und Feldeserweiterungen überhaupt nicht ausgenommen. Aus demselben Grunde enthält auch das K. Sächs. Bergg. nichts hierüber.

§ 219. Wird das Eigentum eines Bergwerks, dessen gestrecktes Feld von denr gevierten Felde eines anderen Bergwerks um­ schlossen ist, nach dein sechsten Titel des gegenwärtigen Gesetzes aufgehoben, so hat der (Eigentümer des anderen Bergwerks, welchen die Bergbehörde von der Aufhebung in Kenntnis zu setzen hat, ein binnen vier Wochen nach dieser Bekanntmachung auszuübendes Vorzugsrecht auf die Vereinigung des gestreckten Feldes mit seinem gevierten Felde. Die Vereinigung wird durch einen Nachtrag zur Ver­ leihungsurkunde ohne weitere Förmlichkeiten ausgesprochen. Mot. S. 118 (219/20).

Elfter Titel.

908

[§§ 219. 220

Da Längenfelder, welche infolge der Aufhebung des Berg­ werkseigentums (Tit. VI) frei geworden sind, als solche nicht wieder verliehen werden können und eine Wiederverleihung als Geviert­ feld in der Regel nicht ausführbar sein wird, wenn das Längen­ feld von einem anderen Geviertfelde umschlossen war, dagegen die Vereinigung eines solchen Feldes mit dem umschließenden Geviert­ felde aus bergbaulichen und wirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist, so begünstigt § 219 diese Vereinigung. Mot. S. 118. Dem Eigentümer des umschließenden Bergwerks ist das Vorzugsrecht auf Erwerbung des frei gewordenen Längenfeldes eingeräumt und für den Fall der Ausübung desselben ein einfaches, von den Förm­ lichkeiten des Verleihungsverfahrens entkleidetes Verfahren ange­ ordnet, in dem die Feldesvereinigung lediglich durch einen Nach­ trag zu der Verleihungsurkunde des Geviertfeldes ausgesprochen wird. Auch einer Veröffentlichung dieses Nachtrags bedarf es nicht. Z. Bd. 9 S. 235. Liegt das Längenfeld innerhalb verschiedener Geviertfelder, so hat jeder Eigentümer eines derselben Anspruch auf den innerhalb seines Feldes belegenen Teil des Längenfeldes, Thielmann Anm. 1 zu § 219. Wird das Vorzugsrecht nicht ausgeübt, so kann jeder Dritte im Wege der Mutung die Wieder­ verleihung des Bergwerkseigentums in dem frei gewordenen Felde begehren, jedoch gemäß § 26 nur mit festen, senkrecht in die ewige Teufe niedergehenden Begrenzungsebenen, so jetzt auch Thiel­ mann Anm. 2, Arndt Anm. zu § 219.

§ 220.

Den im Kreise Wetzlar auf Grund der §§ 156 und (57 Teil II Titel (6 des Allgemeinen Landrechts mit gevierten Feldern verliehenen Bergwerken steht die ewige Teufe nach senk­ rechten Ebenen zu. Mot. S. 118/9 (220).

In dem zu dem Bergreviere Wetzlar gehörenden Kreisen Wetzlar wurden vor Einführung des ABG. die flötzartigen Rot­ eisensteinlagerstätten auf Grund der §§ 156 und 157 T. II Tit. 16 ALR. mit geviertem Felde (Fundgrube und zwanzig Maßen) verliehen. Es waren Zweifel darüber entstanden, ob die senk­ rechten Begrenzungsebenen dieser Geviertfelder infolge des Ges. vom 1. Juli 1821 (GS. S. 106) bis zur ewigen Teufe nieder­ gehen oder ob die Berechtigung auf die Fundlagerstätte beschränkt sei. Diesen Zweifel beseitigt im Sinne der ersteren, richtigen An­ nahme die Bestimmung des § 220, welche die Bedeutung einer ge­ setzlichen Deklaration hat. Eine gleiche deklarierende Bestimmung wurde später für die älteren „gevierten" Felder im vorm. Herzog­ tum Nassau getroffen- Art. X der Einf.-Verordn.

§§ 221. 222]

Übergangsbestimmungen.

909

8 221.

Wer auf Grund einer vor dem (Eintritt der Gesetzeskraft des gegenwärtigen Gesetzes eingelegten Mutung auf das Md eines ;u derselben Zeit bereits bestehenden Bergwerks oder auf Teile desselben ein Vorzugsrecht zu haben glaubt, muß letzteres innerhalb eines Jahres, von jenem Zeitpunkte an, durch gericht­ liche Klage gegen den Bergwerkseigentümer verfolgen. Wer von dieser Frist keinen Gebrauch macht, ist seines etwaigen Vorzugsrechts auf das Feld verlustig. Mot. S. 119 (220). Wie das neu verliehene Bergwerkseigentum durch das Publikations- und Präklusionsveriahren der §§ 35 und 36 ABG. gegen Ansprüche dritter Muter dauernd gesichert wurde, so mußte ein gleicher Schutz auch für das schon vor Erlaß des ABG. verliehene Bergwerkseigentum geschaffen werden. Da dasselbe (ab­ gesehen von dem Geltungsbereiche des franz. Bergg.) nach dem Grundsätze des älteren deutschen Bergrechts (vgl. § 352 T. II Tit. 16 ALR.) überall nur „älteren Rechten unbeschadet" verliehen war, so entbehrten die bestehenden Bergwerke jeder rechtlichen Sicherheit gegenüber solchen Mutern, welche auf das Feld oder auf Teile desselben Vorzugsrechte behaupteten, jedoch aus irgend­ einem Grunde nicht geltend gemacht hatten. Es kam vor, daß aus älterer Zeit noch Ansprüche von Mutern auftauchten, durch welche im guten Glauben unternommene Bergbauanlagen in ihrem Fort­ bestände bedroht wurden. Zur Beseitigung dieses Übelstandes be­ stimmte § 221 eine einjährige Präklusivfrist zur Geltungmachung etwaiger Vorzugsrechte aus älteren Mutungen. Mit dem Ablaufe dieser Frist ist § 221 gegenstandslos geworden- er hat seinen Zweck erfüllt und die älteren Bergwerke von allen nicht gerichtlich ver­ folgten Ansprüchen dritter Muter befreit. Es ist selbstverständlich und ergibt sich auch aus der Fassung des Gesetzes und den Motiven, daß § 221 die gegenseitigen Rechts­ verhältnisse, welche zwischen den älteren Bergwerken, insbesondere denjenigen mit Längenfeldern nach den Grundsätzen des früheren Bergrechts über das „Alter im Felde" (vgl. §§ 359 ff. T. II Tit. 16 ALR.) entstanden sind, unberührt gelassen hat- an den wohlerworbenen Rechten des Bergwerkseigentümers, um welche es sich hierbei handelt, durfte das ABG. nichts ändern. Thiel­ mann § 221 Anm. 1.

§ 222. Soweit das gegenwärtige Gesetz auf die bereits bestehenden Bergwerke überhaupt Anwendung findet, unterliegen den Be­ stimmungen desselben auch diejenigen Bergwerke, welche den

910

Elfter Titel.

[§§ 222. 223

seitherigen gesetzlichen Vorschriften gemäß auf Mineralien be­ rechtigt sind, die der § s dieses Gesetzes nicht mehr aufführt. Mot. S. 119 (220). 1. Indem das ABG. gewisse Mineralien, welche nach dem älteren Bergrecht dem Bergregal unterworfen waren, in den § 1 nicht mit aufnahm und demnach fortan dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers überließ, erhielt dasselbe andererseits, den all­ gemeinen Grundsätzen über die Rückwirkung neuer Gesetze auf vorhandene Rechtsverhältnisse entsprechend, die auf solche Mineralien früher erteilten Verleihungen in Kraft- die hierauf beruhenden Rechte der Bergwerkseigentümer wurden als fortbestehend aner­ kannt. Urt. des OTr. vom 6. Febr. 1872, Z. Bd. 13 S. 541, Entsch. Bd 67 S. 147, Striethorst Bo. 84 S 200, und vom 16. Mai 1879, Z. Bd. 21 S. 388- auch Rek.-Besch. vom 31. Jan. 1866, Z. Bd. 7 S. 255 und Besch, des OBA. München vom 6. Juli 1876, Z. Bd. 19 S. 531, ferner Urt. des RG. vom 20. März 1901, Z. Bd. 43 S. 53 bezüglich der Gültigkeit von Distriklsverleihungen trotz § 35 ABG., vgl. auch Art. VIII Abs. 1 der Nov. vom 18. Juni 1907 im Anhang. Da aber im übrigen die älteren Gesetze aufgehoben wurden, so mußten die bergrechtlichen Verhält­ nisse auch jener Bergwerke nach dem neuen Bergg. geregelt werden, und zwar in Übereinstimmung mit denjenigen aller übrigen Berg­ werke, was durch § 222 geschehen ist. Die Mineralien, auf welche die Vorschrift des § 222 Bezug hat, sind bei § 1 Aum. 1 namhaft gemacht. 2. Das Recht der Feldesumwandlung (Feldeserweiterung) stand bzw. steht den im § 222 bezeichneten Bergwerken nicht zu88 215 bis 218 Anm. 2. Dagegen genießen dieselben den straf­ rechtlichen Schutz des Ges. vom 26. März 1856, s. Anhang.

8 223.

Nach dem Eintritt der Gesetzeskraft des gegenwärtigen Gesetzes findet eine Verleihung von Erbstollenrechten nicht mehr statt. In Ansehung der bereits bestehenden Erbstollengerechtigkeiten, insbesondere auch der Aufhebungsartcn, verbleibt es bei den Bestimmungen der seitherigen Gesetze. Im Gesetzesbereiche des Allgemeinen Landrechts bedarf es jedoch zur Befreiung eines Bergwerks von den Erbstollengebühren durch eine Ivasferhaltungsmaschine einer besonderen Verleihung der Erbstollengerechtigkeit für diese Maschine nicht mehr; es genügt, wenn die sonstigen Bedingungen der Ent­ erbung nach den 88 ^68 ff. Teil II Titel (6 des Allgemeinen Landrechts vorhanden sind. Erbstollenrechte erwirbt eine solche Masserhaltungsmaschine für sich nicht. Mot. S. 120 (220), KB. HH. S. 67/8 (252/3), KB. AH. S. 101/2 (1253/4).

§23]

Übergangsbestimmungen.

911

1. Wenn die Alten von den Erbstollen rühmten, sie seien „die schönste Kunst auf dem Bergwerke", „das Hertz und Schlüssel des Gebttrges und geben dem Bergwerk die meiste Fortsetzung", so geschah dies mit gutem Grunde- sie waren vielfach zur berg­ männischen Ausschließung des Gebirges unentbehrlich, und ohne die Wasser- und Wetterlösung, welche durch sie besorgt wurde, wäre mancherorten der Bergbau nicht zu blühender Entwickelung, sondern zum frühen Erliegen gekommen. Die ältere Berggesetzgcbung be­ günstigte deshalb die Anlage von Erbstollen durch selbständige Unternehmer und stattete diese mit besonderen Rechten und reich­ lichen Einnahmequellen aus- es galt ein eigenes, zum Teil recht verwickeltes Erbstollenrecht. Der Staat selbst kam dem Bergbau dadurch zu Hilse, daß er für eigene Rechnung große Erbstollen (Haupterbstollen) trieb. Allein in demselben Maße, wie im Laufe des Jahrhunderts die Bergbautechnik fortschritt und die dem Bergbau dienenden maschinellen Kräfte vervollkommnet wurden, nahm die Bedeutung der Erbstollen ab. Die vorhandenen Erbstollen wurden in vielen Fällen entbehrlich, und statt neuer solcher Anlagen führte man Tiesbauanlagen aus, welche in kürzerer Zeit und mit geringeren Kosten größere Erfolge erzielten. Es entsprach dem Interesse der Bergwerksbesitzer nicht mehr, wenn gegen ihren Willen und um den Preis drückender Stvllenabgaben Erbstollen von dritten Per­ sonen in ihre Felder getrieben wurden. Zudeni hatte sich die Spekulation ohne wirklichen Nutzen für den Bergbau auf die Er­ werbung von Erbstvllengerechtigkeilen geworfen, was zu berechtigten Klagen der Bergbautreibenden Anlaß gab. Demzufolge bestand Einverständnis darüber, daß das Erbstollenrecht in dem ABG. keinen Platz mehr finden könne. § 223 har zwar die bestehenden Erbstollengerechligkeiten nach Maßgabe der früheren Gesetze auf­ rechterhalten, dagegen die Erwerbung neuer Erbstollenrechte gänz­ lich ausgeschlossen (vgl. Rek.-Besch. vom 28. Dez. 1865 und 2. Mai 1866, Z. Bd. 6 S. 620, Bd. 7 S. 269); an die Stelle des Erbstollenrechts trat auf wesentlich anderen wirtschaftlichen und recht­ lichen Grundlagen das Hilfsbaurecht der §§ 60 bis 63. 2. Aus der Beschränkung der bestehenden Erbstollen auf die ihnen früher gewährten Rechie folgt, daß die Übertragung von Elbstollenrechten auf einem Grubenbau, für welchen dieselben auf Grund der ursprünglichen Erbstollenverleihung nicht in Anspruch genommen werden können, nichk mehr zulässig ist, Rek.-Besck. vom 13. Jan. 1880, Z. Bd. 21 S. 268; daß ferner die Verleihungs­ urkunde für einen Erbstollen nicht mehr dahin abgeändert werden kann, daß von der verlcihungsmäßigen Richtung des Erbstollens abgewichen werden dürfe, Rek.- Belch, vom 26. Jan. 1880, Z. Bd. 21 S. 269. 3. Die Reform, welche in bezug auf die Aufhebung des Berg­ werkseigentums im sechsten Titel stattgefunden hat, berührt die Erbstollengerechligkeiten nicht. Für diese ist es, wie § 223 Abs. 2

912

Elfter Titel.

[§223

zur Vermeidung von Zweifeln ausdrücklich hervorhebt, bei den Aufhebungsarten des älteren Rechts verblieben, zumal keine Veranlassung vorlag, die Verpflichtungen der Erbstöllner, von deren Erfüllung die Erhaltung ihrer Gerechtsame abhängt, zu er­ leichtern. Im Geltungsbereiche des ALR. ist daher auch nach wie vor die demselben eigentümliche Enterbung eines Erbstollens durch eine Wasserhaltungsmaschine statthaft, vorausgesetzt, daß letztere den materiellen Erfordernissen entspricht, von welchen dieses Enterbungs­ recht nach §§ 468 ff. T. II Tit. 16 ALR. abhängt. Dagegen mußte von der früher erforderlichen formellen Verleihung der Erbstollengerechtigkeit für die Wasserhaltungsmaschine (Erbschachtverleihung), weil nach Erlaß des ABG. nicht mehr ausführbar, abgesehen werden, was um so unbedenklicher war, als die Wasserhaltungsmaschine nur das Enterbungsrecht, nicht aber Erbstollenrechte für sich niehr erwirbt. § 223 Abs. 3, Mot. S. 120, KB. d. AH. S. 101. 4. Es ist hier nicht der Ort und würde zu weit führen, die für die bestehenden Erbstollen noch maßgebenden Vorschriften der Bergordnungen und des ALR. wiederzugeben und zu erläutern. Ein kurzer Hinweis auf die Quellen und die hauptsächlichen Ent­ scheidungen wird genügen, zumal die Zahl der noch zu Recht be­ stehenden Erbstollengerechtigkeiten nur noch eine geringe ist. Im landrechtlichen Gebiete bilden die wichtigste Quelle für das Erbstollenrecht die subsidär. Vorschriften im T. II Tit. 16 §§ 221 bis 252 und 383 bis 471 ALR., von welchen jedoch die 88 238, 239, 241 bis 243, 248 und 250 infolge des 8 223 Abs. 1 ABG., nicht mehr anwendbar sind. Außerhalb dieses Gebietes kommen die einschlägigen Bestimmungen der Bergordnungen, welche das Erbstollenrecht nur zum Teil in ausreichender Vollständigkeit behandeln, und als hervorragende Erkenntnisquelle die kursächs. Stollenordnung vom 12. Juni 1749 in Betracht, obwohl dieselbe nur in einzelnen Bezirken Gesetzeskraft besitzt. Hervorzuheben sind namentlich die Bestimmungen folgender Bergordnungen: NassauKatzenelnb. Art. 29 bis 35, kurtriersche Art. VI, hennebergische Art. 88 bis 98, kursächsische Art. 77, 79 bis 82, kurkölnische T. VI, eisleben mannsfeldische Art. 38, jülich bergische Art. 5, klevemärkische Kap. XIII bis XXV, schlesische Kap. XIV bis XXVI, magdeburg-halberstädtische Kap. XIV bis XXVI. Vgl. Brassert, Bergordnungen. Außerdem ist auf die älteren Bergordnungen zu verweisen, welche in einzelnen Teilen des vorm. Königreichs Han­ nover und des vormal. Kurfürstentums Hessen galten,' vgl. Z. Bd. 8 S. 158 und 209. Für das vorm. Herzogtum Nassau enthielt auch die neuere Bergordnung vom 18. Februar 1857 8 35 einige das Erbstollenrecht betreffende Vorschriften. Zur Literatur: Hake, Kommentar Kap. X S. 279 bis 327; Karsten, Grundriß 88 368 bis 406, Gräff, Handbuch S. 144 bis 149, 182 bis 199; Klo st ermann, Lehrbuch S. 366 bis 378, und Kommentar, dritte Aufl. S. 324 bis 339 (die vierte Aufl.

§ 223]

Übergangsbestimmungen.

913

enthält diesen Abschnitt nicht mehr)- Achenbach, Deutsches Berg­ recht S. 141 bis 147, 380, 381; Brassert, Bergrecht des ALR. (Materialien zu T. II Tit. 16 §§ 221 bis 252, 383 bis 471); von der Bercken, Übersicht der Erbstollengebühren usw. in Z. f. B., H. u. S.-W. Bd. V S. 61; Beith, Bergwörterbuch S. 154 ff. 5. Im Anschluß an das Vorbemerkte folgt hier nach der Reihenfolge der §§ im T. II Tit. 16 ALR. eine Übersicht über die das Erbstollenrecht betreffenden, teils auf dem ALR., teils auf den Bergordnungen und der kursächs. Stollenordnung beruhenden wichtigeren Entscheidungen der Bergbehörden und der Gerichte, unter kurzer Andeutung des Inhalts: (§ 221). Urt. des OTr. vom 14. Dez. 1864, Z. Bd. 7 S. 220, Striethorst Bd. 57 S. 164 — Erbstollengerechtigkeit zur Lösung eigener Gruben. Urt. des OTr. vom 31. März 1865, Z. Bd. 7 S. 234 — kein Erbstollenrecht des Bergwerkseigentümers an einem eigenen Grubenstollen. (§ 223 bis 225). Urt. des OTr. vom 12. Dez. 1856, Striethorst Bd. 23 S. 149 — Zulässigkeit des Ansteigens des Erbstollens mit Genehmigung der Bergbehörde. Urt. des AppellGer. Ratibor vom 16. Febr. 1865, Wachter S. 279, Kloster­ mann, dritte Aust. Sinnt. 524 — unzulässige Gesprenge im Erbstollen, Urt. des OTr. vom 13. Sept. 1867, Z. Bd. 9 S. 179 — nachträgliche Genehmigung zu Gesprengen und größerem An­ steigen. (88 227, 228). Rek.-Besch. vom 3. Nov. 1869, Z. Bd. 11 S. 373 — Rechtsweg bei Streitigkeiten über Erzgewinnung außer­ halb der Dimensionen des Erbstollens. (8 230). Min.-Erl. vom 13. Aug. 1865 — Beschränkung der Befugnis des Erbstöllners zum Ausbrechen. (8 234). Urt. des OTr. vom 5. Nov. 1852, Entsch. Bd. 24 S. 202, Striethorst Bd. 8 S. 27; vom 5. Okt. 1855, Striethorst Bd. 18 S. 186; vom 19. Febr. 1869, Z. Bd. 10 S. 407, Striethorst Bd. 74 S. 42 — Finderrecht des Erb­ stöllners auf überfahrene Gänge und Flötze; Rechtszubehör der Erbstollengerechtigkeit. Vgl. auch 8 24 Sinnt. 5 oben S. 105 und Wachter, Z. Bd. 15 S?338. (8 235). Über Fristung und Freifahrung von Erbstöllen vgl. Z. Bd. 6 S. 616 ff. (8 247). Vers, des OBA. Dortmund vom 26. Febr. 1867, Z. Bd. 9 S. 236 — Bauhafthaltung des Erbstollens. Rek.-Besch. vom 3. Jan. 1868, Z. Bd. 9 S. 237 — Freierklärung eines Erb­ stollens wegen unterlassenen Betriebes. Rek.-Besch. vom 8. Juli 1871 und Urt. des OTr. vom 5. März 1875, Z. Bd. 12 S. 409, Bd. 16 S. 404 — Unstatthaftes Ansteigen eines Erbstöllen kein Grund der Auflässigkeit. Urt. des OTr. vom 7. Juni 1872 und Rek. Besch, vom 26. Juni 1872, Striethorst Bd. 85 S. 214, 58

914

Elfter Titel.

[§223

Z. Bd. 14 S> 237, 266 — Verlust der Erbstollengerechtigkeit wegen Nichtbetriebes durch ein ganzes Quartal. Urt. des OTr. vom 24. Okt. 1873, Z. Bd. 15 fe. 130, Entsch. Bd. 71 S. 76 — Rechts­ weg über Auflässigkeit eines ErbstoÜens. Wegen Aufnahme eines auflässigen Erbstollens als Hilfsbau vgl. § 60 Anm. 1. (§ 252). Rek.-Besch. vom 10. Inn. 1866, Z. Bd. 7 S. 129 — Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des ABG. über den Verlust des Bergwerkseigentums auf Erbstollen. Rek.-Besch. vom 12. Jan. 1870, Z. Bd. US. 374 — keine Verpflichtung des Erbstöllners zur Bauhafthaltung eines enterbten Flügelorts. (§ 387). Urt. des OTr. vom 27. Jan. 1860, Z. Bd. 1 S. 281, Striethorst Bd. 36 S. 170, und vom 27. März 1868, Z. Bd. 10 S. 441 — Ausschließung der Besitzstörungsklage gegen den sein Recht ausübenden Erbstöllner. (§ 394). Urt. des OTr. voni 22. Sept. 1845, Präj.-Samml. Bd. 1 S. 299 — keine Verpflichtung des Erbstöllners zur Herbei­ führung des durch ein Nalurereiqnis gehemmten Abflusses der Grubenwasser. Urt. des OTr. vom 6. Jan. 1873, Striethorst Bd. 87 S. 297 — Verpflichtung des Erbstöllners zur Beseitigung der Schädlichkeit der gelösten Wasser. (88 205, 409). Urt. des OTr. vom 6. März 1861, Z. Bd. 2 S. 516, Entsch. Bd. 46 S. 285, Striethorst Bd. 42 S. 19 — Erfordernisse des Anspruches des Erbstöllners auf den Stollenhieb und den vierten Pfennig. (§ 417). Über den Betrag des Neunten des Erbstöllners vgl. 8 4 des Ges., betr. die Besteuerung der Bergwerke, vom 12. Mai 1851. (8 423). Urt. des OTr. vom 13. Sept. 1867, Z. Bd. 9 S. 179, Striethorst Bd. 68 S. 141 — Betrieb eines Erbstollens für Rechnung des Staates ohne Verleihung. (8 429). Urt. des OTr. vom 9. April 1875, Z. Bd. 16 S. 504 — Vermessung der Erbtense bis zur Sohle der Wasser­ rösche. (8 434). Urt. des OTr. vom 13. Juli und 14. Dez. 1864, Z. Bd. 7 S. 215, 220, Striethorst Bd. 56 S. 83, Bd. 57 S. 164 — Erfordernisse des Anspruches auf den halben Neunten. (88 449 bis 452, 468 bis 471). Rek.-Besch. vom 22. März und 10. Juli 1862, Z. Bd. 3 S. 130, 393, und Urt. des OTr. vom 14. Dez. 1864, Z. Bd. 7 S. 220, Striethorst Bd. 57 S. 164 — Erbstollenrechte für Wasserhalrungsmaschinen- Anwend­ barkeit der landrechtlichen Vorschriften als Subsidiarrecht. Vers, des OBA. Bonn vom 17. Okt. 1861, Z. Bd. 2 S. 532 — keine Erbstollenrechte für Wasserhaltungsmaschinen im Bereiche des gemeinen Bergrechts. (8 457). Urt. des OTr. vom 30. April 1858, Striethorst Bd. 29 S. 278 — Erfordernisse der Enterbung; ein Übersich­ brechen zu eigenen Wetterversorgung des Erbstollens genügt zur Enterbung nicht, Urt. des OTr. vom 31 März 1865, Z. Bd. 7

§§ 223. 224]

Übergangsbestimmungen.

SIS

S. 234 — zwei Erbstollen als notwendige Voraussetzung für die Enterbung. Urt. des OTr. vom 29. Jan. 1866, Z. Bd. 7 S. 228 — bedingtes Vorzugsrecht des Erbstöllners auf eine tiefere ent­ erbende Stollenanlage, auch gegenüber der Anlage einer enterbenden Wasserhaltungsmaschine, nach Art. 31 der nassau-katzenelnb. Bergorbit.; vgl. auch über die Tragweite des Art. 31 KB. d. HH. S. 68 u. d. AHS. 102, ferner Z. Bd. 1 S. 335, Bd. 4 S. 272, Bd. 6 S. 620, Bd. 7 S. 228 Anm. 1. Da der Erbstöllner, welcher sein Stollenrecht aufgibt, nur von einer ihm bergrechtlich zustehenden Befugnis Gebrauch macht, so ist er für die hieraus den beteiligten Bergwerken und überhaupt Dritten erwachsenden Nachteile, abgesehen von einem etwaigen persönlichen Schuldverhältnisse, nicht verantwortlich. Urt. des RG. vom 11. Dez. 1889, Z. Bd. 31 S. 253. 6. Die Erbstollengerechtigkeit bedurfte, da sie auf dem hoheits­ rechtlichen Akte der Verleihung beruhte, nach früherem Rechte (§ 12 EEG.) der Eintragung in das Grundbuch nicht, s. erste Aufl. S. 165, T h i e l m a n n Anm. 2, a. A. A r n d t Anm. 1 zu 8 223. Nach heutigem Recht wird sie, falls sie ein Grundbuchblatt erhalten hat, wozu es aber eines Antrages des Berechtigten be­ darf (§ 7 GBO., Art. 17 Abs. 2 AG. z. GBO.), genau wie das Bergwerkseigentum behandelt (Art. 40 AG. z. BGB.). 7. Von den neueren Berggesetzen enthalten nur diejenigen für S.-Meiningen (Art. 211), Anhalt (8 215) und Bayern (Art. 282) Bestimmungen über das Erbstollenrecht, und zwar gibt ersteres nur den Abs. 1, das bayr. nur den Abs. 2, das anh. auch Abs. 1 und 2 des 8 223 wieder. Auch nach dem k. sächs. Bergg. (8 290) ist die Verleihung neuer Erbstollenrechte mit Ausnahme derjenigen, welche sich auf den Fortbetrirb verstufter Erbstöllen beziehen, unstatthaft. Für die bereits bestehenden gelten die 88 291 ff. § 224.

Bei Bergwerkseigentum, welches nach dem Eintritt der Gesetzeskraft des gegenwärtigen Gesetzes verliehen wird, findet ein Anspruch auf Freikuxe irgend einer Art nicht mehr statt. Den bereits vor diesem Zeitpunkte von Airchen und Schulen, von dem Schlesischen Freikuxgelderfonds und von Grundbesitzern erworbenen Freikuxen steht nur eine Realberechtigung auf den durch die bisherigen Gesetze bestimmten Ausbeuteanteil an dem Bergwerkezu. Durch die nach 8 9 des Anappschaftsgesetzes vom (0. April (85^ erfolgte Aufhebung der beiden Freikuxe für die Anappfchafts- und Armenkasse ist weder die Quote des Ausbeute­ anteils der übrigen Freikuxenberechtigten, noch die Zahl der gewerkschaftlichen Auxe verändert worden.

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Elfter Titel.

[§ 224

Die Ablösung der Freikuxe bleibt der freien Vereinigung der Beteiligten vorbehalten. Mot. S. 120—123 (220-222), KB. HH. S. 68/9 (253), KB. AH. S. 102/3 (1254), StenB. AH. S. 1807.

1. Durch § 224 Abs. 1 sind die dem älteren Bergrecht an­ gehörenden Freikuxe in Ansehung des Bergwerkseigentums, welches auf Grund des ABG. verliehen wird, ausnahmslos aufgehoben. Die übrigen Bestimmungen gelten den bereits bestehenden Freikux­ berechtigungen, und zwar haben diejenigen des Abs. 2 und 3 einen deklaratorischen Charakter, während Abs. 4 neues Recht enthält. 2. Die lediglich auf der kleve-märk. Bergordn. Kap. 30 § 1 beruhenden landesherrlichen Freikuxgelder waren bereits durch § 6 des Ges. über die Besteuerung der Bergwerke vom 12. Mai 1851 und demnächst die beiden Freikuxe, welche nach den drei revidierten Bergordn. und § 134 T. II Tit. 16 ALR. den Knappschaftskassen zustanden, durch § 9 des Knappschaftsges. vom 10. April 1854 auf­ gehoben. Demnach fand das ABG. noch die Kirchen- und Schul­ kuxe sowie den Erb- oder Grundkux und die Mitbaukuxe des Grundeigentümers vor. Über die einen wie die anderen galten bis dahin sehr verschiedene Vorschriften. Das ALR. gewährte zwei Freikuxe für Kirche und Schule, „sofern die Provinzialgesetze keine Ausnahme enthalten". Von den älteren Bergordn. kannte nur die kurkölnische zwei solche Freikuxe, welche den „Bergstädten" zur Erhaltung der Kirche und Schule berechnet werden sollten. Nach den drei revidierten neueren Bergordn. waren ebenfalls zwei Kuxe für Kirche und Schule frei zu bauen, jedoch nahm die kleve-märk. Bergordn. die Steinkohlenbergwerke hiervon aus. Im Bereiche der schief. Bergordnung fiel der Ertrag nicht der Kirche des Abbau­ ortes, sondern auf Grund der König!. Verordnung vom 9. März 1830 (GS. S. 48, B r a s s e r t, Bergordnungen S. 986) dem Frei­ kuxgelderfonds zu, um bei letzterem für kirchliche und Schulzwecke verwandt zu werden. Dem Grundeigentümer gewährten die älteren Bergordn. einen, die revidierten Bergordn. zwei Freikuxe und zwar in der Regel als Entschädigung für den Grund und Boden, welcher durch den Bergbau beschädigt oder zu gewissen bergbaulichen Anlagen, wie Halden, Wegen u>w. abgetreten war. Nach der Mehrzahl der älteren Bergordn. hatte der Grundeigentümer das Wahlrecht zwischen diesem Freikux, vier Mitbaukuxen und der Entschädigung in Gelde, wogegen das ALR. T. II Tit. 16 §§ 112, 117 ff., 134 dem Grund­ eigentümer außer den beiden Freikuxen (dem Erbkux) vollständige Geldentschädigung zubilligte, Aus einer Reihe triftiger Gründe rechtlicher und wirtschaft­ licher Natur war die Befreiung des nach dem ABG. zur Ver­ leihung komnienden Bergwerkseigentums von sämtlichen Freikuxen geboten- Mot. S. 120 bis 122; KB. d. HH. S. 102.

§224]

Übergangsbestimmungen.

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3. Soweit Freikuxberechtigungen nach dem älteren Recht bereits erworben waren, als das ABG. in Kraft trat, sind die­ selben bestehen geblieben. Dieser Schutz wohlerworbener Rechte gestaltet sich indes in der Anwendung verschieden, je nachdem es sich um Kirchen- und Schulkuxe oder um den Erbkux und die Mit­ baukuxe handelt. Die Freikuxberechtigung von Kirche und Schule ist nämlich auch bezüglich derjenigen damit belasteten Bergwerke aufrecht erhalten, bei welchen sie noch nicht zur Ausführung ge­ kommen war, als das ABG. in Kraft trat,' denn diese Berechti­ gungen entsprangen lediglich aus den früher geltenden Gesetzen und wurden bezüglich eines bestimmten Bergwerks mit der recht­ lichen Entstehung desselben erworben- darauf, ob das Bergwerk bei Eintritt der Gesetzeskraft des ABG. bereits in Ausbeute stand und ob der Berechtigte damals sein Recht ausgeübt hatte oder nicht, kommt es nicht an. Motive zu dem vorl. Entwürfe von 1862, S. 196; Urt. des OTr. vom 29. Jan. 1875, Z.Bd.16 S. 387, Entsch. Bd. 74 S. 98, Striethorst Bd. 93 S. 167. Anders ist die Rechtslage bei dem Erbkux und den Mitbau­ kuxen. Hier wird die Freikuxberechtigung im einzelnen Falle nicht schon durch die Entstehung des Bergwerks, sondern erst durch eine nachfolgende selbständige Tatsache, ein selbständiges Ereignis erworben, welche den Bergwerkseigentümer zur Gewährung des Erbkuxes usw. gesetzlich verpflichten, mag nun der Erbkux nach der verschiedenen Auffassung der früheren Berggesetze als Entschädigug für Grundabtretung oder für Bergschäden oder für beides behan­ delt werden. Solange diese tatsächliche Voraussetzung nicht vor­ liegt, kann von einem wohlerworbenen Rechte auf den Erbkux nicht die Rede sein. Gegenwärtig sind vielmehr auch diejenigen Grundeigentümer, welche unter dem älteren Recht den Erbkux hätten in Anspruch nehmen können, lediglich den Vorschriften im fünften Titel des ABG. über die Entschädigung bei der Grund­ abtretung und bei Bergschäden unterworfen, was für sie zugleich eine bessere Wahrung ihrer Interessen bedeutet. Die fortbestehende Anwendbarkeit des älteren Rechts beschränkt sich demnach lediglich auf die schon vor der Gesetzeskraft des ABG. tatsächlich erworbenen Erbkuxe und Mitbaukuxe. Anders Klo st ermann Anm. 285 und jetzt auch Thiel mann Anm. 2 zu § 224. Vgl. bezüglich der Freikuxberechtigungen hauptsächlich folgende Bergordnungen: Nassau-katzenelnb. Art. 28; kurtriersche Art. IV 25; Homburgische Art. 7; kursächs. Art. 72, vgl. mit Art. 1 und 4 der Stollenordnung; kurkölnische T. II Art. 8, T. III Art. 19; kleve-märkische Kap. 30 §§ 1 bis 3; schlesische und magdeburgischhalberst. Kap. 31 §§ 1 bis 3; ferner ALR. T. II Tit. 16 §§ 134, 277, und soweit es sich um den Begriff „Ausbeute" handelt, §§ 296 bis 306. Brassert, Bergordnungen. 4. Über die rechtliche Natur der Freikuxe bestanden Meinungs­ verschiedenheiten. Während in einem Urt. des OTr. vom 5. Juni 1857 (Striethorst Bd. 24 S. 354) die Freikuxe als Miteigen»

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Elster Titel.

[§224

tumanteile und die Freikuxberechtigten als Miteigentümer des Berg­ werks angesehen waren, wurden die Freikuxe von anderer Seite (K l o st e r m a n n, Übersicht der bergrechtl. Entsch. S. 209) als eine auf dem Bergwerke ruhende Reallast, als eine Realberechtigung auf einen aliquoten Anteil an dem Nutzungsertrage des Bergwerks aufgefaßt. Durch die deklaratorische Bestimmung im § 224 Abs. 2 ist die Streitfrage im Sinne der letzteren Auffassung beseitigt, in­ dem nur diese der rechtlichen Stellung des Freikuxberechtigten zu dem Bergwerkseigentümer entspricht und mit der neuen Gewerk­ schaftsverfassung vereinbar ist. Mot. S. 122. Vgl. auch Urt. des k. sächs. LG. zu Freiberg vom 9. Rov. 1886 und des OLG. Dres­ den vom 27. April 1887, ß. Bd. 29 S. 492. Für die Bestimmung des Ausbeuteanteils, auf welchen die Realberechtigung sich bezieht, sind „die bisherigen Gesetze" maßgebend. 5. Dem früher entstandenen Zweifel, welchen Einfluß die Aufhebung der beiden knappschaftlichen Freikuxe (Anm. 2) auf die Zahl der gewerkschaftlichen Kuxe und auf die Ausbeuteanteile der bestehen gebliebenen Freikuxe ausgeübt habe, beseitigt die deklara­ torische Bestimmung im § 224 Abs. 3. Hiernach hat die Gewerk­ schaft alten Rechts nach wie vor 128, nach der schles. und magd.halberst. Bergordn. 122 gewerkschaftliche Kuxe und die Kirche und Schule bzw. der Grundeigentümer einen Anspruch auf je 2/134stel (nach jenen Bergordn. auf je 2/128stel und nach der kleve-märk. Bergordn. auf 2/136stel) der Ausbeute. Mot. S. 123. 6. Nach Lage der früheren Gesetzgebung waren die Freikuxe nicht ablösbar. § 224 Abs. 4 spricht die Ablösbarkeit, weil im Interesse des Bergbaues liegend, aus, sieht jedoch von dem Ab­ lösungszwange aus triftigen Gründen ab; Mot. S. 123. Der Ver­ zicht auf die Ansprüche aus einem Grundkux charakterisiert sich nicht als die Bestellung einer Grunddienstbarkeit, ist somit auch nicht eintragungsfähig, Beschl. des KG. vom 20. Jan. 1902, Z. Bd. 44 S. 153, Johow Bd. 23 AS. 226. 7. Durch die Verwaltungs- und Gerichtspraxis ist eine Reihe von Rechtsgrundsätzen festgestellt, welche für die noch be­ stehenden Freikuxberechtigungen maßgebend sind. Die wichtigeren folgen hier: A. Allgemeine Grundsätze. a) „Dse bisherigen Gesetze" (§ 224 Abs. 2), durch welche der Ausbeuteanteil der Freikuxberechtigungen bestimmt wird, verstehen unter „Ausbeute" den Überschuß, welcher von dem Ertrage eines Bergwerks nach Zurückerstattung sämtlicher Zubußen d. h. der zum Betriebe des Werkes geleisteten und verwendeten Beiträge der Ge­ werken (des Bergwerksbesitzers), nach Tilgung der etwa zu dem Betriebe aufgenommenen Schulden, sowie nach Abzug der für die nächste Zeit zum Betriebe erforderlichen Kosten übrig bleibt. Ledig­ lich diese gesetzlichen Merkmale des Begriffes „Ausbeute" sind maßgebend, wenn es sich um die Ermittelung handelt, ob ein

§ 224]

Übergangsbestimmungen.

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freikuxpflichtiges Bergwerk Ausbeute gebaut und davon einen entsprechenden Anteil an den Freikuxberechtigten zu entrichten hat, mag das Bergwerk sich im Besitze einer Gewerkschaft, eines Alleineigentümers, einer Aktien- oder sonstigen Gesellschaft be­ finden. Urt. des RG. vom 4. Nov. 1882; Min.-Besch, vom 9. Jan. 1883, Entsch. Bd. 8 S. 220, Z. Bd. 24 S. 510, Bd. 25 S. 136. Übrigens hat der Prozeßrichter bei Ermittelung der Ausbeute und des dem Freikuxberechtigten gebührenden Geld­ betrages nicht die Beweisregeln des § 287 ZPO. zur Anwendung zu bringen, denn es handelt sich hier nicht um ein „zu ersetzendes Interesse" im Sinne des § 287, Vorst. Urt. des RG. Etwaige Einnahmereste, welche durch den Verkauf von Kohlen auf Kredit entstanden sind, dürfen bei Berechnung der Ausbeute den Freikuxberechtigten nicht in Abzug gebracht werden. Urt. des Appell.-Ger. Breslau vom 5. Mai 1859; Min.-Besch, vom 30. Jan. 1867, Z. Bd. 9 S. 240, 241. Auch kann der Freikuxberechtigte verlangen, daß der bei den Produktenverkäufen tatsächlich erzielte Reinerlös in Rechnung gestellt wird und nicht etwa statt desselben die Sätze der amtlichen Erztaxe in Ansatz gebracht werden. Min.Besch. vom 17. Mai 1883, Z. Bd. 25 S. 138. Der Freikuxbe­ rechtigte ist, wenn nach der Anordnung der Gewerkschaft die Aus­ beute in Natur verteilt wird, zu verlangen befugt, daß ihm die auf seinen Anteil fallenden Erze ebenso wie den Gewerken in auf­ bereitetem Zustande gewährt werden; er braucht sich mit Zuweisung der Erze, wie sie aus ber Grube gefördert werden, nicht zu be­ gnügen. Urt. des RG. vom 12. Nov. 1884, Z. Bd. 26 S. 530, Entsch. Bd. 22 S. 269. b) Die Freikuxberechtigten sind befugt, von dem Eigentümer des freikuxpflichtigen Bergwerks Rechnungslegung über "den aus dem Bergwerksbetriebe erzielten Ertrag (die Ausbeute) zu ver­ langen. Urt. des OTr. vom 29. Jan. 1875, Z. Bd. 16 S. 387, Entsch. Bd. 74 S. 98; vom 21. Jan. 1878, Z. Bd. 20 S. 353, Entsch. Bd. 81 S. 187; vom 11. Juli 1879, Z. Bd. 21 S. 529, Striet hör st Bd. 93 S. 167; Min.-Besch, vom 9. Jan. 1883, Z. Bd. 25 S. 136. Anders das ältere Urt. des OTr. vom 30. Juni 1865, Z. Bd. 7 S. 239, Entsch. Bd. 55 S. 180. Unter mehreren freikuxberechtigten Kirchen- und Schulge­ meinden ist jede ohne Zuziehung der übrigen befugt, von dem Ver­ pflichteten die Rechnungslegung an die Gesamtheit der Berechtigten zu verlangen und hierauf zu klagen. Vorst. Urt. vom 29. Jan. 1875 und 21. Jan. 1878. In bezug auf die Rechnungslage, welche der Freikuxbe­ rechtigte von dem Bergwerkseigentümer zu verlangen berechtigt ist, hat das Reichsgericht folgende Grundsätze festgestellt: 1. Art und Maß der Rechnungslegung sind nach den kon­ kreten Verhältnissen des einzelnen Falles festzusetzen. 2. Durch Vorlegung der von einer Bergwerks-Aktiengesellschaft ihrer General­ versammlung gelegten Rechnungen und aufgemachten Bilanzen wird

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der Verpflichtung zur Rechnungslegung an den Freikuxberechtigten nicht genügt. 3. Ebensowenig wird die Rechnungslegung unbedingt ersetzt durch Vorlegung der Geschäftsbücher und durch die Viertel­ jahrsübersichten, welche dem Oberbergamte behufs Festsetzung der Ausbeuteanteile der Freikuxe für Kirche und Schule einzureichen sind. 4. Dadurch, daß noch keine Ausbeute erzielt worden ist, wird der Anspruch der Freikuxberechtigten auf Rechnungslegung und die Art derselben nicht beeinflußt. Urteile von« 18. Febr. und 8. April 1893, Z. Bd. 34 S. 520. c) Die Verjährung der Freikuxberechtigung durch Nichtgebrauch nimmt ihren Anfang erst von dem Zeitpunkte, in welchem Aus­ beute erzielt worden ist, und ihre Vollendung hat im Geltungs­ bereiche des ALR. zur Voraussetzung, daß in der Verjährungsfrist zweimal Gelegenheit gegeben war, Anspruch auf einen der Frei­ kuxberechtigung entsprechenden Ausbeuteanteil zu erheben. Obiges Urt. vom 29. Jan. 1875. d) Bei der Konsolidation geht die Freikuxberechtigung ohne weiteres auf das konsolidierte Werk über; § 48 Anm. 2. e) Ist die Berechtigung eines freikuxpflichtigen Bergwerks unter der früheren Gesetzgebung durch nachträgliche Mitverleihung eines anderen Minerals, einer sogenannten Deklaration der Ver­ leihungsurkunde ausgedehnt worden, so erstreckt sich der Anspruch des Freikuxberechtigten auch auf das hinzu verliehene Mineral. Urt. des OTr. vom 11. Juli 1879, Z. Bd. 21 S. 529. Auf die Fälle einer nachträglichen Mitverleihung eines anderen Minerals, welche nach Vorschrift des ABG. erfolgt, ist aber dieser Grundsatz nicht anzuwenden; dagegen wird bei der berggesetzlichen Feldes­ umwandlung (Feldeserweiterung) das ganze Feld von der Frei­ kuxberechtigung erfaßt, Urt. des RG. vom 17. Juni 1893, Z. Bd. 34 S. 526. B r a s s e r t, Z. Bd. 10 S. 90, 91. Zum Teil anders Klo st ermann Anm. 526 a, s. jedoch jetzt T h i e l m a n n Anm. 4 und Arndt 2. Aufl. S. 209. Bei den Feldesreservationen durch den Fiskus gelangen Grund­ kux und Mitbaurecht zur Hälfte nicht zur Anwendung, Urt. des RG. vom 5. Mai 1897, Z. Bd. 38 S. 359.

B) Kirchen- und Schulkuxe. a) Auch diejenigen metallischen Bergwerke, welche bei In­ krafttreten der kleve-märk. Bergordn. vom 29. April 1766 bereits bestanden, unterliegen der Verpflichtung zur Gewährung von zwei Freikuxen für Kirche und Schule. Urt. des OTr. vom 29. Jan. 1875, vorst. unter Ab. b) In dem (zum Kreise Siegen gehörenden) Grund Seel­ und Bürbach sind die Bergwerke gewohnheitsrechtlich von der Ge­ währung von Freikuxen an Kirche und Schule frei, mag die Ver­ leihung vor oder nach Einführung des ALR. in diesem Landes­ teile erfolgt sein. Urt. des Appell.-Ger. Arnsberg vom 29. Okt.

§224]

Übergangsbestimmungen.

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1870, des OTr. vom 1. Mai 1871, Z. Bd. 12 S. 394; auch Achenbach, Z. Bd. 2 S. 92. c) Die Bestimmung im § 134 T. II Tit. 16 ALR., daß den Kirchen und Schulen zwei Freikuxe beigelegt werden, kommt nur in denjenigen RechtsAebieten zur Anwendung, in welchen die berg­ rechtlichen Verhältnisse nicht durch die Bergordnungen oder durch andere Provinzialgesetze oder Observanzen geordnet sind. Urt. des OTr. vom 19. Ökt. 1877, Z. Bd. 20 S. 350, Striethorst Bd. 99 S. 236.

d) Die nach dem älteren Bergrecht bestehenden Freikux­ berechtigungen der Kirchen und Schulen sowie die Grundkux­ berechtigungen sind auch nach Erlaß des ABG. nicht als Lasten, welche auf einem privatrechtlichen Titel beruhen, sondern als „gemeine Lasten" anzusehen und bedurften als solche nach dem Ges. über den Eigentumserwerb und der Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 der Eintragung nicht, um gegen Dritte Wirksamkeit zu er­ langen. Der Eigentümer des freikuxpflichtigen Bergwerks ist nicht verpflichtet, sich die Eintragung in das Grundbuch gefallen zu lassen. Urt. des OTr. vom 5. Febr. und 15. Nov. 1875, vom 21. Jan. 1878, Z. Bd. 16 S. 394, Bd. 17 S. 522, Bd. 20 S. 353, Entsch. Bd. 74 S. 214, Bd. 76 S. 176, Striethorst Bd. 93 S. 353; ferner Bescheide der Appell.-Ger. Ratibor, Breslau und Oppeln vom 22. und 30. April und 21. Mai 1873, Z. Bd. 14 S. 487, Johow, Jahrbuch Bd. 3 S. 187, nach Art. 11 Abs. 1 AG. z. BGB. ist ihre Eintragung sogar unzulässig, Beschl. des KG., oben zu Anm. 6, Turnau-Förster Bd. II S. 551, Güthe S. 1363. e) In« Bereiche der schlesischen Bergvrdnung v. 5. Juni 1769 fließt der Ertrag der beiden Freikuxe für Kirche und Schule bereits seit dem Jahre 1778 zu dem „Schlesischen Freikuxgelder­ fonds". Die König!. Verordnung v. 9. März 1830 (Bras sert, Bergordnungen S. 986) bestimmt hierüber, daß „die Einkünfte aus den in der schlesischen Bergordnung §§ 1 u. 2 Kap. 31 bestimmten Kirchen- und Schulkuxen, wie bisher geschehen, so auch ferner nicht der Kirche des Abbauortes besonders zu berechnen oder zur Disposition zu stellen, sondern von den Behörden nach dem jedes­ maligen Bedürfniflen für kirchliche und Schulzwecke, auch vorzüg­ lich zum Besten der Berg-Knappschaftsgenossen und deren Kinder, ohne Unterschied der Konfession, auch an solchen Orten zu ver­ wenden, wo der eigentliche Freibau jener Kuxe nicht stattgefunden hat." Auf dieser Grundlage erfolgt die Verwaltung des Freikuxgelder­ fonds nach dem Regulativ vom 24. März 1868 (Z. f. B.-H.- u. S.Wesen Bd. 16 S. 13) gemeinschaftlich durch die Minister für Handel und Gewerbe und für geistliche usw. Angelegenheiten, bzw. gemäß Nachtrag hierzu v. 31. Juli 1869 durch den Oberpräsidenten der Provinz Schlesien unter Aufsicht der genannten Minister. Ge­ mäß 8 31 Abs. 2 des Volksschulunterhaltungsgesetzes v. 28. Juli 1906

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Elfter Titel.

[§ 224

werden die Berechtigungen und Aufgaben des schlesischen Frei­ kuxgelderfonds durch dieses Gesetz nicht berührt. Die an den Freikuxgelderfonds zu entrichtenden Freikux­ beträge sind öffentliche Abgaben und unterliegen der Beitreibung im Verwaltungszwangsoerfahren, § 194 Anm. 2, jedoch unter­ liegen sie nicht der Verjährungsfrist des Gesetzes über die Ver­ jährungsfristen bei öffentlichen Abgaben vom 18. Juni 1840 (GS. S. 140), sie verjähren vielmehr in vier Jahren (§§ 194, 197, 201 BGB.), Urt. des RG. v. 24. Juni 1908, Z. Bd. 49 S. 513, Entsch. Bd. 69 S. 108; Thiel mann Anm. 9 und 10 zu § 224. Bei verpachteten Bergwerken bildet das Pachtgeld die Aus­ beute, auf welche der Freigelderfonds Anspruch hat. Bei Be­ rechnung der Freikuxgelder ist der von dem Pächter aufgewendete Verlag ebensowenig wie umgekehrt der etwaige Gewinn des Pächters in Betracht zu ziehen. Min.-Besch, v. 13. Jan. 1877, Z. Bd. 18 S. 415. t) Eine eigenartige, nach ihrem Zwecke den Freikuxen für Kirche und Schule verwandte Abgabe ist der „Mansfelder geist­ liche Fünfzigste", welcher über drei Jahrhunderte aus den Erträgen des Mansfelder Kupferschieferbergbaues zu gunsten von Geistlichen und Lehrern in den Städten Eisleben und Mansfeld geleistet wurde. Derselbe bestand in dem 50. Zentner des gewonnenen Schwarzkupfers, bzw. seit 1844 des entsprechenden Garkupfers und wurde nach den Verkaufspreisen in Gelde berechnet und entrichtet. Er verteilte sich unter die verschiedenen Empfänger nach 1784 Anteilen. Über die Rechtstitel und den Umfang der Abgabe wurde zwischen letzteren und der „Mansfeldischen Kupferschiefer bauenden Gesellschaft" als jetzigen Eigentümerin der Werke ein Rechtsstreit geführt, in welchem das Reichsgericht durch Urteil v. 30. Juni 1880 entschied, daß der Anspruch auf den geistlichen Fünfzigsten gegenüber der jetzigen Gewerkschaft nicht aus gesetz­ lichen oder landesherrlichen Anordnungen, vertragsmäßiger Fest­ stellung, Verjährung oder Observanz hergeleitet werden könne. Doch während des Prozesses (1879) kam zwischen der Gewerk­ schaft und dem größten Teile der Empfänger des Fünfzigsten ein Vergleich zustande; nach demselben ist die Abgabe für immer durch ein Kapital abgelöst worden, welches in zehn gleichen Jahresraten be­ zahlt wird und eine jährliche Zinseinnahme von 66000 M. gewährt; außerdem sind verschiedene persönliche Entschädigungen für den Wegfall des Fünfzigsten übernommen worden. Brassert, Der Mansfelder geistliche Fünfzigste, Z. Bd. 23 S. 312 u. das. S. V Anm. 1. g) „Das Recht der Bergstädte des Oberharzes auf Frei­ kuxe ist von Osthaus, Z. Bd. 21 S. 163, behandelt.

C. Erb- oder Grundkux.

a) Der Erb- oder Grundkux kann als subjektiv dingliches Recht nach dem älteren Bergrecht, insbesondere auch nach § 118

§ 224]

Übergangsbestimmungen.

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T. II Tit. 16 ALR. „von dem Grund und Boden, auf welchen das Bergwerk betrieben wird, nicht getrennt noch besonders ver­ äußert werden". An diesem Verbote ist durch § 224 ABG. nichts geändert, denn aus der hier ausgesprochenen Ablösbarkeit der Freikuxe folgt nicht die Trennbarkeit, solange sie bestehen. Urt. des OTr. v. 2. April 1875, Z. Bd. 17 S. 65, Striethorst Bd. 93 S. 301, Urt. des RG. v. 18. Juni 1892, Z. Bd. 34 S. 117, vgl. auch Urt. deS RG. v. 19. Jan. 1889, Dauben­ speck S. 479, v. 18. Juni 1892, Z. Bd. 34 S. 117. Gegen das Verbot des § 118 cit. kann auch der provinzial­ rechtlich in Schlesien nicht zum Erbkux berechtigte Gutsherr den Erbkux durch ersitzende Verjährung dem Grundeigentümer gegen­ über nicht erwerben (§ 664 T. I Tit. 6 ALR.). Urt. des OTr. v. 1. Nvv. 1872, Z. Bd. 14 S. 243, Entsch. Bd. 68 S. 106, Striethorst Bd. 86 S. 321. Die frühere Rechtsprechung des OTr. hatte bezüglich dieses Grundsatzes gewechselt. Darüber, daß unter dem „Grundherrn", welchem die drei revidierten Bergordnungen den Erbkux gewähren, der Grundeigentümer, nicht der Gutsherr zu verstehen ist, vgl. Klostermann, Übersicht der bergrechtl. Entsch. S. 220. b) Unter zwei oder mehreren Grundeigentümern ist die Teilung des Erbkuxes gemäß § 121 T. II Tit. 16 ALR. „ver­ hältnismäßig" d. h. nach dem Anteile vorzunehmen, welchen jeder Grundeigentümer an dem Fundgrubenterrain besitzt. A. Achen­ bach Z. Bd. 2 S. 73- Urt. des OLG. Naumburg v. 11. Juli 1888, Z. Bd. 30 S. 529. Die Grundkuxberechtigung ist ein dingliches Recht ani Berg­ werke, welches in dem Ansprüche des Grundeigentümers auf Ge­ währung eines bestimniten Teiles des erzielten Reingewinns, der Ausbeute, besteht. Die Erzielung bildet daher die wesentliche Vor­ aussetzung dieses Anspruches. — Auch bei der Zwangsversteigerung des mit der Freikuxberechtigung belasteten Bergwerks geht diese dingliche Last unverändert auf den Ersteher über, wenn das Zu­ schlagsurteil nicht anderweitige Bestimmung hierüber enthält. Urt. des RG. v. 2. Nov. 1892, Z. Bd. 34 S. 121; das Gleiche wird jetzt gemäß § 10 ZVG. und Art. 1 Nr. 1 AG z. ZVG. zu gelten haben (Jaeckel S. 651). c) Nach Kap. 30 § 3 der kleve-märkischen Bergordnung und der Deklaration v. 13. Sept. 1877 (Brassert, Bergordnungen S. 858 ff., Nov. Corp. Constit. Tom. VI S. 907) stand bei den Steinkohlenbergwerken dem Grundeigentümer, auf dessen Grund­ stück ein Schacht abgeteuft wurde, statt der beiden Erbkuxe die „Tradde" (das „Traddefaß") zu, vgl. Hense, Die Tradde, Z. Bd 30 S. 55. Sie bestand, je nachdem der Bergbau auf Äckern und Wiesen oder auf unkultiviertem Lande getrieben wurde, an jedem Arbeitstage aus einem bzw. einem halben Faß Kohlen oder überhaupt aus dem 65. bzw. 130. Faß der aus dem Schachte geförderten Kohlen und diente mindestens als Entschädigung für

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Elfter Titel.

[§224

jede Art der Benutzung der Oberfläche zu Bergwerkszwecken, ob auch für sonstigen, durch den Bergwerksberieb entstandenen Grund­ schaden, ist streitig. Statt der Tradde konnte der Grundeigen­ tümer eine Geldentschädigung für den jährlich entstehenden Schaden verlangen,' er hatte das Wahlrecht. Als eine den „Bergbau unverhältnismäßig belastende Natural­ abgabe" ist die Tradde mit der Aufhebung jener älteren Gesetze (§ 244) in Wegfall gekommen, unbeschadet der durch Ausübung des Wahlrechts bereits erworbenen Rechte auf den Bezug der Tradde. Mot. S- 122. Für die letzteren Fälle können noch jetzt die Rechtsgrund­ sätze Wert haben, welche bezüglich der Tradde von dem Äppell.Ger. Hamni u. dem OTr. sestgestellt worden sind? vgl. nament­ lich Urt. des Appell.-Ger. v. 14. April 1862 u. 28. April 1876, Z. Bd. 4 S. 515, Bd. 19 S. 81, Gruchot Bd. 7 S. 391; des OTr. v. 23. März u. 20. Dez. 1849, Entsch. Bd. 17 S. 440, Bd. 19 S. 385; v. 11. Dez. 1854, Striethorst Bd. 16 S. 86; v. 11. u. 22. Jan. 1858, Striethorst Bd. 29 S. 16, Entsch. Bd. 37 S. 159; v. 8. Dez. 1876, Z. Bd. 19 S. 85, Striet­ horst Bd. 97 S. 84. Brassert, Bergordnungen S. 863. Daubenspeck, Haftpflicht des Bergwerksbesitzers S.64ff., welcher den Einfluß der Traddeberechtigung auf die Entschädigungsansprüche des Grundbesitzers eingehend behandelt, gelangt zu deni Satze, daß die Traddeberechtigung ein Surrogat der beiden Grundkuxe sei und die Vergütung für Benutzung und Entziehung des Grund und Bodens bilde, während die sonstigen Bergschäden, auch wenn der Grundeigentümer die Tradde bezogen habe, den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen unterliegen. Mit Rücksicht auf den singulären Charakter und den außer­ ordentlichen Umfang der Traddeberechtigung muß dieselbe strikt ausgelegt werden. Es ist deshalb unbedingtes Erfordernis für die Entstehung und Fortdauer der Berechtigung, daß eine Kohlen­ förderung aus dem Schachte, auf welchen das Tradderecht ge­ gründet wird, tatsächlich stattfindet. ' Urt. des OLG. Hamni v. 7. Juni 1890 u. des RG. v. 24. Okt. 1891, Z. Bd. 31 S. 399, Bd. 33 S. 132, vgl. hierzu auch Rek.-Besch. v. 25. Juni 1895, Z. Bd. 37 S. 122, Urt. des RG. v. 30. Juni 1894, Z. Bd. 36 S. 98, Urt. des OLG. Hamm v. 9. Juli 1898, Z. Bd. 40 S. 235. d) Mit der Aufhebung des französischen Berggesetzes (§ 244) ist auch die auf demselben beruhende linksrheinische „Grundrechts­ entschädigung", sog. „Grundrente" (la redevance trefoncifere) in Ansehung aller nach dem Berggesetze neu verliehenen Bergwerke in Wegfall gekommen. Dagegen ist die den älteren Bergwerken durch die Konzessionsurkunden auferlegte Grundrente nicht aus­ gehoben, sondern nach wie vor zu entrichten; Urt. des LG. Aachen v. 27. Juli 1874 u. des OTr. v. 21. Dez. 1875, Z. Bd. 16 S. 169, Bd. 17 S. 524; Oppenhoff Nr. 1167. Anders Maas,

§§ 224. 225]

Übergangsbestimmungen.

925

Die Aufhebung der linksrhemischen Grundrente, Z. Bd. 16 S. 168. Wie der Grundkux, so ist auch diese Grundrente eine zu. gunften des Grundeigentümers auf den betreffenden Bergwerken ruhende, jeden nachfolgenden Bergwerkseigentümer verpflichtende Reallast, unterscheidet sich aber im übrigen hinsichtlich ihrer recht­ lichen Begründung, gesetzlichen Behandlung und praktischen Trag­ weite wesentlich von dem Grundkux. Sie beruht auf den Art. 6 und 42 des Berggesetzes v. 21. April 1810, nach welchen der Kon­ zessionsakt die Rechte der Grundeigentümer an dem Ertrage der Bergwerke und zwar auf eine bestimmte Summe festzusetzen hat. Nach Art. 18 des Gesetzes bleibt die Grundrente mit dem Grund und Boden vereinigt und haftet mit für die auf demselben ruhenden Hypotheken, kann aber, vorbehaltlich der Rechte der Hypotheken­ gläubiger, von dem Grundstücke getrennt und besonders veräußert werden,- ist ablösbar uud verjährbar. Im Anschluß an die fran­ zösische Praxis ist die Grundrente in der Regel auf den niedrigen Satz von 1 Pfennig, ausnahmsweise auf 1 bis 2 Sgr. für den Morgen der Oberfläche des Konzessionsfeldes festgesetzt worden. Das Nähere über die Grundrente enthalten: Achenbach, Franz. Bergrecht §§ 37 bis 41; A guillon, Legislation de mines etc. 1886, T. I Kap. VI §§ 279 bis 313; FeraudGiraud, Code des mines et mineurs etc. 1887, T. 1 §§ 505 bis 544.

§ 225.

Nach dem Eintritt der Gesetzeskraft des gegenwärtigen Gesetzes kann ein Recht auf Mitbau zur Hälfte, wo solches bisher gesetzlich bestanden hat, nur noch alsdann in Anspruch genommen werden, wenn die Erklärung, mitbauen zu wollen, bereits vor jenem Zeitpunkte rechtzeitig abgegeben oder die dreimonatliche Frist zur Abgabe dieser Erklärung noch nicht abgelaufen ist. Alle Ansprüche auf das Recht des Mitbaues zur Hälfte, bezüglich deren die vorgeschriebene Aufforderung zur Geltend­ machung unterblieben ist, müssen bei Vermeidung der Präklusion innerhalb eines Jahres von dem vorbezeichneten Zeitpunkte an, durch gerichtliche Klage geltend gemacht werden. Mot. S. 124/5 (222), KB. HH. S. 69/70 (253), StenB. HH. S. 164, 176 ff., KB. AH. S. 102/3 (1254).

Durch § 225 ist ein provinzielles, für den Bergbau sehr drückendes Grundeigentümerrecht, das „Recht des Mitbaues zur Hälfte" oder kurzweg das „Mitbaurecht" beseitigt. Auf der schles. Bergordn. Kap. I § 3 und den beiden deklarierenden ober richtiger abändernden Verordnungen vom 4. Aug. 1770 und 1. Febr. 1790, sowie auf der magdeb.-halberst. Bergordn. Kap. I § 3 Brassert,

926

Elfter Titel.

[§ 225

Bergordnungen S. 946 bis 954 und 1078 beruhend, gewährte das Mitbaurecht dem Eigentümer des Fundgrubenterrains neben der vollen Grundentschädigung und neben den beiden Grundkuxen das Recht, mit der Hälfte der 122 gewerkschaftlichen Kuxe jener Berg­ ordnungen, also mit 61 Kuxen als Miteigentümer des Bergwerks einzutreien. Die schief. Bergordn. gestand dem Grundeigentümer sogar ein den Finder gänzlich ausschließendes Vorzugsrecht (Vor­ baurecht) zu- dieses mußte jedoch alsbald durch die vorerwähnten Verordnungen „zur Konservatton des Bergbaues und Abwendung eines gänzlichen Verfalls desselben" in das abschwächende Mit­ baurecht umgewandelt werden. Nach dem ALR. T. II Tit. 16 §§ 124 bis 127 sollte das Mitbaurecht nur alsdann stattfinden, „wenn besondere Provinzialgesetze dasselbe dem Grundeigentümer ausdrücklich beilegen." Schon damals hatten Männer wie Frei­ herr von Stein und Graf von Reden gewichtige Bedenken gegen dieses Ausnahmerecht erhoben, weil es „dem Begriffe des Berg­ rechts, dem allgemeinen deutschen Bergrechte und dem Wohle des Bergbaues selbst" widerspreche (Brassert, Materialien des landr. Bergrechts S. 3u9). Auch strebten die meisten späteren Berggesetzentwürfe die Aushebung des Mitbaurechts an- sie ist in­ des erst durch § 225 zur Ausführung gekommen. Über die recht­ lichen und wirtlchafrlichen Gründe für diese durchgreifende Maß­ regeln, sowie die Erwägungen, auf welchen die Bestimmungen des § 225 beruhen, vgl. Mot. S. 124, auch KB. d. HH. S. 69, 70 und StenB. d. HH. S. 176 bis 182. Die Fristen, in welchen nach § 225 die noch schwebenden Ansprüche auf das Mitbaurecht geltend gemacht werden mußten, sind längst abgelaufen, und infolgedessen ist das Mitbaurecht selbst völlig gegenstandslos geworden- denn sobald das Mitbaurecht wirklich ausgeübt war, hörte dasselbe als solches auf zu bestehen an seine Stelle trat die Mitbeteiligung an dem Bergwerke mit 61 Kuxen. Infolgedessen haben auch die vielen Streitfragen, zu welchen das Mitbaurecht Anlaß gab, für alle Zeiten ihre praktische Bedeutung verloren. Es genügt daher ein Hinweis auf die aus­ giebige Literatur und die gerichtlichen Entscheidungen. W. I. D. Brassert, das Recht des Mitbaues zur Hälfte, Z. f. BH. und S. W. Bd. 4 S. 1. Gräff, Die Rechtsverhältnisse des DominialMitbaurechts. Breslau 1859. Koch, Schlesisches Archiv Bd. 6 S. 1. Steinbeck, Provinzialbergrecht in Schlesien. Breslau 1841. Wentzel, Provinzialrecht von Schlesien S. 25, 227. H. Simon, Das Bergwerksrecht von Schlesien S-25. Lindig Z. Bd. 6 S. 621. Klo st er mann, Übersicht der bergr. Entsch. S. 215. Ferner die Min.-Erlasse und die Urt. des OTr. bei Brassert, Bergvrdnungen S. 951 und Z. Bd. 2 S. 389, Bd. 4 S. 118, 120, Bd. 5 S. 370, 379, Bd. 6 S. 623, 624, Bd. 8 S. 423, Bd. 10 S. 447, 454, 458, Bd. 14 S. 399- vgl. auch Bitta in D. Jur. Zeitung 1905 S. 395, 1907 S. 1074. Das in dem früheren Art. 225 des daher. Bergg. erwähnte,

Übergangsbestimmungen.

927

auf Art. 8 der Bergordn. vom 6. Mai 1874 beruhende „Mitbau­ recht" war nicht das hier in Rede stehende, sondern das Recht des Grundbesitzers neben dem Erbkux vier Kuxe in Anspruch zu nehmen und als Mitgewerke zu bauen. Auch mit der Grundrechtsentschädigung des französischen und des englischen Rechts war das Mitbaurecht nicht auf gleiche Linie zu stellen. § 226.

Die Rechtsverhältnisse der bei dem Eintritt der Gesetzeskraft des gegenwärtigen Gesetzes in den rechtsrheinischen Landesteilen bestehenden Gewerkschaften sind, soweit es an vertragsmäßigen Verabredungen fehlt und nicht in den nachfolgenden §§ 22? bis 239 etwas anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des vierten Titels ;u beurteilen. Mot. S. 125 ff. (222), KB. HH. 70 (254), KB. AH. S. 103 (1244). Literatur: Westhoff-Bennhold, Gewerkschaftsrecht S. 322 ff.

1. Obwohl das ABG. davon absah, die Gewerkschaften alten Rechts zur Annahme der neuen Gewerkschaftsform gesetzlich zu zwingen (s. Borbem. zu §§ 94 ff.), so entsprach es doch einem dringenden Bedürfnisse und unterlag keinen rechtlichen Bedenken, das aus dem früheren Rechtszustande entwickelte Gewerkschafts­ recht des vierten Titels auf die bereits bestehenden Gewerkschaften soweit auszudehnen, als dies geschehen konnte, ohne letzteren auch die juristische Persönlichkeit mit beweglichen Kuxen beizulegen. Zu­ gleich war aber diesen Gewerkschaften durch erleichternde Bestim­ mungen die Anregung zu geben, sich der neuen gewerkschafllichen Verfassung in ihrem ganzen Umfange zu unterwerfen. Auf diesen Gesichtspunkten beruht § 226 mit den nachfolgenden §§ 227 bis 239. Mot. S. 125, 127. Von der Anwendbarkeit auf die Gewerkschaften alten Rechts find demnach nur die im § 227 bezeichneten Vorschriften des vierten Titels ausgenommen,' alle übrigen Vorschriften desselben finden in Verbindung mit den abändernden §§ 228 bis 239 bzw. der an die Stelle des § 235 getretenen Novelle vom 9. April 1873 (§§ 235 a bis g) auch auf jene Gewerkschaften Anwendung. Im übrigen sind die Rechtsverhältniffe derselben zunächst nach den etwaigen „vertragsmäßigen Verabredungen" zu beurteilen, soweit dieselben bei Erlaß des ABG. bereits bestanden (B e n n h o l d S. 325). Rückwirkende Kraft ist dem §226 nicht beigelegt) sind Rechte gegen Gewerkschaften alten Rechts bereits vor dem Inkrafttreten des ABG. erworben, so finden hierauf die früheren Vorschriften Anwendung) § 99 Anm. 2, Bennhold S. 324, T h i e l m a n n Slum. 1 zu § 226. 2. Die §§ 226 bis 239 und die Novelle vom 9. April 1873 finden auch auf die Gewerkschaften alten Rechts in allen neu er­ worbenen rechtsrheinischen Landesteilen, einschließlich des vormaligen

Elfter Titel.

928

Königreichs Hannover Anwendung. Auf der linken Rheinseite bestanden vor dem ABG. deutschrechtliche Gewerkschaften über­ haupt nicht. 3. Von den dem prenß. folgenden Bergg. enthalten nur die­ jenigen für Bayern (Art. 284 bis 296), für Anhalt (§§ 217 bis 236) und für S.-Meiningen (Art. 213 ff.) teils die nämlichen, teils ähnliche Übergangsbestimmungen, wie die §§ 226 bis 239. In das Bergg. für Braunschweig (§ 216) ist nur der § 227 über­ gegangen. Das Bergg. für Hessen (Art. 203) unterwirft auch die alten Gewerkschaften den Vorschriften des vierten Titels. In den Bergg. für Württemberg, S.-Altenburg, Gotha, Reuß j. L. und Elsaß-Lothr. sind hierher gehörige Übergangsbestimmungen über­ haupt nicht enthalten. § 227.

Die §§ 94 bis 98, (O(, (03, (05, (06, (08, (09 und ((0 finden auf die bestehenden Bergwerke keine Anwendung. Mot. S. 126 (223).

1. Da der ganze, die §§ 226 bis 239 umfassende Abschnitt der Übergangsbestimmungen nur von den bereits bestehenden „Ge­ werkschaften" handelt und namentlich auch § 227 mit dem grundlegenden § 226 unmittelbar zusammen hängt, so kann es keinem begründeten Zweifel unterliegen, daß der ungenaue Aus­ druck des § 227 „die bestehenden Bergwerke" lediglich die bestehenden „gewerkschaftlichen" Bergwerke meint. Vgl. Klostermann Z. Bd. 19 S. 14; Turn au, Z. Bd. 18 S. 309; Esser, Gewerk­ schaft S. 116; auch Art. 285 des bayer. Bergg. Unrichtig ist daher die aus § 227 gezogene Folgerung, daß, wenn ein vor Inkraft­ treten des ABG. von einem Alleineigentümer besessenes Bergwerk nach diesem Zeitpunkte auf mehrere Beteiligte übergegangen ist, diese eine Gewerkschaft alten Rechts bilden; es entsteht hier viel­ mehr eine Gewerkschaft neuen Rechts. Kloster mann a. a. O.; Min.-Schreiben vom 28. Dez. 1877, Z. Bd. 19 S. 300, 301; vgl. auch Urt. des OTr. vom 21. Jan. 1878, Z. Bd. 20 S. 353, Beschl. des KG. vom 4. April 1892, Z. Bd. 38 S. 99, insbes. S. 102, Johow Bd. 12 S. 83. Vereinigen sich umgekehrt sämtliche Kuxe einer Gewerkschaft alten Rechts in einer Hand, so führt dies anders wie bei der neuen Gewerkschaft (vgl. oben S. 380) ohne weiteres die Auflösung der Gewerkschaft herbei, da die Vereinigung sämtlicher Miteigen­ tumsanteile in einer Hand notwendig zum Alleineigentum führt, Urt. des OTr. vom 21. Jan. 1878, Z. Bd. 20 S. 353, Rek.-Besch. vom 9. Aug. 1890 und 20. Juni 1907, Z. Bd. 32 S. 138, Bd. 48 S. 547, Beschl. des LG. Gleiwitz vom 15. Juni 1906, Z. Bd. 48 S. 168, Beschl. des LG. Ratibor vom 4. Sept. 1907, Z. Bd. 49 S. 181, Beschl. des KG. vom 4. April 1892, 21. Sept. 1908, Z. Bd.38 S. 102,Bd.50 S. 102; Bennhold S. 44, Schlüter-

§ 227]

Übergangsbestimmungen.

929

Hense Anm. III 7 zu 8 100, Thielmann S. 645/46, a. A. Arndt Anm. 2 zu §227, DIZ. 1908 S. 1022. über die Konsolidation von Gewerkschaften alten Rechts vgl. ߧ 43, 44 Anm. 2; Bennhold S. 332. 2. Nach dem die Absicht des Gesetzgebers bestimmt wieder­ gebenden Wortlaute des § 227 sind die hier aufgezählten Para­ graphen des vierten Titels von der Anwendbarkeit auf die älteren Gewerkschaften gänzlich ausgeschlossen. Wenn Klo st ermann Anm. 535 dieselben gleichwohl nur insoweit für ausgeschloffen er­ achtet, als sie „neues Recht" enthalten, dagegen trotz des ß 227 auch auf die älteren Gewerkschaften angewandt wissen will, soweit in denselben „die Grundsätze des früheren gewerkschaftlichen Rechts unverändert wiederholt werden", so ist diese einschränkende Aus­ legung des § 227 weder mit dessen Fassung, noch mit den Regeln über die derogatorische Kraft späterer Gesetze vereinbar. Die Rechtslage ist vielmehr die, daß, insoweit das ältere Gewerkschafts­ recht sich mit den im § 227 ausgeschlossenen Vorschriften des neuen Gewerkschaftsrechts deckt, für beiderlei Gewerkschaften zwar gleiche bergrechtliche Grundsätze, aber nicht die nämlichen gesetzlichen Vor­ schriften gelten. Es muß hier, wie Klostermann im Verlaufe seiner Ausführung selbst zugibt, bei der Beurteilung der Rechts­ verhältnisse der Gewerkschaften alten Rechts ans die früheren, ins­ besondere die landrechtlichen Vorschriften zurückgegangen werden. Vgl. Oppenhoff Nr. 1177 und jetzt auch Thielmann Anm. 2 zu § 227. 3. Die Gewerkschaften alten Rechts besitzen, da die §§ 94 bis 98 auf sie keine Anwendung finden, nicht die Eigenschaft juristi­ scher Personen. Jedoch werden sie in den meisten Beziehungen als solche be­ handelt : a) Sie besitzen in dem Repräsentanten einen gesetzlichen Ver­ treter, der sie in allen ihren Angelegenheiten gerichtlich und außer­ gerichtlich vertritt. Durch die von ihm im Namen der Gewerk­ schaft abgeschlossenen Rechtsgeschäfte wird diese unmittelbar be­ rechtigt und verpflichtet. b) Sie können auch neues Bergwerkseigentum durch Mutung und Verleihung (vgl. § 14 Anm. 3 c), sowie Grundstücke erwerben und sich an anderen Unternehmungen beteiligen, jedoch im Gegen­ satz zu der Gewerkschaft neuen Rechts nur, soweit solche Rechts­ handlungen der Erhaltung oder besseren Ausnutzung des vorhan­ denen Eigentums dienen. c) Sie sind wechselfähig und — nach § 50 Abs. 2 ZPO. — passiv, nicht aber auch aktiv parteisähig, auch kann gemäß § 213 KO. über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet werden, Bennhold S. 334/35, a. A. bezüglich der aktiven Parteifähigkeit Thiel mann Vordem., Arndt Anm. zu § 226. d) Kaufleute und im Handelsregister eintragungsfähig sind sie dagegen nicht, Art. 5 EG. z. HGB., Urt. des OVG. vom

930

Elster Titel.

[§227

3. März 1909, Z. Bd. 51 S. 162, insbes. S. 166, a. A. anscheinend B c n n h o l d S. 336. e) Ihre Schuldenhaftung richtet sich nach § 99 ABG., vgl. die Anmerkung zu dieser Vorschrift. 4. Ihre rechtliche Natur ist äußerst bestritten. Früher wurde überwiegend angenommen, daß sie erlaubte Privatgesell­ schaften im Sinne des T. II Tit. 6 ALR. seien, so Brassert in der früheren Auflage Anm. 3 zu § 227, Arndt Anm. 1 zu § 226, OTr. vom 5. Juli 1858, Entsch. Bd. 39 S- 340. Diese Ansicht ist von W e st h o f f mit zutreffenden Gründen widerlegt worden, indenl er darauf hingewiesen hat, daß für die Entscheidung der Frage, ob eine erlaubte Privatgesellschaft oder eine Sozietät im Sinne des T. I Tit. 17 ALR. vorliegt, nicht die Organisation, sondern der Zweck der Gesellschaft maßgebend ist, daß aber Er­ werbsgesellschaften, zu denen die Gewerkschaft zweifellos gehört, niemals als erlaubte Privatgesellschaften, die nur gemeinnützigen Zwecken dienen dursten, anzusehen sind, vgl. jetzt auch Bennhold S. 326 ff. Es ist daher, soweit nicht anderweitige vertragsmäßige Ver­ einbarungen oder die §§ 227 ff. entgegenstehen, für die Gewerk­ schaften alten Rechts T. I Tit. 17 und nicht T. II Tit. 6 ALR. maßgebend. Auch über die Rechtsverhältnisse an dem Vermögen der Ge­ werkschaft alten Rechts besteht lebhafter Streit, insbesondere gilt dieses für das Eigentum an dem Bergwerke selbst. Es ist nicht zu bestreiten und wird auch fast allgemein aner­ kannt, daß die Gewerkschaft alten Rechts, wenn sie auch keine juristische Person ist, doch ein selb st ändigesVer mögen besitzt. Sie hat einen gesetzlichen Vertreter, dessen Handlungen sie grund­ sätzlich berechtigen und verpflichten, die Gewerkenversammlung kann über das gemeinschaftliche Vermögen Verfügungen treffen, sie kann Verbindlichkeiten haben und für diese haftet nur ihr „Vermögen", sie wird durch das Ausscheiden einzelner Mitglieder nicht aufgelöst, die Teilungsklage ist ausgeschlossen usw. Alles dieses zwingt zu dem Schluffe, daß bei der Gewerk­ schaft alten Rechts ein Sondervermögen besteht, das lediglich den Gewerken in ihrer Gesamtheit zusteht, daß also an diesem Ver­ mögen ein Eigentum zur gesamten Hand besteht. Auch dieses wird fast allseitig anerkannt, trotzdem aber ver­ tritt die herrschende Meinung den Standpunkt, daß außerdem noch ein selbständiges Eigentum der Gewerken an dem Bergwerke selbst besteht. Diese Ansicht stützt sich vor allem aus die Entstehungs­ geschichte des ABG. und es kann allerdings dieser Beweisführung eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen' werden. Der Kux alten Rechts wird sowohl in den Motiven des Regierungsent­ wurfs (S. 180) als auch in dem Berichte der Kommission des Herrenhauses (S. 240) als der „ideelle Anteil an dem Bergwerks­ eigentum" bezeichnet. Auch späterhin ist der Gesetzgeber offenbar

§ 227]

Übergangsbestimmungen.

931

von dieser Auffassung ausgegangen, vgl. insbes. Beschl. des KG. v. 4. Juli 1898, Z. Bd. 40 S. 377 ff., Johow Bd. 18 S. 79, ferner Art. 28 AG. z. GBO., Art. 15, 20 AG. z. ZBG., §§ 1, 2 des Gesetzes v. 23. Juni 1909 betr. den Bergwerksbetrieb aus­ ländischer juristischer Personen u. Begr. zu diesem Ges. S. 8, wo überall von „unbeweglichen Bergwerksanteilen" gesprochen wird. Die Vertreter dieser Meinung müssen also zu dem Ergeb­ nisse gelangen, daß sowohl ein Eigentum der Gewerken selbst, als auch ein solches der Gewerkschaft als solcher an dem Bergwerke besteht. So z. B. Thiel mann Vordem, zu 8 226, welcher, obwohl er anerkennt, daß eine derartige Konstruktion theoretisch nicht zu rechtfertigen ist, diesen Schluß auf Grund der praktischen Entwicklung für zwingend hält. Dieser Standpunkt kann nicht als berechtigt anerkannt werden. Ein Rechtsinstitut, welches auf einer theoretisch nicht zu recht­ fertigenden Konstruktion aufgebaut ist, kann niemals die Grund­ lage wissenschaftlicher Forschung und Entwickelung bilden. Ein doppeltes Eigentum an ein und derselben Sache kennt die moderne Rechtswissenschaft nicht, wie bereits bei der Erörterung der recht­ lichen Natur des Bergwerkseigentums S. 12 ausgeführt ist. Es gibt daher nur zwei Möglichkeiten: entweder find die Gewerken oder die Gewerkschaft Eigentümer des Bergwerks. Nach dies­ seitiger Ansicht ist nur das letztere der Fall. Wenn man auch die Bedeutung der Entstehungsgeschichte eines Rechtsinstituts nicht verkennen darf, so darf sie doch nicht allein maßgebend sein und muß in allen Fällen gegenüber der tatsächlich in dem Gesetz ge­ gebenen Struktur zurücktreten. Daß in den Materialien die Kuxe als Anteile an dem Bergwerke bezeichnet werden, ist dadurch zu erklären, daß man bei der Abfassung des ABG. von den Anschau­ ungen des ALR. ausging, und sich auch seine Ausdrucksweise zu eigen gemacht hat. Eine maßgebliche Bedeutung kann dem aber ebensowenig beigelegt werden, wie z. B. der Tatsache, daß bei der Abfassung des preußischen Enteignungsgesetzes die gesetzgebenden Faktoren in Anschluß an das ÄLR. in der Enteignung einen Zwangsverkauf erblickten- auch dieses historische Moment hat nicht gehindert, daß die jedenfalls jetzt weit überwiegende Meinung auf Grund der Gestaltung, welche die Enteignung in diesem Gesetze erfahren hat, sie unter Verwerfung der Theorie des Zwangskaufes als öffentlichrechtlichen Akt ansieht, s. vor allem Entsch. des RG. Bd. 61 S. 102 ff. u. oben S. 487/8. In der gleichen Weise zwingt der gesetzliche Aufbau der für die Gewerkschaft alten Rechts geltenden Bestimmungen, wie oben dargelegt, zu dem Schluffe, daß ihr gesamtes Vermögen, einschließ­ lich des Bergwerks, ihr zusteht, und daß daneben ein besonderes Eigentum der Gewerken an dem Bergwerke nicht möglich ist, wie hier vor allem West ho ff, Z. Bd. 32 S. 304 ff., Bd. 34 S. 187 ff., Bd. 48 S. 88 ff., Bennhold S. 339 ff., Pitz S. 26 ff. und an­ scheinend auch Urt. des RG. vom 4. Juli 1899, Z. Bd. 41 S.

932

Elfter Tttel.

[§228

110ff. u. vom 17. Nov. 1912 Rep.v 264/12, a. A. Thielmann Vordem, zu § 226 S. 645 und das Kammergericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschl. vom 4. April 1892 und 19. Nov. 1894, Z. Bd. 38 S- 105, 244, vgl. auch Urt. des OVG. vom 3. März 1909, Z. Bd. 51 S. 165. Die von der Gewerkschaft erworbenen Grundstücke sind daher auf ihren Namen und nicht, wie das KG. und das OVG. in den letzterwähnten Entscheidungen annehmen, auf den Namen der einzelnen Gewerken im Grundbuche einzutragen, Bennhold S. 341. § 228.

Die seitherige Auxeinteilung bleibt bestehen. Jedoch kann von jetzt an ein Aux nur noch in Zehnteile geteilt werden. Mot. S. 126 (223), KB. HH. S. 701 (254).

1. Infolge der Beibehaltung der früheren Kuxeinteilung bestehen bei den Gewerkschaften alten Rechts nach wie vor 128 und im Bereiche der schles. und magdeb.-halberst. Bergordn. 122 gewerk­ schaftliche (verzubußte) Kuxe. 2. Im älteren Bergrecht fehlte eine genügende gesetzliche Beschränkung der Teilbarkeit des Kuxes- § 135 T. II Tit. 16 ALR. verbot nur, daß Unterabteilungen eines Kuxes nicht „unter einem Achtel" betragen dürfen. Dieser Mangel führte bei vielen Gewerkschaften eine regellose, bis ins ungeheuerliche gehende Zer­ splitterung des Kuxbesitzes und infolgedessen unhaltbare Rechtszu­ stände herbei, welche nicht allein die innere Verwaltung, sondern auch den Verkehr mit Bergwerksanteilen und die Führung des Berghypothekenbuches außerordentlich erschwerten. Vgl. Motive des Gesetzentwurfs über die Mobilisierung der Kuxe von 1861 S. 35 ff. Um diese Ubelstände allmählich zu beseitigen, beschränkt § 228 die Teilbarkeit eines Kuxes auf Zehnteile, so daß jede andere und weitere Teilung unzulässig und eine entgegenstehende Vertrags­ bestimmung ungültig ist. Das Verbot erstreckt sich auch auf die bereits bestehenden Bruchteile von Kuxen, so daß jede weitere Teilung derselben un­ statthaft ist, wenn die neuen Teile des seitherigen Teilkuxes nicht sämtlich in Zehnteln ausgedrückt werden können. Beschl. des Appell.-Ger. Hamm vom 7. Mai 1874, Z. Bd. 15 S. 402, Johow, Jahrb. Bd. 4 S. 123. Es ist aber mit § 228 nicht vereinbar, wenn dieser Bescheid die weitere Teilung eines bereits geteilten Kuxes auch unter der Voraussetzung für zulässig erachtet, daß der bisherige Nenner bleibt- vgl. Z. Bd. 15 S. 403 Anm. 1, Bd. 6 S. 628. Von einer zwangsweisen Zurückführung der Kuxbruch­ teile auf Zehntel mußte abgesehen werden. Mot. S. 126. 3. Die Zwangsversteigerung eines zahlenmäßig bestimmten ideellen Anteils an einem Kuxbruchteile ist zulässig- auch wenn der­ selbe nicht in Zehnteln auszudrücken ist, steht § 228 nicht entgegen, Beschl. des LG. Essen vom 9. März 1883, Z. Bd. 25 S. 119.

§§ 229. 230]

Übergangsbestimmungen.

933

4. Der bisherige Abs. 2: . „Die Kuxe behalten die Eigenschaft der unbeweglichen Sachen" ist als mit dem Sachbegriff des BGB. unvereinbar durch Art. 37 Ziff. 12 AG. z. BGB. gestrichen, vgl. aber nunmehr § 231. § 229.

Die einzelnen Gewerken werden, soweit die Einrichtung des Hypothekenwesens dies gestattet, als Eigentümer ihrer Auxe in das Hypothekenbuch eingetragen. Mot. S. 126 (223).

Im § 229 ist lediglich bestehendes Recht aufrecht erhalten. Vgl. im übrigen wegen des Grundbuchwesens Anhang I zu 8 50. § 230.

Die einzelnen Gewerken können ihre Auxe zur Hypothek stellen. Eine Verpfändung des ganzen Bergwerks durch Mehrheits­ beschluß (§ H4) ist nur dann zulässig, wenn die einzelnen Auxe nicht mit Hypotheken belastet sind. Anderenfalls ist die Ein­ stimmigkeit erforderlich. Mot. S. 126 (223), KB. HH. S. 70 (254).

1. Daß die unbeweglichen Kuxe mit Hypotheken belastet werden können (8 230 Abs. 1), entspricht der älteren Gesetz­ gebung. Im Abs. 2 ist eine Neuerung enthalten. Nach 8 7 des Gesetzes vom 12. Mai 1851 konnte das ganze Bergwerk durch einen mit Dreiviertelmehrheit gefaßten Beschluß der Gewerkschaft ver­ pfändet werden- Beschl. des Appell.-Ger. Hamm vom 21. Dez. 1861, Z. Bd. 3 S. 258; Strohn, Bem. über den Berggesetz­ entwurf von 1862 S. 30. Eine entgegenstehende Meinung ver­ langte Einstimmigkeit (E b m e i e r, Z. Bd. 1 S. 133, v. Rynsch, Z. Bd. 3 S. 259). Da ein solcher Mehrheitsbeschluß auch dann zulässig war, wenn einzelne Kuxe bereits verpfändet und nicht mehr kreditfähig waren, so befand sich der beschließende Teil der Gewerkschaft in der Lage, den Kredit der noch lastenfreien Kuxe für seine Interessen in rechtsverletzender Weise auszubeuten. Um dies zu verhindern, bedarf es nunmehr zur Verpfändung des ganzen Bergwerks eines einstimmigen Beschlusses, falls einzelne Kuxe bereits hypothekarisch belastet sind. Mot. S. 126/ Esser, Gewerkschaft S. 120. Hierbei ist aber zu beachten, daß durch die Verpfändung eines Kuxes nicht der Anteil am Bergwerke, sondern vielmehr ein solcher an dem gesamten Vermögen der Gewerkschaft verpfändet wird. (8 227 Anm. 3.) Wird also das Bergwerk verkauft, so ist es, auch wenn einzelne Kuxe verpfändet sind, unbelastet, sofern nur

934

Elster Titel.

[§§ 230-232

auf ihm selbst keine Hypotheken usw. eingetragen sind. Die Um­ schreibung auf den Ersteher erfolgt also unbelastet. Für die Hypothekengläubiger an den einzelnen Kuxen tritt an Stelle des Bergwerks der dafür gezahlte Kaufpreis, so zutreffend B e n n h o l d S. 350, a. A. auf Grund der oben totebergegebenen Auffassung von dem Wesen des alten Kuxes KG. in Z. Bd. 34 S. 198, Bd. 40 S. 377, vgl. auch Brassert in der früheren Auflage S. 584, Nachtrag S. 210, Beschl. des Appell.-Ger. Hamm vom 3. Sept. 1873, Z. Bd. 17 S. 529, Johow Bd. 3 S. 197. § 231. Für die Auxe gelten die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Die für den Erwerb des Eigentums und die Ansprüche aus dem Eigentum an Grundstücken geltenden Vorschriften finden auf die Auxe entsprechende Anwendung. Mot. S. 127 (223). Der neue § 231 (Art. 37 Ziff. 13 AG. znm BGB.) hat den § 228 Abs. 2 (f. dort) und den früheren § 231, welcher lautete: „Bei der Veräußerung und Verpfändung von Kuxen kommen die für Grundstücke gegebenen Bestimmungen zur Anwendung", sowie den § 68 EEG. aus den gleichen Gründen und in demselben Sinne durch neue, dem Reichsrecht entsprechende Vorschriften er­ setzt, wie der neue § 50 die ähnlichen Bestimmungen über das Bergwerkseigentum, s. dort. Vorbem. zu § 50 (Mot. zum AG. bei Mugdan S. 120). 1. Der Verkauf eines Kuxes alten Rechts bedarf nach § 313 BGB. der gerichtlichen oder notariellen Form, § 105 ABG. findet gemäß § 227 auf diese Kuxe keine Anwendung, B e n n h o l d S. 352. 2. Der Umsatz von Kuxen alten Rechts bedarf des Jmmobiliarstempels von 1 °/0 gemäß pr. StSt. Ges. vom 30. Juni 1909, Erl. des Fin.-Min. vom 7. Okt. 1905, Z. Bd. 47 S. 282.

§ 232. Der § (07 findet mit der Maßgabe Anwendung, daß die Erhebung der Beiträge beschlossen sein muß, bevor der seit­ herige Eigentümer der Auxe dieselben veräußert hat. Mot. S. 127 (223). Für welche von der Gewerkschaft beschlossenen Beiträge der Gewerken der seitherige Eigentümer freiwillig veräußerter Kuxe der Gewerkschaft gegenüber verpflichtet war, mußte in Ansehung der unbeweglichen Kuxe zeitlich anders bestimmt werden, als dies

§§ 232.233]

Übergangsbestimmungen.

935

bezüglich der Kuxe neuen Rechts in § 107 geschehen ist. Nach § 223 T. II Tit. 16 ALR. erstreckte sich diese Haftpflicht auf die Zubuße, welche vor der „Zuschreibung" der Kuxe auf den neuen Erwerber im Berggegenbuche beschlossen (ausgeschrieben) war. Statt dessen bestimnit § 232 den Zeitpunkt der Veräußerung der Kuxe als den entscheidenden und zwar deshalb, weil eine solcheZuschreibung da, wo kein Grundbuch besteht, nicht stattfindet, und cs darauf ankam, eine allgemein anwendbare Regel aufzustellen, ebenso Oppenhoff Nr. 1185, Thielmann Änm. zu § 232, Bennhold S. 354, Zimmermann S. 18. Schon aus letzterem Grunde kann nicht mit Arndt 2. Aufl. S. 213 und jetzt Änm. 1 zu § 232, Pitz S. 120 gegen den Wortlaut des § 232 angenommen werden, daß die Eintragung des neuen Erwerbers im Grundbuche den entscheidenden Zeitpunkt bilde. Im vorm. Herzogtum Nassau ist der Zeitpunkt des gesetz­ lichen Antrages auf Ab- und Zuschreibung im Berggegenbuche maßgebend,' Art. XI der Einf.-Verordn.

§ 233.

Soweit die bereits bestellten Repräsentanten und Gruben­ vorstände mit besonderen Vollmachten versehen sind, behält es bei denselben sein Bewenden. Im übrigen ist von der Anwendung der §§ s (9 bis (26 und (28 auf diese Repräsentanten und Grubenvorstände nur die Bestimmung des § \2\ über die Führung des Gewerkenbuchs und die Ausfertigung der Auxscheine ausgeschlossen. Mot. S. 127 (223).

Nach § 18 des Gesetzes vom 12. Mai 1851 konnten die Repräsentanten und Grubenvorstände mit besonderen (erweiternden oder beschränkenden) Vollmachten versehen werden. Soweit solche Vollmachten bei dem Inkrafttreten des ABG. bestanden, durften dieselben durch das neue Gesetz nicht geändert werden; Mot. S. 127. Eine „besondere Vollmacht" im Sinne des § 233 war aber vor­ handen, wenn die Gewerkenversammlung eine die einzelnen Befugniffe des Repräsentanten oder Grubenvorstandes regelnde Willens­ erklärung abgegeben, wenn sie demselben" einen besonderen VollMachtsauftrag 5 T. I Tit. 13 ALR.) erteilt hatte. Urt. des DTr. vom 23. März 1877, Z. Bd. 19 S. 117, nach welchem auch der Aall der Bevollmächtigung eines Mitgliedes des Grubenvor­ standes zur Ausübung der äußeren Rechte und Verpflichtungen 'des letzteren ■(§ 15 des Gesetzes vom 12. Mai 1851) hierher ge­ hört. Vgl. auch Urt. des OTr. vom 10. Sept. 1866, Z. Bd. 7 S.530, Ewtsch. Bd. 57 S. 202; Lindig, Z.Bd.6S. 608. Anders Oppenhoff Nr. 1187. Übrigens wird die Übergangsbestimmung des § 233 gegen­ wärtig kaum noch eine Praktische Tragweite haben.

936

Elfter Titel.

[§ 234

§ 234.

In den Fällen der §§ (30 bis 132 erfolgt der Verkauf des Anteils im Wege der notwendigen Lubhastation und die Zuschreibung des unverkäuflichen Anteils im Hypothekenbuche, letzteres, soweit die Einrichtung des Hypothekenwesens dies gestattet. Mot. S. 127 (223). Das frühere Zubuß- und Kaduzierungsverfahren ist auch für die Gewerkschaften alten Rechts in Wegfall gekommen und durch §§ 129 bis 131 ersetzt,' § 129 Sinnt. 1. Der Verkauf eines der Gewerkschaft behufs ihrer Befriedigung zur Verfügung gestellten Kuxes (§ 130) kann jedoch, ebenso wie im Falle des freiwilligen Verzichtes (§ 132) nur nach den Vorschriften über die Zwangs­ versteigerung in das unbewegliche Vermögen erfolgen; es findet mithin das Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsver­ waltung, sowie das Ausführungsgesetz zu demselben (vgl. Anhang II zu § 50) Anwendung. Die Anheimgabe des Verkaufes nach § 130 ist nicht von der Hypothekenfreiheit des Anteils abhängig; § 130 Sinin. 4 e. Auch bedarf es der Überreichung einer Urkunde über den Besitz dieses Anteils nicht; Urt. des Äppell.-Ger. Hamm vom 9. Febr. 1876, Z. Bd. 17 S. 413. Ein unverkäuflicher Anteil wird der Gewerk­ schaft im Grundbuche „lastenfrei" zugeschrieben; § 131 Sinnt. 5. Für das vormal. Herzogtum Nassau ist Art. XIII der Eins.Verordn, maßgebend. Vorbemerkung zu den §§ 235 a bis g. Mot. S. 127 (223), KB. HH. S. 70-72 (254), KB. AH. S. 103 (1254). In den §§ 235 a bis 239 sind gegenwärtig diejenigen Über­ gangsbestimmungen zusammengefaßt, welche die Umwandlung der Gewerkschaften alten Rechts in solche neuen Rechts zu erleichtern und rechtlich zu regeln bezwecken. Nach § 235 in seiner ursprüng­ lichen Fassung, welche lautete: „Durch einen von einer Mehrheit von wenigstens drei vierteilen aller Kuxe gefaßten Beschluß kann, soweit nicht vertragsmäßige Verabredun­ gen entgegenstehen, jede bereits bestehende Gewerkschaft fich denjenigen Bestimmungen des vierten Titels, welche nach § 227 auf die bestehenden Bergwerke keine Anwendung finden, unterwerfen und insbesondere die Kuxe auf die nach § (O( zulässige (Einteilung mit der Wirkung zurück­ führen, daß die neuen Kuxe die Eigenschaft der beweglichen Sachen haben. Ist bei dem Eintritt der Gesetzeskraft dieses Gesetzes der Besitz der Kuxe einer Gewerkschaft dergestalt geteilt, daß der Zurückführung der­ selben auf die vorbezeichnete Einteilung außergewöhnliche Schwierig­ keiten entgegenstehen, so kann mit Genehmigung des Vberbergamts die Zahl der Auxe auf zehntausend bestimmt werden. Das Protokoll über die Gewerkenversammlung, in welcher der Beschluß gefaßt wird, ist notariell oder gerichtlich aufzunehmen.

Übergangsbestimmungen.

937

Venn auf gewerkschaftlichen Anteilen Hypotheken haften oder Privi­ legien des rheinischen Rechts, so darf ein solcher Beschluß nur dann ausgeführt werden, wenn diese Gläubiger entweder vorher abgefunden find oder in die Ausführung ausdrücklich eingewilligt haben."

konnte diese Umbildung zwar mit Dreiviertelmehrheit beschlossen, jedoch, wenn auf gewerkschaftlichen Anteilen Hypotheken oder Privi­ legien des rhein. Rechts haften, nur mit Einwilligung oder nach vorgängiger Abfindung dieser Gläubiger ausgeführt werden, indem Bedenken getragen war, die Rechte derselben gegen deren Willen durch die Mobilisierung der Kuxe wesentlich umzugestalten. Die Erfahrung lehrte indes, daß die beabsichtigte Umgestaltung der Gewerkschaftsverhältnisse durch diese erschwerenden Bedingungen ungebührlich verlangsamt wurde. Die Novelle vom 9. April 1873 ersetzte deshalb den § 235 durch die §§ 235 a bis g und schuf damit einen neuen Rechtsboden, auf welchem es den Gewerkschaften alten Rechts erleichtert werden sollte, ihre Verfassung mit den er­ probten Vorschriften des vierten Titels in Einklang zu bringen. Dem Gesetz vom 9. April 1873 war schon im Jahre 1870 ein denselben Zweck verfolgender ministerieller Gesetzentwurf vorauf­ gegangen und nebst Motiven behufs Begutachtung veröffentlicht worden- Z. Bd. 11 S. 133 und die Gutachten das. S. 378, 386. Sodann ging in der Landtagssession von 1871/72 aus der Initiative des Hauses der Abgeordneten (v. B e u g h e m) ein überarbeiteter Gesetzentwurf hervor, welcher indes wegen Schließung des Land­ tags nicht zur Erledigung kam,' vgl. denselben nebst Motiven Z. Bd. 13 S. 192. In der folgenden Sitzungsperiode brachte die Regierung zufolge Allerh. Ermächtigung vom 9. Dez. 1872 diesen Entwurf mit einigen Fasiungsänderungen wieder ein. (Drucks, des Herrenh. Nr. 20), worauf dessen Annahme in beiden Häusern des Landtags mit geringen Abänderungen erfolgte, vgl. die Zusammen­ stellung der Materialien in den Vorbemerkungen. Es waren zwei Punkte, in denen sich die Vorschriften des § 235 als ungenügend bzw. als hinderlich für die Erreichung des beabsichtigten Zweckes erwiesen, nämlich 1. der Mangel einer Be­ stimmung über die Unterbringung von Kuxteilen, welche bei Zurück­ führung der älteren Kuxeinteilung auf die Zahl 100, 1000 oder 10000 überschießen; 2. das Erfordernis der Zustimmung oder vor­ gängigen Abfindung der Kux-Hypothekengläubiger oder Inhaber von Privilegien des rhein. Rechts. Infolge der hieraus erwach feiten Schwierigkeiten mußte besonders im Bezirke des OBA. Dort­ mund unter den bei dem dortigen Bergwerkseigentum bestehenden verwickelten Besitz- und Hypothekenverhältnissen vielfach Abstand davon genommen werden, die Umbildung der gewerkschaftlichen Ver­ fassung in Angriff zu nehmen, so daß sich dort die Beseitigung jener Erschwernisse der Umwandlung als dringendes Bedürfnis heraus­ stellte. Mot. S. 8 bis 10; KB. d. HH. S. 3. Das Gesetz vom 9. April 1873 hat in bezug auf beide vor­ bezeichnete Punkte Abhülfe geschaffen. Erstens ist der sich um-

938

Elfter Titel.

18235«

wandelnden Gewerkschaft die Befugnis eingeräumt, nötigenfalls die bei der neuen Kuxeinteilung überschießenden Bruchteile nach ge­ schehener Zusammenlegung zu ganzen Kuxen im Wege der Zwangs­ versteigerung zum Verkaufe zu bringen (§ 235a). Zweitens sind die Kux-Hypothekengläubiger und die Inhaber von Privilegien des rhein. Rechts, anschließend an die für Konsolidation von Berg­ werken maßgebenden §§ 45 bis 49 ABG. für befugt erklärt, ihre Befriedigung vor der Berfallzeit zu verlangen, soweit dies die Natur des Anspruchs gestattet (§ 235d). Zugleich ist aber der Umwandlungsbeschluß in allen Fällen der Bestätigung des Oberbergamts unterworfen, damit vorher festgestellt werden kann, daß zu berück­ sichtigende Gläubiger nicht vorhanden oder deren Ansprüche im Wege gütlicher Einigung oder durch gerichtliche Geltendmachung erledigt sind (§ 235 b und e). Wenn die Umbildung der gewerkschaftlichen Verfassung, wie bereits erwähnt, trotz der dargebotenen Erleichterungen langsamer, als anzunehmen war, vor sich geht, so wird man die Verlängerung des Ubergangszustandes eben hinnehmen müssen, da ein zwangs weises Eingreifen auch jetzt nicht gerechtfertigt sein würde.

§ 235 a. Durch einen von einer Mehrheit von wenigstens drei Vier­ teilen aller Auxe gefaßten Beschluß kann, soweit nicht vertrags­ mäßige Verabredungen entgegenstehen, jede bereits bestehende Gewerkschaft sich denjenigen Bestimmungen des vierten Titels, welche nach § 227 auf die bestehenden Bergwerke keine An­ wendung finden, unterwerfen und insbesondere die Zahl der Auxe auf einhundert oder eintausend mit der Wirkung be­ stimmen, daß die neuen Auxe zum beweglichen Vermögen gehören. Stehen der vorbezeichneten Einteilung außergewöhnliche Schwierigkeiten entgegen, so kann mit Genehmigung des Ministers für handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten aus­ nahmsweise eine andere Zahl der Auxe bestimmt werden. 1. § 235a räumt das Recht der Umwandlung allen Gewerk­ schaften ein, welche aus der Zeit vor Inkrafttreten des ABG. in den alten und den neu erworbenen Landesteilen noch bestehen. 2. Das Recht zur Umwandlung ist so aufzufassen, daß die alten Gewerkschaften denjenigen Vorschriften des vierten Titels, welchen sie nach § 226 gesetzlich unterworfen sind, durch Beschluß auch die Vorschriften hinzufügen können, welche nach § 227 auf sie keine gesetzliche Anwendung finden, so daß sie also gleich den Gewerkschaften neuen Rechts vollständig unter die Wirksamkeit des vierten Titels treten; es handelt sich also um Unterwerfung unter sämtliche im § 227 ausgeschlossene Bestimmungen. Achenbach,

§§ 235 a. 235 b]

Übergangsbestimmungen.

939

Z. Bd. 7 S. 177; Oppen hoff Nr. 1192. Anders Strohn, Z. Bd. 7 S. 44 bis 49, insofern er nur die §§ 96 bis 110 als unteilbares systematisches Ganzes behandelt wissen will, dagegen die Gewerkschaft alten Rechts zu der Errichtung eines Statuts gemäß § 94 für befugt erachtet, auch ohne sich zugleich den übrigen ausgeschlossenen Bestimmungen unterwerfen zu müssen; vgl. jedoch § 94 Anm. 8. Es liegt kein Grund vor, von der feststehenden Praxis, wonach die Zulassung der Kuxzahl 1000 wegen geringfügiger Ausdehnung oder geringfügigen Wertes des Bergwerks versagt werden kann, in dem Falle abzugehen, wenn die Kuxzahl einer nach § 235a umzuwandelnden Gewerkschaft alten Rechts festzusetzen ist. Beschl. des OBA. Dortmund vom 6. Dez. 1889, Rek.-Besch. vom 24. Febr. 1890 und 11. Aug. 1892, Z. Bd. 31 S. 410, 270, Bd. 34 S. 276. 3. Das Bergwerk muß an die neue Gewerkschaft aufgelassen werden, da ein Eigentumswechsel vorliegt, so Bennhold S. 359, vgl. aber Z. Bd. 42 S. 493 und Arndt Anm. 3 zu 8 235 a. Über Stempelfragen bei einer solchen Umwandlung vgl. Bennhold S. 359, aber auch Arndt Anm. 4 zu § 235a. 4. Auf den Fall der Umwandlung einer Gewerkschaft alten Rechts in eine Aktiengesellschaft bezieht sich § 235 a nicht; § 133 Anm. 4. Ebensowenig ist derselbe anwendbar aus den Fall der Annahme der gewerkschaftlichen Verfassung seitens einer in anderer Form bestehenden Gesellschaft; Min.-Beschl. vom 18. Jan. 1876, Z. Bd. 17 S. 126. 5. Da sich gezeigt hatte, daß die im § 235 ausnahmsweise zugelassene Einteilung in 10000 Kuxe zur Erreichung des beab­ sichtigten Zweckes nicht genügte, so gewährt § 235a Abs. 2 einen weiteren Spielraum, behält aber die Genehmigung des Ressort­ ministers vor. Eine solche ausnahmsweise Kuxzahl besteht u. a. bei der Mansfeldschen Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft, welche 69120 bewegliche, unteilbare Kuxe besitzt. Die Genehmigung erfolgt jetzt durch den Handelsminister. 8 235 b.

Der Beschluß der Gewerkschaft unterliegt der Bestätigung des Gberbergamts. Das Protokoll über die Gewerkenversammlung, in welcher der Beschluß gefaßt wird, ist notariell oder gerichtlich aufzu­ nehmen und in Ausfertigung dem Dberbergamte einzureichen. Wo die Einrichtung des l)vpothekenwesens es gestattet, hat die Hypothekenbehörde den Beschluß auf Grund einer Ausfertigung des Protokolls im Hypothekenbuche zu vermerken und dem Dberbergamte eine beglaubigte Abschrift des Vermerks mit­ zuteilen. Die Löschung des Vermerks erfolgt auf Antrag des Gberbergamts.

940

Elfter Titel.

[§§ 235 b. 235 c

1. Abweichend von der früheren, auf § 235 und 101 be­ ruhenden Praxis (Rek.-Besch. vom 11. April 1866, Z. Bd. 9 S. 239) ist nach § 235b Abs. 1 die oberbergamtliche Bestätigung des Um­ wandlungsbeschlusses in jedem Falle erforderlich, um dem Verfahren einen bestimmten, leicht erkennbaren formalen Abschluß zu geben und eine geeignete Grundlage für die etwaige Zwangsversteigerung überschießender Bruchteile zu gewinnen- Mot. S. 11. 2. Nach § 235 b Abs. 2 ist der Umwandlungsbeschluß, wo die Einrichtung des Hypothekenwesens es gestattet, im Grundbuche (Berggegenbuche) zu vermerken und später wieder zu löschen, letzteres auf Antrag des Oberbergamts. Dagegen ist es Sache der Gewerk­ schaft bzw. des Repräsentanten oder Grubenvorstandes, die Ein­ tragung des Vermerks bei dem Grundbuchamte zu beantragen Mot. S. 12. Übrigens kann diese Eintragung von dem Grund­ buchamte nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Beschluß nicht in rechtgültiger Weise zu Stande gekommen sei. Beschl. des Appel.Ger. Naumburg vom 25. Sept. 1874, Johow, Jahrb. Bd. 7 S. 192, Z. Bd. 19 S. 263. 3. Die rechtliche Wirkung der erfolgten Eintragung des Ver­ merks ist lediglich die im § 235k angegebene. Die Eintragung enthält keine „Veränderung eines eingetragenen Rechtsverhältnisses" auch bewirkt sie keine „Verfügungsbeschränkung" und hat ebenso­ wenig die Bedeutung einer „Vormerkung"- dies ist auch für die Kostenfrage von Bedeutung. Beschl. des KG. vom 6. Febr. 1888, Z. Bd. 29 S. 396. Das Bergwerk kann daher auch fortan belastet und veräußert werden, ebenso die einzelnen Kuxe, Bennhold S. 360. § 235 c.

wenn auf gewerkschaftlichen Anteilen Privilegien des rhei­ nischen Rechts oder Hypotheken haften, so wird der wesentliche Inhalt des Beschlusses, insbesondere die Zahl der neuen Ruxe, durch das Mberbergamt den aus dem Hypothekenbuche oder aus den Rheinischen Hypothekenregistern ersichtlichen Berech­ tigten, insofern deren ausdrückliches Einverständnis mit dem Beschlusse nicht beigebracht ist, unter Verweisung auf diesen und die beiden nachstehenden Paragraphen bekannt gemacht. In jedem Falle erfolgt diese Bekanntmachung durch das Amtsblatt der Regierung, in deren Bezirk das Bergwerk liegt.

Die Bekanntmachung durch das Amtsblatt hat „in jedem Falle", mithin auch dann zu erfolgen, wenn Hypothekengläubiger oder privilegierte Gläubiger des rhein. Rechts nicht vorhanden bzw. nicht bekannt sind.

§§ 235 d—235 f]

Übergangsbestimmungen.

941

§ 235 d.

Die privilegierten Gläubiger des rheinischen Rechts, sowie die Hypothekengläubiger können ihre Befriedigung vor der Verfallzeit verlangen, soweit dies die Natur ihres Anspruchs gestattet. Dieses Recht muß binnen drei Nlonaten nach Ablauf des Tages, an welchen: die Bekanntmachung zugestellt, beziehungs­ weise das die Bekanntmachung enthaltende Amtsblatt aus­ gegeben worden ist, durch gerichtliche Klage geltend gemacht und binnen derselben drei Monate muß dem Mberbergamte die erfolgte Alageanstellung nachgewiesen werden. Der eingeklagte Anspruch muß unausgesetzt gerichtlich weiter verfolgt werden. Die Nichtbeobachtung dieser Vorschriften zieht den Verlust des Rechts nach sich. Nur die Hypothekengläubiger und die privilegierten Gläubiger des rhein. Rechts, nicht auch andere Realberechtigte können nach § 235 d Befriedigung vor der Verfallzcit verlangen. KB. d. HH. S. 4 bis 7.

§ 235 e. Änd privilegierte Gläubiger des rheinischen Rechts oder Hypothekengläubiger nicht vorhanden, oder haben dieselben von dem ihnen beigelegten Recht, ihre Befriedigung vor der Ver­ fallzeit zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht, oder sind deren Rechte nach den vorstehenden Bestimmungen oder im Wege der gütlichen Einigung erledigt, so hat das Gberbergamt den Be­ schluß zu bestätigen und die erfolgte Bestätigung durch das Amtsblatt der Regierung, in deren Bezirk das Bergwerk liegt, bekannt zu machen.

Die Bestätigung des Umwandlungsbeschlusses hängt nicht von dem Ermessen des Oberbergamts ab, sondern muß erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 235 e vorhanden sind.

§ 235 f. privilegierte Gläubiger des rheinischen Rechts, sowie Hypothekengläubiger, deren Privilegium oder Realrecht erst nach dem Tage der Ausgabe des die Bekanntmachung des Beschlusses enthaltenden Amtsblattes, beziehungsweise nach der Eintragung des Vermerkes über den Beschluß im Hypothekenbuche ent­ standen ist, sind den rechtlichen folgen des Beschlusses ohne

weiteres unterworfen.

Maßgebend ist hier der Zeitpunkt der Eintragung des Ver­ merks und'm den Fällen, in welchen diese nicht stattgefunden hat, der Tag der Ausgabe des betreffenden Amtsblattes.

942

Elfter Titel.

[§ 235 g

§ 23og. Bleiben bei der neuen Einteilung überschießende Auxteile zurück, so erfolgt nach geschehener Zusammenlegung zu ganzen Auxen auf Grund des bestätigten Beschlusses die notwendige Subhastation derselben aus Antrag des Repräsentanten oder Grubenvorstandes durch den zuständigen Richter, insofern nicht die an den überschießenden Auxteilen beteiligten Gewerken über die anderweitige Zusammenlegung dieser Auxteile eilt Übereinkommen

getroffen und der Gewerkschaft vorgelegt haben. Mit der Subhastation erlöschen alle Privilegien des rheinischen Rechts, Realrechte und Apotheken, welche auf den überschießenden Auxscheinen haften. Die Kosten der Subhastation fallen der Gewerkschaft zur Last. 1. Das „Übereinkommen" über die „anderweitige Zusammen­ legung" überschießender Kuxteile, durch welches die Zwangsver­ steigerung entbehrlich wird, kann gültig in Gestalt eines Gewerk­ schaftsbeschlusses gefaßt werden, sofern sämtliche an den überschießen­ den Kuxteilen beteiligten Gewerken dem Beschlusse zustimmen. Befehl, des Appell.-Ger. Hamm vom 20. Sept. 1874, Iohow, Jahrb. Bd. 4 S. 126, Z. Bd. 17 S. 530. 2. Gegenstand der „notwendigen Subhastation" sind nicht die alten, überschießenden unbeweglichen Kuxteile, sondern die neuen, zusammengelegten beweglichen Kuxe. Beschlüsse des LG. Dortmund vom 14. Febr. und 7. Aug. 1883, Z. Bd. 26 S. 391. Für diese Abweichung von der Regel, nach welcher die Mobiliarversteigerung eintreten müßte, ist maßgebend gewesen, daß die Form der notwendigen Subhastation den Realberechtigten und den Kuxeigen­ tümern größere Sicherheit für die Wahrung ihrer Interessen dar­ biete, als die Mobiliarversteigerung, daß zudem letztere keine wesent­ liche Abkürzung des Verfahrens herbeiführen würde, und daß über­ haupt die Wirkung der Umwandlung der unbeweglichen Anteile in bewegliche so lange ausgesetzt bleibe, bis die neue Kuxeinteilung tatsächlich durchgeführt fei; Z. Bd. US. 143, 144; Bd. 13 S. 218. Gegenwärtig erfolgt der Verkauf gemäß Art. 23 AG. z. ZVG. (vgl. § 50 Anhang II). Den Antrag auf Zwangsversteigerung haben nicht die be­ teiligten Gewerken, sondern der Repräsentant oder Grubenvorstand zu stellen. 3. Gegenstand der Subhastation sind die neuen Kuxe. Da solche aber nur an einer bereits vorhandenen Gewerkschaft be­ stehen können, eine Gewerkschaft aber wiederuni die Beteiligung mehrerer an einem Bergwerke vorausfetzt, so ist der Schluß ge­ rechtfertigt, daß die Eintragung des Bergwerks auf den Namen der Gewerkschaft vor der Zwangsversteigerung der neuen Kuxe erfolgt sein muß (so Bennhold S. 366 gegen die Beschl. des Appell.-Ger. Hamm vom 7. Okt., 20. Sept. 1874, Z. Bd. 17 S. 529, 530, vom 25. Sept. 1878, Z. Bd. 20 S. 387).

§§ 235 g—237]

Übergangsbestimmungen.

943

Daneben bleiben aber die alten Kuxe bestehen, da die Pfand­ rechte an ihnen noch fortbestehen. Diese Möglichkeit des Nebeneinanderbestehens von Kuxen alten und neuen Rechts bietet einen gewichtigen Grund für die hier vertretene Auffassung von der rechtlichen Natur des Kuxes alten Rechts. Sie ist nur dadurch zu erklären, daß diese Kuxe nicht Anteile an dem Bergwerke selbst sind, denn sonst müßten sie notwendiger Weise mit dem Übergang desselben auf die neue Ge­ werkschaft untergehen, sondern ein Anteil an dem Vermögen der Gewerkschaft sind, welcher sich mit diesem Übergang in einen An­ spruch auf Ausantwortung eines entsprechenden Teiles an dem Erlöse der neuen Kuxe verwandelt, so auch zutreffend Bennhold S. 367.

§ 236.

Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, haften den seit­ herigen Hypothekengläubigern die neuen lüire, welche an die Stelle der verpfändeten Anteile treten, in der unter denselben durch ihre Hypothekenrechte begründeten Rangordnung als Pfand, wo nach der Einrichtung des 1)xpotbekenwesens die auf den gewerkschaftlichen Anteilen haftenden Hypotheken und andere Realansprüche in der zweiten und dritten Rubrik des Hypothekenfoliums eingetragen find, werden dieselben von diesem ^oltum wörtlich in die Auxscheine übertragen. Die Löschung dieser Vermerke erfolgt nach den für die Löschung im Hypothckenbuche maßgebenden Vorschriften. Mot. S. 128 (223). Das Hypothekenrecht derjenigen Kux-Hypothekengläubiger welche von der Befugnis, ihre Befriedigung vor der Verfallzeit zu verlangen (§ 235 d), keinen Gebrauch gemacht haben, verwandelt sich nach § 236 Abs. 1 in ein Pfandrecht, Faustpfand, an den be­ weglichen Kuxen. Die besonderen Bestimmungen darüber, wie es mit diesen Pfandrechten, insbesondere auch unter zwei oder mehreren Gläubigern gehalten werden soll, treffen im Anschluß an die all­ gemeinen Rechtsregeln die §§ 236 bis 239. § 237.

Ist ein Anteil nach § 236 mit Pfandrechten, welche an die Stelle seitheriger Hypotheken getreten sind, belastet, so wird der darüber ausgefertigte Auxschein, sofern nur ein seitheriger Hypothekengläubiger vorhanden ist, diesem ausgehändigt, sofern aber zwei oder mehrere solche Gläubiger vorhanden sind, für diese von der Hypothekenbehörde (§ 239) in Gewahrsam genommen und aufbewahrt. Mot. S. 128 (223/4).

Elfter Titel.

944

[§§ 237—239

1. Werden die Kuxscheine über verpfändete Kuxe von dem Grundbuchamte aufbewahrt (§ 237), und stellt der Gewerke dem­ nächst der Gewerkschaft den Verkauf dieser Kuxe nach § 130 an­ heim, so kann die Herausgabe der Kuxscheine von der Gewerkschaft nur mit Einwilligung der Pfandgläubiger oder auf Grund einer gegen dieselben gerichteten Zwangsvollstreckungsmaßregel des zu­ ständigen Richters verlangt werden. Beschlüsse des LG. Dort­ mund vom 3. Okt. 1883 und des KG. vom 26. Mai 1884, Z. Bd. 26 S. 394. 2. Die Aufbewahrung des Kuxscheins durch die Hypotheken­ behörde hindert den Gewerken nicht an der Weiterverpfändung des Kuxes, da er nach BGB. die Verpfändung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs bewirken kann (vgl. oben S. 417), so Bennhold S. 369, a. A. Brassert in der früheren Auflage. Ebenso ist nach der herrschenden Meinung die Abtretung des Kuxes zulässig (vgl. § 105 Anm. 2) und zwar genügt die einfache Schriftform (§ 105 ABG.), da besondere Vorschriften nicht bestehen, Bennhold S. 370, Noth S. 33, T h i e l m a n n Anm. zu § 237, a. A. Beschl. des Appell.-Ger. Hamm vom 28. Mai 1873, Z. Bd. 17 S. 528 und in Anschluß daran Brassert in der früheren Auflage Anm. 4 zu § 239. Da nach diesseitiger Ansicht (s. oben S. 407) zur Abtretung eines Kuxes die Übergabe des Kuxscheines erforderlich ist, erscheint eine solche Abtretung über­ haupt unzulässig. § 238.

Der Verkauf von Kuxscheinen behufs Befriedigung seitheriger Hypothekengläubiger erfolgt im Wege der Mobiliarversteigerung (§ (09). Der Versteigerungstermin ist sämtlichen aus dem Aurscheine ersichtlichen Realberechtigten bekannt ;u machen. Durch den Verkauf erlöschen alle Realansprüche auf den verkauften Anteil. Der gelöste Kaufpreis wird unter die Gläubiger nach der Rangordnung ihrer Forderungen verteilt. Mot. S. 128 (224).

Die Vorschriften des § 238 ergeben sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen in Verbindung mit §§ 109 (über dessen Be­ seitigung durch die Vorschriften der ZPO. vgl. Anm. dort) und 236. Eine sinngemäße Anwendung der §§ 129 bis 131, welche Arndt 2. Aufl. S. 218 an nimmt, ist nicht zulässig.

§ 239. Wenn und so lange infolge der Ausführung eines unter den § 255 fallenden Beschlusses Anteile einzelner Gewerken mit

§§ 239. 240]

Übergangsbestimmungen.

945

Pfandrechten, welche an die Stelle seitheriger Hypotheken ge­ treten, belastet sind, erfolgt die Führung des Gewerkenbuches und die Ausfertigung der Auxfcheine (§§ (03 und (2() durch die Hypothekenbehorde, welche das l)ypothekenbuch über das Bergwerk selbst zu führen hat.

Mot. S. 128 (224).

1. In den Fällen, in welchen seitherigen Kux-Hypothekengläubigern ein Faustpfandrecht an den zufolge eines Umwandlungs­ beschlusses (§ 235 a) entstandenen beweglichen Kuxen zusteht (§ 236), erfordert die Führung des Gewerkenbuches und die Ausfertigung der Kuxscheine, namentlich wegen der in letztere nach § 236 zu übertragenden Vermerke, besondere Geschäftskenntnis und Sorgfalt und ist deshalb im § 239 vorübergehend den Hypothekenbehörden, jetzt den Amtsgerichten übertragen, um auch auf diese Weise den Übergang der Gewerkschaften alten Rechts in die neue Gewerk­ schaftsform zu befördern und zu erleichtern,- Mot. S. 128. 2. Die Führung des Gewerkschaftsbuches und die Ausfer­ tigung des Kuxscheines hat nicht durch das Amtsgericht (§ 239) zu erfolgen, wenn auf den neuen Kuxen nicht Faustpfandrechte, welche an die Stelle seitheriger Hypotheken getreten sind, sondern lediglich andere Realrechte haften. Plenarbeschl. u. Vers. des Appell.-Ger. Hamm v. 12. Nov. 1873, Z. Bd. 15 S. 400, Bd. 17 S. 42 Anm. 1; Beschl. des KG. v. 23. Jan. 1893, Z. Bd. 43, S.259, Rintelen, Gruchot Bd. 18 S. 103, Z. Bd. 17 S.33, Brennhold S. 371. 3. Die in § 239 bezeichneten Geschäfte sind auch gegenwärtig von den Amtsgerichten nach Maßgabe der Min.-Instruktion v. 19. Nov. 1866 zu besorgen. Vgl. dieselbe nebst Formularen Z. Bd. 7 S. 437, Huyssen S. 169, Esser, Gewerkschaft S. 137, Thielmann Anm. 3 zu § 239. § 240.

In den Rechtsverhältnissen der Mitbeteiligten der bei dem (Eintritt der Gesetzeskraft des gegenwärtigen Gesetzes in den linksrheinischen Landesteilen im Besitze mehrerer Personen be­ findlichen Bergwerke wird durch dieses Gesetz nichts geändert. Jedoch finden die Bestimmungen des § (34 auch auf diese Bergwerke Anwendung. Durch einen von einer Mehrheit von wenigstens drei Vier­ teilen aller Anteile gefaßten Beschluß können die Mitbeteiligten eines solchen Bergwerks die im vierten Titel des gegenwärtigen Gesetzes (§§ 94 bis 132) enthaltene gewerkschaftliche Verfassung annehmen, soweit nicht vertragsmäßige Verabredungen entgegenstehen. Der Beschluß ist gerichtlich oder notariell aufzunehmen. Mot. S. 129 (224), KB. HH. S. 72 (254), KB. AH. S. 104 (1254). 59

946

Elfter Titel.

Übergangsbestimmungen.

[§§ 240. 241

1. Da das französische Berggesetz vom 21. April 1810 keine besonderen Vorschriften über Bergwerksgesellschaften enthält, so waren in den linksrheinischen Landesteilen die Rechtsverhältnisse der Mitbeteiligten von Bergwerken, abgesehen von vertragsmäßigen Verabredungen, lediglich nach Zivilrecht zu beurteilen. Zur Ab­ änderung dieses Rechtszustandes lag keine Veranlassung vor, wes­ halb derselbe im § 240 aufrechterhalten und nur dahin abgeändert ist, daß die Mitbeteiligten ebenso wie in den Fällen des § 134 einen Repräsentanten zu bestellen haben. Vgl. § 134 Anm. 1 bis 5; auch Oppenhoff Nr. 1204 und 1206 bis. 2. Auch den Mitbeteiligten der linksrheinischen Bergwerke (§ 240) ist die Annahme der gewerkschaftlichen Verfassung des vierten Titels dadurch erleichert, daß hierzu die Dreiviertelmehrheit genügt. Mot. S. 129; KB. d. HH. S. 72. Ein solcher Beschluß ist aber unzulässig, wenn einem der Mitbeteiligten an einem Teile des Bergwerks, z. B. demjenigen, der unter einem bestimmten Grundstücke liegt, ein Sondereigen­ tum zusteht. Urt. des RG. v. 7. Mai 1913, Recht S- 408. 3. Dem Abs. 3, welcher lautete: „Der Beschluß ist notariell aufzunehmen" ist durch Art. 37 Ziff. 15 AG. z. BGB. die jetzige Fassung ge­ geben, weil gemäß Art. 31 des preußischen Gesetzes über die frei­ willige Gbkt. v. 21. Sept. 1899 auch in den linksrheinischen Landesteilen den Amtsgerichten die gleiche Beurkundungsbefugnis beigelegt worden ist, wie den Notaren. Mot. zu AG. bei Mugdan S. 120. §241. Auf Fälle, in welchen vor (Eintritt der Gesetzeskraft des gegenwärtigen Gesetzes für den Betrieb des Bergbaues Grund und Boden eigentümlich oder zur Benutzung abgetreten ist, kommen nicht die §§ 137 bis ,4b sondern die bisherigen Gesetze zur Anwendung. KB. HH. S. 72 (254), KB. AH. S. 104 (1254).

1. Durch § 241 soll inbetreff derjenigen Grundstücke, welche bereits vor Inkrafttreten des ABG. an Bergwerksbesitzer eigen­ tümlich abgetreten oder von denselben in Benutzung genommen sind, jeder Zweifel darüber ausgeschlossen werden, „daß auf das dadurch zwischen ihnen und den Grundbesitzern begründete Rechts­ verhältnis nur die bisherigen Gesetze und zwar auch dann zur Anwendung kommen, wenn die Benutzung unter dem gegen­ wärtigen Gesetze fortdauert". KB. d. HH. S. 272, d. AH. S. 104. Namentlich stehen dem Grundeigentümer in diesen Fällen nicht die Vorteile zu, welche die ausgeschlossenen § 137—141 demselben abweichend von dem ALR. sonst einräumen; Urt. des OTr. v. 29. Mai 1876, Z. Bd. 18 S. 234, Entsch. Bd. 77 S. 251.

§242]

^Zwölfter Titel.

Schlußbesttinmungen.

947

Indem die §§ 137—141 nicht rückwirkend zur Anwendung kommen sollen, handelt es sich um Ausschließung gewisser Vorschriften des die Zwangsabtretung von Grundeigentum für Bergbauzwecke betreffenden materiellen Rechts,' dagegen sind die Vorschriften des ABG. bezüglich der Zustündigkeit der Behörden und des Ver­ fahrens nicht ausgeschlossen. Min.-Besch, v. 20. Okt. 1866, Z. Bd. 9 S. 242. 2. Die Frage, ob und in welchen Fällen ein bereits vor Inkrafttreten des ABG. ergangener Enteignungsbeschluß im Rechtswege angegriffen werden kann, ist lediglich nach den da­ maligen Gesetzen zu beurteilen. Urt. des Appell.-Ger. Hamm v. 25. Juli 1868, des OTr. v. 4. Juni 1869; Z. Bd. 10 S. 431, Striethorst Bd. 75 S. 130.

Zwölfter Titel.

Lcvlurrvrrtlmmungen. § 242.

Wo in diesem Gesetze eine ^rift nach Monaten bestimmt ist, fällt der Ablauf der Frist auf denjenigen Tag des letzten Monats, welcher durch seine Zahl dem Tage des Anfangs der Frist entspricht, Fehlt dieser Tag in dem letzten Monate, so läuft die Frist mit dem letzten Tage dieses Monats ab. Mot. S. 129 (224), KB. HH. S. 72 (254), KB. AH. S. 104 (1254).

1. Der auf Vorschlag der Kommission des Herrenhauses, Bericht S. 72, aufgenommene § 242 führt für die im ABG. (88 31, 35, 46, 51, 65, 110, 127, 159, 161, 215, 218) nach Monaten bestimmten Fristen, unter Ausschließung der Frist­ berechnung im 8 550 T. 1 Tit. 9 ALR., diejenige Berechnungsart ein, welche bereits im Art. 328 HGB. — alter Fassung — und Art. 32 WO. angenommen war und gegenwärtig auch im 8 188 Abs. 2 u. 3 BGB. enthalten ist. Der bisher herrschenden Meinung, daß die im Art. 329 HGB. und § 200 Abs. 2 ZPO. getroffene weitere Bestimmung, nach welcher, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag fällt, die Frist erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages endigt, auf das ABG. keine Anwendung finde, kann nicht beigetreten werden, vgl. Gott­ schalk in Z. Bd.53 S. 96 ff.; Entsch. des OSchG. v. 23. Sept.

948

Zwölfter Titel.

[§§ 243. 244

1908 u. 19. Jan. 1909, Z. Bd. 50 S. 107 ff., Bd. 51 S. 175; Thielmann Anm. zu § 242, Arndt, Schlüter-Hense ebendort. 2. Im übrigen sind für die Berechnung der Fristen nun­ mehr grundsätzlich die §§ 187 ff. BGB. maßgebend (§ 186 BGB.). § 243.

Das gegenwärtige Berggesetz tritt im ganzen Umfange der Monarchie mit dem (. Oktober (865 in Kraft. Mot. S. 129 (224), KB. HH. S. 73 (265), KB. AH. S. 104 (1254).

Das ABG. ist in Kraft getreten: in den neu erworbenen Gebieten von Nassau, Oberhessen und Heffen-Homburg nebst Meisenheim am 1. April 1867, von Hannover, Kurhessen, Frank­ furt a. M. und in den bayerischen Landesteilen am 1. Juli 1867, im Herzogtum Lauenburg am 1. Juli 1868, in Schleswig-Hol­ stein am 1. April 1869 und im Jadegebiet am 1. April 1873; vgl. die Einf.-Berordnungen im Anhang. Wegen des Inkrafttreten der Novellen vgl. im übrigen die diesbezüglichen Bestimmungen im Anhang. § 244. Mit diesem Zeitpunkte treten außer Kraft: die provinzialbergordnungen, die §§ 6 und 69 bis 480 des sechzehnten Titels im zweiten Teile des Allgemeinen preußischen Landrechts, das Gemeine Deutsche Bergrecht, die Deklaration vom 27. Oktober (804, das Gesetz über die Verleihung des Bergeigentums auf Flözen vom (. Juli (82,, das Gesetz über die Verhältnisse der Miteigentümer eines Bergwerks vom (2. Mai (85(, das Knappschaftsgesetz vom (0. April (854, das Gesetz über die Beaufsichtigung des Bergbaues und das Verhältnis der Bergund Hüttenarbeiter vom 2(. Mai (860, mit Ausschluß der §§ (6, (7 und (8 und des § (9, soweit derselbe sich auf § (8 bezieht, das Gesetz über die Kompetenz der Oberberg­ ämter vom (0. Zuni (86 (, das linksrheinische Bergwerksgesetz vom 2(. April (8(0, das Dekret über die Organisation des Bergwerkskorps vom (8. November (8(0, das Bergwerks­ polizeidekret vom 3. Zanuar (8(3 und alle übrigen allgemeinen und besonderen Gesetze, Verordnungen und Gewohnheiten über Gegenstände, auf welche das gegenwärtige Gesetz sich bezieht.

Mot. S. 1291 (224), KB. HH. S. 73 (265), KB. AH. S. 104 (1254/5). 1. Durch § 244 sind „alle" allgemeinen und besonderen Ge­ setze, Verordnungen und Gewohnheiten über Gegenstände, auf welche das Berggesetz „sich bezieht", außer Kraft gesetzt; die

§§ 244. 245]

Schlußbestimmungen.

949

namentlich aufgeführten Gesetze dienen als die wichtigsten Bei­ spiele für das damalige Gebiet des preußischen Staates. In gleicher Weise ist die Aufhebung des älteren Bergrechts bei Ein­ führung des Berggesetzes in den neuerworbenen Landesteilen ausgesprochen- vgl. die Einf.-Verordnungen im Anhang. Mit der Außerkraftsetzung der älteren Gesetze haben auch die lediglich zur Ausführung derselben ergangenen Vorschriften jedweder Art ihre Verwendbarkeit verloren. Vgl. u. a. Rek.Besch. v. 20. Febr. 1873, Z. Bd. 15 S. 137. Die Gesetze usw. über Gegenstände, auf welche das ABG. sich nicht bezieht, sind von der Aufhebung durch § 244 nicht be­ troffen. Dahin gehören namtlich auch die in § 245 bezeichneten Vorschriften. Auch die durch § 244 aufgehobenen Gesetze usw. haben trotzdem ihre Anwendbarkeit insoweit behalten, als nach denselben wohlerworbene Rechte und solche ältere Einrichtungen, welche, wie Freikuxe, Erbstollengerechtigkeiten, Grundrenten usw. durch das ABG. erst von dessen Einführung an beseitigt wurden, nach wie vor beurteilt werden müssen, Urt. des OTr. v. 21. Dez. 1875, Urt. des RG. v. 4. Febr. 1885, v. 18. Juni 1892, Z. Bd. 17 S. 524, Bd. 27 S. 109, Bd. 34 S. 117. Wegen Anwendbarkeit des früheren Rechts auf den Grund­ kux vgl. Anm. 1 zu § 224. 2. § 224 findet auch auf den sächsischen Kohlenbergbau Anwendung- § 9 Ziff. e des Gesetzes v. 22. Febr. 1869. 3. Infolge der Aufhebung der das Koalitionsrecht betreffen­ den Vorschriften des Gesetzes v. 21. Mai 1806 durch die §§ 152 u. 153 der Gewerbeordnung ist der Vorbehalt im § 244 gegen­ standslos geworden. § 245. Für die Verwaltung der Bergbauhilfskassen bleibt das Gesetz vom 5. Juni 1863 (Gesetzsammlung Seite 365) maßgebend. Desgleichen wird an den Vorschriften über die Entrichtung, Ermittelung und Einziehung der Bergwerks-Abgaben durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert. Die bisher von den Bergbehörden erlassenen Bergpolizei­ verordnungen bleiben, soweit sie nicht mit dem gegenwärtigen Gesetze in Widerspruch stehen, in Kraft. Mot. S. 129 (224), KB. AH. S. 105 (1255).

1. Zu Abi. 1: Wegen der Bergbauhilfskassen vgl. das Gesetz v. 5. Juni 1863 im Anhang. 2. Zu Abs. 2: Bergwerksabgaben. Das ABG. hatte bei seinem Erlasse keine Änderung in der Besteuerung des Bergbaues vorgenommen, weil dieselben erst kurz vorher durch das Gesetz über die Bergwerksabgaben v. 20. Okt.

950

Zwölfter Titel.

[§§245. 246

1862 seit dem 1. Januar 1865 für das ganze Staatsgebiet ein­ heitlich geregelt war. Die Bergwerkssteuer betrug zwei Prozent vom Werte der abgesetzten Produkte, vgl. im übrigen die Ausführungen in der ersten Auflage S. 598 ff., sowie Nachtrag S. 211 ff., Arndt in Z. Bd. 23 S. 18 und in Conrads Jahrbüchern Bd. 36 S. 174 u. 630 ff. Durch das Gesetz wegen Aufhebung direkter Staatssteuern v. 14. Juli 1893 (GS. S. 119) § 2 sind die von den Bergwerken zu entrichtenden Bergwerksabgaben, Bergwerkssteuern und Auf­ sichtssteuern vom 1. April 1895 ab außer Hebung gesetzt worden, vgl. Engels, die Außerhebunggesetzgebung der staatlichen Berg­ werkssteuern in Preußen, Z. Bd. 24 S. 460 ff., Außerhebung­ setzung der Bergwerksabgaben, Z. Bd. 35 S. 1 ff.; vgl. auch Urt. des RG. v. 30. Juni 1894, Z. Bd. 36 S. 98 ff., insbesondere S. 104. Seitdem unterliegt der Bergbau der Besteuerung durch die Gemeinden, Kommunalabgabengesetz §§28—53; Engels, die Besteuerung des Bergbaues nach dem Kommunalabgabegesetze v. 14. Juli 1893, Z. Bd. 35 S. 50 ff., West ho ff, Einkommen­ besteuerung der Gewerkschaften, Z. Bd. 48 S. 76 ff., 222 ff., 333 ff., Stade, die Gewerbesteuer des Bergbaus, Glückauf 1911, Nr. 17—19. Wegen der Bergwerksabgaben an die Regalinhaber vgl. S. 961. 3. Zu Abs. 3: Bergpolizeiverordnungen. Die Bestimmung im § 245 Abs. 3 wegen Jnkraftbleibens der vor Einführung des ABG. erlassenen Bergpolizeiverordnungen kann gegenwärtig als gegenstandslos betrachtet werden, seitdem das Bergpolizeirecht teils durch allgemeine, teils durch besondere Bergpolizeiverorvnungen über einzelne Gegenstände in den älteren wie den neu erworbenen Landesteilen erneuert worden ist. Vgl. § 197 Anm. 2, 8 u. 9.

§ 246. Die bisher von besonderen Berghypothekenkommissionen geführten Berghypothekenbücher sollen an die ordentlichen Ge­ richte abgegeben werden. Der Zeitpunkt dieser Abgabe und die Auflösung der Berg­ hypothekenkommissionen wird durch Königliche Verordnung bestimmt. Die besonderen Bestimmungen über die Einrichtung und Führung der Berghypothekenbücher bleiben in Kraft, soweit nicht eine Abänderung durch den § 97 herbeigeführt wird.

Mot. S. 129/30 (224/5) KB. AH. S. 105 (1255).

1. Auf Grund des Gesetzes, betr. die Kompetenz der Ober­ bergämter v. 29. Juli 1861, § 2 und des Allerhöchsten Erlasses

88 246-248]

Schlußbestimmungen.

951

v. 10. Juli 1861 (GS. S. 424 u. 429; Z. Bd. 2 S. 188, 189) war für jeden der damaligen vier Oberbergamtsbezirke eine BergHypothekenkommission errichtet, welche an Stelle der gleichzeitig aufgehobenen Bergämter in denjenigen Landesteilen, in welchen die Hypotheken ordnung v. 20. Dez. 1743 galt, das Berghypotheken­ buch zu führen hatte und zugleich zur Aufnahme von Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit befugt war. Infolge der Ab­ änderung der Berggesetzgebung wurden diese besonderen Behörden entbehrlich; aus Zweckmäßigkeitsgründen blieb indes die Auf­ hebung derselben und die Überweisung ihrer Geschäfte an die ordentlichen Gerichte der Königlichen Verordnung Vorbehalten. Mot. S. 129, 130. Die Aufhebung usw. ist demnächst durch Königliche Verordnungen v. 9. Aug. 1867, 22. Juli 1868, 24. März 1869 u. 14. Dez. 1874 erfolgt (Z. Bd. 8 S. 379, Bd. 9 S. 295, Bd. 10 S. 289, Bd. 16 S. 16), so daß Abs. 1 u. 2 des § 246 ihre Erledigung gefunden haben. 2. Die „besonderen Bestimmungen" über die Einrichtung und Führung der Berghypothekenbücher, welche nach § 246 Abs. 3 in Kraft blieben, sind inzwischen durch die Grundbuchgesetzgebung (vgl. Anh. I zu § 50) aufgehoben worden. In den neuerworbenen Landesteilen sind die bezüglichen älteren Bestimmungen, soweit solche bestanden, bei Einführung des ABG. ebenfalls aufgehoben worden; vgl. Einf.-Verordnung für Hannover Art. XV § 5 u. Art. XIX; für Kurhessen usw. Art. VII. Nur in dem vormaligen herzoglich nassauischen Gebiete gelten noch besondere Vorschriften (Königliche Verordnung betr. die Anlegung der Grundbücher im Gebiete des vormaligen Herzog­ tums Nassau vom 11. Dez. 1899 (GS. S. 595) Art. 40 ff.) 88 247 und 248. § 247. An die Stelle des § 410 des Anhangs zur Allgemeinen preu­ ßischen Gerichtsordnung und der Rabinetsorder vom 14. September 1834 (Gesetzsammlung Seite 169) treten bei der Subhastation von Bergwerken und Bergwerksanteilen folgende Bestimmungen: 1) Statt der Taxe wird von dem Revierbeamten eine genaue Be­ schreibung des Bergwerks angefertigt. 2) Bei Anberaumung des Bietungstermins und Bekanntmachung des Subhastationspatents finden die bei der Subhastation von Gegen­ ständen von mehr als fünfhundert Talern an wert vorgeschrie­ benen Förmlichkeiten Anwendung. § 248. Die rheinische Subhastationsordnung vom August 1822 (Ge­ setzsammlung Seite 195) erleidet bei der Subhastation von Bergwerken und Bergwerksanteilen folgende Abänderungen: 1) Nr. 2 und 3 des § 4 und die entsprechenden Bestimmungen unter Nr. 2 und 3 des § 12 bleiben außer Anwendung. Ts genügt eine von dem Revierbeamten angefertigte genaue Beschreibung des Bergwerks. 2) In allen Fällen ist der Bietungstermin (§ 13) auf drei Monate

952

Zwölfter Titel.

[§§ 248. 249

hinauszurücken und das Subhastationspatent unter den im § h Nr. II vorgeschriebenen Förmlichkeiten bekannt zu machen. Bei den auf Grund des sechsten Titels des gegenwärtigen Gesetzes einzuleitenden Subhastationen finden die §§ 2 und 3 jener Subhastationsordnung keine Anwendung.

§ 247, welcher zwei bereits bestehende Spezialvorschriften des preußischen Subhastationsrechts aufrecht erhielt, wurde bereits durch die Subhastationsordnung v. 15. März 1869 (GS. ©.421) § 116 aufgehoben - an seine Stelle traten die §§ 107—111 der­ selben. Diese wurde ersetzt durch das Gesetz, betr. die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, v. 13. Auli 1883. § 248 enthielt einige Zusatzbestimmungen, die notwendig wurden, weil die rheinische Subhastationsordnung v. 1. Aug. 1822 (GS. S. 195) auf das Bergwerkseigentum nicht besonders Rücksicht nahm und nicht in allen Beziehungen auf dasselbe paßte. Gegenwärtig ist das Reichsgesetz über die Zwangsversteige­ rung und Zwangsverwaltung v. 24. März 1897 in der Fassung vom 20. Mai 1898, sowie das preußische Ausf.-Gesetz dazu v. 23. Sept. 1899 maßgebend (vgl. Anh. II zu § 50). § 249. Die besonderen Vorschriften über die Teilnahmerechte der Berg­ gläubiger bei der Verteilung der Raufgelder und Revenüen von Berg­ werken im Konkurse und in der notwendigen Subhastation find auf­ gehoben. Dagegen wird den Bergarbeitern in Beziehung auf die Rückstände aus dem letzten Jahre an Lohn und anderen Emolumenten das Vor­ recht des § 50 der Konkursordnung vom 8. Mai 1855, und im Gebiete des rheinischen Rechts das Privilegium des Artikels 2{0i Nr. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beigelegt.

1. Gemäß §§ 63 u. 402 der Konkursordnung v. 8. Mai 1855 (GS. S. 321) war die Rangordnung der sogenannten Berg­ gläubiger bei der Berteilung der Kaufgelder und Revenüen von verliehenem Bergwerkseigentum im Konkurse und der notwendigen Subhastation nach den „besonderen" Vorschriften zu beurteilen, welche hierüber in den Bergordnungen und im § 343 T. II Tit. 16 ALR. enthalten waren. Ein Bedürfnis zur Beibehaltung dieser Vorschriften bestand nicht, weshalb deren Aufhebung im § 249 Abs. 1 ausgesprochen und eine Ausnahme int Abs. 2 nur zu­ gunsten der Bergarbeiter gemacht wurde. Seitdem sind die Teil­ nahmerechte und namentlich die Rangordnung der früheren Berg­ gläubiger nach denselben allgemeinen Gesetzesvorschriften zu be­ urteilen, welche in dieser Beziehung für die übrigen Gläubiger im Konkurse und bei der Zwangsversteigerung in das unbeweg­ liche Vermögen maßgebend sind, also gegenwärtig nach der Konkurs­ ordnung vom lO.Febr. 1877 (RGBl. S. 612) in der Fassung vom 20. Mai 1898 (RGBl. S. 612), und dem Zwangsversteigerungs­ gesetze (s. zu 8 247).

§§ 249. 250]

Schluhbesttmmungen.

953

2. Nur zur Sicherstellung der Bergarbeiter, deren zweijährige Lohnrückstände nach § 343 T. II ALR. an erster Stelle zur Hebung kamen, bedurfte es einer anderweitigen besonderen Regelung dieses Vorrechts, was in der Weise geschah, daß das den ländlichen Arbeitern nach § 50 der Konkursordnung v. 8. Mai 1865 zu­ stehende Vorrecht auch den Bergarbeitern eingeräumt und zugleich im Gebiete des rheinischen Rechts das ähnliche Privilegium des Art. 2101 Nr. 4 des bürgerlichen Gesetzbuchs auf sie ausgedehnt wurde. Diese Rechtslage hat sich seitdem geändert. Gegenwärtig ist bei der Zwangsversteigerung eines Bergwerks Art. 17 AG. z. ZVG. (vgl. Anh. II zu §50) maßgebend. Im Konkurse nehmen die Bergarbeiter, soweit es sich um das bewegliche Vermögen des Gemeinschuldners handelt, nach § 61 Nr. 1 KO. ihren Platz in der ersten Klasse der Konkurs­ gläubiger eilt, und zwar in Ansehung der „fürs letzte Jahr vor der Eröffnung des Verfahrens oder dem Ableben des Gemein­ schuldners rückständigen Forderungen an Lohn, Kostgeld oder anderen Dienst bezügen." Nach § 8 des preußischen Ausf.-Gesetzes zur Konkursordnung v. 6. März 1879 (GS. S. 109) findet diese Vorschrift auch „auf die Fälle, in welchen außerhalb des Konkursfahrens eine Befriedigung persönlicher Gläubiger nach dein Range ihrer Forderungen stattzusinden hat", entsprechende An­ wendung. Die Geltung dieser Vorschriften erstreckt sich auf das ganze Staatsgebiet- die entgegenstehenden Bestimmungen sind allgemein aufgehoben. § 250.

An den Rechten der früher reichsunmittelbaren ötandesherrn, sowie derjenigen, welchen auf Grund besonderer Rechtstitel das Bergregal in gewissen Bezirken allgemein oder für einzelne Bkineralien zusteht, wird durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert. Unbeschadet dieser Rechte unterliegt jedoch auch der Bergbau in jenen Bezirken den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes. Die von den Berechtigten bestellten Bergbehörden bleiben in Wirksamkeit. Die Dienstinstruktionen derselben sollen mit diesem Gesetzte, soweit es nach dem Vorstehenden Anwendung findet, in Übereinstimmung gebracht werden. Mot. S. 131/2 (225), KB. HH. S. 75/6 (256), KB. AH. S. 105/6 (1255).

1. Die Aufhebung des dem Staate zustehenden Bergregals spricht das ABG. nicht mit ausdrücklichen Worten ans (vgl. oben S. 2). Indessen lassen die Motive, Z. Bd. 6 S. 80 ff. und die Kommissionsberichte, Z. Bd. 6 S. 301 ff. keinen Zweifel, daß die Aufhebung des staatlichen Bergregals vom ABG. gewollt ist. Seine Urheber standen unter dem Einflüsse der damaligen

954

Zwölfter Titel.

[§ 250

Richtung der Volkswirtschaftslehre. Diese (die sog. Manchester­ lehre) verwarf aber das staatliche Bergregal, well dasselbe ein Eingreifen des Staates in das Wirtschaftsleben und einen wirt­ schaftlichen Mitbewerb des Staates förderte. Als der moderne Staat, insbesondere der preußische Staat, auf vielen Gebieten des Wirtschaftslebens, so z. B. dem der Eisenbahnen, mit dieser Lehre brach, lag ein Zurückgreifen auf das staatliche Berg­ regal nahe. Preußen ging aber zunächst dazu über, einen Teil der von ihm an Private verliehenen bergmännischen Mine­ ralien zurückzuerwerben. So kaufte der Fiskus auf Grund des Gesetzes vom 21. März 1902 (GS. S. 29) insgesamt 96 Steinkohlenfelder in den Kreisen Recklinghausen und Lüding­ hausen. Ein großer Teil dieser Felder war noch nicht auf­ geschlossen und lag dazu am Nordrande der verliehenen Stein­ kohlenfelder. Trotzdem mußte der Staat für diese Felder, auch insoweit sie im ehemaligen staatlichen Regalbezirke lagen und von ihm selbst unentgeltlich verliehen waren, Preise zahlen, welche zu den Aufwendungen der Erwerber und Besitzer nicht im richtigen Verhältnisse standen (s. S. 29). Dies führte zu einer neuen Bergwerksreform. Die betreffenden Gesetze (vom 5. Juli 1905 und vom 18. Juni 1907) sind oben erörtert. Durch diese Gesetze sind für die volkswirtschaflich wichtigsten Mine­ ralien (Kohle, Salz liebst Kali), insoweit solche vom Staate noch nicht verliehen waren, wesentliche Rechte dem Staate zurück­ gegeben, welche in dem früheren staatlichen Bergregal enthalten waren. Wie aber Seite 30 bereits dargelegt, ergibt sich aus der Tatsache, daß auch der Staat jetzt, wie jeder Dritte, Bergwerks­ eigentum nur noch durch Verleihung (§ la, 38a, 38b ABG.) erlangen kann, zur Genüge, daß das frühere staatliche Bergregal keineswegs wieder hergestellt ist. Die Verleihung an den Staat erfolgt durch die nach § 38 b ABG. zuständige Bergbehörde, wie denn auch die früheren reichs­ unmittelbaren Standesherren die entsprechende Verleihung bei den nach § 250 ABG. für ihren Regalbezirk zuständigen Bergbehörden nachzusuchen haben. Über die dem Staate demgemäß verliehenen Bergwerksfelder vgl. S. 34. 2. Auch dem nichtstaatlichen Bergregal stand das ABG. infolge der damaligen Richtung der Volkswirtschaftslehre ablehnend gegenüber. „Es hielt dessen Aufhebung im Interesse des Berg­ baues der betreffenden Landesteile und gleichförmiger bergrecht­ licher Zustände" für wünschenswert (Mot. S. 131) befürchtete auch, daß „Unzuträglichkeiten aus dem Fortbestehen des Privat­ bergregals" sich ergeben würden (KB. des AH. S. 105). Anderseits erkannte das ABG. aber an, daß die Regalrechte der vormals unmittelbaren deutschen Reichsstände und der übrigen Berechtigten „auf anerkannten Rechtstiteln beruhten", und daher auch im Wege der Gesetzgebung nur gegen volle Entschädigung

§250]

Schlutzbestimmungen.

955

aufgehoben werden könnten. Zu einer solchen Maßregel lagen aber auch nach Auffassung der Urheber des ABG. die Voraus­ setzungen nicht vor. Durch § 250 Abs. 1 ist deshalb außer Zweifel gestellt, daß das ABG. an dem rechtlichen Fortbestände der auf dem Privatregal beruhenden Rechte nichts geändert hat. Die Befürchtung des ABG., daß das Interesse der betreffenden Landes­ teile durch die Regalrechte leiden möge, hat sich nicht bestätigt. Denn sowohl in Westfalen (Regalbezirke des Herzogs von Arenberg und des Fürsten Salm-Salm) wie in Schlesien (Standesherr­ schaften, Beuthen, Pleß, Kattowitz usw.) hat überall da, wo in den Regalbezirken sich abbauwürdige Mineralien fanden, der Bergbau eine Entwickelung genommen, die in keiner Weise gegen den Berg­ bau der benachbarten Bezirke zurückgeblieben ist. Die bergrecht­ lichen Zustände selbst sind in diesen Bezirken auch in den wesent­ lichsten Punkten gleichförmig mit den der übrigen Bezirke. Auch die Bergwerksreform der Jahre 1905 ff. hat die wohl­ erworbenen Rechte der Regalbesitzer nicht berührt. Vielmehr heißt es z. B. in Art. VIII Abs. 3 des Gesetzes vom 18. Juni 1907 (GS. S. 119): Auch wird an den Rechten der früher reichsunmittelbaren Standesherren, sowie derjenigen, welche auf Grund besonderer Rechtstitel das Bergregal oder sonstiger Bergbauvorrechte in gewissen Bezirken allgemein oder für einzelne Mineralien zustehen, durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert. 3. Der § 250 nennt namentlich die Rechte I. der früher reichsunmittelbaren Standesherren, II. derjenigen, welchen auf Grund besonderer Rechtstitel das Bergregal in gewissen Bezirken allgemein oder für einzelne Mineralien zusteht. Zu der letzteren Kategorie von Rechten sind auch III. die Rechte derjenigen zu rechnen, welchen auf Grund beson­ derer Rechtstitel nur einen Teil der im Bergregal enthaltenen Befugnisse (z. B. nur das Recht zur Erhebung von Berg­ werksabgaben oder nur das Recht Dritte vonr Bergbau aus­ zuschließen) in gewissen Bezirken allgemein oder für einzelne Mineralien zusteht. Die zu II. und III. genannten Regalrechte beruhen auf ein­ zelnen landesherrlichen Verleihungen, welche entweder entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt sind, in der Regel aber durch lästige Erwerbstitel auf ihre jetzigen Besitzer gelangt sind. Diese landes­ herrlichen Akte haben entweder das Bergregal generell oder speziell, nur ein oder mehrere bestimmte im Bergregal enthaltene Rechte verliehen. (Wegen des Unterschiedes vgl. Urt. des RG. v. 3. März 1896, Z. Bd. 27 S. 365.) Die Verleihungsakte sind bald erhalten, bald ist nur das Herkommen für ihre Existenz beweisend gewesen. In einigen Fällen ist es dieserhalb zum Prozeß gekommen (vgl. unten). Über die demgemäß in Frage kommenden Regalrechte geben namentlich Auskunft:

956

Zwölfter Titel.

[§250

a) ein nach amtlichen Quellen von v. Rynsch verfaßter Aufsatz „Über den Erwerb von Privat-Bergregalitätsrechten durch den Staat und die gegenwärtig noch bestehenden Rechte dieser Art in Preußen"- Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 19 S. 136 ff. für die Zeit bis 1871), vgl. auch Z. Bd. 12 S. 538 ff.; b) die dem Kommissionsberichte des Abgeordnetenhauses über den Entwurf eines Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staats­ steuern als Anlage beigefügte „Denkschrift über Umfang und Bedeutung der in Preußen bestehenden Privatregalberechti­ gungen" vo>n 2. Januar 1892 (Drucks. Nr. 126 des AH. 1892/3 S. 555 (2285 ff.); c) der Band X S. 14 ff. und 243 ff. und Band XII S. 285 ff. des Sammelwerkes: „Die Entwickelung des NiederrheinischWestfälischen Steinkohlen-Bergbaues in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (herausgegeben vom Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund in Gemeinschaft mit der Westfälischen Berggewerkschaftskasse und dem Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikate Berlin 1904) für die entsprechenden Verhältnisse des Oberbergamtsbezirks Dortmund." Durch Unterhandlung mit den Berechtigten und den betei­ ligten Bergbautreibenden hat der Staat die Rechte einzelner reichsunmittelbarer Standesherren und anderer Berechtigter in elf Fällen beseitigt und zwar in fünf Fällen unentgeltlich, in den übrigen Fällen gegen Abfindungssummen, welche zum Teil von dem Staate allein, zum Teil von diesem unter Beteiligung der Bergbautreibenden des betreffenden Bezirks geleistet worden sind. Die einzelnen Fälle sind unten bei dem betreffenden Oberberg­ amte angegeben. A. Das Bergregal Stan desherren.

der

früher

reichsunmittelbaren

Den früher reichsunmittelbaren Standesherren stand zur Zeit ihrer Reichsunmittelbarkeit das Bergregal in ihren reichsunmittel­ baren Besitzungen zu. Schon der Westfälische Frieden vom Jahre 1648 (Art. 8 § 1) hat dieses Recht ausdrücklich anerkannt. Auch die Pariser Rhein­ bundakte vom 12. Juli 1806, welche einem Teil der jetzigen Standesherren ihre Reichsunmittelbarkeit nahm, beließ ihnen das Bergregal (Art. 27: les Princes et Comtes actuellement regnants conserveront cbacun eomme propriete patrimoniale et privee — le droit des mines et usines, vgl. P. A. Winkopp, Der Rhei­ nische Bund Bd. II S. 287 ff., VI S. 57 ff.). Dasselbe geschah bei den Fürsten zu Salm und bei dem Herzog von Arenberg, denen durch kaiserlich-französische Verordnung vom 13. Dezember 1810 ihre Souveränität genommen wurde. Die diesbezüglichen kaiserlich­ französischen Verordnungen datieren für Salm-Salm vom 31. De­ zember 1811 (Les Princes de Salm conserveront en tonte pro-

§ 250]

Schlußbestimmungen.

957

priete comme biens allodiaux et prives .... les mines et usines), für Aren berg vom 14. April 1813 (Sont conserv6es au Duc d’Arenberg en tonte propriete comme biens allodiaux et privees .... les mines et usines, vgl. I. L. Klüver, Akten des Wiener Kon­ gresses Bd. I Heft 1 S. 120 ff.). Sonst aber waren im damaligen Bereiche der französischen Gesetzgebung die „mines“, die noch nicht verliehenen Bergwerksmineralien, infolge der französischen Gesetze vom 28. Juli 1791 und vom 21. April 1810 zur Verfügung des Staates. . I. Die preußische Verordnung betreffend die Verhältnisse der vormals unmittelbaren deutschen Reichsstände in den Preußischen Staaten (GS. S. 105) und die Instruktion vom 30. Mai 1820 zur Ausführung dieser Verordnung (GS. S. 81) bestätigen den vormals reichsunmittelbaren Standesherren ihr Bergregal sowohl für die noch nicht verliehenen Bergwerke (mines) als für die in Betrieb befindlichen Hütten- und Hammerwerke (usines) (vgl. z. B. Urt. des OTr. vom 2. Juni 1850, Entsch. Bd. 20 S. 402 ff., Urt. des OLG. Hamm, Z. Bd. 40 S. 339 und Drucks, des AH. 1892/3 Nr. 126 Aul. S. 2286 in der Anm.). Durch die Gesetze vom 10. Juni 1850 (GS. S. 363), vom 12. November 1855 (GS. S. 688) und vom 15. März 1869 (GS. S. 490) und die ent­ sprechenden Verträge (Rezesse) sind die Regalrechte der früher reichsunmittelbaren Standesherren, welche durch die Gesetzgebung der Jahre 1848 ff. verletzt waren, wiederhergestellt. Über die Ausübung des Bergregals in den standesherrlichen Besitzungen sind mit den einzelnen Standesherren besondere „Re­ gulative" verabredet und festgesetzt, welche infolge der Königlichen Bestätigung und der abgeschlossenen Rezesse (Verträge) gemäß § 1 des (obigen) Gesetzes vom 15. März 1869 auch gesetzliche Kraft haben und zwar nicht nur für das Verhältnis zwischen dem Staate und den ehemals reichsunmittelbaren Standesherren, sondern auch Dritten, z. B. den Bergbautreibenden gegenüber (ob. Urteil des OLG. Hamm Z. Bd. 40 S. 342, a. A. Arndt in Z. Bd. 37 S. 72). Nach diesen Rezessen steht den früher reichsunmittelbaren Standesherren in ihren Regalgebieten zu a) das Recht, die dem Bergregal unterworfenen Mineralien selbst zu benutzen. Das Recht der Selbstnutzung wurde vor Inkrafttreten des ÄBG. so­ wohl durch Mutung für eigene Rechnung und entsprechende Ver­ leihung nach Maßgabe der allgemein gesetzlichen Bestimmungen als auch durch Distriktsverleihung und Feldesreservation ansgeübt.

Streitig ist, ob nach Inkrafttreten des ABG. standesherrliche Distriktsverleihungen und Feldesreservationen noch zulässig oder ob auch bei der Selbstnutzung der Standesherren stets die berggesetzlichen Formen der Erwerbung durch Mutung und Ver­ leihung beobachtet werden müssen.

958

Zwölfter Titel.

[§250

Dies wird auf Grund des § 250 Abs. 2 bejaht von Brassert in der früheren Auflage, Anm. 6 zu § 250, Wachter, Kommentar S. 333, Z. Bd. 6 S. 551 und von den Bergbehörden, vgl. Beschl. des OBA. Bonn v. 18. Juli 1877, Z. Bd. 10 S. 139, a. Z. Bd. 6 S. 637, Beschl. des OBA. Dortmund v. 17. März 1898, Rek.-Besch. v. 26. Nov. 1898, Z. Bd. 41 S. 243 ff., v. 17. Aoril 1900, Z. Bd. 41 S. 505. Auch Thielmann S. 673 hält auf Grund des Art. VIII der Nov. v. 18. Juni 1907 (s. unten) diesen Standpunkt für richtig. . Dagegen vertreten den gegenteiligen Standpunkt: Arndt Anm. 1 zu 8 250, Achenbach Z. Bd. 8 S. 388, Oppenhoff Nr. 1239, Bitta Z. Bd. 48 S. 445. Die in der früheren Auflage vertretene Ansicht muß als zutreffend anerkannt werden. Dem — an sich wohl berechtigten — Einwande von Arn dt, daß die Landesgesetzgebung im Jahre 1865 nicht imstande gewesen sei, die auf der Bundesakte v. 14. Juni 1815, also einem den Landesgesetzen vorgehenden Bundesgesetze beruhenden Rechte der früher reichsunmittelbaren Regalherrn abzuändern, ist entgegenzuhalten, daß sich aus den auf Grund dieser Bundes­ akte erlassenen Verordnung v. 21. Juni 1815 (§5) und Instruktion v. 30. Mai 1820 (§ 23) eine solche Befreiung der Standesherren nicht herleiten läßt. Diese Bestimniungen gehen allerdings gleich­ lautend dahin, daß diesen Reichsständen die „Benutzung" auch noch nicht verliehener „Bergwerke" in ihren standesherrlichen Bezirken verbleiben soll (siehe oben). Jedoch ist in § 23 der In­ struktion der Vorbehalt gemacht, daß die Benutzung der Berg­ werke, d. h. also die Ausübung des Bergregals nach den Landes­ gesetzen und den für deren Ausführung ergehenden Anordnungen der oberen Staatsbehörden geschehen muß. Auch in den Regula­ tiven findet sich überall als § 3 eine entsprechende Bestimmung. Daß hierbei unter „Landesgesetzen" die jeweilig geltenden Landes­ gesetze zu verstehen sind, kann nach den allgemeinen Rechtsgrund­ sätzen über die zeitliche Kollision der Gesetze keinem Zweifel unter­ liegen (vgl. a. Urt. des RG. v. 7. Mai 1878, Z. Bd. 39 S. 500). Die Regulative sprechen dies ausdrücklich aus, indem sie hier auch die künftig zu erlassenden Gesetze erwähnen. Demgemäß sind für die Frage, ob die ehemals reichsunmittelbaren Regalherrn auch nach dem Inkrafttreten des ABG. noch zum Erwerbe von Bergwerkseigentum durch Feldesreservation u. dgl. berechtigt sind, nicht die auf Grund der Bundesakte erlassene Verordnung und Instruktion, sondern die Landesgesetze maßaebend, d. h. also bis zum 1. Oktober 1865 die Vorschriften des ALR., gemeinen Rechts und code civil, und von diesem Zeitpunkte ab die des ABG. Hieraus ergibt sich, daß, obwohl für das frühere Recht im allge­ meinen anzunehmen ist, daß diese Regalherrn ebenso wie der Bergfiskus als Regalherr (vgl. Anm. 2 zu § la, sowie Wachter in Z. Bd. 6 S. 520 ff.) zu Feldesreservationen und zur Verleihung von Distriktsfeldern berechtigt waren, ein solches Recht nach dem Inkrafttreten des ABG. nicht mehr anzuerkennen sein wird, die-

§ 250]

Schlutzbestimmungen.

959

selben vielmehr auch den Weg der Mutung und Verleihung bei dem Erwerbe eigenen Bergwerkseigentums einzuschlagen haben. Für diese Ansicht sprechen auch die Motive zum ABG. S. 131/2, nach welchen der Abs. 2 des § 250 bezweckt, zum Aus­ druck zu bringen, daß das Berggesetz auch in den Bezirken der Privatregalinhaber Anwendung finden soll. Es kann daher auch Bitt« (Z. Bd. 48 S. 485), der aus dem Gebrauche des Wortes „Bergbau" in Abs. 2 des § 250 die Folgerung zieht, daß dieser Absatz sich auf die Unterwerfung der bereits betriebenen Bergwerke unter die §§ 196, 135 und 65 ABG., nicht aber auch auf den Erwerb des Bergwerkseigentums bezieht, nicht beigetreten werden. Offenbar ist hier der Ausdruck „Berg­ bau" in demselben Sinne gebraucht wie die Worte „Benutzung der Bergwerke" in der mehrfach erwähnten Verordnung und Instruktion, d. h. es ist darunter die gesamte Ausübung des Berg­ regals verstanden. Dagegen wird der Abs. 4 des Art. VIII der Novelle vom 18. Juni 1907 (vgl. Anhang) bei der Entscheidung dieser Streit­ frage wohl'kaum in Betracht kommen können, da durch diese Vor­ schrift nur zum Ausdruck gebracht werden soll, daß durch das auf Grund der Novelle dem Staate allein zustehende Recht zur Auf­ suchung und Gewinnung der in § 2 Abs. 1 bezeichneten Mineralien an den Vorzugsrechten der in Abs. 3 des Art. VIII genannten Berechtigten auch in formaler Beziehung nichts geändert wird (vgl. StenB. AH. 1907 S. 4801 ff., Bitta, Z. Bd. 48 S. 487, R'e u ß, Z. Bd.49 S. 151). Die hier vertretene Auffassung wird auch bestätigt durch eine Deklaration zum Regulativ für das Bergregal des Fürsten zu Salm-Salm vom ^)i'l905^ 3- Bd. 48 S. 5, und durch den Rek.-Besch. vom 26. Nov. 1898 und 17. April 1900, Z. Bd. 41 S. 245 u. 505. Das Recht der Selbstnutzung umfaßt auch das Recht zum Selbstbetriebe des Bergbaues innerhalb der vor Inkrafttreten des ABG. verliehenen Distriktsfelder und Feldesreservationen. Diese Feldesreservationen und Distriktsfelder sind in Geltung geblieben, b) Ferner steht den ehemals reichsunmittelbaren Standes­ herren das Recht zu, die Gewinnung und Verarbeitung der ihrem Bergregal unterworfenen Mineralien anderen Bergbaulustigen zu überlassen. Das Recht der Selbstnutzung geht dem Rechte der Über­ lassung an Dritte vor (ins excludendi alios). Der ehemals reichs­ unmittelbare Regalherr kann daher auch, ähnlich wie der Grund­ oder Bergwerkseigentümer in den Fällen des § 24 ABG. Mutung auf solche in seinem Regalbezirke belegenen Funde einlegen, auf welche schon (noch nicht zur Verlethung gelangte) Mutungen Dritter eingelegt sind. Die Instruktion der betreffenden Mutung

960

Zwölfter Titel.

(§250

eines Dritten ruht dann solange, bis die Verleihung erfolgt ist. Die Mutung Dritter ist von Anfang an als ungültig gemäß § 15 Abs. 2 ABG anzusehen, weil ihr bessere Rechte aus den Fund entgegenstanden. Wenn der Regalherr die Verleihung der Mutungen Dritter verweigert, selbst aber keine Mutung einlegt, so ist ihm nach den Regulativen (§ 5) auf Antrag des dritten Muters vom Ober­ bergamte eine angemessene Frist zu stellen. Legt der Regalherr in dieser Frist keine Mutung ein, so geht er seines Ausschließungs­ rechts verlustig. Wenn von Dritten Bergwerksfelder in den Regalbezirk hineingestreckt werden, deren Fundpunkte außerhalb des Regal­ bezirks liegen, so hat der Regalherr dann, wenn er diese Streckungen nicht genehmigen will, in seinem eigenen Regalbezirk die erforderlichen Funde innerhalb einer angemessenen Frist zu schaffen. Auch hier gilt sinngemäß das bei den Mutungen Dritter im Regalbezirk Gesagte. Der Regalherr kann auch den Bergbau für frei erklären, wie es z. B. der Herzog von Arenberg bezüglich der Steinkohle für die Grafschaft Recklinghausen getan hat. Weiter steht den ehemals reichsunmittelbaren Standesherren das Recht zu, für die Ausübung ihres Bergregals standesherrliche Beamte oder Behörden zu bestellen, denen insbesondere die Ent­ scheidung über Mutungen, die Verleihung von Bergwerkseigentum, die Bestätigung von Konsolidationen, Feldesteilungen, Feldesaustauschungen usw. zusteht, insoweit auf diese Rechte nicht ausdrücklich verzichtet ist. Die entsprechenden standesherrlichen Beamten oder Behörden üben insoweit „niedere Regierungsrechte" aus, während sich „die höheren Regierungsrechte", der Staat auch für die standesherrlichen Regalbezirke vorbehalten hat. Denigemäß bestimmt der Abs. 3 § 250 ausdrücklich, daß die von den Berechtigten bestellten Bergbehörden in Wirksamkeit bleiben. Gegen die Verfügungen und Beschlüsse dieser standesherrlichen Beamten bzw. Behörden ist, wie gegen die der entsprechenden staatlichen Beamten, der Rekurs an das Oberbergamt und der weitere Rekurs an den Handelsminister in Gemäßheit des § 191 ff. ABG. zulässig. Die Korrespondenz zwischen den staatlichen Berg­ behörden und diesen standesherrlichen Bergbehörden genießt auch die entsprechende Portofreiheit, wie in den Regulativen des öfteren ausdrücklich gesagt wird. Da, wo eigene standesherrliche Beamten oder Behörden fehlen, wird die Ausübung des Bergregals auf Grund besonderer Abkommen durch die Königlichen Revierbeamten besorgt. Als Ausfluß der höheren Regierungsrechte hat sich der Staat in den Regulativen die Gerichtsbarkeit sowie die Beauf­ sichtigung und Kontrolle des Betriebes sowohl in bergpolizeilicher, als in staatswirtschaftlicher Hinsicht vorbehalten.

§250]

Schlußbesttmmungen.

961

Es sind demgemäß auch die Königlichen Bergrevierbeamten angewiesen, in den in ihren Revieren liegenden standesherrlichen Regalbezirken bei der amtlichen Untersuchung des Fundes (§ 15 Abs. 1 ABG.) und sonst bergtechnischen Beistand zu leisten, wäh­ rend die Bestätigung der Verleihungsurkunden über Bergwerks­ eigentum dem Oberbergamte vorbehalten ist. Die staatliche Beaufsichtigung in bergpolheilicher Hinsicht und ebenso die Bergpolizei selbst, wird, letztere insoweit auf das Recht der Bcrgpolizei selbst verzichtet ist, durch die nach dem neunten Titel des ABG. (§ 196 ff.) zuständigen staatlichen Beamten ausgeübt. d) Endlich steht den Standesherren das Recht zur Erhebung von Bergwerksabgaben zu. Dieses Recht ist auch durch das Gesetz wegen Aufhebung direkter Staalssteuern vom 14. Juli 1893 (vgl. § 245 Amu. 2) nicht beseitigt worden, da dieses Gesetz die staatlichen Bergwerkssteuern nur außer Hebung setzt, nicht auf­ hebt, vgl. Urt. des OLG. Hamm und des RG., Z. Bd. 40 S. 337, 470. Andererseits findet sich aber in den Regulativen vielfach die Klausel, daß der Regalinhaber keine höheren Abgaben vom Bergbau erheben darf, als sie der Staat nach den jeweils gel­ tenden Gesetzen zu fordern berechtigt ist. In diesen Fällen ist der Regalinhaber der Herabsetzung der staatlichen Bergwerks­ abgaben durch die nach dem 12. Mai 1851 erlassenen Gesetze, insbesondere das vom 20. Oktober 1862, durch welches diese Abgabe auf 1 % ermäßigt ist, unterworfen. Dagegen ist die Außerhebungssetzung der Abgabe auch hier ohne Einfluß auf das Recht des Regalinhabers, da die Berechtigung des Staates zur Erhebung derselben nur ruht, nicht etwa erloschen ist; vgl. die ob. Urt. sowie Arndt in Z. Bd. 37 S. 65 ff., £. Bd. 39 S. 449. Über die Veranlagung der Bergwerksabgaben in den Regalitäts­ bezirken s. Z. Bd. 36 S. 181. Zurzeit bestehen int Gebiete der Verordnung vom 21. Juni 1815 und der Instruktion vom 30. Mai 1820 noch folgende Bergregale vormals unmittelbarer deutscher Reichsstände: a) Im Oberbergamtsbezirke Bonn:

1. Das Bergregal des Fürsten Sayn-Wittgenstein-Berleburg in der Grafschaft Berleburg (Ges. v. 25. Okt. 1878 § 11 Nr. 1, GS. S. 305, Z. Bd. 20 ©.'148); 2. das Bergregal des Fürsten Sayn-Wittgenstein-Hohenstein in der Grafschaft Wittgenstein, Rezeß v. 5. Mai 1865. Für beide Bergregale gilt das Regulativ vom 25. März und 3. April 1841, bestätigt am 30. Mai 1841, Amtsblatt der König­ lichen Regierung zu Arnsberg. Bergbau von irgendwelcher Be­ deutung besteht in beiden Regalbezirken nicht und wird voraus­ sichtlich in absehbarer Zeit nicht entstehen. In Fortfall gekommen sind dagegen in dem Bonner Ober­ bergamtsbezirke :

962

Zwölfter Titel.

[§ 250

1. das Bergregal des Fürsten von Solms-Braunfels in den Ämtern Braunfels und Greifenstein (Z. f. B. H. u. S.W.Bd. 29 S. 140); 2. das Bergregal des Fürsten von Solms-Lich und HohenSolms in dem Amte Hohen-Solms (Z. f. B. H. u. S. W. a. a. O. S. 141); 3. das Bergregal des Fürsten zu Wied in der (oberen und niederen) Grafschaft Wied und den Ämtern Alten-Wied und Neuer­ burg (Z. Bd. 7 S. 18, 135). Auch in der im Bonner Oberbergamtsbezirk gelegenen ehe­ mals reichsritterschaftlichen und reichsunmittelbaren Herrschaft Wildenburg ist das früher den Fürsten von Hatzfeldt-Wildenburg zugestandene Bergregal in Fortfall gekommen (Z. Bd. 8 S. 38,43). b) Im Oberb er gamtsbezirke Dortmund: 1. Das Bergregal des Herzogs von Arenberg in der Graf­ schaft (Best) Recklinghausen, Regulativ vom 28. April 1837, Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster von 1837 S. 351—354 und Rezeß vom 29. Nov. 1824, vgl. auch bezüglich der Abgaben obige Entscheidung des OLG. Hamm vom 2. Nov. 1898 und des RG. vom 31. Mai 1899, Z. Bd. 40 S. 337 ff. u. 470 ff. Dieses Regalgebiet zur Größe von 603 qkm ist für den west­ fälischen Steinkohlenbergbau von der größten Wichtigkeit, der ganze Bezirk mit zirka 275 Maximalfeldern ist an Private ver­ liehen, ein Teil der Kohlenfelder ist später fiskalisch (s. oben) ge­ worden, der (l°/o) Bergregalzehnte betrug 1866 nur 379.47 M., dagegen 1911 schon 1 480590.18 M., 1866 waren nur 1, 1911 dagegen schon 19 Steinkohlenzechen in Betrieb, welche zu den besten und ertragreichsten des westfälischen Steinkohlenbezirks gehören (vgl. Glückauf 1912 S. 2119 ft.). Regalbehörde ist die Herzoglich Arenbergische Hof- und Rentkammer zu Düsseldorf. 2. Das Bergregal des Fürsten zu Salm Salm in dem Fürstentum Salm (den Ämtern Ahaus und Bocholt) und der Grafschaft Anholt (Regulativ voni 28. Dez. 1857, Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster von 1858 S. 158 ff. und Rezeß vom 26. Okt. 1866, daselbst von 1868 S. 159 ff.), Deklaration zum Regulativ vom 1905^ vgl. auch die obigen Rekursbescheide vom 26. Nov. 1898 und 17. April 1900, Z. Bd. 41 ®. 243 ff. u. 506 ff. Auch in diesem Regalgebiet zur Größe von 1392 qkm setzt eine kräftige Ent­ wicklung des Steinkohlenbergbaues in den letzten Jahren ein (Jahrbuch des Oberbergamtsbezirks Dortmund, 10. Jahrgang D. 188 ff., S. 217 ff., S. 416, 417, 560). In Betrieb sind die Steinkohlenzechen Baldur und Fürst Leopold. Im westlichen Teile des Salmschen Regalgebiets ist auch Salz (Kali) zur Ver­ leihung gekommen. Regalbehörde ist die Fürstlich Salm Salmsche Generalverwaltung zu Anholt in Wests.

§250]

Schlußbestimmungen.

963

3. Das Bergregal des Herzogs von Croy in der Grafschaft Dülmen (Regulativ vom 11. Dezember 1859, Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster von 1840 S. 296 ff. und Rezeß vom 3. August 1864 daselbst 1865 S. 202 ff. Dieses Regalgebiet ist nur 272 qkm groß, Bergbau ist in demselben nicht im Betrieb, doch dürfte später auch dieses Regal­ gebiet voraussichtlich für den Steinkohlenbergbau in Frage kommen. 4. Das Bergregal des Fürsten zu Bentheim-Steinfurt in der Grafschaft Steinfurt (Regulativ vom 27. Juni 1861, Amts­ blatt der Königlichen Regierung zu Münster von 1861 S. 207 ff.). Bergbau von einiger Bedeutung ist weder im Betriebe noch in absehbarer Zeit zu erwarten. 5. Das Bergregal des Fürsten von Bentheim-Tecklenburg in den Grafschaften Hohenlimburg (Kreis Iserlohn) und in der Herr­ schaft Rheda (Kreis Wiedenbrück) Regulativ vom 30. Juni 1840, Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Arnsberg von 1840 und Ges. vom 25. Okt. 1878 § 13 GS. S. 311, Z. Bd. 20 S. 148). 6. Das Becgregul oes Fürsten von Rheina-Wolbeck in der Grafschaft Rheina-Wolbeck (Kreis Steinfurt) (Regulativ vom 17. Mai 1859, Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Münster von 1859 S. 334 ff. Streitig ist, ob das Bergregal im Fürstentum Rheina-Wol­ beck nicht ebenso als erloschen anzusehen ist, wie dies unstreitig bezüglich des Bergregals in der Grafschaft Rietberg zutrifft. Das Regulativ vom 17. Mai 1859 erkennt dem Fürsten zu RheinaWolbeck nur „in der Eigenschaft als standesherrlichen Besitzer des Fürstentums Wolbeck" das Bergregal zu. Diese bevorrechtigte Eigenschaft der nicht zu den vormals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen gehörigen Grafen von Lannoy-Clervaux, später (seit 15. Okt. 1840) Fürsten von Rheina-Wolbeck, welche am 7. Sep. 1839 das Fürstentum Rheina-Wolbeck von dem im ebenbürtigen Mannesstamme erloschenen ehemals reichsunmittelbaren Fürsten von Looz-Corswaren erbten, ist durch die Gesetzgebung des Jahres 1848 ff. beseitigt und in der Folge nicht wiederhergestellt. Ver­ traglich aufgehoben ist im Oberbergamtsbezirke Dortmund das Bergregal des Fürsten (Rheingrafen) zu Salm-Horstmar in der Grafschaft Horstmar (Z. Bd. 10 S. 314 ff.). Die bisher erwähnten reichsunmittelbaren Standesherren, deren Bergregal durch die Königliche Verordnungen vom 21. Juni 1815 und 30. Mai 1820 bestätigt wurde, waren durch den Wiener Kongreß 1815 unter Preußische Staatshoheit gekommen. II. Durch die politischen Ereignisse des Jahres 1866 wurden auch noch folgende früher reichsunmittelbaren Standesherren preußisch.

a) Im ehemaligen Herzogtum Nassau (im jetzigen Ober­ bergamtsbezirke Bonn):

1. die Grafen zu Leiningen-Westerburg wegen der früher

964

Zwölfter Titel.

[§250

reichsunmittelbaren Grafschaft Westerburg und der Herrschaft Schadeck im Regierungsbezirk Wiesbaden, 2. die standesherrlichen Besitzer der früher reichsunmittel­ baren Herrschaft Schaumburg-Holzappel (im Unterlahnkreis), 3. die Fürsten von Wied wegen ihrer früher reichsunmittel­ baren Ämter Runkel und Selters.

b)

Im ehemaligen Kurhessen (im jetzigen Oberbergamts­ bezirke Clausthal):

1. der Fürst zu Dsenburg-Birnstein wegen der früher reichs­ unmittelbaren Standesherrschaft Birnstein (Reg.-Bezirk Cassel), 2. der Fürst zu Usenburg-Büdingen wegen der früher reichs­ unmittelbaren Standesherrschaft Büdingen (Reg.-Bezirk Cassel), 3. der Fürst zu Menburg-Büdingen-Wächtersbach wegen der früher reichsunmittelbaren Standesherrschaft Wächtersbach (Reg.-Bez. Cassel), 4. der Fürst zu Dsenburg-Büdingen-Meerholz wegen der früher reichsunmittelbaren Standesherrschaft Meerholz (Reg.Bezirk Cassel), 5. der Graf zu Solms-Rödelheim wegen seines Anteils am ehemals reichsunmittelbaren Orte Praunheim und wegen seiner ehemals zum Großherzogtum Hessen gehörigen aber im Friedens­ vertrage vom 3. Nov. 1866 mit Praunheim an Preußen abge­ tretenen ehemals reichsunmittelbaren Herrschaft Rödelheim. c) Im vormaligen Königreiche Hannover (im jetzigen Oberbergamtsbezirke Dortmund):

1. der Herzog von Arenberg wegen des früher reichsun-mittelbaren Herzogtums Arenberg-Mephen (Kreis Meppen), 2. der Fürst von Bentheim-Steinfurt wegen der früher reichsunmittelbaren Grafschaft Bentheim (Kreis Bentheim). Bon diesen hatten der Fürst zu Wied (a 3) wegen Runkel und Selters und der Fürst zu Bentheim-Steinfurt (c 2) wegen Bentheim schon vor 1866 auf ihre Regalrechte verzichtet. Jedoch nicht auf Sandstein, der in der Grafschaft Bentheim dem Fürsten von Bentheim-Steinfurt Vorbehalten ist. Vgl. Urteil des RG. vom 3. Juni 1899, Z. Bd. 40 S. 472. Die übrigen vorgenannten Standesherren hatten sich bis auf den Herzog von ArenbergMeppen vor 1866 zufrieden gegeben mit dem (bei den älteren preußischen Standesherren unter a) erwähnten) Rechte der Selbst­ nutzung, in der Form des Vorzugsrechts zum Muten vor allen anderen dem jus excludendi alias, und der Befreiung von staat­ lichen Bergwerksabgaben für ihre eigenen Bergbaubetriebe (vgl. Bd. 7 S. 504 ff. und Bd. 8 S. 217 ff., wegen der früher nassau­ ischen Standesherrschaften, inbesondere Schaumburg Rek.-Besch. vom 14. Mai 1875 und 27. August 1877 Z. Bd. 17 S. 114, Bd. 19 S. 269 und wegen der früher hessischen Standesherrschaften, insbesondere der Standesherrschaft Wächtersbach (b 3) Urteil des

ß.

§ 250]

Schlutzbestimmungen.

965

RG. v. 7. Mai 1898 und 10. November 1900, Z. Bd. 39 S. 497 ff. und Bd. 41 S. 223 ff.) Bezüglich Arenberg-Meppen ist in dem preußischen Gesetze vom 27. Juni 1875 (GS. 327) und zwar 8 7 Nr. 9 dem Herzog von Arenberg das Bergregal insoweit „Vorbehalten", als derselbe „im bisherigen Rechte etwa „begründete Ansprüche" „auf den Genuß" dieses „niederen Regals" hat. Eine entgültige Entscheidung liegt nicht vor. III. Den früher reichsunmittelbaren und reichsständischen Standesherren find in Preußen auch die gräflich, jetzt fürstlich Stolbergischen Häuser rechtlich gleich gestellt worden, obwohl diese Häuser weder zur Zeit der Bundesakte vom 8. Juni 1815 noch später in Preußen standesherrliche Besitzungen im Sinne der deutschen Bundesakte besaßen. In den in Frage kommenden Rezessen mit den Grafen (jetzt Fürsten) zu Stolberg-Wernigerode vom 13. August 1822 und 8. Januar 1862 (Magdeburger Amts­ blatt für 1823 und für 1862) und den Grafen, jetzt Fürsten zu Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla vom 28. März 1836 und 31. Dezember 1864 (Merseburger Amtsblatt von 1865) ist den­ selben auch das Bergregal zugesprochen. Doch sind inzwischen die Bergregalitätsrechte des Fürsten zu Stolberg-Wernigerode und der Fürsten Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla in den Graf­ schaften Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla einschließlich des Amtes Gunstenberg und der Grafen Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla auch in dem Amte Neustadt der vormals han­ noverschen Herrschaft Hohnstein in Fortfall gekommen (Z. Bd. 9 S. 297). Nur die Fürsten von Stolberg-Wernigerode besitzen noch das Bergregal und zwar: a) in der Grafschaft Wernigerode (Reg.-Bez. Magdeburg Ober­ bergamtsbezirk Halle), b) in dem zur Herrschaft Hohnstein gehörig gewesenen Hohn­ steiner Forst und Stift Jlfeld'schen Gebiete (Reg.-Bez. Hildesheim, Oberbergamtsbezirk Halle), in letzterem aber be­ züglich der Steinkohle gemeinschaftlich mit dem Hannoveri­ schen Klosterkammerfonds gehörigen Stifte Ilfeld (Z. Bd. 8 S. 160, 172). In diesen Regalgebieten erfolgt aber nur ein wenig be­ deutender Bergbau für die Regalberechtigten. Regalbehörde für die Grafschaft Wernigerode ist das fürstliche Bergamt zu Werni­ gerode, während für die zu b) genannten Teile der Herrschaft Hohnstein als Regalbehörde der Königliche Revierbeamte zu Goßlar fungiert. B. Die Regalrechte derjenigen, welchen auf Grund besonderer Rechtstitel das Bergregal in gewiffen Bezirken allgemein oder für einzelne Mineralien zusteht. 1. Das Bergregal der im eigenen Stamme am 20. Juli 1865 erloschenen Familie der Freiherrn von Wendt-CraßensteinHardenberg für die 2,69 qkm oder etwas mehr als ein Maximal-

966

Zwölfter Titel.

[$250

selb große ehemals bergische Unterherrschaft Hardenberg. (Regu­ lativ vom 2. Dezember 1831, Glückauf 1867 Nr. 31.) Der Berg­ bau in diesem Regalbezirke ist ohne größeren Belang. 2. Das Bergregal des Grafen von der Asseburg in der ehemals fürstbischöflich Halberstadtschen Grafschaft Falkenstein am Harz (Oberbergamtsbezirk Halle). Der Bergbau ist erloschen und wird schwerlich wieder aus­ genommen. 3. Das Bergregal der jetzt gräflichen Familie von TieleWinkler in der ehenials zum Fürstentum Pleß gehörigen Herr­ schaft Myslowitz-Kattowitz einschließlich der Domänen Zalenze, Schlupna, Brzezinka, Dziedzkowitz und Brussowa (Oberbergamts­ bezirk Breslau). Zur Verwaltung dieses Bergregals besteht die von der Regalinhaberin eingesetzte „herrschaftlich Myslowitz - Kattowitzer Bergwerksdirektion zu Kattowitz". Dies, ein Gebiet von mehr als 110 qkm umfassende und einen beträchtlichen Teil des schlesischen Steinkohlenbeckens in sich schließende Regal ist geordnet durch das Regulativ vom 12./31. Oktober 1857 nebst Nachtrag vom 15. Mai und 11. September 1863. Der ganze Regalbezirk ist mit verliehenen bzw. von dem Regalberechtigten für den eigenen Bergbau reservierten Stein­ kohlenfeldern überdeckt. Außerdem hat der Regalherr sich größere Grubenfelder für Galmei und Bleierze reserviert. Von den nicht dem Regalherrn gehörigen Gruben wird 5 °/0 der Bruttoförderung erhoben. Die Einnahme aus dem Zehnten betrug 1891 bereits 698329 M. und ist seitdem noch erheblich gestiegen. 4. Das Bergregal der Gutsherrschaften in der Oberlausitz auf Grund der dort als Gewohnheitsrecht geltenden böhmischen Bergwerksverträge von 1534 und 1575. Von praktischer Bedeutung sind letztere Regalitätsrechte aber nicht geworden, da in den betreffenden gutsherrlichen Bezirken Bergwerksmineralien von irgend welcher Bedeutung nicht zu finden sind. Aufgehoben ist das Bergregal des Ritterguts Blankenberg im Kreise Ziegenrück, Oberbergamtsbezirk Halle. (Z. Bd. 9 S. 296 ff.) C. Die Regalrechte derjenigen, welchen auf Grund besonderer Rechtstitel nur einen Teil der im Bergregal enthaltenen Be­ fugnisse in gewissen Bezirken allgemein oder für einzelne Mineralien zusteht. 1. Der der Mülheimer Zehntgesellschaft zu Mülheim-Ruhr zustehende Broicher Kohlenzehnte von dem Steinkohlenbergbau in der vormalig Bergischen Unterherrschaft Broich (Kreis MülheimRuhr, Oberbergamtsbezirk Dortmund) (vgl. über die älteren berg­ rechtlichen Verhältnisse dieser Unterherrschaft Urt. des RG. vom 21. Mai 1887, Z. Bd. 20 S. 125.)

§250

Schlußbestimmungen.

967

2. Das den Grafen von der Schulenburg-Oefte als Besitzer zustehende jus excludendi alios auf Steinkohle in der 4,6 qkm, also etwas mehr als zwei Felder großen ehemals bergischen Herr­ lichkeit Oefte (Reg.-Bez. Düffeldorf, Oberbergamtsbezirk Dort­ mund). Der Steinkohlenbergbau hat hier nur eine ganz geringe Bedeutung. Der Graf von der Schulenburg hat auch mit der Verleihung an Dritte sich früher einverstanden erklärt. (Vgl. Glückauf 1867 Nr. 12.) 3. Das ausschließliche Gewinnungsrecht (jus excludendi alios) auf Eisenstein und Kupfererze, nicht aber auf Manganerze des Landeshospitals Haina als Rechtsnachfolgers des dortigen vormal. Benediktinerklosters in dem im Kreise Frankenberg, Reg.Bez. Cassel (Heffen), Oberbergamtsbezirk Clausthal gelegenen alten Amte Haina (vgl. Z. Bd. 8 S. 218, Urt. des OTr. v. 4. Okt. 1875, Z. Bd. 20 S. 90 (bez. Eisenstein, Beschl. des OBA. Clausthal v. 28. Dez. 1885, Z. Bd. 27 S. 246), bestätigt durch Rek.-Besch. v. 29. Sept. 1886, Z. Bd. 28 S. 99 und demgegenüber Urt. des RG. v. 19. Okt. 1892, Z. Bd. 34 S. 382 (bez. Kupfererze) Beschl. d. OBA. Clausthal v. 18. Nov. 1886, Z. Bd. 28 S. 108, be­ stätigt durch Urt. b. RG. i. 8. März 1900, Z. 93h. 31 S. 386, jedoch nur, weil die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Oberlandesgerichts in der Revisionsinstanz prozessual nicht mehr angefochten werden konnten (bez. Manganerz). 4. Das Vorzugsrecht des Grafen Henckel-DonnersmarkNeudeck (ius excludendi alios) für Galmeierze und Steinkohle und das Recht auf die Hälfte des fiskalischen Zehnten (Markt­ geldes) von Blei- und Silbererzbergbau in der Standesherrschaft Beuthen-Tarnowitz auf Grund des Vertrages mit dem Fiskus v. 16. Jan./20. März 1782 gegenüber den privaten Betreibern von Bleierzbergwerken in den betreffenden Gebieten. Urt. d. RG. v. 10. Nov. 1900, Z. Bd. 43 S. 42 ff. Im Jahre 1893 betrug der Wert des erhobenen halben Zehnten (Zwanzigstel) im Durch­ schnitt jährlich 168 259 Mark und ist seitdem erheblich gestiegen. 5. Das Recht der Grafen Henckel von Donnersmark-Naclo auf Befreiung von den an den Landesherrn als Regalinhaber zu zahlenden Abgaben für die in dem Kaufbriefe v. 26. Mai 1629 und dem Vorrechtsbriefe v. 17. Juli 1829 bestimmte Zeit in der Herrschaft Beuthen-Siemianowitz (Oberbergamtsbezirk Breslau). Vgl. Urt. d. RG. v. 3. März 1886 und 18. Nov. 1897, Z. Bd. 27 S. 365, Bd. 39 S. 350. 6. Das Vorzugsrecht zu muten (ius excludendi alios) des Fürsten Pleß für sämtliche Mineralien im Fürstentum Pleß be­ züglich der zur Zeit des Rezeßabschluffes v. 4./26. März 1824 (Z. Bd. 13 S. 234) im Eigentum dieses Standesherrn stehenden Güter und Grundstücke (Oberbergamtsbezirk Breslau)- vgl. auch Urt. d. RG. v. 9. Dez. 1908, Z. Bd. 51 S. 299, Bitta, Z. Bd. 48 S. 469 ff. insbesondere S. 488.

968

Zwölfter Titel.

[§250

7. Das Vorzugsrecht zu muten (ius excludendi alias) des Herzogs von Ratibor im Herzogtum Ratibor und den sogenannten Waldenburger Rittergütern bei Waldenburg (Oberbergamtsbezirk Breslau). Aufgehoben sind von dergleichen Regalrechten: a) der sogen. Stiepeler Kohlenzehnte im Bereich des zur Graf­ schaft Mark gehörigen Freigerichts der Herrlichkeit Stiepel (Oberbergamtsbezirk Dortmund), b) das Ganzaugesche Bergbauprivilegium in sieben Ämtern des Regierungsbezirks Magdeburg (Oberbergamtsbezirk Halle), c) das Privilegium des Grafen von Bethusy-Huc betreffs des Vorkaufsrechtes auf den oberschlesischen Zehntgalmeien. D. Auf Grund vorstehend erwähntem und in folgendem angege­ benen Urteile und Rekursbescheide gilt für das Bergregal und die aus dem Bergregal fließenden oben zu II und III erwähnten Rechten in rechtlicher Hinsicht folgendes: 1. Das Bergregal und die aus dem Bergregal fließenden Rechte sind objektiv dingliche Rechte und daher ohne Beziehung auf ein bestimmtes Terrain nicht denkbar. Ein auf Anerkennung des Bergregals oder eines aus dem Bergregal fließenden Rechtes in einem bestimmten Bezirke gerich­ tete Klage gehört gemäß § 24 ZPO. zur ausschließlichen Zu­ ständigkeit desjenigen Gerichtes, in dessen Bezirk die Sache gelegen ist. Urt. d. RG. v. 27. Mai 1893, Z. Bd. 34 S. 489. Das Bergregal ist ein Privatrecht- es gehört zu den soge­ nannten niederen Regalien und ist daher im ordentlichen Rechts­ wege verfolgbar. (Urt. d. OLG. Hamm v. 2. Nov. 1898, Z. Bd. 40 S. 337, bestätigt durch Urt. d. RG. v. 31. Mai 1899, Z. Bd. 40 S. 470). 2. Das Bergregal und die aus dem Bergregal fließenden Rechte sind im Zweifel ausschließlicher Natur, RG.' in Z. Bd. 34 S. 382. Die Ausschließlichkeit bildet jedoch kein Begriffsmerkmal, RG. in Z. Bd. 31 S. 386, Bd. 40 S. 472. 3. Für die Mineralien, welche dem Bergregal oder den aus dem Bergregal fließenden Rechten unterliegen, ist nicht das ABG. maßgebend, sondern das Recht, welches zur Zeit der Entstehung bzw. der Verleihung in Geltung war (Bergordnungen usw.). Insofern für die dem Bergregal oder den Regalitätsrechten unterliegenden Mineralien das gemeine Recht in Frage steht, ist in Zweifels­ fällen derjenigen Meinung den Vorzug zu geben, welche den land­ rechtlichen Vorschriften entspricht. (Art. IX des landrechtlichen Publikations-Patents v. 5. Febr. 1794.) In den abgeschlossenen Regulativen sind demgemäß regelmäßig die Mineralien dem Berg­ regal belassen, welche nach den Bestimmungen des Landrechts dem landesrechtlichen Bergregal unterworfen sind. So gehört zum Bergregal auch heute noch Raseneisenerz, ferner Erdpech in flüssigem Zustande (Erdöl), Entsch. d. Min. für H. u. G. v. 31.

§ 250]

Schlußbestimmungen.

969

Mai 1910 (1. 4080) und im festen Zustande Asphalt, Bitumen usw. vgl. auch Urt. d. OTr. v. 6. Febr. 1872, Z. Bd. 13 S. 541, Striethorst Bd. 84 S. 200 sowie § 222. Durch Urt. des RG. v. 3. Juni 1899, Z. Bd. 40 S. 472 ist die Regalität des Sand­ steins für die Grafschaft Bentheim anerkannt. 4. Das Bergregal und Bergregalitätsrechte können für wei­ tere Bezirke weder vom Staate (Fiskus) noch auch von Privaten anders erworben werden als auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung- RG. Z. Bd. 43 S. 49.

Anhang zum ersten und zweiten Titel. I. Gesetz, betreffend die Abänderung des Allgemeinen Berg­ gesetzes vom 24. Juni Ises (lüutungs* und Uerleibungswesen). Vom 18. Juni 1907 (GS. S. 119).

Mer den Zweck des Gesetzes vgl. S. 28 ff., wegen der Materialien die Zusammenstellung in den Vorbemerkungen. Zu den Art. I—VII siehe die §§ 1, la, 2, 3, 3a—b, 4, 14—19a, 26—28, 38a—c, 50, 59 und 192a. Artikel VIII. Unberührt von den Vorschriften im Artikel I dieses Gesetzes (§§ 1, la, 2) bleiben die provinzialrechtlichen Bestim­ mungen, wonach einzelne der im Artikel I bezeichneten Mineralien dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers unterliegen oder noch andere als die im Artikel I bezeichneten Mineralien vom Verfügungsrechte des Grundeigentümers ausgeschlossen sind, sowie die Vorschriften des Allgemeinen Berggesetzes über die Umwand­ lung der gestreckten in gevierte Felder.' Unberührt von den Vorschriften im Artikel I des gegen­ wärtigen Gesetzes bleiben ferner alle zur Zeit seines Inkrafttretens schon bestehenden Berechtigungen an den im Artikel I Ziffer 3 (§2) bezeichneten Mineralien sowie die bis zu diesem Zeitpunkte durch Mutungen begründeten Ansprüche auf Verleihung des Berg­ werkseigentums an solchen Mineralien. Auch wird an den Rechten der früher reichsunmittelbaren Standesherren sowie derjenigen, welchen auf Grund besonderer Rechtstitel das Bergregal oder sonstige Bergbauvorrechte in gewissen Bezirken allgemein oder für einzelne Mineralien zustehen, durch das gegenwärtige Gesetz nichts geändert. Soweit diese besonderen Rechtstitel den Anspruch begründen, andere von der Aufsuchung oder Gewinnung der im Artikel I Ziffer 3 bezeichneten Mineralien oder von der Erlangung oder Ausübung des Bergwerkseigentums an diesen Mineralien auszu­ schließen, kann von dem Bevorrechtigten die Verleihung des Berg­ werkseigentums an den bezeichneten Mineralien auf Grund der­ jenigen Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 beansprucht werden, welche vor dem Inkrafttreten des gegen­ wärtigen Gesetzes in Geltung waren.

9lrt.VlII-IX]

Gesetz betr. Abänderung des Allg. Bergg. v. 18. Juni 1907.

971

1. Art. VIII soll zum Ausdruck bringen, daß das Gesetz vom 18. Juni 1907 ebenso wie alle anderen Gesetze keine rückwirkende Kraft hat. Durch die dies bezweckende Fassung des Art. VII der Regierungsvorlage, der nur die Absätze 1 und 3 des jetzigen Art. VIII enthielt, war dies aber nach der An­ sicht das Abgeordnetenhauses nicht in genügendem Maße geschehen, weshalb es noch die Absätze 2 und 4 hinzugefügt hat, vgl. Eskens in Z. Bd. 49 S. 149.

2. Zu Abs. 1: Wegen der Ausdehnung bzw. Einschränkung deß Ver­ fügungsrechts des Grundeigentümers hinsichtlich einzelner verleihbarer Minera­ lien durch provinzialrechtliche Bestimmungen vgl. Anm. 2 zu § 1 oben, S. 17/18. Der Ausschluß desjenigen freien Feldes, welches bei der Umwandlung gestreckter Felder in gevierte Felder (§§ 215 ff. ABG.) von den Eigentümern der Felder ersterer Art in Anspruch genommen werden kann (§ 215 Abs. 2), von dem Vorbehalte des Staates entsprach dem Bedürfnisse und der Billig­ keit, Begr. S. 25.

3. Zu Abs. 2: Diese von der Kommission des AH. eingefügte Be­ stimmung bezweckt, zweifelsfrei festzustellen, daß wohlerworbene Rechte von der Novelle nicht betroffen werden (StenB. AH. S. 4801). Unter den durchMutungen begründeten Ansprüchen auf Verleihung des Bergwercselgentums im Sinne dieser Vorschrift find auch diejenigen Ansprüche zu verstehen, welche auf Grund solcher Mutungen erhoben werden können, welche zwar von den Bergbehörden zurückgewiesen worden sind, aber auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften wie in Art. X der Nov. oder im § 23 ABG. binnen bestimmter Frist oder im Falle des Eintritts gewisser Ereignisse in Zukunft durch gerichtliche Klage wieder geltend gemacht werden können, Eskens Z. Bd. 49 S. 150. Ob auch das Mutungsvorrecht des § 55 ABG. zu den in Abs. 2 genannten „Berechtigungen" zu zählen ist, ist bestritten. Die Frage wird von Schlüter-Hense Anm. I 6 d zu § 38a ABG., bejaht, von Eskens Z. Bd. 49 S. 151/2 und Thielmann Anm. 2 zu Art VIII m. E. zutreffend verneint. Die Ansichten von Schlü ter-Heuse, daß das Vorrecht aus §55 bereits mit der Verleihung des Bergwerkseigentums zur Entstehung gelangt, kann als richtig nicht anerkannt werden. 4. Zu Abs. 3 und 4: Abs. 2 des Entwurfes, jetzt Abs. 3 war bestimmt, die Rechte der Regalinhaber im Umfange des § 250 ABG. gegenüber den Bestimmungen in Art. I der Novelle aufrechtzuerhalten. Durch diese Vor­ schrift erschienen dem Abgeordnetenhaus die dem Bergregal verwandten Rechte, insbesondere das sog. ins excludendi alios (vgl. über dieses § 250 Anm.) nicht genügend gewahrt. Es hat daher den Abs. 4 etngefügr, durch welchen den Inhabern solcher Rechte die Befugnis gewährt wird, selbst auf die dem Staate vorbehaltenen Mineralien zu muten, Eskens Z. Bd. 49 S. 151, Bitta, Z. Bd. 48 S. 487/8, Arndt S. 283.

Artikeln Über Mutungen, welche vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes eingelegt worden sind, ist vorbehaltlich der Bestimmungen im § 192a Abs. 2 und 3 nach den bisherigen gesetzlichen Vorschriften zu entscheiden. *Art. IX ist von der Kommission des AH. in 2. Lesung eingefügt worden (KB. S. 56).

972

Anhang zum ersten und zweiten Titel.

[$lrt. X-XI

1. Nach dem Inkrafttreten der Novelle stnd Mutungen, dir unter Verzicht auf eine vor diesem Zeitpunkte eingelegte Mutung von neuem auf denselben Fund eingelegt werden, nicht mehr zuläsflg, Urt. des RG. vom 15. Okt. 1910, Z. Bd. 52 S. 512, Entsch. Bd. 74 S. 269, a. A. EskenS Z. Bd. 49 S. 153 ff., Westhoff-Schlüter 2. Aust. S. 579 Anm. 4, Thiel­ mann Anm. 1 zu IX, Rek.-Besch, vom 29. April 1908, Z. Bd. 49 S. 550, wonach eine solche Neumutung zulässig, aber den Vorschriften der Novelle unterworfen sein soll. 2. Über die ausschließliche Zulässigkeit der Klage im BerwaltungSstreitverfahren vor dem Bergausschusse gegen Entscheidungen des Oberberg­ amts auf Grund deS § 15 Abs. 1 Ziffer 1 ABG. über vor dem Inkrafttreten der Novelle eingelegte Mutungen vgl. Urt. des OBG. vom 29. April 1909, Z. Bd. 51 S. 323.

Artikel X. Mutungen, welche auf Grund des Gesetzes vom 5. Juli 1905 (Gesetzsamml. S. 265), betreffend die Abänderung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24.,Juni 1865/1892, eingelegt, von den Verleihungsbehörden aber zurückgewiesen worden sind, gewähren, sofern dem Muter der Rechtsweg nicht schon gemäß § 23 des Allgemeinen Berggesetzes eröffnet ist, das Recht, den Anspruch auf Verleihung des Bergwerkseigentums gegen den Staat (Bergfiskus) binnen drei Monaten vom Tage der Verkündung des gegenwärtigen Gesetzes an und, falls der die Mutung zurück­ weisende Beschluß beziehungsweise Rekursbescheid (§ 191 des All­ gemeinen Berggesetzes) erst nach der Verkündung zugestellt wird, binnen drei Monaten seit dem Tage dieser Zustellung durch gericht­ liche Klage zu verfolgen. Wer von dieser Frist keinen Gebrauch macht, geht des Klage­ rechts gegen den Staat verlustig. 1. Der von der Kommisfion des AH. eingefügte Art. X bezweckt, für die Entscheidungen auf Grund der lex Gamp (S. 28) die Möglichkeit einer gerichtlichen Nachprüfung zu schaffen (KB. S. 37 ff., 56). Über das Verhältnis der auf Grund des gegenwärtig bedeutungslosen Art. X zulässigen Rechtsmittel zueinander vgl. Eskens Z. Bd. 49 S. 157, Westhoff-Schlüter 2. Aufl. S. 106, Thielmann Anm. zu Art. X so­ wie Rek.- Besch, vom 8. Mat 1908, Z. Bd. 49 S. 469.

Artikel XI. Sind zwischen Feldern oder Feldesteilen, welche zur Gewinnung der im Artikel 1 Ziffer 3 (§ 2) bezeichneten Mine­ ralien bereits vor Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes ver­ liehen waren, im Bergfreien liegende Feldesteile ganz oder zum Teil eingeschloffen und diese Feldesteile ihrer Form oder Größe nach so beschaffen, daß eine selbständige Gewinnung des Minerals nicht lohnen würde, so kann von den Eigentümern der benach­ barten Bergwerke die Verleihung des Bergwerkseigentums für die eingeschlossenen Feldesteile auf Grund derjenigen Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes beansprucht werden, welche vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes in Geltung waren.

Art. XI]

Gesetz betr. Abänderung des Allg. Bergg. v. 18. Juni 1907.

973

Gegen die Entscheidung des Oberbergamts findet innerhalb zwei Wochen von der Zustellung an die Klage im Berwaltungsstreitverfahren bei dem Bergausschusse statt. Gegen die Entscheidung des Bergausschusses ist das Rechts­ mittel der Revision bei dem Oberverwaltungsgerickte gegeben. * Art. XI ist von der Kommission des AH. aus folgenden Gründen hin­ zugefügt worden: ES wurde darauf hingewiesen, daß aus verschiedenen Ursachen, z. B. Zugrundelegung unrichtigen Kartenmaterials, sonstigen Irrtümern und Ver­ sehen bei der Anfertigung der Mutungsfituationsrtsse, zwischen den verliehenen Feldern häufig kleinere Feldesteile im Bergfreien liegen geblieben seien, die wegen ihrer geringen Größe besondere Schürfarbeiten zur Erwerbung des Bergwerkseigentums nicht lohnten und zu einem selbständigen Bergwerksvetrieb überhaupt ungeeignet seien. Bisher seien diese etngeschlofienen Feldesteile in der Regel so lange unverltehen geblieben, bis der Betrieb in einem der benachbarten (markscheidenden) Felder in die unmittelbare Nähe des einge­ schlossenen Feldesteils gelangt sei, so daß nun ein Fund in diesem Feldesteil ohne wesentlichen Kostenaufwand hergestellt werden und daraufhin die Einmvwng diests Feldest-ils e^fol^en ko-nt". Durch die Beseitigung der Berg­ baufreiheit werde dieses Verfahren unmöglich- es müffe daher anderweitige Vorsorge getroffen werden, daß diese etngeschlofienen Feldesteile noch nach den bisherigen Vorschriften des ABG. vergeben werden könnten, Eskens Z. Bd. 49 S. 158/9, KB. AH. S. 41 ff., 57. Auf Grund dieser Erwägungen beschloß die Kommission die Einfügung einer dementsprechenden Vorschrift, die aber auf Anregung der Regierung auf die im 8 2 Abs. 1 genannten Mineralien beschränkt wurde, da für die übrigen Mineralien bereits durch den Abs. 5 des § 27 in der Fassung der Novelle ausreichende Vorsorge getroffen worden sei.

1. Als „Feldesteile, die ganz oder zum Teil eingeschlofien sind", gelten sowohl die von allen Seiten eingeschlofienen „Enklaven", als auch die aus dem Bergfreien in das verliehene Feld htneinragenden „Zungen", KB. AH. S. 58.

2. Ob die eingeschloffenen Feldesteile von mehreren oder von einem einzelnen Felde eingeschlossen werden, ist für die Anwendbarkeit des Art. XI unerheblich, Eskens a. a. O. S. 160. 3. Die die Feldesteile einschließenden Felder müssen vor dem Inkraft­ treten der Novelle verliehen sein, Einlegung einer Mutung auf sie vor diesem Zeitpunkte genügt daher nicht, Urt. des OVG. vom 10 Mai 1909, Z. Bd. 51 S. 326, Eskens a. a. O. S. 161, Thielmann Anm.2, SchlüterHense Anm. 2a zu Art. XI, a. A. Arndt, Glückauf 1907 S. 1362, vgl. a. denselben, Kommentar S. 28. Ebenso ist Art. XI nicht anwendbar, wenn die Feldesteile nicht von verliehenen Feldern, sondern privilegiertem Bergbau­ gebiet eingeschlossen werden (Erl. deS Min. f. Handel u. Gewerbe vom 25. Nov. 1912, I 5649), ebenso nicht bei gestreckten Feldern arg. e. Art. VIII Schlüter-Hense a. a. O. 4. Auf Grund des Wortlautes deS Art. XI, der von „Feldesteilen" spricht, ist anzunehmen, daß der eingeschlossene Feldesteil jedenfalls kleiner sein muß als ein Maximalfeld gemäß § 27 ABG., Eskens a. a. O. S. 161/2, Thielmann Anm. 3 zu Art. XI, a. A. Arndt S. 28, vgl. auch StenB. AH. S. 4809.

974

Anhang zum ersten und zweiten Titel.

sArt. XII—XIV

5. Bei den sogenannten „Zungen" (Anm. 1) kommt für die Beurtei­ lung der Frage, ob eine selbständige Gewinnung des Minerals sich lohnen würde, nur die Zunge als solche, nicht aber dieselbe im Zusammenhang mit dem anschließenden bergfreien Felde in Betracht, EskenS S. 162, SchlüterHense Anm. 2c zu Art. XL 6. Benachbarte Bergwerke im Sinne des Art. XI sind nur diejenigen, welche mit dem etngeschlossenen Felde Markscheiden. Unter mehreren Mutern entscheidet sich der Vorrang auf Grund der §§ 24 ff. ABG., Eskens S. 162, Thtelmann Anm. 5, Schlüter-Hense Anm. 2e zu Art. XI. 7. Die in Avs. 2 vorgesehene Klage im Verwaltungsstreitverfahren vor dem Bergausschuffe ist das einzige in den Fällen des Art. XI gegebene Rechtsmittel.

Artikel XII. Insoweit auf Solquellen, die mit den im Artikel I Nr. 3 (§ 2) Abs. 1 bezeichneten Salzen auf der nämlichen Lagerstätte vorkommen, vor dem 1. Februar 1907 Schürfarbeiten begonnen worden sind, die bis zum Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes nicht zur Fündigkeit geführt haben, dürfen die Schürf­ arbeiten fortgesetzt werden. Wird auf Grund derselben innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes ein Fund gemacht, so verbleibt dem Finder der Anspruch auf Verleihung des Bergwerkseigentums an der Solquelle nach Maß­ gabe der seitherigen Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes. Der Staat ist befugt, die Abtretung des Fundes binnen drei Monaten nach dem Ablauf des Tages der Mutung gegen Entschädigung zu verlangen. Bei Bemessung der Entschädigung bleibt jedoch der Gewinn außer Ansatz, der aus der künftigen Ausnutzung der Quelle für den Unternehmer entstehen kann. Art. XII ist von der Kommission des AH. eingefügt worden, weil es un­ billig erschien, Unternehmern, die in gutgläubigem Vertrauen auf die Erhaltung der bisherigen Bergbaufrethett mit Bohrungen auf Solquellen der dort bezeich­ neten Art begonnen hätten, die Fortführung und Vollendung ihrer Arbeiten und damit die Aussicht auf die Erlangung des Bergwerkseigentums an der zu erbohrenden Solquelle ganz Plötzlich zu entziehen, Eskens S. 164, KB. AH. S. 60 ff., StenB. AH. S. 4810.

Artikel XIII Soweit in Gesetzen aus Vorschriften ver­ wiesen ist, welche durch dieses Gesetz abgeändert werden, treten an deren Stellen die entsprechenden neuen Vorschriften. Artikel XIV. Dieses Gesetz tritt am 8. Juli 1907 in Kraft. Mit der Ausführung dieses Gesetzes wird der Minister für Handel und Gewerbe beauftragt. Eine Ausführungsanweisung ist nicht erlassen worden.

§1]

Erdölgesetz.

975

n. Gesetz. Betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen der Allgemeinen Berggesetzes vom u. Juni iros auf die Auf­ suchung und Gewinnung von Erdöl. Vom 6. Juni 1904 (GS. S. 105).

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtags für das gesamte Staatsgebiet, was folgt: § 1. Auf die Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl kommen die nachfolgenden Vorschriften des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (Gesetz-Samml. S. 705) in der Fassung der Novelle vom 24. Juni 1892 (Gesetz-Samml. S. 131) zur entsprechenden Anwendung: 1. aus Titel III Abschnitt 1 „von dem Bergwerkseigentum im allgemeinen" die §§ 58 und 59; 2. aus Titel III Abschnitt 2 „von dem Betriebe und der Ver­ waltung" die §§ 66 bis 79 einschließlich; 3. Titel III Abschnitt 3 „von den Bergleuten und den Betriebs­ beamten" 88 80 bis 93, unter Ausscheidung der auf die Knapp­ schaftsvereine bezughabenden Bestimmungen in den 88 80d Abs. 2, 80 f Abs. 2 Ziffer 2, 89 Abs. 2 lind unter der Maß­ gabe, daß die im 8 92 bezeichneten Geldstrafen derjenigen Hilfskaffe zufallen, welcher der Arbeiter angehört, in Er­ mangelung einer solchen einer anderen zum Besten der Arbeiter an dem Orte bestehenden, von der Gemeindebehörde zu be­ stimmenden Kasse und in deren Ermangelung der Orts­ armenkasse; 4. Titel VIII „von den Bergbehörden" 88 187 bis 195; 5. Titel IX „von der Bergpolizei" 88 196 bis 209a. *Die Begründung zu der Regierungsvorlage dieses Gesetzes (Drucks, des HH. 1904 Nr. 16, Z. Bd. 45 S. 2 ff.), welche von dem Landtage unver­ ändert angenommen worden ist (Drucks, des HH. Nr. 18, StenB. HH. S. 42, Drucks, des AH. Nr. 73, StenB. AH. S. 4724, 5043, 5166) legt zunächst eingehend die Entwicklung der preußischen Erdölindustrie die seit Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts, namentlich in der Provinz Hannover, einen stetig wachsenden Umfang angenommen hat, sowie die technische Verwendbar­ keit der hierbei gewonnenen Erdöle dar und fährt dann fort: „Dieses bei günstiger und ungestörter Weiterentwicklung möglicherweise volkswirtschaftlich wertvolle Vorkommen erscheint nun durch die bisherige Art und Weise des Betriebes gefährdet. Der Betrieb vollzieht flch im allge­ meinen in der Weise, daß von dem Bohrunternehmer, dem der Grundeigen­ tümer die nötigen Grundstücke verpachtet oder an ihnen eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt (§ 1090 BGB.), an den geeignet erscheinenden Punkten Bohrlöcher niedergebracht und aus den erschlossenen erdölführenden Schichten die Erdöle mittels maschinellen PumpbetriebeS herausgefördert wer­ den. Diese Bohrlöcher sind sehr zahlreich, ihre Zahl beträgt nicht nur bei Wietze-Steinförde, sondern auch bet Olheim mehrere hundert. Diese zahl­ reiche nicht immer von wirklich sachkundiger Seite niedergebrachten und betrte-

976

Anhang zum ersten und zweiten Titel.

[§ 1

denen Bohrlöcher stellen zwischen den erdölführenden Schichten und dem Tagwasser sowie den in tieferen Schichten vorhandenen Wassern die vorher fehlende Verbindung her- die Wasser gelangen bet einem nicht genügendem Abschlüsse der Bohrlochsverrohrung gegen die anschließenden Gesteinsschichten in die Tiefe der erdölführenden Schichten und äußern hier eine verderbliche Wirkung nicht nur darin, daß sie das Erdöl durch beträchtlichen Zusatz von Wasser in seiner Qualität erheblich verschlechtern, sondern vor allen Dingen darin, daß sie es vermöge ihrer spezifischen Schwere verdrängen. Auf diese Weise kann jedes einzelne Bohrloch, wenn dabei die notwendigen Borstchtsmaßregeln außer acht gelaßen werden, zu schweren Schädigungen der erdöl­ führenden Schichten führen, und zwar nicht etwa nur für seine nächste Um­ gebung, sondern unter Umständen für unberechenbare Entfernungen und Gebiete. Denn je nach den im einzelnen regelmäßig unbekannten Lagerungsverhältnissen und nach der verschiedenen Beschaffenheit (Porosität usw.) der von dem Bohr­ loche berührten Gesteinsschichten wird das Wasser nach unbestimmbaren Richtungen hin in die anstoßenden Schichten eindrtngen, sich auf kleinere oder größere Entfernungen ausbreiten und gegebenenfalls einen Schaden anrichten, der weit über den Umfang des einzelnen oder mehrerer Betriebe hinausgehend eine gemeinschädltche Einwirkung darstellt. Am schlimmsten wirken die nicht mehr im Betriebe stehenden Bohrlöcher, namentlich, wenn aus ihnen die Verrohrung ganz oder teilweise herausgezogen oder wenn ihre Verdichtung in ungenügender Weise bewirkt wird- es wird dann dem Tages- und Grund­ wasser sowie den sämtlichen durch das Bohrloch erschlossenen Wässern tieferer Schichten ungehinderter Zutritt zu den erdölführenden Schichten ermöglicht und hierdurch unübersehbarer Schaden angerichtet." Solche Schädigungen der Erdölindustrie infolge unsachgemäßen Vor­ gehens waren sowohl in Galizien als auch in Hannover mehrfach festgestellt worden. Infolgedessen erschien es, um in Preußen in Zukunft solche Nachteile zu vermeiden, angebracht, die Aufsuchung und Gewinnung des Erdöls unter die Aufficht von Behörden zu stellen, die diese Arbeiten sachverständig zu über­ wachen und die geschilderten Gefahren wirksam zu verhüten imstande sind. Hierzu erschien die bisherige Beaufsichtigung durch die Organe der allge­ meinen Landesverwaltung nicht ausreichend. Denn wenn diese auch in den von ihnen erlassenen diesbezüglichen Polizeiverordnungen die Heranziehung bergtechnischer Sachverständiger, namentlich der örtlich zuständigen Revierbeamten vorgesehen hatten, so ließ es doch die sachgemäße Überwachung des Betriebes, der nach seiner ganzen Art und Weise eine genaue Kenntnis der unterirdischen Lagerungsverhältnisse und mithin eine bergmännische Borkenntnis voraussetzt, geboten erscheinen, die Aufsicht bergtechnischen Behörden, und zwar nicht nur in erster, sondern auch in der zum Erlaß von Polizeiverordnungen oder Ver­ fügungen zuständigen Instanz zu übertragen, da es gerade auf den sachge­ mäßen Erlaß derartiger Anordnungen ankommt. Aus diesen Gründen find durch das Gesetz an Stelle der früher zu­ ständigen Behörden die im achten Titel des ABG. bezeichneten Behörden gesetzt worden, denen gleichzeitig die im neunten Titel des ABG. näher be­ stimmte und in ihrer Ausgestaltung zu einer wirksameren Handhabung des Aufstchtrechtes geeignete polizeiliche Aufsicht übertragen worden ist. Hierauf beschränkt sich aber auch daS vorliegende Gesetz und ordnet nicht etwa wie die diesbezügliche österreichisch-galizische und rumänische Ge­ setzgebung, die im übrigen dem Gesetz zum Borbilde gedient hat, noch wettere Maßregeln betreffend die Erdölindustrie an.

§1]

Erdölgesetz.

977

In seinen einzelnen Bestimmungen folgt das Gesetz den zu ähnlichen Zwecken erlassenen Gesetzen vom 8. April 1894 betr. die Abänderung des § 211 ABG., dem Gesetze vom 14. Juli 1895 betr. die Ausdehnung verschiedener Bestimmungen des ABG. auf den Stein- und Kalisalzbergbau in der Provinz Hannover und dem Gesetze vom 7. Juli 1902 betr. die Abänderung einzelner Bestimmungen des ABG. (§§ 214 ff. ABG.). 1. Die gemäß § 1 anwendbaren Bestimmungen sollen nicht nur auf die Gewinnung, sondern auch auf die //Aufsuchung" des Erdöls zur Anwen­ dung gelangen/ weil die zur Aufsuchung dienenden Bohrlöcher für die erd­ ölführenden Schichten ebenso gefährlich sind wie die im Pumpbetriebe stehenden. Der Begriff „Aufsuchung und Gewinnung" umfaßt außerdem auch die zur Aufsuchung oder Gewinnung benutzten, später aber wieder außer Betrieb gesetzten und, wie in den in der Vorbemerkung wtedergegebenen Ausführungen der Begründung dargelegt, unter Umständen ganz besonders gefährlichen Bohrlöcher. 2. Das Erdöl gehört zum Grundeigentume. Der Grundeigentümer ist daher gemäß §§ 903, 905 BGB. grundsätzlich (flehe jedoch § 907) berechtigt mit dem in seinem Grundstücke befindlichen Erdöl nach Belieben zu verfahren. Anlaß zu polizeilichem Einschreiten ist nur dann gegeben, wenn die Einwirkung gemeinschädlich ist (Arndt Anm. 4, Thielmann Anm. 2 zu § 1 des Erdöl­ gesetzes). Jedoch ist bereits in der in der Vordem, wiedergegebenen Stelle der Begründung dargelegt, daß die aus der unsachgemäßen Behandlung der Bohrlöcher zu befürchtenden, unter Umständen bei jedem einzelnen Bohrloche möglichen Gefahren sich wegen Gefährdung volkswirtschaftlich bedeutender Güter als eine „gemeinschädliche Einwirkung" im Sinne des § 196 Abs. 2 ABG. darstellen können (Begr. S. 54, 55). 3. Die in § 1 genannten Bestimmungen des ABG. sollen gemäß den Eingangsworten zur „entsprechenden" Anwendung gelangen. Dies findet seine Begründung darin, daß die berggesetzlichen Vorschriften vielfach von Berg­ werken, Bergwerksbesttzern, Bergleuten usw. sprechen, also Rechtsverhältnifle im Auge haben, wie sie unter Zugrundelegung des durch Verleihung begrün­ deten Bergwerkseigentums entstehen. An Stelle dieses Bergwerkseigentums tritt bet den Erdölbetrieben der auf Vertrag mit dem Grundbesitzer beruhende - eintretendenfalls auch von diesem selbst —geführte Betrieb, die Unternehmung zur Aufsuchung und Gewinnung des Erdöls. Was im Verhältnis zu dieser Unternehmung die Stelle des „Bergwerkseigentümers, Bergwerksbesitzers usw." des ABG. einnimmt, ist in jedem Falle entsprechend festzustellen, ebenso wie bei Anwendung des obenerwähnten Gesetzes vom 14. Juli 1895, Begr. S. 55.

4. Zu Ziff. 1 und 2: Die mit der Ausübung der Bergpolizei den Berg­ behörden gemäß § 189 Abs. 2 ABG. zugleich übertragene Gewerbeaufsicht nötigt dazu, die hier bezeichneten, mit der bergpolizetlichen Aufsicht im engsten Zusammenhänge stehenden Bestimmungen für anwendbar zu erklären. Dadurch werden insbesondere auch die Aufsuchungsarbeiten den Vorschriften über die Betrtebsplanprüfung und die Befähigung und Verantwortung der Beamten unterworfen und den Behörden die geeigneten Mittel, gleich von vorneherein einen ordnungsmäßigen Betrieb herbeizuführen, an die Hand gegeben, Begr. S. 55. 5. Zu Ziff. 3: Für die Aufnahme der hur aufgeführten Bestimmungen des ABG. sind im wesentlichen dieselben Gründe maßgebend gewesen, wie bei dem Gesetze vom 8. April 1894 betr. die Abänderung des § 211 ABG.

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Anhang zum ersten und zweiten Titel.

[§§ 2-4

Ohne die Aufnahme dieser Vorschriften würden, wenn auch die Aust suchung und Gewinnung des Erdöls als Bergwerks- oder Grubenbetrieb im Sinne des § 154 a GO. anzusehen ist, doch nur die dort aufgeführten Bestim­ mungen der GO. sowie die §§ 105 a ff. (über die Sonntagsruhe) Anwendung finden, Begr. S. 55/6.

§ 2. Wird die Aufsuchung oder Gewinnung von Erdöl von mehreren Personen betrieben, so sind diese, sofern ihre Vertre­ tung nicht durch die allgemeinen Gesetze geordnet ist, verpflichtet, mittels notarieller oder gerichtlicher Urkunde einen im Jnlande wohnenden Repräsentanten zu bestellen, welchem die Befugnis zusteht, alle Vorladungen und andere Zustellungen an die "Be­ teiligten mit voller rechtlicher Wirksamkeit in Empfang zu nehmen und letztere bei den Verhandlungen mit der Bergbehörde zu ver­ treten. Dasselbe gilt, wenn der alleinige Unternehmer der im Abs. 1 bezeichneten Arbeiten im Auslande wohnt. Wird ein Repräsentant auf die Aufforderung der Bergbe­ hörde nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten bestellt und unter Einreichung der Bestellungsurkunde namhaft gemacht, so ist die Bergbehörde befugt, bis dahin, daß dies geschieht, einen Reprä­ sentanten zu bestellen und ihm eine angemessene, von den Betei­ ligten aufzubringende und nötigenfalls im Verwaltungsweg exekutivisch einzuziehende Belohnung zuzusichern. Die Aufforderung gilt für zugestellt, wenn sie mindestens zwei Beteiligten behändigt ist. Der von der Bergbehörde bestellte interimistische Repräsen­ tant hat die Befugnisse des gewählten Repräsentanten, insofern die Bergbehörde keine Beschränkungen eintreten läßt. § 2 ist dem § 10 des Gesetzes über den Stein- und Braunkohlenberg­ bau im Mandatsbeztrk, dem § 210 c ABG. und dem § 2 des Gesetzes vom 14. Juli 1895 (Stein- und Kaltsalzbergbau in Hannover) nachgebildet.

§ 3. An die Stelle der im § 80 f Abs. 2 Ziffer 3 und im § 80 i des Allgemeinen Berggesetzes bestimmten Termine treten für die im § 1 dieses Gesetzes bezeichneten Betriebe der 1. Januar 1904 und der 1. April 1904. §80f Abs. 2 Ziff.3 (8 80k Abs. 4 Ziff. 3 der Novelle vom 14. Juli 1905) ist durch die Novelle vom 28. Juli 1909 beseitigt worden.

§ 4. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft. Mit der Ausführung dieses Gesetzes wird der Minister für Handel und Gewerbe beauftragt. Das Gesetz ist am 14. Juni 1904 verkündet worden.

§1]

Gesetz über den Bergwerksbetrieb ausländ, jur. Personen.

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ui. Gesetz über den Bergwerksbetrieb ausländischer juristischer Personen und den Geschäftsbetrieb ausserpreussischer Gewerk­ schaften. Vom 23. Juni 1909 (GS. S. 619). Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen usw., verordnen, mit Zustimniung der beiden Häuser des Landtags der Monarchie, was folgt:

§ 1. Ausländische juristische Personen bedürfen zum Er­ werbe von Bergwerkseigentum, unbeweglichen Bergwerksanteilen und selbständigen Abbaugerechtigkeiten der Genehmigung des Königs oder der durch Königliche Verordnung bestimmten Behörde. Der Gesetzentwurf ist zunächst dem Abgeordnetenhause in der Session 1908/9 vorgelegt worden (Drucks. Nr. 444). Dieses beschloß Überweisung an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern (StenB. A. H. S. 5127 ff.). Die Kommission erstattete einen eingehenden Bericht, in welchem sie bis auf eine geringfügige Abänderung des § 3 Abs. 3 (vgl. die Anm. dort) die unver­ änderte Annahme der Regierungsvorlage empfahl (Drucks. Nr. 566). In dieser Fassung wurde sodann das Gesetz sowohl vom Abgeordnetenhause (StenB. S. 6642, 6714 ff.), als auch vom Hercenhause (Drucks. Nr. 106, StenB. S. 289 ff.) angenommen, siehe auch Z. Bd. 50 S. 423 ff. 1. § 1 ist, wie die Begr. S. 4, 5 ausführt, eine folgerichtige Ergänzung des Art. 7 § 2 Abs. 2 pr. AG. z. BGB., nach welchem ausländische juristische Personen zum Erwerbe von in Preußen gelegenen Grundstücken ohne Rück­ sicht auf den Wert der Genehmigung des Königs oder der durch Königliche Verordnung bestimmten Behörde bedürfen, auf die dort genannten bergbau­ lichen Berechtigungen. Die Bestimmung findet gemäß der Begründung a. a. O. ihre Berech­ tigung in den gleichen „volkswirtschaftlichen und politischen Erwägungen, welche dazu geführt haben, den Grundstückserwerb durch ausländische ju­ ristische Personen von einer besonderen Genehmigung abhängig zu machen. Die nutzbaren Mineralien bilden einen wesentlichen Teil des Nationalver­ mögens- der Umfang ihrer Gewinnung und die Art ihrer Verwendung find unter Umständen für die Volkswohlfahrt oder doch für das wirtschaftliche Ge­ deihen weiter Bolkskreise von größter Bedeutung". Dazu kam, daß es ratsam erschien, dem Eindringen der Mängel deS ausländischen Gesellschaftsrechts in das inländische Wirtschaftsleben vorzubeugen. 2. Gegenüber den natürlichen Personen deS Auslandes tritt durch § 1 eine Erwerbsbeschränkung überhaupt nicht ein und auch die juristischen Per­ sonen des Auslandes bleiben in dem Erwerbe von Anteilen inländischer Ge­ sellschaften (Gewerkschaften, Aktiengesellschaften usw.) unbeschränkt, Begr. S. 5.

3. Das Gesetz trifft sowohl das nach Maßgabe des ABG. verliehene, nie auch das nach älteren bergrechtlichen Bestimmungen erworbene Bergwerks­ eigentum und ferner die selbständigen Kohlenabbaugerechtigkeiten in den vor­ mals sächsischen Landesteilen, die Salzabbaugerechtigkeiren in der Provinz Hannover sowie alle anderen selbständigen Gerechtigkeiten, welche durch eine spätere Gesetzgebung geschaffen werden sollten.

980

Anhang zum ersten und zweiten Titel.

[§§ 1/ 2

Eine Ausdehnung des Gesetzes auch auf die nach §38oABG. zu be­ gründenden Gewinnungsrechte erschien nicht erforderlich, da die Bestellung eines solchen Gewinnungsrechts in der Hand deS Handelsmtnisters liegt und daher der Veräußerung deS Gewinnungsrechts an ausländische juristische Personen durch Berlragsfestsetzungen vorgebeugt werden kann, Begr. S. 8. 4. Unter Erwerb des Bergwerkseigentums ist sowohl der ursprüng­ liche Erwerb durch Verleihung, als auch der abgeleitete Erwerb durch Auf­ lassung zu verstehen. Da die Genehmigung nur für den „Erwerb" des Bergwerkseigentums, nicht auch für die Einlegung der Mutung für erforderlich erklärt ist, genügt es, wenn die Genehmigung zur Zeit der Entscheidung über die Bergwerks­ verleihung (§§ 22 ff. ABG.) vorliegt, Begr. S. 8. 5. Das Gleiche wie für den Erwerb von Bergwerksetgentum und selb­ ständigen Abbaugerechtigkeiten gilt auch für den Erwerb von Miteigentums­ anteilen an Bergwerken (vgl. § 133 ABG-). Die „unbeweglichen Bergwerksanteile", die sog. Kuxe alten Rechts, haben besondere Erwähnung gesunden, weil es streitig, ob sie als Eigentums­ anteile an dem Bergwerke oder als Anteile am Gesamtvermögen der Gewerk­ schaft alten Rechts (vgl. hierzu § 227 ABG. Anm. 4) anzusehen sind, Begr. S. 8. 6. Die Bestimmung des Art. 6 § 1 AG. z. BGB., wonach Schenkungen oder Zuwendungen von Todes wegen an juristische Personen mit gewissen Maßgaben der Genehmigung des Königs oder der durch Königl. Verordnung bestimmten Behörde bedürfen, bleibt auch für die dem vorliegenden Gesetze unterworfenen Fälle in Anwendung. Die GenehmtgungSpfltcht hat demnach unter Umständen eine doppelte Rechtsgrundlage. Trotzdem erscheint eine dem Art. 7 § 3 AG. z. BGB. entsprechende Bestimmung hier entbehrlich, da die für die Genehmigung zuständige Behörde nach beiden Gesetzesbestimmungen die gleiche ist, Begr. S. 8. 7. Da das Gesetz keine rückwirkende Kraft hat, findet es auf Erwerbs­ fälle, die vor seinem Inkrafttreten liegen, keine Anwendung. Dagegen wird seine Wirksamkeit selbstverständlich nicht dadurch ausgeschlossen, daß die aus­ ländische juristische Person, die einen Erwerb vornehmen will, bereits auf Grund früherer Erwerbungen in Preußen Bergbau treibt, Begr. S. 8.

§ 2. Gewerkschaften, die in einem andern Bundesstaat ihren Sitz haben, bebürfeii zum Erwerbe von Grundstücken, Berg­ werkseigentum, unbeweglichen Bergwerksanteilen und selbständigen Abbaugerechtigkeiten der Genehmigung des Königs oder der durch Königliche Verordnung bestimmten Behörde. Die Bestimmung im Artikel 7 § 2 Abs. 1 des Ausführungs­ gesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vom 20. September 1899 (Gesetz-Samml. S. 177) findet auf Gewerkschaften keine An­ wendung. 1. Der § 2 richtet sich gegen die sog. Kaufgewerkschaften, deren grund­ sätzliche Zulässtgkeit vom Reichsgericht bejaht worden ist (vgl. oben S. 368/9). Diese Form der Ausdehnung der ursprünglichen Zwecke der Gewerkschaft war nun auch von außerpreußischen Gewerkschaften dazu benutzt worden, in Preußen. Bergwerksbetrieb zu eröffnen. Die- erschien deswegen bedenklich, weil in einzelnen Bundesstaaten einmal bei der Verleihung von Bergwerkseigentum an die Beschaffenheit des Fundes geringere Anforderungen als in Preußen.

§§ 2,3]

Gesetz über den Bergwerksbetrieb ausländ, jur. Personen.

981

gestellt wurden und ferner die Einteilung von Gewerkschaften in 1000 Kuxe nicht wie nach der Praxis der preußischen Oberbergämter nur unter beson­ deren Voraussetzungen (vgl. § 101 ABG. Anm. 2), sondern ohne weiteres genehmigt wurde. Es bestand daher die Gefahr, daß Gewerkschaften auf diese Weise in Preußen Bergwerke betreiben konnten, deren Satzungen von den preußischen Behörden nicht genehmigt sein würden. Dem will § 2 Abs. 1 vorbeugen, indem dort die in Art. 7 § 2 Abs. 1 pr. AG. z. BGB. ausge­ sprochene Genehmigungspflicht außerpreußischer juristischer Personen bei dem Erwerbe von Grundstücken im Werte von mehr als 5000 M. bezüglich außer­ preußischer Gewerkschaften auf den Erwerb von Grundstücken ganz allgemein und der dort genannten Bergbauberechtigungen ausgedehnt worden ist. Daß in tz 2 die Wertgrenze von 5000 M., nicht beibehalten ist, beruht darauf, daß als Erwerbsgegenstand außerpreußischer Gewerkschaften, die in Preußen Bergbau betreiben wollen, nicht nur Bergbauberechtigungen der hier genannten Art, sondern in den Landesteilen, wo bestimmte Mineralien dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers unterliegen, nach den bisherigen Erfahrungen in sehr weitgehendem Maße auch Grundstücke in Betracht kommen, die für sich allein nicht immer einen Wert von 5000 M. erreichen. Dagegen erschien es nicht erforderlich, die Erwerbsbeschränkung des § 2 auch auf die sonstigen außerpreußischen juristischen Personen auszudehnen, da diese regelmäßig weit strengeren Vorschriften als die Gewerkschaften unter­ worfen sind, auch in viel höherem Maße der staatlichen Aufsicht unterstehen, vgl. im übrigen Begr. S 6/7. 2. Wegen des Sitzes der Gewerkschaft vgl. § 96 ABG. Anm. 2. Da nun eine außerpreußtsche Gewerkschaft, welche ihren Sitz nach Preußen verlegt, nicht mehr als rechtsfähig anerkannt wird (vgl. oben S. 379 und den dort erwähnten Rek.-Besch. vom 31. März 1909, Z. Bd. 50 S. 417 ff.), so kann die Bestimmung des § 2 Abs. 1 nicht dadurch umgangen werden, daß eine außerpreußtsche Gewerkschaft beschließt, ihren Sitz nach Preußen zu ver­ legen oder gar schon bei ihrer Errichtung einen preußischen Ort zu ihrem Sitze bestimmt, Begr. S. 7. 3. Vgl. im übrigen zu Abs. 1 die Anm. 3 ff. zu § 1. 4. Die in Abs. 1 vorgesehene Bestimmung der Genehmigungsbehörde ist erfolgt durch die „Verordnung vom 11. Dezember 1909 zur Ausführung des Gesetzes über den Bergwerksbetrieb ausländischer juristischer Personen und den Geschäftsbetrieb außerpreußischer Gewerkschaften vom 23. Juni 1909" (GS. S. 797, Z. Bd. 51 S. 19). Sie bestimmt: Gewerkschaften, die in einem anderen Bundesstaat ihren Sitz haben, wird die nach § 2 Abs. \ des vorgenannten Gesetzes erforderliche Ge­ nehmigung zum Erwerbe von Grundstücken, Bergwerkseigentum, unbe­ weglichen Bergwerksanteilen und selbständigen Abbaugerechtigkeiten von den zuständigen Ministerien erteilt. Bedarf der Erwerb zugleich der Genehmigung auf Grund des Artikels 6 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, so wird die Genehmigung vom König erteilt. 5. Zu Abs. 2: Da durch § 2 Abs. 1 die ErwerbSbeschränkung der außerpreußischen Gewerkschaften erschöpfend geregelt ist, so scheiden diese natur­ gemäß aus dem Kreise der Anwendbarkeit des Art. 7 § 2 AG. z. BGB. aus.

§ 3. Ausländische juristische Personen und Gewerkschaften, die in einem anderen Bundesstaat ihren Sitz haben, bedürfen zum

982

Anhang zum ersten und zweiten Titel.

[§ 3

Betriebe von Mineralgewinnungen, auf die die §§ 67 bis 70 des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (Gesetz-Samml. S. 705) Anwendung finden, sofern nicht durch Staatsverträge ein anderes bestimmt ist, der Genehmigung des Ministers für Handel und Gewerbe. Bei Prüfung des Betriebsplans nach § 67 a. a. O. ist festzustellen, ob diese Genehmigung erteilt ist. Wird ein Betrieb ohne Genehmigung geführt, so findet § 70 a. a. O. Anwendung. Die Genehmigung zum Erwerbe von Bergwerkseigentum und von selbständigen Abbaugerechtigkeiten ersetzt innerhalb des Umfanges dieser Berechtigungen die nach Abs. 1 erforderliche Ge­ nehmigung zum Betriebe. Die Vorschrift des Abs. 1 findet keine Anwendung: 1. auf Mineralgewinnungen, die bei Verkündung dieses Gesetzes betrieben werden, solange ein Wechsel in der Person des Betreibers nicht eintritt2. auf die Ausübung von Berechtigungen zur Mineralgewinnung, die von dem Betreiber vor dem 1. April 1909 erworben worden sind. 1. § 3 Abs. 1 bezweckt, Umgehungen der §§ 1 und 2 durch Erwerb von dinglichen Rechten anderer Art (beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten usw.) oder durch Abschluß langfristiger Pacht- oder Ausbeutungsverträge vor­ zubeugen. Die Vorschrift lehnt sich an die durch § 12 Abs. 1 GO. aufrechterhaltene Bestimmung des § 18 des preußischen Gesetzes vom 22. Juni 1861, betr. die Abänderung einiger Bestimmungen der Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 (GS. S. 441) an, wonach ausländische juristische Personen zum Betriebe eines stehenden Gewerbes in Preußen, sofern nicht durch Staatsverträge ein anderes bestimmt ist, der Erlaubnis der Ministerien bedürfen, Begr. S. 8.

Neben der hiernach erforderlichen Genehmigung zur Eröffnung des Betriebes behalten die Erwerbsbeschränkungen der §§ 1 und 2 ihre volle Bedeutung, da es unter Umständen auch im volkswirtschaftlichen Interesse geboten erscheinen kann, die Anhäufung eines umfangreichen und wertvollen Bergwerksbesttzes in den Händen ausländischer Kapitalisten, ohne daß eine Eröffnung des Betriebes hinzutritt, zu verhindern, Begr. S. 9.

2. Mer die Mineralgewinnungen, auf welche die §§ 67—70 ABG. Anwendung finden, vgl. die Vorbemerkungen zu § 65. 3. Gemäß Abs. 2 ist eine besondere Betriebsgenehmigung in den Fällen nicht erforderlich, in denen bereits eine Genehmigung auf Grund der §§ 1 und 2 erfolgt, da schon die Genehmigung zum Erwerbe nicht wohl ohne Prüfung der Vereinbarkeit des künftigen Betriebes mit dem Staatsinteresse erteilt werden kann, auch die Versagung der zweiten nach Erteilung der ersten Genehmigung regelmäßig eine schwer zu rechtfertigende Härte darstellen würde, Begr. S. 9. 4. Abs. 3 lautete nach dem Entwürfe: „Die Vorschrift des Abs. 1 findet auf Mtneralgewinnungen, die von ausländischen juristischen Personen oder von Gewerkschaften der in Abs. 1 bezeichneten Art bei Verkündung dieses Gesetzes betrieben werden, keine Anwendung."

Gesetz über den Bergwerksbetrieb ausländ, jur. Personen.

983

Die jetzige Fassung beruht auf einem Beschlusse der Kommission des AH. (KB. S. 3). Durch Nr. 1 ist klargestellt/ daß eine erteilte Genehmigung an die Person des Betreibers der Mtneralgewinnung gebunden ist. Nr. 2 hat ihren Grund in der Rücksicht, die zur Vermeidung schwerer wirtschaftlicher Störungen auf schon bestehende Bergbauunternehmungen zu nehmen ist, Begr. S. 9.

§ 4.

Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.

Das Gesetz ist am 10. Juli 1909 verkündet worden.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Jnsiegel.

Gegeben an Bord M. A. „Hohenzollern", Kaiser-Wilhelm-Kanal, den 23. Juni 1909.

Anhang zum dritten Titel. I. Reicbsgesetz vetr. die Beschlagnahme des Rrveits- oder Dienstlobnes, v. 21. Juni 1869 (BGBl. S. 242 u. 1871 S. 63) in der Fassung des Ges. v. 29. März 1897 (RGBl. S. 159) und des Art. III des EG. z. ZPO. v. 17. Mai 1898 (RGBl. S. 333). § 1. Die Vergütung (Lohn, Gehalt, Honorar usw.) für Arbeiten oder Dienste, welche auf Grund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses geleistet werden, darf, sofern dieses Verhältnis die Erwerbstätigkeit des Vergütungsberechtigten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, zum Zwecke der Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers erst dann mit Beschlag belegt werden, nachdem die Leistung der Arbeiten oder Dienste erfolgt und nachdem der Tag, an welchem die Vergütung gesetzlich, Vertrags- oder gewohnheitsmäßig zu ent­ richten war, abgelaufen ist, ohne daß der Vergütungsberechtigte dieselbe eingefordert hat.

§ 2. Die Bestimmungen des § 1 können nicht mit recht­ licher Wirkung durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Soweit nach diesen Bestimmungen die Beschlagnahme unzu­ lässig ist, ist auch jede Verfügung durch Zession, Anweisung, Ver­ pfändung oder durch ein anderes Rechtsgeschäft ohne rechtliche Wirkung. § 3. Als Vergütung ist jeder dem Berechtigten gebührende Bermögensvorteil anzusehen. Auch macht es keinen Unterschied, ob dieselbe nach Zeit oder Stück berechnet wird. Ist die Vergütung mit dem Preise oder Wert für Material oder mit dem Ersatz anderer Auslagen in ungetrennter Summe bedungen, so gilt als Vergütung im Sinne dieses Gesetzes der Betrag, welcher nach Abzug des Preises oder des Wertes der Materialien und nach Abzug der Auslagen übrig bleibt. § 4. Das gegenwärtige Gesetz findet keine An­ wendung: 1. auf den Gehalt und die Dienstbezüge der öffentlichen Beamten-

Retchsgesetz Bett, die Beschlagnahme der Löhne usw.

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2. auf die Beitreibung der direkten persönlichen Staats­ steuern und Kommunalabgaben (die derartigen Abgaben an Kreis-, Kirchen-, Schul- und sonstige Kommunalver­ bände mit eingeschlossen), sofern diese Steuern und Ab­ gaben nicht seit länger als drei Monaten fällig geworden sind,' 3. auf die Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unter­ haltsbeiträge,' 4. insoweit der Gesamtbetrag der B ergütung (881/3) bie (Suntnie von 1500 Mark für das Jahr über­ steigt. (Vgl. dazu Urteil des LG. Dortmund vom 1. Dez. 1908, Z. Bd. 51 S. 341, Beschluß des OLA. Düsseldorf vom 24. Jan. 1907, ebenda S. 339, Urt. des OLG. Hamm vom 24. Jan. 1911, Z. Bd. 52 S. 436).

8 4a. Auf die Beitreibung der zugunsten eines unehelichen Kindes von dem Vater für den im 8 4 Nr. 3 bezeichneten Zeit­ raum kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge findet dieses Gesetz nur insoweit Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines notdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Verwandten, seiner Ehefrau oder seiner früheren Ehe­ frau gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht der Vergütung (88 1, 3) bedarf. Hierbei werden ausschließlich die Leistungen berücksichtigt, welche vermöge einer solchen Unterhaltspflicht für den nämlichen Zeitraum oder, falls die Klage zugunsten des un­ ehelichen Kindes nach der Klage eines Unterhaltsberechtigten er« hoben ist, für die Zeit von dem Beginne des der Klage dieses Berechtigten vorausgehenden letzten Vierteljahrs ab zu entrichten sind. Dgl. hierzu § 850 Nr. 1 ZPO., sowie ferner ebendort Nr. 4, wonach die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschafts­ kassen und Kassen der Knappschaftsvereine zu beziehenden Hebungen der Pfändung nicht unterworfen sind.

Anhang zum dritten Titel.

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II.

HurMlungr-Hnweirung zu dem Gesetze vom 24. Juni ir-2,

betreffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des ABG-, vom 27. Dezember 1892, in der Fassung der Bekanntmachung von« 5. März 1901. (Z. Bd. 34 S. 51 ff., 42 S. 250 ff )

Zur Ausführung des Gesetzes v. 24. Juni 1892 (GS. S. 131) wird folgendes bestimmt:

A.

Arbeitsbücher und Arbeitszeugnisse.

(§§ 84—85 h des Allgemeinen Berggesetzes.)

I. Eines Arbeitsbuches bedürfen die aus der Volksschule (d. h. der gewöhnlichen Werktagsschule, mit Ausnahme der Fort­ bildungs- und ähnlichen Schulen) entlassenen minderjährigen Arbei­ ter der unter Aufsicht der Bergbehörden stehenden Bergwerke, Salinen und Aufbereitungsanstalten ohne Unterschied des Ge­ schlechts. Hiernach sind Personen unter 21 Jahren von der Führung eines Arbeitsbuches entbunden, sofern sie nach den gel­ tenden Bestimmungen großjährig oder für großjährig erklärt sind *). Der Verpflichtung zur Führung eines Arbeitsbuches unterliegen auch solche minderjährige Arbeiter, welche vor dem 1. Januar 1893 in Beschäfti­ gung getreten sind.

Zur Führung eines Arbeitsbuches sind nicht verpflichtet 1. Personen, welche im Gesindeverhältnisse stehen2. die mit gewöhnlichen auch außerhalb der oben bezeichneten Betriebe vorkommenden Arbeiten beschäftigten Tagelöhner und Handarbeiter. Z« I. !) Vgl. Art. 7 EG. zum BGB., §§ 3, 5 BGB.

II. Personen, welche nach der Auffassung der Behörde ver­ möge der Art ihrer Beschäftigung eines Arbeitsbuches nicht bedürfen, ist die Ausstellung eines solchen, wenn sie von ihnen beantragt wird, nicht zu verweigern.

III. Die Arbeitsbücher werden von der Ortspolizeibehörden *) ausgestellt?). Bei der Ausstellung sind diejenigen Arbeitsbuchformulare zu verwenden, welche unter A VI der Ausführungsanwetsung v. 26. Februar 1892 zum Reichs­ gesetz v. 1. Juni 1891, betreffend Abänderung der Gewerbeordnung, in der am 5. März 1901 abgeänderten Fassung für gewerbliche Arbeiter vorgeschrieben sind. Indessen ist in jedes Arbeitsbuch hinter Seite 2 ein besonderer, aus vier Seiten bestehender Bogen einzuheften, auf welchem die Bestimmungen der §§ 85 b—85 h, 207a u. 207 e Ziff. 1—3 des Preuß. Allgemeinen Berg­ gesetzes abgedruckt sind. Die vier Seiten dieses Bogens sind mit den Seiten­ zahlen 2a—2d zu versehen.

Ausf.-Anw. v. 27. Dez. 1892.

987

Die hiernach erfolgte Ausstellung von Arbeitsbüchern ist gleichfalls in das von der Ortspoliteibehörde gemäß A. VII der Ausführungsanweisung v. 26. Februar 1892 zu führende Verzeichnis cinzutragen.

Z» III. 1) Vgl. Anni. 6 zu § 84. 2) Maßgebend ist jetzt Ziff. 183 der Auöf. Anw. zur GO. vom 1. Mai 1904. Über die ausgestellten Arbeitsbücher führt die Orlspolizeibehörde nach Ziff. 184 a. a. O. ein Verzeichnis. Vgl. auch den Erl. des Min. f. H. u. G. v. 18. April 1901, Z. f. B. Bd. 42 S. 254.

iy. Die Ortspolizeibehörde hat Arbeitsbücher nur für solche Arbeiter auszustellen, welche im Bezirk entweder ihren letzten dauernden Aufenthalt gehabt oder, falls ein solcher innerhalb des Staatsgebiets nicht stattgefunden hat, ihren ersten Arbeitsort ge­ wählt haben (§ 85 c). Die Ausstellung eines Arbeitsbuches darf überdies nur erfolgen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß für den Arbeiter bis dahin ein Arbeitsbuch noch nicht ausgestellt, oder daß das für ihn ausgestellte Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder nicht mehr brauchbar, oder verloren ge­ gangen, oder vernichtet ist, oder daß von dem Arbeitgeber unzulässiige Merkmale, Ein­ tragungen oder Vermerke in oder an dem Arbeitsbuche gemacht sind, oder daß von dem Arbeitgeber ohne rechtmäßigen Grund die Aushändigung des Arbeitsbuches verweigert wird (88 85 c, 85 d, 85 g). V. Wird der Antrag aus Ausstellung eines Arbeitsbuches nicht von dem gesetzlichen Vertreter gestellt, so hat die Ortspolizei­ behörde den Nachweis zu fordern, daß der gesetzliche Vertreter dem Anträge zustimmt, oder in den Fällen, wo die Erklärung des gesetzlichen Vertreters nicht beschafft werden kann, oder wo der gesetzliche Vertreter ohne genügenden Grund und zum Nachteil des Arbeiters die Zustimmung verweigert, daß die Gemeindebehörde desjenigen Ortes, wo der Arbeiter seinen letzten dauernden Aufent­ halt gehabt oder wo, in Ermangelung eines solchen innerhalb des Staatsgebiets, der Arbeiter seinen ersten Arbeitsort gewählt hat, die Zustinimung ergänzt hat (8 85 c). Daß die Erklärung des gesetzlichen Vertreters nicht zu beschaffen sei, wird in der Regel nur anzunehmen sein, wenn er körperlich oder geistig unfähig ist, eine Erklärung abzugeben, oder wenn sein Aufenthalt unbekannt oder derart ist, daß ein münd­ licher oder schriftlicher Verkehr mit ihm nicht möglich ist. Die Ergänzung der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist, wo sie gesetzlich begründet erscheint, schriftlich auszusprechen und mit Unterschrift und Siegel zu versehen. Der Nachweis der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist durch Beibringung einer mündlichen oder schriftlichen Erklärung

988

Anhang zum dritten Titel.

des gesetzlichen Vertreters, der Nachweis der Ergänzung der Zu­ stimmung des gesetzlichen Vertreters ist durch eine schriftliche Bescheinigung der vorbezeichneten Gemeindebehörde zu erbringen.

VI. Die Feststellung des Endes der Schulpflicht des Arbei­ ters, und des Jahres, Tages und Ortes seiner Geburt sowie die Ausstellung des Arbeitsbuches erfolgt nach den Bestimmungen bei A X, XI und XII der Ausführungsanweisung vom 26. Februar 18921).

Zu VI. 1) Jetzt Ziffer 187 Ausf. Anw. zur GO.

VII. 1. Wird die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuches an Stelle eines früheren bei der Ortspolizeibehörde beantragt, so hat diese festzustellen, von welcher Behörde und in welchem Jahre das letztere ausgestellt war, sowie, ob dasselbe vollständig ausgefüllt, oder unbrauchbar geworden, oder verloren gegangen, oder vernichtet ist. Das Ergebnis dieser Feststellung ist in das Arbeitsbuch Seite 2 unten und in das Verzeichnis der Arbeits­ bücher Spalte 7 einzutragen (§ 85 d Abs. 2). 2. Ist das frühere Arbeitsbuch vollständig ausgefüllt oder unbrauchbar geworden, so ist es auf der letzten Seite durch amt­ lichen Vermerk zu schließen (§ 85d Abs. 1). 3. Die Ausstellung des neuen Arbeitsbuches ist der Behörde, welche das frühere Arbeitsbuch ausgestellt hat, unter Angabe des Jahres der Ausstellung anzuzeigen und von dieser in ihrem Verzeichnisse der Arbeitsbücher unter der Rubrik „Bemerkungen" zu vermerken. Die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuches kann auch dann nicht verweigert werden, wenn das frühere Arbeitsbuch von dem Inhaber absichtlich unbrauchbar gemacht oder vernichtet ist. In diesem Falle ist aber wegen Herbeiführung der Bestrafung des Arbeiters nach § 207 e Nr. 3 des Allgemeinen Berggesetzes dem zuständigen Revierbeamten Mitteilung zu machen. Jngleichen ist wegen Herbeiführung der Bestrafung des Arbeitgebers oder seines bevollmächtigen Betriebsleiters nach §§ 207 a und 207 e Nr. 2 a. a. O. eine solche Mitteilung zu machen, sofern unzulässige Eintragungen und Vermerke in das Arbeitsbuch gemacht worden sind oder ohne rechtmäßigen Grund seine Aushändigung verweigert wird. 4. Bei der Vornahme der Eintragungen in die Arbeitsbücher durch die hierzu bevollmächtigten Betriebsleiter (§ 85 k Abs. 2) ist darauf zu achten, daß die letzteren ihre Unterschrift mit einem das Bollmachtsverhälnis ausdrückenden Zusatze zu versehen haben.

VIII. Die Ausstellung der Arbeitsbücher muß kosten- und stempelfrei erfolgen. Nur für die Ausstellung eines neuen Arbeits­ buches an Stelle eines unbrauchbar gewordenen, verloren gegangenen oder vernichteten kann eine Gebühr bis zu 50 Pf. erhoben werden (§ 85 d Abs. 2). Ist die Ausstellung eines neuen Arbeitsbuches durch Verschulden des Arbeitgebers notwendig geworden, so ist diese Gebühr von dem Arbeitgeber einzuziehen (§ 85 g).

Ausf.-Anw. v. 27. Dez. 1892.

989

IX. Die Aushändigung des Arbeitsbuches hat bei Arbeitern unter 16 Jahren an den gesetzlichen Vertreter zu erfolgen. Bei Arbeitern über 16 Jahren hat dies dann zu geschehen, wenn der gesetzliche Vertreter es ausdrücklich verlangt. Mit Genehmigung der Gemeindebehörde des im § 85c bezeichneten Ortes kann die Aushändigung auch an die zur gesetzlichen Vertretung nicht berechtigte Mutter oder einen sonstigen Angehörigen oder unmittel­ bar an den Arbeitgeber erfolgen (§ 85b). Diese Genehmigung ist insbesondere in solchen Fällen zu er­ teilen, wo die Aushändigung des Arbeitsbuches an den Vater oder Vormund wegen dessen Abwesenheit oder Erkrankung schwer zu bewirken ist oder wegen mangelnder geistiger oder sittlicher Quali­ fikation des gesetzlichen Vertreters zum Nachteil des minderjährigen Arbeiters gereichen würde. Zur Aushändigung des Arbeitsbuches an „sonstige Angehörige" des Arbeiters ist die Genehmigung nur zu erteilen, wenn der Aushändigung an die zur gesetzlichen Ver­ tretung nicht berechtigte Mutter Gründe der vorbezeichneten Art oder andere triftige Gründe entgegenstehen, und endlich an den Arbeiter selbst nur dann, wenn dies auch bezüglich der sonstigen Angehörigen desselben der Fall ist. Unter „Angehörigen" sind solche Verwandte oder Hausgenossen des minderjährigen Arbeiters zu verstehen, welche an Stelle der Eltern oder in Vertretung des Vormundes tatsächlich die Pflege und Fürsorge für denselben ausüben.

X. Ein Zeugnis über Art und Dauer der Beschäftigung sowie über Führung und Leistungen (§ 85 a) kann sowohl der minderjährige Arbeiter selbst, als sein gesetzlicher Vertreter fordern. Die Aushändigung des Arbeitszeugnisses erfolgt an den Arbeiter, auch an denjenigen, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar, falls nicht der gesetzliche Vertreter verlangt hat, daß die Aushändigung an ihn geschehe. Die Gemeindebehörde darf die Genehmigung zur unmittelbaren Aushändigung des Zeug­ nisses an den Arbeiter gegen den Willen des gesetzlichen Vertreters nur dann erteilen, wenn die Aushändigung an letzteren wegen mangelnder geistiger oder sittlicher Qualifikation des gesetzlichen Vertreters oder aus anderen Gründen zum offenbaren Nachteil des minderjährigen Arbeiters gereichen würde.

XI. Der Verpflichtung des Bergwerksbesitzers zur Ausstellung des von der Ortspolizeibehörde kosten- und stempelfrei zu be­ glaubigenden Zeugnisses über die Art und Dauer der Beschäfti­ gung großjähriger Arbeiter (§ 84 Abs. 1) ist nicht genügt, wenn dieses Zeugnis ohne dahingehenden Antrag des Arbeiters Bemer­ kungen über seine Führung und seine Leistungen enthält. In diesem Falle erfolgt die Ausstellung des verweigerten Zeugnisses über die Art und Dauer der Beschäftigung durch die Ortspolizeibehörde: auf Kosten des Verpflichteten (§ 84 Abs. 2).

990

Anhang zum dritten Titel.

Bei der nach § 84 Abs. 3 auf Antrag erfolgenden Unter­ suchung über Beschuldigungen, welche in Zeugnissen über Führung und Leistungen enthalten sind, hat die Ortspolizeibehörde regel­ mäßig den zuständigen Revierbeaniten um seine Mitwirkung zu ersuchen. Die Kosten der Untersuchung hat, wenn die Beschuldi­ gungen unbegründet befunden werden, der Bergwerksbesitzer oder dessen Stellvertreter, andernfalls der Antragsteller zu tragen.

B.

Arbeitsordnungen.

(§§ 80a und 80k des Allgemeinen Berggesetzes.)

I. Die Verpflichtung zum Erlaß einer Arbeitsordnung be­ steht für jeden den Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes unterliegenden Betrieb (§ 80 a Abs. 1). Darüber, ob die im § 80 a Abs. 5 bezeichneten Voraussetzungen für die Entbindung von dem Erlaß einer Arbeitsordnung oder von der Aufnahme einzelner der im § 80 b bezeichneten Bestimmungen vorliegen, ist, sobald dahingehende Anträge gestellt werden, die Entscheidung des Königlichen Oberbergamtes einzuholen. II. Die Arbeitsordnung sowie jeder Nachtrag zu derselben ist in zwei Ausfertigungen dem zuständigen Revierbeamten einzureichen. Letzterer hat die eine Ausfertigung dem Königlichen Oberberg­ amte vorzulegen.

III. Der Revierbeamte hat nach Eingang der Arbeitsord­ nungen und der dazu erlassenen Nachträge zu prüfen, ob diese vorschriftsmäßig erlassen sind und ob ihr Inhalt den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderläuft (§ 80 h). Diese Prüfung ist so rasch vorzunehmen, wie es ohne Beeinträchtigung ihrer Gründlich­ keit möglich ist. Da bei der großen Anzahl von Arbeitsordnungen, die innerhalb der ersten vier Wochen nach dem I. Januar 1893 eingehen werden, die sofortige Prü­ fung aller Arbeilsordnungen nicht ausführbar sein wird, so sind zunächst die jenigen zu prüfen, gegen deren Inhalt die Arbeiter nach § 80k Bedenken ge­ äußert oder später Beschwerde erhoben haben.

Bei jeder Arbeitsordnung und jedem Nachtrag ist insbesondere zu prüfen, a) ob die Vorschrift des § 80 k über die Anhörung der großjährigen Ar­ beiter oder eines ArbeitcrauSschusses, soweit diese Vorschrift Anwendung findet, beachtet ist, und sofern nur die Anhörung eines ständigen Arbeiter­ ausschusses stattgefunden hat, ob dieser den Vorschriften deS 8 80 k Abs. 2 entspricht'),

b) ob die Arbeitsordnung die im § 80 b bei Ziff. 1 bis 5 er­ forderten Bestimmungen enthält, c) ob die etwa vorgesehenen Aufkündigungsfristen für beide Teile gleich bemessen sind (§ 81 Abs. 2), d) ob die Bestimmungen für großjährige Arbeiter sich auf deren Verhalten im Betriebe beschränken (§ 80 d Abs. 3),

Ausf.-Anw. v. 27. Dez. 1892.

991

e) ob die' Strafbestimmungen das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, ob die Geldstrafen die gesetzlich zulässige Höhe nicht übersteigen, und ob Bestimmungen über die Ver­ wendung der Strafgelder, der wegen ungenügender oder vorschrifts­ widriger

Beladung

der Fördergefäße

den Arbeitern in Abzug ge­

sowie der nach § 80 Abs. 2 verwirkten Lohnbe­ träge getroffen worden sind. brachten 2),

Zu III. i) Gemäß § 80 g ist jetzt zu prüfen, ob auf den Bergwerken mit regelmäßig mindestens 100 Arbeitern (§§ 80 k., 80 k. 8.) der Arbeiterausschuß gehört, auf den anderen Bergwerken den volljährigen Arbeitern Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist. 8) Nach § 80 c Abs. II ist ein derartiger Abzug seit der Novelle vom 14. Juli 1905 unzulässig.

IV. Da die Prüfung nicht an eine bestimmte Frist gebunden ist, und der Revierbeamte zu jeder Zeit, wenn er einen Mangel in der Arbeitsordnung entdeckt, die Beseitigung desselben anordnen kann, so empfiehlt es sich namentlich in der ersten Zeit, mit Borsicht vorzugehen, und soweit nicht Beschwerden von Arbeitern vor­ liegen, zunächst nur wegen zweifelloser Lücken und Gesetzwidrig­ keiten die Ersetzung oder Abänderung anzuordnen. In dieser Anordnung kann — namentlich, wenn die Arbeitsordnung noch andere rechtlich zweifelhafte Bestimmungen enthält — ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Anordnung weiterer Abände­ rungen vorbehalten bleibe. V. Gegen die Anordnungen des Revierbeamten findet der Rekurs nach näherer Bestimmung der §§ 191 bis 193 des All­ gemeinen Berggesetzes statt. VI. Auf Arbeitsordnungen, welche vor dem 1. April 1892 erstmalig erlassen sind, finden die Vorschriften der §§ 80k und 80 g Abs. 1 über die Anhörung der Arbeiter keine Anwendung. Dies gilt für die vor dem 1. April 1892 erlassenen Arbeitsordnungen auch dann, wenn sie nach diesem Zeitpunkt, aber vor dem 1. Januar 1893, abgeändert oder vollständig revidiert und umgestaltet worden sind. Dagegen finden die §§ 80 k und 80 g Abs. 1 Anwendung auf alle nach dem 1. April 1892 erstmalig erlassenen Arbeits­ ordnungen und auf alle Nachträge, durch welche nach dem 1. Januar 1893 früher erlassene Arbeitsordnungen abgeändert werden Aus der Vorschrift des § 80a Abs. 1: „Der Erlaß erfolgt durch Aus­ hang" ist nicht zu folgern, daß ältere Arbeitsordnungen, deren Aushang nicht stattgesunden hat, nicht als erlassen gelten- sie müssen vielmehr von dem Zeitpunkt an als erlassen angesehen werden, wo sie in anderer Form, z. B. durch Behändigung, allen Arbeitern zugänglich geworden find. Dagegen müssen vom 1. Januar 1893 an nach § 80g Abs. 2 alle Arbeitsordnungen an ge­ eigneter, allen Arbeitern zugänglicher Stelle ausgehängt fein1). Zu VI. !) Ziff. VI hat keine Bedeutung mehr, nachdem auf Grund des Gesetzevom 14. Juli 1905 alle Arbeitsordnungen neu erlassen worden sind.

992

Anhang zum dritten Titel.

0. Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen über die Arbeitsbücher. (§ 189 Abs. 2 des Allgemeinen Berggesetzes.)

Da die §§ 107 bis 114 der Gewerbeordnung für die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen und Aufberettungsanstalten keine Geltung haben, so sind in der Bekanntmachung vom 15. März 1892 (Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung, Jahrgang 1892, S. 116, I, 1) für die unter Aufsicht der Bergbehörden stehenden Betriebe diejenigen Bestimmungen bet G der Ausführungsanweisung vom 26. Februar 1892 für nicht anwendbar erklärt worden, welche Anweisungen zur Ausführung der vorbezeichneten Paragraphen der Gewerbeordnung betreffen (G II Abs. 1, Abs. 2 Ziff. la, Abs. 2 Ziff. 1 letzter Satz, Abs. 2 Ziff. 2, VIII Abs. 1 Satz 2, V letzter Satz, soweit sich diese Vorschrift auf die getrennte Eintragung der Arbeiterinnen nach der Altersgrenze von 21 Jahren bezieht). AuS demselben Grunde sind für die Formulare B und J zur Ausführungsanweisung vom 26. Februar 1892 sowie für die Anlage E zu derselben (Auszug aus den Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter) Abänderungen angeordnet worden (I, 2 und 3 der Bekanntmachung vom 15. März 1892). Nachdem durch das Gesetz vom 24. Juni 1892 entsprechend den §§ 107 bis 114 der Gewerbeordnung die Verpflichtung zur Führung eines Arbeitsbuches für minderjährige Arbeiter in dem Allgemeinen Berggesetze unterliegenden Betrieben eingeführt worden ist, kommen die vorbezeichneten Einschränkungen und Änderungen des Abschnitts G der Ausführungsanweisung vom 26. Februar 1892

Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen betreffend die Arbeitsbücher (§§ 85 b bis 85h des ABG.) steht, soweit nicht die Tätigkeit bei der Ausstellung, Wiederausstellung und Aushändigung der Arbeitsbücher der Orts­ polizei- und der Gemeindebehörde ausdrücklich im Gesetze über­ tragen ist, den Revierbeamten zu, welchen in Beziehung auf die ihrer Aufsicht unterworfenen Anlagen und Betriebe insbesondere bei Überwachung der Ausführung des Allgemeinen Berggesetzes die Befugniffe und Obliegenheiten der im § 139 b der Gewerbe­ ordnung bezeichneten Aufsichtsbeamten übertragen sind (§ 189 Abs. 2). Der der Ausführungsanweisung vom 26. Februar 1892 als An­ lage E1) beigefiigte Auszug erhält für die der Aufsicht der Bergbehörden unterstellten Anlagen und Betriebe folgende Über­ schrift : „Auszug aus den Bestimmungen der Gewerbeordnung und des Allgemeinen Berggesetzes über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter." Schließlich ist Nr. III dieses Auszuges für die der Aufsicht der Bergbehörden unterstellten Anlagen und Betriebe folgender­ maßen zu fassen: „III. Minderjährige dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie mit einem durch die Polizeibehörde ihres letzten dauernden Aufenthaltsortes oder ihres ersten Arbeitsortes ausgestellten Arbeitsbuche versehen sind, welches von dem und ihrer Anlagen in Fortfall.

Gesetz, betreffend die Abänderung deS Allgemeinen Berggesetzes.

993

Arbeitgeber einzufordern, zu verwahren und auf amtliches Verlangen jederzeit vorzulegen ist (Allgemeines Berggesetz §§ 85 b und 85 c)."

Z» C. >) Jetzt Muster P der Ausf.-Anw. vom 1. Mai 1904.

in. Besetz, betreffend die Abänderung des Allgemeinen Berg­ gesetzes vorn 24. Juni ms/wi und u. Juli 1905 (Verantwort­ lichkeit im Bergwerksbetriebe, Sicberbeitsmänner usw.) Vom 28. Juli 1909 (GS. S. 677). Zu Art. I-V vgl. die §§ 73—77, 80 f—80 fs, 88, 88a—d, 89. 90 a—b, 192 a, 194a —b, 207, 207 b.

Artikel VI. Übergangsbestimmungen. 1. Die Angabe des Geschäftskreises, der den in § 76 Abs. 2 bezeichneten, bei Inkrafttreten dieses Gesetzes *) bereits vorhandenen Personen sowie den Aufsichtspersonen (§ 74) übertragen ist, hat binnen drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erfolgen. 2. Der § 75 findet auf die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängigen Fälle entsprechende Anwendung. 3. Die durch dieses Gesetz erforderlich werdenden Bestimmungen über die Sicherheitsmänner und Änderungen der Bestimmungen über die Arbeiterausschüsse müssen spätestens sechs Monate, die Wahlen der Sicherheitsmänner und Neuwahlen der Arbeiterausschüffe spätestens ein Jahr nach dem Inkrafttreten dieses Ge­ setzes erfolgt sein. 4. Die bisher bestehenden ständigen Arbeiterausschüsse treten außer Wirksamkeit, sobald die nach diesem Gesetze erforderlichen Neuwahlen der ständigen Arbeiterausschüsse erfolgt sind. Das Gesetz ist am 20. August 1909 in der Gesetzsammlung veröffent­ licht, mithin am 3. September 1909 in Kraft getreten. Zu Art. VI wurde folgende Begründung gegeben: Hier bedarf es nur der Hervorhebung, daß sich die Bestimmungen unter 4 auch auf die im § 80 f Abs. 4 Ziffer 1—3 des bisherigen § 80 k ABG. (in der Faffung des Gesetzes vom 14. Juli 1905) bezeichneten ständigen Arbeiterausschüffe (die sogenannten Surrogatetnrichtungen) bezieht, daß diese also mit der Bildung der neuen Arbeiterausschüffe in Wegfall kommen. Diese Einrichtungen erscheinen bei der durch Art. II dieses Entwurfes vorgeschlagenen völligen Umgestaltung der Arbeiterausschüffe und bet den neuen Aufgaben dieser Ausschüffe und ihrer Mitglieder nicht mehr geeignet, als ständige Arbeiterausschüffe weiter zu wirken (Begr. S. 32, Z. Bd. 50 S. 344).

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Anhang zum dritten Titel.

IV. HurMrungraniveirung zu dem Gesetz vom rr. Juli 1-0-, betreffend die Abänderung des ABG. vom 24. Juni 1865/1892 und 14. Juli 1905 (GS. S. 677), vom 13. Oktober 1909. Zur Ausführung des Gesetzes vom 28. Juli 1909, betreffend die Abänderung des ABG. vom 24. Juni 1865/1892 und 14. Juli 1905 (GS- S. 677), wird folgendes bestimmt: I. Zu Artikel I.

Zu §§ 73—75.

Aufsichtspersonen.

1. Die Anerkennung der Befähigung aller Aufsichtspersonen (§ 73) er­ folgt durch den Revierbeamten, und zwar stets für den der benannten Person zu übertragenden Geschäftskreis. Dieser kann je nach den Verhältnissen des Bergwerkes sachlich oder örtlich bestimmt werden, er muß aber bei der Nam­ haftmachung so genau angegeben werden, daß Zweifel über die Abgrenzung des Geschäftskreises der einzelnen Beamten nicht entstehen können. Welche Personen als Ausfichtspersonen anzusehen sein werden, ist nach den Umständen zu entscheiden; Personen im Arbeisverhältnisse, welche neben­ bei zur Unterstützung im Aufstchtsdienste herangezogen werden, wie Wetter­ männer, Schießmeister, sind in der Regel ebensowenig wie die Ortsältesten zu den Aufsicbtspersonen zu rechnen. 2. Der Revterbeamte hat sich zu überzeugen, ob die benannte Person in technischer, geschäftlicher und moralischer Beziehung für die ihr zu über­ tragenden Geschäfte befähigt ist. 3. Zum Nachweise der technischen und geschäftlichen Befähigung genügt es der Regel nach, wenn: a) die benannte Person die Prüfung als Bergreferendar oder die Diplomprüfung für die Fachrichtung des Bergbaues bestanden Hatdl das Zeugnis einer vom Minister für Handel und Gewerbe hierfür anerkannten Bergschule die Befähigung der benannten Person zu den ihr zu übertragenden Geschäften ausspricht *)c) wenn die benannte Person bereits auf einem gleichartigen Bergwerke für eine gleichartige Tätigkeit anerkannt worden war, ohne dieses An­ erkenntnis verloren zu haben. 4. In allen anderen Fällen ist die benannte Person zum Nachweis ihrer technischen und geschäftlichen Befähigung einer besonderen Prüfung zu unterwerfen. Eine solche besondere Prüfung kann auch in den Fällen unter 3 ver­ langt werden, wenn besondere Umstände dies erfordern, z.B. wenn einer Person, die bisher nur auf Steinkohlengruben mit gar keiner oder nur geringer Schlagwetterentwicklung beschäftigt gewesen ist, eine Stelle auf einer Stein­ kohlengrube mit starker Schlagwetterentwicklung übertragen werden soll. Auch kann, besonders in den Fällen unter 3a und b, verlangt werden, daß die benannte Person erst eine angemessene Probedienstzett zurücklegt.

*) Wer die Anerkennung der einzelnen Bergschulen zu Ausstellung derartiger Zeugnisse vgl. unten S. 1009 f..

Ausf.-Anw. v. 13. Oft. 1909.

995

5. In moralischer Beziehung ist insbesondere zu prüfen, ob die be­ nannte Person bei einer früheren Beschäftigung in einer gleichartigen Stellung oder während der Probedienstzeit sich als zuverlässig in bezug auf die Befol­ gung der gesetzlichen und bergpolizeiiichen Vorschriften, und zwar sowohl durch sie selbst, als auch durch die ihr unterstellten Personen erwiesen hat. 6. Der Revierbeamte hat sich davon zu überzeugen, daß der Umfang des der benannten Person zu übertragenden Geschäftskreises nicht zu groß ist, als daß sie die Verantwortung für die Geschäfte übernehmen kann. Der Revierbeamte hat darauf zu achten, daß die Zahl der auf einem Bergwerke vorhandenen Aufsichtspersonen dem Umfang und den besonderen Verhältnissen des Werkes, namentlich der Gefährlichkeit des Betriebs entspricht. Von dem Ausscheiden eine* Aufsichtsperson aus dem Dienste hat der Bergwerksbesitzer dem Revierbeamten unvorzüglich Anzeige zu erstatten. 7. Über die Anerkennung der Befähigung ist dem Bergwerksbesttzer ein schriftlicher Bescheid zu erteilen. Der Bergwerksbesttzer hat die Aufsichtsperson davon in Kenntnis zu setzen. Wird die Befähigung nicht oder nicht in vollem Umfang anerkannt, so ist der Bescheid dem Bergwerksbesitzer und der Auf­ sichtsperson gegen Empfangsbescheinigung auszuhändigen oder mittels Post­ zustellungsurkunde zuzustellen. In dem Bescheide sind die Gründe der Nicht­ anerkennung anzugeben. 8. Die Aberkennung der Befähigung einer Aufsichtsperson kann erfolgen, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargetan wird, auf Grund deren die Befähigung anerkannt worden ist, wenn die Aufsichtsperson gröblich oder wiederholt gegen die gesetzliche oder bergpoltzetliche Vorschriften verstößt, oder wenn sonst auö Handlungen oder Unterlassungen der Aufsichtsperson der Mangel derjenigen Eigenschaften klar erhellt, welche zur Ausübung ihres Amtes not­ wendig sind. 9. Liegt nach der Ansicht des Revierbeamten ein Grund für die Ab­ erkennung der Befähigung (Nr. 8) vor, so hat er die Aufsichtsperson und den WerkSbefltzer zu hören und die weiter erforderlichen Feststellungen zu treffen. Nach dem Abschluß der Verhandlungen hat er der Aufsichtsperson und dem Werksbesttzer einen schriftlichen Bescheid zu erteilen. Wird die Befähigung aberkannt, so sind in dem Bescheide die Gründe dafür anzugeben. Der Be­ scheid ist gegen Empfangsbescheinigung auszuhändigen oder mittels Postzu­ stellungsurkunde zuzustellen. 10. Auch wenn gegen die Aberkennung der Befähigung einer Aufsichts­ person Klage im Verwaltungsstrettverfahren erhoben wird, kann der Revier­ beamte die sofortige Entfernung der Aufsichtsperson verlangen, sofern er dies zur Vermeidung einer dringenden Gefahr für notwendig erachtet (§ 199 des ABG ). Das gleiche gilt von der Einstellung des in Betracht kommenden Betriebs. 11. Bon einer jeden rechtskräftig gewordenen Aberkennung der Befähi­ gung einer Aufsichtsperson hat der Revterbeamte unter Beifügung der Ent­ scheidung dem Oberbergamte Mitteilung zu machen.

Zu § 76 Abs. 2.

Werksbesitzer und höhere Beamte.

12. Die im § 76 Abs. 2 bezeichneten Personen bedürfen der Anerkennung ihrer Befähigung nicht. Doch ist auch bet ihrer Namhaftmachung der ihnen übertragene Geschäftskreis anzugeben. Diese Angabe ist nötigenfalls unter Hinweis auf § 207 b des Gesetzes zu verlangen.

Anhang zum dritten Titel.

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Aus der Angabe deS Geschäftskreises muß ersichtlich sein, welche Befugnisie die im § 76 Abs. 2 bezeichneten Personen haben. Es muß ersichtlich sein, in welchem Verhältnis sie zu den Aufsichtspersonen (§ 73) stehen, ins­ besondere ob durch dieses Verhältnis die Befugnis der Aufsichtspersonen, die von der Bergbehörde ungeordneten oder im Betriebspläne vorgesehenen Maß­ nahmen selbständig zu treffen, etwa eingeschränkt ist. Dabei ist zu beachten, daß, soweit daS Gesetz oder bergpolizetliche Vorschriften bestimmten Aufsichts­ personen bestimmte Pflichten übertragen, diese Pflichten stets von den Auf­ sichtspersonen zu erfüllen sind und nicht durch anderweitige Abgrenzung des Geschäftskreises anderen Personen auferlegt werden können. Schließlich dürfen keine Unklarheiten darüber bestehen, ob z. B. in Fällen, wo die Betriebsfüh­ rung unter und über Tage geteilt ist, die Beaufsichtigung des Gesamtbetriebs derartig geregelt ist, daß durch Maßnahmen deS Betrtebsführers über Tage nicht Gefahren für den unterirdischen Betrieb entstehen, oder ob, wenn zwei benachbarte, demselben Bergwerksbesttzer gehörige Gruben in gemeinsamer Wetterführung stehen, die Beaufsichtigung des Gesamtbetriebs derartig geregelt ist, daß durch Maßnahmen deS Betriebsführers der einen Grube keine Gefahr für die andere Grube entsteht. Bon dem Ausscheiden einer jeden der im § 76 Abs. 2 bezeichneten Per­ sonen aus dem Dienste hat der BergwerkSbefltzer dem Revierbeamten unver­ züglich Anzeige zu erstatten. 13. Die allgemeinen Vorschriften des Reichsstrafgesetzbuchs über die Strafbarkeit der Anstifter, Mittäter oder Gehilfen einer strafbaren Handlung werden durch § 76 Abs. 2 nicht berührt. 14. Bei jeder Ntchtinnehaltung eines Betriebsplans sowie bei jedem Verstoß gegen gesetzliche oder bergpolizeiliche Vorschriften ist fortan fest­ zustellen, welche Aufsichtsperson oder welche vorgesetzte Person kraft des übertragenen Geschäftskreises die Verantwortung für die Zuwiderhandlung zu tragen hat.

II. Zu Artikel II.

Zu § 80 f.

Sicherheitsmänner und Arbeiterausschusz im allgemeinen.

15. Sicherheitsmänner und Arbeiterausschüffe müssen auf den im § 80f bezeichneten Bergwerken oder selbständigen Betriebsanlagen vorhanden sein. Ob sie für ein ganzes Bergwerk oder für selbständige Betriebsanlagen ein­ zurichten sind, unterliegt der freien Entschließung der Werksverwaltung, jedoch hat letzterenfallS das Oberbergamt vor der Genehmigung der nach §§ 80 f p und 80 kr zu erlassenden „Bestimmungen" zu prüfen, ob eine selbständige Betriebs­ anlage anzuerkennen ist. Was als selbständige Betrtebsanlage anzusehen ist, ist nach den vom Oberbergamte bisher anerkannten Grundsätzen zu ent­ scheiden.

Zu 88 80 fb, fn, fc. Wahl der Sicherheitsmänner. 16. Die Wahl der Sicherheitsmänner erfolgt nach Stetgerabteilungen oder nach Fahrabteilungen. Im letzteren Falle ist eine besondere Genehmi­ gung deS Oberbergamts erforderlich (§ 80 f n). Das Oberbergamt hat da­ bei zu prüfen, ob nach den jeweils vorliegenden Berhältniffen praktische Ge­ sichtspunkte der Zulaffung von Fahrabteilungen entgegenstehen. Für eine jede zur Zeit der Wahl vorhandene Steiger- oder Fahrabtetlung ist ein Sicherheit^

Ausf.-Anw. v. 13. Oft. 1909.

997

mann zu wählen. Falls für das Bergwerk Fahrabteilungen gebildet sind, erfolgt die Wahl der Sicherheitsmänner einheitlich durch die unterirdisch be­ schäftigte Belegschaft (zu vgl. Ziff. 28). 17. An der Wahl nach Steigerabteilungen sind die der einzelnen Steigerabteilung angehörigen Arbeiter unter den im § 80 f b Abs. 2 be­ zeichneten Voraussetzungen aktiv wahlberechtigt. Sie haben aus ihrer Mitte den Sicherheitsmann zu wählen. Die Wahl von Stellvertretern der Sicherheitsmänner gleichzeitig bei der Hauptwahl entspricht nicht den Abfichten des Gesetzes- beim Ausscheiden eines Sicherheitsmanns ist vielmehr der 8 80 k 1 zu befolgen. Die Voraussetzungen der Wählbarkeit gibt § 80 k b Abs. 2 an. Zu diesen Voraussetzungen ist hier nur zu bemerken, daß zu den „gleichartigen Berg­ werken" (Satz 2) auch das Bergwerk, auf dem die Wahl stattfindet, gehört und daß unter den Worten: „desselben Bezirkes" (Satz 2) nicht etwa der­ selbe Oberbergamtsbezirk zu verstehen ist, sondern ein in fich geschloffener bergbaulicher Bezirk mit gleichartigen Verhältnissen (Ruhrrevier, Saarrevier, Oberschlesten, Niederschlefien u. ähnl.). Das Wort „alsbald" (Satz 6) be­ zweckt, unnötige Härten zu vermeiden, z. B. wenn ein Arbeiter nach Beendi­ gung einer militärischen Übung erst nach kurzem Aufenthalt in der Heimat

oder wenn er nach der Beendigung eines Ausstandes oder einer Aussperrung erst nach Lösung eines inzwischen eingegangenen anderen Arbeitsvertrags wieder eintreten kann. 18. Die Wahl ist unmittelbar und geheim. Bet Prüfung der nach §§ 80 fp und 80 kr zu erlassenden und zu genehmigenden „Bestimmungen" ist, soweit diese Bestimmungen sich auf die Wahlen beziehen, das Oberberg­ amt nicht darauf beschränkt, die Übereinstimmung der betreffenden Vorschriften mit den Gesetzen zu prüfen, sondern es hat auch zu prüfen, ob nach seinem freien auf der Gesamtheit der vorliegenden Umstände beruhenden Ermeffen die unmittelbare und geheime Wahl in Frage gestellt erscheint. Gegebenenfalls ist die Genehmigung zu versagen (§ 80 fr.). Außerdem ist darauf zu achten, daß in den „Bestimmungen" Vor­ schriften enthalten sind, die eine sachgemäße und rechtzeitige Bekanntgabe des Wahltermms stcherstellen. Ebenso müssen Vorschriften über die zur Leitung der Wahl berufenen Personen, über die Einzelheiten des Wahlverfahrens und über die Bekanntgabe des Wahlergebnisses getroffen sein. 19. Liegt einer der im § 80 f c bezeichneten Fälle vor, so hat das Oberbergamt vor seiner Entscheidung sowohl den Werksbesttzer als den Ar­ beiterausschuß gutachtlich zu hören.

Zu §§ 80 fd bis 80 ff. Zusammensetzung und Wahl des Arbeiterausschusses. 20. über die Zusammensetzung des Arveiterausschusses und die Wahl der ArbeiterauSschußmitglieder müssen ebenfalls durch die „Bestimmungen" (88 80fp und 80fr) die näheren Vorschriften erlassen werden. Die Zahl der gewählten Ausschußmitglieder ist so zu bemessen, daß auf je 400 Mann mindestens ein Ausschußmitglied entfällt. Htnstchtltch der Zusammensetzung muß angegeben werden, wie groß die Zahl der gewählten Ausschußmitglieder sein soll oder auf wieviel Mann der zur Zeit der Wahl vorhandenen Gesamtbelegschaft ein solches Mitglied ent­ fallen soll, ob und wie die Belegschaft über Tage berücksichtigt werden soll

998

Anhang zum dritten Titel.

und ob und in welchem Umfange der WerkSbesttzer seinerseits Mitglieder deS Arbeiterausschusses ernennen will. Für die Wahlen zum Arbeiterausschuß findet zunächst das unter Ziff. 17 Gesagte Anwendung mit der Maßgabe, daß zur Wählbarkeit der von der Belegschaft über Tage zu wählenden Ausschußmitglieder eine zweijährige Beschäftigung auf gleichartigen Bergwerken unterTage (§80fb Abs. 2 Satz 2) nicht erforderlich ist, sondern eine zweijährige Beschäftigung auf gleichartigen Bergwerken über Tage genügt. Die im Abs. 2 des § 80 k e für zulässig er­ klärte Verhältniswahl kann für die Wahlen der Belegschaft über Tage nur in dem Falle vorgeschrieben werden, wenn es sich um mehrere von der Belegschaft über Tage zu wählende ArbeiterauSschußmttglieder handelt. Soweit die Verhältniswahl vorgeschrieben wird, müssen in den „Be­ stimmungen" nähere Vorschriften erlassen werden, und zwar sowohl für die Wahlen durch die Sicherheitsmänner als auch für diejenigen durch die Belegschaft über Tage- beim Borltegen der im § 80 f e Abs. 1 Satz 3 bezeichneten Voraussetzung müssen derartige Vorschriften auch für die durch die wahlberechtigten Arbeiter vorzunehmende Zuwahl getroffen werden. Hinsichtlich der Regelung der Verhältniswahl wird auf die Anlage des Erlasses vom 12. April 1902 (MBl. der Handels- und Gewerbeverwaltung Jahrg. 1902, S. 165 ff.) und auf die Anlage II des Erlaßes vom 20. Sept. 1904 (ebenda, Jahrg. 1904, S. 417 ff.) verwiesen.

3u §§ 80fg unb 80fh. Tätigkeit der Sicherheitsmänner. 21. Die Sicherheitsmänner find nach der Absicht des Gesetzes ebenso wie der Arbeiterausschuß der Hauptsache nach eine Einrichtung des be­ treffenden Bergwerkes. Indessen ist eine Einschränkung der gesetzlichen Be­ fugnisse nicht zulässig. Da es zur sachgemäßen Durchführung des Gesetzes notwendig ist, daß die Sicherheitsmänner über ihre Rechte und Pflichten genau unterrichtet sind, so empfiehlt es sich, daß einem jeden von ihnen sogleich nach der Wahl durch die Werksverwaltung ein Abdruck der in der Anlage A wieder­ gegebenen, einen Teil dieser Ausführungsanweisung bildenden „Unterweisung über die Rechte und Pflichten der Sicherheitsmänner" eingehändigt wird. Die Revierbeamten haben die Pflicht, auf die Werksbesttzer im Sinne dieser Be­ stimmung einzuwirken und dafür Sorge zu tragen, daß etwaige Erweiterungen der Befugnisse der Sicherheitsmänner (§ 80 f p) oder sonstige, vom Werks­ besttzer für sie getroffene ergänzende Bestimmungen der Unterweisung als be­ sonderer Anhang beigefügt werden. 22. Die Werksverwaltung hat für jeden SicherheitSmann ein Fahr­ buch anzulegen und es so einzurichten, wie in der Anlage B vorgeschrieben ist. Jedes Fahrbuch ist mit fortlaufenden Seitenzahlen zu versehen- die Anzahl der Seiten ist vom Revierbeamten zu bescheinigen. Es ist, soweit nicht der Revierbeamte mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse ein anderes bestimmt, beim Zechenbuch aufzubewahren. Nach beendigter Benutzung ist das Fahrbuch noch zwei Jahre lang von der Werksverwaltung aufzuvewahren. Diejenigen Personen, welche berechtigt sind, das Fahrbuch einzusehen, haben die Einsichtnahme unter Angabe deS Tages im Fahrbuch zu vermerken.

23. Die Tätigkeit deS Oberbergamts hinsichtlich der Sicherheitsmänner erstreckt sich insbesondere auf die Prüfung und Genehmigung der nach § 80f p

Ausf.-Anw. v. 13. Okt. 1909.

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zu erlassenden „Bestimmungen" und die Wahrnehmung der ihm im § 80 f q übertragenen Befugnisse.

24. Der Revierbeamte hat fich einerseits über die Wirksamkeit der neuen Einrichtung fortdauernd zu unterrichten und, wenn ihm bekannt wird, daß zwischen den Sicherheitsmännern und den Aufstchtsbeamten oder der Werks­ verwaltung Meinungsverschiedenheiten über die Rechte und Pflichten der Sicherheitsmänncr oder sonstige Schwierigkeiten entstanden sind, belehrend und vermittelnd einzugreifen- andererseits ist bei er der Ausführung der im § 80 f g Abs. 4—9 und § 80 f o Abs. 4 gegebenen Borschriften unmittelbar beteiligt. Im allgemeinen hat also der Revierbeamte sich fortlaufend davon zu überzeugen, ob die Sicherheitsmänner mit der oben unter Ziff. 21 bezeichneten „Unterweisung über die Rechte und Pflichten der Sicherheitsmänner" ver­ sehen sind und daß sie in der Steigerabteilung, in der sie gewählt sind be­ schäftigt werden. Er hat sich ferner fortlaufend davon zu unterrichten, in welchem Umfange die Sicherheitsmänner von dem Rechte der zweimaligen regelmäßigen Befahrung (§ 80 fg Abs. 1) Gebrauch machen, ob die Arbeiter­ ausschüsse die Vornahme von Befahrungen für notwendig erklärt haben (§ 80 f g Abs. 3 u. 4) und ob den betreffenden Beschlüssen genügt worden ist. Er hat sich schließlich regelmäßig davon zu überzeugen, daß für jeden einzelnen Sicherheitsmann das vorschriftsmäßige Fahrbuch (vgl. Ziff. 22) vorhanden ist und daß das Fahrbuch von der Werksverwaltung sorgfältig aufbewahrt und den zur Einsichtnahme Berechtigten auch vorgelegt wird. 25. Im besonderen hat der Revierbeamte bei Ausübung der ihm gesetz­ lich übertragenen Tätigkeit folgendes zn beachten: a) Nimmt der Sicherheitsmann an einer Unfalluntersuchung teil (§ 80 f g Abs. 2), so darf er durch Vermittlung des Revierbeamten Fragen über die Ursache und den Hergang des Unfalls an die Zeugen richten. Fragen, die nicht zur Sache gehören, kann der Revierbeamte zurückwetsen. Der Sicher­ heitsmann darf ferner seine Ansicht über die Ursache des Unfalls und die in Betracht kommenden Sicherheitsverhältnisse zu Protokoll erklären. b) Wird im Falle des § 80 f g Abs. 4 gegen eine von der Mehrheit des Arbeiterausschusses oder der Mehrheit der an der Sitzung des Arbeiter­ ausschusses teilnehmenden Sicherheitsmänner (§ 80 f k) beschlossene außer­ ordentliche Befahrung vom Werksbesitzer Einspruch erhoben, so hat der Revierbeamte zu prüfen, ob der Beschluß aus „besonderen, auf bestimmte Tatsachen oder Wahrnehmungen gestützten Gründen" gefaßt ist. Bejahenden­ falls har er unter Zuziehung des Sicherheitsmanns (zu vgl. unter f) eine Befahrung der betreffenden Abteilung vorzunehmen oder durch sein Hilfs­ personal vornehmen zu lassen und die im Interesse des Lebens und der Ge­ sundheit der Arbeiter etwa erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als Hilfs­ personal des Revterbeamten gelten der Berginspektor, der Bergassessor, der Bergreferendar, falls dieser vom Oberbergamte die Befugnis zur selb­ ständigen Wahrnehmung dieser Geschäfte des Revierbeamten erhalten hat, sowie der Einfahrer.

c) Der Revterbeamte hat sich bei seiner Anwesenheit auf dem Berg­ werke durch Einsicht der Fahrbücher (§ 80 fg Abs. 6) darüber zu unterrichten, ob und welche Eintragungen von den Sicherheitsmännern vorgenommen und in welcher Weise sie von dem Betriebsführer erledigt sind. Auch ist er be­ fugt, sein Hilfspersonal (zu vgl. unter b) mit dieser Einsichtnahme zu beauf-

1000

Anhang zum dritten Titel.

tragen. Erscheint die Erledigung nicht genügend zur Beseitigung der gemeldeten Gefahren, so hat der Revierbeamte das Erforderliche zu veranlassen.

d) Insbesondere hat der Revierbeamte bei denjenigen Eintragungen, in denen die Besorgnis einer dringenden Gefahr ausgesprochen wird (§ 80 fg Abs. 7) und die ihm von dem Betriebsführer unverzüglich mttzuteilen sind, zu prüfen, ob die zur Beseitigung der Gefahr getroffenen Anordnungen genügend sind,- eintretendenfalls hat er unter Zuziehung des Stcherheitsmanns (zu vgl. unter f) eine Befahrung vorzunehmen und auf Grund des Ergebnisses dieser Befahrung die erforderlichen Maßregeln zu treffen. Der Revierbeamte hat darauf hinzuwirken, daß die Betriebsführer, falls sie besondere Anordnungen nicht getroffen haben, die Gründe hierfür bei der Mitteilung angeben. e) Das gleiche gilt von den im § 80f g Abs. 8 bezeichneten Meldungen einer dringenden Gefahr, die ebenfalls unverzüglich zur Kenntnis des Re­ vierbeamten gebracht werden müssen. f) Der Revierbeamte hat zu seinen Befahrungen in den unter b, d und e bezeichneten Fällen den Sicherheitsmann zuzuztehen und sich von ihm über die Sicherheitsverhältnisse der Abteilung Auskunft erteilen zu fassen. Auch in anderen geeigneten Fällen kann der Revierbeamte den Sicherheits­ mann zu Befahrungen zuziehen. Darüber, ob etwa auch das Hilfspersonal des Revierbeamten (zu vgl. unter b) einen Sicherheitsmann zu den Befahrungen zuziehen soll, hat der Revierbeamte selbst in jedem einzelnen Falle Anweisung zu erteilen. Der Revierbeamte hat darauf zu achten, daß der Sicherheitsmann seinen gesetzlichen Verpflichtungen (§ 80 f g Abs. 3,4,5, 8, 9 und 10) nachkommt; gegebenenfalls hat er dem Oberbergamte zu berichten. g) Zu Anweisungen an die Sicherheitsmänner ist er nicht befugt.

Zu §§ 80 fi bis 80 fm.

Arbeiterausschuß.

26. Der schon früher für die größeren Bergwerke vorgeschrtebene Arbeiterausschuß hat durch § 80 f i eine Erweiterung seiner Aufgaben erfahren. Er hat fortan die Befugnis, Anträge, Wünsche und Beschwerden der Beleg­ schaft, die sich auf die Wohlfahrtseinrichtungen des Bergwerkes beziehen, zur Kenntnis des Bergwerksbesttzers zu bringen und sich darüber zu äußern. Er hat ferner die Befugnis, die int § 80 fg Abs. 3 und 4 und § 80 fm bezeichneten Entscheidungen zu treffen. Alle Beschlüsse und Entscheidungen des Arbeiter­ ausschusses, müssen in ordnungsmäßig anberaumten Sitzungen des Arbeiteraus­ schusses, im Falle des § 80 fk unter Zuziehung auch der dem Arbeiterausschuffe nicht angehörenden Sicherheitsmänner erfolgen. Die Entscheidungen selbst erfolgen:

a) bet der Beschlußfassung über die Notwendigkeit der regelmäßigen Be­ fahrungen (§ 80 f g Abs. 3) durch die Mehrheit der in der Sitzung an­ wesenden Personen (gewählte und etwa ernannte Mitglieder sowie Sicherhettsmänner)-

b) bei der Beschlußfassung über die Vornahme außerordentlicher Befah­ rungen (§ 80 f g Abs. 4) entweder durch die Mehrheit des Arbeiterausschuffes oder aber die Mehrheit der an der Sitzung teilnehmenden Sicherheitsmänner (sowohl derjenigen, die dem Ausschuß angehören, als derjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist)-

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c) bet der Beschlußfassung über den Wegfall der Befahrungen (§ 80 f m Satz 1) durch die Mehrheit des Arbeiterausschusses unter Zustimmung der Mehrheit der anwesenden Sicherheitsmänner. Über die auf die Sicherheit der Grube bezüglichen, insbesondere die vorstehend unter a bis c bezeichnen Verhandlungen und Entscheidungen des Arbeiterausschusses sind Protokolle aufzunehmen, aus denen die Tagesordnung und die gefaßten Beschlüsse zu ersehen sein müsien. Inwieweit im übrigen Protokolle aufzunehmen sind und in welcher Form dies zu geschehen hat, ist in den „Bestimmungen" anzugeben. 27. Die im § 80 k I Abs. 1 bezeichnete Neuwahl und die im § 80 f 1 Abs. 2 bezeichnete Ersatzwahl finden in derselben Weise statt wie die ursprüng­ liche Wahl des ausgeschiedenen Sicherheilsmanns oder Arbeiterausschußmitglieds.

Zu § 80fn.

Fahrabteilungen.

28. Die Wahl der Sicherheitsmänner nach Fahrabteilungen bedarf der besonderen Genehmigung des Oberbergamts. Hierüber vgl. oben unter Ziffer 16. Wird die Genehmigung erteilt, so müssen in den „Bestimmungen" die der veränderten Sachlage entsprechenden Vorschriften enthalten sein, ins­ besondere muß darin bestimmt werden, daß die Sicherheitsmänner nach näherer Vorschrift § 80 kn Abs. 1, d. h. von den unterirdisch beschäftigten Arbeitern deS Bergwerks oder der selbständigen Betriebsanlage in unmittelbarer und geheimer Wahl zu wählen, daß sie auf die verschiedenen Fahrabteilungen zu verteilen und in ihnen zu beschäftigen find und daß sie selbst nach Vorschrift der §§ 80 f e und 80 f f die gewählten Mitglieder des Arbeiterausschusses zu wählen oder zu bilden haben. Die Verhältniswahl ist zulässig- wegen ihrer Regelung zu vgl. Ziff. 20 Abs. 5.

Zu § 80 so.

Ausscheiden eines Sicherheitsmanns.

29. Der § 80 f o Abs. 4 verpflichtet den Revierbeamten, beim Aus­ scheiden eines Sicherhettsmanns auf Antrag eines Beteiligten die Gründe deS Ausscheidens zu untersuchen und seine Vermittelung eintreten zu lasten. Hierzu ist der Revierbeamte auf Antrag eines Beteiligten auch dann verpflichtet, wenn der.Sicherheitsmann selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt oder die Arbeit niedergelegt hat. In einem solchen Falle sind die Gründe, welche den SicherheitSmann zur Kündigung veranlaßt haben, festzustellen.

1002

Anhang zum dritten Titel.

Anlage A der Ausführungsanweilung vom 13. Oktober 1909.

iVa. Unterweisung Ober die Rechte und Pflichten der Sicherheitsmänner. I Allgemeine Stellung der Sicherheitsmänner. § 1. 1. Der Sicherheitsmann wird von seiner Steigerabteilung oder, wenn eine Wähl nach Fahrabteilungen stattfindet, von der ganzen unterirdischen Belegschaft des Bergwerkes oder der selb­ ständigen Betriebsanlage gewählt- er muß während seiner Amts­ dauer in seiner Steigerabteilung oder seiner Fahrabteilung be­ schäftigt werden. 2. Er bleibt während seiner Amtszeit Mitglied der Beleg­ schaft- die Arbeitsordnung des Bergwerks ist, soweit nicht im Gesetz (wie z. B. bei der Kündigung) etwas Besonderes bestimmt ist, auch für ihn maßgebend.

II. Rechte und Pflichten des Sicherheitsmanns. A. Regelmäßige Befahrungen. § 2. 1. Der Sicherheitsmann hat die Befugnis, seine Abteilung zweimal in jedem Monate zu befahren und sie in bezug auf die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter zu untersuchen. 2. Der Sicherheitsmann ist verpflichtet, diese Befahrungen vorzunehmen, wenn der Arbeiterausschuß dies für notwendig erklärt. 3. Die Befahrungen fallen weg, wenn der Arbeiterausschuß unter Zustimmung der Mehrheit der anwesenden Sicherheits­ männer und mit Genehmigung des Oberbergamts den Wegfall beschlossen hat. 4. Bezüglich der Befahrungen (zu 1 und 2) ist folgendes zu bemerken: a) Will der Sicherheitsmann eine Befahrung seiner Abtei­ lung vornehmen, so hat er den Tag und die Schicht der Befah­ rung zu bestimmen. Diese ist jedoch so zu legen, daß Betriebs­ störungen möglichst vermieden werden. Der Tag und die Schicht der Befahrung sind dem Betriebs­ führer oder dessen Stellvertreter so rechtzeitig mitzuteilen, daß dieser in der Lage ist, einen Beamten zur Begleitung zu bestimmen.

Unterweisung über die Rechte und Pflichten der Sicherheitsmänner.

1003

b) Die Befahrungen erfolgen in Begleitung eines Aufsichts­ beamten des Bergwerkes. c) Bei den Befahrungen soll der Sicherheitsmann tunlichst die sämtlichen Baue seiner Abteilung, d. h. alle zu ihr gehörigen Arbeitspunkte, Fahr-, Förder- und Wetterstrecken und Schächte, besichtigen. Er soll diese Baue darauf untersuchen, ob sie in bezug auf die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter zu irgendwelchen Bedenken Anlaß geben. Er hat daher insbesondere sein Augenmerk darauf zu richten, ob die Baue ausreichend gegen Zubruchegehen gesichert, ob an einem Arbeits­ punkt oder an andern Stellen, soweit diese zugänglich sind, sich Schlagwetter oder andere schädliche Gase befinden, ob, falls für Grubenbaue die Berieselung vorgeschrieben ist, diese in genügendem Maße erfolgt und ob dort, wo die Arbeiter zur Fahrung Fahrten benutzen, diese in sicherem Zustande sind. Er hat das Recht, von den Arbeitern seiner Abteilung Aus­ kunft über die Sicherheitsverhältnisse und die Ausführung der bergpolizeilichen Vorschriften zu verlangen. Dem begleitenden Aufsichtsbeamten liegt es ob, auch seinerseits dem Sicherheitsmanne die zur richtigen Beurteilung der Sicherheitsverhältnisse nötigen Aus­ künfte über die Sicherheitseinrichtungen und die Ausführung der bergpolizeilichen Vorschriften zu erteilen. Glaubt der Sicherheits­ mann, daß in irgend einer Beziehung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Arbeiter bestehe, so hat er nach beendeter Fahrt seine Bedenken richtig und vollständig in das Fahrbuch ein­ zutragen. d) Zu irgendwelchen Anordnungen ist der Sicherheitsmann nicht befugt. Ebensowenig ist er befugt, bei seinen Befahrungen Auskunft über Dinge zu verlangen, die, wie Lohnfragen, mit der Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter nicht Zu­ sammenhängen. Besprechungen mit den Arbeitern über Fragen die mit den Sicherheitsverhältnissen nichts zu tun haben, hat er zu unterlassen. B) Außerordentliche Befahrungen.

§ 3. 1. Außer den unter A bezeichneten regelmäßigen Befahrungen kennt das Gesetz außerordentliche Befahrungen. Diese ist der Sicherheitsmann vorzunehmen berechtigt und verpflichtet, wenn in einer Sitzung des Arbeiterausschusses die Mehrheit des Arbeiter­ ausschusses oder der in der Sitzung anwesenden Sicherheitsmänner sie aus besonderen, auf bestimmte Tatsachen oder Wahrnehmungen gestützten, der Werksverwaltlung mitzuteilenden Gründen für not­ wendig erachtet. Wird z. B. in einer Sitzung des Arbeiterausschusses mitgeteilt, daß nach zuverlässigen Meldungen von Arbeitern an einem bestimmten Punkte der Grube gefährliche Schlagwetter­ ansammlungen ausgetreten seien, oder daß eine Brandgefahr be-

1004

Anhang zum dritten Titel.

stehe, ein Wasserdurchbruch oder der Zusammenbruch einer zur Förderung, Fahrung oder Wetterführung dienenden Strecke zu befürchten sei, und erachtet die Mehrheit des Arbeiterausschusses oder der Sicherheitsmänner auf Grund dieser bestimmten Tat­ sachen die außerordentliche Befahrung der betreffenden Baue für notwendig, so ist der betreffende Sicherheitsmann, sofern nicht die Werksverwaltung Einspruch erhebt, berechtigt und verpflichtet, eine außerordentliche Befahrung vorzunehmen, auch wenn schon zweimal in dem betreffenden Monat eine regelmäßige Befahrung statt­ gefunden hat. 2. Wird von der Werksverwaltung Einspruch erhoben, wozu sie berechtigt ist, so liegt die weitere Entscheidung dem Bergrevier­ beamten ob. Diesem muß die Werksverwaltung von der Sachlage unverzüglich Mitteilung machen, worauf er zu entscheiden hat, ob er seinerseits unter Zuziehung des Sicherheitsmanns eine Befah­ rung vornehmen will. 3. Auf die außerordentlichen Befahrungen findet das oben im § 2 Abs. 4 Gesagte entsprechende Anwendung.

C. Teilnahme an Uns all unters uchungen. § 4. Ereignet sich in der Abteilung des Sicherheitsmanns ein Unfall, der den Tod oder die schwere Verletzung einer oder mehrerer Personen herbeigeführt hat, so ist der Sicherheitsmann befugt, an der Untersuchung dieses Unfalls durch den Revierbeamten teilzu­ nehmen, und zwar kann er sich sowohl an der Besichtigung der Unfallstelle, als auch an den Untersuchungsverhandlungen beteiligen- für die Teilnahme an den Untersuchungsverhand­ lungen kann er indessen eine Entschädigung nicht verlangen (zu vgl. § 9). Er darf durch den Revierbeamten Fragen an die Zeugen des Unfalls über dessen Veranlaffung und Hergang richten und seine Ansicht über die Ursache des Unfalls und die in Be­ tracht kommenden Sicherheitsverhältnisse zu Protokoll erklären. Fragen, die nicht zur Sache gehören, kann der Revierbeamte zurückweisen. D. Eintragungen in das Fahrbuch.

§ 5. 1. Die Beobachtungen und Erfahrungen, die der Sicherheits­ mann bei seinen Befahrungen gemacht hat, sollen im Interesse der Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter nutz­ bar gemacht werden. Zu diesem Zwecke sind die Fahrbücher be­ stimmt, und zwar hat die Werksverwaltung für jeden Sicherheits­ mann ein besonderes Fahrbuch nach einem vorgeschriebenen Muster einzurichten, bereitzuhalten und aufzubewahren. 2. In dieses Fahrbuch hat der Sicherheitsmann sogleich nach jeder Befahrung unter Berücksichtigung der einzelnen Spalten des

Unterweisung über die Rechte und Pflichten der SicherheitSmänner.

1005

Fahrbuchs das Ergebnis der Befahrung mit Tinte einzutragen, und zwar auch dann, wenn er alles in Ordnung befunden und keine besonderen Beobachtungen gemacht hat. Während er im letzteren Falle sich auf eine kurze Bemerkung (z. B. „Alles in in Ordnung") beschränken kann, hat er bei besonderen Wahrneh­ mungen tunlichst genau anzugeben, welche Gefahr er an dem be­ stimmt zu bezeichnenden Orte bemerkt hat oder bemerkt zu haben glaubt. Er hat die Eintragung mit seinem Namen zu unterschreiben. 3. Glaubt der Sicherheitsmann, daß eine dringende Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Arbeiter an irgendeinem Punkte seiner Abteilung bestehe, so hat er dies in der dafür be­ stimmten Spalte des Fahrbuchs ausdrücklich hervorzuheben. In einem solchen Falle wird die Eintragung durch den Betriebsführer unverzüglich zur Kenntnis des Bergrevierbeamten gebracht unter gleichzeitiger Mitteilung der zur Beseitigung der Gefahr getroffenen Anordnungen. 4. Alle Eintragungen müssen genau der Wahrheit ent­ sprechen. 5. Sämtliche Eintragungen des Sicherheitsmanns werden sogleich von dem Betriebsführer eingesehen. Dieser kann ebenso tote der begleitende Beamte seine Bemerkungen zu diesen Ein­ tragungen an der dazu bestimmten Stelle des Fahrbuchs machen. Diese ®emerfuti(jen gelangen spätestens bei der nächsten Eintra­ gung zur Kenntnis des Sicherheitsmanns. Auch der Bergrevierbeamte und sein Hilfspersonal sowie der Arbeiterausschuß haben die Befugnis, die Fahrbücher jederzeit einzusehen.

E. Befahrungen mit dem Bergrevierbeamten. § 6. Der Sicherheitsmann ist verpflichtet, bei Befahrungen seiner Abteilung durch den Bergrevierbeamten oder deffen Hilfspersonal diese aus Erfordern zu begleiten und ihnen jede Auskunft über die Sicherheitsverhältnisse der Abteilung zu geben. F. Befahrungen auf Verlangen der Werksverwaltung. § 7. Auch auf Verlangen der Werksverwaltung (Betriebsführer) ist der Sicherheitsmann verpflichtet, eine Befahrung seiner Abtei­ lung vorzunehmen.

G. Allgemeine Meldepflicht.

§ 8. Da der Sicherheitsmann Vertrauensmann der Arbeiter seiner Abteilung ist und selbst regelmäßig in seiner Abteilung be-

1006

Anhang zum dritten Titel.

schäftigt bleibt, so ist anzunehmen, daß er auch abgesehen von seinen Befahrungen Kenntnis von solchen Zuständen und Vor­ gängen innerhalb seiner Abteilung erhalten wird, die geeignet erscheinen, das Leben oder die Gesundheit der Arbeiter zu gefährden. Es wäre mit dem allgemeinen Zwecke der Sicherheitsmänner nicht verträglich, wenn der Sicherheitsmann seine so erhaltene Kenntnis für sich behalten und nicht im Interesse seiner Arbeits­ kameraden verioerten wollte. Das Gesetz verpflichtet deshalb den Sicherheitsmann, die zu seiner Kenntnis gelangenden Zustände und Vorgänge, welche geeignet sind, das Leben oder die Gesund­ heit der Arbeiter zu gefährden, und zwar auch dann, wenn sie auf einer Zuwiderhandlung eines Beamten und Arbeiters gegen bergpolizeiliche Vorschriften beruhen, unverzüglich einem seiner Vor­ gesetzten zu melden. Auch hier hat er, wenn er die Gefahr für dringend erachtet, dies besonders hervorzuheben. Es empfiehlt sich, für alle diese Meldungen die schriftliche Form zu wählen. III. Entschädigung des Sicherheitsmanns.

8 9. 1. Für alle Befahrungen, die der Sicherheitsmann in Aus­ übung seiner gesetzlichen Befugnisse vornimmt (vgl. §§ 2, 3, 4, 6 und 7), hat er eine Entschädigung in Höhe des ihm entgangenen Arbeitsverdienstes zu beanspruchen. 2. Regelmäßig ist die hiernach zu berechnende Entschädigung von der Werksverwaltung zu zahlen. Nur bei den außerordent­ lichen Befahrungen (§ 3) fallen die Kosten den unterirdisch be­ schäftigen Arbeitern zur Last. Doch hat auch in diesem Falle die Werksverwaltung auf Antrag des Arbeiterausschusses die Pflicht, die Entschädigungsbcträge vorschußweise zu zahlen, wogegen sie berechtigt ist, die vorschußweise gezahlten Beträge den unterirdisch beschäftigten Arbeitern bei der Lohnzahlung in Abzug zu bringen. 3. Für die Teilnahme an den Unfallverhandlungen (§ 4) kann, abgesehen von der Befahrung der Unfallstelle in Begleitung der Untersuchungsbehörde, eine Entschädigung nicht verlangt werden. IV. Der Sicherheitsmann im Arbeiterausschuß.

§ 10.

1. Da die von den Arbeitern zu wählenden Arbeiterausschußnntglieder zum größten Teile, nämlich soweit die Belegschaft unter Tage in Betracht kommt, von den Sicherheitsmännern aus ihrer Mitte gewählt werden, gehört ein Teil der Sicherheitsmänner kraft dieser Wahl dem Ärbeiterausschuß als Mitglied an. Aber auch die übrigen Sicherheitsmänner stehen in engen Beziehungen zu dem Arbeiterausschusse, da sie an den die Sicherheit der Grube betreffenden Verhandlungen und Entscheidungen des Arbeiterausschuffes teilnehmen. Dies gilt insbesondere von den oben im

Unterweisung über die Rechte und Pflichten der Sicherheitsmänner.

1007

§ 2 Abs. 2 und § 3 bezeichneten Entscheidungen des Arbeiteraus­ schusses, durch welche der Sicherheitsmann zur Vornahme der regelmäßigen Befahrungen oder zur Vornahme von außerordent­ lichen Befahrungen verpflichtet wird. In diesen Sitzungen des Arbeiterausschusses ist den Sicherheitsmännern die Möglichkeit gegeben, ihre Erfahrungen hinsichtlich der SicherheitsverHältnifse des Bergwerkes zu verwerten. 2. Über die Aufgaben des Arbeiterausschusses gibt der § 80 f i des Gesetzes nähere Vorschriften. Bei den Anträgen, Wünschen und Beschwerden der Belegschaft (§ 80 fi Abs. 2) handelt es sich um Anträge der Belegschaft im ganzen oder ganzer Klassen der Beleg­ schaft, nicht der einzelnen Belegschaftsmitglieder oder einzelner Kameradschaften, und immer nur um solche Angelegenheiten, die sich nur auf das Bergwerk, für das der Arbeiterausschuß besteht, beziehen.

V. Erlöschen des Amtes des Sicherheitsmanns. § 11. 1. Das Amt eines Sicherheitsmanns und ebenso dasjenige eines Arbeiterausschußmitglieds erlischt, sobald er aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder eine andere Voraussetzung seiner Wählbarkeit verliert. Das Nähere ergibt sich aus § 80 f o des Gesetzes. 2. Wird dem Sicherheitsmann das Arbeitsverhältnis gekündigt oder wird er entlassen oder verläßt oder kündigt er selbst die Arbeit, so kann er bei dem Bergrevierbeamten die Vornahme einer Untersuchung über die Gründe des Ausscheidens sowie dessen Vermittlung beantragen. Außerdem steht es ihni frei, die Ent­ scheidung des zuständigen Gerichts darüber anzurufen, ob die Kündigung oder Entlassung als zulässig anzusehen ist.

VI. Enthebung eines Sicherheitsmanns von seinem Amte. § 12. 1. Das Oberbergamt ist befugt, einen Sicherheitsmann seines Amtes zu entheben. Dies ist zulässig, wenn der Sicherheits­ mann seinen oben in § 2, Abs. 2, § 3 Abs. 1, §5 Abs. 2 und 4, §§ 6, 7 und 8 bezeichneten Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Die Entscheidung des Oberbergamts erfolgt in einem durch das Gesetz näher geregelten Verfahren. 2. Das Nähere ergibt sich aus § 80 fq des Gesetzes.

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Anhang zum dritten Titel.

Anlage B.

Bergwerk Schachtanlage

Steiger- (Fahr-) Abteilung Nr.. .

Fahrbu ch

des Sicherheitsmannes

Das Fahrbuch ist mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen, es enthält Seiten.

, den

19

Der Königliche Revierbeamte.

5

6

7

8

9

10

Art der Befahrung: a) regelmäßig, b) außer­ ordentlich, c) auf Ver­ langen des Revier­ beamten oder d) des Werks­ besitzers

Ergebnis der Befahrung in bezug auf die Sicherheit des Lebens und der Ge­ sundheit der Arbeiter

^Bemerkungen des Betriebsführers

4

Bemerkungen deS begleitenden Beamten

3

Liegt eine d rin g e n d e Gefahr vor und w orin besteht sie?

2

11

über die Einsichtnahme a) durch den Arbeitsausschuß b) durch den Revierbeamten

V e rm e rk

Angabe,

B e g in n s ,

d) E n d e s der Befahrung

Schrcht der Befahrung

Stunde des a)

Lfd. N r. |

Tag

der Befahrung

|

1

ob die sämtlichen Baue der Abteilung befahren worden sind, verneinendenfalls Angabe der befahrenen Baue

Alle Eintragungen in dieses Fahrbuch sind mit Tinte zu machen. bewirken und von ihm zu unterschreiben. Die Eintragungen in Spalte 2—8 sind von dem SicherhettSmanne zu

Bestimmungen des Ministers für Handel u. Gewerbe betr. Bergschulen.

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IV b. Bestimmungen des Ministers für Bandel und Bewerte, betreffend die Anerkennung der Bergschulen zur Ausstellung von Zeugnissen über die technische und geschäftliche Befähigung der Aufsichtspersonen, vom 26. Oktober 1910. (§§ 73 ff. des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juli 1909, GS. S. 677, Z. 52 S. 14.)

Zur Ausführung der Ziffer I 3b der Ausführungsanweisung vom 13. Oktober 1909 zu dem Gesetze vom 28. Juli 1909, be­ treffend die Abänderung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865/1892 und 14. Juli 1905, bestimme ich hierdurch, was folgt: I. Die nachstehend aufgeführten Bergschulen werden nach Maßgabe der Festsetzungen unter II und III und für die daselbst angegebenen Geltungs­ gebiete als berechtigt anerkannt, Zeugnisse über die technische und geschäftliche Befähigung von Aufstchtspersonen (§ 73 Allgemeinen Berggesetzes) mit der Wirkung auszustellen, daß diese Zeugnisse vorbehaltlich der Bestimmungen in Ziffer I 4 der Ausführungsanwetsung vom 13. Oktober 1909 als genügender Nachweis für die in ihnen bekundete Befähigung gelten. Diese Wirkung haben die Zeugnisse unter II und III indessen nur dann, wenn sie auf Grund einer Prüfung ausgestellt sind und im Gesamtergebnis, die Zeugniffe unter II außer­ dem in folgenden Fächern: Bergbaukunde, bergpolizeiliche und gewerbepolizetliche Vorschriften, Unfallverhütung, einschließlich der ersten Hilfe bei Unfällen und ein­ schließlich des Rettungsdienstes mindestens das Prädikat „Genügend" enthalten. II. Die einzelnen Bergschulen sind zur Ausstellung folgender Zeugnisse für folgende Geltungsgebiete befugt: 1. die Oberschlestsche Bergschule zu Tarnowitz: Zeugnisse für die unteren Werksbeamten, insbesondere die Gruben- und TageSsteiger, und zwar: für die im Regierungsbezirke Oppeln belegenen Bergwerke, mit Ausschluß derjenigen Bergwerke und Bergwerksabtetlungen, auf denen eine Schlag­ wetterentwicklung stattfindet2. die Unterklafle der Niederschleflschen Bergschule zu Waldenburg: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen Werksbeamten, ins­ besondere der Gruben- und Tagessteiger, und zwar: für die in den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz gelegenen Gruben, mit Ausschluß der Braunkohlengruben, sowie für den gesamten preußischen Steinkohlenbergbau, mit Ausnahme desjenigen auf den mächtigen Flözen Oberschlefiens3. die Eislebener Bergschule zu Eisleben, und zwar: a) die Oberklaffe: Zeugnisse für die Betriebsführer- und Obersteiger­ stellen, b) die Unterklasse: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen Werksbeamten, insbesondere der Gruben- und Tagesstetger, und zwar (zu a und b):

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Anhang zum dritten Titel.

für die im Bezirke des Overbergamts zu Halle a. S. belegenen Berg­ werke sowie für den gesamten Erz-, Braunkohlen-, Stein- und Kalisalz­ bergbau Preußens 4. die Klausthaler Bergschule zu Klausthal, und zwar: a) die Oberklasse: Zeugnisse für die Betriebsführer- und Obersteiger­ stellen, b) die Unterklasse: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen Werksbeamten, insbesondere der Gruben- und Tagessteiger, mb zwar (zu a und b): für den gesamten Erz-, Braunkohlen- und Stein- und Kalisalzbergbau Preußens sowie für die Steinkohlenbergwerke am Deister, am Osterwald bei Obernkirchen und bei Ibbenbüren5. Die Bergschule zu Bochum, und zwar: a) die Oberklasse: Zeugnisse für die Betriebsführer- und Obersteiger­ stellen, b) die Unterklasse: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen Werksbeamten, insbesondere der Gruben- und Tagessteiger, and zwar (zu a und b): für die im Bezirke des Oberbergamts Dortmund belegenen Bergwerke sowie für den gesamten Steinkohlenbergbau Preußens, mit Ausnahme desjenigen auf den nichtigen Flözen Oberschlestens6. die Bergschule zu Essen: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen Werksbeamten, ins­ besondere der Grubenhund Tagessteiger, und zwar: für die im^Bezirke des Oberbergamts Dortmund belegenen Bergwerke sowie für den gesamten Steinkohlenbergbau Preußens, mit Ausnahme desjenigen auf den mächtigen Flözen Oberschlesiens: 7. die Bergschule zu Saarbrücken, und zwar: a) die Oberklasse: Zeugnisse für die Betriebsführer- und Obersteiger­ stellen, b) die Unterklasse: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen Werksbeamten, insbesondere der Gruben- und Tagessteiger, und zwar (zu a und b): für die im Saarbezirke belegenen Bergwerke sowie für den gesamten Steinkohlenbergbau Preußens, mit Ausnahme desjenigen auf den mächtigen Flözen OberschleflenS-

8. die Bergschule zu Siegen: Zeugnisse für die Betriebsführer- und Obersteigerstellcn, sowie für die Stellm der unteren technischen Werksbeamten, insbesondere der Gruben- und Tagessteiger, und zwar: für die im rechtsrheinischen Teile des Oberbergamtsbezirks Bonn belkgenen Bergwerke sowie für den gesamten Erz-, Braunkohlen- und Dachschieferbergbau Preußens 9. Die Bergschule zu Dillenburg: Zeugnisse für die Betriebsführer- und Obersteigerstellen im Erz-, Braun­ kohlen- und Dachschieferbergbau des Oberbergamtsbezirks Bonn sowie für die Stellm der unteren technischen Werksbeamten, insbesondere der Gruben- und Tagersteiger im gesamten Erz- und Dachschieferbergbau Preußens sowie im Bramkohlenbergbau deS OberbergamtSbezirks Bonn (Bek. deS Min. f. H. u. G. v. 4. Dez. 1911, Z. Bd. 53 S. 159).

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für den rechtsrheinischen Teil deS OverbergamtSbezirkS Bonn10. die Bergschule zu Wetzlar: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen Werksbeamten, ins­ besondere der Gruben- und Tagessteiger, und zwar: für die Bergwerke im Lahn- und Dillbezirk11. die Bergschule zu Aachen, und zwar: a) die Oberklasse: Zeugnisse für Betriebsführer- und Oversteigerstellen, b) die Unterklasse: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen WerkSbeamten, insbesondere der Gruben- und Tagessteiger, und zwar für den linksrheinischen Teil des OverbergamtSbezirkS Bonn sowie für den gesamten Steinkohlenbergbau Preußens, mit Ausnahme desjenigen auf den mächtigen Flözen Oberschlestens. 12. Die Bergschule zu Hamborn: Zeugnisse für die Stellen der unteren technischen Werksbeamten, ins­ besondere der Gruben- und Tagessteiger, und zwar für die im Bezirke des Oberbergamts Dortmund belegenen Bergwerke sowie für den gesamten Stein­ kohlenbergbau Preußens, mit Ausnahme desjenigen auf den mächtigen Flözen Oberschlestens (Bek. des Min. f. H. u. G. v. 15. Febr. 1913, Z. Bd. 54 S. 192). III. Die Zeugnisse derjenigen Bergschulen, welche Maschinenwerkmeister und Maschinensteiger ausbilden, gelten für den gesamten Bergbau Preußens als Nachweis der durch ste bezeichneten Befähigung. IV. Die unter I bezeichnete Wirkung haben nur die nach dem 1. März 1911 ausgestellten Zeugnisse. Wegen der vor diesem Zeitpunkt aus­ gestellten Zeugnisse bewendet es bei den allgemeinen Vorschriften. Jedoch bleibt es den Bergrevierbeamten überlassen, bet den Besitzern dieser älteren Zeug­ nisse innerhalb der unter II und III gezogenenen Grenzen im Etnzelfalle Don der Vornahme der in Ziff. 4 Abs. 1 der AusfühungSanweisung vom 13. Oktober 1909 bezeichneten Prüfung Abstand zu nehmen.

V.

Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom ri. Juni isw

in der Fassung der Bek. v. 26. Juli 1900 (RGBl. S. 871) und der Novellen v. 28. Dez. 1908 (RGBl. S. 667) und v. 27. Dez. 1911 (RGBl. 1912 S. 139). (Auszug.)

§ 6. ... Auf das Bergwesen . . . findet das gegenwärtige Gesetz nur insoweit Anwendung, als dasselbe ausdrückliche Bestim­ mungen darüber enthält. § 16. Zur Errichtung von Anlagen, welche durch die ört­ liche Lage oder die Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publi­ kum überhaupt erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, ist die Genehmigung der nach den Landes­ gesetzen zuständigen Behörde erforderlich.

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Anhang zum dritten Titel.

Es gehören dahin:

. . . Gasbereitungs- und Gasbewahrungsanstalten, An­ stalten zur Destillation von Erdöl, Anlagen zur Bereitung von Braunkohlenteer, Steinkohlenteer und Koks, sofern sie außerhalb der Gewinnungsorte des Materials errichtet werden... Anlagen zur Gewinnung roher Metalle, Röstöfen, . . . Hammerwerke, chemische Fabriken aller Art. . . Stauanlagen für Wasser­ triebwerke, Kalifabriken ... die Anlagen zur Destillation oder zur Verarbeitung von Teer und von Teerwasser. 1. über das Erfordernis der gewerbepolizetlichen Genehmigung bei Aufbereitungsanstalten und ähnlichen Betrtebsanlagen vgl. die Anmerkungen zu § 58 ABG. 2. Wegen der Genehmigungspflicht der Triebwerke auf Bergwerken usw. vgl. die Anmerkungen zu § 59. Über die Zulässigkeit von Wassertriebwerken auf Bergwerken usw. be­ schließt nach § 110 Abs. 2 des Zust.-Ges. in der Fassung des § 386 Wafferges. der Bezirksausschuß im Einvernehmen mit dem zuständigen Oberbergamte.

§§ 17 bis 23 behandeln das Verfahren bei der Genehmigung der in § 16 genannten Anlagen.

88 24, 25 s. Anhang zu 8 59 ABG. S. 196 ff.

§ 26. Soweit die bestehenden Rechte zur Abwehr benach­ teiligender Einwirkungen, welche von einem Grundstück aus auf ein benachbartes Grundstück geübt werden, dem Eigentümer oder Besitzer des letzteren eine Privatklage gewähren, kann diese Klage einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage gegenüber niemals auf Einstellung des Gewerbebetriebs, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benach­ teiligende Einwirkung ausschließen, oder, wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes un­ vereinbar sind, auf Schadloshaltung gerichtet werden. Über einen Anwendungsfall des § 26 vgl. oben S. 585/6.

§ 105 b (Abs. 1). Im Betriebe von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen und Gruben, von Hüttenwerken, Fabriken und Werkstätten, von Zimmerplätzen und anderen Bau­ höfen, von Werften und Ziegeleien sowie bei Bauten aller Art dürfen Arbeiter an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden. Die den Arbeitern zu gewährende Ruhe hat mindestens für jeden Sonn- und Festtag vierundzwanzig, für zwei aufeinander folgende Sonn- und Festtage sechsunddreißig, für das Weihnachts-, Oster­ und Pfingstfest achtundvierzig Stunden zu dauern. Die Ruhezeit ist von 12 Uhr nachts zu rechnen und muß bei zwei aufeinander folgenden Sonn- und Festtagen bis 6 Uhr abends des zweiten Tages dauern. In Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nacht­ schicht kann die Ruhezeit frühestens um 6 Uhr abends des vor­ hergehenden Werktags, spätestens um 6 Uhr morgens des Sonn-

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oder Festtags beginnen, wenn für die auf den Beginn der Ruhe­ zeit folgenden vierundzwanzig Stunden der Betrieb ruht. Die Absätze 2 und 3 kommen für Bergwerke usw. nicht in Betracht, da fie sich nur auf das Handelsgewerbe, bzw. Konsum- und andere Vereine beziehen. 1. Stehe Ausf.-Anw. z. GO. Ziff. 143-180. 2. Durch die Worte „Im Betriebe von Bergwerken . . . soll nach der Begründung zu der Novelle zur GO. vom 1. Juni 1891 (S. 28) jeder Zweifel darüber ausgeschlossen werden, „daß das Verbot der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- und Festtagen nicht nur räumlich für den Ort, in welchem sich der betreffende Gewerbebetrieb regelmäßig abzuwickeln Pflegt, sondern für jede zu dem Gewerbebetrieb gehörige Tätigkeit gelten soll." 2. Betriebe „mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht" int Sinne des § 105 b sind solche Betriebe, welche ohne Unterbrechung umgehen, gleichgültig ob in zwei zwölfstündtgen oder drei achtstündigen Schichten gearbeitet wird, bzw. ob die einzelnen Schichten gleich stark belegt sind, Rek -Besch, v. 19. Okt. 1901, Z. Bd. 43 S. 114, vgl. a. Thtelmann Anm. 3 zu § 105b. 3. Als Ruhen des Betriebes im Sinne des letzten Satzes gilt nur die objektive Betriebsruhe. Die Ein- und Ausfahrt sowie das Verlesen der Belegschaft darf nicht in die Zeit dieser Betrtebsruhe fallen, vgl. ob. Rek.-Besch. 4. Verstöße gegen § 105 b werden auf Grund des § 146 a GO. bestraft.

§ 105 c. wendung :

Die Bestimmungen des § 105 b finden keine An­

1. auf Arbeiten, welche in Notfällen oder im öffentlichen Interesse unverzüglich vorgenommen werden müssen/ 2. für einen Sonntag auf Arbeiten zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur/ 3. auf die Bewachung der Betriebsanlagen, auf Arbeiten zur Reinigung und Instandhaltung, durch welche der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebs bedingt ist, sowie auf Arbeiten, von welchen die Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebs abhängig ist, sofern nicht diese Arbeiten an Werktagen vorgenommen werden können/ 4. auf Arbeiten, welche zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeitserzeugniffen er­ forderlich sind, sofern nicht diese Arbeiten an Werktagen vorgenommen werden können/ 5. auf die Beaufsichtigung des Betriebs, soweit er nach Ziffer 1 bis 4 an Sonn- und Festtagen stattfindet.

Gewerbetreibende, welche Arbeiter an Sonn- und Festtagen mit Arbeiten der unter Ziffer 1 bis 5 erwähnten Art beschäftigen, sind verpflichtet, ein Verzeichnis anzulegen, in welches für jeden einzelnen Sonn- und Festtag die Zahl der beschäftigten Arbeiter, die Dauer ihrer Beschäftigung sowie die Art der vorgenommenen Arbeiten einzutragen sind. Das Verzeichnis ist auf Erfordern der Ortspolizeibehörde sowie dem im § 139 b bezeichneten Beamten jederzeit zur Einsicht vorzulegen.

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Anhang zum dritten Titel.

Bei den unter Ziffer 3 und 4 bezeichneten Arbeiten, sofern dieselben länger als drei Stunden dauern, oder die Arbeiter am Besuche des Gottesdienstes hindern, sind die Gewerbetreibenden verpflichtet, jeden Arbeiter entweder an jedem dritten Sonntage volle sechsunddreißig Stunden, oder an jedem zweiten Sonntage mindestens in der Zeit von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends von der Arbeit frei zu laffen.

Ausnahmen von den Vorschriften des vorstehenden Absatzes darf die untere Verwaltungsbehörde gestatten, wenn die Arbeiter am Besuche des sonntäglichen Gottesdienstes nicht gehindert werden und ihnen an Stelle des Sonntags eine vierundzwanzigstündige Ruhezeit an einem Wochentage gewährt wird. 1. Siehe Ziff. 149—154 der Ausf.-Anw. 2. Die Ausnahmen in § 105 c treten unmittelbar kraft Gesetzes ein, zur Ausführung der dort genannten Arbeiten bedarf es daher keiner beson­ deren Erlaubnis, sondern lediglich der Beobachtung der in Abs. 2 und 3 ge­ gebenen Vorschriften, sofern nicht von der letzteren gemäß Abs. 4 eine Aus­ nahme gestattet ist. 3. Zu Ziff. 1: „Notfälle" sind unvorhergesehene Ereignisse, auf welche der davon Betroffene nicht rechnen kann, und die ein unverzügliches Ein­ greifen erforderlich machen, z. B. Naturereignisse, Explosionen, Wassereinbrüche u. dgl., vgl. a. Ausf.-Anw. Ziff. 149. Unter „öffentlichem Interesse" ist nicht nur das Interesse des Staates oder der Gemeinde, sondern auch dasjenige des Publikums zu verstehen, AuSf.-Anw. Ziff. 149. 4. Zu Ziff. 3: Eine Arbeit, von welcher die Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebes abhängig ist, kann nach der Begr. S. 29 z. B. das Anfeuern der Öfen sein. 5. „Das im Abs. 2 vorgesehene Verzeichnis wird eine wirksame Kon­ trolle dafür bieten, daß die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonnund Festtagen sich auf diejenigen Arbeiten beschränkt, welche nach der Absicht des Gesetzes allein ohne weiteres gestattet bleiben sollen", Begr. S. 29. In das Verzeichnis sind die Namen der Arbeiter einzutragen, v. Robrschetdt Anm. 11 zu § 105c, vgl. a. Thielmann Anm. 3 dort. Verstöße gegen Abs. 2 werden auf Grund des § 149 Abs. 1 Nr. 7 bestraft. 6. Ortspolizeibehörde, der im § 139 b bezeichnete Beamte im Sinne des Abs. 2, sowie untere Verwaltungsbehörde im Sinne des Abs. 3 ist für die der bergpoltzeilichen Aufsicht unterstellten Betriebe der Revierbeamte, vgl. Ausf.-Anw. Ziff. 6 und § 189 ABG. Anm. 4. 7. Zuwiderhandlungen gegen Abs. 3 unterliegen der Bestrafung gemäß § 146 a.

§ 105 d. Für bestimmte Gewerbe, insbesondere für Betriebe, in denen Arbeiten vorkommen, welche ihrer Natur nach eine Unter­ brechung oder einen Aufschub nicht gestatten, sowie für Betriebe, welche ihrer Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt sind, oder welche in gewissen Zeiten des Jahres zu einer außergewöhnlich verstärkten Tätigkeit genötigt sind, können durch Beschluß

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des Bundesrats Ausnahmen von der Bestimmung des § 105 b Abs. 1 zugelassen werden. Die Regelung der an Sonn- und Festtagen in diesen Be­ trieben gestatteten Arbeiten und der Bedingungen, unter welchen sie gestattet sind, erfolgt für alle Betriebe derselben Art gleichmäßig und unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 105 c Abs. 3. Die vom Bundesrate getroffenen Bestimmungen sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnisnahme vorzulegen. 1. Stehe AuSf.-Anw. Ziff. 155—157, sowie die Bek. des Reichskanzlers v. 5. Febr. 1895, betr. Ausnahmen von dem Verbote der Sonntagsarbett im Ge­ werbebetriebe (RGBl. S. 12 nebst Erläuterungen dazu, Z. Bd. 36 S. 204,294 ff.). 2. Rach der Begr. S. 29/30 gelten als Betriebe im Sinne des Abs. 1 hauptsächlich die Betriebe mit ununterbrochenem Feuer, die Kampagne- und Saisontndustrien. Bei dem Bergbau werden regelmäßig nur Betriebe der ersten Art in Frage kommen, s. a. Thtelmann Anm. 2 zu 8 105d. 3. „Wie in den Fällen der Ziff. 1—3 des § 105 c, so wird den Arbeitern auch bei den durch den BundeSrat zugelassenen Ausnahmen ein Mindestmaß sonn- und festtäglicher Ruhe zu sichern sein. Dabei soll die Vorschrift deS § 105 c Abs. 3 berücksichtigt werden, jedoch ohne daß der Bundesrat an das daselbst bezeichnete Maß unbedingt gebunden wäre", Begr. S. 30. 4. Zuwiderhandlungen gegen § 105 c werden auf Grund des § 146 a bestraft.

§ 105 e. Für Gewerbe, deren vollständige oder teilweise Ausübung an Sonn- und Festtagen zur Befriedigung täglicher öder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist, sowie für Betriebe, welche ausschließlich oder vorwiegend mit durch Wind oder unregelmäßige Wasserkraft bewegten Triebwerken arbeiten, können durch Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde Ausnahmen von den im § 105 b getroffenen Bestimmungen zugelafsen werden. Die Regelung dieser Ausnahmen hat unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 105 c Abs. 3 zu erfolgen. Der Bundesrat trifft über die Voraussetzungen und Bedin­ gungen der Zulassung von Ausnahmen nähere Bestimmungen/ dieselben sind dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntnisnahme mitznteilen. Das Verfahren auf Anträge wegen Zulassung von Aus­ nahmen für Betriebe, welche ausschließlich oder vorwiegend mit durch Wind oder unregelmäßige Wasserkraft bewegten Triebwerken arbeiten, unterliegt den Vorschriften der §§ 20 und 21. 1. Stehe Ausf.-Anw. Ziff. 158-178 und Bek. des Reichskanzlers vom 3. April 1901, betr. Ausnahmen von den Bestimmungen über die Sonntags­ ruhe gemäß § 105 e Abs. 1 GO. (RGBl. S. 117). 2. § 105 e kommt für den Bergbau kaum in Betracht. 3. Höhere Verwaltungsbehörde im Sinne des Abs. 1 Satz 1 ist für den Bergbau das Oberbergamt, s. § 155 Abs. 2. 4. Verstöße gegen § 105 e sind in § 146 a unter Strafe gestellt.

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Anhang zum dritten Titel.

§ 105 f. Wenn zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens ein nicht vorherzusehendes Bedürfnis der Beschäftigung von Arbeitern an Sonn- und Festtagen eintritt, so können durch die untere Verwaltungsbehörde Ausnahmen von der Bestimmung des § 105 b Abs. 1 für bestimmte Zeit zugelassen werden. Die Verfügung der unteren Verwaltungsbehörde ist schrift­ lich zu erlassen und muß von dem Unternehmer auf Erfordern dem für die Revision zuständigen Beamten an der Betriebsstelle zur Einsicht vorgelegt werden. Eine Abschrift der Verfügung ist innerhalb der Betriebsstätte an einer den Arbeitern leicht zugäng­ lichen Stelle auszuhängen. Die untere Verwaltungsbehörde hat über die von ihr gestat­ teten Ausnahmen ein Verzeichnis zu führen, in welchem die Betriebsstätte, die gestatteten Arbeiten, die Zahl der in dem Betriebe beschäftigten und der an den betreffenden Sonn- und Festtagen tätig gewesenen Arbeiter, die Dauer ihrer Beschäftigung, sowie die Dauer und die Gründe der Erlaubnis einzutragen sind. 1. Siehe Ausf.-Anw. Biff. 179, 180. 2. Für den Bergbau ist „untere Verwaltungsbehörde" im Sinne des § 105 f der Revierbeamte (Ausf.-Anw. Ziff. 6). 3. Der Zeitraum, für welchen die Behörde im Einzelfalle die Aus­ nahme gestatten kann, ist in § 105 f nicht begrenzt) es erschien dies auch nicht erforderlich, da das von der unteren Verwaltungsbehörde gemäß Abs. 3 zu führende Verzeichnis den vorgesetzten Behörden eine wirksame Aussicht und das Einschreiten gegen eine laxe Handhabung des § 105 f ermöglicht, Begr. S. 31.

§ 105h. Die Bestimmungen der §§ 105a bis 105g stehen weitergehenden landesgesetzlichen Beschränkungen der Arbeit an Sonn- und Festtagen nicht entgegen. Den Landeszentralbehörden bleibt Vorbehalten, für einzelne Festtage, welche nicht auf einen Sonntag fallen, Abweichungen von der Vorschrift des § 105 b Absatz 1 zu gestatten. Auf das Weihnachts-, Neujahrs-, Oster-, H'inmelfahrts- und Pfingstfest findet diese Bestimmung keine Anwendung. Die Vorschriften der GO. über die Beschäftigung gewerblicher Arbeiter an Sonn- und Festtagen beruhen auf „wirtschaftlichen und sozialpolitischen" Gesichtspunkten. Da nun auch andere Gesichtspunkte, namentlich solche „religiöser und kirchlicher" Art für die Regelung der Sonntagsarbett von Bedeutung sein können, sind dahingehende Vorschriften der Landesgesetzgebung Vorbehalten worden, Begr. S. 32, vgl. a. Ausf.-Anw. Ziff. 146.

§ 114a. (Abs. 1.) Für bestimmte Gewerbe kann der Bundes­ rat Lohnbücher oder Arbeitszettel vorschreiben und die zur Ausführung erforderlichen Bestimmungen erlassen. (Abs.'4.) Für die Eintragungen gelten entsprechend § 111 Abs. 3, 4, § 113 Abs. 3. § 114 b. Das Lohnbuch oder der Arbeitszettel ist von dem Arbeitgeber auf seine Kosten zu beschaffen und dem Arbeiter sofort

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nach Vollziehung der vorgeschriebenen Eintragungen kostenfrei aus­ zuhändigen. Die Eintragungen sind von dem Arbeitgeber oder einem dazu bevollmächtigten Betriebsbeamten zu unterzeichnen. Der Bundesrat kann bestimmen, daß die Lohnbücher in der Betriebsstätte verbleiben, wenn die Arbeitgeber glaubhaft machen, daß die Wahrung von Fabrikationsgeheimnissen diese Maßnahme erheischt. Den beteiligten Arbeitern ist Gelegenheit zu geben, sich vor Erlaß dieser Bestimmung zu äußern. Sofern nicht der Bundesrat anders bestimmt, sind die Ein­ tragungen gemäß § 114a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 vor oder bei der Übergabe der Arbeit, die gemäß § 114a Abs. 1 Nr. 4 bei der Abnahme der Arbeit, die gemäß § 114a Abs. 1 Nr. 5, 6 bei der Lohnzahlung mit Tinte zu bewirken und zu unterzeichnen. In den Lohnbüchern sind die §§ 115 bis 119 a Abs. 1, § 119 b abzudrucken. § 114 c. Soweit der Bundesrat Bestimmungen auf Grund des § 114a Abs. 1, 2 nicht erläßt, kann die Landeszentralbehörde oder nach Anhören beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter die zuständige Polizeibehörde durch Polizeiverordnung sie erlassen. Für diesen Fall kann die Landeszentralbehörde oder die zuständige Polizeibehörde auch Bestimmungen auf Grund des § 114b Abs. 2 erlassen. Die zuständige Polizeibehörde ist für bergbauliche Betriebe das Oberberganlt, Ausf.-Anw. Ztff. 6.

§ 114 d. Bundesrat und Landeszentralbehörde können die Bestimmungen auf Grund der §§ 114 a bis 114 c auch für einzelne Bezirke erlassen. § 114e. entsprechend.

Für die Bestimmungen des Bundesrats gilt § 120g

§ 115. Die Gewerbetreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer Arbeiter in Reichswährung zu berechnen und bar aus­ zuzahlen. Sie dürfen den Arbeitern keine Waren kreditieren. Doch ist es gestattet, den Arbeitern Lebensmittel für den Betrag der Anschaffungskosten, Wohnung und Landnutzung gegen die orts­ üblichen Miet- und Pachtpreise, Feuerung, Beleuchtung, regel­ mäßige Beköstigung, Arzneien und ärztliche Hilfe sowie Werkzeuge und Stoffe zu den ihnen übertragenen Arbeiten für den Betrag der durchschnittlichen Selbstkosten unter Anrechnung bei der Lohn­ zahlung zu verabfolgen. Zu einem höheren Preise ist die Ver­ abfolgung von Werkzeugen und Stoffen für Akkordarbeiten zulässig, wenn derselbe den ortsüblichen nicht übersteigt und im voraus vereinbart ist. Die Schutzmaßregeln des ABG. und der GO. gegen daS sog. Truck­ system (vom engl. truck, tauschen) entstammen einer gemeinsamen Quelle, der preußischen Verordnung, belr. die Errichtung von Gewerberäten usw. vom

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Anhang zum dritten Titel.

9. Februar 1849, GS. S. 93. Sie bezwecken die Sicherung der Arbeiter gegen Beeinträchtigungen bet der Lohnzahlung und wurden durch arge Miß­ bräuche veranlaßt, welche bei den früheren Einrichtungen zum Nachteil der Fabrikarbeiter eingerffsen waren. Nachdem die Überwachung der Auslohnungen der Bergleute durch die Bergbehörde beseitigt war, bedurfte auch der Bergbau solcher schützenden Vorrichtungen. Dieselben wurden auS den §§ 50—55 jener Berordng. in die §§ 10—15 des Ges. v. 21. Mai 1860 übernommen, und letz­ tere fanden sodann wieder-unverändert ihren Platz in den §§ 86—91 ABG., während der § 92 die Vorschrift des § 19 das. wiederholte. Die GO. behandelt diesen Gegenstand in den §§ 115—119a und der dazu gehörigen Strafbestimmung deS § 146 Nr. 1. Nach § 154 Abs. 3 GO. finden diese Bestimmungen „auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben" entsprechende Anwendung. Gemäß Art. 2 der Retchsverfafiung hatten somit schon seit dem Inkrafttreten der genannten Vorschriften der GO. des §§ 86—91 und § 92 ABG., soweit er fich auf den § 91 bezog, ihre Anwend­ barkeit verloren (vgl. a. Urt. des RG. v. 9. Jan. 1882, Entsch. in Straff. Bd. 5 S. 425). Diese Bestimmungen sind dann auch durch die Novelle vom 24. Juni 1892 beseitigt und durch anderweitige Vorschriften ersetzt worden, vgl. Begr. 92 S. 44. 1. Die Verpflichtung aus § 115 ruht wie früher nach § 86 ABG. auf dem „Bergwerksbesitzer" bzw. dem gesetzlichen Vertreter desselben (Repräsen­ tant, Grubenvorstand usw.) und auf denjenigen Personen, welche zu denselben in dem im § 119 bezeichneten Verhältnisse stehen. Über die Verantwortlichkeit des „geschäftsführenden Mitgliedes eines Gruben Vorstandes" vgl. Urt. des RG. v. 9. Jan. u. 30. März 1812, Entsch. in Strass. Bd. 5 S. 428, Bd. 6 S. 126, sowie § 119 Anm. Für die Zuwiderhandlungen gegen die Verbote in § 115 durch die den Gewerbetreibenden gleichzuachtende Personen (§ 119) ist auch der Gewerbe­ treibende selbst verantwortlich- die §§ 115 und 119 legen den Gewerbe­ treibenden und deren Beauftragten gleichmäßige Verpflichtung auf. Daß der Gewerbetreibende sich um den Betrieb, insbesondere um die Auslohnungs­ verhältnisse nicht kümmert, ist unerheblich, vgl. ob. Urt. des RG.

Der einzelne Gewerke kann wegen eines Verstoßes gegen die §§ 115 ff. nicht haftbar gemacht werden. Zur Bestrafung genügt fahrlässige Übertretung der Vorschriften, Urt.

des RG. v. 11. Juni 1891, Entsch. in Straff. Bd. 22 S. 43. 2. Die Lohnzahlung hat nicht bloß wie früher in barem Gelde, son­ dern auch nur „in Reichswährung" (Münzges. v. 9. Juli 1873 (RG. Bl. S. 233), Ges. v. 6. Jan. 1876 (RG. Bl. S. 6) stattzufinden. Die Arbeiter sind hierdurch i. B.m. den §§ 116 und 117 gegen die mißbräuchliche Aufnötigung schlechter Zahlungsmittel geschützt. Fremde Münzen, Wechsel, Coupons, Marken, Bons u. dgl. dürfen nicht mehr in Zahlung gegeben werden. Zuwiderhandlungen find nach § 146 Nr. 1 strafbar, Urt. des OTr. v.. 12. Mat 1870 u. 2. Juni 1871, JMBl. S. 204, Urt. des RG. v. 19. April 1880, 22. Sept. u. 23. Nov. 1882, 27. März 1888, Entsch. in Strass. Bd. 1 S. 385, Bd. 7 S. 37, 247, v. 8. Jan. 1883, Rechtspr. des RG. Bd. 5 S. 18, v. 17. Nov. 1896, Z. Bd. 38 S. 484, vgl. aber auch Entsch. des RG. v. 28. Sept. 1896, Z. Bd. 38 S. 481. Ob die Zahlung in Reichskassenscheinen durch § 115 ausgeschlossen ist, ist bestritten. Die Zulässtgkeit wird angenommen in einem Besch. deS Min.

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f. H. u. G. v. 1. März 1913 (HMLl. S. 121) und Schlüter-Hense Anm. 1 zu § 115 (S. 635), ste wird verneint von den Kommentaren zur GO. von v. Landmann, Anm. 2, v. Rohrscheidt Anm. 6, Neukamp Anm. 2 zu § 115, vgl. a. Thielmann Anm. 3 zu § 115 GO. 3. Der Bergwerksbefltzer darf Forderungen, welche ein Dritter als Zessionar oder sonstiger Gläubiger an den Arbeiter hat, im Einverständnisse der Arbeiter bet der Lohnzahlung in Abzug bringen und deren Beträge un­ mittelbar an den Gläubiger abführen, Urt des OTr. v. 7. Jan. 1875, Z. Bd. 16 S. 379, Urt. des RG. v. 12. Nov. 1882, Entsch. in Strass. Bd. 7 S. 197, v. 7. Jan. 1886, Z. Bd. 28 S. 89. Dagegen verstößt es gegen das Verbot des § 115, wenn von dem vor­ her zur Auszahlung bereitgehaltenen und hinterlegten ganzen Lohne die von den Bergleuten freiwillig bezeichneten Beträge zurückbehalten und diese als Abschlagszahlungen derselben auf ihre Warenschulden an das Geschäft, bei welchem der Bergwerksbesitzer beteiligt ist, abgeführt werden. Durch die freie Einwilligung der Arbeiter wird hier die Strafbarkeit des Gewerbetreibenden aus § 115 nicht ausgeschlossen, Urt. des RG. v. 9. Jan. 1882, Entsch. in Strass. Bd. 5 S. 425. Andererseits liegt Lohnzahlung in bar vor, wenn der Arbeiter sofort nach Empfangnahme des ihm als Lohn zustehenden Geldes für dieses Geld oder einen Teil desselben Waren aus dem Laden des Arbeitgebers entnommen hat, auch wenn dies nach bestehendem Geschäftsgebrauche geschehen ist. Die Strafbestimmung findet daher auf diesen Fall keine Anwendung, Urt. des RG. v. 18. Dez. 1885, Entsch. in Strass. Bd. 13 S. 182. 4. Lohnvorschüsse, Lohneinbehaltungen und Lohnabzüge sind zulässig. Es ist somit insbesondere statthaft, Abzüge zu Kauttonszwecken oder für Wohlfahrtseinrichtungen zu machen (arg. e § 119 Abs. 1 u. § 117).

Dagegen ist die Aufrechnung nach näherer Maßgabe des § 394 ABG. unzulässig. DaS gleiche muß auch für die Ausübung des Zurückbehaltungs­ rechts (§ 273 BGB.) gelten, vgl. über die Streitfrage v. Rohrscheidt Anm. 10 zu § 115. 5. Über den Begriff des „Kreditierens von Waren" in Abs. 2 vgl. Urt. des RG. v. 11. Febr. 1887 u. 20. Okt. 1891, Entsch. in Strass. Bd. 15 S. 284, Bd. 22 S. 177. 6. Als „Lebensmittel" sind im Sinne des Abs. 2 in Übereinstimmung mit dem gewöhnlichen Sprachgebrauche zu betrachten „die Erfordernisse zur Erhaltung und Ernährung des menschlichen Körpers, insbesondere also Waren, welche zum Lebensunterhalte des Menschen an Speise und Trank dienen". Mithin sind Tabak, Zigarren, Seife, Steinöl nicht als Lebensmittel im Sinne im Sinne jener Vorschrift zu erachten, Urt. des RG. v. 26. April 1887, Entsch. in Straff. Bd. 15 S. 437. Branntwein kann unter besonderen Umständen, z. B. bei besonders schweren oder langwierigen Arbeiten als Lebensmittel angesehen werden,- Voraussetzung ist jedoch, daß seine Gewährung nicht im Übermaß erfolgt, Urt. des RG. v. 10. Jan. 1889, Entsch. in Strass. Bd.20 S. 217.

7. Zu den „Anschaffun gs kosten" gehören die Transport käst en, sowie der beim Lagern entstehende Schwund, Urt. des RG. v. 19. Nov. 1888 u. 23. Sept. 1897, Entsch. in Strass. Bd. 18 S 224, Bd. 30 S. 253. „Der Begriff der „Selbstkosten" deckt sich nicht mit dem Begriffe der Anschaffungskosten, sondern enthält auch die Kosten der Lagerung, Ver­ sicherung und sonstigen Unterhaltung, sowie die ausgelaufenen Zinsen der

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Anschaffungskosten, Begr. S. 35, vgl. a. Urt. des RG. v. 27. Jan. 1895, Entsch. in Strass. Bd. 27 S. 321.

8. Durch die — einer extensiven Auslegung nicht unterliegende — Ausnahmevorschrift des § 115 Abs. 2 wegen der Zulässigkeit der Verabfolgung von Lebensmitteln werden nur solche Fälle getroffen, in welchen der Arbeit­ geber die verabfolgten Lebensmittel für seine Rechnung angeschafft und den Arbeitern unmittelbar gegen Erstattung seiner Auslagen geliefert hat,- dagegen fällt die Verabfolgung von Lebensmitteln durch einen dritten Lieferanten nicht unter diese Ausnahmevorschrift, Urt. des RG. v. 22. Sept. 1882, Entsch. in Straff. Bd. 7 S. 37. 9. Zuwiderhandlungen gegen § 115 werden auf Grund des § 146 Nr. 1 bestraft. Die Entscheidung der Frage, ob, wenn eine mehrmalige Übertretung der Vorschrift des § 115, z. B. Anrechnung des Betrages für kreditierte Waren an vier Lohntagen, stattgefunden hat, mehrere oder nur eine strafbare Hand­ lung vorliegt, hängt nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen davon ab, ob die mehrmaligen Übertretungen auf verschiedenen Entschlüssen oder auf einem und demselben Entschlüsse beruhen, was nach den Umständen des Falles zu beurteilen ist, Urt. des RG. v. 13. Jan. 1885,21. Jan. 1886, Entsch. in Straff. Bd. 12 S. 102, Bd. 13 S, 285.

§ 115 a. Lohn- und Abschlagszahlungen dürfen in Gast- und Schankwirtschaften oder Verkaufsstellen nicht ohne Genehmigung der unteren Verwaltungsbehörde erfolgen- sie dürfen an Dritte nicht erfolgen auf Grund von Rechtsgeschäften oder Urkunden über Rechtsgeschäfte/ welche nach § 2 des Gesetzes, betreffend die Beschlag­ nahme des Arbeits- oder Dienstlohnes, vom 21. Juni 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 242) rechtlich unwirksam sind. 1. Siehe Ausf.-Anm. Ziff. 194. 2. „Untere Verwaltungsbehörde"

ist der Revierbeamte, Ausf.-Anw. Ziff. 6. 3. Nach § 115 a und § 148 Nr. 13 ist es verboten und strafbar, Lohn­ zahlungen, statt an die Arbeiter, an einen Konsumverein zu leisten auf Grund einer Anweisung oder Vollmacht, durch welche die Arbeiter als Mitglieder des Konsumvereins den Verwalter desselben ein für allemal ermächtigt haben, ihnen zustehende Lohnbeträge an der Kasse des Bergwerkßbesitzers zu erheben und sich daraus für die auf Kredit entnommenen Waren bezahlt zu machen, Urt. des RG. v. 13. Juni 1895, Z. Bd. 36 S. 519, Entsch. in Strass. Bd. 27 S. 289.

§ 116. Arbeiter, deren Forderungen in einer dem § 115 zuwiderlaufenden Weise berichtigt worden sind, können zu jeder Zeit Zahlung nach Maßgabe des § 115 verlangen, ohne daß ihnen eine Einrede aus dem an Zahlungsstatt Gegebenen entgegen­ gesetzt werden kann. Letzteres fällt, soweit es noch bei dem Empfänger vorhanden oder dieser daraus bereichert ist, derjenigen Hilfskasse zu, welcher der Arbeiter angehört, in Ermangelung einer solchen einer andern zum Besten der Arbeiter an dem Orte bestehenden, von der Gemeindebehörde zu bestimmenden Kasse und in deren Ermangelung der Ortsarmenkasse.

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1. § 116 schließt die Einrede der Verjährung, welche gemäß § 196 Ziff. 8, 9 BGB. binnen zwei Jahren nach Ablauf des Fälligkeitsjahres ein­ tritt, nicht aus.

2. Hilfskafse im Sinne des zweiten Satzes ist bei Bergleuten die Knappschaftskasse, welcher der Arbeiter angehört- dieselbe kann den Anspruch unmittelbar als einen ihr persönlich zustehenden geltend machen, b. Landmann Anm. 5, Thielmann Anm. 3 zu § 116.

§ 117. Verträge, welche dem § 115 zuwiderlaufen, sind nichtig. Dasselbe gilt von Verabredungen zwischen den Gewerbe­ treibenden und den von ihnen beschäftigten Arbeitern über die Entnahme der Bedürfnisse der letzteren aus gewissen Verkaufs­ stellen sowie überhaupt über die Verwendung des Verdienstes derselben zu einem anderen Zweck als zur Beteiligung an Ein­ richtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien. 1. Verabredungen der hier bezeichneten Art sind nicht strafrechtlich be­ droht, sondern nur zivilrechtlich nichtig- dasselbe gilt von der Bestimmung des § 118, Urt. des RG. v. 12. Mob. 1882, Entsch. in Straff. Bd. 7 S. 197.

2. „Einrichtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien" sind z. B. Unterstützungskassen, Sparkassen, Einrichtungen zur Unterhaltung und Bildung der Arbeiter, Arbeiterwohnungen, Bezug von Feuerungsmaterial, Beleuchtung, Beköstigung, Lebensmittel, Arzneien, ärzt­ liche Hilfe usw., StenB. des Reichst. 1891 S. 2768, 2771, 2806. Auch Werkpenstonskassen können als solche Einrichtungen gelten, vgl. Urt. des RG. in Straff., DIZ. 1911 S. 161. Kommen die Wohlfahrtseinrtchtungen auch anderen Personen, z. B. Beamten, zugute, so fallen ste nicht unter diese Einrichtungen. Die nach § 117 Abs. 2 zulässigen Abreden behalten auch gegenüber den Vorschriften des § 2 Lohnbeschlagn. Ges. und § 115 a GO. ihre Gültig­ keit, Urt. des RG. b. 29. Sept, und 24. Okt. 1911, DIZ. 1911 S. 161. Vgl. im übrigen b. Landmann Anm. 6, b. Rohrscheidt Anm. 8 zu § 117.

§ 118. Forderungen für Waren, welche dem § 115 zuwider kreditiert worden sind, können von dem Gläubiger weder eingeklagt, noch durch Anrechnung oder sonst geltend gemacht werden, ohne Unterschied, ob sie zwischen den Beteiligten unmittelbar entstanden oder mittelbar erworben sind. Dagegen fallen dergleichen Forder­ ungen der im § 116 bezeichneten Kasse zu. 1. Siehe § 117 Anm. 1.

2. Als „Gläubiger" gilt nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch dessen Erbe oder derjenige, der die Forderung von ihm durch Abtretung usw. er­ worben hat, b. Landmann Anm. 2, b. Rohrscheidt Anm. 3 zu 8 118. 3. Bei Bergleuten ist die in § 116 bezeichnete Kaffe die Knappschafts­ kaffe, vgl. Anm. 2 zu § 116. 4. Die Vorschrift des § 118 ist öffentlich-rechtlicher Natur und daher von amtswegen zu berücksichtigen, Urt. des OLG. Hamm b. 2. Dez. 1895, b. Rohrscheidt Anm. 4, Arndt Anm. zu § 118.

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Anhang zum dritten Titel.

§ 119. Den Gewerbetreibenden im Sinne der §§ 115—118 sind gleich zu achten deren Familienglieder, Gehilfen, Beauftragte, Geschäftsführer, Aufseher und Faktoren sowie andere Gewerbe­ treibende, bei deren Geschäft eine der hier erwähnten Personen unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. 1. AIS „Familienmitglieder" sind hier solche Personen gemeint, welche in diesem Verhältnisse zu den Gewerbetreibenden im Sinne der §§ 115 ff., also zu den eigentlichen Geschäftsherren stehen, nicht auch Familienangehörige eines technischen Betrtebsführers, Geschäftsführers des Gewerbetreibenden. Unter den „anderen Gewerbetreibenden", bei deren Geschäft eine der in § 119 bezeichneten Personen mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, kann nur ein selbständiger Gewerbetreibender, der Inhaber eines Geschäftes, ver­ standen werden- die Familienmitglieder können daher nicht als Mittäter, sondern evtl, nur als Teilnehmer (§§ 48, 49 St. GB.) bestraft werden. Urt. des RG. v. 30. März 1882 u. 14. Juni 1888, Entsch. in Strass. Bd. 6 S. 126, Bb. 18 S. 27. 2. Beauftragter ist z. B. der von dem Gewerbetreibenden angestellte Kantinenwirt, v. Rohrscheidt Anm. 3 zu § 119.

§ 119 a. Lohneiubehaltungen, welche von Gewerbeunter­ nehmern zur Sicherung des Ersatzes eines ihnen aus der wider­ rechtlichen Auflösung des Arbeitsverhältniffes erwachsenden Schadens oder einer für diesen Fall verabredeten Strafe ausbedungen werden, dürfen bei den einzelnen Lohnzahlungen ein Viertel des fälligen Lohnes, im Gesamtbeträge den Betrag eines durchschnittlichen Wochenlohnes nicht übersteigen. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes (§ 142) kann für alle Gewerbe­ betriebe oder gewisse Arten derselben festgesetzt werden: 1. daß Lohn- und Abschlagszahlungen in festen Fristen erfolgen müssen, welche nicht länger als einen Monat und nicht kürzer als eine Woche sein dürfen,' 2. daß der von minderjährigen Arbeitern verdiente Lohn an die Eltern oder Vormünder und nur mit deren schriftlicher Zu­ stimmung oder nach deren Bescheinigung über den Empfang der letzten Lohnzahlung unmittelbar an die Minderjährigen gezahlt wird,' 3. daß die Gewerbetreibenden den Eltern oder Vormündern innerhalb gewisser Fristen Mitteillung von den an minder­ jährige Arbeiter gezahlten Lohnbeträgen zu machen haben. 1. „Lohneinbehaltungen" sind nicht gleichbedeutend mit den „Lohn­ verwirkungen" in § 80 ABG. Abs. 2, vgl. Anm. 8 zu 8 80. 2. über den Begriff der Gemeinde- oder weiteren Kommunalverbände in § 142 GO., s. Ausf.-Anw. Ziff. 1 sowie oben S. 339, vgl. dort und Ziff. 272 Ausf.-Anw. auch über die in § 142 GO. vorgeschriebene Anhörung beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter und die Genehmigung der Statuten durch die höhere Verwaltungsbehörde. 3. Wegen der Aufnahme der in Abs. 2 genannten Festsetzungen in die Arbeitsordnung vgl. z. B. oben S. 273.

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4 Verstöße gegen § 119 a Abs. 1 sind nicht strafbar, solchen gegen die gemäß Abs. 2 erlassenen Bestimmungen unterliegen der Bestrafung auf Grund de« § 148 Abs. 1 Nr. 13.

§ 184 (Abs. 2). Den Arbeitern ist bei der regelmäßigen Lohnzahlung ein schriftlicher Beleg (Lohnzettel, Lohntüte usw.) über den Betrag des verdienten Lohnes und der einzelnen Arten der vorgenommenen Abzüge auszuhändigen. § 135. Kinder unter dreizehn Jahren dürfen nicht beschäf­ tigt werden. Kinder über dreizehn Jahren dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule ver­ pflichtet sind. Die Beschäftigung von Kindern unter vierzehn Jahren darf die Dauer von sechs Stunden nicht überschreiten. Junge Leute zwischen vierzehn und sechzehn Jahren dürfen nicht länger als zehn Stunden täglich beschäftigt werden. 1. Siehe Ausf.-Anw. ZIff. 223 ff. 2. Die Vorschriften in den § 135 ff. sind zwingende. Ihnen zuwider­ laufende Verträge sind nichtig. Sie sind auch Poltzetgesetze im Sinne de« § 26 5t. 1 Sttt. 6 ALR. und somit Schutzgesetze gemäß § 823 Abs. 2 BGB., vgl. v. Landmann Anm. 7, v. Rohrscheidt Anm. 4, Arndt Sinnt. 2 zu § 135. 3. Zu Abs. 1 vgl. a. § 2 des Ges. betr. Kinderarbeit in gewerbl. Be­ trieben v. 30. März 1903 (RGBl. S. 113). 4. Volksschulen sind nur die zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienenden öffentlichen Schulen, nicht z. B. Sonntags-, Abendschulen usw., auch wenn deren Besuch auf landesrechtlichen Vorschriften beruht, vgl. v. Landmann Anm. 4 zu § 135, v. Rohrscheidt Anm. 18 zu § 107 GO. 5. „Beschäftigung" ist die Beschäftigung im Betriebe, b. h. jede den Zwecken des Betriebes dienende Tätigkeit, evtl, also auch eine solche außerhalb der Betriebsstätte, Urt. des RG. v. 10. Dez. 1883, Entsch. tn Strass. Bd. 9 S. 264. Auch untergeordnete Arbeiten, z. B. Reinigung der Betriebsräume fallen darunter, Entsch. deS RG. v. 23. März 1906, Entsch. in Strass. Bd. 38 S. 381. 6. Wegen der möglichen Ausnahmen von der Vorschrift der Abs. 2 u. 3 vgl. § 139 Anm., 139 a Anm. 7. Strafvorschrtft tn § 146 Nr. 2.

8 136. Die Arbeitsstunden der jugendlichen Arbeiter (8 135) dürfen nicht vor sechs Uhr morgens beginnen und nicht über acht Uhr abends dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Arbeitstage regelmäßige Pausen gewährt werden. Für jugendliche Arbeiter, welche nur sechs Stunde täglich beschäf­ tigt werden, muß die Pause mindestens eine halbe Stunde betra­ gen. Den übrigen jugendlichen Arbeitern muß mindestens mittags eine einstüudige sowie vormittags und nachmittags je eine halb­ stündige Pause gewährt werden. Eine Bor- und Nachmittags­ pause braucht nicht gewährt zu werden, sofern die jugendlichen Arbeiter täglich nicht länger als acht Stunden beschäftigt werden

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und die Dauer ihrer durch eine Pause nicht unterbrochenen Arbeitszeit am Vor- und Nachmittage je vier Stunden nicht übersteigt. Während der Pause darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung im Betrieb überhaupt nicht und der Aufenthalt in den Arbeitsräumen nur dann gestattet werden, wenn in denselben diejenigen Teile des Betriebs, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt sind, für die Zeit der Pausen völlig eingestellt werden oder wenn der Aufenthalt im Freien nicht tunlich und andere geeignete Aufenthaltsräume ohne unverhältnismäßige Schwierig­ keiten nicht beschafft werden können. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist den jugendlichen Arbeitern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren. An Sonn- und Festtagen sowie während der von dem ordentlichen Seelsorger für den Katechumenen- und Konfirmanden-, Beicht- und Kommunionunterricht bestimmten Stunden dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. 1. „Jugendliche Arbeiter" sind die Kinder und jungen Leute gemäß § 135. Für sie sind also Nachtschichten, abgesehen von auf Grund der §§ 139, 139 a gestatteten Ausnahmen, überhaupt verboten. 2. „Pause" ist ein völliges Unterbrechen der Arbeit und ein Ruhen­ lassen der Arbeit, Urt. des RG. v. 1. April 1895, Entsch. in Strass. Bd. 27 S. 139. Die Pausen müssen „regelmäßig" sein, d. h. sie müssen ein für allemal oder doch für eine gewisse Periode im voraus festbesttmmt sein. Sie müssen „zwischen den Arbeitsstunden" gewährt werden, dürfen also nicht in die Arbeitszeit eingerechnet werden, Min.-Erl. v. 30. Mai 1880, Z. Bd. 21 S. 278. 3. Für Kinder unter 14 Jahren genügt eine Pause, Mot. S. 50, vgl. a. wegen der gegenteiligen Rechtspr. des RG. von der Nov. v. 1891 Urt. des RG. v. 30. Sept. 1887, Entsch. in Strass. Bd. 16 S. 267. Die einhalbstündtge Pause darf nicht in mehrere kleinere Pausen zerlegt werden. 4. Wegen der Ausnahmen vgl. §§ 139, 139 a. 5. Strafvorschrift in § 146 Nr. 2.

§ 137. Arbeiterinnen dürfen in der Nachtzeit von acht Uhr abends bis sechs Uhr morgens und am Sonnabend sowie an Vorabenden der Festtage nicht nach fünf Uhr nachmittags beschäftigt werden. Die Beschäftigung von Arbeiterinnnen darf die Dauer von zehn Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Fest­ tage von acht Stunden, nicht überschreiten. Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine mindestens einstündige Mittagspause gewährt werden. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist den Arbeiter­ innen eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren.

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Arbeiterinnen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt. Arbeiterinnen dürfen vor und nach ihrer Niederkunft im ganzen während acht Wochen nicht beschäftigt werden. Ihr Wieder, eintritt ist an den Ausweis geknüpft, daß seit ihrer Niederkunft wenigstens sechs Wochen verflossen sind. Arbeiterinnen dürfen nicht in Kokereien und nicht zum Trans­ porte von Materialien bei Bauten aller Art verwendet werden. 1. Wegen des Begriffs der Beschäftigung vgl. § 135 Sinnt. 5, wegen des Begriffs der Pausen § 136 Sinnt. 2. 2. Wegen der Zulassung von Ausnahmen vgl. §§ 138 a, 139, 139 a. Vgl. a. die Set., betr. die Beschäftigung von Arbeiterinnen auf Stetnkohlenbergwerten, Zink- und Bleierzbergwerten im Reg.-Bez. Oppeln v. 24. Nov. 1911, zu § 139 a. 3. Abs. 7 (Art. 5 der Nov. v. 28. Dez. 1908) ist am 1. April 1912 in Kraft getreten. Wegen der Beschäftigung von Arbeiterinnen unter Tage, bet der För­ derung, dem Transport und der Verladung vgl. § 154 a. 4. Strafvorschrift in § 146 Nr. 2.

§ 137 a. Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern darf für die Tage, an welchen sie in dem Betriebe die gesetzlich zu­ lässige Arbeitszeit hindurch beschäftigt waren, Arbeit zur Verrichtung außerhalb des Betriebs vom Arbeitgeber überhaupt nicht über­ tragen oder für Rechnung Dritter überwiesen werden. Für die Tage, «n welchen die Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in dem Betriebe kürzere Zeit beschäftigt waren, ist diese Übertragung oder Überweisung nur in dem Umfange zulässig, in welchem Durchschnittsarbeiter ihrer Art die Arbeit voraussicht­ lich in dem Betriebe während des Restes der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit würden Herstellen können, und für Sonn- und Fest­ tage überhaupt nicht. Bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Abs. 2 kann die zuständige Polizeibehörde auf Antrag oder nach Anhörung des zuständigen Gewerbeaufsichtsbeamten (§ 139b) im Wege der Verfügung für einzelne Betriebe die Übertragung oder Überweisung solcher Arbeit entsprechend den Bestimmungen des Abs. 2 beschränken oder von besonderen Bedingungen abhängig machen. Vor Erlaß solcher Verfügungen hat der Gewerbeaufsichtsbeamte beteiligten Arbeitgebern und Arbeitern, wo ständige Arbeitsausschüsie (§134 h) bestehen, diesen Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Gegen die Verfügung der Polizeibehörde steht dem Gewerbe­ unternehmer binnen zwei Wochen die Beschwerde an die höhere Verwaltungsbehörde zu. Gegen die Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde ist binnen vier Wochen die Beschwerde an die Zentralbehörde zulässig,' diese entscheidet endgültig.

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1. Zuständige Polizeibehörde für die der Aufsicht der Bergbehörde unterstehenden Betriebe ist gemäß § 189 Abs. 2 Satz 2 ABG. der Revier­ beamte. 2. Strafvorschrtft zu Abs. 1 in § 146 Nr. 2, zu Abs. 3 in § 147 Abs. 1 Nr. 4.

§ 138. Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter be­ schäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde eine schriftliche Anzeige zu machen. In der Anzeige sind der Betrieb, die Wochentage, an welchen die Beschäftigung stattfinden soll, Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Pausen sowie die Art der Beschäftigung anzu­ geben. Eine Änderung hierin darf, abgesehen von Verschiebungen, welche durch Ersetzung behinderter Arbeiter für einzelne Arbeits­ schichten notwendig werden, nicht erfolgen, bevor eine entsprechende weitere Anzeige der Behörde gemacht ist. In jedem Betriebe hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß in denjenigen Räumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäf­ tigt werden, an einer in die Auge fallenden Stelle ein Verzeichnis der jugendlichen Arbeiter unter Angabe ihrer Arbeitstage sowie des Beginns und Endes ihrer Arbeitszeit und der Pausen ausge­ hängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgeu, daß in den betreffenden Räumen eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von der Zentral­ behörde zu bestimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung der Arbeiter­ innen und jugendlichen Arbeiter enthält. 1. Siehe Ausf.-Anw. Ziff. 223-226. 2. Ortspolizeibehörde für die der Aufsicht »der Berghehörde unter­ stehenden Betriebe ist der Revterbeamte, Ausf.-Anw. Ziff. 6. 3. Strafvorschrtft in § 149 Abs. 1 Nr. 7. Das durch die Unterlaffung der Anzeige begangene Delikt setzt sich so lange fort, bis die Anzeige uachgeholt oder sich z. B. durch Entlassung, er­ übrigt, litt, des RG. v. 21. Dez. 1883, Entsch. in Straff. Bd. 9 S. 353.

§ 138 a. Wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann auf Antrag des Arbeitgebers die untere Verwaltungsbehörde auf die Dauer von zwei Wochen die Beschäftigung vön Arbeiter­ innen über sechzehn Jahren bis neun Uhr abends an den Wochen­ tagen außer Sonnabend unter der Voraussetzung gestatten, daß die tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden nicht überschreitet und die zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden betägt. Innerhalb eines Kalenderjahrs darf die Erlaub­ nis einem Arbeitgeber für seinen Betrieb oder für eine Abteilung des Betriebs für mehr als vierzig Tage nicht erteilt werden. Für eine zwei Wochen übersteigende Dauer kann die gleiche Erlaubnis nur von der höheren Verwaltungsbehörde und auch von dieser für mehr als vierzig Tage, jedoch nicht mehr als fünfzig Tage im Jahre nur dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit für den Betrieb oder die betreffende Abteilung des Betriebs so

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geregelt wird, daß die tägliche Dauer im Durchschnitte der Betriebs­ tage des Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht über­ schreitet. Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muß den Grund, aus welchem die Erlaubnis beantragt wird, die Zahl der in Be­ tracht kommenden Arbeiterinnen, daß Maß der längeren Beschäf­ tigung sowie den Zeitraum angeben, für welchen dieselbe stattfinden soll. Der Bescheid der unteren Verwaltungsbehörde auf den Antrag ist binnen drei Tagen schriftlich zu erteilen. Gegen die Versagung der Erlaubnis steht die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde zu. Die untere Verwaltungsbehörde hat über die Fälle, in welchen die Erlaubnis erteilt worden ist, ein Verzeichnis zu führen, in welches der Name des Arbeitgebers und die für den schriftlichen Antrag vorgeschriebenen Angaben einzutragen sind. Die untere Verwaltungsbehörde kann die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechszehn Jahre, welche kein Hauswesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, bei den im § 105 c Abs. 1 unter 3 und 4 bezeichneten Arbeiten an Sonn­ abenden und Vorabenden von Festtagen nachmittags nach fünf Uhr, jedoch nicht über acht Uhr abends hinaus, unter der Voraus­ setzung gestatten, daß diese Arbeiterinnen am folgenden Sonn­ oder Festtage arbeitsfrei bleiben. Die Erlaubnis ist schriftlich zu erteilen. Eine Abschrift derselben ist in denjenigen Räumen, in welchen die Arbeiterinnen beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle auszuhängen. 1. Siehe Ausf.-Anw. Ztff. 226-236. 2. Untere Verwaltungsbehörde ist für Bergwerke usw. der Revier­ beamte, höhere Verwaltungsbehörde das Oberbergamt, Ausf.-Anw. Ziff. 6. 3. Strafvorschrift zu Abs. 5 in § 149 Abs. 1 Nr. 7.

§ 139. Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regel­ mäßigen Betrieb einer Anlage unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, in § 136, § 137 Abs. 1 bis 4 vorgesehenen Beschränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die höhere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch den Reichskanzler zugelassen werden. In dringenden Fällen solcher Art sowie zur Verhütung von Unglücksfällen kann die untere Verwaltungsbehörde, jedoch höchstens auf die Dauer von vierzehn Tagen, solche Ausnahmen gestatten. Wenn die Natur des Betriebs oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Anlagen es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer anderen als der durch § 136 Abs. 1, 2, 4, § 137 Abs. 1, 3 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine anderweite Regelung hinsichtlich der Pausen durch die höhere Verwaltungsbehörde, im übrigen durch den Reichskanzler gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter

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nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens ein­ stündiger Dauer gewährt werden. Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Verfügungen müssen schriftlich erlassen werden. Vor Erlaß von Verfügungen auf Grund des Abs. 2 ist den Arbeitern und, wo ständige Arbeiterausschüsse auf Grund reichsgesetzlicher oder landes­ gesetzlicher Vorschriften bestehen, diesen Gelegenheit zu geben, sich gutachtlich zu äußern. 1. Siehe Ausf.-Anw. Ziffer 237—247. 2. Untere — höhere Verwaltungsbehörde vgl. Anm. 2 zu 8 138 a. 3. Abs. 1 behandelt die vorübergehenden Ausnahmen bei Unterbrechungen des regelmäßigen Betriebes durch Naturcreigniffe oder Un­ glücksfälle, Abs. 2 die dauernden Abweichungen von der Regelung der Arbeitszeit und der Pausen. 4. Die Gestattung von Ausnahmen erfordert stets einen besonderen Antrag, jedoch steht dem Unternehmer kein Anspruch auf Gewährung der Ausnahmen zu. 5. Auf Grund des Abs. 2 ist z. B. mit Genehmigung des Reichs­ kanzlers die Arbeitszeit der von der Mansfeldschen Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft beschäftigten Knaben von 14 biS 16 Jahren anderweitig geregelt worden, Bek. v. 1. Oft. 1879, Z. f. B. H. u. S. W. Bd. 27 S. 68. 6. Strafvorschrift in § 146 Nr. 2.

§ 139 a. Der Bundesrat ist ermächtigt: 1. die Verwendung von Arbeiterinnen sowie von jugendlichen Arbei­ tern für gewisse Gewerbezweige, die mit besonderen Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu unter­ sagen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen2. für Anlagen, die mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden oder die sonst durch die Art des Betriebs auf eine regel­ mäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen sind sowie für solche Anlagen, deren Betrieb eine Einteilung in regelmäßige Arbeitsschichten von gleicher Dauer nicht gestattet oder seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Aus­ nahmen von den im § 135 Abs. 2, 3, § 136, § 137 Abs. 1 bis 3 vorgesehenen Bestimmungen zuzulassen, soweit § 136 Abs. 3 in Betracht kommt, jedoch nur für männliche jugendliche Arbeiter 3. für gewisse Gewerbezweige, soweit die Natur des Betriebs oder die Rücksicht auf die Arbeiter es erwünscht erscheinen lassen, die Abkürzung oder den Wegfall der für jugendliche Arbeiter vorgeschriebenen Pausen zu gestatten4. für Gewerbezweige, in denen regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfnis eintritt, auf höchstens vierzig Tage im Kalenderjahr Ausnahmen von den Bestimmungen des § 137 Abs. 1, 2, 4 mit der Maßgabe zuzulassen, daß die tägliche Arbeitszeit zwölf Stunden, an Sonnabenden acht Stunden nicht überschreitet, und die zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit nicht weniger als zehn

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Stunden beträgt. In der ununterbrochenen Ruhezeit müssen die Stunden zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr mor­ gens liegen 5. für Gewerbezweige, in denen die Verrichtung der Nachtarbeit zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Miß­ lingens von Arbeitserzeugniffen dringend erforderlich erscheint, Ausnahmen von den Bestimmungen des § 137 Abs. 1 bis 4 mit der Maßgabe zuzulaffen, daß die ununterbrochene Ruhe­ zeit an höchstens sechszig Tagen im Kalenderjahr bis auf achteinhalb Stunden täglich herabgesetzt werden darf. In den Fällen zu 2 darf die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit für Kinder sechsund dreißig Stunden, für junge Leute sechszig, für Arbeiterinnen achtundfünfzig Stunden nicht über­ schreiten. Die Nachtarbeit darf in vierundzwanzig Stunden die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesamtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen werden. Die Tagschichten und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. In den Fällen zu 3 dürfen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht eine oder mehrere Pausen von zusammen .mindestens einstündiger Dauer gewährt werden. In den Fällen zu 4 darf die Erlaubnis zur Überarbeit für mehr als vierzig Tage, jedoch nicht für mehr als fünfzig Tage dann erteilt werden, wenn die Arbeitszeit in der Weise geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitte der Betriebstage des Jahres die regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit nicht überschreitet. Die durch Beschluß des Bundesrats getroffenen Bestim­ mungen sind zeitlich zu begrenzen und können auch für bestimmte Bezirke erlassen werden. Sie sind durch das Reichs-Gesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammen­ tritte zur Kenntnisnahme vorzulegen. Im Gegensatz zu § 139 behandelt § 139 a die Fälle, in welchen der Bundesrat allgemeine dauernde Anordnungen für gewisse Fabri­ kationszweige oder bestimmte Bezirke, also nicht nur für einzelne Anlagen treffen kann. Auf Grund dieser Ermächtigung hat der Bundesrat u. a. folgende Bestimmungen erlaffen:

Bekanntmachung, bett, die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter ans Steinkohlenbergwerken in Preußen usw. Vom 7. März 1913 (RGBl.S. 125). Auf Grund des § 139 a GewO, hat der Bundesrat die nachstehenden Bestimmungen, betr. die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter auf Steinkohlenbergwerken in Preußen, Bayern, Sachsen und Elsaß-Lothringen erlassen: I. Auf Steinkohlenbergwerken, deren Betrieb auf achtstündige Schichten eingerichtet ist, dürfen bei der Beschäftigung derjenigen

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Anhang zum dritten Titel.

jugendlichen Arbeiter männlichen Geschlechts über vierzehn Jahre, welche über Tage mit den unmittelbar mit der Förderung der Kohlen zusammenhängenden Arbeiten beschäftigt sind, die Beschrän­ kungen des § 136 Abs. 1, 2 GewO, mit folgenden Maßgaben außer Anwendung bleiben: 1. Die Beschäftigung darf nicht vor 5 Uhr morgens beginnen und, wo in zwei Tagesschichten gearbeitet wird, nicht nach 11 Uhr abends schließen - keine Schicht darf einschließlich der Pausen länger als acht Stunden bauten. Die Beschäftigung darf am Tage vor Sonn- und Fest­ tagen sowie an den Tagen der Kontrollversammlungen um 4 Uhr morgens beginnen und, wo in zwei Tagesschichten gearbeitet wird, am nächsten Werktag nach den Sonn- und Festtagen um 1 Uhr nachts schließen. 2. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß den jugendlichen Arbeitern eine Ruhezeit von mindestens fünfzehn Stunden gewährt werden. Die den Arbeitsschichten an Tagen vor Sonn- und Festtagen, sowie an den Tagen der Kontrollversammlungen vorausgehende und die den Arbeitsschichten an Tagen nach Sonn- und Festtagen folgende Ruhezeit muß mindestens dreizehn Stunden dauern. 3. Zwischen den Arbeitsstunden müssen den jugendlichen Arbeitern an jedem Arbeitstag eine oder mehrere Pausen in der Gesamt­ dauer von mindestens einer Stunde gewährt werden- von diesen müssen zwei mindestens je eine Viertelstunde oder drei mindestens je zehn Minuten betragen. Während der Pausen darf den jugendlichen Arbeitern eine Beschäftigung im Betriebe nicht gestattet werden. II. Auf Steinkohlenbergwerken dürfen jugendliche Arbeiter männlichen Geschlechts über vierzehn Jahre in höchstens sechs­ stündigen Schichten unter Wegfall der im § 136 Abs. 1 Satz 3 GewO, vorgeschriebenen Pause mit ihren Kräften angemessenen Arbeiten über Tage beschäftigt werden, sofern die Art des Betriebs an sich Unterbrechung der Beschäftigung mit sich bringt. Wegen des Beginns und des Schlusses dieser Beschäftigung und wegen der zwischen zwei Arbeitsschichten zu gewährenden Ruhezeit gelten die Bestimmungen unter I Ziff. 1 und 2. III. Auf Steinkohlenbergwerken dürfen die Arbeitsstunden derjenigen jugendlichen Arbeiter männlichen Geschlechts über vier­ zehn Jahre, welche über Tage mit Arbeiten beschäftigt werden, die bei der An- und Abfahrt der Belegschaft zu leisten sind, in Abweichung von § 136 Abs. 1 Satz 1 GewO, bereits von o1/, Uhr morgens an und am Tage vor Sonn- und Festtagen, sowie an den Tagen der Kontrollversammlungen bereits von 4 Uhr morgens an beginnen. IV. In der bei I bis III bezeichneten Art dürfen jugendliche Arbeiter nur beschäftigt werden, wenn durch das Zeugnis eines von der höheren Verwaltungsbehörde zur Ausstellung solcher

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Zeugnisse ermächtigten Arztes nachgewiesen ist, daß die körperliche Entwickelung des Arbeiters die für ihn in Aussicht genommene und genau anzugebende Beschäftigung auf dem Werke ohne Gefahr für seine Gesundheit zuläßt. Das ärztliche Zeugnis ist vor Beginn der Beschäftigung dem Arbeitgeber auszuhändigen, welcher es zu verwahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem jugendlichen Arbeiter bzw. dessen gesetzlichen Vertreter wieder auszuhändigen hat. V. Auf Arbeitsstellen, wo jugendliche Arbeiter nach Maßgabe der Vorschriften unter Nr. I bis IV beschäftigt werden, muß neben der nach § 138 Abs. 2 GewO, auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel ausgehängt werden, welche in deutlicher Schrift die Bestim­ mungen unter I bis IV wiedergibt. Die höhere Verwaltungs­ behörde kann einzelne Betriebe, in denen jugendliche Arbeiter nach Maßgabe der Vorschriften unter I beschäftigt werden, auf Antrag von der Angabe des Beginns und Endes der Pausen in der nach § 138 GewO, zu erstattenden Anzeige und von der entsprechenden Angabe in dem Aushange für solche im einzelnen namhaft zu machende Beschäftigungszweige entbinden, bei denen nach der Art der Arbeit regelmäßig mindestens Arbeitsunterbrechungen von der unter I Ziff. 3 bestimmten Dauer eintreten. Diese schriftlich zu erteilende Genehmigung ist jederzeit widerruflich. Die höhere Verwaltungsbehörde hat über die Betriebe, die auf Grund der Bestimmung im vorstehenden Absatz von der An­ gabe des Beginns und Endes der Pausen in der nach § 138 GewO, zu erstattenden Anzeige und von der entsprechenden An­ gabe in dem Aushang entbunden worden sind, nach dem anliegenden Muster*) ein Verzeichnis zu führen. Ein Auszug aus diesem Verzeichnisse, der das abgelaufene Kalenderjahr umfaßt, ist bis zum 1. Februar jedes Jahres durch die Landes-Zentralbehörde dem Reichskanzler vorzulegen. VI. Die vorstehenden Bestimmungen haben für zehn Jahre Gültigkeit. Sie treten am 1. April 1913 in Kraft und an Stelle der durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers v. 24. März 1903 (RGBl. S. 61) verkündeten Bestimmungen.

Bekanntmachung, betr. die Beschäftigung von Arbeiterinnen ans Steinkohlenbergwerken, Zink- und Bleierzbergwerken im Regierungs­ bezirk Oppeln. Vom 24. November 1911 (RGBl. S. 956). Vom 24. März 1892 (RGBl. 331) i. d. F. der Bek. v. 20. März 1902 (RGBl. 77), v. 12. April 1907 (RRBl. S. 93) und v. 24. No­ vember 1911 (RGBl. S. 956). Auf Grund des § 139 a GewO, hat der Bundesrat die nach­ stehende Bestimmung erlassen: *) Hler nicht abgedruckt.

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Anhang zum dritten Titel.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen auf Steinkohlenberg­ werken, Zink- und Bleierzbergwerken im Regierungsbezirk Oppeln wird unter den snachfolgenden] Bedingungen usw. bis zum 1. April 1922 nachgelassen: 1. sAm 1. April 1897 außer Kraft getreten.]*). II. Auf Steinkohlenbergwerken tritt für diejenigen Arbeite­ rinnen über achtzehn Jahren, welche mit den unmittelbar mit der Förderung der Kohlen zusammenhängenden Arbeiten beschäftigt sind, der § 137 Abs. 3 GewO, mit der Maßgabe außer Anwen­ dung, daß zwischen den Arbeitsstunden den Arbeiterinnen eine oder mehrere Pausen in der Gesamtdauer von mindestens einer Stunde gewährt werden müssen, und daß die Beschäftigung im ganzen nicht mehr als zehn Stunden betragen darf. Werden mehrere Pausen gewährt, so muß eine derselben mindestens eine halbe Stunde betragen. III. 1. Auf Steinkohlenbergwerken und Zink- und Bleierz­ bergwerken, deren Betrieb auf eine doppelte tägliche Arbeitsschicht eingerichtet ist, treten die Bestimmungen des § 137 Abs. 1 u. 3 GewO, für Arbeiterinnen über sechszehn Jahre, welche mit Arbeiten der unter Nr. I Ziff. 1 bezeichneten Art beschäftigt sind, mit fol­ genden Maßgaben außer Anwendung. 2. Die erste Schicht darf nicht vor 5 Uhr morgens beginnen, die zweite nicht nach 10 Uhr abends schließen, in keiner der beiden Schichten darf die Beschäftigung länger als acht Stunden dauern. 3. Zwischen der zweiten und der sechsten Arbeitsstunde muß den Arbeiterinnen eine Pause von mindestens einer halben Stunde gewährt werden. 4. Arbeiterinnen zwischen sechszehn und achtzehn Jahren dürfen in der vorstehend bezeichneten Weise nur beschäftigt werden, wenn durch das Zeugnis eines von der höheren Verwaltungs­ behörde zur Ausstellung solcher Zeugnisse ermächtigten Arztes nachgewiesen ist, daß die körperliche Entwickelung der Arbeiterin die Beschäftigung ohne Gefahr für ihre Gesundheit zuläßt. Das ärztliche Zeugnis ist vor Beginn der Beschäftigung dem Arbeitgeber auszuhändigen, welcher es zu verwahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeiterin beziehungsweise deren gesetzlichem Vertreter wieder auszuhändigen hat. 5. Auf Arbeitsstätten, wo Arbeiterinnen nach den Bestim­ mungen unter 1 bis 4 beschäftigt werden, muß neben der nach § 138 Abs. 2 GewO, auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel angebracht werden, welche in deutlicher Schrift die Bestimmungen unter 1 bis 4 wiedergibt. 6. Die Gesamtzahl der nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen auf den einzelnen Werken beschäftigten Arbeiterinnen darf die Höchstzahl der im Jahre 1891 beschäftigt gewesenen nicht *) Siehe Bek. v. 11. März 1897 (RGBl. S. 25).

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überschreiten. Wegen der Nachweisung dieser Höchstzahl findet die Bestimmung in Nr. I Ziff. 5 Abs. 2 Anwendung. Die Vorschriften des § 154a Abs. 2 Satz 2 u. des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Ges. v. 28. Dez. 1908 betr. die Abänderung der GewO. (RGBl. S. 667) bleiben unberührt.

§ 139 b. Die Aufsicht über die Ausführung der Bestim­ mungen der §§ 105a, 105 b Absatz 1, 105c bis 105h, 120 a bis 120 k, 133 g bis 139 aa ist ausschließlich oder neben den ordent­ lichen Polizeibehörden besonderen von den Landesregierungen zu ernennenden Beamten zu übertragen. Denselben stehen bei Aus­ übung dieser Aufsicht alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizei­ behörden, insbesondere das Recht zur jederzeitigen Revision der Anlagen zu. Sie sind, vorbehaltlich der Anzeige von Gesetz­ widrigkeiten, zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer Kenntnis gelangenden Geschäfts- und Betriebsverhältnisse der ihrer Revision unterliegenden Anlagen zu verpflichten. Die Ordnung der Zuständigkeilsverhältnisse zwischen diesen Beamten und den ordentlichen Polizeibehörden bleibt der ver­ fassungsmäßigen Regelung in den einzelnen Bundesstaaten Vor­ behalten. Die erwähnten Beamten haben Jahresberichte über ihre amtliche Tätigkeit zu erstatten. Diese Jahresberichte oder Aus­ züge aus denselben sind dem Bundesrat und dem Reichstage vorzulegen. Die auf Grund der Bestimmungen der §§ 105 a bis 105 h, 120a bis 120k, 133g bis 139aa auszuführenden amtlichen Revi­ sionen müssen die Arbeitgeber zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht, während des Betriebs gestatten. Die Arbeitgeber sind ferner verpflichtet, den genannten Beamten oder der Polizeibehörde diejenigen statistischen Mittei­ lungen über die Verhältnisse ihrer Arbeiter zu machen, welche vom Bundesrat oder von der Landeszentralbehörde unter Fest­ setzung der dabei zu beobachtenden Fristen und Formen vor­ geschrieben werden. 1. Siehe Ausf.-Anw. Ziff. 253-258. 2. über die Tätigkeit der Revterbeamten als Gewerbeaufstchtsbeamte vgl. oben S. 795 ff. 3. Wegen der Jahresberichte vgl. Min.-Erl. nebst Anweisung v. 20. Juli 1910 (HM. Bl. S. 349). 4. Strafvorschrtft in § 149 Nr. 7.

8 146. Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unvermögensfalle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten werden bestraft: 1. Gewerbetreibende, welche dem § 115 zuwiderhandeln 2. Gewerbetreibende, die den §§ 135 bis 137, 137 a Abs. 1, 139c oder den auf Grund der §§ 120c, 120k, 139, 139a erlassenen Bestimmungen insoweit zuwiderhandeln, als danach die Verwendung

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Anhang zum dritten Titel.

der Arbeiter zu bestimmten Beschäftigungen untersagt oder Arbeits­ zeit, Nachtruhe oder Pausen geregelt find3. Gewerbetreibende, welche dem § 111 Abs. 3 und § 113 Abs. 3 oder dem § 114a Abs. 4, soweit daselbst die Bestimmungen des § 111 Abs. 3 und des § 113 Abs. 3 für anwendbar erklärt worden sind, zuwiderhandeln. 4 War in den Fällerl des Abs. 1 Nr. 2 der Täter zur Zeit der Begehung der Straftat bereits zweimal wegen einer der dort bezeichneten Zuwiderhandlungen rechtskräftig verurteilt, so tritt, falls die Straftat vorsätzlich begangen wurde, Geldstrafe von ein­ hundert bis dreitausend Mark oder Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten ein. Die Anwendung dieser Vorschrift bleibt ausge­ schloffen, wenn seit der Rechtskraft der letzten Verurteilung bis zur Begehung der neuen Straftat drei Jahre verfloffen sind. Die Geldstrafen fließen der im § 116 bezeichneten Kasse zu. Der § 75 des Gerichtsverfasiungsgesetzes findet Anwendung. 1. Die §§ 146 ff. sind zwar in § 154 a nicht ausdrücklich auf Bergwerke usw. für anwendbar erklärt, jedoch ergibt sich ihre Anwendbarkeit zwingend aus derjenigen der in ihnen aufgeführten, in § 154 a genannten Vorschriften vgl. Urt. des RG. v. 9. Jan. 1882, Entsch. in Straff. Bd. 5 S. 425 u. f. Bd. 11 S. 255, 257. 2. Eine Umwandlung der Gefängnisstrafe in Haft gemäß § 28 Abs. 2 StGB, findet in den Fällen des § 146 nicht statt, Urt. des RG. v. 3. Jan. 1888, Entsch. in Straff. Bd. 17 S. 39, Urt. des RG. b. 28. Nov. 1908, Gewerbe­ archiv Bd. 8 S. 148, a. A. Thielmann Anm. 2 zu 8 146. 3. Wegen der Haftung von Stellvertretern der Gewerbetreibenden, wegen der Übertretung von polizeilichen Vorschriften bet Ausübung des Gewerbes vgl. die Anm. zu § 151. 4. Bezüglich des § 146 Nr. 2 hat daS Reichsgericht u. a. folgende Grundsätze angenommen: a) Diese Strafbestimmung bezieht stch auch auf daS im § 135 Abs. 1 Satz 1 enthaltene Verbot, Urt. v. 12. Dez. 1884, Entsch. in Straff. Bd. 11 S. 304. b) Zur Strafbarkeit genügt Fahrlässigkeit, die auch in einer Unterlassung, z. B. von Überwachungsmaßregeln, bestehen kann, Urt. v. 12. Okt. 1880, 11./18. Juni 1881, 21. Okt. 1882, 27. Sept. 1883, 12. Dez. 1884, Entsch. in Strass. Bd. 2 S. 321, Bd. 4 S. 308, 753, Bd. 9 S. 102, Bd. 11 S. 304. c) Eine Mehrheit selbständiger Straftaten wird schon durch eine Mehr­ heit verbotswidrig beschäftigter jugendlicher Arbeiter nicht begründet, Urt. v. 23. März 1886, Entsch. in Straff. Bd. 28 S. 79. d) Bei dem gemeinschaftlichen Gewerbebetriebe Mehrerer erstreckt stch die Verpflichtung zur Beobachtung der §§ 135, 136 auch auf diejenigen, welche nicht mit der Annahme und Beschäftigung der Arbeiter befaßt find, Urt. v. 16. März 1882, Entsch. in Straff. Bd. 6 S. 111. 5. Abs. 2 ist durch die Novelle vom 27. Dez. 1911 etngefügt worden, um bet Rückfällen eine schärfere Bestrafung zu ermöglichen. Voraussetzung seiner Anwendbarkeit ist zweimalige rechtskräftige Verurteilung wegen Zuwider-

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Handlungen gegen § 146 Nr. 2 und Borliegen eines dritten vorsätzlichen Ver­ stoßes gegen diese Vorschrift. Im Falle deS Abs. 2 kann ohne weiteres auf Gefängnis erkannt werden. 6. Wegen der im § 116 bezeichneten Kasse vgl. § 116 Sinnt. 2. 7. § 75 GBG. läßt in gewissen Fällen die Überweisung der Verhand­ lung und Entscheidung an die Schöffengerichte zu.

§ 146 a. Mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark, im Unvermögensfalle mit Haft wird bestraft, wer den §§ 105 b bis 105 g oder den auf Grund derselben erlassenen Anordnungen zu­ wider Arbeitern an Sonn- und Festtagen Beschäftigung gibt oder den §§ 41a und 55 a, 139 e, 139 f Absatz 4 oder den auf Grund des § 105 b Absatz 2 erlassenen statutarischen Bestimmungen oder den auf Grund des § 41b oder des § 139 k Absatz 1 getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt. Wer dell §§ 105 b—g oder den auf Grund dieser Vor­ schriften erlassenen Anordnungen zuwider Arbeitern an Sonn- und Festtagen Beschäftigung gibt oder den auf Grund des § 105b Abs. 2 erlassenen statutarischen Bestimmungen zuwiderhandelt, nach­ dem er bereits zweimal wegen einer Zuwiderhandlung gegen die bezeichneten Vorschriften rechtskräftig verurteilt worden ist, wird, falls die Straftat vorsätzlich begangen wurde, mit Geldstrafe von fünzig bis eintausend Mark oder mit Haft bestraft. § 146 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Abs. 2 ist durch die Novelle vom 27. Dezember 1911 eingefügt worden, vgl. Sinnt. 5 zu 146.

§ 147. Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark- und im Unvermögenssalle mit Haft wird bestraft: 1 2 3. 4. wer den auf Grund der §§ 120d, 137 a Abs. 3, 139g endgültig erlassenen Verfügungen oder, abgesehen von den Fällen des § 146 Abs. 1 Nr. 2, 150a den auf Grund der §§ 120e, 120k, 139, 139 a, 139 h, erlassenen Bestimmungen zuwiderhandelt. 5

In dem Falle zu 4 kann die Polizeibehörde bis zur Herstel-lung des der Verfügung oder der Vorschrift entsprechenden Zustandes die Einstellung des Betriebs, soweit derselbe durch die Verfügung oder die Vorschrift getroffen wird, anordnen, falls dessen Fortsetzung erhebliche Nachteile herbeizuführen geeignet ist. § 148. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft:

13. wer dem § 115 a oder den auf Grund des § 119 a erlassenen statutarischen Bestimmungen zuwiderhandelt.

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Anhang zum dritten Titel.

§ 149. Mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark und im Un­ vermögensfalle mit Haft bis zu acht Tagen wird bestraft:

7. wer es unterläßt, den durch §§ 105c Abs. 2, 134e Abs. 2, 138, 138 a Abs. 5, 139 b für ihn begründeten Verpflichtungen nach-zukommen. § 150. Mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark und im Un­ vermögensfalle mit Haft bis zu drei Tagen für jeden Fall der Verletzung des Gesetzes wird bestraft: 1 2. wer außer dem im § 146 Nr. 3 vorgesehenen Falle den Vorschriften dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeitsbücher, Lohn­ bücher oder Arbeitszettel oder den auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Bestimmungen oder den Vorschriften des § 134 Abs. 2 zuwiderhandelt.

§ 151. Sind bei der Ausübung der Gewerbes polizeiliche Vorschriften von Personen übertreten worden, welche der Gewerbe­ treibende zur Leitung des Betriebs oder eines Teiles desselben oder zur Beaufsichtigung bestellt hatte, so trifft die Strafe diese letzteren. Der Gewerbetreibende ist neben denselben strafbar, wenn die Übertretung mit seinem Vorwissen begangen ist oder wenn er bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beauf­ sichtigung des Betriebs, oder bei der Auswahl oder der Beauf­ sichtigung der Betriebsleiter oder Aufsichtspersonen es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen. 1. Stehe die Anmerkung zu § 76 ABG. 2. Zu den Gewerbetreibenden im Sinne des § 151 gehört auch der gesetzliche Vertreter desselben. Es haften daher bet den Unternehmungen, welche von juristischen Personen betrieben werden, die gesetzlichen Vertreter derselben strafrechtlich für die Übertretungen, welche die von ihnen zur Leitung und Beaufsichtigung deS Betriebes bestellten Personen begehen, Urt. des RG. v. 3. Mai 1900, Entsch. in Strass. Bd. 33 S. 261. 3. Ein Werkführer ist Gehilfe, nicht Stellvertreter des Gewerbetreiben­ den im Sinne des § 151, Urt. des RG. v. 12. Okt. 1880, 11./18. Juni 1881, 12. Dez. 1884, Entsch. in Straff. Bd. 2 S. 321, Bd. 4 S. 307, Bd. 11 S. 304. 4. Die Stellvertretung braucht sich nicht auf die Leitung oder Beauf­ sichtigung des ganzen Betriebes zu erstrecken, sie kann sich vielmehr auch auf einzelne Teile desselben beschränken, Urt. des RG. v. 26. Sept. 1893, Entsch. in Straff. Bd. 24 S. 293.

§ 152. Alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbe­ treibende, gewerbliche Gehilfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Verabredungen und Bereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittelst Ein­ stellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben.

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Jedem Teilnehmer steht der Rücktritt von solchen Ber­ einigungen und Verabredungen frei, und es findet aus letzteren weder Klage noch Einrede statt. 1. In Übereinstimmung mit der Pr. GO. v. 17. Jan. 1845, §§ 181 bis 184 hatte das Gesetz betr. die Aufsicht der Bergbehörden über den Bergbau v. 21. Mai 1860 §§ 16, 17 u. 18, daS Verbot der Koalition und die Be­ strafung deS Vertragsbruchs auch aus den Bergbau ausgedehnt- Z. Bd. 1 S. 6, 418, 470. Diesen Rechtszustand erhielt das ABG. im § 244 zunächst aufrecht- vgl. KB. AH. S. 73, KB. AH. S. 105- Z. Bd. 6 S. 366. Durch die GO. v. 21. Juni 1869 werden aber jene Bestimmungen des Ges. v. 21. Mai 1860 aufgehoben und somit wurde der Vorbehalt im § 244 ABG. gegenstandslos- vgl. Z. Bd. 11 S. 258. Nach § 154 Abs. 3 GO. finden statt dessen die §§ 152 und 153 auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken usw. entsprechende Anwendung. 2. Die zu erlangenden günstigen Lohn- und Arbeitsbedingungen müssen zukünftige sein und sich auf ein bestimmtes Arbeitsfeld beziehen, der KretS der an der Verabredung beteiligten Personen braucht jedoch nicht durch ein solches Arbeitsverhältnis begrenzt zu sein, ebensowenig brauchen die Beteiligten die Vorteile für sich selbst zu erstreben oder die erstrebten Vorteile allen Be­ teiligten zugute zu kommen. Zu den unter § 152 fallenden Verabredungen gehören auch solche, welche bezwecken, die Freiheit des Arbeitgebers in der Wahl seiner Arbeiter zu beschränken oder ihn zu drängen, ausgesperrte Berufsgenosien wieder ein­ zustellen. 3. Streik, Ausstand, Boykott der Arbeiter bzw. Aussperrung u. dgl. durch die Arbeitgeber verstoßen nur dann gegen die guten Sitten und ver­ pflichten nur dann zum Schadensersatz auf Grund des § 826 BGB., wenn bei ihnen zu unerlaubten Mitteln gegriffen wird. 4. Die Ausbedingung von Vertragsstrafen bei solchen Verabredungen ist gemäß § 344 BGB. unwirksam. 5. Versammlungen zu Zwecken des § 152 bedürfen nach § 6 Abs. 3 des Vereinsges. v. 19. April 1908 (RGBl. S. 151) keiner Anzeige bei der Polizeibehörde. Vgl. im übrigen die Anm. zu § 152 bei v. Landmann, v. Rohrscheibt und Arndt.

§ 153. Wer andere durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrverletzung oder durch Berrufserklärung bestimmt oder zu bestimmen versucht, an solchen Verabredungen (§ 152) teilzunehmen oder ihnen Folge zu leisten, oder andere durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern versucht, von solchen Ver­ abredungen zurückzutreten, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, sofern nach dem allgemeinen Strafgesetze nicht eine härtere Strafe eintritt. 1. Vgl. Anm. 1 zu § 152. 2. „andere" im Sinne des § 153 sind auch die nicht an der Verab­ redung Beteiligten, Urt. des RG. v. 23. Nov. 1897, 30. April 1903, Entsch. in Strass. Bd. 30 S. 359, Bd. 36 S. 206. 3. Die Drohung muß eine widerrechtliche sein, Urt. des RG. v. 12. Juli 1906, Entsch. Bd. 64 S. 52, v. 8. Febr. 1909, DIZ. S. 434. Die

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Anhang zum dritten Titel.

Ankündigung eines Boykotts zu Zwecken des § 152 ist daher keine nach § 153 strafbare Drohung, ebensowenig die Ausstellung von Streikposten. Im übrigen ist der Begriff der „Drohung" kein anderer wie der der „Bedrohung" im § 240 StGB-, Urt. des RG. v. 9. März 1900, GoldtammerS Archiv Bd. 47 S. 167. 4. Über den Begriff der „Ehrverletzung" vgl. Urt. des RG. v. 2. Olt. 1884, Entsch. in Straff. Bd. US. 130. 5. über die Strafbarkeit des „Versuche-" in den Fällen des § 153 vgl. Urt. des OTr. v. 9. Okt 1873 u. 3. Juni 1874, Rechtspr. des OTr. in Strass. Bd. 14 S. 619, Bd. 15 S. 362. 6. § 153 kommt dort nicht zur Anwendung, wo nach den allgemeinen Strafgesetzen, z. B. den §§ 185 ff., 223, 223 a, 240, 241 StGB., eine härtere Strafe eintritt, eS kann also nicht etwa Jdealkonkurrenz mit diesen in Frage kommen, Urt. des RG. v. 14. April 1910, Entsch. in Strass. Bd. 44 S. 1, Urt. des KG. v. 1. Mai 1911, Gew. Arch. Bd. 11 S. 175.

§ 154a. Die Bestimmungen des § 114a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 114b Abs. 1, der §§ 114c bis 119a, des § 134 Abs. 2, der §§ 135 bis 139 b, der §§ 152 und 153 finden auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben entsprechende Anwendung, und zwar auch für den Fall, daß in ihnen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden. Arbeiterinnen dürfen in Anlagen der vorbezeichneten Art nicht unter Tage beschäftigt werden. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen bei der Förderung, mit Ausnahme der Aufbereitung (Separation, Wäsche), bei dem Transport und der Verladung ist auch über Tage verboten. Zuwiderhandlungen unterliegen der Strafbestimmung des § 146. 1. Die Anwendung des § 139 aa muß, obwohl dies in § 154 a nicht besonders zum Ausdruck gebracht ist, als sinnwidrig als ausgeschloffen gelten, so auch Thielmann Anm. 2 zu 8 154 a. 2. Wegen der Anwendbarkeit der §§ 146 ff. vgl. Anm. 1 zu § 146. 3. Der Abs. 2 Satz 2 ist vom 1. April 1912 mit der Maßgabe in Kraft getreten, daß die an diesem Tage beschäftigten Arbeiterinnen bis spätestens den 1. April 1915 beschäftigt werden dürfen.

§ 155. Wo in diesem Gesetz auf die Landesgesetze verwiesen ist, sind unter den letzteren auch die verfassungs- oder gesetzmäßig erlassenen Verordnungen verstanden. Welche Behörden in jedem Bundesstaat unter der Bezeich­ nung: höhere Verwaltungsbehörde, untere Verwaltungsbehörde, Gemeindebehörde, Ortsbehörde, Unterbehörde, Polizeibehörde, Orts­ polizeibehörde und welche Verbände unter der Bezeichnung weitere Kommunalverbände zu verstehen sind, wird von der Zentralbehörde des Bundesstaats bekannt gemacht. Für die unter Reichs- und Staatsverwaltung stehenden Betriebe können die von den Polizeibehörden, unteren und höheren Verwaltungsbehörden durch die §§ 105 b Abs. 2, 105 c Abs. 2, 105e, 105f, 115a, 120d, 134e bis 134g, 138 Abs. 1, 138a, 139,

Ausführungsanweisung zur Gewerbeordnung.

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139 b übertragenen Befugnisse und Obliegenheiten auf die der Verwaltung dieser Betriebe vorgesetzten Dienstbehörden übertragen werden. 1. Für Bergwerke usw. ist obere Verwaltungsbehörde das Oberberg­ amt, untere Verwaltungsbehörde und Polizeibehörde der Revierbeamte, Ausf.Anw. Ziff. 6, auch übt derselbe hier die Gewerbeauffichr auS, § 189 Abs. 2 Satz 2 u. Anm 4. Vgl. im übrigen Ausf.-Anw. Ziff. 1 ff. 2. Bon der Befugnis des Abs. 2 ist für die Staatsbergwerke kein Gebrauch gemacht worden, auf ihnen üben vielmehr die zuständigen Revier­ beamten die Gewerbeaufstcht aus (vgl. oben S. 789/90). Wegen der staat­ lichen Hüttenbetriebe vgl. Min.-Erl. v. 2. April 1892 (Min.-Bl. d. i. B. S. 159).

Va. HurfiivrungranMrlrung zur Gewerbeordnung für dar Deutsche Reich vom

2b. NEmber°i909

"ebst den Ergänzungen

vom 17. April,

24. Mai 1910 und 20. März 1912 (Z. Bd. 45 S. 132, Bd. 51 S. 194, 363, Bd. 53 S. 331).

Behörden. 1. Unter der Bezeichnung „Weiterer Kommunal­ verband" sind zu verstehen: die Provinzialverbände, die kommunal­ ständischen Verbände der Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden, die Kreisverbände, der Landeskommunalverband und die Ober­ amtsbezirke in Hohenzollern, die Landbürgermeistereien der Rhein­ provinz und die Ämter in Westfalen, in den Fällen des § 120 auch die zur Errichtung und Verwaltung von Fortbildungsschulen gebildeten Zweckverbände. 2. Unter der Bezeichnung „Höhere Verwaltungs­ behörde" sind zu verstehen: a) in den Fällen der §§ 27, 30 Abs. 1, der §§ 39, 51, 61, 64, 84, 85, 97, 98 a, 100 c, 102, 105 e Abs. 3, des § 142 die Bezirksausschüsse, vgl. §§ 111, 115 Abs. 1 lit. a, §§117, 132, 112, 128, 124, 125, 127, 122 ZG., § 5 der Verordnung vom 31. Dezember 1883 (GS 1884 S. 7); b) in Fällen des § 28 die Oberpräsidenten und Regierungs­ präsidentenc) in den übrigen Fällen die Regierungspräsidenten. 3. Unter der Bezeichnung „Untere Verwaltungs­ behörde" sind zu verstehen:

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Anhang zum dritten Titel.

a) in den Fällen des § 117 Ziff. 1 des ZG. die Ortspolizei­ behörden,' b) in den Fällen des § 77 die Landräte,' c) in den Fällen des § 105 c Abs. 4, soweit es sich um Betriebe der im § 105 b Abs. 1 bezeichneten Art handelt, und in den Fällen der §§ 105f, 138a, 139 die Gewerbeinspektorend) in den übrigen Fällen: in Städten über 10000 Einwohner die Gemeindebehörde, im übrigen der Landrat, in den Hohenzollernschen Landen der Oberamtmann,' jedoch tritt in den Fällen der §§ 53 a, 54 Abs. 2, 55 a sowie in den Fällen des Titels VII, mit Ausnahme des § 126a Abs. 3, des § 128 Abs. 1, des § 129 Abs. 3 und des § 129 a Abs. 3, in Städten über 10000 Einwohner an die Stelle der Gemeindebehörde die Orts­ polizeibehörde ; in der Provinz Hannover in Städten, auf die die revidierte Hannoversche Städteordnung vom 24. Juni 1858 An­ wendung findet, mit Ausnahme der im § 27 Abs. 2 der Hannoverschen Kreisordnung vom 6. Mai 1884 benannten Städte, die Gemeindebehörde, im übrigen der Landrat. 4. Unter der Bezeichnung „Gemeindebehörde" ist der Vorstand der Gemeinde, in Gutsbezirken der Gutsvorsteher zu verstehen. 5. Unter der Bezeichnung „Polizeibehörde" ist, abge­ sehen von den in den Ziff. 127, 133 Abs. 2 bezeichneten Fällen die Ortspolizeibehörde zu verstehen, d. i. derjenige Beamte oder diejenige Behörde, welchen die Verwaltung der örtlichen Polizei obliegt. 6. Für diejenigen Betriebe, welche der Aufsicht der Berg­ behörden unterstellt sind, ist unter der Bezeichnung „Höhere Ver­ waltungsbehörde und zuständige Polizeibehörde im Sinne deS § 114c" das Oberbergamt, unter der Bezeichnung „Untere Ver­ waltungsbehörde" und „Ortspolizeibehörde" der Bergrevierbeamte zu verstehen. Zu Titel VII der GO.

B.

Sonntagsruhe im Gewerbebetriebe mit Ausnahme des Handelsgewerbes. §§ 105 a, 105b Abs. 1, 105 c bis 105i.

143. Verboten ist an Sonn- und Festtagen jeder Art der Beschäftigung von Arbeitern „im Betriebe" der unter § 105b Abs. 1 fallenden Gewerbe, also im Betriebe von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen und Gruben, von Hüttenwerken, Fabriken und Werkstätten, von Zimmerplätzen und Bauhöfen, von Werften und Ziegeleien. Durch die Worte „im Betriebe" ist zum Ausdruck gebracht, daß das Verbot nicht nur räumlich für die Betriebsstätte, in welcher sich der betreffende Gewerbebetrieb regelmäßig abzuwickeln

AusführungSanwetfung zur Gewerbeordnung.

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pflegt, sondern für jede zu dem Gewerbebetriebe gehörige Tätig­ keit gelten soll. So dürfen z. B. Monteure, Schlosser-, Glaser-, Maler-, Tapezier-, Barbiergehilfen während der Sonntagsruhe auch außerhalb der Betriebsstätte nicht beschäftigt werden, soweit nicht etwa die betreffenden Arbeiten gemäß den Vorschriften der §§ 105 c bis 105 f statthaft sind. Das Verbot der Sonntagsarbeit gilt auch für „Bauten aller Art", d. h. für Hoch-, Tief-, Wege-, Eisenbahn- und Wasserbauten, sowie für Erdarbeiten, sofern diese nicht Ausfluß eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, des Weinbaues oder des Gartenbaus sind, ferner nicht nur für Neubauten, sondern auch für Ausbefferungs- und Jnstandhaltungsarbeiten, z. B. auch für das Schornsteinfegergewerbe. 144. Das Verbot der Sonntagsarbeit gilt für gewerbliche Arbeiter im weitesten Sinn, also nicht nur für Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter und andere im Betriebe beschäftigte Handarbeiter, sondern auch für Betriebsbeamte, Werkmeister und Techniker. Die den Arbeitern zu gewährende Ruhe soll mindestens dauern: für einzelne Sonn- und Festtage 24 Stunden, für zwei auseinander folgende Sonn- und Festtage 36 Stunden, für das Weihnachts-, Oster- und Pfingstfest 48 Stunden. Diese Ruhezeiten müssen auch in solchen Betrieben, welche an Werktagen ununterbrochen mit regelmäßiger Tag- und Nacht­ schicht arbeiten, gewährt werden, soweit nicht etwa für diese Betriebe gemäß §§ 105 c bis 105 e Ausnahmen von dem Verbote der Sonntagsarbeit Platz greifen. Während aber in Betrieben, die nur bei Tag oder in unregelmäßigen Schichten zu arbeiten pflegen, die Ruhezeit stets von 12 Uhr nachts an gerechnet werden soll, kann in Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht die Ruhezeit schon frühestens um 6 Uhr abends des vorher­ gehenden Werktages und spätestens erst um 6 Uhr morgens des Sonn- oder Festtags beginnen, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden der Betrieb ruht. Für alle Fälle gilt die Vorschrift, daß die Ruhezeit an zwei aufeinander folgenden Sonn- und Festtagen stets bis 6 Uhr abends des zweiten Tags dauern muß. Demnach beträgt die Ruhezeit in Betrieben, die keine regelmäßigen Tag- und Nachtschichten haben, nicht nur 36 Stunden, sondern mindestens 42 Stunden von dem Beginne der Mitternachtsstunde des ersten Tages bis 6 Uhr abends des zweiten Tages. 145. Jugendliche Arbeiter dürfen in Fabriken und den in § 154 Abs. 2, § 154a bezeichneten gewerblichen Anlagen an Sonn- und Festtagen überhaupt nicht beschäftigt werden (§ 136 Abs. 3, vgl. Ziff. 148). Bezüglich des Verbots der Sonntagsarbeit jugendlicher Arbeiter in den Werkstätten mit Motorbetrieb siehe

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Anhang zum dritten Titel.

die Verordnung vom 9. Juni 1900 (RGBl. S. 565) nebst Be­ kanntmachung des Reichskanzlers vom 13. Juli 1900 (RGBl. S. 566) Ziff. 4 Abs. 3, Ziff. 13 Abs. 2, Ziff. 16 Abs. 2, Ziff. 18,19. Hinsichtlich der Beschäftigung von Kindern an Sonn- und Festtagen sind die Bestimniungen des Gesetzes, betreffend Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben, vom 30. März 1903 (RGBl. S. 113) zu beachten. 146. Während im Handelsgewerbe, soweit es in offenen Verkaufsstellen betrieben wird, auch die Sonntagsarbeit der Arbeitgeber Beschränkungen unterliegt (§ 41a), ist in den hier in Rede' stehenden Gewerben den Arbeitgebern und selbständigen Gewerbetreibenden die Sonntagsarbeit durch die Vorschriften der Gewerbeordnung nicht verwehrt. Indessen ist es der Landesgesetzgebung vorbehalten, die Arbeit an Sonn- und Festtagen in größerem Umfang, als dies in der Gewerbeordnung geschehen, einzuschränken, d. h. nicht nur für die Arbeiter eine ausgedehntere als die in der Gewerbeordnung vor­ gesehene Sonntagsrube vorzuschreiben, sondern auch die gewerb­ liche Arbeit von selbständigen Gewerbetreibenden an Sonn- und Festtagen ganz oder teilweise zu untersagen (§ 105 h Abs. 1). Zu diesen landesgesetzlichen Bestimmungen zählen auch die Polizeiverordnungen, insbesondere diejenigen über die äußere Heilighaltung der Sonn- und Festtage. 147. Ausnahmen von dem Verbote der Sonntagsarbeit treten ein: a) kraft gesetzlicher Vorschrift (§ 105 c), b) kraft der vom Bundesrat auf Grund des § 105 d beschlossenen Vorschriften, c) kraft der von der höheren Verwaltungsbehörde auf Grund des § 105 e erlassenen Bestimmung, d) kraft der von der unteren Verwaltungsbehörde auf Grund des § 105 f erteilten besonderen Erlaubnis, e) kraft der von der Landeszentralbehörde auf Grund des § 105h Abs. 2 getroffenen Entschließung. 148. Soweit gemäß den nachstehenden Bestimniungen zu Ziff. 149—180 in Fabriken und den in § 154 Abs. 2, 3, § 154 a bezeichneten gewerblichen Anlagen Ausnahmen von dem Verbote der Sonntagsarbeit Platz greifen, sind in diesen Betrieben bei der Beschäftigung von Arbeiterinnen außer den allgemeinen Bedingungen, an die die Zulassung der Sonntagsarbeit geknüpft ist, auch noch die Vorschriften des § 137 und die auf Grund der 88 139, 139 a erlassenen Bestimmungen, in Motorwerkstätten die Bestimmungen der Bekanntmachung vom 13. Juli 1900 (RGBl. S. 566), zu beachten. Da in den im Abs. 1 bezeichneten Betrieben die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter an Sonn- und Festtagen im allgemeinen verboten ist und Ausnahmen von diesem Verbote nur auf Grund der 88 139 und 139 a zugelassen werden können, so dürfen fügend-

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liche Arbeiter in diesen Betrieben auch zu den nach Ziff. 149—180 zulässigen Sonntagsarbeiten nur insoweit herangezogen werden, als diese Beschäftigung auf Grund des § 139 oder des § 139 a an Sonn- und Festtagen ausdrücklich gestartet ist. 149. Unter denjenigen Arbeiten, auf welche das Verbot der Sonntagsarbeit kraft Gesetzes keine Anwendung findet, werden im § 105 c an erster Stelle solche Arbeiten gerechnet, die in Not­ fällen oder im öffentlichen Jntereffe unverzüglich vorgenommen werden müssen. Zu den „Arbeiten in Notfällen" gehören solche Arbeiten, welche zur Beseitigung eines Notstandes oder zur Abwendung einer Gefahr sofort vorgenommen werden müssen, ferner aber auch dringende Arbeiten, die durch Todesfälle, Erkran­ kungen, unvorhergesehene, erhebliche geschäftliche Zwischenfälle usw. erforderlich werden und nicht wohl auf den nachfolgenden Werktag verschoben werden können,' dagegen kann nicht etwa schlechthin die Erledigung eiliger Arbeiten hierher gerechnet werden. Unter „öffentlichem Interesse" ist nicht nur das Interesse des Staates oder der Gemeinde, sondern auch dasjenige des Publikums zu verstehe». 150. Die Befugnis, Reinigungs- und Instandhaltungs­ arbeiten, durch die der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebs bedingt ist, Arbeiten, von denen die Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebes abhängig ist, sowie solche Arbeiten vorzunehmen, welche zur Verhütung des Verderbens von Rohstoffen oder des Mißlingens von Arbeits­ erzeugnissen erforderlich sind, ist davon abhängig gemacht, daß die genannten Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können (§ 105 c Abs. 1 Ziff. 3, 4). Die Möglichkeit ihrer Vornahme an Werktagen ist nach den Umständen des einzelnen Falles und den besonderen Verhältniffen der einzelnen Betriebe zu beurteilen. Die Befugnis zur Ausführung der bezeichneten Arbeiten wird für den einzelnen Gewerbe­ treibenden nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß andere Betriebe derselben Gattung, deren Einrichtungen indessen wesentlich ver­ schieden sind, der Sonntagsarbeit nicht bedürfen. Wohl aber finden die Bestimmungen keine Anwendung, wenn und sobald es dem Gewerbetreibenden möglich ist, ohne erhebliche Unzuträglich­ keiten für den Betrieb oder die Arbeiter und ohne unverhältnisniäßige Opfer sich so einzurichten, daß er ohne Sonntagsarbeit auskommen kann. 151. Die Bestimmungen des § 105 c finden auch auf solche Betriebe Anwendung, für die nach den §§ 105d—105f, 105 h besondere Ausnahmen zugelassen sind. 152. Werden Arbeiter an Sonn- und Festtagen mit Arbeiten beschäftigt, die kraft gesetzlicher Vorschrift zulässig sind, so müssen die Gewerbetreibenden in das im § 105 c Abs. 2 bezeichnete Ver­ zeichnis für jeden einzelnen Sonn- und Festtag, an dem eine solche Beschäftigung stattgefunden hat, die Zahl der beschäftigten

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Anhang zum dritten Titel.

Arbeiter, die Dauer der Beschäftigung durch Angabe der Lage der Arbeitsstunden sowie die Art der vorgenommenen Arbeiten ein­ tragen. In das Verzeichnis sind alle in § 105 c bezeichneten Arbeiten einzutragen, die während der in dem Betrieb einzuhaltenden sonnund festtäglichen Betriebsruhe vorgenommen werden, mag die letztere ganz oder nur teilweise auf den Sonn- oder Festtag fallen, und mag sie 24 oder nur 12 oder abwechselnd 12 und 36 Stunden dauern. An zwei aufeinander folgenden Sonn- und Festtagen sind nur diejenigen Arbeiten einzutragen, welche während der im § 105 b Abs. 1 vorgeschriebenen 36 stündigen Betriebsruhe statt­ finden. Das Verzeichnis muß über alle während des betreffenden Kalenderjahres auf Grund des § 105 c vorgenommenen Sonntags­ arbeiten Auskunft geben. Für Arbeitgeber, die zahlreiche Arbeiter beschäftigen, empfiehlt es sich, das Verzeichnis nach dem anliegenden Muster J zu führe». Bei Eintragung der Art der vorgenommenen Arbeiten ge­ nügt es, sofern es sich nicht um die Bewachung der Betriebs­ anlagen sowie um die Beaufsichtigung des Betriebs handelt, nicht, die Arbeiten allgemein nach der in den Ziff. 1—5 des Abs. 1 des § 105 c gegebenen Bezeichnung anzuführen. Vielmehr muß aus den Eintragungen die Art der Arbeit so weit zu ersehen sein, daß beurteilt werden kann, ob sie unter die in diesen Ziffern bezeichneten Arbeiten fällt. Die Eintragungen müssen für jeden Sonn- und Festtag, wenn tunlich, spätestens ani folgenden Wochen­ tag vorgenommen werden. 153. Während für solche Arbeiter, welche lediglich mit den im § 105 c unter den Ziff. 1, 2, 5 bezeichneten Arbeiten beschäftigt werden, besondere Ruhezeiten nicht vorgeschrieben sind, müssen denjenigen Arbeitern, welche mit den unter den Ziff. 3, 4 bezeich­ neten Arbeiten an Sonntagen länger als drei Stunden beschäftigt oder hierdurch am Besuche des Gottesdienstes gehindert werden, an jedem zweiten oder dritten Sonntage bestimmte Ruhezeiten verbleiben (§ 105 c Abs. 3). Die Wahl, ob Sonntagsruhe am zweiten oder dritten Sonntage zu gewähren sei, steht den Gewerbe­ treibenden zu. Für die Beschäftigung an den nicht auf einen Sonntag fallenden Festtagen braucht ein Ausgleich durch Frei­ lassung von der Arbeit am zweiten oder dritten Sonntage nicht gewährt zu werden. 154. Der Gewerbeinspektor — Bergrevierbeamte — darf auf besonderen Antrag eine allwöchentlich zu gewährende 24stün­ dige Wochentagsruhe anstatt der Ruhe am zweiten oder dritten Sonntage nur unter der Voraussetzung zulassen, daß die Arbeiter am Besuche des Gottesdienstes nicht gehindert werden (§ 105 c Abs. 4). Außerdem ist die Genehmigung in der Regel nur zu erteilen, wenn die Durchführung der Ruhe am zweiten oder dritten Sonntage mit unverhältnismäßigen Opfern oder mit erheblichen

AusführungSanwetsung zur Gewerbeordnung.

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Unzuträglichkeiten für den Betrieb oder die Arbeiter verbunden sein würde. Die Genehmigungsverfügung ist schriftlich zu erlassen. Sie muß bestimmen, für wieviel Arbeiter, für welche Arbeiten und unter welchen Bedingungen die Ausnahme bewilligt wird. Die Genehmigung ist, sofern sich die Ausnahme auf mehr als vier Sonntage erstreckt, nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalte des jederzeitigen Widerrufs zu erteilen. Der Gewerbeinspektor hat eine Abschrift der Genehmigungsverfügung der Ortspolizeibehörde mitzutcilen. Die Genehmigung ist in ein Verzeichnis einzutragen, welches nach dem beigefügten Muster K anzulegen ist. Das Verzeichnis oder eine Abschrift davon ist bis zum 15. Januar jedes Jahres dem Regierungspräsidenten einzureichen und von diesem dem Regierungs- und Gewerberate zur Benutzung bei Erstattung des Jahresberichts zu überweisen. Für die der Aufsicht der Bergbehörden unterstellten Betriebe erfolgt die Einreichung an das Oberbergamt. 155. Umfang und Bedingungen der auf Grund des § 105 d durch den Bundesrat zugelassenen Ausnahmen ergeben sich aus der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 5. Februar 1895 (RGBl. S. 12) und den dazu ergangenen Nachträgen. Die in die Bekanntmachung aufgenommenen Gewerbe sind im wesentlichen in Anlehnung an die damals gültige Klassifikation der Gewerbestatistik aufgezählt. Wenn in einer gewerblichen An­ lage mehrere unter verschiedene Gruppen der Gewerbestatistik gehörige Betriebe vereinigt sind, wie z. B. Hochofenwerke und Eisengießereien (Gruppen III, V), so greifen für diese einzelnen Betriebsteile die verschiedenen Ausnahmevorschriften Platz. 156. In den Bestimmungen des Bundesrats sind nur die auf Grund des § 105d zugelassenen Sonntagsarbeiten aufgezählt, dagegen nicht diejenigen Arbeiten, welche nach § 105 c Abs. 1 an Sonn- und Festtagen kraft gesetzlicher Vorschrift vorgenommen werden können. Als Richtschnur dafür, welche Arbeiten nach § 105 c Abs. 1 als gestattet anzusehen sind, haben die im Min.Bl. d. i. V. 1895 S. 58 ff. veröffentlichten Erläuterungen zu der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 5. Februar 1895 zu dienen. Jedoch sind in diesen Erläuterungen weder alle nach § 105 c Abs. 1 zulässigen Arbeiten angeführt, noch ist ohne weiteres anzunehmen, daß die daselbst als unter § 105c Abs. 1 fallend bezeichneten Arbeiten in allen Betrieben der betreffenden Art gesetzlich ge­ stattet sind. Vielmehr kommt es hierbei wesentlich auf die Ver­ hältnisse der einzelnen Betriebe (räumliche Ausdehnung, Fabri­ kationsart u. dgl.) an,' vgl. Ziff. 150. 157. Die Bestimmungen des Bundesrats knüpfen die Ge­ stattung von Sonntagsarbeiten an Bedingungen, die den Arbeitern ein Mindestmaß von Ruhe sichern. Wenn nicht im einzelnen Falle Gefahr im Verzug ist, dürfen die Arbeiter während dieser

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Anhang zum dritten Tttel.

Ruhezeit zu keinerlei Arbeit, auch nicht zu den im § 105 c Abs. 1 bezeichneten Arbeiten herangezogen werden. In allen Fällen, wo nach den Bestimmungen des Bundesrats den Arbeitern mindestens Ruhezeiten gemäß § 105 c Abs. 3 zu gewähren sind, ist gleichzeitig der unteren Verwaltungsbehörde die Ermächtigung erteilt, analog der Bestimmungen im Abs. 4 des § 105 c an Stelle der Ruhe an jedem zweiten oder dritten Sonn­ tag eine allwöchentlich zu gewährende 24 stündige Ruhezeit an einem Wochentage zuzulassen, sofern die Arbeiter am Besuche des sonntäglichen Gottesdienstes nicht behindert werden. In das nach Ziff. 154 zu führende Verzeichnis hat die untere Verwaltungsbehörde diese Ausnahmebewilligungen nicht ein­ zutragen. 175. Bei der Bewilligung von Ausnahmen auf Grund des § 105e für die mit Wind oder unregelmäßiger Wasserkraft arbeitenden Betriebe sind die Bestimmungen der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 3. April 1901 (RGBl. S. 117) genau zu beachten. Für die Zulassung der Ausnahmen kommen zwei Verfahren in Frage: a) Einmal ist der Regierungspräsident, für die der Aufsicht der Bergbehörden unterstellten Betriebe das Oberbergamt, befugt, nach Lage der örtlichen Verhältnisse allgemeine Aus­ nahmen für bestimmte Betriebsarten, Verwaltungsgebiete oder Wasserläufe zuzulasien, sowie einzelnen, nach Art, Ein­ richtung oder Lage des Betriebs der besonderen Regelung bedürftigen Unternehmungen Ausnahmen zu gewähren (§ 105 e Abs. 1). b) Daneben hat jeder Triebwerksbesitzer die Möglichkeit, für seinen Betrieb in einem nach den Vorschriften der §§ 20 und 21 sich regelnden Verfahren besondere Ausnahmen zu er­ wirken (ß 105 c Abs. 3). In den Fällen zu b hat in erster Instanz der Bezirks­ ausschuß, in zweiter Instanz der Minister für Handel und Gewerbe zu entscheiden. Für das Verfahren bei dem Be­ zirksausschüsse sind in erster Linie die Vorschriften im § 21 Ziff. 1, 2, 4 und 5 und daneben die im Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung für das Beschlußverfahren gegebenen Bestimmungen maßgebend. Für die der Aufsicht der Bergbehörden unterstellten Be­ triebe liegt die Entscheidung über die auf Grund des § 105 e Abs. 3 beantragte Zulassung besonderer Ausnahmen dem Oberbergamt, in zweiter Instanz dem Minister für Handel und Gewerbe ob. 176. Bei Zulassung von Ausnahmen durch den Regierungs­ präsidenten nach § 105 e Abs. 1 (Ziff. 175 Abs. 2 a) ist zwischen den Windmühlen und den Wassergetreidemühlen einerseits und

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den übrigen mit unregelmäßiger Wasserkraft arbeitenden Betrieben andererseits zu unterscheiden. Der Regierungspräsident (das Oberbergamt) kann die Be­ schäftigung von Arbeitern mit Arbeiten, die nicht an Werktagen voraenommen werden können, mit Ausschluß des ersten Weih­ nachts-, Oster- und Pfingsttags, gestatten a) für die mit unregelmäßiger Wasserkraft arbeitenden Betriebe mit Ausnahme der Getreidemühlen an nicht mehr als zwölf Sonn- und Festtagen im Jahre, b) für Windmühlen im Hinblick auf die jährlich wiederkehren­ den häufigen Unterbrechungen der regelmäßigen werktägigen Arbeitszeit durch ungünstige Winde und für Getreidewasser­ mühlen int Hinblick auf den Wettbewerb mit den Getreide­ windmühlen an nicht mehr als 26 Sonn- und Festtagen im Jahre. Weitergehende Ausnahmen sind nur unter besonderen Um­ ständen, und zwar nur dann zugelassen, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage oder sonstige eigenartige Verhältnisse der in Betracht kommenden Betriebe oder Betriebsarten geboten erscheint. Der Regierungspräsident (das Oberbergamt) hat von den Ausnahmebewilligungen den beteiligten Ortspolizeibehörden und Gewerbeinspektoren (Revierbeamten) Kenntnis zu geben. Allge­ meine, für bestimmte Betriebsarten, Berwaltungsgebiete oder Wasserläufe zugelassene Ausnahmen sind ferner im Amtsblatt und in den Kreisblättern der beteiligten Kreise zu veröffentlichen. 177. Bei den von dem Bezirksausschuß (Oberbergamt) nach § 105 e Abs. 3 zugelassenen Ausnahmen (Ziff. 175 Abs. 2 b) empfiehlt es sich, in dem Bescheid ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Ausnahmebewilligung jederzeit ganz oder teilweise wider­ rufen werden kann, und ferner vorzuschreiben, daß die Ausnahme­ bewilligung voit dem Betriebsinhaber an der Betriebsstätte aufzu­ bewahren und auf Erfordern dem Polizeibeamten sowie dem Ge­ werbeinspektor vorzuzeigen ist. 178. Für den Widerruf einer Ausnahmebewilligung ist die Behörde zuständig, die die Bewilligung erteilt hat. Gegen einen den Widerruf aussprechenden Beschluß des Bezirksausschusses (Oberbergamts) findet die Beschwerde an den Minister für Handel und Gewerbe statt. 179. Anträge auf Gestattung von Ausnahmen nach § 105 f hat der Gewerbeinspektor — Bergrevierbeamte — mög­ lichst schleunig zu erledigen. Bevor nicht dieser Beamte die Ge­ nehmigung erteilt hat, darf der Unternehmer die Sonntagsarbeiten nicht vornehmen lassen. Die nachträgliche Erteilung der Geneh­ migung ist unzulässig. Die Ausnahmen dürfen nur vorübergehend auf bestimmte Zeit und ferner nur unter folgenden zwei Voraussetzungen be­ willigt werden:

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Anhang zum dritten Titel.

a) Das Bedürfnis zur Sonntagsarbeit darf trotz Aufwendung gehöriger Sorgfalt nicht vorherzusehen gewesen sein. b) Der durch den Ausfall der Sonntagsarbeit drohende Schaden muß unverhältnismäßig, also so erheblich sein, daß demgegenüber die Beeinträchtigung, die die Sonntagsruhe der Arbeiter durch die Ausnahmegestattung erfährt, nicht entscheidend ins Gewicht fallen kann. Ausnahmen nach § 105 f sind in der Regel nach nicht für den ersten Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertag, im übrigen für den einzelnen Betrieb für mehr als vier aufeinanderfolgende Sonn- und Festtage nur mit Genehmigung des Regierungspräsi­ denten, des Oberbergamts (im LPB. Berlin des Polizeipräsi­ denten), zuzulassen. 180. Bei Bewilligung der Ausnahmen ist darauf Bedacht zu nehnien, daß die Dauer der Beschäftigung der Arbeiter an de« einzelnen Sonn- und Festtagen möglichst beschränkt wird. Bei mehr als fünfstündiger Beschäftigungsdauer ist erforderlichen­ falls vvrzuschreiben, daß die Bestimmungen im § 105 c Abs. 3 oder Abs 4 oder die unter Ziff. 163 angegebenen Bedingungen beobachtet werden. Die Genehmigungsverfügung soll schriftlich erlassen werden. Aus derselben muß zu ersehen sein, für wieviel Arbeiter, für welche Arbeiten und unter welchen Bedingungen die Ausnahme bewilligt wird. Die Genehmigung darf, sofern sich die Ausnahme auf mehr als vier aufeinanderfolgende Sonn- und Festtage er­ streckt, nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt werden. Endlich ist in der Verfügung darauf hinzuweisen, daß eine Abschrift derselben innerhalb der Betriebs­ stätte an einer den Arbeitern leicht zugänglichen Stelle ausgehängt werden muß. Der Gewerbeinspektor hat eine Abschrift der Genehmigungs­ verfügung der Ortspolizeibehörde mitzuteilen. Die Genehmigung ist in ein Verzeichnis einzutragen, welches nach dem beigefügten Muster L anzulegen ist. Das Verzeichnis oder eine Abschrift davon ist bis zum 15. Januar jeden Jahres dem Regierungspräsidenten einzureichen und von diesem dem Regierungs- und Gewerberate zur Benutzung bei Erstattung des Jahresberichts mitzuteilen. Für die der Aufsicht der Bergbehör­ den unterstellten Betriebe erfolgt die Einreichung an das Ober­ bergamt. D. Lohnzahlung. (8 H5a.) 194. Die Genehmigung zur Vornahme von Lohn- und Abschlagszahlungen in Gast- und Schankwirtschaften oder Verkaufsstellen ist von der unteren Verwaltungsbehörde nur auf Antrag des Gewerbetreibenden und nur in Fällen dringenden Bedürfnisses zu erteilen. Ein solches ist in der Regel nur an­ zunehmen für kleinere, nicht ständige Betriebe (Ziegeleien, Stein-

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brüche usw.) und Bauten, wenn eine zur Vornahme der Lohn­ zahlungen geeignete Räumlichkeit auf der Betriebsstätte oder in deren Nähe nicht vorhanden, ihre Beschaffung auch ohne unver­ hältnismäßige Kosten und Schwierigkeiten nicht zu bewirken ist. Voraussetzung der Genehmigung ist, daß Fürsorge getroffen ist, daß die aüsgelöhnten Arbeiter nicht zur Entnahme von Speisen und Getränken oder Waren verleitet werden. Bei Erteilung der Erlaubnis ist stets der jederzeitige Wider­ ruf ausdrücklich vorzubehalten. Für größere Bauten und ständige Betriebe ist die Erlaubnis niemals zu erteilen. Abschrift der schriftlich zu erteilenden Erlaubnis ist dem Regierungspräsidenten einzureichen. Zu beachten ist, daß die Rechtsbeständigkeit des § 9f der Verordnung vom 21. Dezember 1846 (GS. 1847 S. 21), wonach bei öffentlichen Bauausführungen (von Eisenbahnen, Kanälen, Chausseen usw.) die Zahlung keinesfalls in Schank- und Wirtshäusern erfolgen darf, durch den § 115a nicht berührt worden ist. K. Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern. (88 135—139a.)

223. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern darf in Betrieben, in denen in der Regel mindestens zehn Arbeiter beschäftigt werden, und in diesen gleichstehenden Anlagen nicht stattfinden, bevor der Arbeitgeber der Ortspolizeibehörde die im 8 138 vorgeschriebene Anzeige ge­ macht hat. Als Anlagen, die den Betrieben mit mindestens zehn Arbeitern gleichstehen, sind anzusehen: 1. gemäß 88 154 Abs. 2, 154a a) Ziegeleien und über Tage betriebene Brüche und Gruben, wenn darin in der Regel mindestens fünf Arbeiter be­ schäftigt werden, b) Hüttenwerke, Zimmerplätze, andere Bauhöfe, Werften und Werkstätten der Tabakindustrie, auch wenn in ihnen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden, c) Bergwerke, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebene Brüche oder Gruben, auch wenn in ihnen in der Regel weniger als zehn Arbeiter beschäftigt werden,' 2. nach Maßgabe der Verordnung vom 9. Juli 1900 und der Bekanntmachung vom 13. Juli 1900 (RGBl. S. 565), Werk­ stätten mit weniger als zehn Arbeitern, in denen durch elemen­ tare Kraft bewegte Triebwerke nicht bloß vorübergehend zur Verwendung kommen (vgl. Ziff. 275), und in denen der Arbeit­ geber nicht ausschließlich zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt (§ 154 Abs. 3).

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Anhang zum dritten Titel.

224. Die Anzeige ist schriftlich zu erstatten nnd muß er­ sehen lassen, ob in dem Betriebe Kinder unter 14 Jahren, junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren und Arbeiterinnen über 16 Jahre, oder welche dieser drei Arbeiterklassen beschäftigt werden sollen. Jede eingehende Anzeige ist von der Ortspolizeibehörde alsbald dem Gewerbeinspektor zu übersenden. Dieser hat zu prüfen, ob sie alle vorgeschriebenen Angaben enthält, und wenn dies nicht der Fall ist, ihre Vervollständigung zu veranlassen. Die Anzeigen sind der Ortspolizeibehörde zurückzusenden und von dieser nach Berichtigung des Katasterblatts der gewerblichen An­ lagen (Ziff. 257), auf die sie sich beziehen, zu den Akten zu nehmen. 225. Jeder Arbeitgeber, welcher die vorgeschriebene Anzeige gemacht hat, ist von dem Gewerbeinspektor möglichst bald schrift­ lich darauf hinzuweisen, daß er in den Räumen, in denen Arbei­ terinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, den im § 138 Abs. 2 erwähnten Auszug aus den Bestimmungen der Ge­ werbeordnung (Muster N*) und in den Räumen, in denen jugend­ liche Arbeiter beschäftigt werden, außerdem auch das im § 138 Abs. 2 erwähnte V erz ei chn is (Muster 0) auszuhängen hat. Für die Motorwerkstätten der Gruppe V A II treten, so­ weit sie nicht gemäß den Bestimmungen in Ziff. V A II 2d der Anlage I als kleinere Handwerksbetriebe hinsichtlich der Beschäftigung männlicher jugendlicher Arbeiter von der Verpflichtung zum Aushang überhaupt befreit sind, unter Fortfall des Verzeichnisses (Muster 0) an Stelle des in Abs. 1 bezeichneten Auszugs (Muster N) die Auszüge nach den Mustern R, 8. — Für die Motorwerkstätten der Gruppe V B treten, soweit sie nicht gemäß den Bestimmun­ gen in Ziff. V B II 2 der Anlage I als kleinere Handwerksbe­ triebe hinsichtlich der Beschäftigung männlicher jugendlicher Arbeiter von der Verpflichtung zum Aushang überhaupt befreit sind, unter Fortfall des Verzeichnisses (Muster 0) an Stelle des in Abs. 1 bezeichneten Auszugs (Muster N) die Auszüge nach den Mustern T, U. Für die in Ziff. 223 Abs. 2 unter 3 a bis d aufgeführten Konfektionswerkstätten gelten die Vorschriften des Abs. 1 mit der Maßgabe, daß an Stelle des Musters N die Muster V und W treten. 226. Für einzelne Betriebe können Ausnahmen von den Bestimmungen des § 135 Abs. 2, 3, der §§ 136, 137 Abs. 1 bis 4 zugelassen werden, und zwar: a) wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit: eine Verlängerung der Arbeitszeit von Arbeiterinnen über 16 Jahre an den Wochentagen außer Sonnabend bis 9 Uhr *) An Stelle des Musters N treten für die der Aufstcht der Berg­ behörde unterstehenden Betriebe die „Bestimmungen", welche durch Mm. Erlast vom 11. Ma« 1910 (Min.-Bl. 1910 S. 170) vorgeschrieben find.

AusführungSanweisung zur Gewerbeordnung.

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abends und bis zu 12 Stunden unter der Voraussetzung, daß die zu gewährende ununterbrochene Ruhezeit nicht weniger als zehn Stunden beträgt (§ 138a Abs. 1 bis 4); b) bei den im § 105c Abs. 1 Ziff. 3, 4 bezeichneten Arbeiten: eine Beschäftigung der Arbeiterinnen über 16 Jahre, die kein Hauswesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, an Sonnabenden und Vor. abenden von Festtagen von 5 Uhr nachmittags bis 8 Uhr abends unter der Voraussetzung, daß diese Arbeiterinnen am folgenden Sonn- oder Festtage arbeitsfrei bleiben (§ 138 a Abs. 5); c) wegen Unterbrechung des regelmäßigen Betriebs durch Naturereignisse oder Unglücksfälle: eine Ver­ längerung der Arbeitszeit, Gestattung der Nachtarbeit, Be­ schränkung der Pausen und der ununterbrochenen Ruhezeit für die jugendlichen und weiblichen Arbeiter (§ 139 Abj. 1); d) weg en der Natur des Betriebes oder aus Rück­ sichten auf die Arbeiter: Gestattung der Arbeit zur Nachtzeit und an Vorabenden von Sonn- und Festtagen sowie Abkürzung und Wegfall der Pausen für jugendliche und weibliche Arbeiter, aber ohne Überschreitung der gesetz­ lichen Arbeitsdauer, ohne Einschränkung der ununterbrochenen Ruhezeit und unter Gewährung von Pausen von zusammen mindestens einstttndiger Dauer für jugendliche Arbeiter, wenn ihre Beschäftigung länger als sechs Stunden dauert (§ 139 Abs. 2). Diese Bestimmungen gelten auch für die in Ziff. 223 Abs. 2 unter 1 aufgesührten Betriebe. Wegen der Motorwerkstätten mit weniger als zehn Arbeitern (Gruppe V A II und Gruppe V B II der Anlage I) vgl. Ziff. 248 bis 251, wegen der Werkstätten der Kleider- und Wäsche­ konfektion mit weniger als zehn Arbeitern vgl. Ziff. 252. 227. Zuständig für die Zulassung der Überarbeit von Arbeiterinnen über 16 Jahre wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit ist der Gewerbeinspektor nur auf die Dauer von zwei Wochen, d. h. zehn aufeinanderfolgenden Arbeits­ tagen, da zwei Wochen außer den etwaigen Feiertagen stets zwei Sonntage und zwei Sonnabende umfassen. Für die Zulassung auf längere Dauer ist nur der Regierungspräsident (im LPB. Berlin der Polizeipräsident von Berlin) zuständig, also auch dann, wenn vor Ablauf der zwei Wochen eine Fortdauer der längeren Beschäftigung nachgesucht wird. Innerhalb des Kalenderjahres ist der Gcwerbeinspektor nur von neuem zuständig, wenn nach Ablauf der von ihm oder dem Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin dem Polizeipräsidenten von Berlin) zugelassenen längeren Beschäftigung in dem Betrieb oder der Betriebsabteilung die ge­ setzliche Beschäftigung wieder eingetreten und, nachdem dies ge-

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Anhang zum dritten Titel.

schehen ist, ein neuer Antrag wegen Wiederkehr außerwöhnlicher Häufung der Arbeit gestellt wird. 228. Der schriftliche Antrag ist an den Gewerbeinspektor oder durch dessen Vermittlung an den Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin an den Polizeipräsidenten von Berlin) zu richten. Ist der Regierungspräsident (im LPB. Berlin der Polizeipräsident von Berlin) zuständig, so hat der Gewerbeinspektor sofort mangel­ hafte Anträge zur Vervollständigung zurückzugeben, andernfalls die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben festzustellen und den An­ trag mit dem Ergebnisse dieser Feststellung und seiner gutacht­ lichen Äußerung weiterzubefördern. ,,229. Für höchstens 40 Arbeitstage im Kalenderjahre kann die Überarbeit genehmigt werden, ohne daß ein Ausgleich in der übrigen Zeit des Jahres einzutreten braucht. Soll aber die Überarbeit auch nur für einen Tag über die 40 Arbeitstage hin­ aus von dem Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin von dem Polizeipräsidenten von Berlin) genehmigt werden, so muß auch für die bereits gestatteten 40 Tage ein Ausgleich eintreten. Für mehr als 50 Tage darf die Genehmigung zur Überarbeit nicht erteilt werden. 230. Unternehmer, die für mehr als 40 Arbeitstage im Kalenderjahre die Genehmigung zur Überarbeit nachsuchen, haben einen Betriebsplan für das ganze Kalenderjahr einzureichen, der für den Betrieb oder die Betriebsabteilung die Arbeitszeit der Arbeiterinnen über 16 Jahre an allen Betriebstagen ersehen läßt. Sonn- und Festtage sowie diejenigen Tage, für welche auf Grund des § 139 Abs. 1 eine längere als die regelmäßige gesetz­ liche Arbeitszeit gestattet worden ist, sind bei der nach § 138 a Abs. 2 vorzunehmenden Berechnung des Durchschnitts der Betriebs­ tage außer Ansatz zu lassen. Maßgebend ist auch für die sog. Kampagneindrustrieen, die nur während eines Teiles des Jahres im Betriebe sind, der Durchschnitt der Betriebstage, d. h. der Tage, an denen ein regelmäßiger Betrieb stattfindet. Der Regierungspräsident (im LPB. Berlin der Polizeiprä­ sident von Berlin) darf die Genehmigung zur Überarbeit für mehr als 40 Arbeitstage im Kalenderjahre nur unter der Bedingung erteilen, daß in dem Betrieb oder in der Betriebsabteilung für die Betriebstage des Kalenderjahrs, die nicht auf Vorabende von Sonn- und Festtagen fallen, die durchschnittliche Arbeitszeit zehn Stunden nicht übersteigt. 231. Der schriftliche Bescheid ist von dem Gewerbeinspektor innerhalb drei Tagen nach Eingang eines den gesetzlichen Anfor­ derungen entsprechenden Antrags, von dem Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin den« Polizeipräsidenten von Berlin) mit mög­ lichster Beschleunigung zu erteilen. Abschrift der Genehmigung ist der Ortspolizeibehörde und, wenn der Regierungspräsident zu­ ständig ist, von diesem auch dem Gewerbeinspektor zu übersenden.

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In dem Bescheid ist deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß den Arbeiterinnen eine ununterbrochene Ruhezeit von zehn Stunden gewährt werden muß. Bei der Genehmigung ist, abgesehen von besonderen im ein­ zelnen Falle zu stellenden Bedingungen, sowohl von dem Ge­ werbeinspektor als auch von dem Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin von dem Polizeipräsidenten von Berlin) stets ausdrücklich der Widerruf für den Fall vorzubehalten, daß die Grenzen und Bedingungen der Überarbeit nicht innegehalten werden, oder daß Unzuträglichkeiten aus der Überarbeit entstehen sollten. Ist die Genehmigung auf Grund eines Betriebsplanes erfolgt, so ist außerdem zu fordern, daß der Betriebsplan mit dem Genehmi­ gungsvermerk in den Räumen, in denen Arbeiterinnen über 16 Jahre beschäftigt werden, ausgehängt werde. Wenn die Bedingung der Genehmigung nicht innegehalten werden und die Nichtinnehaltung durch den Unternehmer oder durch eine von ihm zur Leitung des Betriebs oder zur Beauf­ sichtigung gestellte Person verschuldet ist, so ist in der Regel die Genehmigung sofort zu widerrufen und die Bestrafung wegen Zu­ widerhandlung gegen 8 137 auf Grund des § 146 Abs. 1 Ziff. 2 herbeizusühren. 232 bis 234 fallen fort. 235. Der Gewerbeinspektor hat über die Fälle, in denen die Erlaubnis zur Überarbeit auf Grund des § 138 a Abs. 1—4 erteilt wird, ein Verzeichnis zu führen, das nach dem Muster X anzulegen und nach Kalenderjahren und Betrieben zu ordnen ist. 236. Die Bestimmung im § 138 a Abs. 5 hat vornehmlich den Zweck, die Arbeiterinnen über 16 Jahre durch Bewilligung der Überarbeit an Vorabenden von Sonn- und Fest­ tagen von der sonst notwendigen, nach § 105c Abs. 1 Ziff. 3, 4 (vgl. Ziff. 150) gesetzlich zugelassenen Sonntagsarbeit frei zu machen. Auf diesen besonderen Zweck der den Gewerbeinspektoren eingeräumten Ausnahmebefugnis werden diese bei der Entscheidung über Ausnahmegesuche stets zu achten haben. Die Genehmigung zu den Arbeiten des § 105 c Abs. 1 Ziff. 3, 4 kann auch für eine größere Anzahl von genau bezeich­ neten Vorabenden von Sonn- und Festtagen im voraus nachge­ sucht und unter Vorbehalt des Widerrufs für den Fall begangener Übertretung oder hervortretender Unzuträglichkeiten erteilt werden. Der schriftliche Bescheid des Gewerbeinspektors hat die ein­ zelnen Arbeiten und Arbeiterinnen zweifelsfrei zu bezeichnen, für welche die von der gesetzlichen Regel abweichende Beschäftigung gestattet wird, und klarzustellen, daß die am Sonnabend oder Vorabend eines Festtags zur Überarbeit herangezogenen Arbei­ terinnen an den darauffolgenden Sonn- oder Festtagen von der Arbeit frei bleiben müssen. In dem Bescheid ist darauf hinzu­ weisen, daß eine Abschrift davon in den Betriebsräumen, in denen.

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Anhang zum dritten Titel.

die Arbeiterinnen beschäftigt werden, an einer in die Augen fallen­ den Stelle anszuhängen ist. Eine Abschrift der Genehmigung ist alsbald der Ortspolizeibehörde zu übersenden. 237. Ausnahmen wegen Unterbrechung des regelmäßigenBetriebes durch Naturereignisse oderUnglücksfälle (§ 139 Abs. 1, 3) sind nur für einzelne Betriebe und nur auf besonderen Antrag zulässig. Trifft eine solche Betriebsunter­ brechung mit einer außergewöhnlichen Häufung der Arbeit zu­ sammen, so ist auf Antrag § 139 in Anwendung zu bringen, der weitergehende Ausnahmen als § 138 a gestattet. War bereits auf Grund des § 138 a die Überarbeit für erwachsene Arbei­ terinnen über vierzig Tage hinaus genehmigt und fällt die Be­ triebsunterbrechung in die Zeit des Ausgleichs mit verminderter Arbeitszeit, so kann auf Grund des § 139 eine längere Arbeits­ zeit, als in dem bereits genehmigten Betriebspläne vorgesehen war, gestattet werden. Der Antrag ist schriftlich an den Gewerbeinspektor oder durch dessen Bermittelung an den Regierungspräsidenten (int LPB. Berlin an den Polizeipräsidenten von Berlin) zu richten. Er muß den Grund, aus dem die Erlaubnis beantragt wird, die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter und den Zeitraum angeben, für den die Ausnahme statt­ finden soll. Ist der Regierungspräsident (int LPB. Berlin der Polizeipräsident von Berlin) oder der Reichskanzler zuständig, so hat der Gewerbeinspektor sofort den Antrag, wenn er mangehaft ist, zur Vervollständigung zurückzugeben, andernfalls die Richtig­ keit der tatsächlichen Angaben festzustellen und den Antrag mit dem Ergebnisse dieser Feststellung und seiner gutachtlichen Äuße­ rung weiterzubefördern. 238. Der Gewerbeinspektor hat von seiner Befugnis, Aus­ nahmen auf die Dauer von höchstens 14 Tagen zu gestatten, nur in dringenden Fällen Gebrauch zu machen. Solche Fälle sind in der Regel nur dann anzunehmen, wenn es sich darum handelt, niit Hilfe der außerordentlichen Verwendung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern eine durch Naturereignisse oder Unglücksfälle herbeigeführte wesentliche Unterbrechung des regel­ mäßigen Betriebs schleunigst wieder zu beseitigen oder einen zur Verhütung von Unglücksfällen erforderlichen außerordentlichen Betrieb zu ermöglichen. Werden in Fällen dieser Art Aus­ nahmen für länger als 14 Tage beantragt, so hat der Gewerbeinspekror zwar schleunigst an den Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin an den Polizeipräsidenten von Berlin) zu berichten, kann über die ihm erforderlich erscheinenden Ausnahmen vorläufig bis zur Dauer von 14 Tagen gestatten. 239. Werden die Ausnahmen nur beantragt, um den durch die Unterbrechung verursachten Verlust an Betriebszeit wieder ein­ zubringen, so hat der Gewerbeinspektor stets die Entscheidung des Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin des Polizeipräsidenten

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von Berlin) einzuholen. Er hat zu dem Ende die Tatsachen, auf die sich der Antrag stützt, insbesondere auch den Verlust an Betriebszeit, der dem Unternehmer durch die Unterbrechung er­ wachsen ist, festzustellen und die darüber aufgenommenen Verhand­ lungen mit seinem gutachtlichen Berichte dem Regierungspräsiden­ ten (im LPB. Berlin dem Polizeipräsidenten von Berlin) vorzu­ legen, der, soweit die Ausnahmen für nicht länger als vier Wochen beantragt werden, über den Antrag entscheidet. 240. Soweit es sich nicht um Ausnahmen in besonders dringenden Notfällen oder für wenige Tage handelt, sind bei Ge­ stattung der Ausnahmen folgende Grenzen innezuhalten: a) Innerhalb 24 Stunden darf die Arbeitszeit der Kinder 8 Stunden, bieder jungen Leute 11 Stunden und die der er­ wachsenen Arbeiterinnen 12 Stunden ausschließlich der Pausen nicht übersteigen. b) Zwischen zwei Arbeitsschichten muß eine Ruhezeit liegen, die für Kinder mindestens 12 Stunden, für Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter mindestens 10 Stunden beträgt. c) Die Tagschichten und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. Jede,Schicht muß durch eine oder mehrere Pausen in der Gesamtdauer von mindestens einer Stunde unter­ brochen sein. d) An Sonn- und Festtagen darf die Beschäftigung nicht in die Zeit von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends fallen. Die Verfügungen, wodurch Anträge auf Gestattung von Ausnahmen genehmigt werden, sind schriftlich zu erlassen und müssen die gestatteten Ausnahmen und deren Dauer genau an­ geben. Eine Abschrift der Genehmigung ist alsbald der Orts­ polizeibehörde und, wenn die Genehmigung von dem Gewerbe­ inspektor erteilt wird, dem Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin dem Polizeipräsidenten von Berlin), wenn sie von diesem erteilt wird, beut Gewerbeinspektor zu übersenden. 241. Anträge, die auf Gestattung von Ausnahmen für einen vier Wochen überschreitenden Zeitraum gerichtet sind, hat der Regierungspräsident (im LPB. Berlin der Polizeipräsident von Berlin) nach vollständiger Erörterung mit gutachtlichem Be­ richte möglichst zeitig dem Minister für Handel und Gewerbe vor­ zulegen. Wenn er die Anträge für begründet erachtet, kann er die erforderlichen Ausnahmen bis zur Dauer von vier Wochen vorläufig selbst gestatten. Ob dies geschehen, ist in dem Bericht anzugeben. Die Verhandlungen über die auf Grund des § 139 Abs. 1 eingebrachten Anträge sind in allen Instanzen aufs äußerste zu beschleunigen. 242. Die im Gesetze vorgesehene anderweite Regelung wegen der Natur des Betriebs oder aus Rücksicht auf die Arbeiter gemäß § 139 Abs. 2 kann nur für einzelne An­ lagen und nur auf Antrag gestattet werden. Die Gestattung

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Anhang zum dritten Titel.

solcher Ausnahmen für gewisse Fabrikationszweige des ganzen Reiches oder bestimmter Bezirke ist nach § 139a Abs. 1 Ziff. 3 dem Bundesrate Vorbehalten. 243. Anträge auf Zulassung von Abweichungen sind unter Angabe der Abänderungen, die gewünscht werden, der Gründe, die den Antrag veranlassen, der Zahl der Kinder, jungen Leute und Arbeiterinnen über 16 Jahre, für welche die Abänderungen beantragt werden, und unter Beifügung einer gutachtlichen Äuße­ rung des ständigen Arbeiterausschusses oder, wo ein solcher nicht besteht, der Arbeiter des Betriebs an den Gewerbeinspektor zu richten. Dieser hat die Anträge dem Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin dem Polizeipräsidenten von Berlin) oorzulegen und sich dabei über die in der Begründung angeführten Tatsachen und über die Ratsamkeit der beantragten Abweichungen zu äußern. 244. Wenn es sich um Abweichungen von den Bestimmun­ gen über die Pausen handelt, ist die anderweite Regelung, so­ fern sie zulässig erscheint, von dem Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin von dem Polizeipräsidenten von Berlin) mittels schriftlicher Verfügung „bis auf weiteres" zu gestatten. Die Ver­ fügung muß enthalten: a) die genaue Bezeichnung der Anlage oder derjenigen ihrer Teile, für welche die Abänderungen gestattet werden b) die gestattete Regelung der Beschäftigung c) die etwaigen besonderen Bedingungen, von denen die Ge­ stattung der anderweiten Regelung abhängig gemacht totrb; d) die Vorschrift, daß Beginn und Ende der Arbeitszeit, wie sie durch die Verfügung geregelt sind, soweit es sich um jugendliche Arbeiter handelt, in dem auszuhängenden 23er« zeichnisse (Muster 0) soweit es sich um Arbeiterinnen über 16 Jahre handelt, auf dem in den Arbeitsräumen aus­ hängenden Auszuge (Muster N) angegeben werden müssen . (vgl. Ziff. 225); e) die Bemerkung, daß die Verfügung zurückgenommen werden würde, falls die Bedingungen nicht innegehalten werden oder Unzuträglichkeiten daraus entstehen sollten. Eine Abschrift der Verfügung ist alsbald dem Gewerbe­ inspektor und der Ortspolizeibehörde zu übersenden. 245 und 246 fallen fort. 247. Wenn sich die beantragten Abweichungen nicht auf die Arbeitspausen beschränken, so hat der Regierungspräsident (im • LPB. Berlin der Polizeipräsident von Berlin) die Anträge voll­ ständig zu erörtern und demnächst mit dem Gutachten des Ge­ werbeinspektors und seiner eigenen gutachtlichen Äußerung dem Minister für Handel und Gewerbe zur weiteren Veranlassung vorzulegen. 248. In den Motorwerkstätten (Ziff. 223 Abs. 2 Ziff. 2) der Gruppe V II der Anlage I (Motorwerkstätten mit weniger als zehn Arbeitern, wenn sie nicht vorwiegend unregelmäßige

Ausführungsanweisung zur Gewerbeordnung.

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Wasserkraft benutzen oder wenn sie zu den Schleifer- und Polier­ werkstätten der Glas-, Stein- und Metallverarbeitung gehören) dürfen unter den in Ziff. V A II le her Anlage I bezeichneten Bedingungen kraft Gesetzes Arbeiterinnen über 16 Jahre an 40 Tagen im Jahre bis zu 13 Stunden täglich und bis 10 Uhr abends und in den Motorwerkstätten der Grupp e¥ B II (Werk­ stätten mit Wafferbetrieb mit weniger als zehn Arbeitern, mit Ausnahme der Schleifer- und Polierwerkstätten der Glas-, Steinund Metallverarbeitung) unter den in Ziff. V B II1 der Anlage I bezeichneten Bedingungen kraft Gesetzes Arbeiterinnen über 16 Jahre an 40 Tagen im Jahre bis 10 Uhr abends beschäftigt werden. 249. Die im § 138 a Abs. 1 bis 4 vorgesehenen Ausnahmen wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit finden auf die in Ziff. 248 bezeichneten kleineren Motorbetriebe keine Anwendung. Dagegen können in ihnen ohne Beschränkung auf gesetzlich bestimmte Gründe nach Maßgabe der Ziff. V AII1 f. unb ¥ BII1 Abs. 1 der An­ lage I Ausnahmen von den Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre für mehr als 40 Tage durch den Gewerbeinspektor zugelassen werden. Auf den Antrag, der schriftlich zu stellen ist und den Grund, aus dem die Erlaubnis beantragt wird, die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiterinnen, das Maß der längeren Beschäftigung und den Zeitraum angeben muß, für den sie stattfinden soll, finden die Vorschriften in Ziff. 231 sinnentsprechend Anwendung. Der Gewerbeinspektor har die Fälle, in denen die Erlaubnis erteilt worden ist, in das Verzeichnis einzutragen, das er nach dem Muster X führt. 250. Die in § 138 a Abs. 5 vorgesehene Ausnahme (Be­ schäftigung von Arbeiterinnen über 16 Jahre, die kein Haus­ wesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht be­ suchen, bei den in § 105c Abs. 1 Ziff. 3, 4 bezeichneten Arbeiten an den Vorabenden der Sonn- und Festtage) findet auf die Mo­ torwerkstätten der Gruppe ¥ A II der Anlage I nach Maß­ gabe der Ziff. ¥ A II lf Abs. 4 der Anlage I Anwendung. Dabei sind die Bestimmungen in Ziff. 236 zu beachten,' Abs. 3 Satz 2 findet keine Anwendung. 251. Die im § 139 vorgesehenen Ausnahmen (wegen Unter­ brechung des regelmäßigen Betriebs durch Naturereignisse oder Unglücksfälle, wegen der Natur des Betriebs oder aus Rücksicht auf die Arbeiter) finden auf die Motorwerkstätten der Gruppe ¥ AII und ¥ B II der Anlage I nach Maßgabe der Ziff. ¥ A II lg und ¥ B II 1 Abs. 2 der Anlage I Anwendung. Dabei sind die Bestimmungen in Ziff. 237—247 sinnentsprechend zu beachten. L. Aufsicht über die Ausführung der Be­ st immungen über die Sonntagsruhe, die Arbeit sbücherund die Beschäftigung der Arbeiterinnen und der jugendlichen Arbeiter. (§ 139b.)

253.

Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen 67

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Anhang zum dritten Titel.

über die Sonntagsruhe wird von den Ortspolizeibehörden und daneben für die Gewerbebetriebe mit Ausnahme des Handels­ gewerbes von den Gewerbeaufsichtsbeamten, an Stelle dieser Be­ hörden aber für die der Aufsicht der Bergbehörden unterstellten Betriebe von den Bergrevierbeamten wahrgenommen. Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen über die Arbeitsbücher und die Beschäftigung der Arbeite­ rinnen und jugendlichen Arbeiter (§§ 107—114, 135 bis 139 a) liegt den Ortspolizeibehörden und den Gewerbeaufsichts­ beamten ob. Die Aufsichtstätigkeit der Gewerbeaufsichtsbeamten ist durch die Dienstanweisung vom 23. März 1892 (Min.Bl. d. i. V. S. 190) geregelt. 254. Die Ortspolizeibehörden (Bergrevierbeamten) haben die Durchführung der die Sonntagsruhe betreffenden Be­ stimmungen durch besondere, bei den Gewerbeunternehmern ihres Verwaltungsbezirks von Zeit zu Zeit vorzunehmende Revisionen und bei jeder sonst sich darbietenden Gelegenheit sorgfältig zu überwachen. Bei den Revisionen sind folgende Punkte festzustellen: a) Ist das nach § 105 c Abs. 2 und Ziff. 13 der Bekannt­ machung des Reichskanzlers vom 3. April 1901 (RGBl. S. 117) vorgeschriebene Verzeichnis vorhanden und ordnungs­ mäßig geführt? b) Sind in Betrieben, die von den durch den Bundesrat auf Grund des § 105 d zugelaffenen Ausnahmen Gebrauch machen, die vorgeschriebenen Aushänge der Ausnahmevor­ schriften vorhanden? c) Für den Fall, daß zur Zeit der Revision eine Beschäftigung nach der Ausnahmevorschrift in § 105 f stattfindet, sind die vorgeschriebenen Aushänge vorhanden? d) Stimmt die Beschäftigung der Arbeiter mit den erlassenen Ausnahmevorschriften überein, werden insbesondere die Arbeiter nicht länger als zulässig beschäftigt und werden die in den Genehmigungsbedingungen vorgeschriebenen Ruhe­ zeiten gewährt? 255. Die vorbezeichneten Punkte sind in denjenigen gewerb­ lichen Anlagen, für welche durch die Bestimmungen in Ziff. 256 regelmäßige halbjährliche Revisionen vorgeschrieben sind, auch bei Gelegenheit dieser Revisionen tunlichst klarzustellen. Rach jeder Revision ist auf dem unter Ziff. 254 Abs. 2 a bezeichneten Verzeichnisse sowie auf den unter Ziff. 254 Abs. 2b, c bezeichneten Aushängen ein Revisionsvermerk zu machen. In Fällen, in denen es der Ortspolizeibehörde zweifelhaft ist, ob die Beschäftigung von Arbeitern mit den gesetzlichen oder Ausnahmevorschriften in Einklang steht, hat sie vor Erstattung der Strafanzeige das Gutachten des zuständigen Gewerbeinspektors einzuholen. Diesem bleibt es überlassen, zunächst die Entscheidung

Ausführungsanweisung zur Gewerbeordnung.

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des Regierungspräsidenten (im LPB. Berlin des Polizeipräsidenten von Berlin) herbeizuführen. In gleicher Weise hat der Berg­ revierbeamte nötigenfalls die Entscheidung des Oberbergamts nachzusuchen. 256. Die Befolgung der Bestimmungen über die Arbeits­ bücher ist von den Ortspolizeibehörden bei jeder sich darbietenden Gelegenheit und durch besondere bei den Gewerbeunternehmern von Zeit zu Zeit vorzunehmende Revisionen sorgfältig zu überwachen. In jeder gewerblichen Anlage, die den Bestimmungen der §§ 135—139b unterliegt und in der Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, ist halbjährlich mindestestens eine ordentliche Revision von der Ortspolizeibehörde vorzunehmen. Außerordentliche Revisionen sind nach Bedürfnis und insbesondere dann vorzunehmen, wenn der Verdacht einer gesetzwidrigen Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern vorliegt. Bei jeder ordentlichen Revision hat der revi­ dierende Beamte folgende Punkte festzustellen: a) Wieviel Arbeiter sind in der revidierten Anlage zurzeit be­ schäftigt, und zwar männliche über 16 Jahre, weibliche von 16 bis 21 Jahren, „ über 21 Jahre, männliche von 14 bis 16 Jahren, weibliche „ 14 „ 16 „ , männliche unter 14 Jahren, weibliche „ 14 „ ? b) Welche minderjährigen Arbeiter sind mit keinen vorschrifts­ mäßig ausgefüllten Arbeitsbüchern versehen? c) Ist in den Arbeitsräumen, in denen Arbeiterinnen beschäftigt werden, der Auszug aus den gesetzlichen Bestimmungen ausgehängt? d) Stimmen die regelmäßige tägliche Arbeitszeit, die Arbeits­ zeit an den Vorabenden der Sonn- und Festtage, die Mittags­ pause und die ununterbrochene Ruhezeit der Arbeiterinnen mit den gesetzlichen Vorschriften (§ 137 Abs. 1 bis 4) und mit der Anzeige, die der Ortspolizeibehörde erstattet ist, überein? e) Wird den Arbeiterinnen, die ein Hauswesen zu besorgen haben, auf ihren Antrag eine Inständige Mittagspause gewährt? f) Ist der Vorschrift des § 137 Abs. 6 entsprochen, daß Arbei­ terinnen vor und nach der Niederkunst im ganzen während acht Wochen nicht beschäftigt werden dürfen, und ist bei ihren! Wiedereintritt in die Beschäftigung der Ausweis bei­ gebracht, daß seit ihrer Niederkunft wenigstens sechs Wochen verflossen sind?

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Anhang zum dritten Titel.

g) Sind in den Arbeitsräumen, in denen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, der Auszug aus den gesetzlichen Be­ stimmungen und das Verzeichnis der jugendlichen Arbeiter ausgehängt? h) Stimmen die Angaben dieses Berzeichniffes über Arbeitszeit und Pausen mit der Anzeige überein, die der Ortspolizei­ behörde gemacht ist? i) Stimmen die in dem Verzeichnis eingetragenen jugendlichen Arbeiter mit dem Befund und mit den vom Arbeitgeber verwahrten Arbeitsbüchern überein? k) Stimmen Arbeitszeit, Pausen und die ununterbrochene Ruhe­ zeit der jugendlichen Arbeiter mit den gesetzlichen Vorschriften und den auf den Verzeichnissen eingetragenen Angaben überein? In Anlagen, für die Ausnahmen nach Maßgabe der §§ 138 a, 139, 139a, Abs. 1 Ziff. 2 bis 5, des § 154 Abs. 3, 4 nachge­ lassen oder Beschränkungen nach Maßgabe der §§ 120 e, 139a Abs. 1 Ziff. 1 vorgeschrieben sind, ist bei der Revision festzu­ stellen, ob die Beschäftigung der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter in Übereinstimmung mit den erlassenen besonderen Be­ stimmungen stattfindet. Anlagen, die auch in der Zeit zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr morgens oder an Sonn- und Festtagen betrieben werden, sind von Zeit zu Zeit bei Nacht oder Sonntags zu revidieren. Anlagen, die Arbeiterinnen beschäftigen, sind insbesondere auch an den Vorabenden der Sonn- und Festtage nach 5 Uhr nachmittags und an den übrigen Wochentagen nach Schluß der angezeigten Arbeitszeit zu revidieren. 257. Nach jeder Revision ist ihr Datum von der Ortspo­ lizeibehörde in das Katasterblatt einzutragen, das sie für jede gewerbliche Anlage nach dem Muster Y zu führen hat. Werden jugendliche Arbeiter beschäftigt, so ist außerdem auf den in den Arbeitsräumen aushängenden Verzeichnissen die Revision zu ver­ merken. Nach Vornahme jeder ordentlichen Revision ist ferner die dabei festgestellte Anzahl der Kinder, der jungen Leute, der Arbeiterinnen zwischen 16 und 21 Jahren, der Arbeiterinnen über 21 Jahre und der männlichen Arbeiter über 16 Jahre in das Katasterblatt einzutragen. Strafen, die gegen Besitzer von gewerblichen Anlagen oder gegen ihre Betriebsleiter und Aufsichtsbeamten wegen Zuwider­ handlungen gegen die Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern rechtskräftig verhängt werden, sind in die Katasterblätter ebenfalls einzutragen. 258. Zum 1. November jedes Jahres sind die Kataster­ blätter von den Ortspolizeibehörden den Gewerbeinspektoren zu übersenden, damit diese danach ihre Katasterblätter und Kataster berichten können. Bis zum 1. Februar haben die Gewerbeinspek­ toren die Katasterblätter den Ortspolizeibehörden zurückzusenoen.

DaS Reichshastpflichtgesetz.

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Zu Titel IX, X, Schlußbestimmuugeu.

272. Bon jeder auf Grund des § 105 b Abs. 2, des 8 119» Abs. 2, der §§ 120, 139 c Abs. 2 erlassenen statutarischen Be­ stimmung hat die Behörde, welche sie erlassen hat, alsbald nach dem Erlaß ein Exemplar unmittelbar oder durch Bermittelung des Regierungspräsidenten (im Stadtkreise Berlin des Oberprä­ sidenten) an den Minister für Handel und Gewerbe einzusenden. Die Auswahl beteiligter Gewerbetreibender und Arbeiter, welche nach § 142 vorher anzuhören sind, ist, sofern nicht geeignetere Persönlichkeiten zur Verfügung stehen, aus den Beisitzern der Gewerbegerichte, der Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung, der Arbeiterausschüsse oder aus den Vorstandsmitgliedern der Orts-, Betriebs-, Bau- und Jnnungskrankenkaffen sowie der Knappschaftskafsen zu bewirken. 276. Abänderungen dieser Ausführungsanweisung vollzieht der Minister für Handel und Gewerbe in Gemeinschaft mit dem sonst zuständigen Minister. 277. Die Ausführungsanweisung tritt am 1. Juni 1904 an die Stelle der Ausführungsanweisungen zur Gewerbeordnung vom 26. Februar und 10. Juni 1892 (Min.Bl. d. i. B. S. 89,198), vom 11. März 1895 (Min.Bl. d. i. V. S. 46), vom 1. März 1898 (Min.Bl. d. i. V. S. 45), vom 22. März und 9. August 1899 (Min.Bl. d. i. V. S. 65, 127) und vom 24. August 1900 (Min.Bl. d. i. B. S. 288), der Ausführungsanweisung zur Verordnung vom 31. Mai 1897, vom 16. Juli 1897 (Min.Bl. d. i. B. S. 199), der Ausführungsanweisung zur Verordnung vom 9. Juli 1900 und Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 13. Juli 1900, vom 6. Dezember 1900 (Min.Bl. d. i. V. S. 13) sowie der Be­ kanntmachungen vom 4. März 1892 (Min.Bl. i. d. V. S. 115) und vom 15. August 1897 (Min.Bl. d. i. V. S. 173).

Das belcvrvaNpMOlgereir vom 7. Juni 1871 in der Fassung des Artikels 42 des EG. zum BGB. § 1. Wenn bei dem Betriebe einer Eisenbahn ein Mensch getötet oder körperlich verletzt wird, so haftet der Betriebsunter­ nehmer für den dadurch entstandenen Schaden, sofern er nicht be­ weist, daß der Unfall durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Getöteten oder Verletzten verursacht ist. §2. Wer ein Bergwerk, einen Steinbruch, eine Gräberei (Grube) oder eine Fabrik betreibt, haftet, wenn ein Bevollmäch­ tigter oder ein Repräsentant oder eine zur Leitung oder Beauf­ sichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommene Person

Anhang zum dritten Titel.

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durch ein Verschulden in Ausführung der Dienstverrichtungen den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt hat, für den dadurch entstandenen Schaden. § 3. Im Falle der Tötung ist der Schadensersatz (§§ 1 und 2) durch Ersatz der Kosten einer versuchten Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Getötete dadurch er­ litten hat, daß während der Krankheit seine Erwerbsfähigkeit auf­ gehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein­ getreten war. Der Ersatzpflichtige hat außerdem die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, dem die Verpflichtung obliegt, die Kosten zu tragen. Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnisse, vermöge deffen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unter­ halts verpflichtet gewesen sein würde. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung erzeugt, aber noch nicht geboren war. § 3 a. Im Falle einer Körperverletzung ist der Schadens­ ersatz (§§ 1 und 2) durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Bermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch er­ leidet, daß infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist.

§ 4. War der Getötete oder Verletzte unter Mitleistung von Prämien oder anderen Beiträgen durch den Betriebsunter­ nehmer bei einer Versicherungsanstalt, Knappschafts-, Unter­ stützungs-, Kranken- oder ähnlichen Kasse gegen den Unfall ver­ sichert, so ist die Leistung der letzteren an den Ersatzberechtigten auf die Entschädigung einzurechnen, wenn die Mitleistung des Be­ triebsunternehmers nicht unter einem Drittel der Gesamtleistung beträgt. § 5. Die in den §§ 1 und 2 bezeichneten Unternehmer sind nicht befugt, die Anwendung der in den §§ 1—3 a enthaltenen Bestimmungen zu ihrem Vorteil durch Verträge (mittelst Regle­ ments oder durch besondere Übereinkunft) im voraus auszu­ schließen oder zu beschränken. Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegen­ stehen, haben keine rechtliche Wirkung. § 6.

(Aufgehoben.)

§ 7. Der Schadensersatz wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit und wegen Vermehrung der Bedürfnisse des Verletzten sowie der nach § 3 Abs. 2 einem Dritten zu gewährende

Das RetchShaftpflichtgesetz.

1063

Schadensersatz ist für die Zukunft durch Entrichtung einer Geld­ rente zu leisten. Die Vorschriften des § 843 Abs. 2—4 des BGB. und des § 708 Nr. 6 der Zivilprozeßordnung finden entsprechende Anwen­ dung. Das gleiche gilt für die dem Verletzten zu entrichtende Geldrente von der Vorschrift des § 850 Abs. 3 und für die dem Dritten zu entrichtende Geldrente von der Vorschrift des § 850 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung. Ist bei der Verurteilung des Verpflichteten zur Entrichtung einer Geldrente nicht auf Sicherheitsleistung erkannt worden, so kann der Berechtigte gleichwohl Sicherheitsleistung verlangen, wenn die Vermögensverhältnisse des Verpflichteten sich erheblich ver­ schlechtert haben- unter der gleichen Voraussetzung kann er eine Erhöhung der in dem Urteile bestimmten Sicherheit verlangen. § 8. Die Forderungen auf Schadensersatz (§§ 1—3 a) ver­ jähren in zwei Jahren von dem Unfall an. Gegen denjenigen, welchem der Getötete Unterhalt zu gewähren hatte (§ 3 Abs. 2), beginnt die Verjährung mit dem Tode. Im übrigen finden die Vorschriften des BGB. über die Verjährung Anwendung. § 9. Die gesetzlichen Vorschriften, nach welchen außer den in diesem Gesetze vorgesehenen Fällen der Unternehmer einer in den §§ 1, 2 bezeichneten Anlage oder eine andere Person, insbe­ sondere wegen eines eigenen Verschuldens, für den bei dem Be­ triebe der Anlage durch Tötung oder Körperverletzung eines Menschen entstandenen Schaden haftet, bleiben unberührt. § 10. Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Errich­ tung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen, vom 12. Juni 1869, sowie die Ergänzungen desselben werden auf diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausgedehnt, in welchen durch die Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes oder der int § 9 erwähnten landesgesetzlichen Bestimmungen geltend gemacht wird.

Anhang zum Knappschaftsgesetz. i. Besetz, Betreffend die Abänderung des Siebenten Titels im Allgemeinen Berggesetze vorn 24. Juni ir-r. Uom 19. Juni 1906 (GS. S. 199 ff.).

Artikel I.

Der Siebente Titel im Allgemeinen Berggesetze für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (GS. S. 705) erhält folgende Fassung: (folgen die §§ 165—186 p).

Artikel II. Soweit die Gesetze Hinweisungen auf die Vorschriften des Siebenten Titels im Allgemeinen Berggesetze vom 24. Juni 1865 enthalten, treten an deren Stelle die Bestimmungen des Artikels I. 1. „Nach Erlaß des ABG. v. 24. Juni 1865 ist durch eine Reihe be­ sonderer Gesetze einmal das ABG. in neu erworbene Landesteile etngeführt und ferner der Siebente Titel des ABG. auf Betriebe ausgedehnt worden, für welche dieser Titel ohne solche ausdrückliche Gesetzesvorschrtft keine Gültig­ keit haben würde. Bgl. die Verordn., betreffend die Einführung des ABG. v. 24. Juni 1865 a) in das Gebiet deS vormaligen Herzogtums Naflau, v. 22. Febr. 1867 (GS. S. 237); b) in die mit der preußischen Monarchie vereinigten LandeSteile der Groß­ herzoglich Hessischen Provinz Oberhessen sowie in daS Gebiet der vor­ maligen Landgrafschaft Hessen-Homburg, einschließlich des OberamtSbeztrkeS Meisenheim, v. 22. Febr. 1867 (GS. S. 242); c) in daS Gebiet des vormaligen Königreichs Hannover, v. 8. Mat 1867 (GS. S. 601); d) in das Gebiet des vormaligen Kurfürstentums Heffen und der vormaligen freien Stadt Frankfurt sowie der vormals Königlich Bayerischen Landes­ teile, v. 1. Juni 1867 (GS. S. 770); daS Ges., betreffend die Einführung des ABG. v. 24. Juni 1865 in das Gebiet der Herzogtümer Schleswig und Holstein, v. 12. März 1869 (GS. S. 453); da- Ges., betreffend die Ausdehnung verschiedener Bestimmungen des ABG. v. 24. Juni 1865 auf den Stein- und Kaltsalzvergbau in der Provinz Hannover, v. 14. Juli 1895 (GS. S. 295).

Gesetz vom 19. Juni 1906.

1065

Außerdem finden stch in verschiedenen anderen späteren Gesetzen Hin­ weisungen auf Vorschriften deS Siebenten Titels im ABG. v. 24. Juni 1865. Vgl. z. B. § 9 Buchst, e des Ges., betreffend die Rechtsverhältnisse deS Stein- und Braunkohlenbergbaues in denjenigen Landesieilen, in welchen das Kur­ fürstlich Sächfische Mandat v. 19. August 1743 Gesetzeskraft hat, vom 22. Febr. 1869 (GS. S. 401); Art. I § 89 Abs. 2 deS Ges. v. 24. Juni 1892, betreffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des ABG. v. 24. Juni 1865 (GS. S. 131); Art. II § 214 a des Ges. v. 7. Juli 1902, betreffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des ABG. v. 24. Juni 1865 (GS. S. 255); Art. 17 Abs. 2 des Auchührungsgesetzes zum Reichsgesetz über die Zwangsverwaltung v. 23. Sept. 1899 (GS. S. 291). Durch die ausdrückliche Vorschrift im Art. II stellt der Entwurf außer Zweifel, daß in allen derartigen Fällen mit dem Inkrafttreten des Entwurfs die Bestimmungen des Art. I an die Stelle der bisherigen Bestimmungen im Siebenten Titel des ABG. v. 24. Juni 1865 treten." Begr. 1906 S. 50 f. Artikel III.

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1908 in Kraft. Auf diejenigen Fälle, in denen bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes Knappschaftsmitglieder den Knappschaftsvereins­ bezirk, in welchem ihre Beschäftigung stattfand, gewechselt haben, finden die Vorschriften im § 172 c keine Anwendung. Das Oberbergamt ist ermächtigt, auf Antrag der Mehr­ heit der Knappschaftsältesten eines Knappschaftsvereins, in welchem bisher auch invalide Mitglieder zu Knappschaftsältesten wählbar waren, zu genehmigen, daß die auf Grund der bisherigen Satzung gewählten Knappschaftsältesten und die aus diesen Knappschafts­ ältesten gewählten Vorstandsmitglieder bis zum Ablauf ihrer Wahlperiode im Amte bleiben, auch wenn die im § 179 für die Wahlen der Knappschaftsältesten aufgestellten Erfordernisse bei ihnen nicht sämtlich erfüllt sind. Mit der Ausführung dieses Gesetzes ist der Minister für Handel und Gewerbe beauftragt. 1. „Die hier vorgesehene Vorschrift stellt ausdrücklich außer Zweifel, daß die Bestimmungen des Entwurfs im § 172 c über die knappschaftliche Freizügigkeit zwar auf alle diejenigen Fälle Anwendung finden, in denen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Vereinswechsel eintritt, dagegen auf die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetretenen Fälle von Vereinswechsel nicht anwendbar find. Für diese vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetretenen Fälle von Bereinswechsel sind daher die bisherigen Satzungsvorschriften bzw. die zwischen einzelnen Knappschaftsvereinen zur Regelung eines Gegenseitigkeitsverhältnifles etwa erfolgten vertraglichen Abmachungen auch ferner maß­ gebend. Die Ausdehnung der Vorschriften im § 172 c auf die früheren Fälle von Bereinswechsel erschien schon um deswillen nicht angängig, weil die Aus­ dehnung dieser Vorschriften eine neue Belastung der Knappschaftsvereine in fich schließen würde, deren Höhe und Tragweite sich nicht übersehen läßt." Begr. 1906 S. 51.

1066

Anhang zum Knappschaftsgesetz. 2. „In dem Entwurf sind keine Übergangsbestimmungen ausgenommen

über die Anpassung der gegenwärtigen Ansprüche der aktiven Mitglieder an die neuen Vorschriften im § 172b über die Bemessung der Invaliden- und Witwenunterstützungen. Hier können bei denjenigen Knappschaftsvereinen Schwierigkeiten entstehen, welche mehrere Mtrgliederklassen haben und bisher diese Penstonskassenleistungen für ein einzelnes Mitglied nicht nach den in den verschiedenen Mitgliederklaffen zurückgelegten Beitragszeiten, sondern lediglich nach den Sätzen der letzten Mitgliederklasse, der das einzelne Mit­ glied angehört hat, berechnet haben. Da hierfür keine Übergangsbestimmungen durch das Gesetz getroffen sind, muß die Satzung dies regeln. Die Vereine haben alsdann die Möglichkeit, entweder nach den wirklichen Mttgliedzeiten in den einzelnen Klassen oder lediglich nach der letzten Mitgliederklaffe diese Regelung vorzunehmen. Die durch die Satzung erfolgte Regelung ist natür­ lich auch bei später erfolgendem Vereinswechsel für die Regelung der Ansprüche aus § 172 c bindend." Begr. 1906 S. 52. Der Erlaß des Handelsministers vom 17. Jan. 1907 betr. Erläuterun­ gen zum Gesetze vom 19. Juni 1906 sowie die Aufstellung und Prüfung von Knappschaftssatzungen (Z. Bd. 48 S. 176, Reuß Anhang A) bemerkt hierzu in Ziff. 6 am Schluß: „Bet dem Erlaß dieser Übergangsbestimmungen darf insbesondere der Umstand nicht unbeachtet gelassen werden, daß nach § 172b fortan un­ zulässig ist, bei dem Bestehen verschiedener Klaffen von Penstonskaffenmitgliedern die Pensionskassenleistungen für ein Mitglied, das verschie­ denen Mitgliedermassen angehört hat, lediglich nach den Sätzen einer dieser Mitgliederklassen zu bemessen." Die Anrechnung der Sätze der letzten Mitgliederklaffe, der das Mitglied an­ gehört hat, darf sich mithin nur auf die vor dem 1. Jan. 1908 liegende Mttgltedzeit erstrecken, Reuß Anm. 2 zu Art. III. Jedoch ist nicht unzulässig, die Grundsätze des § 172 c auch in den Fällen des Art. III Abs. 2 durch Satzungs­ bestimmungen für anwendbar zu erklären, Urt. deS OSchG. v. 24. Aug. 1908, Z. Bd. 49 S. 544. 3. Abs. 3 ist von dem AH. bei der zweiten Lesung in das Gesetz aus­ genommen worden, um für die Knappschaftsvereine mit invaliden Ältesten die Möglichkeit zu bieten, die zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes im Amt befindlichen Knappschaftsältesten bis zum Ablauf ihrer satzungsmäßtgen Wahlperiode in diesem Amte zu belassen, StenB. AH. S. 4937 ff., KB. HH. S. 12 ff.; vgl. a. Anm. 3 zu § 52 KnG.

Artikel IV.

Sofern bis zum 1. Januar 1908 die Satzung eines Knappschaftsvereins oder einer besonderen Krankenkasse die nach dem gegenwärtigen Gesetz erforderlichen Änderungen nicht erfahren haben sollte, werden diese Änderungen durch das zuständige Ober­ bergamt mit rechtsverbindlicher Wirkung von Aufsichts wegen vollzogen. Die Vorschriften im Abs. 2 finden hierbei entsprechende Anwendung. Das Oberbergamt ist ermächtigt, zu den behufs Durchführung dieses Gesetzes erstmalig erfolgenden Satzungsänderungen die Bestätigung zu erteilen, auch wenn den Vorschriften im § 169

Gesetz vom 19. Juni 1906.

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Abs. 2 nicht entsprochen oder die dauernde Erfüllbarkeit der Pensionskassenleistungen nicht festgestellt ist, sofern die neuen Sätze für Pensionskassenleistungen die finanzielle Lage des Vereins im allgemeinen nicht ungünstiger erscheinen lassen als bisher. In diesen Fällen hat der Knappschaftsvorstand unverzüglich eine Prüfung der Vermögenslage durch einen Sachverständigen dahin vornehmen zu lassen, ob der Vorschrift im § 175c Abs. 2 genügt ist, und den Prüfungsbericht nebst seinen Unterlagen dem Ober­ bergamt binnen einer von diesem zu bestimmenden Frist einzu­ reichen. Der Ablauf dieser Frist darf nur mit Genehmigung des Ministers für Handel und Gewerbe auf einen späteren Zeitpunkt als den 31. Dezember 1908 festgesetzt werden. Der Minister für Handel und Gewerbe ist ermächtigt, den einzelnen Knappschaftsvereinen Fristen zu gewähren, innerhalb deren den Vorschriften im § 175c Abs. 2 durch die Satzung Rechnung getragen sein muß. Über den 31. Dezember 1912 hinaus darf diese Frist nicht erstreckt werden. 1. Ms. 1 Satz 1 entspricht dem § 194 Abs. 2 JBG., § 26 deS Ges. betr. die Abänderung des UVG. v. 5. Juli 1900 und Art. IV Abs. 3 des Ges. betr. wettere Abänderungen deS KBG. v. 25. Mai 1903, Begr. 06 S. 52. Wegen der Nachprüfung von Satzungsänderungen, welche das OBA. auf Grund des Art. IV vorgenommen hat, durch den ordentlichen Richter vgl. Urt. des OSchG. in § 6 Anm. 6 KnG. (oben S. 659/60).

2. Zu Abs. 2. „Die Beschaffung der Unterlagen für die Ermittelung der dauernden Erfüllbarkeit der Penstonskafsenleistungen wird unter Umständen, und zwar insbesondere für diejenigen KnappschaftSveretne, welche eine solche Ermittelung bisher nicht vorgenommen hatten, mit Schwierigkeiten verbunden sein. Des weiteren erfordert die Ermittelung der dauernden Leistungsfähigkeit selbst beim Vorhandensein der erforderlichen Unterlagen eine vorgängige sach­ verständige Prüfung, die unter Umständen zeitraubend sein wird. Diese Auf­ gabe wird zudem noch dadurch erschwert, daß die Knappschaftsvereine nach § 172 b des Entwurfs durchweg genötigt sind, ihre Invaliden- und Witwen­ unterstützungen nach einem neuen System zu bemessen, das von dem bis­ herigen System durchaus verschieden ist. Endlich ist es für diejenigen Knapp­ schaftsvereine, deren bisherige Penfionskaffenleistungen nicht als dauernd erfüllbar angesehen werden können, keine leichte Aufgabe, die Beiträge und Leistungen sachgemäß derart zu bemessen, daß der Vorschrift im § 175c Abs. 2 genügt ist. Einzelne Knappschaftsvereine werden vorausfichtlich sogar dazu für fich allein überhaupt nicht imstande sein, sondern nur nach vor­ gängiger Bereinigung mit anderen Knappschaftsvereinen (§ 177 b). Hiernach läßt fich schon jetzt voraussehen, daß in der verhältnismäßig kurzen Zeit zwischen der Verabschiedung und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht bei sämtlichen, mehr als fiebztg preußischen Knappschaftsvereinen neben den zahlreichen und zum Teil einschneidenden sonstigen Satzungsändernngen, welche der vorliegende Gesetzentwurf mit sich bringt, auch die weitere schwierige Frage nach der dauernden Erfüllbarkeit der Penfionskaffenleistungen ihre Erledigung wird finden können, sowie ferner, daß bei einzelnen Knappschafts­ vereinen in diesem Zeitraum vielleicht nicht einmal die vollständige Beschaffung der Unterlagen für die Prüfung dieser Frage zu ermöglichen sein wird,

1068

Anhang zum Knappschaftsgesetz.

und endlich, daß bei einzelnen, und zwar namentlich bei zur Zett leistungs­ unfähigen Knappschaftsvereinen die Verwirklichung der im § 175 c Abs. 2 auf­ gestellten Forderung sachgemäß nur in einer längeren Frist zu erreichen sein wird. Zur Beseitigung der hieraus erwachsenden Schwierigkeiten find in Abs. 2 und 3 die erforderlichen Übergangsbestimmungen vorgesehen. Zunächst ermächtigt Abs. 2 die Oberbergämter, zu den behufs Durch­ führung dieses Gesetzes erstmalig erfolgenden Satzungsänderungen die Be­ stätigung zu erteilen, auch wenn die dauernde Erfüllbarkeit der Penstonskassenleistungen nicht festgestellt oder gar die Einreichung der Unterlagen für die Prüfung der Frage nach der dauernden Erfüllbarkeit der Penstonskastenleistungen noch nicht erfolgt sein sollte. Diese Ermächtigung mußte indessen naturgemäß an die Voraussetzung geknüpft werden, daß die neuen Sätze für die Penstonskaffenletstungen die finanzielle Lage des Vereins im allgemeinen nicht ungünstiger erscheinen lassen als bisher. Insoweit diese Sätze eine Erhöhung der Belastung in fich schließen, wird daher gleichzeitig eine ent­ sprechende Erhöhung der Beiträge vorgesehen sein müssen. Des weiteren war dafür Sorge zu tragen, daß die etwa noch ausstehende Einreichung der Unter­ lagen für die Prüfung der dauernden Erfüllbarkeit der PenfionSkassenletstungen und diese Prüfung selbst durch diese Ermächtigung nicht länger hinauSgeschoben wird, als dies nach den Berhältnifien des einzelnen Falles sachlich geboten erscheint. Der Entwurf macht daher in diesen Fällen dem Knappschafts­ vorstand die Auflage, unverzüglich eine Prüfung der Vermögenslage durch einen Sachverständigen vornehmen zu lasten und dessen Gutachten nebst den Unterlagen binnen einer vom Oberbergamt in jedem einzelnen Falle zu bestimmenden Frist der Aufsichtsbehörde einzureichen. Zugleich trifft der Ent­ wurf Vorsorge, daß diese Frist nicht weiter erstreckt wird, als eS die Ver­ hältnisse des einzelnen Falles erfordern. Unter diesen Einschränkungen wird die in Rede stehende Ermächtigung dem Oberbergamte unbedenklich erteilt werden können. Das Oberbergamt wird in entsprechender Anwendung von § 169 Abs. 2 Satz 2 eine Nachprüfung des Gutachtens herbeizuführen haben. Ergibt fich alSdann, daß durch die bestätigte Satzungsänderung den Bestim­ mungen im § 175c Abs. 2 nicht genügt ist, so bietet tz 175 d die erforderlichen Handhaben, um die Beseitigung dieses Mangels tunlichst bald berbeizuführen." Begr. 1906 S. 52 f. Zu Abs. 3. „Die Vorschrift im Abs. 3, welche den Minister für Handel und Gewerbe ermächtigt, zur Durchführung der Vorschrift im § 175 c Abs. 2 den einzelnen Knappschaftsvereinen Fristen zu gewähren, bezweckt, auch bet besonders schwierig gestalteten Berhältniffen, insbesondere bei feststehender Leistungsunfähigkeit eines einzelnen Knappschaftsveretns, eine sachgemäße Lösung der obwaltenden Schwierigkeiten zu ermöglichen. Durch die weitere Vorschrift, daß diese Fristen auf einen längeren Zeitraum als fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht erstreckt werden dürfen, ist Vorsorge ge­ troffen, daß in nicht allzu ferner Zett bei sämtlichen Knappschaftsveretnen die Vorschriften des Entwurfs über die dauernde Erfüllbarkeit der Penstonskassenleistungen zur uneingeschränkten Geltung kommen müssen." Begr. 1906 S. 53. Vgl. auch oben Anm. 3.

Gesetz vom 3. Juni 1912.

1069

n. Besetz, betreffend die Abänderung des Siebenten Titels im Allgemeinen Berggesetze vom 24. Juni isos sowie 19. Juni 190s (GS. 1865 S. 705, 1908 S. 199), VOM 3. Juni 1912 (GS. S. 97). Artikel I und Artikel II.

Die nachstehend bezeichneten Vorschriften des Siebenten Titels im Allgemeinen Berggesetze für die Preußischen Staaten vom 1£ Jun! 1H (GS. 1865 S. 705, 1906 S. 199) werden wie folgt

abgeändert (folgen die Abänderungen, tote sie sich aus dem oben S. 649 ff. ab­ gedruckten Texte des Knappschaftsgesetzes ergeben).

Artikel III. Soweit in Gesetzen auf Vorschriften erwiesen ist, die durch dieses Gesetz abgeändert werden, treten an deren Stelle die ent­ sprechenden neuen Vorschriften. Vgl. Anm. 1 zu Art. II des Ges. v. 19. Juni 1906.

Artikel IV.

1. Die Vorschriften im Artikel I dieses Gesetzes treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, der für das Inkrafttreten der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (Reichs-Gesetzbl. S. 509) über die Krankenversicherung nach Artikel 4 des Ein­ führungsgesetzes zur Reichsversicherungsordnung von demselben Tage (Reichs-Gesetzbl. S. 839) durch Kaiserliche Verordnung fest­ gesetzt wird. Jedoch treten die §§ 171 Abs. 2 und 5 und 172 Abs. 1 und 2 für die Werksbeamten vom Tage der Verkündung dieses Gesetzes an mit der Maßgabe in Kraft, daß sich die Höhe des für ihre Versicherungspflicht bei der Krankenkasse maßgebenden regelmäßigen Jahresarbeitsverdienstes bis zu dem im Abs. 1 be­ zeichneten Zeitpunkte nach den bisherigen Bestimmungen richtet. Vertragsverhältniffe, die zu dem im Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkte zwischen Knappschaftsvereinen, soweit sie Krankenkassen­ eistungen gewähren, und Krankenhäusern bestehen, enden spätetens zwei Jahre nach diesem Zeitpunkte, soweit sie der Anwen­ dung des § 171 g Abs. 2 entgegenstehen. Ist zu dem im Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkt ein Verfahren über die im § 181 aa Abs. 1 erwähnten Angelegenheiten bereits anhängig, so wird es nach den bisher geltenden Vorschriften er­ ledigt. 2. Die Vorschriften im Artikel II dieses Gesetzes treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, der für das Inkrafttreten des Ver­ sicherungsgesetzes für Angestellte vom 20. Dezember 1911 (ReichsGesetzbl. S. 989) nach § 399 Abs. 2 durch Kaiserliche Verordnung, bestimmt wird.

1070

Anhang zum Knappschaftsgesetz.

Innerhalb der ersten zehn Jahre nach dem im vorstehenden Absätze bezeichneten Zeitpunkte sind im Falle des § 172/? die Beamten, die bisher Mitglieder der Pensionskasse waren, berech­ tigt, die Mitgliedschaft fortzusetzen. 3. Die Vorschriften der §§ 177 ca und 177 cb finden auf die bestehende knappschaftliche Rückversicherungsanstalt auf Gegen­ seitigkeit zu Berlin dann Anwendung, wenn sich die Anstalt durch ihre Satzung diesen Vorschriften unterwirft. Den Beschluß über die Satzungsänderung faßt die Hauptversammlung. Der Beschluß bedarf der'Bestätigung durch den Minister für Handel und Ge­ werbe und den Minister des Innern. 4. Mit der Ausführung dieses Gesetzes ist der Minister für Handel und Gewerbe beauftragt. Zu Nr. 1 Abs. 1. Die im Art. I enthaltenen Änderungen müssen, soweit sie stch aus zwingenden Vorschriften der RVO. ergeben, gleichzeitig mit diesen in Kraft treten, nämlich an dem nach Art. 4 des Einführungsgesehes zur RVO. durch Kaiserliche Verordnung zu bestimmenden Tage. Derselbe Zeitpunkt ist wegen deS Zusammenhanges mit den bezeichneten Änderungen auch für die sonstigen neuen Vorschriften, namentlich für diejenigen über das Ver­ fahren, zu bestimmen. Begr. 1912 S. 38. Als Tag des Inkrafttretens der Vorschriften der RVO. über die Krankenversicherung ist durch Verordng. v. 5. Juli 1912 (RGBl. S. 493) der 1. Januar 1914 festgesetzt worden.

2. Zu Nr. 1 Abs. 2, welcher von der Kommission des AH. etngefügt worden ist, vgl. Anm. 4 A b § 9 KnG. (oben S. 672/3). Durch das sofortige Inkrafttreten der §§ 171 Abs. 2 und 5 und § 172 Abs. 1 und 2 (vgl. jetzt die entspr. Abs. in den §§ 9 und 27 KnG.) soll ver­ hütet werden, daß die in Betracht kommenden Werksbeamten auf Grund der bei § 9 KnG. angeführten Rechtsprechung der höchsten Gerichtshöfe noch aus der Knappschaft ausgeschlossen werden können, KB. AH. S. 24/5. Der Tag der Verkündung des Gesetzes ist der 14. Juni 1912. 3. Nr. 1 Abs. 3 gibt den Inhalt des Art. 41 des Etnführungsgesetzes zur RVO. wieder, dessen Anwendung auf knappschaftliche Krankenkasien aus § 502 Abs. 1 RVO. zu folgern ist. — Der § 171 g* führt im Knappschafts­ gesetz die Bezeichnung § 21.

4. Nr. 1 Abs. 4 stellt zur Vermeidung von Zweifeln entsprechend dem Art. 85 des Einführungsgesetzes zur RVO. klar, daß ein bei Inkrafttreten der neuen Vorschriften bereits anhängiges Verfahren nach den bisher gel­ tenden Bestimmungen zu erledigen ist. — Der § 181a a führt im Knappschafts­ gesetz die Bezeichnung § 57. 5. Zu Nr. 2 Abs. 1. Das Inkrafttreten der Vorschriften im Art. II muß mit dem Inkrafttreten des Versicherungsgesetzes für Angestellte zusammen­ fallen, damit die Knappschaftsvereine in der Lage sind, die neue Versicherung vom Beginn ihrer Geltung ab in sachlicher Weise durchzuführen. Das AVG. ist auf Grund der Verordng. v. 8. Nov. 1912 (RGBl. S. 533) am 1. Januar 1913 in Kraft getreten. 6. Zu Nr. 2 Abs. 2. In dem Falle, daß nach § 29 (§ 172 ß des Regierungsentwurfs) die knappschaftliche Versicherung der Beamten aufgehoben wird, ist durch die Satzung, wie bereits § 29 (s. vorstehend) Abs. 1 bestimmt,

Gesetz vom 3. Juni 1912.

1071

Vorsorge zu treffen, daß die erworbenen Ansprüche erhalten bleiben. Darüber hinaus empfiehlt es sich, für die ersten zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Angestelltenverstcherungsgesetzes den Beamten die freiwillige Fortsetzung der Mitgliedschaft bei den Knappschaftspenstonskassen zu gestatten, womit ihnen die Möglichkeit eröffnet wird, die erworbenen Ansprüche durch weitere Beitrags­ zahlung noch zu steigern. Eine solche Übergangsbestimmung scheint nament­ lich im Interesse älterer Beamten geboten, die mit dem baldigen Eintritt eines Versicherungöfalls rechnen müssen, beim Übergang zur Retchsverstcherungsanstalt Ansprüche auf deren Leistungen aber erst nach Ablauf der im § 48 des Angestelltenversicherungsgesetzes vorgeschriebenen zehnjährigen Wartezeit erwerben. Für die Beitragsentrichtung gelten im Falle der freiwilligen Fortsetzung der Mitgliedschaft die allgemeinen Vorschriften des § 174 Abs. 2 des Ges. v. 19. Juni 1906 (jetzt § 36 Abs. 3 des Knappschaftsgesetzes). Den Werksbesitzern kann eine Verpflichtung, zur Knappschaftspensionskaffe weiter­ hin Beiträge zu leisten, nicht auferlegt werden, weil sie in den hier in Betracht kommenden Fällen entweder zu der Reichsversicherungsanstalt oder, wenn die Beamten bei der privaten Ersatzkasse beteiligt sind, zu dieser die retchsgesetzlichen Arbeitgeberbeiträge zu entrichten haben. Begr. 1912 S. 39. 7. Zu Nr. 3 vgl. Anm. 2 zu § 48 KnG.

Artikel V. Sofern bis zu dem im Artikel IV Abs. 1 bezeichneten Tage die Satzung eines Knappschaftsvereins oder einer besonderen Krankenkasse (§ 168 a) die nach Artikel I des gegenwärtigen Gesetzes erforderlichen Änderungen nicht erfahren haben sollte, werden diese Änderungen durch das zuständige Oberbergamt mit rechts­ verbindlicher Wirkung von Aufsichts wegen vollzogen. 1. Die hier vorgesehene Bestimmung ist zur Sicherung der recht­ zeitigen Durchführung der neuen Vorschriften über die Krankenversicherung notwendig gewordenen und entspricht ähnlichen Bestimmungen der RVO. Begr. 1912 S. 39.

Artikel VI.

Der Minister für Handel und Gewerbe wird ermächtigt, den Text des siebenten Titels im Allgemeinen Berggesetze vom 24. Juni 1865, wie er sich aus den Änderungen durch das Gesetz vom 19. Juni 1906 und durch das gegenwärtige Gesetz ergibt, mit der Überschrift „Knappschaftsgesetz" unter selbständiger fort­ laufender Nummernfolge der Paragraphen durch die Gesetzsammlung bekanntzumachen. Vgl. hierzu die Vordem, zum KnG. (oben S. 644).

1072

ui.

Anhang zum Knappschaftsgesetz.

Uerordnung über 6e$cbäft$gang und Uerfabren der (kr$id)ening$ämter vom 24. Dezember i-n (RGBl. S. 1107).

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen rc. verordnen auf Grund des § 35 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats, was folgt:

A. Einleitende Bestimmungen.

Vorsitzende, Versicherungsvertreter und Hilfskräfte des Versicherungsamts. § 1. Die ständigen Stellvertreter des Vorsitzenden des Ver­ sicherungsamts (§ 39 der Reichsversicherungsordnung) werden, soweit sie nicht bereits einen Diensteid geleistet haben, durch einen Beauftragten der obersten Verwaltungsbehörde, in deren Bezirke das Bersicherungsamt seinen Sitz hat, vor dem Antritt ihres Amtes auf die gewissenhafte Erfüllung der Amtspflichten eidlich verpflichtet. Das gleiche gilt für den Vorsitzenden eines als selb­ ständige Behörde errichteten Versicherungsamts (§ 38 der Reichsversicherungsordn ung). Die Versicherungsvertreter werden spätestens in der ersten Verhandlung, zu der sie zugezo^en werden, von dem Vorsitzenden des Bersicherungsamts auf die gewissenbafte Erfüllung ihrer Amtspflichten eidlich verpflichtet (§ 53 Abs. 1 der Reichsversiche­ rungsordnung). § 51 Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend. Die Verpflichtung gilt für die Dauer der Wahlzeit. Im Falle der Wiederwahl genügt die Verweisung auf die frühere Verpflichtung. Der Vorsitzende verpflichtet die Hilfskräfte des Versicherungs­ amts, soweit sie nicht bereits einen Diensteid geleistet haben, eidlich auf die gewissenhafte Erfüllung der Amtspflichten. Über die Verpflichtung ist eine Niederschrift aufzunehmen. § 2. Name und Wohnort des Vorsitzenden und seiner stän­ digen Stellvertreter sind in der Weise zu veröffentlichen, wie fit im Bezirke des Versicherungsamts für amtliche Bekanntmachungen der Verwaltungsbehörde üblich ist. § 3. Der Vorsitzende übt die unmittelbare Dienstaufsicht über die Hilfskräfte aus. § 4. Die Versicherungsvertreter haben dem Vorsitzenden anzuzeigen, wenn durch eine Änderung in ihren persönlichen Berhältniffen die Voraussetzungen ihrer Wählbarkeit (§ 47 der Reichs­ versicherungsordnung) wegfallen. Werden dem Vorsitzenden von einem Versicherungsvertreter Tatsachen bekannt, die seine Wählbarkeit ausschließen oder eine grobe Verletzung seiner Amtspflichten darstellen (§ 52 der Reichs-

Verfahren der BersicherungSämter.

1073

Versicherungsordnung), so hat der Vorsitzende den Versicherungs­ vertreter zu den Sitzungen einstweilen nicht zuzuziehen. Vor der Enthebung vom Amte ist dem Versicherungsvertreter Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Spruchausschüsse und Beschlußausschuß.

§ 5. Der Vorsitzende bildet die Spruchausschüsse und den Beschlußausschuß (§§ 56, 57 der Reichsversicherungsordnung). Die Versicherungsvertreter für den Beschlußausschuß (§ 57 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung) werden schriftlich (durch einzusendende oder verdeckt abzugebende Stimmzettel) oder — sofern kein Widerspruch erfolgt — auf andere Weise (durch mündliche Abstimmung, Zuruf oder Handerheben) gewählt. Der Vorsitzende des Versicherungsamts leitet die Wahl. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Vorsitzenden zu ziehende Los. Über den Hergang der Wahl ist eine Niederschrift aufzu­ nehmen. Bei Streit über die Wahl entscheidet das Oberversiche­ rungsamt endgültig. § 6. Der Vorsitzende des Versicherungsamts setzt im voraus für jedes Kalenderhalbjahr, zum ersten Male für die Zeit bis zum 31. Dezember 1912, die Reihenfolge fest, in der die Versicherungs­ vertreter und ihre Stellvertreter (§§ 40, 46 der Reichsversiche­ rungsordnung zu den Erörterungen über Einsprüche gegen Ände­ rungen von Unfalldauerrenten (§§ 1602, 1603 a. a. O.), zu den Verhandlungen über Invaliden- und Hinterbliebenenansprüche (88 1618, 1620, 1626, 1632 a. a. O.) sowie zu den Verhandlungen der Spruchausschüsse (§§ 1656, 1771 a. a. O.) zugezogen werden. Dabei sind die allgemeinen Bestimmungen zu beachten, die das Oberversicherungsamt getroffen hat. Versicherungsvertreter, die im Beschlußausschusse mitwirken, sind entsprechend seltener zu den Verhandlungen der Spruchausschüsse sowie zu den sonstigen in Abs. 1 bezeichneten Verhandlungen zuzuziehen. In Sachen der Unfallversicherung sollen — nötigenfalls außer der Reihe — möglichst Angehörige solcher Betriebe zuge­ zogen werden, welche dem Unfallbetriebe technisch und wirtschaftlich nahestehen. Die Gründe, aus denen in Ausnahmefällen von der im Abs. 1 festgesetzten Reihenfolge abgewichen wird oder Versicherungsvertreter, wie sie Abs. 3 bezeichnet, nicht zugezogen werden, sind in den Akten zu vermerken. Innerer Geschäftsgang.

8 7. Alle Entscheidungen, Beschlüsse, Anordnungen, Ver­ fügungen, Ersuchen, Berichte usw. ergehen unter dem Namen des Bersicherungsamts, und zwar sofern sie von einem Spruch­ ausschuß oder vom Beschlußausschuß ausgehen, unter zusätzlicher Bezeichnung des betreffenden Ausschuffes.

1074

Anhang zum Knappschaftsgesetz.

§ 8. Der Vorsitzende führt die Geschäfte und Verhandlungen des Versicherungsamts, zeichnet die Verfügungen und Entscheidungen und vollzieht die Reinschriften — vorbehaltlich des § 10 dieser Verordnung. Er regelt, leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang bei dem Versicherungsamte. Der Tag des Eingangs ist auf den eingehenden Schriftstücken zu vermerken. § 9. Im Falle der Behinderung des Vorsitzenden tritt an seine Stelle, vorbehaltlich des § 54 dieser Verordnung, der ständige Stellvertreter (§ 39 der Reichsversicherungsordnung). Im übrigen bestimmt die oberste Verwaltungsbehörde das Nähere über die Vertretung des Vorsitzenden durch die ständigen Stellvertreter. Dabei ist dem Vorsitzenden die Befugnis vorzu­ behalten, im einzelnen Falle eine Amtshandlung selbst zu über­ nehmen. Ausfertigungen und Abschriften. Vereinfachung des Geschäftsganges.

§ 10. Ausfertigungen und Abschriften sind als solche zu bezeichnen. Die Ausfertigungen werden am Schluffe mit dem Siegel des Versicherungsamts (8 11 dieser Verordnung) versehen und entweder vom Vorsitzenden unterzeichnet oder, sofern dies von der obersten Verwaltungsbehörde zugelaffen ist, von einem Bureau­ oder Kanzleibeamten des Versicherungsamts in der Weise voll­ zogen, daß unter die einschließlich der Unterschrift gefertigte Abschrift gesetzt wird: „Die Übereinstimmung dieser Ausfertigung mit der Ur­ schrift wird hierdurch beglaubigt", und daß der Beamte diesen Zusatz unter Bezeichnung seiner Amts­ eigenschaft unterschreibt. Die oberste Verwaltnngsbehörde kann, soweit es sich nicht um Verfügungen mit entscheidendem Inhalt (§ 34 dieser Verord­ nung) handelt, anordnen oder genehmigen, daß und in welcher Form der Erlaß einfacher Verfügungen, insbesondere vorbereitender, prozeßleitender und ähnlicher Art, sowie die Vollziehung der Rein­ schriften durch einen Bureau- oder Kanzleibeamten geschehen darf. Siegel.

Geschäftssprache.

§ 11. Das Versicherungsamt führt ein Siegel, das die Be­ zeichnung des Versicherungsamts unter Angabe seines Sitzes zu enthalten hat und im übrigen durch die für den Sitz des Versiche­ rungsamts zuständige oberste Verwaltungsbehörde bestimmt wird. Für die Geschäftssprache vor dem Versicherungsamte gelten die 88 186 bis 193 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Schriftstücke, die nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, brauchen nicht berücksichtigt zu werden.

Verfahren der BersicherungSämter.

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Besondere Bestimmungen. § 12. Für Versichern» gsiimter, die bei unteren Verwaltungs­ behörden errichtet sind, gelten die §§ 2,8, 9,10 dieser Verordnung nicht. Die oberste Verwaltungsbehörde bestimmt das Nähere.

B. Ordnung des Verfahrens. I.

Allgemeiner Teil.

Antrag. § 13. Die Anträge sind schriftlich oder mündlich zu stellen. Wird ein Antrag mündlich gestellt, so ist darüber eine Niederschrift zu fertigen. Die Anträge sollen den Anspruch bestimmt bezeichnen, ins­ besondere den in Anspruch genommenen Träger der Versicherung oder den beteiligten sonstigen Verpflichteten und den etwa erteilten Bescheid sowie die Tatsachen und Beweismittel angeben, die zur Begründung des Anspruchs dienen. § 14. Ist den in § 13 dieser Verordnungen bezeichneten Erfordernissen nicht vollständig genügt, insbesondere der Antrag nicht hinreichend bestimmt, so hat das Versicherungsamt die Er­ gänzung zu veranlasien. Es hat auch dahin zu wirken, daß die Parteien die angemessenen und sachdienlichen Anträge stellen. Vertretung der Parteien. § 15. Die Schriftsätze müssen entweder von dem Antrag­ steller selbst oder seinem gesetzlichen Vertreter oder von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. § 19. Die Beistände prozeßfähiger Personen, die mit diesen erschienen sind, sind neben den Parteien auf deren Verlangen zu hören. § 17. Die Prozeßfähigkeit der Parteien, die Vertretungs­ befugnisse sowie die Vollmachten sind von Amts wegen zu prüfen. Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß etwaige Mängel beseitigt werden. § 18. Für nicht prozeßfähige Parteien ohne gesetzlichen Vertreter hat der Vorsitzende die Bestellung eines solchen (Vormundes oder Pflegers) zu veranlassen. Bis zu dessen Eintritt kann der Vor­ sitzende der Partei für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen. Diesem stehen in dem Verfahren alle Parteirechte außer der Empfangnahme von Zahlungen zu. Das gleiche gilt, wenn der Aufenthaltsort der Partei oder ihres gesetzlichen Vertreters unbekannt oder vom Sitze des Ver­ sicherungsamts weit entfernt ist. Die nicht prozeßfähige Partei ist auf ihr Verlangen sebst zu hören. Die Kosten des besonderen Vertreters gelten als Parteikosten (§ 1670 der Reichsversicherungsordnung, § 35 dieser Ver­ ordnung).

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Anhang zum Knappschaftsgesetz.

§ 19. Die Vollmacht muß schriftlich erteilt werden. Ehe­ gatten, Verwandte oder Verschwägerte der aufsteigenden Linie und volljährige Verwandte oder Verschwägerte der absteigenden Linie können auch ohne den Nachweis einer schriftlichen Vollmacht zur Vertretung zugelafsen werden. Dasselbe gilt von den im § 1663 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung bezeichneten Personen) indessen ist diesen die Nachbringung einer schriftlichen Vollmacht aufzugeben. Die Partei muß die Prozeßführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. Die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Zurückweisung von Bevollmächtigten und Beiständen (§ 1663) gelten für das Verfahren vor dem Versicherungsamt auch außerhalb der Fälle, für die jene Vorschriften getroffen sind.

Beifügung von Abschriften. § 20. In Streitsachen über Ansprüche, die das Versickerungs­ amt zu entscheiden hat, ist von den eingereichten Schriftstücken für jeden Gegner eine Abschrift beizufügen. Das Versicherungs­ amt kann jedoch die Einreichung von Abschriften der Schriftstücke erlaffen. Wird eine Abschrift nicht eingereicht, so kann das Berstcherungsamt die erforderlichen Abschriften anfertigen laffen und die Kosten dafür vom Antragsteller einziehen. Mitteilung des Antrags an die Beteiligten. § 21. In den im § 20 dieser Verordnung bezeichneten Streit­ sachen wird jedem Beteiligten der Antrag oder der wesentliche Inhalt des Antrages mit dem Anheimgeben mitgeteilt, binnen einer bestimmten Frist, die in der Regel nicht länger als zwei Wochen zu bemessen ist, eine Gegenerklärung abzugeben. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß auch verhandelt und entschieden werden kann, wenn die Gegenerklärung nicht innerhalb der Frist abge­ geben sei. Die Frist zur Gegenerklärung kann auf Antrag verlängert werden.

Akteneinforderung. § 22. Wenn der Versicherungsträger oder der sonst Ver­ pflichtete dem Versicherungsamte die Verhandlungen nicht gleich­ zeitig mit deni Antrag auf Entscheidung oder mit der Gegenerklärung eingereicht hat, so hat das Versicherungsamt sie unverzüglich ein­ zufordern. Die Vorverhandlungen umfassen die sämtlichen Schriftstücke über den Anspruch, die bei dem Bersicherungsträger oder liessen Organen oder bei dem sonst Verpflichteten vorhanden sind, ein­ schließlich derjenigen, die sich in Borakten befinden oder etwa im Laufe des Verfahrens neu entstanden sind. Die neuen Schriftstücke sind auch ohne Auffordern unverzüglich nachzureichen.

Verfahren der BerstcherungSämter.

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Zuziehung Dritter. § 23. Dritte, die an dem Ausgang des Verfahrens ein berechtigtes Interesse haben, können vom Bersicherungsamt auf Antrag oder von Amts wegen zum Verfahren zugezogen werden. Solche Dritte sind auch ohne Zuziehung jederzeit berechtigt, dem Verfahren beizutreten, Ausführungen zu machen und Anträge zu stellen. Sie sind im Falle der Zuziehung oder des Beitritts von dem Gange und dem Ausgang des Verfahrens in Kenntnis zu setzen.

Klarstellung des Sachverhalts. § 24. Für die Vorbereitung der Entscheidung und für die Klarstellung des Sachverhalts gilt § 1652 der Reichsversiche­ rungsordnung auch in anderen als den dort vorgesehenen Fällen entsprechend. § 25. Sollen in oder außerhalb einer mündlichen Verhand­ lung Beweise erhoben, insbesondere Zeugen oder Sachverständige vernommen werden, so ist den Beteiligten eine Nachricht über Zeit, Ort und Gegenstand der Beweisverhandlung mit dem Bemerken zuzustellen, daß ihnen die Anwesenheit bei der Vernehmung auf ihre Kosten sreistehe. Zwischen der Benachrichtigung und dem Tage der Beweis­ verhandlung soll in der Regel ein Zeitraum von mindestens drei Tagen liegen. Die Beteiligten sind berechtigt, den Zeugen oder Sachver­ ständigen oder einem anderen B'teiligten diejenigen Fragen vor­ legen zu taffen, welche sie zur Aufklärung der Sache für dienlich halten. Der Vorsitzende kann ihnen gestatten, selbst Fragen zu stellen. Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet der Vorsitzende. § 26. Der Vorsitzende kann das persönliche Erscheinen einer Partei zu einer Beweiserhebung oder zum Zwecke einer solchen anordnen. In diesem Falle ist ihr zu eröffnen, daß ihr auf Ver­ langen dafür bare Auslagen und Zeitverlust vergütet werden und daß aus dem Nichterscheinen ungünstige Schlüsse für ihren Anspruch gezogen werden können. § 27. Den Zeugen und Sachverständigen ist mit der Ladung der Gegenstand ihrer Vernehmung mitzuteilen. Aus besonderen Gründen, namentlich zur Herbeiführung einer unbeeinflußten, wahren Aussage, kann hiervon abgesehen werden. Die Gründe sind in den Akten zu vermerken. § 28. Über die Beweisaufnahme ist unter Zuziehung eines vereidigten oder durch Handschlag verpflichteten Schriftführers eine Niederschrift aufzunehmen. Den Zeugen und Sachverständigen ist ihre niedergeschriebene Aussage unmittelbar nach der Vernehmung vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen und Gelegenheit zur Berichtigung und Er-

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Anhang zum Knappschaftsgesetz.

gänzung zu geben. In der Niederschrift ist zu bemerken, daß sie vorgelesen oder vorgelegt und daß sie genehmigt ist oder welche Einwendungen erhoben sind. § 46 Abs. 2, § 47 Abs. 2 dieser Verordnung sind au zuwenden. Über das Ergebnis eines Augenscheins außerhalb der münd­ lichen Verhandlung kann in einfacheren Fällen der Vorsitzende oder der von ihm beauftragte Versicherungsvertreter (§ 55 der Reichsversicherungsordnung) allein eine Feststellung zu den Akten bringen. Abs. 1 bis 3 und § 25 gelten nicht für eine lediglich vor­ bereitende Befragung von Auskunftspersonen. Unterbrechung des Verfahrens.

§ 29. Die Vorschriften des § 239 Abs. 1, 2 und der §§ 241, 249 der Zivilprozeßordnung über die Unterbrechung des Verfahrens gelten entsprechend.

Mitteilung neuen Vorbringens und der Beweisergebniffe.

§ SO. Bor der Entscheidung über zulässige und rechtzeitige Anträge soll den Beteiligten von erheblichen neuen tatsächlichen Vorbringen der Gegner und von Beweiserhebungen, die ohne ihre rechtzeitige (§ 25 Abs. 2 dieser Verordnung) Benachrichtigung in ihrer Abwesenheit stattgefunden haben, Kenntnis und Gelegenheit zur Äußerung binnen angemessener Frist gegeben werden. Entscheidung.

§ 31. Das Versicherungsamt entscheidet innerhalb der er­ hobenen Ansprüche nach freiem Ermessen. § 32. In der Entscheidung werden die nach § 1802 der Reichsversicherungsordnung einem Beteiligten etwa auferlegten Kosten festgesetzt. § 33. Am Schlüsse der Entscheidung, die über einen An­ spruch ergeht — einschließlich der nach § 1657 der Reichs­ versicherungsordnung erlassenen Vorentscheidung —, ist darauf hinzuweisen, ob ein Rechtsmittel und zutreffendenfalls welches Rechtsmittel gegen sie gegeben und innerhalb welcher Frist und wo es einzulegen ist (§§ 128, 129, 1675, 1680, 1792, 1797 der Reichsversicherungsordnung). In Spruchsachen der Kranken­ versicherung ist ferner darauf hinzuweisen, daß das Oberversiche­ rungsamt dem unterliegenden Teile eine Gebühr auflegt (§ 1803 der Reichsversicherungsordnung). § 34. Entscheidungen, die durch ein Rechtsmittel anfechtbar sind, sind schriftlich niederzulegen und mit Gründen versehen­ den Beteiligten sind sie mit den Gründen in Ausfertigung (§ 10 Abs. 2 dieser Verordnung) zuzustellen (§§ 135, 136 der Reichs­ versicherungsordnung). § 35. Für die Kostenentscheidung sowie für die Berichtigung und Ergänzung der Entscheidung sind die Vorschriften der Reichs-

Verfahren der BerstcherungSämter.

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Versicherungsordnung (§§ 1670, 1673, 1674) auch außerhalb der darin vorgesehenen Fälle entsprechend anzuwenden.

Akteneinsicht. § 36. Die Beteiligten können — vorbehaltlich der Vor­ schriften im § 1607 Abs. 2, § 1631 Abs. 2, 1653 Abs. 2 der Reichs­ versicherungsordnung — Einsicht in die Akten nehmen und sich daraus gegen Erstattung der Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Der Vorsitzende kann aus besonderen Gründen die Akteneinsicht versagen oder beschränken. Dritten Personen kann der Vorsitzende des Versicherungs­ amts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Die Entwürfe zu Entscheidungen sowie Schriftstücke, die Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt. II. Besonderer Teil. I. Verfahren mit mündlicher Verhandlung. (§§ 1602, 1604, 1618, 1626, 1632, 1600 biS 1674, 1771 biS 1775, 1781 Abs 4 der Reichsversicherungsordnung, § 61 dieser Verordnung.)

1. Gemeinsame Vorschriften.

Verhandlungsort. § 37. Die mündliche Verhandlung findet in der Regel am Sitze des Versicherungsamts statt. Der Vorsitzende ist jedoch be­ fugt, die Verhandlung an einem anderen Orte des Bezirkes des Versicherungsamts anzuberaumen- die oberste Verwaltungsbehörde kann Näheres bestimmen.

Verhandlungszeit. § 38. Von Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung sind die Parteien und die etwa zugezogenen oder einer Partei bei­ getretenen Beteiligten, soweit sie ein Recht zum Erscheinen haben, zu benachrichtigen, und zwar in der Regel durch eingeschriebenen Brief oder gegen Postzustellungsurkunde. Wird einer der Bezeich­ neten durch einen Bevollmächtigten vertreten, so wird dieser be­ nachrichtigt- beide werden benachrichtigt, wenn das persönliche Erscheinen eines der Bezeichneten angeordnet ist. Sind mehrere Bevollmächtigte einer Partei vorhanden, so genügt die Zustellung an einen Bevollmächtigten. Ein Ausweis über die Zustellung soll zu den Akten gebracht werden. § 39. Zwischen der Mitteilung der Verhandlungszeit und dieser selbst soll regelmäßig im Spruchansschuß- und Beschlußausschußverfahren ein Zeitraum von mindestens einer Woche, im übrigen von mindestens drei Tagen liegen. Die Gründe für eine Abweichung von der Regel sind aktenkundig zu machen. § 40. Die Parteien sind in der Mitteilung von der Ver-

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Anhang zum Knappschaftsgesetz.

Handlungszeit darauf hinzuweisen, daß ihre Ansprüche von Amts wegen geprüft werden, daß ihr persönliches Erscheinen oder das Erscheinen eines Vertreters nicht erforderlich ist und daß auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann. In den Fällen der Begutachtung durch das Versicherungsamt (88 1605, 1623, 1626 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung) ist darauf hinzuweisen, daß das Gutachten nach Lage der Akten werde erstattet werden. Bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei ist ihr zu eröffnen, daß ihr auf Verlangen bare Auslagen und Versäumnis vergütet werden (§ 1669 Abs. 1, § 1789 der Reichsversicherungsordnung) und daß aus dem Nichterscheinen ungünstige Schlüsse für ihren Anspruch gezogen werden können. 8 41. Die Reihenfolge der Sachen, die zur mündlichen Verhandlung gelangen, wird durch den Vorsitzenden bestimmt und durch Aushang vor dem Sitzungszimmer bekannt gemacht- die Sachen werden nach Aufruf in der Regel in der Reihenfolge erledigt, wie sie der Aushang ergibt. Verhandlung. § 42. Gegen Personen, die auf Grund des § 1664 der Reichsversicherungsordnung aus dem Sitzungszimmer entfernt worden sind, wird in gleicher Weise verfahren, wie wenn sie sich freiwillig entfernt hätten. § 43. Wird bei der Verhandlung ein Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen (§ 1604 Abs. 2, § 1622 Abs. 2, § 1663 der Reichsversicherungsordnung), ohne daß dies der Partei vorher rechtzeitig angedroht worden ist, so ist, falls die Partei nicht er­ schienen ist oder falls sie es beim Erscheinen auf Befragen bean­ tragt, die Verhandlung auszusetzen und eine neue Verhandlungs­ zeit anzuberaumen. § 44 Die mündliche Verhandlung wird vom Vorsitzenden geleitet und beginnt mit der Darstellung des Sachverhalts durch ihn oder durch eine andere von ihm hierzu bestimmte, beim 93er» sicherungsamte beschäftigte Person. Demnächst sind die erschienenen Beteiligten zu hören. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit ihnen zu er­ örtern und dahin zu wirken, daß sie über alle erheblichen Tat­ sachen sich vollständig erklären sowie die angemessenen und sach­ dienlichen Anträge stellen. Die Anträge können ergänzt, berichtigt oder geändert werden. Der Vorsitzende hat den Versicherungsvertretern auf Ver­ langen zu gestatten, Fragen an die erschienenen Parteien, Partei­ vertreter, Beistände, Zeugen und Sachverständigen zu stellen. Zweifel über die Zulässigkeit der Fragen entscheidet der Vor­ sitzende. 'Beschließt das Versicherungsamt eine Bewelserhebung, so soll die Aufnahme des Beweises, soweit dies tunlich ist, sofort erfolgen insbesondere sollen Zeugen und Sachverständige, deren Verneh-

Verfahren der BerstcherungSämter.

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mung zweckdienlich erscheint, sofort vernommen werden, falls sie zur Stelle find oder ihre unverzügliche Gestellung möglich ist.

Niederschrift. § 45. Über die mündliche Verhandlung ist auch außerhalb der im Gesetze vorgesehenen Fälle (§ 1604 Abs. 1 in Verbindung mit § 1594, 8 1622 Abs. 2,88 1626,1672 der Reichsversicherungs­ ordnung) durch einen vereidigten Schriftführer eine Niederschrift aufzunehmen. Sie enthält Ort und Tag der Verhandlung, die Bezeichnung der verhandelten Sache, gegebenenfalls die Bezeichnung des tagenden Spruch- oder Beschlußausschusses, ferner den Namen und Beruf des Vorsitzenden, des Vertreters der Arbeitgeber, des Vertreters der Versicherten und des Schriftführers sowie des etwa zuge­ zogenen Dolmetschers unter Bezeichnung der Eigenschaft, in der sie mitwirken, schließlich die Namen der erschienenen Beteiligten, Vertreter und Beistände sowie die Angabe, daß öffentlich ver­ handelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. 8 46. Die Niederschrift hat den Gang der Verhandlung im allgemeinen wiederzugeben. Insbesondere sind aufzunehmen: 1. Erklärungen der Beteiligten, welche die Zurücknahme eines Antrags bezwecken, Anerkenntnisse, Verzichtleistungen und Vergleiche sowie andere Parteierklärungen, namentlich Ge­ ständnisse, deren Feststellung das Versicherungsamt beim Schluffe der mündlichen Verhandlung für angemessen erachtet2. solche Anträge und erheblichen Erklärungen der Beteiligten, die von dem Inhalt der Schriftsätze abweichen 3. die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen und die Fest­ stellung, ob sie beeidigt sind oder nicht 4. das Ergebnis eines Augenscheins 5. die Entscheidungen des Versicherungsamts (Urteils- oder Be­ schlußformel, Inhalt der Verfügungen) und die Gutachten, die nach 88 1605, 1623, 8 1626 Abs. 1 der Reichsversicherungs­ ordnung zu erstatten sind6. die Verkündung der Entscheidungen, soweit dies vorgeschrieben ist (§ 1671 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung und 8 51 dieser Verordnung). Der Aufnahme in die Niederschrift steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, die der Niederschrift als Anlage beigefügt, als solche vom Vorsitzenden und Schriftführer gekennzeichnet und in der Niederschrift aufgeführt ist. 8 47. Die Niederschrift ist, soweit sie die Nummern 1 bis 3 des 8 46 betrifft, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. In der Niederschrift ist zu bemerken, daß dies ge­ schehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwen­ dungen erhoben sind. Die Niederschrift ist von dem Vorsitzenden und dem Schrift­ führer zu unterzeichnen. Ist der Vorsitzende verhindert, so genügt

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Anhang zum Knappschaftsgesetz.

die Unterschrift des Schriftführers. Die Tatsache der Verhinderung des Vorsitzenden ist in der Niederschrift zu vermerken. 2. Sonder bestimmun gen für das Verfahren vor den Spruchausschüssen, vor dem Vorsitzenden im Falle des § 1661 der Reichsversicherungsordnung und vor denr Beschlußausschusse. a) Gemeinsames. Verhandlung ohne vorausgegangenen Schriftwechsel. § 48. In einfachen Fällen, namentlich dann, wenn das tatsächliche Verhältnis aus den Akten und Urkunden sich sofort feststellen läßt, kann alsbald Termin zur mündlichen Verhand­ lung anberaumt werden. Dem Gegner sind dann gleichzeitig mit der Terminsnachricht Abschriften des Antrags und der ihm noch nicht bekannten Beweisstücke mitzuteilen oder es ist ihm von dem wesentlichen Inhalt des Antrags und der Beweisstücke Kenntnis zu geben. Mitwirkende an den Entscheidungen. § 49. Bei den Entscheidungen dürfen nur Mitglieder mit­ wirken, vor denen die mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Beratung und Abstimmung. § 50. Die Beratung und Beschlußfassung schließen sich unmittelbar an die mündliche Verhandlung an. Sie sind nicht öffentlich. Außer den zur Entscheidung Berufenen und dem Schriftführer dürfen nur die bei dem Versicherungsamte beschäf­ tigten Personen zugegen sein, welchen der Vorsitzende des Ver­ sicherungsamts die Anwesenheit zu ihrer Ausbildung gestattet hat. Bei der Abstimmung (§§ 1667, 1771, § 1790 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung) stimmen zunächst die Versicherungs­ vertreter, und zwar zuerst der dem Lebensalter nach jüngere. Die §§ 196, 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten ent­ sprechend. Die Abstimmung der einzelnen Mitglieder darf keinen schrift­ lichen Ausdruck finden. Über den Hergang bei der Beratung und über das Stimmen­ verhältnis ist zu schweigen.

Verkündung. § 51. Die Entscheidungen (Urteile — § 1661, § 1671 Abs. 1 der ReichsversicherunAsordnung —, Beschlüsse und Verfügungen), die auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen, sind zu verkünden. Die Gründe werden verkündet, soweit dies für erforderlich ge­ halten wird. § 52 Die Verkündung der Entscheidung kann auf eine spätere Sitzung vertagt werden, die in der Regel sofort anzu­ beraumen ist und binnen einer Woche stattfinden soll.

Verfahren der Versicherungsämter.

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Schriftliche Abfassung der Entscheidung. § 53. Die Entscheidung wird schriftlich abgefaßt. Sie ent­ hält eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts unter Hervor­ hebung der Anträge (Tatbestand) und die Entscheidungsgründe (§ 34 dieser Verordnung)- äußerlich davon zu sondern ist die Ents cheidungs formet. Im Eingang der Entscheidung sind die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, das Versicherungsamt, der entscheidende Aus­ schuß, der Vorsitzende und — in der im § 45 Abs. 2 dieser Ver­ ordnung bezeichneten Reihenfolge — die Versicherun gsvertreter, die an der Entscheidung teilgenommen haben, aufzuführen. Auch ist der Sitzungstag, an dem die Entscheidung ergangen ist, zu bezeichnen und anzugeben, ob mündlich verhandelt ist. § 54. Die Urschrift der Entscheidung wird von dem Vor­ sitzenden, sofern er aber behindert ist, für ihn von dem an Lebens­ jahren ältesten Beisitzer unterzeichnet. Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften. § 55. Die Ausfertigung der Entscheidung soll binnen zwei Wochen nach der Entscheidung den Beteiligten oder ihren gesetz­ lichen Vertretern zugestellt werden. Ist ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten, so ist diesem die Ausfertigung zuzustellen. Sind mehrere Bevoll­ mächtigte einer Partei vorhanden, so genügt die Zustellung an einen Bevollmächtigten,

b) Verhandlung vor den Spruchausschüssen und vor­ dem Vorsitzenden im Falle des § 1661 der Reichsver­ sicherungsordnung. Verfahren beim Ausschluffe der Öffentlichkeit. § 56. Das Verfahren beim Ausschluffe der Öffentlichkeit (§ 1660 Abs. 2, § 1671 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung) richtet sich nach den §§ 174 Abs. 2, 175 Abs. 1 des Gerichts­ verfassungsgesetzes.

Verhandlungen außerhalb der Sitzung. § 57. Verhandlungen außerhalb der Sitzung — insbeson­ dere Beweisaufnahmen (§§ 25 bis 28 dieser Verordnung) — sink nicht öffentlich.

Form der Ausfertigungen der Urteile. § 58. Die Ausfertigungen der Urteile (§ 55 dieser Ver­ ordnung) erhalten die Überschrift, die für die gerichtlichen Urteile vorgeschrieben (z. B. ,,Jm Namen des Königs") oder im Falle des § 36 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung von den beteiligten Landesregierungen vereinbart ist.

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Anhang zum Knappschastsgesetz.

c) Verfahren in Sachen, die dem Beschlußausschusse überwiesen sind. Entscheidungen des Vorsitzenden ohne die Versicherungsvertreter. § 59. Verspätete und unzulässige Anträge können ohne Verhandlung des Beschlußausschusies durch eine mit Gründen versehene Verfügung des Vorsitzenden verworfen werden. Der Antragsteller kann binnen einer Woche nach der Zu­ stellung die Entscheidung des Beschlußausschusies anrufen. Die Verfügung muß darauf Hinweisen. § 60. In anderen Fällen kann der Vorsitzende ohne Ver­ handlung des Beschlußausschusies eine Vorentscheidung treffen. Die 88 1657 und 1658 der Reichsversicherungsordnung sind ent­ sprechend anzuwenden.

Mündliche Verhandlung. § 61. Soweit in einer Beschlußsache vor dem Beschluß­ ausschusse zu verhandeln ist, kann der Vorsitzende mündliche Ver­ handlung anordnen. Mitteilung an die Versicherungsvertreter. § 62. Den Versicherungsvertretern, die an der Verhandlung Mitwirken, ist abgesehen von eiligen Fällen mitzuteilen, welche Sachen verhandelt werden sollen. II. Verfahren bet Entlassung eines der Dienstordnung unter­ stehenden Angestellten einer Krankenkasse oder eines Kassen­ verbandes (§ 358 Abs. 1 Satz 3, § 413 Abs. 2 Satz 1 der Retchsverstcherungsordnung).

§ 63. Für das Verfahren bei Entlassung eines Angestellten einer Krankenkasse oder eines Kassenverbandes, welcher der Dienst­ ordnung untersteht, gelten die Vorschriften über das Verfahren vor dem Beschlußausschusse sowie die §§ 13 bis 55, 59 bis 62 dieser Verordnung, soweit die §§ 64 bis 72 nichts anderes be­ stimmen. Staatsanwaltschaft. § 64. Nach Eingang des Antrags auf Entscheidung des Versicherungsamts (Beschlußausschusies) überreicht der Vorsitzende des Versicherungsamts die Akten der höheren Verwaltungsbehörde. Diese ernennt einen oder mehrere Beamte, die im Verfahren die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft wahrzunehmen haben. Den Beamten der Staatsanwaltschaft sind die Akten, die auf das Ver­ fahren Bezug haben, auf Verlangen jederzeit vorzulegen.

Vernehmung der Angestellten und Beweiserhebungen. § 65. Der entlassene Angestellte ist unter Mitteilung der Anschuldigung vor den Vorsitzenden des Versicherungsamts zur Vernehmung vorzuladen und zu befragen, ob und zutreffenden-

Verfahren der Versicherungsämter.

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falls welche Beweiserhebungen (§§ 24 bis 28 dieser Verordnung) er vor der mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beamte der Staatsanwaltschaft und die Krankenkasse sind von den Zeiten der Vernehmung des Angestellten und der Beweiserhebungen zu benachrichtigen und befugt, ihnen beizu­ wohnen oder sich dabei vertreten zu lasten. Die Zeugen sind auf Antrag des Beamten der Staats­ anwaltschaft oder des Angestellten oder der Krankenkasse in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen, wenn die Tatsachen, über die sie vernommen werden sollen, erheblich sind und das Ver­ sicherungsamt nicht die Überzeugung gewinnt, daß der Antrag nur auf Verschleppung der Sache abzielt. Der Antrag kann abgelehnt werden, wenn dem Erscheinen des Zeugen Krankheit, große Entfernung oder andere erhebliche Hindernisse entgegen­ stehen. Als große Entfernung im Sinne dieser Verordnung gilt es nicht, wenn der Zeuge sich im Bezirke des dem Versicherungs­ amt übergeordneten Oberversicherungsamts befindet.

Anschuldigungsschrift.

§ 66.

Der Beamte der Staatsanwaltschaft fertigt eine Anschuldigungsschrift an, sobald die Sache vorbereitet ist. Die Anschuldigungsschrift muß außer der Anschuldigung die ihr zugrunde liegenden Tatsachen und die Beweismittel enthalten. Der Beamte der Staatsanwaltschaft ist an die Auffassung der Krl-nkenkaste und des Versicherungsamts nicht gebunden. Hält er die Anschul­ digung nicht für begründet und wird die Entlastung nicht zurück­ genommen (§ 70 Abs. 1 dieser Verordnung), so bringt er seine Auffassung in der Anschuldigungsschrift zum Ausdruck. Mündliche Verhandlung.

§ 67. Der Angestellte und die Krankenkasse werden unter Mitteilung einer Abschrift der Anschuldigungsschrift zur münd­ lichen Verhandlung in einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Sitzung des Bersicherungsamts (Beschlußausschuß) geladen. Die Verhandlung ist nicht öffentlich (§ 1790 Abs. 1 der Reichs­ versicherungsordnung). Der Beamte der Staatsanwaltschaft wird von der Sitzung benachrichtigt. Auch in Abwesenheit der Beteiligten wird mündlich ver­ handelt. § 68. In der Ladung ist dem Angeschuldigten und der Krankenkasse mitzuteilen, daß und wie sie sich vertreten lasten können und daß auch im Falle des Ausbleibens des Angestellten oder der Parteivertreter die Sache verhandelt und entschieden werde. Ist nachgewiesen, daß ein Vertreter bestellt ist, so ist dieser in der gleichen Weise von der Sitzung zu benachrichtigen. Ist das persönliche Erscheinen des Angeschuldigten angeord­ net, so müssen die Ladung an ihn und die Nachricht an seinen

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Anhang zum Knappschaftsgesetz.

Vertreter die Verwarnung enthalten, daß bei seinem Ausbleiben ein Vertreter zur Verteidigung nicht werde zugelaffen. werden. § 69. In der mündlichen Verhandlung wird der wesentliche Inhalt der Anschuldigung vom Beamten der Staatsanwaltschaft mündlich vorgetragen. Demnächst wird der Angeschuldigte vernommen. Der Vorsitzende gibt, wenn dies nach den Erklärungen des Angeschuldigten noch erforderlich ist, auf Grund der Verhandlungen eine Darstellung der Beweisaufnahme, soweit sie sich auf die Anschuldigung bezieht. Soweit der Beschlußausschuß es für erforderlich hält, werden sodann die anwesenden Zeugen und Sachverständigen vernommen. Nach Abschluß der Beweisaufnahme werden der Beamte der Staatsanwaltschaft und der Vertreter der Krankenkasie mit ihren Anträgen, der Angeschuldigte und sein Vertreter mit der Vertei­ digung gehört. Dem Angeschuldigten steht das letzte Wort zu. Zurücknahme der Entlassung oder des Antrags. § 70. Die Krankenkasse kann mit Genehmigung des Bersicherungsamts sowie unter Zustimmung des Beamten der Staats­ anwaltschaft und mit Einwilligung des Angeschuldigten die Entlaffung jederzeit zurücknehmen. Der entlassene Angestellte kann bis zur Verkündung der Entscheidung den Antrag auf Entscheidung über die gegen ihn verhängte Entlassung zurücknehmen. Die Zurücknahme der Entlassung oder des Antrags hat die Einstellung des Verfahrens zur Folge. Dabei gilt § 1802 der Reichsversicherungsordnung. Entscheidung. § 71. Bei der Entscheidung hat das Versicherungsamt (Beschlußausschuß) nach seinem freien, aus dem Inbegriffe der Verhandlungen und Beweise geschöpften Überzeugung zu beurteilen, inwieweit die Anschuldigung für begründet zu erachten ist. Ist die Anschuldigung nicht begründet, so hebt der Beschluß­ ausschuß die Verfügung der Krankenkasse, welche die Entlassung ausspricht, auf und erklärt die Entlassung für unzulässig. Ist die Anschuldigung begründet, so kann die Entscheidung auf Abweisung des Antrags oder unter Aufhebung der von der Krankenkasse ausgesprochenen Entlassung auf eine Ordnungsstrafe lauten, wie sie in der Dienstordnung vorgesehen ist.

Beschwerde. § 72. Gegen die Entscheidung steht neben den Parteien er VersicherungsPflichtigen einziehen. Sie kann dabei die Pflicht zur Meldung der Versicherten regeln. Das gleiche kann die Versicherungsanstalt selbst mit Ge­ nehmigung der obersten Verwaltungsbehörde durch ihre Satzung, ferner eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband mit Genehmi­ gung der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhören der Anstalt durch Statut bestimmen. § 1455. Die oberste Verwaltungsbehörde kann anvrdnen, daß 1. Krankenkassen, Knappschastsvereine oder Knappschaftskassen oder örtliche Hebestellen der Versicherungsanstalten die Quittungs­ karten ausstellen und umtauschen 2. unständig Beschäftigte (§ 441) ihre Beitragshälste unmittelbar entrichten, die andere der Gemeindeverband oder die Gemeinde auslegt und der Arbeitgeber erstattet; auch kann die ent­ sprechende Anwendung der §§ 453 ff. angeordnet werden. Die Versicherungsanstalt hat dafür den bezeichneten Stellen besondere Vergütungen zu gewähren, deren Höhe die oberste Ver­ waltungsbehörde festsetzt. § 1456. Für die Mitglieder einer Krankenkasse kann ihre Satzung, für die Mitglieder der Krankenkasse eines Reichs- oder Staatsbetriebs können die zuständigen Dienstbehörden das Einzugsversahren anordnen und der Kasse die Ausstellung und den Umtausch der Quittungskarten übertragen.

Reichsverstchcrungsordnung.

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§ 1449 ist nicht anzuwenden. Was dieses Buch für Krankenkaffen (§ 225) vor­ schreibt, gilt auch für die knappschaftlichen Krankenkassen.

§ 1484.

Fünftes Buch.

Beziehungen der BersicherungSträger zueinander und zu anderen Verpflichteten. § 1501. Tie Leistungsfähigkeit der Krankenkassen (§ 225) wird dadurch nicht berührt, daß ein Träger der reichsgesetzlichen Unfallversicherung zum Schadenersatz verpflichtet ist. Leistet eine Krankenkasse Pflichtgemäß nach Gesetz oder Satzung infolge eines Unfalls für eine Zeit, für die der Be­ rechtigte infolge des Unfalls auch einen Anspruch auf Unfallentschädigung hatte oder noch hat, so kann sie, jedoch höchstens bis zum Betrage dieses Anspruchs und nur in den Grenzen der §§ 1502 bis 1507, als Ersatz die Unfallentschädigung bean­ spruchen. Aus dem Sterbegeld und der Unfallrente kann die Kranken­ kasse nur Ersatz beanspruchen, soweit dies ausdrücklich zuge­ lassen ist. § 1502. Sterbegeld, das die Krankenkasse einem nach § 208 Berechtigten zahlt, ist aus dem Sterbegeld zu ersetzen, das der Träger der Unfallversicherung zu gewähren hat. § 1503 Für Krankenpflege sind drei Achtel des Grund­ lohns zu ersetzen, nach welchem sich das Krankengeld der Be­ rechtigten bestimmt. Bei Krankenhauspflege gilt das gleiche für die Kranken­ pflege. Für den Unterhalt int Krankenhause wird die Hälfte des Grundlohns angefetzt) für diesen Betrag kann Ersatz nur aus der Unfallrente beansprucht werden. § 1504. Für Hilfsmittel, die nach § 187 Nr. 3 zu ge­ währen find, ist Ersatz in Höhe des Aufwandes zu leisten. § 1505. Für andere Leistungen als Sterbegeld, Kranken­ pflege und Hilfsmittel (§§ 1502 bis 1504) kann Ersatz nur aus der Unfallrente beansprucht werden. § 1506. Soweit für Kassenleistungcn Ersatz aus der Un­ fallrente beansprucht werden kann, ist der Anspruch nur begründet bis zum halben Betrage der Rente, die auf die Zeit fällt, für welche die Ansprüche auf Kaffenleistungen und Rente zusammen­ treffen. Ist dem Kranken während dieser Zeit vollständiger Unter­ halt in einer Anstalt gewährt worden, der nach den Vorschriften dieses Buches aus der Unfallrente zu ersetzen ist, so ist für die Dauer dieses Unterhalts der Anspruch auf Ersatz bis zum vollen Betrage der Rente begrünbct. Dies gilt entsprechend, wenn der Träger der Unfallversicherung dem Kranken vollständigen Unter­ halt in einer Anstalt gewährt hat (§ 607).

1168

Anhang zum Knappschaftsgesetz.

Um bei Heilanstaltspflege, die der Träger der Unfallver­ sicherung gewährt, den Umfang zu bestimmen, in welchem der Ersatzanspruch der Krankenkasie für ihre Leistungen begründet ist, wird der Unterhalt in der Heilanstalt gleich der Vollrente ge­ rechnet. § 1507. Zur Befriedigung des Ersatzanspruchs der Kranken­ kasse darf aus rückständige Rentenbeträge und auf solche für die Zeit des vollständigen Unterhalts in einer Anstalt (§ 1506 Abs. 2 Satz 1) bis zu ihrer vollen Höhe, auf andere Rentenbeträge nur bis zu ihrer halben Höhe zugegriffen werden. § 1508. Der Anspruch auf Ersatz (§§ 1501 bis 1507) ist ausgeschlossen, wenn er nicht spätestens drei Monate nach Be­ endigung der Kassenleistungen bei dem Träger der Unfallversiche­ rung geltend gemacht wird. Hat jedoch die Krankenkasse ohne ihr Verschulden erst nach Ablauf dieser Zeit Kenntnis davon erhalten, daß die Voraus­ setzungen für einen Ersatzanspruch zutreffen, so kann sie noch innerhalb einer Woche nach dem Tage, an dem sie diese Kennt­ nis erlangt hat, den Anspruch geltend machen. § 1511. Die Satzung der Krankenkasse kann bestimmen, daß bei einer Krankheit, die Folge eines entschädigungspflichtigen Unfalls ist, für die Zeit, für die Unfallrente oder Heilanstaltpflege gewährt wird, Krankengeld nur soweit zu gewähren ist, als es den Betrag der Unfallrente übersteigt. Dabei wird der Unter­ halt in der Heilanstalt gleich der Vollrente gerechnet. § 1512. Die Krankenkasse hat jede Krankheit, die ein ent­ schädigungspflichtiger Unfall herbeigeführt hat, dem Träger der Unfallversicherung binnen drei Tagen anzuzeigen, sobald genügen­ der Anhalt dafür vorliegt, daß die Erwerbsfähigkeit infolge des Unfalls über die dreizehnte Woche hinaus beschränkt sein wird- ist der Erkrankte nach Ablauf von drei Wochen nach dem Unfall noch nicht wiederhergestellt, so ist die Anzeige längstens bis zum Ende der vierten Woche zu erstatten. Zu der Anzeige ist der geschäftleitende Angestellte der Kaffe verpflichtet, wenn nicht der Vorstand einen anderen damit beauf­ tragt. Die Anzeige an eine Berufsgenoffenschaft, die in Sektionen eingeteilt ist, hat an den Sektionsvorstand zu ergehen. Das Versicherungsamt kann wegen Unterlassung der Anzeige eine Geldstrafe bis zu zwanzig Mark festsetzen. Auf Beschwerde entscheidet das Oberversicherungsamt endgültig. § 1513. Bei Krankheit, die ein Unfall herbeigeführt hat, kann der Träger der Unfallversicherung das Heilverfahren über­ nehmen. Er hat dann für dessen Dauer oder bis zum Ablauf der dreizehnten Woche nach dem Unfall dem Kranken das zu ge­ währen, was diesem seine Krankenkaffe nach Gesetz oder Satzung zu leisten hätte. An Stelle der Krankenpflege und des Kranken­ geldes kann er Krankenhauspflege und Hausgeld nach den §§ 184,

ReichSverstcherungSorbnung.

1169

186 gewähren- er kann mit Zustimmung des Kranken auch Pflege nach § 185 gewähren.

Die Krankenkasse hat dem Träger der Unfallversicherung insoweit Ersatz zu leisten, als der Kranke von ihr nach Gesetz oder Satzung Krankenhilfe beanspruchen könnte und der Träger d>er Unfallversicherung dann nicht selbst ersatzpflichtig wäre. Dabei gelten als Ersatz für Krankenpflege drei Achtel des Grundlohns, nach welchem sich das Krankengeld des Berechtigten bestimmt. § 1514. Der Träger der Unfallversicherung kann die ErfÄlluiig seiner Pflichten gegen den Verletzten und dessen Ange­ hörige der letzten Krankenkasse des Verletzten über die dreizehnte Woche nach dem Unfall hinaus bis zum Ende des Heilverfahrens in dem Umfang übertragen, den er für geboten hält. Er hat ihr die daraus erwachsenden Kosten zu ersetzen. Als Ersatz für Krankenbehandlung (§ 558 Nr. 1) und für Heil­ anstaltpflege gelten die im § 1503 bezeichneten Beträge, wenn nicht ein höherer Aufwand nachgewiesen wird. Bei der Seeun­ fallversicherung gilt für diesen Ersatz der § 1106 Abs. 2. Für die eigenen Leistungen der Krankenkasse gilt § 1510. § 1515. Bei Streit zwischen der Kasse und dem Träger der Unfallversicherung aus der Übertragung seiner Leistungen (§ 1514) entscheidet das Versicherungsamt endgültig, wenn es sich nicht um einen Ersatzanspruch handelt. Streit über Ersatzansprüche aus den §§ 1501, 1513, 1514 wird im Spruchverfahren entschieden. § 1516. Die §§ 1512 bis 1515 gelten auch für knappschaftliche Krankenkassen und für Ersatzkassen. Für die Ersatz­ kassen ist die Anzeigepflicht in der Satzung zu regeln. Für Mitglieder von knappschaftlichen Krankenkassen gilt der nach § 180 bestimmte Grundlohn, für Mitglieder von Ersatzkassen der Grundlohn ihrer Krankenkasse. § 1517. Die oberste Verwaltungsbehörde kann anordnen, daß Unfallverletzte, die Mitglieder von Krankenkassen, knappschastlichen Krankenkassen oder Ersatzkassen sind, denen Anstalten mit genügendeil Heileinrichtungen zu Gebote stehen, vor Ablauf der dreizehnten Woche nach dem Unfall in einer anderen Heilanstalt nur untergebracht werden dürfen, wenn es die Vorstände der Kassen oder Kassenverbände genehmigen. § 1518. Läßt die Versicherungsanstalt ein Heilverfahren eintreten, so hat sie für dessen Dauer dem Kranken das zu ge­ währen, was diesem seine Krankenkasse (§ 225) nach Gesetz oder Satzung zu leisten hätte. Bringt die Versicherungsanstalt den Kranken in einem Krankenhaus oder in einer Anstalt für Ge­ nesende unter, so kann sie ihm für die Dauer dieses Heilver­ fahrens die Invaliden- oder Witwenrente ganz oder teilweise ver­ sagen.

1170

Anhang zum Knappschaftsgesetz.

Die Krankenkasse hat der Versicherungsanstalt Ersatz zu leisten, soweit der Kranke von der Kasie nach Gesetz oder Satzung Krankengeld zu beanspruchen hätte. § 1519. Die Versicherungsanstalt, die ein Heilverfahren eintreten läßt, kann die Fürsorge für den Kranken seiner letzten Krankenkasse in dem Umfang übertragen, den sie für geboren hält. Werden dadurch der Kasse Leistungen über den Umfang ihrer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Leistungen hinaus auferlegt, so hat die Versicherungsanstalt die Mehrkosten zu ersetzen. Sie hat der Kasse den Aufwand auch für die Zeit zu er­ setzen, für welche die Kasse zu Leistungen nicht mehr verpflichtet war. Dabei gelten als Ersatz für Krankenpflege und für Kranken­ hauspflege die im § 1503 bezeichneten Beträge, wenn nicht ein höherer Aufwand nachgewiesen wird. § 1520. Bei Streit zwischen der Kasse und der Versiche­ rungsanstalt aus der Übertragung der Fürsorge (§ 1519) ent­ scheidet das Versicherungsamt endgültig, wenn es sich nicht um einen Ersatzanspruch handelt. Streit über Ersatzansprüche aus den §§ 1518, 1519 wird im Spruchverfahren entschieden. § 1521. Die §§ 1518 bis 1520 gelten auch für knappschaftliche Krankenkassen und für Ersatzkassen. Der Grundlohn bestimmt sich nach § 1516 Abs. 2. § 1527. Unberührt von diesem Gesetze bleiben die gesetz­ lichen Pflichten der Gemeinden und Armenverbände zur Unter­ stützung Hilfsbedürftiger und andere auf Gesetz, Satzung, Ver­ trag oder letztwilliger Verfügung beruhende Pflichten zur Für­ sorge für die nach diesem Gesetze Versicherten und ihre Hinter­ bliebenen. § 1528. Leistet ein Knappschaftsverein, eine Knappschafts­ kasse oder eine Ersatzkasse infolge eines Unfalls pflichtgemäß für eine Zeit, für die der Berechtigte infolge des Unfalls einen An­ spruch auf reichsgesetzliche Unfallentschädlgung hatte oder noch hat, so kann der Knappschaftsverein oder die Kasse unter entsprechen­ der Anwendung des § 1501 Abs. 2, 3 und der §§ 1502 bis 1507, 1516 Abi. 2 als Ersatz die Unsallentschädigung beanspruchen. § 1529. Entschädigt ein Träger der Unfallversicherung pflichtgemäß für eine Zeit, für die der Berechtigte auch Leistungen von einem Knappschaftsverein, einer Knappschaftskasse oder einer Ersatzkasse beanspruchen kann, so können diese die Unfallentschädi­ gung auf ihre Leistungen anrechnen, soweit sie für diese im Falle des § 1528 Ersatz beanspruchen könnten. 8 1530. § 1511 gilt entsprechend für knappschaftliche Kranken­ kassen und Ersatzkassen. § 1531. Unterstützt eine Gemeinde oder ein Armenverband nach gesetzlicher Pflicht einen Hilfsbedürftigen für eine Zeit, für die er einen Anspruch nach diesem Gesetze hatte oder noch hat, so kann die Gemeinde oder der Armenverband, jedoch nur bis zur

RetchSverstcherungSordnung.

1171

Höhe dieses Anspruchs, nach den 88 1532 bis 1537 Ersatz bean­ spruchen. § 1532. Aus den Leistungen der Krankenkaffe (§ 225) kann eine Gemeinde oder ein Armenverband Ersatz nur dann be­ anspruchen, wenn sie die Unterstützung wegen der Krankheit ge­ währt hat, auf die sich der Anspruch des Unterstützten gegen die Kasse gründet. § 1533. Zu ersetzen sind 1. Begräbniskosten, die bei Tod des Versicherten gewährt worden sind, aus dem Sterbegeld 2. Unterstützungen bei Krankheit des Versicherten, die der Kranken­ pflege entsprechen, auch bei Behandlung im Krankenhause, nach § 1503 aus den ihnen entsprechenden Leistungen der KrankenkaffeZ. die übrigen Unterstützungen aus den ihnen entsprechenden Leistungen der Krankenkasse. Dabei wird für den Unterhalt des Unterstützten im Krankenhause die Hälfte des Grundlohns angesetzt. Für den Umfang des Ersatzanspruchs und für das Maß des Zugriffs auf Krankengeld und ähnliche Leistungen laufender Art gelten entsprechend die §§ 1506, 1507. § 1538. Auch die ersatzberechtigten Kassen, Gemeinden und Armenverbände (§§ 1528, 1531) können die Feststellung der Leistungen aus der Reichsversicherung betreiben. § 1509 gilt entsprechend. Das gleiche gilt für Knappschaftsvereine und Kassen, die ihre Leistungen nach den §§ 1321 bis 1323 ermäßigen. § 1539. Der Anspruch auf Ersatz (§§ 1528, 1531 bis 1537) ist ausgeschlossen, wenn er nicht spätestens sechs Monate nach Ablauf der Unterstützung bei dem Träger der Reichsversiche­ rung geltend gemacht wird. § 1540. Streit über Ersatzansprüche aus den §§ 1528, 1531 bis 1537 wird im Spruchverfahren entschieden. § 1541. Was in diesem Abschnitt für Gemeinden und Armenverbände vorgeschrieben ist, gilt auch für Betriebsunter­ nehmer und Kassen, die statt solcher Verpflichteten nach gesetzlicher Pflicht Hilfsbedürftige unterstützen. § 1544. Die §§ 1531 bis 1533, 1539 bis 1542 gelten auch für knappschaftliche Krankenkassen und für Ersatzkaffen. Der Grundlohn bestimmt sich nach § 1516 Abs. 2. Sechstes Buch.

Brrsahren. Die Leistungen aus der Reichsversicherung sind sestzustellen, und zwar 1. auf dem Gebiete der Unfallversicherung von Amts wegen, .2. im übrigen auf Antrag. Die Feststellung ist zu beschleunigen.

§ 1545.

1172

Anhang zum Knappschaft-gesetz.

§ 1551. Anträge auf Leistungen der Krankenversicherung sind bei der Krankenkasse oder dem sonst Verpflichteten zu stellen. Als Leistungen der Krankenversicherung gelten auch die Leistungen der Krankenkassen, knappschaftlichen Kranken­ kassen und Ersatzkaffen nach den §§ 573, 1083; die Leistungen der Unternehmer, Arbeitgeber und Träger der anderen Fürsorge nach den §§ 577, 1084, 1085; die Leistungen der Gemeinden und Krankenkaffen nach den 88 942 bis 944, 1087 Abs. 2, § 1088 Abs. 2, § 1089; die Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei Heilverfahren in den Fällen der §§ 580, 946, 1092; die Leistungen der Krankenkassen, knappschaftlichen Kranken­ kaffen, Ersatzkassen, Gemeinden und des Unternehmers an die Träger der Unfallversicherung nach den §§ 583, 948, 1094; die Leistungen der Krankenkassen, knappschaftlichen Kranken­ kassen und Ersatzkassen bei Übertragung der Fürsorge durch Träger der Invaliden- und Hinterbliebenenver­ sicherung nach den §§ 1519, 1521, soweit es sich nicht um Invaliden- oder Hinterbliebenenrente handelt; die Leistungen der Unternehmer, Gemeinden und Kranken­ kassen, wenn ihnen die See-Berufsgenossenschaft nach § 1106 oder die Zweiganstalt nach § 1091 die Fürsorge für die ersten dreizehn Wochen übertragen hat. Als Leistungen der Krankenversicherung gelten ferner die Leistungen der Träger der Unfallversicherung und der Träger der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung, wenn sie in den Fällen der §§ 579, 600, 945, 1086, 1090, 1104, 1513, 1516, 1518, 1521 die Leistungen von den im Abs. 2 bezeichneten Ver­ pflichteten übernehmen. Dies gilt für die vorbezeichneten Fälle der §§ 1083 bis 1086, 1092, 1094, 1104, 1106 nur, soweit § 1770 für Seeleute nichts anderes bestimmt. 8 1552. Der Betriebsunternehmer hat jeden Unfall in seinem Betriebe anzuzeigen, wenn durch den Unfall ein im Be­ triebe Beschäftigter getötet oder so verletzt ist, daß er stirbt oder für mehr als drei Tage völlig oder teilweise arbeitsunfähig wird. Der Unfall ist binnen drei Tagen anzuzeigen, nachdem der Betriebsunternehmer ihn erfahren hat. 8 1553. Die Anzeige ist schriftlich oder mündlich der Orts­ polizeibehörde des Unfallorts und der durch die Satzung be­ stimmten Stelle des Versicherungsträgers zu erstatten. Ereignet sich der Unfall auf der Reise, so kann er auch der inländischen Ortspolizeibehörde angezeigt werden, in deren Be­ zirke sich der Verletzte zuerst nach dem Unfall aufhält.

ReichSverstcherungsordnung.

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Ereignet sich der Unfall im Ausland und ist keine nach Abs. 2 zuständige Behörde im Inland vorhanden, so ist er der Ortspolizeibehörde des inländischen Betriebssitzes anzuzeigen. § 1556. Wird der Unfall nicht oder zu spät angezeigt, so kann der Vorstand der Berufsgenossenschaft gegen den Ver­ pflichteten Geldstrafe bis zu dreihundert Mark verhängen. Auf Beschwerde entscheidet das Oberversicherungsamt (Be­ schlußkammer) endgültig. § 1559. Ist ein Versicherter getötet oder derart verletzt worden, daß er voraussichtlich nach diesem Gesetze zu entschädigen ist, so untersucht die Ortspolizeibehörde des Unfallorts sobald als möglich den Unfall. Die Ortspolizeibehörde hat den Unfall auch dann zu unter­ suchen, wenn es ein nach diesem Gesetze zur Leistung Verpflichteter beantragt. Der Berechtigte kann die Untersuchung des Unfalls bei dem Versicherungsamte beantragen. Dieses kann die Ortspolizeibehörde ersuchen, dem Antrag zu entsprechen. § 1562. An der Untersuchung können teilnehmen oder sich dabei vertreten lasien der Verletzte oder seine Hinterbliebenen der Träger der Unfall- und der Krankenversicherung der Unternehmer­ das Versicherungsamtbei Unfällen in Betrieben, die der Gewerbeaufsicht unter­ liegen, der staatliche Aufsichtsbeamte (§ 139 b der Ge­ werbeordnung). § 1563. Diese Beteiligten werden vom Zeitpunkte der Untersuchung rechtzeitig benachrichtigt. Ist die Berufsgenossenschaft in Sektionen geteilt oder hat sie Vertrauensmänner bestellt, so wird der Sektionsvorstand oder der Vertrauensmann benachrichtigt. Zur Untersuchung sollen auch etwa sonst Beteiligte zuge­ zogen werden. Der Verletzte oder seine Hinterbliebenen können erwachsene Angehörige oder andere geeignete Personen, die das Verhandeln vor Behörden nicht geschäftsmäßig betreiben, als Beistand zu den Verhandlungen zuziehen. § 1564. Die Ortspolizeibehörde stellt den Sachverhalt fest. Sie kann Ermittlungen jeder Art mit Ausschluß eidlicher Ver­ nehmungen anstellen. Auf Antrag der Versicherungsträger oder des Berechtigten sollen Sachverständige zugezogen werden- die Kosten trägt der Antragsteller. Soll im Dienstraum einer Behörde oder in einem Fahrzeug der Kaiserlichen Marine Augenschein eingenommen werden, so ist die Genehmigung der zuständigen Dienst- oder Kommandobehörde einzuholen.

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Anhang zum Knappschaftsgesetz.

§ 1565. Durch die Untersuchung werden namentlich festgestellt Veranlassung, Zeit, Ort, Hergang und Art des Unfalles/ Name der getöteten oder verletzten Personen sowie Tag und Ort ihrer Geburt/ die Art der Verletzung/ der Verbleib des Verletzten/ die Hinterbliebenen des Getöteten und die Angehörigen des Verletzten, die eine Entschädigung nach diesem Ge­ setze beanspruchen können/ die Höhe von Unterstützungen und Renten, die der Ver­ letzte aus der Reichsversicherung bezieht. § 1567. Sobald die Untersuchung abgeschlossen ist, über­ sendet die Ortspolizeibehörde die Verhandlungen dem Versiche­ rungsträger. Die Beteiligten können Einsicht in die Verhandlungen und Abschrift verlangen. Für die Abschrift können Schreibgebühren erhoben werden. § 1580. Verweigert der Unternehmer dem Versicherungs­ träger die Einnahme des Augenscheins, so entscheidet das Bersicherungsamt, ob und in welcher Weise der Augenschein statt­ finden soll. Das Versicherungsamt kann die Einnahme des Augenscheins selbst vornehmen und sich dabei der Mitwirkung der Ortspolizei­ behörde bedienen oder die Ortspolizeibehörde darum ersuchen. Die Beschwerde bewirkt Aufschub. Für den Augenschein im Dienstraum einer Behörde oder in einem Fahrzeug der Kaiserlichen Marine gilt § 1564 Abs. 3. Die oberste Verwaltungsbehörde bestimmt, wieweit Abs. 1 bis 3 für Betriebe gilt, die unter bergpolizeilicher Aufsicht stehen. § 1613. Anträge auf die Leistungen der Invaliden» und Hinterbliebenenversicherung sind an das Versicherungsamt zu richten/ die Beweisstücke sollen beiliegen. § 1617. Der Vorsitzende des Versicherungsamts ermittelt nach freiem Ermessen, was zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlich ist/ dabei gilt § 1652 entsprechend. Die Erhebungen sollen sich auf alle Fragen erstrecken, die für die Entschließung des Versicherungsträgers von Bedeutung sind, insbesondere auf die Versicherungspflicht oder die Bersicherungsberechtigung/ die Invalidität und den Tag ihres Eintritts/ das Alter der Waisen/ die Bedürftigkeit, wenn es sich um die Witwenrente oder in den Fällen der §§ 1260 bis 1262 um die Waisen­ renten handelt. Auf Antrag des Berechtigten ist das Gutachten eines von ihm benannten Arztes einzuholen, wenn das Gutachten nach An­ sicht des Versicherungsamts für die Entscheidung von Bedeutung

ReichSverstcherungsordnung.

1176

sein kann; die Kosten hat der Berechtigte vorher zu zahlen. Im übrigen gelten § 1595 Abs. 2, §§ 1596, 1597 entsprechend. § 1618. Nach Abschluß der Erhebungen durch den Vor­ sitzenden wird die Sache vor dem Versicherungsamt unter Zu­ ziehung von je einem Vertreter der Arbeitgeber und der Ver­ sicherten in mündlicher Verhandlung erörtert, soweit § 1624 nichts anderes vorschreibt. § 1619. Für die Vorbereitung der mündlichen Verhand­ lung gelten die Vorschriften der §§ 1652, 1655 entsprechend. Namentlich kann der Vorsitzende vor der mündlichen Verhand­ lung die Untersuchung des Antragstellers und die Begutachtung dessen Gesundheitszustandes durch einen Arzt sowie das persön­ liche Erscheinen des Antragstellers in der mündlichen Verhand­ lung anordnen. § 1620. Für' die Reihenfolge, in der die Versicherungs­ vertreter zu den Verhandlungen zuzuziehen sind, gilt § 1603 entsprechend. § 1621. Für Ausschluß und Ablehnung des Vorsitzenden des Versicherungsamts und der Versicherungsvertreter gelten die §§ 1641 bis 1649 entsprechend. § 1622. Die mündliche Verhandlung ist nicht öffentlich. Im übrigen gelten für die mündliche Verhandlung die 88 1662 bis 1665, 1667, 1669, 1672 entsprechend, jedoch ist 8 1654 nicht anzuwenden. 8 1623. Das Versicherungsamt erstattet ein Gutachten in der Sache- das Gutachten hat sich über alles auszusprechen, was nach Ansicht des Versicherungsamts für die Entschließung des Versicherungsträgers von Bedeutung ist. Kann wegen Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens (8 1254) oder wegen Widersetzlichkeit (8§ 1272, 1306) der Anspruch ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden, so hat sich das Gut­ achten auch darüber auszusprechen, wieweit von dieser Befugnis Gebrauch zu machen ist. Beruht das Gutachten nicht auf der Übereinstimmung des Vorsitzenden des Versicherungsamts und der Versicherungsvertreter, so sind die abweichenden Meinungen mit Angabe der Gründe zu vermerken. § 1624. Eine mündliche Verhandluug findet nicht statt, wenn es sich handelt um AltersrenteWaisenrenteWitwengeld und WaisenaussteuerKapitalabfindung (88 1316, 1317, 1476); Fälle, in denen der Versicherungsträger und der Be­ rechtigte einig sind. Die Kaiserliche Verordnung (§ 35 Abs. 2) kann weitere Fälle bestimmen, in denen eine mündliche Verhandlung nicht statt­ findet.

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Anhang zum Knappschastsgesetz.

Findet eine mündliche Verhandlung nicht statt, so erstattet der Vorsitzende des Bersicherungsamts das Gutachten. § 1625. Der Vorsitzende des Versicherungsamts übersendet die Verhandlungen und das Gutachten dem Bersicherungstrüger (8 1630). § 1626. Die §§ 1617 bis 1625 gelten entsprechend- wenn eine Invaliden-, Hinterbliebenen- oder Zusatzrente entzogen oder eine Rente eingestellt werden soll. Für die Zuständigkeit des Versicherungsamts gelten die 88 1637 bis 1640 entsprechend. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt, wenn es sich um das Ruhen der Rente (88 1311 bis 1315, 1318) handelt. 8 1627. Die oberste Verwaltungsbehörde kann das Ver­ fahren bei Vorbereitung und Begutachtung.der Sache durch das Bersicherungsamt näher bestimmen, soweit es nicht durch Kaiser­ liche Verordnung (8 35 Abs. 2) geregelt ist. 8 1628. Ist die Vorbereitung und Begutachtung der Sache Organen von Knappschaftsvereinen, Knappschaftskassen oder von Sonderanstalten für Betriebe des Reichs oder der Bundesstaaten übertragen, so gelten die 88 1617 bis 1627 entsprechend. Sollen Zeugen oder Sachverständige eidlich vernommen werden, so gelten der 8 1571 Abs. 2 bis 4 und die 88 1573 bis 1579 entsprechend. 8 1635. Hst ein Antrag auf Invalidenrente oder auf Zahlung der Witwenrente endgültig abgelehnt worden, weil dauernde Invalidität nicht nachweisbar war oder ist eine In­ validenrente oder Witwenrente rechtskräftig entzogen, weil In­ validität nicht mehr vorlag, so kann der Antrag erst ein Jahr, nachdem die Entscheidung zugestellt (borden ist, vorher aber nur dann wiederholt werden, wenn glaubhaft bescheinigt wird, daß inzwischen Umstände eingetreten sind, die den Nachweis der In­ validität liefern. Wird die Bescheinigung nicht beigebracht, so weist das Ber­ sicherungsamt den vorzeitig wiederholten Antrag zurück. Der Bescheid ist nicht anfechtbar. 8 1675. Gegen Endbescheide der Träger der Unfallver­ sicherung, ferner gegen Bescheide der Träger der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung sowie gegen Urteile des Bersicherungs­ amts ist das Rechtsmittel der Berufung an das Oberversiche­ rungsamt (Spruchkammer) zulässig. 8 1676. Über die Berufung entscheidet in Sachen der Krankenversicherung das Oberversicherungsamt für den Bezirk desjenigen Bersicherungsamts, welches das angefochtene Urteil oder dessen Vorsitzender die angefochtene Vorentscheidung er­ lassen hat. 8 1677. über die Berufung entscheidet in Sachen der Un­ fallversicherung dasjenige Oberversicherungsamt, in dessen Bezirk

RetchsverstcherungSordnung.

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der Versicherte zur Zeit der Erhebung der Berufung wohnt oder beschäftigt ist. Dabei gelten die §§ 1638 bis 1640 entsprechend. § 1678. über die Berufung entscheidet in Sachen der In­ validen- und Hinterbliebenenversicherung das Oberversicherungs­ amt für den Bezirk desjenigen Versicherungsamts, welches nach den §§ 1617 bis 1627 bei der Vorbereitung der Sache mit­ gewirkt hat. Ist die Vorbereitung und Begutachtung der Sache Organen von Knappschaftsvereinen, Knappschaftskassen oder von Sonder­ anstalten für Betriebe des Reichs oder der Bundesstaaten über­ tragen, so ist das Oberversicherungsamt zuständig, in dessen Be­ zirke sich der Sitz dieser Organe befindet. § 1685. In Sachen der Unfallversicherung sollen außer der Reihe möglichst Beisitzer aus Angehörigen solcher Betriebe zugezogen werden, welche dem Unfallbetriebe technisch und wirt­ schaftlich nahestehen. Dies muß geschehen, wenn es sich um Unfälle in der Land­ wirtschaft oder in Bergbaubetrieben handelt, sofern Angehörige solcher Betriebe als Beisitzer bei dem Oberversicherungsamt vor­ handen sind. Ausnahmen sind aus besonderen Gründen zulässig, die in den Akten zu vermerken sind. § 1775. Bei Streit zwischen einer Krankenkasse, die einem Bersicherungsamt untersteht, und einer knappschaftlichen Kranken­ kasse oder einer Ersatzkasse entscheidet das Versicherungsamt. § 1787. Bei Streit zwischen einer Krankenkasse und einer knappschaftlichen Krankenkasse oder einer Ersatzkasse ist § 1775 anzuwenden. § 1788. Soweit die oberste Verwaltungsbehörde den im §112 bezeichneten Organen Beschlußbefugnisse übertragen hat, stehen die Entscheidungen dieser Organe für die Rechtsmittel im Beschlußverfahren den Entscheidungen des Versicherungsanlts gleich.

Anhang zum achten Titel. I. Zaständiglttitsordnung für die Verwaltung der Staatswerke im Bereiche der Berg-, Bütten- und Salinenverwaltung. § 1. Der Betrieb und die Verwaltung der Staatswerke im Bereiche der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen unter der Aufsicht der Oberbergämter und unter der obersten Leitung des Ministers für Handel und Gewerbe durch die örtlichen Verwaltungen geführt. § 2. Bei den Werksverwaltungen sind die Werks­ direktoren *) für den Betrieb und die Verwaltung der ihnen unter­ stellten Werke nach den genehmigten Betriebsplänen und den Kassenetats in erster Linie verantwortlich, und zwar auch dann, wenn sie bestimmte Geschäfte untergebenen Beamten übertragen haben. § 3. Die Werksverwaltungen haben die Etatsentwürfe unter genauer Beachtung der für deren Anfertigung gegebenen Vorschriften selbständig zu bearbeiten. Auch die Ausführung des Kafsenetats ist Sache der WerksVerwaltungen. Sie sind daher zur selbständigen Verwendung aller Etatsmittel befugt, sofern nicht eine höhere Genehmigung hierzu vorbehalten ist. § 4. Die Werksverwaltungen sind, soweit nicht nach den 88 12, 13, 15, 16—18 oder nach den Geschäftsanweisungen Aus­ nahmen oder Beschränkungen eintreten, zum Abschluß aller Ver­ träge und zur Abgabe aller Willenserklärungen zuständig, welche zum Gegenstände haben: 1. Leistungen und Lieferungen für den Werksbetrieb sowie zum Bau oder zur Unterhaltung von Gebäuden, Wegen und Betriebsanlagen,2. den Verkauf der Erzeugnisse 3. den Verkauf entbehrlicher Materialien und Inventarien­ stücke4. die Anpachtung der zum unmittelbaren Betrieb erforderlichen Grundstücke5. die Verpachtung und Vermietung fiskalischen Eigentums auf nicht länger als fünf Jahre 1) Anm. zu §2: Wegen derRangverhältniffe ders. vgl. Erl. v.2S. März 1912, Z. f. B., H. u. SW. S. 74.

ZuständigkettSordnung.

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6. die Regelung der Schadensersatzverbindlichkeit für bereits eingetretene Beschädigungen des Grundeigentums-

7. die Bewilligung von Bauprämien und Bauvorschüssen. § 5. Die Werksverwaltungen setzen die Preise und Be­ dingungen für den Verkauf der Erzeugnisse selbständig fest- doch ist von jeder Abänderung der allgemeinen Tages- und Vertrags­ preise dem Minister sofort und in der Regel vor der Bekannt­ gabe Anzeige zu machen. Über wesentliche Änderungen der Berkaufsbedingungen ist dem Minister vor ihrer Einführung zu berichten. Für solche alte Materialien, Gerätschaften und Betriebs­ abfälle, welche im Wege der Versteigerung nicht preiswürdig zu verwerten sind, kann die Werksverwaltung in bestimmten Zeit­ abschnitten feste Mindestverkaufspreise feststellen und zu solchen den Verkauf aus freier Hand bewirken. § 6. Die Werksdirektoren sind befugt, die Absetzung fehlen­ der oder unbrauchbarer Jnventarienstücke zu genehmigen, sofern nicht eine vorausgegangene Untersuchung ein vertretbares Ver­ sehen einer Person nachgewiesen hat. § 7. Gegen die ihnen untergebenen Beaniten haben die Werksdirektoren die in den 88 18 und 19 des Gesetzes, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, vom 21. Juli 1852 festgesetzten Disziplinarbefugnisse. § 8. Die Werksdirektoren sind befugt, Dienstreisen im In- und Auslande bis zur Dauer von acht Tagen sowohl selbst auszuführen, als auch durch untergebene Beamte ausftthren zu lassen. Zu Dienstreisen über diese Dauer hinaus sowie zu allen Belehrungsreisen ist in jedem Falle die Genehmigung des Ministers vorher nachzusuchen. § 91). Die Werksdirektoren können allen ihnen unterstellten Beamten bis zur Dauer von acht Tagen Urlaub erteilen. Die Direktoren der nicht einer Bergwerksdirektion unterstellten Werke können bis zur Dauer von drei Tagen sich selbst Urlaub erteilen (vgl. § 18, 3). § 10. Die Werksdirektoren sind ermächtigt, zur Beilegung von Lohnstreitigkeiten, die vor einem Gewerbegerichte anhängig sind oder anhängig zu machen waren, Vergleiche abzuschließen, sofern die streitige Summe nicht mehr als hundert Mark beträgt. § 11. Die Werksverwaltungen haben alle dem Minister vorzulegenden Berichte und Verhandlungen, soweit nicht in ein­ zelnen Fällen eine unmittelbare Berichterstattung angeordnet worden ist oder in besonders eilbedürftigen Sachen notwendig erscheint, durchlaufend bei dem Oberbergamte einzureichen, welches seine Stellung zu den Anträgen zu kennzeichnen hat. Bei unmittelbarer Berichterstattung an den Minister ist von den Werksverwaltungen dem Oberbergamt unverzüglich Abschrift des erstatteten Berichtes zu überreichen. 1) Sinnt, zu 8 9: Die Befugnis zur Urlaubserteilung ist durch die Er­ lasse vom 20. September 1910 und 13. Januar 1909 erweitert.

1180

Anhang zum achten Titel.

Bei Eintritt ungewöhnlicher Ereignisse auf den Werken (Arbeiterausstände, umfangreiche Betriebsstörungen, tödliche Ver­ unglückung oder Gefährdung des Lebens von zehn und mehr Arbeitern infolge von Bränden, Wasser- und Schlammdurchbrüchen, Schlagwetterentzündungen und anderen Betriebsunfällen), welche Aufsehen und allgemeine Teilnahme erregen oder sonst von Wichtig­ keit sind, haben die Werksverwaltungen nach vorheriger Anzeige durch Drahtung unmittelbar und urschriftlich an den Minister zu berichten. § 12. Die Oberbergämter sind die den Staatswerks­ verwaltungen unmittelbar vorgesetzten Provinzialbehörden. Neben der Aufsicht über die Staatswerke liegt ihnen demgemäß insbe­ sondere die Ausübung der den Provinzialbehörden nach dem Disziplinargesetze vom 21. Juli 1852 zustehenden disziplinarischen Befugnisse ob. In den Personalangelegenheiten der Beamten und den sonstigen Verwaltungsangelegenheiten der Werksverwaltungen stehen den Oberbergämtern, insoweit nicht einzelne der nachstehen­ den Befugnisse den Bergwerksdirektionen übertragen sind *), insbe­ sondere zu: 1. die Ernennung der Bureaubeamten auf jedesmalige An­ weisung des Ministers 2. die Anstellung der Kanzleibeamten3. die Anstellung und Versetzung der Grubenmarkscheider, sowie der oberen, mittleren und unteren Werksbeamten 4. die Festsetzung des Besoldungsdienstalters der mittleren und unteren Beamten und die Anweisung der nach dem Be­ soldungsdienstalter fälligen Besoldungszulagen für sämtliche Beamten 5. die Genehmigung der von den Werksverwaltungen abzu­ schließenden Dienstverträge mit nicht im Staatsbeamten­ verhältnis befindlichen, den mittleren und unteren Beamten gleichstehenden Beamten 6. die Verlegung etatsmäßiger Stellen von Werksbeamten 7. die Festsetzung und Anweisung der den Beamten bei Ver­ setzungen zustehenden gesetzlichen Bezüge 8. die Anweisung der Vergütungen für Hilfsarbeiter mit Aus­ nahme derjenigen im höheren technischen und Verwaltungs­ dienste, sowie die Anweisung der Vergütungen für die Ver­ waltung erledigter Stellen der Werksbeamten und Grubenmarkschcider9. die Gewährung von Gratifikationen, Remunerationen und Unterstützungen an Beamte nach Maßgabe der besonderen Bestimm ungen10. die Prüfung der Etatsentwärfe der Staatswerke 1) Anm. zu § 12 Abs. 2: Gemäß Min.-Erl. v. 19. Sept. 1911 haben die OBA. im wesentlichen nur noch die Befugnisse aus dem Disziplinarges, v. 21. Juli 1852, der Verordn, über die Defekte v. 24. Jan. 1844 und dem Ges. betr. die Konflikte v. 13. Febr. 1854.

Zuständigkeitsordnung.

1181

11. die unerwarteten Prüfungen der Kassen- und Naturalver­ waltung12. die Abnahme der Jahresrechnungen 13. die Aufsicht über die Arbeiterfürsorge sowie über das Bergschul- und Fortbildungsschulwesen 14. die Pensionierung der mittleren und unteren Beamten nach Maßgabe der Pensionsgesetze auf Grund der erlassenen be­ sonderen Ermächtigung, sowie die Bewilligung von Witwenund Waisen geldern für die Hinterbliebenen sämtlicher Beamten 15. die Entscheidung darüber, ob gegen die Abgabe gerichtlicher und außergerichtlicher Gutachten von feiten der Beamten ihres Bezirkes Einwendungen zu erheben sind16. die Genehmigung zum Abschlüsse aller Verträge, welche zum Gegenstände haben: a) den Ankauf der unmittelbar zum Betriebe erforderlichen Grundstücke (vgl. §§ 15 Ziff. 5, 18 Ziff. 1 und 6), b) einmalige Entschädigungen für Wasserentziehungen. Die Vertretung des Fiskus in Prozessen und Verwaltungs­ streitsachen bleibt gleichfalls den Oberbergämtern Vorbehalten (vgl. § 13 der Geschäftsordnung für die Königlichen Obervergämter vom 15. September 1888) *). § 13. Das Oberbergamt zu Klausthal hat für die Ober­ harzer Bergwerke und Hütten den Produktenverkauf, den Ankauf von Erzen, die Überweisung der Erze und Zwischenprodukte an die Hütten sowie die Regelung der gemeinsamen Angelegenheiten zu besorgen, jedoch kann der Verkauf einzelner Erzeugnisse den Werksverwaltungen vom Oberbergamte überlassen werdens. § 14. Die Oberbergämter sind befugt, den Beamten ihres Bezirks Urlaub innerhalb des Deutschen Reichs bis zur Dauer von sechs Wochen und nach dem Auslande bis zu vier Wochen zu erteilen, insoweit dadurch nicht Kosten für die Staatskasse erwachsen. Ist letzteres der Fall oder wird Urlaub für längere Zeit begehrt, so tft der Antrag dem Minister mit dem Gutachten des Oberbergamtes zu überreichen. § 15. Der Entscheidung des Ministers bleiben Vorbehalten: 1. die Betriebspläne und Etats 2. die Verwendung der für Neu- und Erweiterungsbauten vorgesehenen Etatsmittel3.31) 2die Erlaubnis zu Etatsüberschreitungen mit Ausnahme 1) Anm. zu § 12 Abs. 8: Die Prozeßvertretung des Fiskus ist durch Min.-Erl. v. 9. Dez. 1911 den Bergwerksdirektionen für die in ihrem Geschäfts­ bereiche entstehenden Rechtsstreitigkeiten übertragen worden. 2) Anm. zu § 13: Seit dem 1. April 1912 sind die Bergwerke und Hütten des Oberharzes einem besonderen Direktor der Oberharzer Berg- und Hüttenwerke unterstellt und die dem OBA. nach § 13 zustehenden Befugnisse größtenteils aufgehoben. 3) Anm. zu § 15 Ziff. 3: Ziff. 3 ist abgeändert durch § 19 Ziff. 7,8 der „Vorschriften über die Aufstellung und Anwendung der Etats" vom 2. Nov. 1905.

1182

Anhang zum achten Titel.

derjenigen, welche etwa bei den Titeln 6 und 7 lediglich durch höhere Erzeugung herbeigeführt worden sind4. alle außeretatsmäßigen Ausgaben 5. Ankauf und Anpachtung von Grundstücken, welche nicht zum unmittelbaren Betriebe notwendig sind, sowie Ver­ äußerung und dingliche Belastung derselben 6. Verpachtung und Vermietung fiskalischer Vermögensstücke für einen mehr als fünfjährigen Zeitraum 7. Vergleiche über streitige Rechtsverhältnisse nach näherer Vorschrift des § 13 der Geschäftsordnung für die König­ lichen Oberbergämter vom 15. September 1888, einschließ­ lich Zwangsvergleiche im Konkurse (vgl. jedoch § 10); 8. Ablösung von Lasten und Verbindlichkeiten der Staatswerke 9. Erlaß von Vertragsstrafen. § 16. Für die Verwaltung der den Bergwerksdirektionen unterstellten Werke treten die vorstehenden Bestimmungen mit folgender Maßgabe in Anwendung. § 17. Die Betriebsleitung dieser Werke findet ohne Mit­ wirkung des Oberbergamtes unter der Aufsicht der Bergwerks-, direktionen statt. § 18. Insbesondere haben die Bergwerksdirektionen folgende Befugnisse: 1. die im § 12 unter Ziff. 3, 4 mit Ausnahme der Bureauund Kanzleibeamten, 5—12 und 16 aufgeführten Berwaltungsangelegenheiten 2. die ausschließliche Befugnis zur Verhängung von Strafen gemäß § 19 des Gesetzes, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, vom 21. Juli 18523.1) Erteilung von Urlaub an die unterstellten Beamten bis zur Dauer von 14 Tagen, 4. allgemeine Regelung des Arbeitsverhältnisses sowie des Lohn- und Gedingewesens 5. Heranziehung, Ausbildung, Ansiedelung der Arbeiter und Fürsorge für ihre Wohlfahrt6. Abschluß sämtlicher, den Betrieb und die Verwaltung be­ treffenden Verträge, welche nicht einer höheren Genehmigung bedürfen 7. Anschaffung der allgemein gebrauchten Materialien, Geräte und Maschinen 8. Verkauf der Werkserzeugniffe unter den im 8 5 genannten Bedingungen 9. die Berichterstattung an den Minister an Stelle der Werks­ verwaltungen nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 3 hinsichtlich der Arbeiterausstände allgemeinen Charakters. Die Einreichung von Bauentwürfen und der Anträge auf 1) Anm. zu § 18 Ziff. 3: Nach Erlaß vom 8. August 1908 ist die Be­ urlaubung der mittleren und unteren Beamten in dem Umfange des § 14 gestattet.

Allgemeine Vorschriften für die Markscheider.

1183

Verwendung der Neubaufonds im Bereiche der Bergwerks­ direktionen erfolgt ohne Bermittelung der Oberbergämter *); 10. Verhandlungen und Schriftwechsel mit anderen Behörden, mit Ausnahme des Schriftwechsels der Berginspektionen mit den zuständigen Bergrevierbeamten. § 19. Vorstehende Vorschriften treten am 1. April 1904 in Kraft.

II. Mgemtlnr Vorschriften für die Markscheider im Preußischen Staate. Erlaß des Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten vom 21. Dezember 1871.

Auf Grund des § 34 der Gewerbeordnung für den Nord­ deutschen Bund vom 21. Juni 1869 und des § 190 des Allge­ meinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 wird unter Aufhebung der in den einzelnen Landesteilen geltenden Markscheiderregle­ ments vom 25. Februar 1856, 9. März und 8. April 1867 sowie der Nachträge vom 26. April und 31. Oktober 1865 folgendes verordnet: § 1. Die Markscheiderarbeiten bei den unter Aufsicht der Bergbehörden stehenden Werken dürfen, soweit die Ausführung derselben nicht durch die Berggesetzgebung ausdrücklich auch den Feldmessern gestattet ist, nur von Personen verrichtet werden, welche nach vorgängiger Prüfung als Markscheider von einem preußischen Oberbergamte konzessioniert sind. § 2. Die von einem Oberbergamte erteilte Markscheider­ konzession gilt für das ganze preußische Staatsgebiet. Dem Markscheider bleibt die Wahl seines Wohnsitzes überlassen,' doch hat er bei der ersten Niederlassung sowie bei jedem Wechsel des Wohnsitzes denjenigen Oberbergämtern, in deren Bezirk die Wohn­ sitze liegen, Anzeige zu erstatten. § 3. Die Zurücknahme der Konzession kann erfolgen, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargetan wird, auf Grund deren sie erteilt worden ist, wenn aus Handlungen oder Unter­ lassungen des Konzessionsinhabers der Mangel derjenigen Eigen­ schaften klar erhellt, welche bei der Konzessionserteilung voraus­ gesetzt werden mußten, oder wenn der Inhaber gegen die gegen­ wärtigen oder die übrigen auf das Markscheiderwesen bezüglichen, bereits erlasienen oder noch zu erlassenden Vorschriften verstößt. Zur Zurücknahme der Konzession ist dasjenige Oberberg­ amt kompetent, in dessen Bezirk die vorstehend erwähnten Hand­ lungen und Unterlassungen des Konzessionsinhabers vorgekommen 1) Nach dem Erlaß vom 18. März 1908 sind die Bergwerksdirektionen befugt, sämtliche an den Minister gerichteten Berichte unmittelbar einzureichen.

1184

Anhang zum achten Titel.

sind. In dem Falle jedoch, daß die Unrichtigkeit der Nachweise dargetan wird, auf Grund deren die Konzession erteilt worden ist, entscheidet dasjenige Oberbergamt, welches dieselbe erteilt hat. Für das Verfahren bei der Konzessionsentziehung . . . (vgl. den unten abgedruckten Nachtrag vom 2. Juli 1900). § 4. Die Erteilung wie die Entziehung der Konzession ist unter Angabe des Wohnsitzes des Markscheiders von dem Ober­ bergamte im Staatsanzeiger bekannt zu machen. Dem Ermessen der Oberbergämter bleibt es überlassen, gleichzeitig noch eine Be­ kanntmachung hierüber in den Amts- und Kreisblättern zu ver­ öffentlichen. Wohnungsveränderungen sind nur auf letzterem Wege zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Von der Einleitung des Konzessionsentziehungsverfahrens sowie von dem Resultat desselben ist außerdem den übrigen Ober­ bergämtern besondere Mitteilung zu machen. § 5. Die Markscheiderarbeiten bestehen in Ausnahmen und rißlichen Darstellungen zum Zwecke des Angriffes und Fortbe­ triebes der Werke sowie der Erwerbung, Begrenzung und Siche­ rung des Bergwerkseigentums und der Zubehörungen desselben. Bei Ausführung derselben hat sich der Markscheider der größten Genauigkeit, Korrektheit und Sauberkeit zu befleißigen,' Rasuren dürfen in den Originalobservationsbüchern nicht vorkommen; Korrekturen müssen stets die ursprünglichen Angaben erkennen lassen. § 6. Der Markscheider hat sich mit allen sein Gewerbe betreffenden Gesetzen, Verordnungen, Instruktionen usw. bekannt zu machen und ist zu deren Befolgung resp. Beachtung verpflichtet. Er steht unter der Aufsicht der Oberbergämter, welche nach den verschiedenen örtlichen Verhältnissen besondere Instruktionen über die Geschäftsführung und über die Art und Weise der Aufnahmen nnd rißlichen Darstellungen zu erlassen haben. § 7. Der Markscheider ist für die Richtigkeit seiner Ar­ beiten und Angaben verantwortlich und haftet für den Schaden, welcher durch Unrichtigkeiten oder Mängel derselben herbeigeführt wird. Er verliert diese Verantwortlichkeit nicht durch die Be­ rufung auf etwaige Fehler und Mängel seiner Instrumente oder auf Anweisungen, welche ihm von dem Auftraggeber oder anderen Personen über die Ausführung seiner Arbeiten erteilt sind. Ist er genötigt, seine eigenen Angaben und rißlichen Darstellungen auf die Angaben anderer zu stützen, so muß er diese letzteren An­ gaben ausdrücklich anführen und erforderlichenfalls glaubhaft nach­ weisen. Werden bei rißlichen Darstellungen neben einer neuen Auf­ nahme zugleich vorhandene Pläne benutzt, so hat der Markscheider letztere vorher zu prüfen, auch auf seinen Riffen dasjenige, was von jenen Plänen übernommen ist, soviel als möglich kenntlich zu machen. Wenn sich hierin später Unrichtigkeiten herausstellen, so liegt dem Markscheider der Beweis ob, daß und wie er die

Allgemeine Vorschriften für die Markscheider.

1185

Richtigkeit der alten Pläne untersucht hat. Wird dieser Beweis nicht genügend geführt, so trifft ihn dieselbe Verantwortlichkeit wie bei Unrichtigkeiten seiner eigenen Aufnahmen. § 8. Die Einsicht der in den Händen des Markscheiders befindlichen Pläne, Zeichnungen, Observationen und Notizen darf nur den Königlichen Berg- und Gerichtsbehörden, den Repräsen­ tanten oder Grubenvorstandsmitgliedern und den Beamten der betreffenden Grube sowie den von Vorgenannten mit Ermächti­ gung versehenen Personen gestattet werden. § 9. Findet der Markscheider durch seine Arbeiten, daß auf einem Bergwerke in Beziehung auf die in § 196 des Allgemeinen Berggesetzes bezeichneten Gegenstände eine Gefahr vorhanden ist oder droht, so ist derselbe verpflichtet, hiervon dem Bergrevier­ beamten und dem verantwortlichen Betriebsführer des Bergwerks unverzüglich Anzeige zu machen. § 10. Die Fehler bei den Markscheiderarbeiten werden je nach dem Zweck der letzteren beurteilt. Bei den Grubenbildern ist im allgemeinen entscheidend, wie weit die Fehler die nach § 196 des Allgemeinen Berggesetzes vor­ geschriebene Führung der polizeilichen Aufsicht erschweren, be­ ziehungsweise verhindern. Bei speziellen Zügen soll bezüglich der Fehlergrenzen im allgemeinen als Regel gelten, daß 1. in grundrißlichen Darstellungen die Differenz in der söhligen Länge höchstens der gemessenen Länge, 2. die seitliche Abweichung einer Linie an ihrem Endpunkte bei Anwendung des Kompasses nicht mehr als höchstens ■gfa, bei Anwendung des Theodoliten nicht mehr als höchstens rsov der gemessenen Länge, 3. bei Nivellements in der Grnbe die Höhendifferenz bei An­ wendung des Gradbogens nicht über bei Anwendung hydrostatischer Instrumente nicht über der horizon­ talen Länge betragen darf, und 4. bet Abgabe von Schächten und Gegenörtern die Anweise­ linien in der Regel aufeinander treffen müssen, in keinem Falle aber die Fehler mehr betragen dürfen, als die Hälfte der vorstehend bezeichneten Differenzen. § 11. Je nach dem Gegenstand des Auftrages hat der Markscheider folgende Arbeiten abzuliefern:

A. An Zeichnungen a) bei Schacht- und Durchschlagsangaben: 1. die Zulage des Zuges mit der vollständigen Auszeichnung, den Schnur- und Änweiselinien,' 2. die Zulage des Gegenzuges, jedoch nur in den Linien der Schnüre (in der Regel auf einem Blatte mit 1). Ist mehr als zweimal gezogen, so sind die Zulagen eben­ falls abzuliefern-

1186

Anhang zum achten Titel.

3. das zugehörige Profil oder nötigenfalls mehrere dergleichen, gewöhnlich auf demselben Blatt -

b) bei Aufnahme neuer Grubenbilder: nach näherer Vorschrift des Oberbergamtes die Tagessituation und die nötigen Grund- und Aufrisse. Von jedem dieser Risse ist für die Gebühren ein Konzept­ riß, welcher als Fundamentalriß dient, und eine Reinzeichnung zu liefern. Die Anfertigung des amtlichen Rißexemplars wird besonders als Kopie bezahlt c) bei bloßen Tagerissen: als Vermessungs- und anderen Situationsplänen: 1. ein Brouillon mit den Stationslinien und 2. eine Reinzeichnung d) bei Nivellementsrissen (Profilen): 1. ein Brouillon und 2. eine Reinzeichnung, beide mit eingeschriebenen Saigerhöhen-

e) Nachtragungen sind auf beiden Exemplaren der unter b, e und d angegebenen Risse vollständig einzuzeichnen.

B. An Schriftstücken:

1. die Observationsbücher in einer Reinschrift mit den be­ rechneten und darin eingetragenen Saigerteufen (A, a, b, c und e) oder nur Saigerteufen (d) mit Summierung der Längen r 2. die nach § 7 aufgenommenen Verhandlungen und etwa er­ forderlichen Erläuterungen 3. im Falle von Flächenermittelungen, wie z. B. von Gruben­ feldern, von zu entschädigenden Bodenflächen usw., auch die Berechnung solcher Flächen, beziehungsweise in besonderen Vermeffungsregistern. § 12. Die Bezahlung der Markscheiderarbeiten findet nach freiem Übereinkommen zwischen dem Markscheider und dem Auf­ traggeber statt. Als Grundlage empfehlen sich jedoch die Sätze der . . . (unten abgedruckten Tagegelder- und Gebührenordnung vom 22. Oktober 1894). § 13. Die Geschäftsführung und die Arbeiten der Mark­ scheider unterliegen der amtlichen Kontrolle, welche von den Ober­ bergämtern in der Regel durch die Oberbergamtsmarkscheider aus­ geübt wird. § 14. Die Geschäftsrevisionen finden periodisch statt und werden von demjenigen Oberbergamt veranlaßt, in dessen Bezirk der Markscheider wohnt.

Tagegelder- und Gebührenordnung für die Markscheider.

1187

§ 15. Die Revision der Markscheiderarbeiten kann von jedem Oberbergamte veranlaßt werden, welches ein Interesse an deren Prüfung hat und in solchem Falle den Markscheider hier­ von in Kenntnis setzt. Letzterem steht es alsdann frei, bei der Revision persönlich zu erscheinen oder einen anderen Markscheider zu seinem Vertreter zu bestellen. Im Falle des Ausbleibens wird mit der Revision dennoch vorgegangen. Die Revision beginnt in der Regel mit Einsicht und Prüfung der Observationsbücher, der Berechnung der Schnüre und Ver­ gleichung mit den Zulagen, den Grundriffen und Profilen- erst dann, wenn dies nicht genügt, ist zu den erforderlichen Nachmeffungen zu schreiten. Die Ergebnisse der Revision sind in einer Verhandlung aus­ führlich darzulegen, welche von dem Markscheider, dessen Arbeiten revidiert werden, beziehungsweise von dessen Stellvertreter mit zu unterzeichnen ist und nebst den betreffenden Plänen, Obser­ vationen usw. dem Oberbergamte zur Entscheidung eingereicht wird. Stellt sich bei der Revision die revidierte Arbeit als richtig heraus, so werden die Revisionskostcn von dem Oberbergamte resp, von dem Extrahenten, auf dessen Antrag das Oberbergamt die Revision angeordnet hat, getragen. Ergibt sich dagegen die revidierte Arbeit als unrichtig, so sind die Kosten demjenigen Markscheider, welchem die festgestellten Unrichtigkeiten zur Last fallen, aufzuerlegen.

Nachtrag vom 2. Juli 1900. Auf Grund des § 34 Abs. 3 der GO. und des § 190 Abs. 2 und 3 deS ABG. vom 24. Juni 1865 wird in Ergänzung des § 3 Abs. 3 der Allgemeinen Vorschriften für die Markscheider im Preußischen Staate vom 21. Dezember 1871 (Min.Bl. d. i. B. Jahrg. 1872 S. 9) über das bei Entziehung der Markscheiderkonzession einzuhaltende Verfahren folgendes verordnet: 1. Die Einleitung des Verfahrens erfolgt durch das Oberbergamt. Dieses ernennt einen Kommissar, welcher den Sachverhalt zu erörtern, den Markscheider unter Mitteilung der gegen ihn zur Sprache gebrachten Tat­ sachen zu hören, Zeugen und Sachverständige eidlich zu vernehmen und die zur Aufklärung der Sache dienenden sonstigen Beweise herbeizuschaffen hat. Die Ladung des Markscheiders erfolgt unter der Warnung, daß im Falle seines Ausbleibens gleichwohl mit der Erörterung der Sache werde vor­ gegangen werden. Bei seiner Vernehmung und bei dem Verhör der Zeugen und Sachverständigen ist ein vereideter Protokollführer zuzuziehen. 2. Je nach dem Ausfall des Verfahrens beschließt das Oberbergamt entweder die Einstellung des Verfahrens oder die weitere Verfolgung der Sache. Im letzteren Falle bestimmt es einen Beamten, der als Vertreter

1188

Anhang zum achten Titel.

des öffentlichen Interesses die geeigneten Anträge zu stellen und aus dem Jnhalte der Verhandlungen zu rechtfertigen hat. 3. Nach Eingang dieser Anträge wird der Markscheider unter abschrift­ licher Mitteilung derselben zur mündlichen Verhandlung geladen. Die Ladung erfolgt unter der Verwarnung, daß im Falle des Ausbleibens gleichwohl mit der Verhandlung der Sache werde vorgegangen werden. Der Markscheider kann sich in der Verhandlung des Beistandes eines Rechtsanwalts bedienen, auch sich auf Grund schriftlicher Vollmacht durch einen solchen vertreten lassen. Jedoch kann das Oberbergamt jederzeit das persönliche Erscheinen des Mark­ scheiders unter der Warnung anordnen, daß bei dessen Ausbleiben ein Ver­ treter nicht werde zugelassen werden. 4. Die mündliche Verhandlung erfolgt in öffentlicher Sitzung des Ober­ bergamts. Die Öffentlichkeit kann unter entsprechender Anwendung der

§§ 173—176 des GVG. ausgeschloffen oder beschränkt werden. Zu der Ver­ handlung ist ein vereidigter Protokollführer zuzuziehen. 5. Die mündliche Verhandlung wird durch den Vortrag eines Mit­ glieds des Oberbergamts über den Sachverhalt eingeleitet. Der Markscheider wird vernommen und hat, nachdem der mit der Vertretung des öffentlichen Interessen beauftragte Beamte seine Anträge gestellt hat, das Recht der Er­ widerung- ihm steht das letzte Wort zu. Das Oberbergamt kann, bevor es die Entscheidung fällt, die Aufnahme weiterer Beweise beschließen. 6. Die Entscheidung kann nur auf Entziehung der erteilten Konzession oder auf Einstellung des Verfahrens lauten. Die Entscheidung ist vor dem Schluß der Verhandlung oder in einer weiteren Sitzung, die sofort anzube­ beraumen ist, zu eröffnen. Eine mit Gründen versehene Ausfertigung der Entscheidung ist unter Hinweis auf das dagegen zulässige Rechtsmittel dem Markscheider zuzustellen. 7. Gegen die Entscheidung des Oberbergamts ist der Rekurs an den Minister für Handel und Gewerbe zulässig. Der Rekurs muß binnen 14 Tagen, vom Tage der Zustellung des Bescheides an gerechnet, bei dem Oberberg­ amte eingereicht und gerechtfertigt werden. Die Rekursschrift wird dem mit der Vertretung des öffentlichen Interesses beauftragten Beamten zur Er­ klärung binnen einer 14tägigen Frist mitgcreilt. Sodann werden von dem Oberbergamt die Verhandlungen zur Rekursentscheidung eingereicht. 8. Die Zustellung der in dem Verfahren ergehenden Ladungen und Entscheidungen erfolgt unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der Zivilprozeßordnung über Zustellungen.

Tagegelder- und Gebührenordnung für die Markscheider vom 22. Oktober 1894. Z. f. d. B., H. u. S.Wesen Bd. 42 A. S. 67, abgeändert durch Erl. vom 13. September 1895, das. Bd. 43 A. S. 102).

I. Tagegelder.

A. An Tagegeldern für solche Tage, an bührenverdienst gearbeitet oder zum Zwecke der wird, sowie für Sonn- und Feiertage, welche tigen Aufenthalte an einem fremden Orte müssen, sind fünfzehn Mark zu berechnen.

welchen ohne Ge­ Arbeit bloß gereist bei einem auswär­ zugebracht werden

Tagegelder- und Gebührenordnung für die Markscheider.

1189

Bei dem Ansätze von Taggeldern gilt eine Arbeitsdauer von acht Stunden für einen Arbeitstag, eine Reisedauer von min­ destens vier Stunden für einen Reisetag. B. Arbeiten, welche einen vollen Arbeitstag nicht in Anspruch nehmen, sind stundenweise zu berechnen, die Stunde mit zwei Mark. C. Ist der Markscheider genötigt, seine Messungen in der Zeit zwischen 8 Uhr abends und 4 Uhr früh oder an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen auszuführen, so ist er berechtigt, außer den obigen Tagegeldern, bzw. den an deren Stelle tretenden Meß­ gebühren unter III für jede Arbeitsstunde eine Mark zu be­ rechnen. II. Reisekosten. Markscheider erhalten an Reisekosten ausschließlich für Fort­ schaffung der Instrumente, Karten usw.: A. bet Reisen auf Eisenbahnen und auf Damvfschiffen für das Kilometer dreizehn Pfennig und außerdem für jeden Zuund Abgang nach und von der Eisenbahn drei MarkB. bei Reisen, welche nicht auf Eisenbahnen oder auf Dampf­ schiffen zurückgelegt werden, für das Kilometer sechzig Pfennig. Beträgt die Entfernung von dem Wohnorte des Mark­ scheiders weniger als zwei Kilometer, so hat derselbe nur den Ersatz der durch die Fortschaffung der Instrumente erwachsenen Auslagen zu beanspruchen. Entfernungen von zwei bis fünf Kilometer werden mit fünf Kilometer berechnet. Hat der Markscheider auf einer Reise Arbeiten für ver­ schiedene Gruben ausgeführt, so sind die gemeinschaftlich zu tragen­ den Reisekosten auf die einzelnen Gruben nach Verhältnis der Arbeitszeit zu verteilen. An Stelle der Meilengelder (einschließlich Nebenkosten) ist der Markscheider in jedem Falle berechtigt, den Ersatz der baren Fuhr- und Fortschaffungskosten zu beanspruchen, soweit er diese nachweist.

Anhang zum achten Titel.

III. Gebühren.

Nr.

Bezeichnung der Arbeit

1.

Beim Ziehen mit Kompaß und Gradbogen nach der flachen Schnurlänge.......................................................................... Mit dem Kompaß allein nach der flachen Schnurlänge . Mit dem Gradbogen allein nach der flachen Schnurlänge Beim bloßen Messen der Länge mit Meßketten oder Stäben Unter 1—4 werden bet 20—40 Grad Neigung die 1,5 fachen, bei 40 Grad Neigung und darüber die doppelten Sätze berechnet. Beim Abstecken von Linien..................................................... Bei der Aufnahme mit Btfierinstrumenten: a) unter gleichzeitiger Beobachtung des Gradbogens . b) ohne Beobachtung des Gradbogens.......................... Beim doppelten Visieren auf jeder Station (vor- und rück­ wärts), um die lokale Ablenkung der Magnetnadel zu eliminieren: a) unter Benutzung des Gradbogens b) ohne Benutzung deS Gradbogens Unter 6 und 7 werden bei 20—40 Grad Neigung die 1,5 fachen, bei 40 Grad Neigung und darüber die doppelten Sätze berechnet. Seitenabmefsungen und Nebenbeobachtungen sind nicht zu berechnen. Bei Aufnahme mit dem Tachymeter: für jeden damit be­ stimmten Punkt im Gelände............................................... Für das Abloten von Schächten und Messen der Lotlängen Das Abloten zum Zweck der Übertragung eines Saigerpunktes tu höhere oder tiefere Sohlen wird nach Stunden vergütet. Für das bloße Messen von Saigerschnüren Für die Angabe des Ansitzpunktes eines Schachtes oder Bohrlochs und sonstiger Ortspunkte, einer Ortsstunde (Prahme), eines Punktes der GrubenfeldeSgrenze . . Derartigen Angaben vorausgegangene Ermittlungen sind nach Tagegeldern bzw. Stunden zu berechnen. Geschieht die Angabe mit dem Theodoliten, so kommen die Sätze unter 13 c zur Anwendung. Beim Nivellieren mit Ltbelleninstrumenten: Für jede Lattenaufstellung............................................... Wenn dabei die Längen gemessen werden, so kommen hierfür die Sätze unter III, 4 zur Anwendung. Bloßes Abschreiten der Längen wird nicht verrechnet. Bei FlächenniveüementS wird daS Aostecken von Linien nach dem Satze unter III, 5 berechnet. Die Kartierungen der Nivellements werden nach Tagegeldern berechnet. Bet Pougonmeffungen mittels deS Theodoliten: a) Für die kunstgerechte Ausführung der Winkelmessungen, Auswahl und Befestigung der Winkel- oder BeobachtungSpunkre, sämtliche Berechnungen, Einträgen der Beobachtungen mit den Berechnungen in die ObservattonSbücher und für Aufträgen dieser Punkte auf die Fundamentalrifse und für die Reinzeichnung: für jede Aufstellung..........................................................

2. 3. 4.

5. 6. 7.

8. 9

10. 11.

12.

Gebührensatz unter | über

10 10 10 10

60 40 30 10

30 20 15 10

10

10

30 20

10 10

50 40

10 10

90-45 70 — 35

60 10 1

40

20

Tageg elder - und Gebührenordnung für die Markscheider j-» G>

Nr.

Bezeichnung der Arbeit w -s

14.

15. 16.

17. 18.

1191 Gebührensatz unter | über , Tage

vM

b) Findet dabei eine den Verhältnissen entsprechende tunlichst dauernde Befestigung der Polygonpunkte nicht statt, so beträgt der Gebührensatz für jede Auf­ stellung .............................................................................. 2 1 50 c) Für eine sorgfältig auszuführende Anschluß- bzw. Orientierungsmessung unter Berücksichtigung der wäh­ rend derselben stattfindenden Dekltnationsänderungen: für jeden Winkel 6 4 d) Sind auf einer Aufstellung mehrere Winkel zu messen, z. B. bei Polhgonverzweigungen, Bestimmung wesent­ licher Punkte durch Etnschneiden usw., so sind für jeden zweiten, dritten usw. Winkel zu berechnen. . 1 50 1 e) Für die doppelt gemessene Länge des PolygonzwetgeS 25 werden berechnet 10 50 Die Gebührensätze unter 13a, d, c, d und e werden bei 20—40 Grad Neigung der Baue 1,5 fach, bet 40 Grad Neigung und darüber doppelt berechnet. Für das Rückwärtseinschneiden mittels des Theodoliten nach drei Punkten (Pothenotsche Aufgabe): für jeden so bestimmten Punkt einschließlich der Koordinaten­ berechnung und Kartierung............................................... 16 Für jeden weiteren hierbei angeztelten Punkt und dessen 3 Berücksichtigung bet der Berechnung Bet Triangulationen für das Messen eines jeden Dreiecks­ 2 winkels mit mehrfacher Wiederholung.......................... Für eine kunstgerechte und sorgfältig auszuführende Längen­ messung einschließlich der Prüfungsmessung, nötigenfalls unter Benutzung des Gradbogens, mit gleichzeitiger Aufnahme der Gebtrgsschichten, des Einfällen- und der Mächtigkeit der Lagerstätten nebst den erforderlichen Kartierungen auf den Fundamentalrtssen und der Rein­ 30 zeichnung 10 -90 Messungen anderer Art oder mit anderen Instrumenten, alS in obigem vorgesehen, werden nach Tagegeldern berechnet. a) Bet Anwendung der Sicherheitslampe in Schlagwettergruven wird den Sätzen unter 12, 13a und 13b die Hälfte, unter 1, 2, 3, 4, 6 (a und b), 13c, d und e und 16 ein Drittel und unter 7 (a und b), 9, 10 und 11 ein Viertel zugesetzt. b) Beim Messen in sehr nassen, heißen (über 25° CelstuS) oder niedrigen Grubenräumen (von weniger als 1,25 m Höhe), desgleichen in Räumen mit matten Wettern wird dem nach obigen Sätzen entstandenen Ge­ bührenbetrage ein Viertel desselben zugesetzt. Das Kopieren von Plänen aller Art ist nach folgenden Sätzen zu vergüten: Für 100 qcm des bezeichneten Raumes, also mii Ausschluß deS nur Netzltnien enthaltenden Teiles, wobei die Aufschrift in einer mäßigen und dem Maßstabverhältniffe des Planes entsprechenden Größe mitgerechnet iiycicu/iivv wird, ivitu/ bei uci einem cmciu verjüngten vcijuiiyicii Maßstabe^von: wiupiiuuc vu 1/200 bis 1/500 der natürlichen Größe 0.20 M. 0.40 tt , 1/1000 über 1/500 ft tt // 1/1000 ; 1/2000 0.70 tt tf tf ft 1.20 u „ 1/2000 1/4000 tt ft ff 1.60 tt „ 1/4000 „ 1/6000 tf tf tt 2.00 „ 1/6000 „ 1/10000 tt ff tf Kopien, deren Maßstab größer oder kleiner alS der des Originals ist,

1192

Anhang zum achten Titel.

Nr.

Bezeichnung der Arbeit

21.

22.

23.

24. 25. 26. 27.

sind nach der Kopie, und zwar so zu berechnen, daß die für diese gel­ tenden Sätze bei einer weniger als vierfachen linearen Maßstabsänderung l,5fach, von einer vier- bis achtfachen linearen Maßstabsänderung 2,0fach, bei einer acht- und mehrfachen linearen Maßstabsänderung 2,5 fach genommen werden. Das Kopieren auf Ölpapier oder durchsichtige Leinwand wird mit der Hälfte des Satzes für das Kopieren auf Zeichenpapier berechnet. Bet farbiger Darstellung der Pläne wird bei den Maßstäben 1/200 bis 1/2000 den Gebührensätzen unter 19, 20 und 21 ein Drittel, über 1/2000 ein Viertel zugesetzt. Für das Beziehen der Risse mit Netzlinien wird auf je 500 qcm a) wenn die Entfernung der Linien 3 cm oder darunter beträgt 0.30 M., b) wenn die Entfernung der Linien über 3 cm beträgt . . 0.15 „ berechnet. Die Auftragung von Bergschraffur, Terrainhorizontalen und Grubenfeldesgrenzen wird nach Tage- bzw. Stundengeldern berechnet. Das Kopieren und Nachtragen der amtlichen Nißexemplare wird nach Tage- bzw. Stundengeldern bezahlt. Sind Pläne teils nach vorhandenen Karten, teils nach neuen Aufnahmen anzufertigen, so wird die Übertragung wie eine Kopie und die neue Aufnahme wie eine Nachtragung berechnet. An Stelle der Gebühren können in allen Fällen Tage- bzw. Stunden­ gelder nach den unter I geordneten Sätzen berechnet werden. Für das zu den Zeichnungen zu verwendende Zeichenpapier (Pauspapier, Zeichenleinwand) bester Qualität sind zu berechnen: a) für 100 qcm Pauspapier..................................................... 0,02 M. b) n 100 // Pausleinwand oder Zeichenpapier (Rollen und 0,04 ff Bogen) aufKattun oder Leinwand einfach aufgezogenes e) // 100 n 0,08 // Zeichenpapier auf Kattun oder Leinwand mehrfach auf­ d) n 100 ft gezogenes Zeichenpapier zur Herstellung steifer 0,10 Teilplatten................................ Der Verbrauch von Zeichenpapier aller Art lediglich zum Zweck von Übertragungen wird nicht berechnet. Auslagen für Formulare, für Buchbinder und andere Handwerker werden auf Grund der bei­ zubringenden Rechnungen bezahlt. Andere Auslagen für Schreib­ und Zeichenmaterialien werden nicht vergütet. Hat der Markscheider die zu seiner Hilfe zum Zwecke der Aufnahmen notwendigen Arbeiter selbst gestellt, so ist er berechtigt, die Löhne, welche er diesen Gehilfen zahlen muß, in Rechnung zu stellen. Die Schichtlöhne für die aus der Klasse der Arbeiter genommenen Gehilfen sollen das mittlere Heuerlohn um höchstens 25% überschreiten dürfen. An Reisekosten können den Gehilfen für den Hin- und Rückweg 10 Pfennig für das Kilometer vergütet werden.

Regulativ für die Bergausschüsse.

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in. Regulativ, vett. den Geschäftsgang und das Verfahren der Bergausscbösse. Vom 8. Dezember 1905 (HMinBl. S. 333).

Auf Grund des § 194a Abs. 5 und 7 des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 in der Fassung des Gesetzes vom 14. Juli 1905 (GS. S- 307) in Verbindung mit § 56 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (GS- S. 195) ergeht zur Ordnung des Geschäftsganges und des Verfahrens der Bergausschüsse die nachstehende Anweisung mit der Maßgabe, daß die für die Bergausschüsse gegebenen Vor­ schriften gleichmäßig auch auf die Abteilungen der Bergausschüsse Anwendung finden und daß die Anweisung sofort in Kraft tritt.

Geschäftskreis.

Art des Verfahrens.

§ 1. Der Bergausschuß hat durch seine örtlich zuständigen Abteilungen über die auf Grund des § 192 a Abs. 2 des Allge­ meinen Berggesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 14. Juli 1905 erhobenen Klagen im Verwaltungsstreitverfahren Entschei­ dung zu treffen. Sitzungen. Einberufung der Stellvertreter. Beurlaubung. § 2. Der Vorsitzende beraumt nach Bedürfnis die Sitzungen des Bergausschusses an und ladet die Mitglieder zu denselben ein. Nach Ermessen des Vorsitzenden können die Sitzungen auch außerhalb des Sitzes des Bergausschusses an einem geeigneten anderen Orte des Oberbergamtsbezirks stattfinden. Von der Einladung eines Mitglieds zu den Sitzungen des Bergausschusses ist außer in den gesetzlichen Fällen regelmäßig auch dann abzusehen, wenn es sich um eine Klage handelt, die einen dem Allgemeinen Berggesetz unterworfenen Betrieb betrifft, an dessen Leitung oder Verwaltung das Mitglied unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. § 3. Ein Mitglied, welches durch Krankheit oder durch sonstige nicht zu beseitigende Umstände verhindert ist, einer Sitzung beizuwohnen oder sich der Wahrnehmung der ihm sonst obliegen­ den Geschäfte zu unterziehen, hat dies sofort dem Vorsitzenden anzuzeigen. Die Einberufung der Stellvertreter der gewählten Mit­ glieder durch den Vorsitzenden erfolgt, wenn der Provinzialaus­ schuß (Landesausschuß) bei der Wahl eine Reihenfolge bestimmt hat, nach dieser Reihenfolge, andernfalls nach der durch Beschluß des Bergausschusses unter Zustimmung der Stellvertreter oder durch das Los zu bestimmenden Reihenfolge. Anm. zu § 1: Vgl. aber Art. IXund XI der Mutungsnovelle vom 18. Juli 1907, § 192a Abs. 1 und § 75 Abs. 2 ABG.

1194

Anhang zum achten Titel.

§ 4 Für die Beurlaubung der ernannten Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder kommen die für ihr Hauptamt gelten­ den Vorschriften zur Anwendung. Die gewählten Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder haben bei beabsichtigter längerer Entfernung von ihrem Wohn­ orte dem Vorsitzenden sofort Anzeige zu machen, welcher die er­ forderliche Stellvertretung unter Beachtung der int § 3 gegebenen Vorschriften ordnet.

Befugnisse des Vorsitzenden. § 5. Der Vorsitzende (§ 194 a Abs. 2 des Allgemeinen Berggesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 14. Juli 1905) leitet und beaufsichtigt den gesamten Geschäftsgang und sorgt für die rechtzeitige Erledigung der Geschäfte. Er öffnet die eingehenden Schriftstücke und vermerkt darauf den Tag des Eingangs. Für den Fall der Behinderung des Vorsitzenden und dessen Stellvertreters im Vorsitze kann ein ver­ eidigter Bureaubeamter des Oberbergamts mit der Öffnung der eingehenden Schriftstücke und mit der Beurkundung des Eingangs beauftragt werden. Ist von einer Partei, der Vorschrift in § 66 des Landes­ verwaltungsgesetzes zuwider, die Einreichung von Duplikaten ver­ absäumt, so kann deren Anfertigung auf Kosten der Partei von dem Vorsitzenden angeordnet werden. § 6. Der Vorsitzende verteilt die Geschäfte unter die Mit­ glieder des Kollegiums. In den zur kollegialischen Entscheidung gelangenden Sachen bestellt der Vorsitzende aus der Zahl der er­ nannten oder der gewählten Mitglieder einen Berichterstatter und nach Befinden einen Mitberichterftatter- auch kann er sich selbst zum Berichterstatter oder zum Mitberichterstatter bestellen. Er zeichnet die Urschriften aller Verfügungen. § 7. Abgesehen von den Fällen, in welchen das Gesetz — §§ 60, 64, 95, 111 des Landesverwaltungsgesetzes — den Vor­ sitzenden, gegebenenfalls im Einvernehmen mit den ernannten Mitgliedern des Bergausschuffes, ermächtigt oder anweift, namens der Behörde Verfügungen oder Bescheide zu erlaffen, werden Ver­ fügungen, welche, ohne der fachlichen Entscheidung vorzugreifen, zu deren Vorbereitung dienen oder die Leitung des Verfahrens bezwecken, der Regel nach ohne Vortrag im Kollegium entweder von dem Vorsitzenden selbst oder unter feiner Mitzeichnung von demjenigen Mitglied erlaffen, welchem der Vorsitzende die Bear­ beitung der Sache überträgt. Ergibt sich zwischen diesem Mit­ glied und dem Vorsitzenden eine Meinungsverschiedenheit oder wird gegen das Verfügte Einspruch erhoben, so ist der Beschluß des Kollegiums hierüber herbeizuführen. Dem Ermessen deS Vorsitzenden bleibt es in allen Fällen überlassen, den vorgängigen Vortrag im Kollegium anzuordnen.

Regulativ für die Bergausschüsse.

1195

§ 8. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und Be­ ratungen in den Sitzungen- bei der Abstimmung stellt er die Fragen und sammelt die Stimmen, vorbehaltlich der Entscheidung des Kollegiums, falls über die Fragestellung oder über das Er­ gebnis der Abstimmung eine Meinungsverschiedenheit entsteht. Bei der Abstimmung gibt der Berichterstatter seine Stimme zuerst ab. Beweisaufnahme.

§ 9. Zur Aufnahme des Beweises ist der Bergausschuß nach näherer Vorschrift der §§ 76 bis 79 des Landesverwaltungs­ gesetzes befugt. Mündliche Verhandlung.

§ 10. Die zur mündlichen Verhandlung gelangenden Sachen werden der Regel nach in der durch den Vorsitzenden bestimmten, durch Aushang vor dem Sitzungszimmer bekannt zu machenden Reihenfolge erledigt. In der Vorladung ist die zur mündlichen Verhandlung bestimmte Stunde anzugeben. Die mündliche Ver­ handlung ist durch einen Vortrag des Berichterstatters über das Sachverhältnis einzuleiten- bei dem Erscheinen sämtlicher Be­ teiligten kann der Vorsitzende diesen den Vortrag des Sachver­ haltes überlassen. Ist in Gemäßheit des Abs. 2 des § 74 des Landesverwaltungsgesetzes zur Wahrnehmung des öffentlichen Interesses für die mündliche Verhandlung von dem Berghaupt­ mann ein besonderer Kommissar bestellt, so wird dieser mit seinen Ausführungen und Anträgen nach den Parteien gehört. Der Vorsitzende hat dahin zu wirken, daß das Sachverhält­ nis vollständig aufgeklärt wird und die sachgemäßen Anträge von den Beteiligten gestellt werden. § 11. Durch Aufnahme in die Niederschrift über die münd­ liche Verhandlung sind insbesondere festzustellen: a) neue tatsächliche Erklärungen und neue Anträge der Be­ teiligten oder die Tatsache, daß solche aus den Vorträgen der Beteiligten nicht zu entnehmen warenb) Anerkenntnisse, Verzichtleistungen und Vergleiche, durch welche der Klageantrag ganz oder teilweise erledigt wirdc) die Aussagen der Zeugen und Sachverständigen, welche im Termine zur mündlichen Verhandlung vernommen werden d) die zum Zwecke der Aufklärung des Sachverhaltes oder der förmlichen Beweisaufnahme erfolgte Vorlegung von Akten und Karten und Verlesung von Schriftstücken e) das Ergebnis eines im Termin eingenommenen Augen­ scheins. Die Niederschrift ist insoweit, als sie die unter a bis e be­ zeichneten Gegenstände betrifft, den Beteiligten vorzulesen oder zur Durchsicht vorzulegen. In der Niederschrift ist zu bemerken,

1196

Anhang zum achten Titel.

daß dies geschehen und die Genehmigung erfolgt ist, oder welche Einwendungen erhoben sind. Den Beteiligten ist auf Erfordern Abschrift der über die mündliche Verhandlung oufgenommenen Niederschrift zu erteilen. § 12. Der Vorsitzende handhabt gemäß § 72 des Landes­ verwaltungsgesetzes die Ordnung in der mündlichen Verhandlung und führt erforderlichenfalls einen Beschluß des Kollegiums über den Ausschluß der Öffentlichkeit herbei. § 13. Der Vorsitzende verkündet die ergangene Entscheidung oder den ergangenen Beschluß. Wird die Verkündung der Gründe für angemessen erachtet, so erfolgt sie durch Vorlesung oder durch mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts. Hat die Verkündung der Entscheidung oder des Beschlusses nicht sofort erfolgen können, so bedarf es dazu nicht der Anbe­ raumung einer besonderen Sitzung, vielmehr genügt die Zustellung der mit Gründen versehenen Entscheidung oder des Beschlusses an die Beteiligten.

Urschriften und Ausfertigungen.

§ 14 Alle Entscheidungen, Bescheide, Beschlüsse und Ver­ fügungen, welche von der Behörde als Kollegium erlassen werden, sind in der Ausfertigung mit der Unterschrift: „Der Bergausschuß zu N. N., Abteilung N. N. (Hohenzollernsche Lande)" zu versehen und von dem Vorsitzenden zu vollziehen. Bei Be­ scheiden und Verfügungen, welche von dem Vorsitzenden im Ein­ vernehmen mit den ernannten Mitgliedern oder von dem Vor­ sitzenden allein erlassen werden und gegen welche das Gesetz aus­ drücklich den Antrag auf mündliche Verhandlung oder auf Kollegial­ beschluß zuläßt (§§ 60, 64 Abs. 3, 111 Abs. 3 des Landesver­ waltungsgesetzes), lautet die Unterschrift: „Namens des Bergausschusses, Abteilung N. N. (Hohenzollernsche Lande) Der Vorsitzende." Die Urschriften der Bescheide, welche von dem Vorsitzenden im Einvernehmen mit den ernannten Mitgliedern erlassen werden, sind von diesen mit zu vollziehen. Die Urschriften der Entschei­ dungen, Bescheide und Beschlüsse, welche von dem Kollegium er­ lassen werden, sind von dem Vorsitzenden und wenigstens einem ernannten und einem gewählten Mitgliede, welche teilgenommen haben, zu vollziehen. Die Ausfertigungen der ergangenen Endurteile sind mit der Überschrift: „Im Namen des Königs" und dem Siegel des Berbausschusses — entsprechend dem Siegel der Oberbergämter — mit der Umschrift: „Der Bergausschuß zu N. Ny Abteilung N. N. (Hohenzollernsche Lande)"

Regulattv für die Bergausschüsse.

1197

zu versehen. Sie müssen im Eingänge den Sitzungstag, an welchem die Entscheidung getroffen ist, und die Mitglieder des Bergausschusses, welche an der Abstimmung teilgenommen haben, ersehen lassen. § 15. Die gemäß §§ 64 Abs. 4, 67, 95, 111 Abs. 2 und 3 des Landesverwaltungsgesetzes zu erteilende Belehrung über die Rechtsmittel ist stets' am Schluffe der betreffenden Bescheide und Verfügungen und zwar, falls darin der entscheidende Teil von der Begründung geschieden ist, am Schluffe der Gründe in einer tunlichst in die Augen fallenden äußeren Form zu erteilen.

Zustellungen. § 16. Alle namens des Bergausschusses zu bewirkenden Zustellungen erfolgen durch Beamte der Bergverwaltung oder durch die Post. Im übrigen finden auf diese Zustellungen die Vorschriften des Nachtrags zu dem Regulativ über den Ge­ schäftsgang bei dem Oberverwaltungsgerichte vom 22. September 1881 (Min.-Bl. für die innere Verwaltung 1882 S. 42) mit der Maßgabe, daß die Zustellungsurkunde durch eine beglaubigte Emp­ fangsbescheinigung der zur Annahme berechtigten Person ersetzt werden kann, sinngemäße Anwendung. Einreichung der Akten an die höhere Instanz. § 17. Bei der Einreichung der vom Bergausschuß ver­ handelten Akten an das Oberverwaltungsgericht ist auf Voll­ ständigkeit des einzusendenden Materials an Vorakten und der­ gleichen Bedacht zu nehnieu und außerdem folgendes zu beob­ achten : 1. Die Akten sind mit Blattzahlen sowie mit einem vorzu­ heftenden vollständigen Inhaltsverzeichnisse zu versehen und mit besonderem Begicitbericht einzureichen, in welchem auf die Aktenblätter der Entscheidung erster Instanz, der in zweiter Instanz gewechselten Erklärungen und der von den Beteiligten ausgestellten Vollmachten zu verweisen ist. 2. In diesem Berichte sind kurz ersichtlich zu machen: a) die Bezeichnung des Rechtsmittels (Beschwerde, Revision),' b) Namen, Stand und Wohnort der Beteiligten und die Bezeichnung desjenigen, der das Rechtsmittel eingelegt hatc) der Gegenstand des Verfahrens d) der Wert des Streitgegenstands.

Kosten. § 18. Die Einziehung der Kosten und baren Auslagen des Verfahrens gemäß § 108 des Landesverwaltungsgesetzes er­ folgt nach Maßgabe der hierüber besonders ergehenden Bestim­ mungen J). 1) Der Tarif für die Berechnung des Kostenpauschquantums in dem vor den Bergausschüssen und dem Oberverwaltungsgerichte statlfindenden Verwaltungsstrettverfahren vom 8. Dezember 1905 ist unten abgedruckt.

1198

Anhang zum achten Titel.

Die Festsetzung der einer Partei zu erstattenden baren Aus­ lagen gemäß § 108 a. a. O. erfolgt auf Antrag der Partei, er­ forderlichenfalls nach Anhörung des Gegners.

Geschästskontrollbücher.

Geschäftsräume.

Bureaubeamte usw.

§ 19. Die Einrichtung der erforderlichen Geschäftskontroll­ bücher bleibt bis auf weiteres dem Vorsitzenden des Bergausschuffes überlassen. Die erforderlichen Geschäftsräume sowie die erforderlichen Bureau-, Kanzlei- und Unterbeamten hat das Oberbergamt dem Bergausschuß zur Verfügung zu stellen.

Geschäftsjahr.

Geschäftsbericht.

§ 20. Das Geschäftsjahr der Bergausschüsse ist das Kalender­ jahr. Am Jahresschlüsse hat der Berghauptmann in Gemeinschaft mit den beiden ernannten Mitgliedern dem Minister für Handel und Gewerbe eine nach der Anlage aufzustellende Übersicht der vorgekommenen Geschäfte berichtlich einzureichen. In der Über­ sicht ist die Zahl der im Laufe des Jahres abgehaltenen Sitzungen, die Zahl der anhängig gemachten, erledigten und unerledigt ge­ bliebenen Sachen, ferner die Zahl der abgehaltenen Termine über­ haupt sowie derjenigen Termine, in denen mündliche Verhandlung stattgefunden, und derjenigen Termine, in denen der Berghaupt­ mann den Vorsitz geführt hat, anzugeben. In den Bericht sind die gutachtlichen Bemerkungen aufzunehmen, zu denen die bei Handhabung der materiellen und formellen Bestimmungen der einschlagenden Gesetzgebung und der gegenwärtigen Anweisung gemachten Erfahrungen Anlaß geben. Abschrift des Jahresberichts nebst Anlage ist dem Oberver­ waltungsgericht einzureichen. Erlaß des Ministers für Handel nnd Gewerbe und des Finanz­ ministers vom 8. Dezember 1905. Auf Grund des Art. III § 194a des Gesetzes vom 14. Juli 1905, betreffend die Abänderungen einzelner Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865/1892 (GS. S. 307), und des § 106 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (GS. S. 195) haben wir für die Berechnung des Kostenpauschquantums in dem vor den Bergausschüffen und dem Oberverwaltungsgerichte stattfindenden Verwaltungsstreitver­ fahren den anliegenden Tarif aufgestellt, der sofort in Kraft tritt. Wir bemerken dabei noch folgendes: 1. Als „unschätzbare" Gegenstände gemäß Nr. VIII des Tarifs sind nur solche Streitgegenstände anzusehen, welche überhaupt keinen vermögensrechtlichen Inhalt haben oder deren Geldwert dermaßen unbestimmt ist, daß er sich auch nicht durch sachverständiges Er­ messen abschätzen läßt.

Tarif für das Kostenpauschquantum vor den Bergausschüssen.

1199

2. Für die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen gelten im Verwaltungsstreitverfahren nach § 106 des Landes­ verwaltungsgesetzes die Vorschriften der Zivilprozeßordnung und der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige. 3. Die von den Bergausschüssen festgesetzten Kosten und baren Auslagen sind nicht unmittelbar nach beendigter Instanz, sondern erst nach eingetretener Rechtskraft der Entscheidung ein­ zuziehen. 4. Von der Einziehung der bei dem Oberverwaltungsgericht und den Bergausschüssen im Verwaltungsstreitverfahren entstehen­ den baren Auslagen (Porto, Vollmachtsstempel, Zeugen- und Sachverständigengebühren) ist in den Fällen abzusehen, in denen sie der Staatskasse zur Last fallen. 5. Zum Zwecke der Einziehung der Kosten und baren Aus­ lagen des Verfahrens ist die unterliegende Partei zur Zahlung an die Kasse des zuständigen Königlichen Oberbergamts mit dem Hinzufügen aufzufordern, daß die Zahlung entweder unmittelbar bei dieser Kasse oder durch portofreie Einsendung des Betrages an diese Kasse oder durch Gutschrift auf das Girokonto der Ober­ bergamtskasse bei der Reichsbank erfolgen kann.

Tarif für die Berechnung des Kostenpanschquantums in dem vor den Bergausschüssen und dem OberverwaltnngSgericht stattfindenden Berwaltungsstreitversahren. Auf Grund des Art. III § 194a des Gesetzes vom 14. Juli 1905, betreffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des Allge­ meinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865/1892 (GS. S. 307), und des § 106 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (GS. S. 193) wird hierdurch folgendes bestimmt: Das nach §§ 106, 107 des Landesverwaltungsgesetzes zur Hebung gelangende Pauschquantum wird nach dem Werte des Streitgegenstandes berechnet und beträgt (vorbehaltlich der Bestimmungen unter II, III und IV) für je 20 Mark des Wertes bis 100 Mark, 40 Mehrwertes ff 300 // // tf 60 600 ff // ff ff // 80 // ff /' 1000 ff // 100 ff // // ff ff 1500 200 u 2500 ff // ff ff 400 // tf tf ff 4500 ff 700 über 4500 // ff ff // a) bei dem Oberverwaltungsgerichte zwei Mark, b) bei den Bergausschüssen eine Mark. mit der Beschränkung des Höchstbetrages int Fall a auf 100 Mark, im Fall b auf 40 Mark. Die nur angefangenen Mehrbeträge von 20, 40, 60, 80, 100, 200, 400, 700 Mark werden für voll gerechnet.

1200

Anhang zum achten Titel.

II. Die Sätze zu I werden auf die Hälfte ermäßigt, wenn die Entscheidung auf Anerkenntnis erfolgt oder die Sache durch Vergleich oder durch Zurücknahme der Klage, des Antrages auf mündliche Verhandlung oder des Rechtsmittels ihre Erledigung findet. Gelangt das Verfahren ohne mündliche Verhandlung zur Erledigung, so fällt die Erhebung des Pauschquantums weg. III. Sind die Voraussetzungen zu II nur bei einem Teile des Streitgegenstands vorhanden, so werden für diesen und den übrigen Teil des Gegenstands die Sätze gesondert berechnet, jedoch zusaminen nicht mehr, als der für den ganzen Streitgegenstand zu berechnende Satz zu I. IV. Wenn eine Beweisaufnahme angcordnet ist und statt­ gefunden hat, so wird nach dem Werte des Gegenstands derselben die Hülste des nach I bis III zu berechnenden Satzes zusätzlich erhoben. V. Die Höhe der Pauschsätze in Gemäßheit der Vorschriften unter I—IV ergibt sich aus den anliegenden Tabellen A und B. VI. Der Mert des Streitgegenstandes wird in dem End­ urteile (§ 103 Äbs. 2 LVG.) — wenn ein solches nicht ergeht, in dem Festsetzungsbeschlusse (§ 108 ebenda) oder erforderlichenfalls durch besonderen Beschluß — von dem Gerichte, welches in der Sache selbst zu entscheiden hat, nach Maßgabe der Vorschriften unter VII und VIII festgesetzt. In zweifelhaften Fällen und bei Gegenständen, die keiner Schätzung nach Gelde fähig sind, kann zum Zwecke der Festsetzung die Erklärung der Parteien erfordert, nötigenfalls auch eine Beweisaufnahme herbeigeführt werden. VII. Der Wert des Streitgegenstandes bestimmt sich durch den Kapitalwert desselben und die rückständigen Nutzungen, so­ weit der ursprüngliche oder veränderte Antrag darauf gerichtet ist ober die Nutzungen von Amts wegen zuerkannt werben. Der Zeitpunkt, bis zu welchem die rückständigen Nutzungen zu berechnen sind, wird durch den Tag der Einreichung der Klage, wenn aber eine Vervollständigung derselben verfügt worden, durch den Tag der Einreichung der vervollständigten Klage bestimmt. Dagegen bleiben von der Berechnung ausgeschlossen: a) die Nutzungen, welche erst während des Streitverfahrens entstanden sindb) die während des Streitverfahrens entstandenen Schäden und Kosten und im Werte des streitigen Gegenstandes ein­ getretenen Veränderungen. Bei Einlegung eines Rechtsmittels bleibt von der Berech­ nung ausgeschlossen^ was in diesem Zeitpunkt unter den Parteien nicht mehr streitig ist. Der Wert des Rechtes auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem Werte des einjährigen Bezugs berechnet, und zwar auf den 12'/zfachen Betrag, wenn der künftige Wegfall des Bezugsrechts gewiß, die Zeit des Wegfalles aber ungewiß ist,

Tarif für das Kostenpauschquantum vor den BergauSschüffen.

1201

auf den 25 fachen Betrag bei unbeschränkter oder längerer als L5 jähriger Dauer. VIII. ^st der Streitgegenstand keiner Schätzung nach Geld

fähig, so wird der Wert desselben zur Berechnung des Pausch­ quantums, je nach der größeren oder geringeren Wichtigkeit der Sache für die streitenden Parteien, auf 50 bis 50000 Mark an­ genommen. Ist mit einem unschätzbaren Anspruch ein daraus hergelei­ teter, einer Schätzung nach Gelde fähiger Anspruch verbunden, so ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend. IX. In Endurteilen, auf Grund welcher eine nochmalige Entscheidung in der Vorinstanz zu ergehen hat, kann die Fest­ setzung des Wertes des Streitgegenstandes mit der Entscheidung über den Kostenpunkt der weiteren Entscheidung Vorbehalten werden. Die Kosten einer Vorentscheidung sind, wenn in derselben Instanz, infolge der Zurückweisung der Sache in eine Vorinstanz, eine nochmalige Verhandlung stattfindet, auf den Kostenbetrag der anderweitigen Verhandlung und Entscheidung anzurechnen. Nach dieser Vorschrift ist auch tm Falle des § 100 des Landesverwal­ tungsgesetzes zu verfahren.

Anhang zum achten Titel.

1202

Tabelle A für die Kosten bei dem Oberverwaltungsgericht.

Wert des Streitgegenstands

DaS Pauschquantum (8 106 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883), falls ein solches überhaupt zur Hebung kommt (§ 107 a. a. O.), beträgt: wenn die Entfdjeiöung auf Aner­ kenntnis erfolgt oder die Sache durch Vergleich oder durch Zurücknahme der wenn die Entschei­ Klage oder des An­ dung nicht airf An­ trages auf münd­ erkenntnis erfolgt, und zwar liche Verhandlung

oder des Rechts­ mittels ihre Er­ ledigung findet nnd zwar ohne nach er­ ohne nach er­ Beweis­ folgter Beweis­ folgter auf­ Beweis­ auf­ Beweis­ nahme aufnahme nahme aufnahme ul I ul| ul ul

1

1 20 JC einschlietzlich 40 60 80 100 140 180 220 260 300 360 420 480 540 600 680 760 840 920 1 000 1 100 1200 1300 1400 1500 1 700 1900 2100 2 300 2 500 2 900 3 300 3 700 4100 4 500 5 200 5 900 6 600 7 300 8000 8 700 9 400 10100 10 800 11500 12 200 12 900 13 600 14 300 — — — —

biS zu 20 JC 40 60 80 100 140 180 220 260 300 360 420 480 540 600 680 760 840 920 1000 1 100 1 200 1300 1400 1500 1 700 1900 2100 2 3C0 2 500 2 900 3 300 3 700 4100 4 500 5 200 5 900 6 600 7 300 8 000 8 700 9 400 10100 10 800 11500 12 200 12 900 13 600 // 14 300 H

von mehr als

// •

V

u



s>

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

3 _



1 3 4 6 7 9 10 12 13 15 16 18 19 21 22 24 25 27 28 30 31 33 34 36 37 39 40 42 43 45 46 48 49 51 52 54 55 57 58 60 61 63 64 66 67 69 70 72 73 75

4 50 50

50 50

50

50 50 50 50 50

50

50 50 50 50

50 50

50 50 50 50 50 50 50

50 —

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100

5



3 6 9 12 15 18 21 24 27 30 33 36 39 42 45 48 51 54 57 60 63 66 69 72 75 78 81 84 87 90 93 96 99 102 105 108 111 114 117 120 123 126 129 132 135 138 141 144 147 150



Tarif für das Kostenpauschquantum vor den Bergausschüffen.

1203

Tabelle B für die Kosten des Berwaltungsstreitverfahrens bei dm Bergausschüffen. Das Pauschquantum (§ 106 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883), falls ein solches überhaupt zur Hebung kommt (§ 107 a. a. O.), beträgt: wenn die Entscheid. aufAnerkenntn.erf. ob. die Sache durch Vergleich ob. durch wenn die Entschei­ Zurücknahme der dung nicht auf An­ Wert des Streitgegenstands Klage o.d.AntrageS erkenntnis erfolgt, auf mündliche Derund zwar handlg. o.d. Rechts­ mittels ihre Erled. findet, und zwar ohne nach er- ohne nach erBeweis­ folgtet Beweis­ folgtet auf­ Beweis­ auf­ Beweis­ nahme aufnahme nahme aufnahme vNr | | \ \3v 1 2 3 4 5 1 50 bis zu 75 1 20 JC einschl. _ 50 3 — 20 Jt tt "n Von mehr als 1 — 1 50 2 — 40 tf 4 50 40 u tt 1 50 2 25 3 — 60 tt // tf tt // 6 — 60 tt 2 — 80 tf 3 — 4 _ // u tt // 7 50 80 tt tf 2 50 3 75 5 — 100 tt // n // ff 9 — 100 ft fr 3 — 4 50 6 — 140 f/ // tf // n 140 ft ft 3 50 5 25 7 — 10 50 180 ft // tf // tf 12 180 ft nn 4 6 _ 220 tf 8 // // tf tt 220 tt n 4 50 6 75 9 — 13 50 260 tt // ff ft ft 260 tt 6 — 7 50 10 — 15 — 300 n // f/ tf ft 300 n 5 50 8 25 11 — 16 50 360 n // ff tt tt 360 tf 6 — 9 — 12 — 18 — 420 tr n // ff tf 420 tt n 6 50 9 75 13 — 19 50 480 n // tt ff tf 480 n n 7 — 10 50 14 — 21 — 540 ft // tf tt ff 540 ff tt 7 50 11 25 15 — 22 50 600 tt // n ff ff 600 tt tt 8 12 680 tt 16 _ 24 n tf ff tt 680 H 8 50 12 75 17 — 25 50 760 tt // tt ff ff 760 ff 9 — 13 50 18 — 27 — 840 tt // ff tt tf 840 ff 9 50 14 25 19 — 28 50 920 tt // tt ff f/ tt 920 ff 10 — 15 — 20 — 30 — 1 000 tt // n f/ tt tt 1000 ff 10 50 15 75 21 — 31 50 100 tt // tf tt n nn 1 11 — 16 50 22 — 33 — 1100 ff tl 1 200 tt // n tf tt 11 50 17 25 23 — 34 50 1200 tt ft M 1 300 tt // ft ff tt 12 — 18 — 24 — 36 — 1300 ff tt n 1 400 ff // ff tf ff 12 50 18 75 25 — 37 50 1400 ft tt n 1 500 tt // tt ff rr 1500 ff tt 13 — 19 50 26 — 39 — 1 700 tt // tt ff tf 13 50 20 25 27 — 40 50 1700 ff n 1 900 f/ // ft tf tt 14 — 21 — 28 — 42 — 1900 ff tt tt 2 100 tt // tt f/ ff 14 50 21 75 29 — 43 50 2 100 ff tf n 2 300 ff // tf tt n 2 300 ff tr tt 2 500 tt 15 — 22 50 30 — 45 — // H ff tt 2 500 tf tt tt 2 900 tt 15 50 23 25 31 — 46 50 // ft tt tt 16 — 24 — 32 — 48 — 2 900 ff tt tf 3 300 fr // ft tf ff 3 300 ff tt tr 3 700 tt 16 50 24 75 33 — 49 50 // ft tf tt 17 — 25 50 34 — 51 — 3 700 tf tf tt 4 100 ft // tt ff ft 4100 tf fr ft 4 500 tr 17 50 26 25 35 — 52 50 // tf ff ft 4 500 ff ft n 5 200 tt 18 — 27 — 36 — 54 — // n tt ti 5 200 ff tt n 5 900 tt 18 50 27 75 37 — 55 50 // tf tt ft 5 900 ff tt ff 6 600 tt 19 — 28 50 38 — 57 — // tf tt ft 19 50 29 25 39 — 58 50 6 600 ff u ff 7 300 ft // it tf ft 7 300 20 — 30 — 40 — 60 — tt // tt

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Anhang zum achten Titel.

IV. Bestimmungen, betreffend die Zusammensetzung und die flescDäftsfSbrung der Bergbaudeputation. Auf Grund des § 194 b des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juli 1909 (Gesetzsammlung S. 677) werden hierdurch über die Zusammen­ setzung und die Geschäftsführung der

Bergbairdepirtatiou folgende Bestimmungen erlassen: A. Zusammensetzung. § 1. Die Bergbaudeputation besteht aus 30 Mitgliedern und einem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. 9 Mitglieder werden vom Minister für Handel und Gewerbe ernannt, die übrigen 21 Mitglieder werden nach näherer Vorschrift der §§ 4 und 5 aus dem Kreise der Bergwerksbesitzer, Werksbeamten und Bergarbeiter gewählt und auf Grund dieser Wahl vom Minister für Handel und Gewerbe in die Bergbaudeputation berufen. Von den 21 zu wählenden Mitgliedern entfallen auf die Werksbesitzer und Werksbeamten zusammen 14, auf die Arbeiter 7 Mitglieder. Die Ernennung und Berufung der Mitglieder erfolgt auf die Dauer von 5 Jahren. § 2. Innerhalb der Bergbaudeputation werden drei Ab­ teilungen gebildet, und zwar: 1. die Abteilung I, für bergtechnische und bergpolizeiliche Fragen, 2. die Abteilung II, für bergrechtliche und bergwirtschaft­ liche Fragen, 3. die Abteilung III, für Arbeiterfragen. Der Abteilung I gehören 3 ernannte und 10 gewählte Mit­ glieder an. Von den gewählten Mitgliedern entfallen 6 auf die Werksbesitzer und Werksbeamten, 4 auf die Arbeitervertreter. Der Abteilung II gehören 3 ernannte und 8 gewählte Mit­ glieder an. Bon den gewählten Mitgliedern entfallen 5 auf die Werksbesitzer und Werksbeamten, 4 auf die Arbeitervertreter. Der Abteilung III gehören 4 ernannte und 12 gewählte Mitglieder an. Bon den gewählten Mitgliedern entfallen 7 auf die Werksbesitzer und Werksbeamten, 5 auf die Arbeitervertreter. Mitglieder der einen Abteilung fönneu auch Mitglieder der anderen Abteilungen sein. § 3. Der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende der Bergbaudeputation und die Vorsitzenden der einzelnen Ab­ teilungen werden vom Minister für Handel und Gewerbe be­ stimmt. § 4. Die Wahl der aus dem Kreise der Werksbesitzer und Werksbeamten zu wählenden Mitglieder erfolgt durch die Vor­ stände der Sektionen I, II, III, IV, V und VI der Knappschafts­ berufsgenossenschaft.

Bestimmungen betr. die Bergbaudeputation. Die Mitglieder müssen dem treffenden Sektion angehören. Auf die einzelnen Sektionen Bergbauzweige entfallen: I: 1 Vertreter 1. auf Sektion 1 I: ff ff // I: 1 ff ff ff

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Bergbau im Gebiete der be­ und die in ihnen vertretenen

des Steinkohlenbergbaus, „ Braunkohlenbergbaus, „ Erzbergbaus, Steinkohlenbergbaus, 2. // II: 3 ff ff ff Stein- und Kalisalzberg­ 1 III. 3. ff ff ff ff baus, Braunkohlenbergbaus, 4. ff IV: 1 ff ff ff Erzbergbaus, IV: 1 ff ff ff ff Stein- und Kalisalzberg­ IV: 1 ff ff ff ff baus, Steinkohlenbergbaus, 5. ff V: 1 ff ff ff Steinkohlenbergbaus, 6. ff VI: 2 ff ff ff Erzbergbaus. VI: 1 ff ff ff ff § 5. Die Wahl der aus dem Kreise der Arbeiter wählenden Mitglieder erfolgt durch die für die einzelnen Sektions­ bezirke gewählten Vertreter der Arbeiter (§ 114 des Gewerbe llnfallversicherungsgesetzes). Die Mitglieder müssen dem Berg­ bau im Gebiete der betreffenden Sektion angehören. Auf die einzelnen Sektionen und die in ihnen vertretenen Bergbauzweige entfallen: a) Sektion I: 1 Vertreter des Steinkohlenbergbaus, „ Steinkohlenbergbaus, II: 2 d) „ ft III: 1 „ Erzbergbaus, c) n ff 1 „ Stein- und Kalisalzbergbaus, ff IV: 1 „ Braunkohlenbergbaus, d) „ ff VI: 1 „ Steinkohlenbergbaus. e) ,/ ff § 6. Die Verteilung der gewählten Mitglieder (§§ 4 und 5) auf die einzelnen Abteilungen erfolgt durch den Minister für Handel und Gewerbe. § 7. Zu den Verhandlungen der Bergbaudeputation wie zu den Verhandlungen der einzelnen Abteilungen können durch den Minister für Handel und Gewerbe für einzelne Verhand­ lungsgegenstände noch besondere sachverständige Personen sowie die Fachreferenten des Ministeriums für Handel und Gewerbe zugezogen werden.

B. Geschäftsführung. § 8. Die Erstattung der vom Minister für Handel und Gewerbe erforderten Gutachten erfolgt in der Regel durch die einzelnen int § 2 bezeichneten Abteilungen. In besonderen Fällen kann jedoch das Gutachten zweier Abteilungen oder der Bergbau­ deputation selbst eingefordert werden.

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Anhang zum achten Titel.

§ 9. Die Einberufung der Bergbaudeputation oder ihrer Abteilungen erfolgt auf Anordnung des Ministers für Handel und Gewerbe. Die Verhandlungen finden in der Regel in Berlin statt. . Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Die Verhandlungen sind vertraulich, insoweit nicht eine Veröffentlichung beschlossen wird. Der Minister für Handel und Gewerbe behält sich die Veröffentlichung der erstatteten Gutachten vor. § 10. Der Vorsitzende der Bergbaudeputation führt ihre laufenden Geschäfte, ordnet den Geschäftsgang und vertritt die Bergbaudeputation nach außen. Der Vorsitzende der Bergbaudeputation und die Vorsitzenden der einzelnen Abteilungen können für die Beratung bestimmter Gegenstände einen Berichterstatter und einen Mitberichterstatter bestimmen, die sich alsdann in den Verhandlungen zuerst über die Sache zu äußern haben. Sie bestimmen außerdem den Protokollführer. § 11. Finden Abstimmungen statt, so ist in der Niederschrift ersichtlich zu machen, welche Meinungen von den Werks­ besitzern, den Werksbeamten und den Arbeitervertretern vertreten worden sind. Die Vorsitzenden der Bergbaudeputation und der einzelnen Abteilungen sowie die zugezogenen Personen (§ 7) stimmen nicht mit. § 12. Die Mitglieder sind verpflichtet, an den Verhand­ lungen teilzunehmen und die ihnen von den Vorsitzenden über­ tragenen Arbeiten (§ 9) zu erledigen. § 13. Die Mitglieder erhalten für die von ihnen gemachten notwendigen Reisen Tagegelder und Fahrkosten nach den, noch des näheren zu bestimmenden Sätzen. § 14. Die Bureau- und Kanzleiarbeiten für die Bergbau­ deputation werden im Ministerium für Handel und Gewerbe er­ ledigt. Das Nähere bestimmt der Vorsitzende der Deputation.

Anhang zum neunten Titel. I. Gemeinschaftlicher Erlaß des Gandeisministers und des Ministers für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten vorn 7. April 1S76, betreffend die Kompetenz der Bergbehörden und der Ortspolizeibehörden bei Beschwerden über Verunreinigung fließender Gewässer durch den Bergbau (I. 1283). Nach § 196 des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 erstreckt sich die Bergpolizei auf den „Schutz gegen gemein­ schädliche Einwirkungen des Bergbaues" und es ist in den Mo­ tiven des Regierungsentwurfes zu diesem Paragraphen ausdrück­ lich betitelst, der Fall einer gemeinschädlichen Einwirkung liege recht eigent­ lich vor, wenn es sich um eine Verunreinigung fließender Ge­ wässer handelt (vgl. Anlagen zu den stenographischen Berichten des Herrenhauses 1865 S. 215). Danach kann es keinem begründeten Zweifel unterliegen, daß es in erster Linie zu den Aufgaben der Bergbehörden gehört, die nötigen polizeilichen Anordnungen zu treffen, um eine gemein­ schädliche Verunreinigung von fließenden Gewässern durch Gruben­ wasser zu verhindern. Was in dieser Beziehung vom Bergbau gilt, trifft gleichmäßig hinsichtlich der Aufbereitungsanstalten des Bergwerkseigentümers zu, da die Bergpolizei sich nach § 196 Abs. 2 des Berggesetzes auch auf diese Anlagen erstreckt. Freilich steht andererseits den Ortspolizeibehörden die Hand­ habung der Wasserpolizei zu, und es ist nicht zu verabreden, daß diese Behörden in deren Ausübung dazu befugt sein würden, die Einführung der Abgänge von Gruben oder Aufbereitungsanstalten in einen Bach oder Fluß im Interesse des Gemeinwohls zu unter­ sagen. Zu einem solchen Verbote wird die Ortspolizeibehörde indessen nicht schreiten können, ohne die in Betracht kommenden Interessen des betreffenden bergbaulichen Unternehmens zu berück­ sichtigen und abzuwägen, ob nicht durch Einrichtungen bei dem Grubenbetriebe (Herstellung von Klärsümpfen, Teichen, Sandund Schlammfängen bzw. durch Abänderung oder Ergänzung von vorhandenen Anlagen dieser Arten) den hervorgetretenen Übel­ ständen Abhilfe beschafft werden kann. Einer sorgsamen Ab­ wägung der kollidierenden Interessen des Oberflächeneigentums

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Anhang zum neunten Titel.

und des Bergbaues würde sich die Ortspolizeibehörde um so weniger entziehen dürfen, als ein Verbot der Abführung der Grubenwaffer in den betreffenden Fluß oder Bach unter Um­ ständen das Erliegen des Grubenbetriebes zur Folge haben kann und nicht außer acht bleiben darf, daß ein solches Ereignis für den Nahrungsstand der Unigegend Nachteile Hervorrufen kann, die außer Verhältnis zu den durch eine Trübung des zu Wirtschafts­ zwecken der Bevölkerung dienenden Wassers eintretenden Übel­ ständen stehen. Die Herstellung entsprechender Klärvorrichtungen oder sonstiger Einrichtungen bei dem Grubenbetriebe kann nicht von der Orts­ polizeibehörde, vielmehr nur von der zuständigen Bergbehörde an­ geordnet werden. Daraus ergibt sich als notwendige Konsequenz, daß ein ein­ seitiges Vorgehen der Ortspolizeibehörde — abgesehen von Fällen einer dringenden Gefahr — weder zweckmäßig noch zielführend sein würde. Der Regel nach sind daher eingehende Beschwerden der in Frage stehenden Art an den zuständigen Revierbeamten abzugeben, wobei es der Ortspolizeibehörde, an welche dieselben gerichtet wurden, anheimgestellt bleibt, um Mitteilung über die Art und Weise der Erledigung zu ersuchen. In wichtigeren Fällen hat eine gemeinschaftliche Erörterung der Beschwerden seitens beider beteiligten Behörden zu erfolgen, um eine Verständigung darüber herbeizuführen, welche polizeilichen Maßnahmen in Beziehung auf die Abführung der Grubenwasser bzw. deren Klärung zu treffen sind. Die Überwachung der Ausführung der Auflagen, welche dem Bergwerksbetreiber dieserhalb zu machen sind, fällt in den Kompe­ tenzbereich der Bergbehörde, unbeschadet der Befugnis der Orts­ polizeibehörde, sich von den Ergebniffen der angeordneten Maß­ regeln in Kenntnis zu erhalten und nach Befinden deren Er­ gänzung in Anregung zu bringen. Sofern eine Verständigung unter den zunächst beteiligten Behörden nicht zu erzielen sein möchte, bleibt es denselben über­ lassen, die Beschlußnahme der vorgesetzten Aufsichtsinstanz herbeizuführen.

II. Erlaß der minister der öffentlichen Urteilen, für Bandel und des Innern vom rr August i-i>, betreffend die SruvenanschluSeahnen (Z. Bd. 52 S. 466 f.). Der Güterverkehr auf den Grubenanschlußbahnen hat in einigen Bezirken einen Umfang angenommen, der vom Stand­ punkte der öffentlichen Jntereffen und der besonderen Interessen

Ministrrialerlaß betr. die Grubenbahnen.

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der Staatseisenbahnverwaltung zu Bedenken Anlaß gibt, auch den Zweifel entstehen läßt, ob die gesetzlichen Bestimmungen über die Errichtung und dem Betrieb von Grubenanschlußbahnen als Zu­ behör eines Bergwerks noch gewahrt sind. Namentlich im rheinisch­ westfälischen Industriegebiete sind ausgedehnte Netze von Gruben­ bahnen entstanden, die nicht nur für Berawerksanlagen, sondern auch für sonstige industrielle Werke, hauptsächlich Hütten, den An­ schluß an die Staatseisenbahn vermitteln und zum Teil außer­ dem mit großen, von den Unternehmern der Bahnen angelegten Privathäfen am Rhein eine Schienenverbindung Herstellen. Es sind Anzeichen vorhanden und ist in einigen Fällen festgestellt, daß die Häfen mit den anschließenden Grubenbahnen außer für den Versand und den Verkehr der Eigentümer auch für die Zwecke anderer industrieller Unternehmungen zur Verfügung gestellt werden. Dabei findet im erheblichen Maße eine Benutzung von Grubenanschlußbahnen für andere als bergbauliche Zwecke, nament­ lich für den Transport von Hüttenprodukten statt. Es besteht die Gefahr, daß bei weiterem Ausbau von Grubenbahnen im An­ schluß an bereits bestehende und bei Benutzung der Bahnen durch eine steigende Zahl von Verfrachtern ein bedeutender Güterver­ kehr auf einem von der Staatseisenbahnverwaltung zum Teil unabhängigen Bahnnetze sich entwickeln wird, der nicht allein über die Zweckbestimmung der Grubenbahnen hinausgeht, sondern auch den staatlichen Interessen in mancherlei Hinsicht nachteilig werden kann. Um dieser Gefahr zu begegnen, erscheint es notwendig, gegen­ über projektierten und bereits vorhandenen Grubenbahnen strenger, als bisher es in der Praxis mehrfach geschehen ist, die sich aus ihrer Zweckbestimmung und verwaltungsrechtlichen Vorzugstellung ergebenden Grenzen der Zulassung und Benutzung festHuhalten. Hierbei ist besonders Gewicht darauf zu legen, daß die Maß­ nahmen zur Verhütung einer mißbräuchlichen Benutzung schon bei der Entstehung der Grubenbahnen einsetzen. Denn, wenn auf einer Grubenbahn ein über ihre Zwecke hinausgehender Verkehr erst einmal entstanden und vielleicht zeitweilig geduldet ist, wird seine nachträgliche Unterdrückung immer mit Schwierig­ keiten verbunden sein. Es ist deshalb schon bei der polizeilichen Prüfung eines Grubenbahnprojekts, mag es sich um eine neue An­ lage oder die Erweiterung einer bestehenden handeln, in dem hier­ für vorgesehenen Verfahren (vgl. Ziffer I, II der mit Erlaß vom 30. August 1898 1. 5539 *) mitgeteilten Grundzüge für die Ausübung der Aufsicht über die Grubenanschlußbahnen) besonders darauf zu achten, daß nach den obwaltenden tatsächlichen Verhält­ nissen oie Zweckbestimmung der neu herzustellenden Bahn als Grubenbahn hinreichend dargetan ist. Diese Prüfung obliegt 1) Zettschrift f. Bergrecht Bd. 40 S. 1.

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Anhang zum neunten Titel.

in erster Linie der Bergbehörde und wird darin zu bestehen haben, daß unter eingehender Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände, insbesondere der Lage der geplanten Bahn zu bergbaulichen Anlagen einerseits und zu Hütten oder sonstigen industriellen Werken andererseits, der voraussichtlichen Entwicke­ lung dieser Werke, der Betriebsmaßnahmen des Unternehmers usw., sorgfältig erwogen wird, ob mit Sicherheit angenommen werden darf, daß die Bahn nach ihrer Vollendung tatsächlich dem Absätze von Bergwerksprodukten oder einem sonstigen bergbaulichen Be­ triebszwecke, nicht dagegen der Verfrachtung von Hüttenprodukten oder anderen mit dem Bergbau nicht zusammenhängenden indu­ striellen Zwecken dienen wird. Sollte nach den Umständen eine über die bergbauliche Zweckbestimniung hinausgehenden Benutzung naheliegend oder wahrscheinlich sein, so ist sowohl der Eisenbahn­ behörde wie dem Regierungspräsidenten Gelegenheit zu geben, sich zu einer solchen ausgedehnteren Benutzung zu äußern. Können nach Lage der Verhältnisse die prüfenden Behörden nicht die Über­ zeugung gewinnen, daß es sich in Wahrheit um die Anlage einer Grubenbahn handelt, so wird eine weitere Prüfung des Projekts nach den berggesetzlichen und den sonstigen für Grubenbahnen in Betracht kommenden Vorschriften abzulehnen und der Unternehmer auf die Einholung der polizeilichen Genehmigung nach den Be­ stimmungen des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschluß­ bahnen vom 28. Juli 1892 oder die Erwirkung einer Konzession nach Maßgabe des Gesetzes über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. November 1838 zu verweisen sein. Insoweit für die Anlage einer Bahn die Benutzung eines fremden Grundstücks auf Grund der §§ 135 ff. des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 in Anspruch genommen wird und" über die Notwendigkeit der Inanspruchnahme Zweifel ob- , walten, ist hierüber in dem Enteignungsverfahren von den zuständigen Behörden (Oberbergamt und Bezirksausschuß) Ent­ scheidung zu treffen. Es liegt jedoch im Interesse der Sache und erscheint rechtlich unbedenklich, daß in allen Fällen, in denen sich an die polizeiliche Prüfung des Grubenbahnprojekts ein Enteig­ nungsverfahren anschließt oder voraussichtlich anschließen wird, die Frage der Notwendigkeit schon bei der polizeilichen Prüfung unter Beteiligung der Eisenbahnbehörde — die beim Enteignungsver­ fahren nicht mitwirkt — Erörterung findet, um der Eisenbahn­ behörde Gelegenheit zu bieten, ihre Auffaffung über die Not­ wendigkeit der geplanten Bahn, insbesondere mit Rücksicht auf die projektierte Lage und die vorhandenen öffentlichen Verkehrswege, zur Geltung zu bringen. Die Entscheidung der Enteignungs­ behörde wird unter Berücksichtigung dieser Momente zu ergehen haben, wobei die Auffaffung der Eisenbahn behörde entsprechend in Betracht zu ziehen sein wird. Wie die Prüfung der Not­ wendigkeit einer Grubenabtretung schon nach der gegenwärtigen Praxis der Enteignungsbehörden (vgl. die bei Westhoff, Berg-

Ministerialerlaß betr. die Grubenbahnen.

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bau und Grundbesitz Bo. 2, S. 52 in Sinnt. 4 zitierten Ent­ scheidungen) die Frage in sich schließt, ob die beabsichtigte Anlage gerade durch Verwendung des begehrten Grundstücks am besten und zweckmäßigsten verwirklicht werden kann und demgemäß den Einwand zu berücksichtigen hat, daß sich die Anlage zweckmäßiger auf einer anderen Stelle errichten lasse, wird bei der Grundab­ tretung zu einer für den Transport von Bergwerksprodukten oder von Materialien für den Bergbau bestimmten Grubenbahn zu prüfen sein, ob der Transport nicht zweckmäßiger auf einem anderen bereits vorhandenen Verkehrswege, insbesondere auf einer vorhandenen Staatsbahnlinie stattfinden kann. Bei Beurteilung dieser Frage kann eine beratende Mitwirkung der Eisenbahnbe­ hörde nicht entbehrt werden, weshalb sich diese schon in dem Prüfungsverfahren über die Notwendigkeit der Bahnanlage unter den bezeichneten Gesichtspunkten zu äußern haben wird. Was die Benutzung der im Betriebe befindlichen Gruben­ bahnen anbelangt, so ist davon auszugehen, daß nicht schlechter­ dings jede Verwendung für andere als bergbauliche Zwecke den Charakter der Bahn als Zubehör eines Bergwerks aufhebt und ihre Unterstellung unter die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über Anschluß-, Klein- oder Vollbahnen begründet. Indessen er­ scheint es gegenüber der gegenwärtigen, zum Teil sehr weitgehen­ den Praxis der Provinzialbehörden geboten, das zulässige Maß der Benutzung für andere Zwecke schärfer und klarer zu um­ grenzen. Da sich eine für alle Fälle passende feste Regel, die ein bestimmtes, ziffermäßig ausgedrücktes Anteilverhältnis für die Be­ nutzung zu bergbaulichen und zu anderen Zwecken vorschreibt, mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der praktischen Durchführung nicht aufstellen läßt, wird als allgemeine Norm und als Richt­ schnur bei der Kontrolle des Güterverkehrs festzuhalten sein, daß die Benutzung einer Grubenbahn für andere Zwecke so lange als statthaft angesehen werden kann, als sie im Verhältnis zur Ver­ wendung für den bergbaulichen Hauptzweck (Absatz von Berg­ werksprodukten, Anfuhr von Bersatzmaterial und dgl.) von un­ geordneter Bedeutung ist. Gelangt eine über dieses Maß hin­ ausgehende Benutzung oder eine Benutzung, die mit den bergbau­ lichen Zwecken überhaupt nicht zusammenhängt, wie z. B. ein öffentlicher Personenverkehr, zur Kenntnis der Bergbehörde, so ist dem Regierungspräsidenten Mitteilung zu machen, der im Einvernehmen mit der Berg- und Eisenbahnbehörde die eventuell nötigen Maßnahmen zur Beseitigung eines gesetzwidrigen Zu­ standes zu treffen haben wird, indem der Grubenbesitzer zur nach­ träglichen Einholung der erforderlichen Genehmigung und, wenn diese nicht erteilt werden kann, zur Beschränkung des Bahnbe­ triebes auf den Grubenbahnzwcck angehalten wird. Erforderlichen­ falls würden solche Maßnahmen unter Anwendung der Zwangs­ mittel zur Durchführung zu bringen sein, die gemäß § II der Regierungsinstruktion vom 23. Oktober 1817 und § 48 der Ver-

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Anhang zum neunten Titel.

ordnung vom 26. Dezember 1808 zur Erzwingung staatlicher Anordnungen überhaupt gegeben sind. Bon denselben Gesichtspunkten, wie die Benutzung einer Grubenbahn durch denselben Besitzer für andere als bergbauliche Zwecke, wird auch die Benutzung durch andere industrielle Unter­ nehmungen (Dritte) — die übrigens, soweit es sich um an Eisen­ bahnen angeschlosiene Grubenbahnen handelt, stets der Genehmi­ gung nach §§ 1 und 7 der Allgemeinen Bedingungen für die Sulaffung von Privatanschlüsien bedarf — zu beurteilen sein, liefet Verkehr muß ebenfalls gegenüber der Verwendung für die bergbaulichen Zwecke des Grubenbahneigentümers von ungeord­ neter Bedeutung bleiben. Die Normen über das zulässige Maß der Benutzung werden auch schon bei der Prüfung eines Grubenbahnprojekts zu Grunde zu legen sein, so daß die Kundgebung der Absicht des Unter­ nehmers, innerhalb der für zulässig zu erachtenden Grenzen die Bahn für andere Zwecke zu benutzen oder die Mitbenutzung durch Dritte zu gestatten, nicht ohne weiteres die Entscheidung recht­ fertigen würde, daß der Charakter der Bahn als Grubenbahn nicht dargetan sei. Die Bergbehörden werden hierdurch angewiesen, künftig nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Grundsätze zu verfahren und sich dabei die Befolgung des oben angezogenen Erlasses vom 30. August 1898 besonders angelegen sein zu kaffen, wonach die bei der Beaufsichtigung der Grubenbahnen beteiligten Behörden in Wahrung der ihnen gemeinschaftlich anvertrauten öffentlichen Interessen stets darauf Bedacht zu nehmen haben, in allen wich­ tigeren, das Aufsichtsverhältnis berührenden Angelegenheiten erst nach vorherigem gegenseitigem Benehmen vorzugehen. Im übrigen wird an den Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden, wie sie durch die mit jenem Erlasse mitgeteilten Grundzüge geregelt sind, durch die vorstehenden Anordnungen nichts geändert. Die Königliche Eisenbahndirektion und Eisen bahnkommiffare sowie die Oberpräsidenten und die Regierungspräsidenten haben Abschrift dieser Verfügung erhalten.

III. Grundzüge für die Ausübung der Aufsicht über diejenigen PriMtansChlußbabnen im Sinne des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom rr. Juli iror (GS. S. 225), welche zugleich Zubehör eines Bergwerks bilden. I. Bor der Prüfung des Entwurfs einer Anschlußbahn nach Maßgabe der Bestimmungen des § 67 des ABG. vom 24. Juni 1865 hat die Bergbehörde sich zu vergewiffern, daß die Prüfung und Genehmigung des Entwurfs und des Anschluffes durch die zuständige Eisenbahnbehörde stattgcfunden hat.

Grundzüge für die Ausübung der Aufsicht über die Grubenbahnen.

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II. Ergibt sich bei der Prüfung des Entwurfs durch die Bergbehörde, daß durch die Ausführung desselben auch landes­ polizeiliche Interessen berührt werden, so hat die Bergbehörde dieserhalb mit dem Regierungspräsidenten in Verbindung zu treten. Wird in einem solchen Falle eine Untersuchung der Verhält­ nisse an Ort und Stelle für erforderlich erachtet, so ist auch die Eisenbahnbehörde zu dem betreffenden Termine vorzuladen *). III. Die Eröffnung des Betriebs der Anschlußbahn darf erst stattfinden, nachdem die Abnahme derselben durch Kommiffare der bei der Prüfung des Entwurfs beteiligten Behörden stattge­ funden hat. Der Antrag auf Abnahme der Anschlußbahn ist an die Bergbehörde zu richten, die sich wegen der Anberaumung des Ab­ nahmetermins mit den beteiligten Behörden zu benehmen hat. IV. Die örtliche Abgrenzung der Grubenanschlußbahn gegen die Anschlußstation und des gemeinschaftlichen Aufsichtsgebietes er­ folgt für jede einzelne Anschlußbahn gemeinschaftlich durch die Eisenbahn- und Bergbehörde. V. Das Polizeiverordnungsrecht bezüglich der Grubenanschlußbahnen steht ausschließlich der Bergbehörde nach Maßgabe des § 197 des ABG. zu. Bor dem Erlasse der Polizeiverord­ nung hat die Bergbehörde den Entwurf der Eisenbahnbehörde und dem Regierungspräsidenten zur Erklärung ihres Einverständnisses mitzuteilen. Dasselbe gilt für Abänderungen von Polizeiverord­ nungen. VI. Wird der Betrieb der Grubenanschlußbahn durch An­ gestellte des Bergwerksbesitzers geführt, so haben diese den Nach­ weis ihrer Befähigung zu den ihnen übertragenen Obliegenheiten der Bergbehörde zu erbringen. Machen die örtlichen Verhältnisse des Anschlusses es erforder­ lich, daß die von dem Bergwerksbesitzer angestellten Bediensteten der Anschlußbahn bei der Beförderung der Züge in die Anlagen (Bahnhöfe usw.), welche für den Betrieb der dem öffentlichen Ver1) Durch Erlaß der Minister für Handel und Gewerbe und deS Innern vom 4. September 1898 ist zu II ergänzend bestimmt: „Die Fällung dieser Bestimmung könnte zu der Deutung Anlaß geben, daß die Entscheidung der Frage, ob durch die Anlage einer Gruben­ bahn landeSpoltzetliche Interessen berührt werden, lediglich dem Ermessen der Bergbehörde überlassen bleiben sollte. DieS hat aber nicht in der Absicht gelegen. Vielmehr ist zur Entscheidung dieser Frage die Mit­ wirkung derjenigen Behörde erforderlich, die an erster Stelle zur Wahr­ nehmung der landespolizeiltchen Interessen berufen ist. Die Bergbehörde hat daher in allen Fällen, auch wenn nach ihrer Auffassung Interessen der bezeichneten Art durch den Entwurf nicht berührt werden sollten, unter Mitteilung desselben eine Äußerung deS Regierungspräsidenten darüber einzuholen, ob nach seiner Ansicht bei der Bahnanlage landeSPolizeiltche Interessen in Frage kommen. Ist dies nach Ansicht deS Re­ gierungspräsidenten der Fall, so ist das Weitere von der Bergbehörde nach Nr. II der ,Grundzüge^ zu veranlassen.»

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Anhang zum neunten Titel.

kehr dienenden Bahn bestimmt sind, hineinfahren müssen, so haben sie ihre Befähigung für diesen Teil des Dienstes zunächst der Eisenbahnbehörde zu erbringen. Wird der Betrieb der Anschlußbahn durch Bedienstete der Eisenbahnverwaltung geführt, so findet eine Mitwirkung der Berg» behörde bei der Prüfung ihrer Befähigung überhaupt nicht statt. VII. Die eisenbahntechnische Beaufsichtigung und Überwachung des Betriebs der Grubenanschlußbahn, welche die betriebsfähige und betriebssichere Unterhaltung der Bahnanlage und der Be­ triebsmittel sowie die sichere und ordnungsmäßige Durchführung der Züge umfaßt, erfolgt, soweit nicht in Art. VIII Ausnahnien vorgesehen sind, in der ganzen Ausdehnung der Anschlußbahn selbständig und ausschließlich durch die Eisenbahnbehörde, welche die hierbei erforderlich werdenden Anordnungen an den Berg­ werksbesitzer oder dessen Angestellte unmittelbar erläßt. Anord­ nungen solcher Art von eingreifender Bedeutung, namentlich wenn sie eine Änderung der Bahnanlagen bedingen, hat die Eisenbahn­ behörde alsbald zur Kenntnis der Bergbehörde zu bringen. Im übrigen liegt die polizeiliche Beaufsichtigung und Über­ wachung der Anschlußbahn, namentlich insoweit es sich um die Ausführung und Befolgung der hierfür erlassenen Bergpolizeiver­ ordnungen handelt, der Bergbehörde ob. Übertretungen dieser Verordnungen, welche von den Ange­ stellten der Eisenbahnverwaltung bei Ausübung ihres Dienstes festgestellt werden, sind zur Kenntnis des zuständigen Bergrevier­ beamten zur Veranlassung ihrer Verfolgung nach Maßgabe des § 209 des ABG. zu bringen. Von etwaigen Übertretungen der Bergpolizeiverordnungen durch Angestellte der Eisenbahnverwaltung hat der Bergrevier­ beamte ihrer vorgesetzten Behörde Anzeige zu machen. VIII. Die Beaufsichtigung derjenigen Betriebsmaschinen und Betriebsmittel, welche nur auf der Anschlußbahn verkehren, liegt, einschließlich der Dampfkesselpolizei, der Bergbehörde ausschließ­ lich ob. IX. Die Feststellung der bei dem Betriebe der Anschlußbahn vorkommenden Unglücksfälle, welche den Tod oder eine schwere oder voraussichtlich mit Erwerbsunfähigkeit von mehr als drei­ zehn Wochen verbundene Körperverletzung einer oder mehrerer Personen zur Folge gehabt haben, liegt dem Bergrevierbeamten ob. Von dem Termine zur Untersuchung des Unfalls hat der Revierbeamte der Eisenbahnbehörde Kenntnis mit dem Anheim­ stellen der Beteiligung zu geben. Ebenso hat der Revierbeamte der Eisenbahnbehörde Mitteilung zu machen, wenn nach seinem Dafürhalten bei einem Unglücksfalle die Schuld eines Angestellten der Eisenbahnverwaltung konkurriert. Wird der Betrieb der Grubenanschlußbahn durch Angestellte der Eisenbahnverwaltung geführt, so sind diese verpflichtet, dem

Ansiedelungsgesetz.

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Revierbeamten von Unglücksfällcn der in Abs. 1 bezeichneten Art sofort Anzeige zu machen.

IV. Gesetz betreffend die Gründung neuer Ansiedlungen in den Provinzen Ostpreußen, ttlestpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen und Westfalen. Uom 10. August 1904 (GS. S. 227). Literatur: Brassert, Bergbau und Gründung neuer Ansiedlungen, Z. Bd. 41 S. 129 f.

§ 13. Wer außerhalb einer im Zusammenhänge gebauten Ortschaft ein Wohnhaus errichten oder ein vorhandenes Gebäude zum Wohnhaus *) einrichten will, bedarf einer vom Kreisausschuß, in Stadtkreisen von der Ortspolizeibehörde zu erteilenden An­ siedlungsgenehmigung. Vor deren Aushändigung darf die polizei­ liche Bauerlaubnis nicht erteilt werben2). Die Ansiedlungsgenehmigung ist nicht erforderlich für Wohn­ häuser, die in den Grenzen eines nach dem Gesetze, betr. die An­ legung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875 (GS. S. 561) fest­ gestellten Bebauungsplans oder die auf einem bereits bebauten Grundstück im Zusammenhänge mit bewohnten Gebäuden errichtet oder eingerichtet werden sollen. 1) Eine Arbeiterkaue, worin Saisonarbeiter während mehrerer Monate sich anfholten und schlafen, ist ein Wohngebäude im Sinne des § 13. 2) Der Umstand, daß eine Kaue für den Betrieb eines Bergwerks not­ wendig ist, macht weder die Bauerlaubnis der Ortspolizet noch die Ansiedlungs­ genehmigung entbehrlich, Beschl. deö OVG. v. 23. Mai 1907, Z. Bd. 50 S. 98 f., Entsch. Bd. 51 S. 210.

§ 15 a. Die Ansiedlungsgenehmigung kann ferner versagt werden, wenn gegen die Ansiedlung von dem Besitzer eines 23ergroer£e§1), welches unter dem zu besiedelnden Grundstück oder in dessen Nähe belegen ist, Einspruch erhoben und durch Tat­ sachen2) begründet wird, welche die Annahme rechtfertigen: a) daß durch den Betrieb des Bergwerkes in absehbarer Zeit Beschädigungen der Oberfläche des zu besiedelnden Grund­ stücks eintreten können, denen im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs durch bergpolizeilich anzuordnendes Stehenlassen von Sicherheitspfeilern vorzu­ beugen sein würdeb) daß die wirtschaftliche Bedeutung des uneingeschränkten Ab­ baues der Mineralien die dec Ansiedlung überwiegt. 1) Unter dem „Besitzer eines Bergwerks" ist jeder zu verstehen, der das Bergwerk auf eigene Rechnung betreibt, also außer dem Eigentümer der Nutzungsberechtigte, Pächter usw., Brassert a. a. O. S. 145. 2) Tatsachen zur Rechtfertigung der Annahme

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Anhang zum neunten Titel. zu a) find die bisherige Gestaltung des Betriebs, die vorliegenden neuen Betriebspläne (§ 67 ABG), die Beobachtungen, welche beim Abbau über defien Einwirkungen auf die Hangenden GebtrgSschichten und auf die Erdoberfläche gemacht worden find, zu b) die wirtschaftlichen, Absatz- und Arbeiterverhältnisie des Bergwerks, insbesondere auch die Feststellung der schon vorhandenen Abbau­ erschwerungen, das Stehenlasien von Sichrrheitspfeilern usw. (Brassert a. a. O. S. 144/5).

§ 16. Bor Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung sind die beteiligten Gemeinde-(Guts-)Borsteher (§ 15) von dem Antrag in Kenntnis zu setzen. Diese haben zu prüfen, ob für sie An­ laß vorliegt, Einspruch gemäß § 15 zu erheben, wofür die im nächsten Satze vorgesehene Ausschlußfrist gilt. Sie haben ferner den Antrag alsbald innerhalb ihrer Gemeinden (Gutsbezirke) auf ortsübliche Art mit dem Bemerken bekannt zu machen, daß gegen den Antrag von den Eigentümern, Nutzungs-, Gebrauchsberech­ tigten und Pächtern der benachbarten Grundstücke innerhalb einer Ausschlußfrist von einundzwanzig Tagen bei der besonders zu bezeichnenden Genehmigungsbehörde Einspruch erhoben werden könne, wenn der Einspruch sich durch Tatsachen der im § 15 be­ zeichneten Art begründen lasse. Geht Bergbau unter dem zu besiedelnden Grundstück oder in dessen Nähe um, so ist von dem Antrag auch der zuständige Bergrevierbeamte in Kenntnis zu setzen. Dieser hat den beteiligten Bergwerksbesitzern eine Mitteilung von dem Anträge zuzustellen, unter Hinweis auf die Befugnis, innerhalb einer Frist von ein­ undzwanzig Tagen vom Tage der Zustellung ab Einspruch auf Grund des § 15a bei der besonders zu bezeichnenden Genehmi­ gungsbehörde zu erhebens. Die Einsprüche sind von der Genehmigungsbehörde, geeig­ netenfalls nach Anhörung des Antragstellers und derjenigen, welche Einspruch erhoben haben, sowie nach Aufnahme des Be­ weises zu prüfen. Wenn der Einspruch auf Grund des § 15a erhoben wird, so ist die Genehmigungsbehörde zur Einholung einer gutachtlichen Äußerung der zuständigen Bergpolizeibehörde verpflichtet. 1) Uber das Genehmigungsverfahren vgl. die Berfgg. des OBA. Breslau v. 22. Dez. 1904, Z. Bd. 46 S. 130 ff.

§ 18. Wird die Ansiedlungsgenehmigung versagt oder nicht schlechthin erteilt oder werden Einsprüche (§§ 15, 15a, 16) zurück­ gewiesen, so ist der Bescheid mit Gründen zu versehen und dem Antragsteller sowie denjenigen, die Einspruch erhoben haben, zu eröffnen. Diesen steht außer dem Falle des § 13b innerhalb zwei Wochen gegen den Bescheid des Kreisausschuffes der Antrag auf mündliche Verhandlung im Berwaltungsstreitverfahren, gegen den Bescheid der Ortspolizeibehörde eines Stadtkreises die Klage bei dem Bezirksausschuß offen. Im ersteren Falle hat der Bor-

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Mtneraldiebstahlgesetz.

sitzende des Kreisausschusses einen Vertreter des öffentlichen Inter­ esses zu bestellen. Insoweit der Bescheid Festsetzungen nach den §§ 17 und 17a enthält, steht dem Antragsteller innerhalb zwei Wochen nur die Beschwerde an den Bezirksausschuß und gegen dessen Bescheid innerhalb gleicher Frist die weitere Beschwerde an den Provinzial­ rat offen. Die Beschwerde steht aus Gründen des öffentlichen Inter­ esses auch dem Vorsitzenben des Kreisausschusses zu, sofern er die Festsetzungen für unzureichend erachtet oder die Ansiedlungsgenehmigung ohne solche erteilt ist. Wird nach den vorstehenden Vorschriften ein Bescheid gleich­ zeitig im Beschwerde- und im Verwaltungsstreitverfahren ange­ fochten, so ist das Beschwerdeverfahren vorab durchzuführen. Eine Nachprüfung der nach §§ 17 und 17 a getroffenen Festsetzungen findet im Verwaltungsstreitverfahren nicht statt. Erfolgt die Zurückweisung des Einspruchs im Falle des § 15a aus dem Grunde, weil die Bergpolizeibehörde das Stehenlassen von Sicherheitspfeilern nicht für notwendig erachtet, so unterliegt der Bescheid keiner weiteren Anfechtung. § 19. Auf den dem Grundeigentume durch die Versagung der Ansiedlungsgenehmigung zugefügten Schaden finden, sofern sich diese Versagung auf einen Einspruch aus § 15 a dieses Ge­ setzes stützt, die Vorschriften der §§ 148—151 des Allgemeinen Berggesetzes v. 24. Juni 1865 (GS. S. 705) in der Fassung des Gesetzes v. 7. Juli 1902 (GS. S. 255) Anwendung'). Die Verjährung des Anspruchs auf Schadensersatz beginnt mit Ablauf des Tages, an welchem der Versagungsbescheid end­ gültig wird. Der Grundstückseigentümer ist verpflichtet, auf Verlangen des Bergwerksbesitzers die Eintragung eines Vermerkes in das Grundbuch dahin zu bewilligen: daß und für welche Grundfläche die Ansiedlungsgenehmigung auf Einspruch des Bergwerksbesitzers versagt und welche Ent­ schädigung gezahlt worden ist. 1) Wegen der Schadensersatzpfltcht des Bergwerksbesttzers bei Versagung der Anstedlungsgenehmtgung vgl. oben S. 618/9 und das dort angezogene Urt. des RG. v. 6. Nov. 1901, Z. Bd. 43 S. 233.

V. Gesetz Ober die Bestrafung unbefugter Gewinnung oder Aneignung von Mineralien. Uom ro. März isso. (GS. S. 203). § 1. Wer ohne Befugnis bergbauliche Anlagen zur Ge­ winnung von Mineralien macht, welche der Staat sich Vorbehalten hat, oder zu deren Gewinnung es einer Verleihung, einer Kon­ zession oder einer Erlaubnis der Behörde bedarf, wird mit Geld77

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Anhang zum neunten Titel.

büße bis zweihundert Talern oder Gefängnis bis zu drei Mo­ naten bestraft. Die Strafe ist Geldbuße bis zu fünfhundert Talern oder Gefängnis bis zu sechs Monaten, wenn die mittels der Anlagen gewonnenen Mineralien weggenommen sind. § 2. Wer ohne Befugnis, jedoch ohne Errichtung bergbau­ licher Anlagen, anstehende Mineralien, welche der Staat sich Vorbehalten hat, oder zu deren Gewinnung es einer Verleihung, einer Konzession oder einer Erlaubnis der Behörde bedarf in der Absicht wegnimmt, dieselben sich zuzueignen, wird mit Geld­ buße bis zu fünfzig Talern oder mit Gefängnis bis zu sechs Wochen bestraft. Der Versuch, die Teilnahme, die Hehlerei und die Be­ günstigung wird mit gleicher Strafe bestraft. § 3. Wer bei Benutzung seines Bergeigentums fahrlässiger­ weise die Grenzen seines Grubenfeldes überschreitet, hat Geldbuße bis zu fünfzig Talern oder Gefängnis bis zu sechs Wochen verwirkt. Geschieht eine solche Überschreitung der Grenze vorsätzlich, so finden die in dem § 1 angedrohten Strafen Anwendung. § 4. Die rechtswidrige Zueignung schon gewonnener Mine­ ralien ist nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über Dieb­ stahl oder Unterschlagung zu bestrafen. Zur Erläuterung dieses Gesetzes dienen folgende Bemerkungen: 1. Im Geltungsbereiche des ALR. wurden früher die allgemeinen Strafbestimmungen desselben gegen die unbefugte Anmaßung eines Hoheits­ rechts (T. II Ttt. 20 §§ 229 bis 232, 236, 237) auch auf die Verletzung des Bergregals, die unbefugte Gewinnung von Mineralien, angewandt. Nachdem aber diese Bestimmungen durch das Strafgesetzbuch vom 14. April 1851 auf­ gehoben und durch anderweitige Vorschriften nicht ersetzt waren, auch die Vor­ schriften dieses Gesetzbuchs über Diebstahl und Unterschlagung nicht ausreichten, um alle hier in Betracht kommenden Fälle zu decken, trat daS Bedürfnis ein, besondere strafrechtliche Vorschriften zum Schutze gegen Beeinträchtigungen des Bergregals und überhaupt der durch eine Genehmigung der Bergbehörde be­ dingten Rechte zur Mineralgewinnung zu treffen. Zu diesem Behufe erging daS Gesetz v. 26. März 1856. Vgl. Berhandl. deS AH. Session 1855/6 Aktenst. Nr. 19 und 20, Bd. 4 S. 59, 60, Sten.B. Bd. 1 S. 315; Berhandl. deS HH., Aktenst. Nr. 16, Bd. 2 S. 70, Sten.B. Bd. 1 S. 137. Der Geltungsbereich des Gesetzes erstreckt sich aus die linke Rheinseile und die neuen Landestetle, in welchen es gleichzeitig mit dem ABG. eingeführt wurde. Da dieses Landesgesetz eine Materie behandelt, welche nicht Gegen­ stand deS RetchsstrafgesetzbuchS ist, so besteht es neben letzterem in Kraft, § 2 EG. z. StGB. Wachter Z. Bd. 11 S. 265. Seinem vorangegebenen Zwecke entsprechend beschränkt sich das Gesetz auf den von einer Verleihung oder sonstigen bergrechtlichen Genehmigung ab­ hängigen, sog. fteierklärten Bergbau im Gegensatz zu dem auf dem Berfügungsrechte deS Grundeigentümers beruhenden Bergbau; letzterer wird von diesen strafrechtlichen Vorschriften nicht betroffen, vgl. KB. AH. S. 3/4, Nr. 68 der Drucks. Die „unbefugte Gewinnung" der dem Grundeigentümer ge-

Mineraldiebstahlgesetz.

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hörigen Mineralien unterliegt vielmehr der Bestrafung nach § 370 Nr. 2 StGB. (Geldstrafe bis zu 150 M. oder Haft). Für die Bestrafung der unbefugten Aneignung von Bernstein, welcher überhaupt nicht in den Bereich des Bergrechts gehört (oben S. 17) ist daS Spezialgesetz vom 22. Febr. 1867 (GS. S. 372) maßgebend- vgl. a. Z. Bd. 9 S. 39 und Urt. des RG. v. 25. Nov. 1887, Entsch. in Straff. Bd. 17 S. 16. Die Bergwerke, welche nach ftüherem Recht auf Mineralien verliehen stnd, die § 1 ABG. nicht mehr aufführt (§ 222), namentlich die auf Rasen­ eisenerz, Marmor usw. verliehenen, genießen auch jetzt noch den strafrechtlichen Schutz des vorliegenden Gesetzes. Jedoch wird, während vor dem Inkraft­ treten des ABG. eine Bestrafung ohne Rücksicht auf Verschulden zu erfolgen hatte, gegenwärtig eine Bestrafung in solchen Fällen nur noch eintreten können, wenn der Täter das entgegenstehende Rechte deö Beliehenen kannte oder etwa nach Lage der Umstände kennen mußte (§ 59 StGB.). Vgl. Urt. des OTr. v. 14. Juli 1876, Z. Bd. 18 S. 121, Rek.-Besch. v. 28. Mai 1881, 19. Sept. 1888, 16. März 1890, Z. Bd. 22 S. 536, Bd. 30 S. 127, Bd. 31 S. 417, Arndt 2. Aufl. S. 287, a. A. ftüher Kloster mann Anm. 11, s. jedoch jetzt Thielmann S. 679. Die Anwendbarkeit vorstehenden Gesetzes auf den Stein- und Braun­ kohlenbergbau im Mandatsbezirke (vgl. oben S. 877 f., insbes. S. 889) war vor dem Inkrafttreten des Ges. v. 22. Febr. 1869 bestritten, jedoch nach der als richtig anzuerkennenden, auch in dem Urt. des OTr. v. 28. Juni 1866 und 6. Febr. 1868 (Oppenhoff Nr. 1247) ausgesprochenen Ansicht zu bejahen v. Hinckeldey Z. Bd. 6 S. 423, Huhssen S. 220. Nachdem aber die Er­ laubnis bzw. förmliche Konzession, von welcher das frühere Recht jenen Kohlenbergbau abhängig machte, durch jenes Gesetz beseitigt und in dieser Be­ ziehung das Berfügungsrecht des Grundeigentümers nicht mehr beschränkt ist, sind auch die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des in Rede stehenden Strafgesetzes auf jenen Bergbau in Wegfall gekommen. Ausgenommen hier­ von stnd nur diejenigen älteren Berechtigungen, welche noch jetzt auf Grund einer früher erteilten Konzession bestehen- vgl. § 1 Abs. 2 des Ges. v. 22. Febr. 1869, Urt. des KG. v. 8. April 1895, Z. Bd. 38 S. 350 f. und die dort angezogenen Entsch., Wachter Z. Bd. 11 S. 266, Thiel­ mann S. 679. Nach Zweck und Fassung des vorstehenden Gesetzes erstreckt sich die Wirksamkeit desselben auch auf diejenigen Gebiete, in welchen die Ausübung des Bergregals Privat-Regalberechtigten zusteht- Huhssen S. 222. 2. Zuwiderhandlungen gegen § 1 des Ges. sind „Vergehen", gegen §§ 2 und 3 „Übertretungen" im Sinne des § 1 StGB, und unterliegen den hierfür maßgebenden Vorschriften des letzteren, deS GBG. und der StPO. Bei den Übertretungen sinder statt Gefängnis „Haft" Anwendung, Berfgg. des Just.-Min. vom 28. Dez. 1870 Nr. 2, I. Min.-Bl. S. 380. 3. Unter den „Mineralien", deren unbefugte Gewinnung oder Aneignung das Gesetz unter Strafe stellt, find gegenwärtig (abgesehen von den im § 222 bezeichneren älteren Berechtigungen, vgl. Anm. 1), lediglich diejenigen Mineralien zu verstehen, zu deren Gewinnung es auf Grund des ABG. und der Einf.Verordnungen einer „Verleihung" bedarf. Durch „Konzesfion" und „Erlaubnis" wird dieses Recht nicht mehr erteilt. Die „Behörde", von welcher die §§ 1 und 2 sprechen, ist die Bergbehörde. 4. Zum Tatbestände des im 8 1 Abs. 1 bezeichneten Vergehens genügt die unbefugte Ausführung bergbaulicher Anlagen zum Zwecke der Gewinnung

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Anhang zum neunten Titel.

von Mineralien- dah dieser Zweck schon erreicht ist, ist nicht erforderlich. Die in Abs. 2 angedrohte härtere Strafe tritt erst ein, wenn auf diese unbefugte Weise Mineralien gewonnen und weggenommen sind. Zur Anwendung des § 2 gehört, datz bergbauliche Anlagen zwar nicht errichtet, aber anstehende Mineralien unbefugter Weise zwecks Aneignung weg­ genommen sind. „Anstehende" Mineralien sind diejenigen, welche sich auf ihrer natürlichen Ablagerung über oder unter Tage befinden. Ausgeschlossen sind demnach einzelne Erzstücke, welche sich in alten verlassenen Halden oder lose auf der Erdoberfläche finden (Mollstücke, Mollsteme), Sten.B. AH. Bd. 1 S. 316, Urt. des RG. v. 20. Okt. 1888, Z. Bd. 30 S. 86, Hense, Z. Bd. 37 S. 91, Fritsch, Zum Haldenkohlendtebstahl, Z. Bd. 44 S. 348. Auch der unbefugte Schürfer (§§ 5, 8 ABG.) unterliegt der Strafe des § 2, Huyssen, S. 221, a. A. v. Beughem, Berggesetz S. 75, Thiel­ mann S. 679. 5. Ob Versuch, Teilnahme, Hehlerei und Begünstigung (§ 2 Abs. 2) Vorlagen, ist nach den §§ 43 bis 46, 47 bis 50, 258, 259 und 257 StGB, zu beurteilen. 6. Überschreitungen der Grenzen von Grubenfeldern, welche weder „fahrläsflgerwetse" noch „vorsätzlich" stattgefunden haben, unterliegen der Strafe des § 3 nicht, ohne indes zivilrechtliche Ansprüche auszuschließenvgl. wegen solcher Fälle zivilrechtlicher Haftung Urt. des RG. v. 28. Dez. 1888, v. 4. Juni 1890, Z. Bd. 30 S. 367, Da üben speck S. 100. 7. § 3 findet gegen alle Personen Anwendung, welche entweder als Bergbauberechtigte selbst oder als deren Teilnehmer und Gehilfen im all­ gemeinen strafrechtlichen Sinne oder als deren Stellvertreter im besonderen bergrechtlichen Sinne (Grubendirektoren, verantwortlicher Betriebsführer usw.) fich bei Benutzung verliehenen Bergwerkeigentums einer fahrlässigen oder vor­ sätzlichen Grenzüberschreitung schuldig gemacht haben. Urt. des RG. v. 26. Nov. 1881, Z. Bd. 23 S. 518, Entsch. in Strass. Bd. 5 S. 182. 8. Das Bergehen gegen § 1 Abs. 2 verjährt in fünf, gegen § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 in drei Jahren, die Übertretung der § 2 und § 3 Abs. 1 in drei Monaten (§ 67 StGB.). Zuständig ist das Schöffengericht mit Ausnahme der Fälle deS § 2 Abs. 2, in welchen aber die an sich zuständige Strafkammer die Sache dem Schöffen­ gericht überweisen kann (§§ 27, 75 GBG), Thielmann S. 680. 8. Die nach § 4 zur Anwendung kommenden Vorschriften über Dieb­ stahl und Unterschlagung find in den §§ 242 bis 246 StGB, enthalten.

n. Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen. Uom Juni iss« (RGBl. S. 61). § I. Die Herstellung, derVertrieb und der Besitz von Sprengstoffen sowie die Einführung derselben aus dem Auslande ist unbeschadet der bestehenden sonstigen Beschränkungen nur mit polizeilicher Genehmigung zulässig. Wer sich mit der Herstellung oder dem Vertriebe von Spreng­ stoffen befaßt, hat ein Register zu führen, aus welchem die Mengen

Sprengstoffgesetz.

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der hergestellten, aus dem Auslande eingeführten oder sonst zum Zweck des Vertriebes angeschafften Sprengstoffe, sowie die Bezugs­ quellen und der Verbleib derselben ersichtlich sein müssen. Dieses Register ist der zuständigen Behörde auf Erfordern jederzeit vor­ zulegen. Auf Sprengstoffe, welche vorzugsweise als Schießmittel ge­ braucht werden, finden vorbehaltlich abweichender landesrechtlicher Vorschriften die Bestimmungen des ersten und des zweiten Ab­ satzes keine Anwendung. Die Bezeichnung dieser Stoffe erfolgt durch Beschluß des Bundesrats. Insoweit Sprengstoffe zum eigenen Gebrauch durch Reichs­ oder Landesbehörden von der zuständigen Verwaltung hergestellt, besessen, eingeführt oder vertrieben werden, bleiben die Vorschriften des ersten und zweiten Absatzes ebenfalls ausgeschlossen. § 2. Die Zentralbehörden der Bundesstaaten erlassen die zur Ausführung der Vorschriften in dem § 1 Abs. 1 und 2, sowie in dem § 15 erforderlichen näheren Anordnungen und bestimmen die Behörden, welche über die Gesuche um Gestattung der Her­ stellung, des Vertriebes, des Besitzes und der Einführung von Sprengstoffen Entscheidung zu treffen haben. § 3. Gegen die versagende Verfügung ist nur die Be­ schwerde tut die Aufsichtsbehörde innerhalb 14 Tagen zulässig. Dieselbe hat keine aufschiebende Wirkung. § 4. Die Erteilung der nach § 1 Abs. 1 erforderlichen Erlaubnis erfolgt in widerruflicher Weise. Wegen der Beschwerde gegen die Zurücknahme gilt die Vorschrift des § 3 des gegen­ wärtigen Gesetzes. § 5. Wer vorsätzlich durch Anwendung von Sprengstoffen Gefahr für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben eines anderen herbeiführt, wird mit Zuchthaus bestraft. Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung ver­ ursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter fünf Jahren, und wenn der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zucht­ hausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zucht­ hausstrafe ein. Ist durch die Handlung der Tod eines Menschen herbeigesührt worden und hat der Täter einen solchen Erfolg voraus­ sehen können, so ist auf Todesstrafe zu erkennen. § 6. Haben mehrere die Ausführung einer oder mehrerer nach 8 5 zu ahnender strafbarer Handlungen verabredet oder sich zur fortgesetzten Begehung derartiger, wenn auch im einzelnen noch nicht bestimmter Handlungen verbunden, so werden dieselben, auch ohne daß der Entschluß der Verübung des Verbrechens durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung enthalten, be­ tätigt worden ist, mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren be­ straft. § 7. Wer Sprengstoffe herstellt, anschafft, bestellt oder in seinem Besitze hat, in der Absicht, durch Anwendung derselben

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Anhang zum neunten Titel.

Gefahr für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben eines anderen entweder selbst herbeizuführen oder andere Personen zur Begehung dieses Verbrechens in den Stand zu setzen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Der gleichen Strafe verfällt, wer Sprengstoffe, wissend, daß dieselben zur Begehung eines in dem § 5 vorgesehenen Ver­ brechens bestimmt sind, an andere Personen überläßt. § 8. Wer Sprengstoffe herstellt, anschafft, bestellt, wiffentlich in seinem Besitze hat oder an andere Personen überläßt unter Umständen, welche nicht erweisen, daß dies zu einem erlaubten Zweck geschieht, wird mit Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis nicht unter einem Jahre bestraft. Diese Bestimmung findet auf die gemäß § 1 Abs. 3 vom Bundesrat bezeichneten Stoffe nicht Anwendung. § 9. Wer der Vorschrift in dem ersten Absatz des § 1 zu­ wider es unternimmt, ohne polizeiliche Ermächtigung Sprengstoffe herzustellen, vom Auslande einzuführen, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst an andere zu überlassen, oder wer im Besitze derartiger Stoffe betroffen wird, ohne polizeiliche Erlaubnis hierzu nach­ weisen zu können, ist mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Gleicher Strafe verfällt, wer die Vorschriften des § 1 Abs. 2, die von den Zentralbehörden in Gemäßheit des § 2 getroffenen Anordnungen oder die bereits bestehenden oder noch zu erraffen­ den sonstigen polizeilichen Bestimmungen über den Verkehr mit Sprengstoffen, auf welche § 1 Abs. 1 Anwendung findet, übertritt. § 10. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Aus­ stellung von Schriften oder anderen Darstellungen, oder wer in Schriften oder anderen Darstellungen zur Begehung einer der in den §§ 5 und 6 bezeichneten strafbaren Handlungen oder zur Teilnahme an denselben auffordert, wird mit Zuchthaus bestraft. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher auf die vorbezeich­ nete Weise zur Begehung der utt Abs. 1 gedachten strafbaren Handlungen insbesondere dadurch anreizt oder verleitet, daß er dieselben anpreist oder als etwas Rühmliches darstellt. Literatur: Stenglein, Kommentar zu den strafrechtlichen Neben­ gesetzen, 4. Aufl. 1911, Bd. 1 S. 324 ff. Zur Ausführung dieses Gesetzes ist auf Grund des § 2 desselben von den preußischen Reffortministern die Verordnung v. 11. Sept. 1884 erlassen und diese demnächst durch Zirkularerlaß v. 4. Juli 1885 und Verordnung v. 24. Dez. 1887 ergänzt bzw. abgeändrrt worden, Min -Bl f. d. inn. Berw. 1884 S. 237, 1885 S. 186, 1888 S. 4, Z. Bd. 26 S. 31, Bd. 29 S. 192. Die Ausführungsbestimmungen des Bundesrats und der preußischen Behörden zu dem Gesetze v. 9. Juni 1884, sowie die dasselbe be­ treffenden Rechtsgrundsätze des Reichsgerichts find nachstehend insoweit zusammengestellt, als dieselben für den Bergbau und die bet diesem Beteiligten Personen besondere Wichtigkeit haben:

Sprengstoffgesetz.

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1. Über Gesuche um Gestattung der Herstellung, des Vertriebes, des Besitzes sowie der Einführung von Sprengstoffen aus dem AuSlande haben die Landräte, in Städten von mehr als 10 000 Einwohnern die Ortspolizei­ behörden (bzw. in gewissen Städten der Provinz Hannover die Magistrate) in erster Instanz Entscheidung zu treffen. Zuständig ist diejenige Behörde, in deren Bezirk der die Genehmigung Nachsuchende wohnt. Aufsichtsbehörde ist der Regierungspräsident und für den Stadtkreis Berlin der Oberprästdent. Verordnung v. 11. Sept. 1884 Nr. 1. Soll die Herstellung oder Aufbewahrung von Sprengstoffen außerhalb des Wohnortes bzw. Kreises des die polizeiliche Genehmigung Nachsuchenden stattfinden, so hat die genehmigende Wohnsitz­ behörde der betreffenden nachbarlichen Kreis- bzw. Ortsbehörde entsprechende Benachrichtigung zu geben. Zirkularerl. v. 4. Juli 1885 unter b. 2. „Sprengstoffe" im Sinne des Gesetzes sind nicht diejenigen Sprengstoffe, welche die Sprengfähigkeit verloren haben, Urt. des RG. v. 23. Febr. 1903, Goldammers Archiv Bd. 50 S. 141.

3. Unter „Herstellung" von Sprengstoffen im Sinne des Gesetzes ist die tatsächliche Herstellung zu verstehen und demgemäß die Nachsuchung der polizeilichen Genehmigung sowie die Führung des Registers (§ 1 Abs. 2) jedesmal von demjenigen zu fordern, „unter dessen verantwortlicher Leitung, gleichviel ob für eigene oder für fremde Rechnung, die Herstellung unmittelbar stattfindet", Min.-Erl. vom 28. März 1885, Min.-Bl. f. d. tnn. Berw. S. 104, Z. Bd. 26 S. 280. 4. Unter „Besitz" von Sprengstoffen im Sinne der §§ 1 und 9 deS Gesetzes ist nicht der juristische Besitz, sondern jedes bewußte und tatsächliche Jnnehaben zu verstehen. Die zuständige Polizeibehörde ist befugt, die poli­ zeiliche Genehmigung entweder nur für die Person oder zugleich zur Benutzung für seine Vertreter oder Gehilfen zu erteilen, Urteil des RG. v. 26. Febr., 12. Juni, 13. Oft., 21. Nov. 1885, Entsch. des RG. in Straff. Bd. 12 S. 73, 256, 431, Bd. 13 S. 90, Z. Bd. 27 S. 238, v. 18. Okt. 1901, Entsch. in Straff. Bd. 34 S. 440, v. 30. Okt. 1906, 28. Jan. 1907, Z. B. 48 S. 293, Bd. 49 S. 168, v. 15. Okt. 1909, Entsch. in Strass. Bd. 43 S. 110, Z. Bd. 52 S. 416. 5. Die Erlaubnisscheine (§ 1) find, weil wesentlich im öffentlichen Interesse ausgestellt, stempelfret, Erl. des Finanzmin. v. 9. April 1885, Z. Bd. 29 S. 281.

6. Bei der Aufsichtsführung über den Bergbau haben die Revierbeamten darüber zu wachen, daß die Bergwerksbesttzer bzw. deren Repräsentanten mit dem erforderlichen Erlaubnisscheine zum Besitze von Sprengstoffen versehen sind, und Zuwiderhandlungen zur strafrechtlichen Verfolgung anzuzeigen, auch darauf zu halten, daß die Grubenbelegschaften in geeigneter Weise (Verlesen, Aushang auf den Werken usw.) auf die strengen Strafen der §§ 8 und 9 des Ges. aufmerksam gemacht werden. Min.-Erl. v. 14. Okt. 1884, Z. Bd. 26 S. 34. 7. Für das nach § 1 Abs. 2 zu führende Register ist das vorgeschriebene Schema in Anwendung zu bringen. Verordn, v. 11. Sept. 1884 Nr. 4, Zirkularerl. v. 4. Juli 1885 unter a.

8. über die Sprengstoffe, „welche vorzugsweise als Schießmittel ge­ braucht werden" (§ 1 Abs. 3), vgl. die Bek. des Reichskanzlers v. 29. April 1903 (RGBl. S. 211) u. 20. Juni 1907 (RGBl. S. 375).

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Anhang zum neunten Titel.

9. Die mit der Verwaltung der Bergwerke, Hütten und Salinen des Staates betrauten Werksbebörden gehören zu den „Landesbehörden" im Sinne des § 1 Abs. 4 und handeln innerhalb ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit, wenn sie für Betriebszwecken der ihnen unterstellten Werksverwaltung Sprengstoffe anschaffen und für den Fiskus in Besitz halten. Insoweit dies zum „eigenen Gebrauch" der ihnen zuständigen Verwaltung geschieht, liegen die Voraussetzungen vor, unter welchen nach § 1 Ab. 4 die Befreiung von der Verbindlichkeit zur Einholung polizeilicher Bescheinigung eintritt. Min.-Erl. v. 6. Dez. 1884, Min.-Bl. 1885 S. 17, Z. Bd. 26 S. 148.

10. Wenn auch unter „Vertrieb" im Sinne des § 1 des Gesetzes jede Tätigkeit zu verstehen ist, durch welche der Übergang von Sprengstoffen in den Besitz eines anderen herbeigeführt wird, so ist es doch ein notwendiges Erfordernis dieses Begriffes, daß der andere in die Lage gebracht wird, den Besitz für sich selbst ausüben zu können, daß er also den Sprengstoff erwirbt. Anderenfalls liegt der Tatbestand des „Vertriebes" und die Verpflichtung zur Registerführung aus § 1 Abs. 2 nicht vor, Urt. des RG.v. 28. Jan. 1887, Entsch. in Straff. Bd. 15 S. 237, v. 7. Nov. 1890, Z. Bd. 32 S. 254. Auch das einmalige, aus Gefälligkeit erfolgende Überlassen einer Dynamit­ patrone fällt unter den Begriff des „Vertriebes" im Sinne des § 1. Urt. des RG. v. 25. Juni 1886, Entsch. in Straff. Bd. 14 S. 231, Z. Bd. 28 S.

11. Auch für den Transport von Sprengstoffen bedarf der Ge­ nehmigung gemäß § 1 des Ges., falls eine solche nicht schon für den Besitz usw. erteilt ist, Steng lein Anm. 11 zum Sprengstoffgesetz. 12. Unter einem „erlaubten Zweck" im Sinne des § 8 des Ges. ist jede Verwendung von Sprengstoffen zu verstehen, bei welchem die in den: Ge­ setze bezeichnete verbrecherische Absicht erweislich nicht vorhanden, bei welcher also der Wille des Täters erweislich nicht auf die Herbeiführung einer Gefahr für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben eines anderen gerichtet ist, Urt. des RG. v. 25. Nov. 1884, Entsch. in Strass. Bd. 11 S. 263.

13. Die Anwendung des § 9 des Ges. setzt voraus, daß der Angeklagte von dem Vorhandensein der bei ihm Vorgefundenen Sprengstoffe Kenntnis gehabt hat. Urt. des RG. v. 8. Juni 1885 und v. 23. Jan. 1896, Entsch. in Straff. Bd. 12 S. 244, Bd. 28 S. 131. 14. Die Bestrafung aus § 9 setzt nicht das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit bei dem Täter voraus, sondern erfordert nach der subjektiven Seite nicht mehr, als daß der Täter das Bewußtsein derjenigen Tatumftände gehabt hat, welche zum gesetzlichen Tatbestände gehören, daß er also einerseits Sprengstoffe wissentlich in seinem Besitze gehabt und andererseits den Mangel der polizeilichen Genehmigung gekannt hat. Urt. des RG. v. 30. Okt. 1885, 17. Jan. 1887 und 20. März 1893, Entsch. in Straff. Bd. 13 S. 35, Bd. 15 S. 158, Bd. 36 S. 158. 15. Zur Anwendung des § 9 ist nicht erforderlich, daß der Besitzer des Sprengstoffs vorsätzlich unterlassen hat, die Polizeiliche Erlaubnis zum Besitze etnzuholen. Ob hierbei begangene Fahrlässigkeit etwa entschuldigen kann, hängt von der Beschaffenheit des Falles ab, Urt. des RG. v. 16. Nov. 1886, Entsch. in Straff. Bd. 13 S. 46.

16. Hat der Angeklagte auf Grund eines entschuldbaren Irrtums über die Bedeutung der ihm ausgestellten Bescheinigung geglaubt, im Besitze der gesetzlich vorgeschriebenen polizeilichen Erlaubnis zu sein, so kann er auf Grund

Sprengstoffgesetz.

1225

des § 9 strafrechtlich nicht verfolgt werden (§ 59 StGB.), Urt. des RG. vom 13. Okt. 1885, Entsch. in Straff. Bd. 12 S. 431. 17. Der tatsächliche Inhaber von Sprengstoffen, welchem für seine Person die polizeiliche Erlaubnis nicht erteilt bzw. nicht mit erteilt ist, kann sich der Bestrafung dadurch nicht entziehen, daß er nachweist, er habe zivil­ rechtlich den Besitz nur namens und in Vertretung eines anderen ausgeübt. Urt. des RG. v. 21. Nov. 1885, Entsch. in Strass. Bd. 13 S. 90, Z. Bd. 27 S. 238. 18. Ist einem Stellvertreter die polizeiliche Erlaubnis für den von ihm ausgeübten Gewahrsam von Sprengstoffen erteilt, so deckt diese Erlaubnis auch den hinter ihm stehenden juristischen Besitzer, jedoch nur so lange, bis der Sprengstoff aus dem Gewahrsam des Stellvertreters in den Besitz und per­ sönlichen Gewahrsam des Eigentümers zurückgelangt. Urt des RG. v. 15. Okt. 1885, Entsch. Bd. 13 S. 22. 19. Derjenige, welcher zum Besitze von Sprengstoffen legitimiert ist, bedarf auch noch der besonderen polizeilichen Erlaubniß zum Über­ la s f en derselben an andere, welche gleichfalls die polizeiliche Erlanbnis zum Besitze von Sprengstoffen erhalten haben. Urt. des RG. v. 4. April 1887, Entsch. in Strass. Bd. 15 S. 387, Z. Bd. 28 S. 404. Über den Begriff des strafbaren „Unternehmens" der Überlassung vgl. Urt. v. 19. März 1888, Entsch. in Strass. Bd. 17 S. 257. 20. Die Strafbestimmung des § 9 findet auch dann Anwendung, wenn die ohne polizeiliche Erlaubnis erfolgte Überlassung von Sprengstoffen zu einem erlaubten, durch das Gesetz nicht verbotenen, z. B. gewerblichen Zwecke erfolgt ist. Urt. v. 25. Juni 1885, Entsch. in Straff. Bd. 14 S. 231, Z. Bd. 28 S. 76. 21. „Im Besitze betroffen werden" bedeutet jedes wissentliche Jnnehaben von Sprengstoffen, ohne daß es auf die Art der Entdeckung des nicht ge­ nehmigten Besitzes ankommt. Urt. des RG. vom 30. Okt. 1885, Entsch. in Straff. Bd. 13 S. 35. Im übrigen steht der Umstand, daß der Täter im Besitze von Sprengstoffen in nur geringer Menge (einigerZündhütchen zu Dhnamitpatronen) betroffen worden ist, der Anwendung des § 9 nicht ent­ gegen. Urt. des RG. v. 10. April 1888, Entsch. in Strass. Bd. 17 S. 278. 22. Um die Bestrafung aus § 9 auszuschlieyen, muß die polizeiliche Erlaubnis schon beim Beginne des Besitzes erteilt sein, s. Urt. v. 30. Okt. 1885 in Nr. 14. 23. Die innerhalb der reichsgesetzlichen Grenzen erlassenen Ausführungs­ verordnungen (§ 9 Abs. 2 des Ges.) besitzen für den Strafrichter genau die­ selbe Kraft und Bedeutung wie das Retchsgesetz selbst. — Unkenntnis der Ausführungsverordnungen schützt den Angeschuldigten ebensowenig wie Un­ kenntnis des Gesetzes selbst. Urt. des RG. v. 1. Okt. 1885, Entsch. in Strass. Bd. 12 S. 398. Über den Rahmen für solche Anordnungen der Zentralbehörden vgl. Urt. des RG. v. 23. Febr. 1899, Entsch. in Straff. Bd. 32 S. 39.

24. Die Strafbestimmung des § 5 Abs. 2 wegen bereits bestehender Bestimmungen über den Verkehr mit Sprengstoffen ist auch dann anwendbar, wenn eine bestehende Polizeiverordnung für gewisse Fälle die Beachtung speziell zu erlassender polizeilicher Anordnungen ausdrücklich vorschreibt und diesem Gebote zuwider gehandelt wird. Urt. des RG. v. 14. Jan. 1887, Entsch. in Straff. Bd. 15 S. 207.

1226

Anhang zum neunten Titel.

25. Im § S Abs. 2 werden unter dem Ausdrucke „Verkehr mit Spreng­ stoffen" alle diejenigen Handlungen verstanden, welche sich mit der Behandlung des Sprengstoffs beschäftigen. Mithin umfaßt dieser Ausdruck auch die Auf­ bewahrung und Verausgabung sowie den Transport von Sprengstoffen, Urt. des RG. v. 29. Nov. 1887, Z. Bd. 29 S. 242, v. 4. Febr. 1887, Entsch. in Straff. Bd. 15 S. 245, v. 30. Juni 1908, Entsch. in Strass. Bd. 41 S. 381. 26. Die Bestimmung des § 9 Abs. 2 begründet keine Verantwortlichkeit für fremdes Verschulden, Bestrafung tritt vielmehr nur bei eigenem Ver­ schulden, Urt. des RG. v. 3. Febr. 1902, Entsch. in Strass. Bd. 35 S. 107, Z. Bd. 44 S. 262. 27. Über den „Verkehr mit Sprengstoffen" haben die Minister f. H. u. G. und des Inn. auf Grund des § 136 LBG. am 14. Sept. 1905 eine Polizeiverordnung erlassen (Min.-Bl. d. i. V. S. 173, Z. Bd 47 S. 100 ff.), deren Abänderung in Vorbereitung ist (Min.-Bl. f. H. u. G. 1912 S. 509). Über den Verkehr mit Sprengstoffen auf Bergwerken insbesondere bestimmt der § 27 dieser Verordnung: „Die Verausgabung von Sprengstoffen, welche den Vorschriften des Reichsgesetzes vom 9. Juni (884 unterliegen, an die in Bergwerken, Steinbrüchen, Bauten und gewerblichen Anlagen beschäftigten Bergleute, Arbeiter usw. darf nur von denjenigen Betriebsleitern, Beamten oder Auf­ sehern bewirkt werden, welche nach den gemäß § 2 dieses Gesetzes erlassenen Anordnungen zum Befitz von Sprengstoffen berechtigt find. Diese Personen sind verpflichtet, über die Verausgabung ein Buch zu führen, welches den Namen der Empfänger, den Zeitpunkt der Verausgabung, die Menge der verausgabten Stoffe, sowie bei Sprengpatronen deren Jahreszahl und Nummer angibt. Bei Staatswerken, welche besonderer Erlaubnis zum Besitz von Sprengstoffen nicht bedürfen, kann die Verausgabung von solchen Per­ sonen bewirkt werden, welche von der Verwaltung des Werkes zu der Ver­ ausgabung ausdrücklich ermächtigt sind. Die Leiter der Bergwerke, Steinbrüche, Bauten und gewerblichen Anlagen sind verpflichtet, Maßregeln zu treffen, welche eine Verwendung der zum verbrauch im Betriebe verausgabten Sprengstoffe durch die Berg­ leute, Arbeiter usw. zu anderen Zwecken tunlichst ausschließen." Vgl. a. den Erl. v. 24. April 1894, Z. Bd. 35 S. 305, Urt. des RG. v. 3. Febr. 1902, Z. Bd. 44 S. 262, Entsch. in Strass. Bd. 35 S. 107 (Begriff des „Leiters" und der Verausgabung in § 27 der Berordng.), v. 9. Okt. 1906, Z. Bd. 48 S. 531, Entsch. in Strass. Bd. 39 S. 177 (An­ wendbarkeit der Polizeiverordnung auf die Versendung von Sprengstoffen auf Kleinbahnen). Ferner bestimmt die Verordnung in § 31, daß die polizeiliche Prüfung von Magazinen für größere Sprengstoffmengen auf den der Aufsicht der Berg­ behörden unterstehenden Werken in Gemeinschaft mit der Bergbehörde zu er­ folgen hat. Diese Behörde (der Revierbeamte S. 794 unter i) har auch auf solchen Werken die polizeiliche Genehmigung für Niederlagen an der Berbrauchsstätte und besondere Magazine zu erteilen (§ 33). Weitere bergpolizeiliche Vorschriften über die Verwendung von Spreng­ stoffen im Bergbau, welche nach § 66 der Verordnung zulässig sind, sind in den allgemeinen Bergpolizeiverordnungen der einzelnen Oberbergämter ge­ troffen worden, vgl. z. B. OBA. Dortmund §§ 184 f., OBA. Bonn §§ 105 f., OBA. Clausthal §§ 97 f., 223 f.

Anhang zum zehnten Titel. I. Verordnung, betreffend die Einführung des Allgemeinen Berg­ gesetzes vom 24. 3uni isos in das fiebiet des vormaligen Herzog­ tums Nassau, vorn 22. Februar iso? (GS. S. 237). Artikel I. Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (GS. für 1865 S. 705) erlangt im Gebiete des vormaligen Herzogtums Nassau unter nachfolgenden besonderen Bestimmungen mit dem 1. April d. I. Gesetzeskraft.

Artikel II. Den im 8 1 des Berggesetzes aufgeführten Mineralien wird der Dachschiefer hinzugefügt. Artikel III. Hinsichtlich der Feldesgröße ist die Bestimmung unter 2 des § 27 des Berggesetzes maßgebend.

Artikel V. Für alle im § 165 des Berggesetzes genannten Arbeiter im Gebiete des vormaligen Herzogtums Nassau soll ein allgemeiner Knappschaftsverein gegründet werden, welcher seinen Mitgliedern nach näherer Bestimmung des Statuts die in § 171 unter 4, 5 und 6 genannten Leistungen zu gewähren hat. Diesem Vereine wird das Vermögen der Nassauischen All­ gemeinen Knappschaftskasse (§ 12 des Gesetzes vom 23. November 1861, Verordnungsblatt 1861 S. 369) überwiesen. Für die Leistungen unter 1, 2 und 3 des § 171 sollen auf sämtlichen Werken besondere Krankenkassen nach § 172 eingerichtet werden. Die bereits bestehenden Knappschaftsvereine sollen zu solchen Krankeilkassen umgebildet werden. Die Krankenkassen erlangen durch die Bestätigung ihrer Statuten die Eigenschaft juristischer Personen. Von der Teilnahme an dem Allgemeinen Knappschafts­ vereine, sowie von der Umbildung zu Krankenkassen können die­ jenigen der bereits bestehenden Anappschaftsvereine, welche nach

1228

Anhang zum zehnten Titel.

ihren jetzigen Statuten den Mitgliedern alle im § 171 unter 1 bis 6 genannten Leistungen gewähren, auf ihren Antrag durch Beschluß des Oberbergamts befreit werden. Auf dieselben finden alsdann die Bestimmungen des siebenten Titels des Berggesetzes vollständig Anwendung.

Artikel VI. Zugleich mit den Strafvorschriften des Berggesetzes tritt das Gesetz über die Bestrafung unbefugter Gewinnung oder Aneig­ nung von Mineralien vom 26. März 1856 (GS. für 1856 S. 203) in Kraft. Artikel X. Den mit gevierten Feldern im Sinne der bisherigen Gesetz­ gebung verliehenen Bergwerken, mit Ausnahme der auf Ton und Walkererde verliehenen, wird die ewige Teufe nach senkrechten Ebenen beigelegt, sofern nicht Rechte Dritter entgegenstehen.

Artikel XVI. Die Insinuation von Verfügungen der Bergbehörden kann rechtsgültig durch die Postbehörde bewirkt werden. Wird die Ver­ fügung von der Post als unbestellbar zurückgeliefert, so erfolgt die Insinuation durch öffentlichen Aushang am Amtslokale des Revierbeamten. Hat die Verfügung während vierzehn Tagen ausgehangen, so ist die Zustellung für bewirkt zu erachten. 1. Die Einführung des ABG. in den meisten neuerworbenen Landes­ teilen erfolgte im Wege Königlicher Verordnungen, welche erlassen wurden, bevor dort die preußische Verfassung in Kraft trat- erst für die Herzogtümer Schlesweg, Holstein und Lauenburg sowie für das Jadegebiet wirkten auch die anderen Faktoren der Gesetzgebung mit. Die inzwischen außer Kraft getretenen Artikel dieser Einführungs­ vorschriften sind in dem vorliegenden Abdrucke weggelassen worden. Die Motive zu der Verordnung v. 22. Febr. 1867 und die Verhand­ lungen der vorberatenden Kommission vgl. Z. Vd. 8 S. 5—29, und über das stühere Bergrecht in Nassau B r a s s e r t Z. Bd. 7 S. 447, auch Becker in Z. Bd. 18 S. 417, 483. 2. Zu Art. II: Seit früher Zeit gehörte der Dachschiefer in Nassau zu den Gegenständen bergrechtlicher Verleihung. Aus triftigen, zum Teil in örtlichen Verhältnissen beruhenden Gründen (Z. Bd. 8 S. 13) ist dieser Rechts­ zustand als partikularrechtliche Ausnahme von § 1 ABG. aufrechterhalten worden, vgl. a. Anm. 2 zu § 1 (oben S. 17). Über die eigentümlichen, örtlich technischen Ausdrücke bei dem dortigen Dachschieferbergbau vgl. G i e b e l e r, Z. Bd. 23 S. 52. 3. Zu Art. III: Für die Feldesgröße ist zur Zeit § 27 ABG. Abs. 2 Ziff. 2 in der Fassung der Novelle v. 18. Juni 1907 maßgebend (ein Feld bis zu 2 200 000 qm). 4. Zu Art. V: Diese Bestimmung ist seit dem Inkrafttreten der Knappschaftsnovelle v. 19. Juni 1906 gegenstandslos geworden, da seit diesem Zeitpunkte die Bestimmungen dieser Novelle, bzw. nunmehr des KnappschaftS-

Einführungsverordnung für Hessen.

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gesetzes auch für dieses Gebiet maßgebend find, Begr. der Nov. S. 8, § 5 KnG. Anm. 5 (oben S. 656); wegen des früheren Rechtszustandes vgl. Brassert in der früheren Auflage S. 619/20, Thielmann S. 882/3. 5. Zu Art. X: Wie bei den älteren landrechtlichen Geviertfeldern im Kreise Wetzlar (vgl. § 220 ABG.), so bestand auch bet den älteren nassauischen „gevierten" Feldern das Bedürfnis, die Berechtigung derselben auf „die ewige Teufe nach senkrechten Ebenen" auszudehnen. Nur für die verliehenen Ton- und Walckererdegruben war ein gleiches Bedürfnis nicht vorhanden. Z. Bd. 8 S 23. 6. Zu Art. XI ff. vgl. die Verordnung „betr. die Anlegung der Grund­ bücher im Gebiete des vormaligen Herzogtums Nassau" vom 11. Dezember 1899 (Gs. S. 559 ff.) und Berfg. des Just.-Mtn. v. 7. Mai 1900, JMBl. S. 426 ff.

II. Beiordnung betreffend die Einführung des Allgemeinen Berg­ gesetzes vom 24. Juni isos in die mit der Preußischen Monarchie vereinigten Candesteile der firoßherzoglich hessischen Provinz Oberhessen, sowie in das fiebiet der vormaligen Eandgrafschaft fiessen-fiomburg, einschließlich des Oberamtsbezirks Meisenheim. Uom 22. Jebruar iro? (GS. S. 242). Artikel I. Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (GS. für 1865 S. 705 ff.) erlangt in den mit Unserer Monarchie vereinigten Landesteilen der Großherzoglich Hessischen Provinz Oberhessen und im Gebiete der vormaligen Landgrafschaft Hessen-Homburg einschließlich des Oberamtsbezirkes Meisenheim unter nachfolgenden besonderen Bestimmungen mit dem 1. April dieses Jahres Gesetzeskraft. Artikel II. Hinsichtlich der Feldesgröße ist die Bestimmung unter 2 des § 27 des Berggesetzes maßgebend.

Artikel III. Zugleich mit den Strafvorschriften des Berggesetzes tritt das Gesetz über die Bestrafung unbefugter Gewinnung oder Aneig­ nung von Mineralien vom 26. März 1856 (GS. für 1856 S. 203) in Kraft Artikel VI. Die Insinuation von Verfügungen der Bergbehörden kann rechtsgültig durch die Postbehörde bewirkt werden. Wird die Ver­ fügung von der Post als unbestellbar zurückgeliefert, so erfolgt die Insinuation durch öffentlichen Aushang am Amtslokale des Bergrevierbeamten.

1230

Anhang zum zehnten Titel.

Hat die Verfügung während vierzehn Tagen ausgehangen, so ist die Zustellung für bewirkt zu erachten. 1. Die Motive zu dieser Verordnung finden sich Z. Bd. 8 S. 31—35, vgl. a. Anm. 1 zu der Verordnung für Naffau. Über die früheren bergrechtlichen Verhältnisse in diesen Landesteilen vgl. Tasche, Z. Bd. 5 S. 43, B r a s s e r t, Z. Bd. 8 S. 56, 62, Tecklen­ burg, Z. Bd. 14 S. 159, Riemann, Z. Bd. 22 S. 50, auch die Bem. zu Bergrechtsreform im Großh. Hessen, Z. Bd. 14 S. 377, Bd. 17 S. 145. 2. Nach Art. 33 Ziff. 11 pr. AG. z. GBB. gilt für das Grundbuch­ wesen in diesem Gebiete nunmehr das Reichsrecht- wegen des ftüheren Rechts­ zustandes vgl. Brassert S. 624, Thielmann S. 884, sowie Urt. des OBG. C a s s e l v. 30. April 1883, Z. Bd. 25 S. 394.

III. Beiordnung betreffend die Einführung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. 3uni isbs in das mit der Preußischen Monarchie vereinigte Gebiet des vormaligen Kurfürstentums Bessen und der vormaligen freien Stadt Jrankfurt, sowie der vormals Königlich Bayerischen Eandettelle. Uom i. Juni iso? (GS. S. 770).

Artikel I. Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (GS. für 1865 S. 705) erlangt in dem mit Unserer Monarchie vereinigten Gebiete des vormaligen Kur­ fürstentums Hessen und der vormaligen freien Stadt Frankfurt sowie der vormals Königlich Bayerischen Landesteile unter nach­ folgenden besonderen Bestimmungen mit dem 1. Juli 1867 Ge­ setzeskraft. Artikel II. Die von der Bergbehörde erteilten Konzessionen oder ge­ schehenen Verpachtungen zur Gewinnung solcher Mineralien, welche nach § 1 des Berggesetzes dem Berfügungsrechte des Grundeigen­ tümers unterworfen sind, bleiben bis zu dem durch die Konzessions­ oder Pachturkunde festgesetzten Endtermine in Kraft. Die Erteilung neuer Konzessionen findet nicht ferner statt. Artikel IV.

Hinsichtlich der Feldesgröße ist die Bestimmung unter 2 des § 27 des Berggesetzes maßgebend. Unter den im Berggesetze in Bezug genommenen Maßen sind überall die preußischen Maße zu verstehen. Artikel V und Artikel VI.

Einführungsverordnung für Hessen.

1231

Artikel X. Zugleich mit den Strafvorschristen des Berggesetzes tritt auch das Gesetz über die Bestrafung unbefugter Gewinnung oder Aneignung von Mineralien vom 26. März 1856 (GS. für 1856 S- 203) in Kraft. Artikel XII. Die Insinuation von Verfügungen der Bergbehörde kann rechtsgültig durch die Post bewirkt werden. Wird die Verfügung als unbestellbar von der Post zurückgeliefert, so erfolgt die In­ sinuation durch öffentlichen Aushang am Amtslokale der betreffen­ den Bergbehörde. Hat die Verfügung während vierzehn Tagen ausgehangen, so ist die Zustellung für bewirkt zu erachten. Artikel XV. Den im § 1 des Berggesetzes aufgeführten Mineralien wird für die Herrschaft Schmalkalden der Schwerspat hinzugefügt. Artikel XVI. Das ausschließliche Recht zur Gewinnung der Steinkohlen in der Grafschaft Schaumburg bleibt den nach dem Exekutions­ abschiede vom 12. Dezember 1647 zum Bergbau auf Steinkohlen Berechtigten allein vorbehalten.

Artikel XVII. Rücksichtlich der bisherigen Bergwerksabgaben, soweit die­ selben an die Staatskaffen zu entrichten sind, treten die nach­ folgenden Bestimmungen mit dem 1. Juli d. I. in Kraft usw. 1. Die „Denkschrift", welche die Motive zu der Verordnung v. 1. Juni 1867 enthält, findet sich Z. Bd. 8 S. 205 —227, vgl. a. Sinnt. 1 zu der Verord­ nung für Nassau. über die früheren bergrechtlichen Verhältnisse in den drei verschiedenen Gebieten, auf welche die Verordnung sich bezieht, vgl. Motive S. 206—218, Brassert, Z. Bd. 6 S. 372, Bd. 8 S. 64, Engels,- Z. Bb. 21 S. 178. 2. Zu Art. II: Nach dem in einem Teile deS vorm. Kurfürstentums Hessen — den althesfischen Landestcilen und der Provinz Hanau — her­ gebrachten Rechte wurden die Sand-, Ton- und Lehmgruben, die Kalk-, Gipsund sonstigen Steinbrüche als Gegenstände der Verleihung oder (nach späterer Auffafiung) der Konzesstonterung behandelt. Solche Konzesfionen wurden in der Regel auf drei Jahre gegeben und hatten mehr den Charakter einer ge­ werblichen Konzesston. Bet Einführung des ABG. betrug deren Zahl 1139 nebst 148 Konzessionen zur Mineralgewinnung für den eignen Bedarf. Einzelne Steinbrüche wurden observanzmäßtg fettens des Staates verpachtet, obwohl fie fich auf fremden Grund und Boden befanden. Durch Aufhebung der Be­ fugnis des Staates, über jene früher dem sog. niederen Bergregal unter­ worfenen Mineralien zu verfügen, hat Art. II das Grundeigentum von einer lästigen und drückenden Beschränkung befreit. Z. Bd. 8 S. 213 ff. 3. Die Art. V ff. find durch die Ausdehnung der ReichSgesrtzgebung bezüglich des Grundbuchs-, ZwangSvollstreckungS- und Konkurswesens auf dieses Gebiet gegenstandslos geworden- wegen des früheren RechtSzustandeS vgl. B r a f f e r t in der früheren Auslage S. 640, Thielmann S. 886/7.

1232

Anhang zum zehnten Titel.

4. Zu Art. XV: In den althessischen Landesteilen gehörte der Schwer­ spat zu den Gegenständen des Bergregals,- vgl. Werner, Z. Bd. 16 S. 16, Urt. des OTr. v. 17. Febr. 1879, Z. Bd. 21 S. 373. Demgemäß ist derselbe durch Art. XV zwar nicht allgemein, aber für die Herrschaft Schmalkalden den verleihbaren Mineralien hinzugefügt worden, weil dies mit Rückstcht auf die besondere Bedeutung des dortigen Eisenerzbergbaues und deS die Eisenerz­ lagerstätten gangarttg durchsetzenden Schwerspats zweckmäßig erschien, Z. Bd. 8 S. 224, vgl. a. Sinnt. 2 zu 8 1 ABG. (oben S. 17). 5. Zu Art. XVI: In der 1647 zwischen der Landgräsin Amalie Eli­ sabeth von Hessen und dem Grafen Philipp zu Schaumburg-Lippe geteilten Grafschaft Schaumburg (dem jetzigen Kreise Rinteln im Regierungsbezirk Kassel und dem Fürstentum Schaumburg Lippe) blieb auf Grund des Exe­ kutivabschiedes v. 12. Dez. 1647 (Z. Bd.8 S. 212, Bd. 14 S. 294) der Stein­ kohlenbergbau, welcher dort auf einem Flötze im unteren Wealdenschiefer umgeht, in der Gemeinschaft beider Landesherrschaften, und 1866 ging die kurhesstsche Beteiligung auf Preußen über. Wegen dieser vertragsmäßigen Gemeinschaft, bei welcher der schaumburg-lippesche Anteil zum Fideikommtßgute des regierenden Fürstenhauses gehört, war der Steinkohlenbergbau für die beiden Landesherrschaften streng und ohne Ausnahme reserviert, und diesen Rechtszustand erkennt der Art. XVI als fortbestehend an. Gegenwärtig besteht als königlich-fürstliche Lokalbehörde für den Betrieb und die Verwaltung des Werkes das Gesamtbergamt zu Obernkirchen, während die obere Leitung und Aufsicht durch das Oberbergamt zu Clausthal und die fürstliche Rentkammer zu Bückeburg ausgeübt wird. In dem preuß. Teile des Schaumburger Gebietes steht der Gesamtbergbau unter der preußischen, im schaumburg-lippeschen Teile unter der dortigen Landesgesetzgebung. Um die durch den Betrieb dieses Bergbaues erforderlich werdenden Enteignungen und Grundentschädigungen in beiden Gebietsteilen möglichst gleichmäßig zu regeln, sind die einschlägigen Vorschriften des preußischen Berggesetzes durch das schaumburg-lippesche Gesetz v. 12. Dez. 1872 (Z. B. 14 S. 298) im wesentlichen auch auf das Fürstentum ausgedehnt worden. Vgl. Siemens, Z. Bd. 14 S. 294, Westhoff-Schlüter,Z. Bd. 51 S. 124/5. 6. Art. XVII ist durch das Gesetz betr. die Außerhebungssetzung der Bergwerkssteuern (vgl. § 245 ABG. Sinnt. 2) gegenstandslos geworden, vgl. Urt. des LG. Göttingen v. 10. Dez. 1896, Z. Bd. 38 S. 341.

IV. Linfüdlungrgerrir für Lauenburg. DaS Herzogtum Lauenburg ist durch das Gesetz v. 23 .Juni 1876 (GB. S. 169) mit der preußischen Monarchie vereinigt worden. DaS ABG. hat nach Mt. I des Gesetzes vom 1. Juli 1868 an in diesem Gebiete Gesetzeskraft erlangt, vgl. int übrigen Brassert in der früheren Auflage S. 643 ff. u. Z. Bd. 9 S. 289 ff.

Einführungsverordnung für Schleswig-Holstein.

1233

v. Besetz betreffend die Einführung des Allgemeinen Berg­ gesetzes vom 24. Juni lies in das Bohlet der Herzogtümer Schleswig und Holstein, vom 12. MStz isoo (GS. S. 453). Artikel I. Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (GS. für 1865 S. 705) erlangt im Gebiete der Herzogtümer Schleswig und Holstein unter nachfolgenden be­ sonderen Bestimmungen mit dem 1. April 1869 Gesetzeskraft.

Artikel II. Das Schürfen (§ 4 des Allgemeinen Berggesetzes) ist auf Seeund Flußdeichen und in einer Entfernung von denselben bis zu zwei­ hundert Lachtern unbedingt untersagt. Durch Entscheidung der Berg­ behörde kann das Schürfen auch in einer größeren Entfernung, so­ wie auf den Binnendeichen, verboten werden, falls überwiegende Gründe des öffentlichen Jntereffes demselben entgegenstehen. Artikel III. Hinsichtlich der Feldesgröße ist die Bestimmung unter 2 des •§ 27 des Berggesetzes maßgebend. Unter den im Allgemeinen Berggesetze in Bezug genommenen Maßen smd überall die preu­ ßischen Maße zu verstehen. Artikel VII. Zugleich mit den Strafvorschriften des Berggesetzes tritt das Gesetz über die Bestrafung unbefugter Gewinnung oder An­ eignung von Mineralien vom 26. März 1856 (GS. für 1856 S. 203) in Kraft. Artikel VIII. Die Insinuation von Verfügungen der Bergbehörde kann rechtsgültig durch die Postbehörde bewirkt werden. Wird die Ver­ fügung von der Post als unbestellbar zurückgeliefert, so erfolgt die Insinuation durch öffentlichen Aushang am Amtslokale der betreffenden Bergbehörde. Hat die Verfügung während vierzehn Tagen ausgehangen, so ist die Zustellung für bewirkt zu erachten. Artikel IX. Rücksichtlich der Bergwerksabgaben treten die nachfolgenden Bestimmungen in Kraft: usw. 1. Nachdem im Jahre 1868 der Entwurf eines Einf.-Ges. zum ABG. durch den Provinziallandtag von Schleswig-Holstein begutachtet worden war, erfolgte die Vorlegung des Entwurfs nebst Motiven an den Landtag der Monarchie auf Grund Allerh. Ermächtigung v. 11. Jan. 1868 (Nr. 185 der Drucks, des AH. S. 1133) und die Annahme desselben mit unwesentlichen Abänderungen seitens beider Häuser des Landtages (KB. AH. Nr. 241 der Drucks. S. 1365, StenB. AH. S. 1524, StenB. HH. S. 345), vgl. a. Z. Bd. 10 S. 139. 2. Zu Art. III: 200 Lachter = 418,48 m. 3. Zu Art. V ff. vgl. die Einf.-Verordnung für Heffen usw. Sinnt. 3,

zu Art. IX ebendort Sinnt. 6.

1234

Anhang zum zehnten Titel.

VI. Verordnung betreffend die Einführung des Allgemeinen Berg­ gesetzes vom 24. Juni iS6$ in das Bediel des vormaligen König­ reichs Hannover, vorn s. Mai iso? (GS. S. eoi). Artikel I. Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 (GS. für 1865 S. 705) erlangt im Gebiete des vormaligen Königreichs Hannover unter nachfolgenden besonderen Bestimmungen mit dem 1. Juli 1867 Gesetzeskraft. Artikel II. Von den im § 1 des Allgemeinen Berggesetzes von dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers ausgeschlossenen Mine­ ralien kommen, vorbehaltlich der bestehenden Berechtigungen, Steinsalz nebst den mit demselben auf der nämlichen Lagerstätte vorkommenden Salzen und die Solquellen in Wegfall. Die §§ 135, 165, 168 und 196 des Allgemeinen Berggesetzes finden, insoweit sich dieselben auf Salzbergwerke, Salinen, Solleitungen und Solbehälter beziehen, keine Anwendung. Artikel III. Hinsichtlich der Feldesgröße ist die Bestimmung unter 2 des § 27 des Allgemeinen Berggesetzes maßgebend, insoweit nicht durch Art. XV § 1 etwas anderes bestimmt ist. Unter den im Allge­ meinen Berggesetze in Bezug genommenen Maßen sind überall die preußischen Maße zu verstehen. Artikel XI. Zugleich mit den Strafvorschriften des Allgemeinen Berg­ gesetzes tritt auch das Gesetz über die Bestrafung unbefugter Ge­ winnung oder Aneignung von Mineralien vom 26. März 1856 (GS. für 1856 S. 203) in Kraft.

Artikel XII. Die Besitz- und Rechtsverhältnisse in bezug auf die Steinund Braunkohlen im Fürstentum Kalenberg, einschließlich der Grafschaft Spiegelberg, sollen wie bisher aufrecht erhalten werden. Artikel XIII.

Auf den im vorstehenden Artikel bezeichneten Bergbau auf Stein- und Braunkohlen kommen jedoch der dritte Titel mit Aus­ nahme der §§ 50—57, 63 und 65, der erste Abschnitt des fünften Titels, insofern es sich um die Grundabtretung behufs Anlage von Wegen, Eisenbahnen, Kanälen, Wasserläufen und Hilfsbauen handelt, der zweite Abschnitt des fünften Titels mit Ausnahme des § 152, ferner der siebente, achte und neunte Titel, § 241 deö elften und § 242 des zwölften Titels des Allgemeinen Berg­ gesetzes zur Anwendung.

Einführungsverordnung für Hannover.

1235

Artikel XV. Für den Eisensteinbergbau in den im Art. XIV nicht aus­ genommenen Teilen des Bezirks des Berg- und Forstamtes zu Clausthal, einschließlich des Amtes Elbingerode, wird das Folgende bestimmt: § 1. In betreff der Feldesgröße ist die Bestimmung unter 1 des § 27 des Berggesetzes maßgebend. § 2. Die Eigentümer der vom 1. Juli d. I. an ver­ liehenen Bergwerke sind nicht berechtigt, die Lieferung von freiem Grubenholz aus den Königlichen Forsten oder die unentgeltliche Abtretung der Benutzung von Königlichem oder Gemeinde-Grund und -Boden zu verlangen. Soweit dagegen den Eigentümern der vor diesem Zeitpunkte verliehenen Bergwerke ein derartiger Anspruch zusteht, bleibt der­ selbe für diejenigen Bergwerke aufrecht erhalten, welche durch Eigenlöhner betrieben werden. § 3. Die Bergwerksbesitzer sind fortan hinsichtlich des Be­ triebes der Bergwerke und der Verfügung über den gewonnenen Eisenstein nur den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen unter­ worfen, insoweit nicht die Rechte Dritter entgegenstehen. § 4. Innerhalb des Amtes Elbingerode steht den nach § 7 der Bergordnung vom 2*' für die Elbingeroder Eisen­

steingruben allein zum Muten berechtigten Personen auch ferner­ hin die ausschließliche Befugnis zu, Mutungen auf Eisenstein ein­ zulegen. Dagegen findet eine Beschränkung in der freien Befug­ nis, erworbene Mutungsrechte ober verliehene Bergwerke an Dritte zu veräußern, nicht statt.

§ 6. In den Rechtsverhältnissen der Mitbeteiligten der am 1. Juli d. I. im Besitze mehrerer Personen befindlichen Berg­ werke wird durch dieses Gesetz nichts geändert. Jedoch finden die Bestimmungen des § 134 des Allgemeinen Berggesetzes auch auf diese Bergwerke mit der Maßgabe Anwendung, daß der bisherige Lehnträger die daselbst bezeichneten Geschäfte ohne Neuwahl eines Repräsentanten wahrzunehmen hat. Durch einen von einer Mehrheit von wenigstens drei Vierteilen aller Anteile gefaßten Beschluß können die Mitbeteiligten eines solchen Bergwerks die im vierten Titel des Allgemeinen Berg­ gesetzes (§§ 94 bis 132) enthaltene gewerkschaftliche Verfassung annehmen, soweit nicht vertragsmäßige Verabredungen entgegen­ stehen. Der Beschluß ist gerichtlich oder notariell aufzunehmen. Artikel XVI. Dem Königlichen Fiskus steht, vorbehaltlich der bereits er­ worbenen Rechte Dritter, das ausschließliche Recht zum Bergbau auf alle von dem Verfügungsrechte des Grundeigentümers ausge-

1236

Anhang zum zehnten Titel,

schloffenen Mineralien in dem nachfolgenden Felde zu, welches begrenzt ist: 1. gegen Ost durch die Oker von der Einmündung des Langetals in dieselbe bis an die Landesgrenze oberhalb der Rhomker Brücke 2. gegen Nord, West und Süd durch die Landesgrenze zwischen dem vormaligen Königreiche Hannover und dem Herzogtume Braunschweig in ihrer Erstreckung von der Oker bis zur Innerste, zum Lindthalskopf nördlich von Lautenthal, sowie weiter bis zur Laubhütte unterhalb Grund und den Eichelbach entlang bis zum Grenzstein 99 am Kalten Born und endlich bis zum Grenzstein Nr. 56 A am Harzwege; 3. gegen Südwest durch die gerade Linie, welche den Grenzstein Nr. 56 A am Harzwege mit der Mitte der Chaussee­ brücke über die Innerste bei der Ziegelhütte verbindet; 4. gegen Südost durch die gerade Linie zwischen der Mitte der Chausseebrücke über die Innerste bei der Ziegelhütte bis zum Vereinigungspunkte des Hellertales und Polstertales; 5. ferner gegen Südwest und Südost durch die gerade Linie von der Vereinigung des Hellertales und Polstertales bis zur Mitte des Altenauer Hüttenteichdammes, durch die ebenfalls gerade Linie von hier ab bis zur Vereinigung des großen Ger­ lachsbaches mit der Röhrenbrunnenkappe, durch die Röhrenbrunnen­ kappe talaufwärts bis zum Damnigraben und durch den Lauf des Dammgrabens bis zu dem Punkte, wo der erstere das Schneide­ wasser trifft; 6. gegen Ost durch die gerade Linie von diesem Punkte bis zur Vereinigung des Baches im kleinen Trogtal und der kleinen Hume; 7. gegen Nord durch die gerade Linie von der Bereini­ gung des Baches im kleinen Trogtal und der kleinen Hume bis zum Eintritt des oberen Wildschützentales in das Langetal, durch das Langetal bis zu dessen Vereinigung mit der Oker.

Artikel XVII. Die Mutung und Verleihung von Bergschmiedegerechtigkeiten findet nicht ferner statt. Die Befugnisse der Bergbehörde gegen­ über den bestehenden Berg schmieden bleiben aufrecht erhalten. Artikel XVIII. Die künftige Verfassung und Verwaltung der Bergbaukaffe zu Clausthal ist durch ein von dem Finanzminister und dem Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten gemein­ schaftlich zu erlassendes Statut zu regeln.

Artikel XXI. Rücksichtlich der bisherigen Bergwerksabgaben, soweit die­ selben an die Staatskassen zu entrichten sind, treten die nach­ folgenden Bestimmungen mit dem 1. Juli d. I. in Kraft usw.

Einführungsverordnung für Hannover.

1237

1. Die Motive zu der Verordnung v. 8. Mai 1867 sind abgedruckt Z. Bd. 8 S. 157-194. Ueber die früheren bergrecbtlichen Verhältnisse vgl. außer den Motiven: I u g l e r, Bergrecht tm ehemaligen Königreich Hannover, Z. Bd. 8 S. 75, Achenbach, Die Verfassung des Kommunionharzes, Z. Bd. 8 S. 66, O st h a u S, Die Elbingerodische Etsenstetnbergordnung v. 16. Nov. 1594, Z. Bd. 12 S. 50, Ders., DaS Recht der Bergstädte deS OberharzeS auf Freikuxe, Z. Bd. 21 S. 163, Lahmeyer, Die Teilung deS Kommunion-UnterharzeS, Z. Bd. 15 S. 513, Derf., Der gewerkschaftliche Bergbau des Oberharzes, Z. Bd. 21 Bd. 294, Ders., Die Bergbaukasse zu Clausthal, Z. Bd. 24 S. 154, Engels^ Geschichte der Salinen Lüneburg, Salzhemmendorf, Salzderhelden, der Salinen im Fürstentum Hildesheim, des Kommunion-Salzhofes bei Münder am Deister, Z. Bd. 19 S. 458, Bd. 22 S. 194 u. 328, Bd. 23 S. 466, Bd. 25 S. 37, sowie West hoff-Schlüter, Z. Bd. 50 S. 503 ff. Wegen des gegenwärtigen RechtSzustandeS vgl. Sehling, Die Rechts­ verhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien S. 89 ff., 168 ff., Erdmann, Die rechtlichen Grundlagen deS Kali- und Steinsalzbergbaues in der Provinz Hannover, sowie W e st h o f f Schlüter, Z. Bd. 50 S. 530 ff.

2. Seit dem 1. April 1873 gilt das ABG. und die Vorst. Etnf.-Berordnung auch für das mit diesem Tage der Provinz Hannover einverleibte Jadegebtet, Gesetz betr. den Rechtszustand des Jadegebietes vom 23. März 1873 (GS. S. 107), vgl. a. Z. Bd. 14 S. 324. Am 1. Mai 1875 hat ferner das ABG. so, wie es nach der Etnf.-Berordnung in Hannover gilt, in denjenigen Gebieten Geltung erlangt, welche durch den zwischen Preußen und Braunschweig über die Teilung des Kommuniongebtetes am Unterharze abgeschloffenen Vertrag vom 9. März 1874 (GS. S. 295) dem Königreiche Preußen etnverleibt wurden, Ges. v. 21. April 1875 (GS. S. 199), vgl. Lahmeyer, Z. Bd. 15 S. 513.

3. Zu Art. II vgl. die Begr. S. 169 ff., sowie wegen der Nicht­ anwendbarkeit deS Gewerkschaftsrechts insbesondere auf die dort genannten Salze und Salzquellen, Beschl. des OBA. Clausthal v. 18. Nov. u. Rek.Besch. vom 18. Dez. 1885, Z. Bd. 27 S. 137 u. 250. Satz 2 des Abs. 2 ist durch daS Gesetz v. 14. Juli 1895 (s. unten) ab­ geändert worden. Durch den Zusatz in Satz 1 „vorbehaltlich der bestehenden Berechti­ gungen" hat ausdrücklich ausgesprochen werden sollen, daß die auf älteren Privilegien beruhenden besonderen Berechtigungen der gewerkschaftlichen Saline zu Lüneburg und einiger anderer Salinen unberührt bleiben. 4. Zu Art. XII: In den hier bezeichneten Gebieten war das Recht zur Kohlengewinnung dem Grundeigentümer bereits im 17. Jahrhundert zu­ erkannt und konnte bei Einführung deS ABG. nicht mehr beseitigt werden, Mot. in Z. Bd. 8 S. 167. Die geographische Ausdehnung jenes Landesteils ergibt sich aus der Verfügung deS OBA. Clausthal v. 12. März 1869, Z. Bd. 10 S. 310. 5. Zu Art. XIII: Die Bestimmungen des ABG., welche hier auf den in Rede stehenden Kohlenbergbau für anwendbar erklärt werden, decken sich im. wesentlichen mit denen des Gesetzes vom 22. Febr. 1869 betr. den Stein- und Braunkohlenbergbau im Mandatsbezirke (oben S. 885 f.). Jedoch besteht der wichtige Unterschied, daß das Recht zum Kohlenbergbau nicht wie im Mandats-

1238

Anhang zum zehnten Titel.

bezirke als selbständige Gerechtigkeit von dem Grundstücke abgetrennt werden kann. Vgl. a. Rek.-Besch. v. 29. Juli 1885, Z. Bd. 27 E>. 118. 6. Zu Art. XV: a) Der in Abs. 1 genannte Art. XIV hielt das ausschließliche Recht der dem hannoverschen und dem braunschweig-lüneburgtschen Fiskus gemeinschaft­ lichen, zum Kommunionharze gehörenden Eisenhütte zu Gittelde zur Verhüttung der Eisenerze, welche auf den Lagerstätten am Jberg bei der Bergstadt Grund und im Gegental mit Zubehör unweit der Bergstadt Lautenburg gewonnen wurden, aufrecht. Nach Einstellung deS Betriebes der Eisenhütte zu Gittelde und Aufgabe der fiskalischen Vorrechte hat Art. XIV keine rechtliche Be­ deutung mehr, vgl. im übrigen B r a s s e r t in der früheren Auflage S. 631/2, sowie Bek. des OBA. Clausthal v. 6. Jan. 1869, Z. Bd. 10 S. 308. d) Zu § 1: Nach der maßgebenden älteren Berggesetzgebung wurden auf Eisenstein im eigentlichen Oberharze gestreckte, im Amte Elbingerode da­ gegen gevierte Felder verliehen. Das zulässtge Feldesmaß war aber in beiden Fällen ein geringes und hiermit sowie mit der Art des Betriebes und des Eisensteinvorkommens hing die große Parzellierung des Bergwerkseigentums zusammen, welche eS geboten erscheinen ließ, die zulässtge Feldesgröße gemäß § 27 Nr. 1 ABG. auf 25 000 Quadratlachter — jetzt 110 000 qm — zu be­ schränken, wobei gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 der Abstand des Fundpunktes von jedem Punkte der Begrenzung des Feldes nicht unter 25 m und nicht über 500 m betragen darf.

c) Zu §§ 2 und 3: Uber die Gründe dieser Bestimmungen vgl. Motive in Z. Bd. 8 S. 176 sowie Br assert in der früheren Auflage S. 632/3. d) Zu § 4: Die Bergordnung für die Elbingeroder Eisensteingruben v. 21. März 1847 u. 8. Juni 1848 (Z. Bd. 8 S. 44) bestimmt tm § 7: „Zur Mutung find nur hausbefitzende Bürger von Elbingerode berechtigt, welche selbst Grubenarbeit treiben." Dies ausschließliche Mutungsrecht der hausbefitzenden Bergleute hält 8 4 aufrecht, weil die Aufhebung dieser Eigentümlichkeit im Interesse der freien Entwicklung des dortigen Eisenstetnbergbaues nicht geboten erschien, nachdem jede frühere Beschränkung in der Befugnis, erworbene Mutungsrechte oder verliehene Bergwerke an Dritte zu veräußern, beseitigt worden ist. Z. Bd. 8 S. 182/3.

e) Zu § 6: Bei der hier ausgesprochenen Aufrechterhaltung der zwischen Mitbeteiligten bestehenden Rechtverhältnisse handelt es sich vorzugsweise um die Eigenlöhner-Genossenschaften tm Amte Elbingerode, welche seit altersher ihre besondere Berfassung hatten, vgl. O st h a u s Z. Bd. 12 S. 50 ff., namentlich S. 64, Bd. 19 S. 73/4, ferner Bras sert in der früheren Auflage S. 633/4. Die Annahme der gewerkschaftlichen Berfaflung des ABG. ist den Eigenlöhner-Genossenschaften und den sonstigen Mitbeteiligten der in Rede stehenden Eisensteingrube durch § 6 Abs. 2 in derselben Weise ermöglicht wie den Mitbeteiligten ltnksrhein. Bergwerke durch § 240 ABG. (vgl. die Anm. dort). 7. Zu Art. XVI: Uber die Entstehung der hier umgrenzten fiskalischen Bergbaurechte vgl. Motive in Z. Bd. 8 S. 184 ff., L a h m e h e r Z. Bd. 21 S. 294 ff., sowie Brassert in der früheren Auflage S. 634/5. 8. Zu Art. XVII vgl. Anm. 3 zu § 1 ABG. (oben S. 19). 9. Zu Art. XVIII: Bei der im Jahre 1702 errichteten, mit reichen Mitteln auSgestatteten Clausthaler Bergbaukaffe wurde es wegen der Ber-

Ges. v. 14. Juli 1895 betr. Ausdehnung des ABG. usw.

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Linderung der ihr zugrunde liegenden Verhältnisse erforderlich, die Verwendung ihrer Einkünfte im Sinne der Stiftung anderweit zu regeln. Dies anzu­ bahnen war der Zweck des Art. XVIII. Das Statut ist am 14. Dez. 1868 erlassen, außerdem das „Regulativ für die Ausleihung von Kapitalien aus der ClauSthaler Bergbaukasse" v. 28. Febr. 1869. Vgl. im übrigen die Motive in Z. Bd. 8 S. 191, Osthaus, Z. Bd. 10 S. 308, Lahm eh er, Z. Bd. 24 S. 154 sowie Brassert in der früheren Auflage S. 635/6. 10. Zu Art. XXI vgl. Anm. 6 zu der Einf.-Verordnung für Hessen usw.

vil. Gesetz betreffend die Ausdehnung verschiedener Bestim­ mungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni isbs auf den Stein- und Kalisalzbergbau in der Provinz Bannover. Uom 14. Juli 1*95 (GS. S. 295). § 1. Auf den Stein- und Kalisalzbergbau in der Provinz Hannover kommen die nachfolgenden Vorschriften des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (Gesetz-Samml. S. 705) in der Fassung der Novelle vom 24. Juni 1892 (Gesetz-Samml. S. 131) zur Anwendung: 1. aus Titel III Abschnitt 1, „von dem Bergwerkseigentum litt allgemeinen", die §§ 58 und 59, sowie die §§ 60 bis 63 ein­ schließlich ,' 2. aus Titel III Abschnitt 2, „von dem Betriebe und der Ver­ waltung", die §§ 66 bis 79 einschließlich; 3. Titel III Abschnitt 3, „von den Bergleuten und den Betriebs­ beamten", §§ 80 bis 93; 4. Titel V Abschnitt 1, „von der Grundabtretung" §§ 135 bis 147, nebst der zugehörigen Übergangsbestimmung des § 241, mit der Maßgabe, daß die Grundabtretung nur insoweit ge­ fordert werden kann, als die Benutzung eines fremden Grundstücks zur Anlage von Wegen, Eisenbahnen, Kanälen, Wasserläufen und Hilfsbauen zum Zwecke des Grubenbe­ triebes und des Absatzes der Bergwerkserzeugnifse not­ wendig ist; 5. Titel V Abschnitt 2, „vom Schadensersatz für Beschädigungen des Grundeigentums", §§ 148 bis 152, mit der Maßgabe, daß § 152 keine Anwendung findet, insoweit darin von Ar­ beiten des Muters die Rede ist; 6. Titel V Abschnitt 3, „von dem Verhältnisse des Bergbaues zu den öffentlichen Berkehrsanstalten", §§ 153 bis 155; 7. Titel VII, „von den Knappschaftsvereinen", §§ 165 bis 186, mit der Maßgabe, daß die Bestimmung der Bezirke, für welche neue Knappschaftsvereine gegründet werden sollen, oder derjenigen bereits bestehenden Knappschaftsvereine, welchen die diesem Gesetze unterworfenen Bergwerke zugeteilt werden

1240

Anhang zum zehnten Titel.

sollen, nach Anhörung der Werksbesitzer und eines von den Arbeitern zu wählenden Ausschusses durch den Minister für Handel und Gewerbe erfolgt; 8. Titel VIII, „von den Bergbehörden", §§ 187 bis 195; 9. Titel IX, „von der Bergpolizei", §§ 196 bis 209a; 10. aus Titel XII, „Schlußbestimmungen", § 242. § 2. Wird der Salzbergbau im Gebiete der Provinz Han­ nover von mehreren Personen gemeinschaftlich betrieben, so sind diese, sofern ihre Vertretung nicht durch die allgemeinen Gesetze geordnet ist, verpflichtet, mittels notarieller oder gerichtlicher Ur­ kunde einem im Jnlande wohnenden Repräsentanten zu bestellen, welchem die Befugnis zusteht, alle Vorladungen und andere Zu­ stellungen an die Beteiligten mit voller rechtlicher Wirkung in Empfang zu nehmen und letztere bei den Verhandlungen mit der Bergbehörde, mit den Knappschaftsvereinen und anderen auf den Bergbau bezüglichen Instituten und Korporationen zu vertreten. Dasselbe gilt, wenn der Alleineigentümer eines Salzberg­ werks im Auslande wohnt. Wird ein Repräsentant auf die Aufforderung der Bergbe­ hörde nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten bestellt und unter Einreichung der Bestallungsurkunde namhaft gemacht, so ist die Bergbehörde befugt, bis dahin, daß dies geschieht, einen Re­ präsentanten zu bestellen und ihm eine angemessene, von den Be­ teiligten aufzubringende und nötigenfalls im Verwaltungswege exekutivisch einzuziehende Belohnung zuzusichern. Die Aufforde­ rung gilt für zugestellt, wenn sie mindestens zwei Beteiligten be­ händigt ist. Der von der Bergbehörde bestellte interimistische Repräsen­ tant hat die Befugnisse des gewählten Repräsentanten, insofern die Bergbehörde keine Beschränkungen eintreten läßt. § 3. An die Stelle der in § 80 f Abs. 2 Ziff. 3 und in § 801 des Allgemeinen Berggesetzes in der Fassung der Novelle vom 24. Juni 1892 sowie in Artikel VIII Abs. 2 dieser Novelle bestimmten Termine treten für die durch das gegenwärtige Gesetz der Aufsicht der Bergbehörden unterstellten Betriebe der 1. Januar 1895, der 1. April 1895 und der 1. Juli 1896. § 4. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1896 in Kraft. Mit seiner Ausführung wird der Minister für Handel und Ge­ werbe beauftragt. Vorbemerkung: Nach Art. II der Einf.-Verordnung für Hannover v. 8. Mai 1867 (vgl. oben S. 1234) waren Steinsalz nebst den mit demselben auf der nämlichen Lagerstätte vorkommenden Salzen und die Solquellen in diesem Gebiete lediglich dem Berfügungsrechte des Grundeigentümers unter­ worfen und bildeten keinen Gegenstand der vergrechtltchen Verleihung. Es fanden also insbesondere keine Anwendung die Vorschriften des ABG. über die Beaufsichtigung des Betriebes durch die Bergbehörden sowie diejenigen üb,er die Verhältnisse der Bergarbeiter. Hiergegen bestanden keine Bedenken, solange in diesem Gebiete, wie

Ges. v. 14. Juli 1895, betr. Ausdehnung des ABG. usw.

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dieses bei dem Erlasse der Etnf.-Berordnung der Fall war, nur eine Be­ nutzung der Solquellen, aber kein Bergbau auf Steinsalz und die bei­ brechenden Salze stattfand. Sobald aber ein solcher Bergbau in größerem Umfange begann, wurden solche Bedenken geltend gemacht. Sie fanden zu­ nächst Ausdruck in einer bei Gelegenheit der Beratung der Berggesetznovelle vom 24. Juni 1892 vom Abgeordnetenhause gefaßten Resolution, wodurch die Dtaatsregierung ersucht wurde, den Erlaß eines Gesetzes in Erwägung zu nehmen, durch welches die Bestimmungen deS ABG., namentlich diejenigen über die Bergleute, die Bergbehörden und die Bergpoltzei, auch auf den Salz­ bergbau im vormaligen Königreich Hannover ausgedehnt werden. In Berfolg dieser Resolution legte die Regierung im Februar 1894 den Entwurf eines Gesetzes über „die Aufsuchung und Gewinnung der Kaliund Magnesiasalze" vor, gemäß welchem die Aufsuchung und Gewinnung dieser Salze mit Rücksicht auf ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft fortan ausschließlich dem Staate Vorbehalten bleiben sollte. Das Gesetz scheiterte jedoch an dem Widerstande deS Landtages gegen eine so tief eingreifende Änderung bestehender Rechte (vgl. Z. Bd. 35 S. 157 ff., 273).

Der infolgedessen bestehenbletbende bisherige RechtSzustand des an Um­ fang und Bedeutung immer mehr zunehmenden Salzbergbaues in der Provinz Hannover führte aber alsbald zu solchen Unzuträglichkeiten, daß eine gesetz­ liche Abhilfe unbedingt erforderlich erschien. Die Regierung brachte daher den Gesetzentwurf zu dem vorstehenden Gesetze ein, der sich an das Gesetz vom 22. Februar 1869 über den Steinund Braunkohlenbergbau im Mandatsbezirke und an das Gesetz vom 8. April 1894 über den Eisenerzbergbau in dem Herzogtum Schlesien und der Graf­ schaft Glatz anlehnte. Der Entwurf wurde, nachdem er die einstimmige Billigung des hannoverschen Provinziallandtages gefunden hatte, zunächst dem Herrenhause (Drucks, d. HH. 1895 Nr. 62 Anl. S. 406) vorgelegt und dort unverändert angenommen (StenB. S. 250), ebenso im Abgeordnetenhause (StenB. AH. S. 2197 ff., 2212/3). Vgl. im übrigen wegen dieses Gesetzes Z. Bd. 36 S. 417 ff. 1. Zu § 1: a) Unter den mit dem Steinsalz auf der nämlichen Lagerstätte vor­ kommenden Salzen, den sog. Abraumsalzen, find die Kali- und Magnestasalze zu verstehen, welche nach dem üblichen, auch in diesem Gesetze befolgten Sprach­ gebrauche unter dem Begriffe der Kalisalze zusammengefaßt zu werden pflegen.

b) Zu Ziff. 1 und 2: Es ergibt sich aus der Natur der in Frage kommenoen Rechtsverhältnisse, daß von den Vorschriften deS ersten und zweiten Abschnittes deS Titels III ABG. diejenigen nicht für anwendbar er­ klärt werden konnten, welche ein bergrechtlich verliehenes Bergwerkseigentum zur Voraussetzung haben, Z. Bd. 36 S. 419. c) Zu Ziff. 1: Im Interesse der Lebensfähigkeit des hannoverschen Salzbergbaues erschien eS angezeigt, die Vorschriften der §§ 60—63 ABG. über die Hilfsbaue, insoweit eS sich um die Anlage eines solchen im Felde eines anderen Abbauberechtigten handelt, für anwendbar zu erklären. Hier­ durch wird der Abbauberechtigte vor allem in die Lage gesetzt, die durch fremde Grundstücke voneinander getrennten Teile seines Baufeldes miteinander in Verbindung zu bringen, wenn die Erwerbung der trennenden Grundstücke an unberechtigten Forderungen ihrer Eigentümer scheitert, Begr. S. 11/12, vgl. a. § 9 Ziff. a des Ges. v. 22. Febr. 1869.

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Anhang zum zehnten Titel.

Gegenüber im Abgeordnetenhause bezüglich der Anwendung dieser Be­ stimmungen geltend gemachten Bedenken weist Thielmann S. 896 mit Recht darauf hm, daß es in dem Anwendungsgebiete des Gesetzes freies Feld im Sinne des § 60 Abs. 1 überhaupt nicht gibt, da die Berechtigung zur Gewinnung der Stein- und beibrechenden Salze jedem Grundeigentümer zu­ steht und daß daher bezüglich der bei Ausführung des Hilfsbaues gewonnenen fremden Mineralien stets § 63 Abs. 2 und nicht Abs. 1 zur Anwendung gelangt.

d) Zu Ziff. 3: Die Anwendbarkeit des dritten Abschnittes des Titels III ABG. erschien erforderlich, um den in betrieblicher und sozialer Hinsicht in gleicher Lage wie die Bergarbeiter und Betriebsbeamten im all­ gemeinen befindlichen Arbeitern und Beamten des hannoverschen Salzbergbaues den gleichen Schutz ihrer Interessen angedeihen zu lasien, wie ihn das ABG. im allgemeinen für erforderlich erachtet, Begr. S. 8/9, vgl. a. § 211b Anm.

e) Zu Ziff. 4: Hierzu bemerkt die Begr. S. 11: „Der unbedingten Haftung für Bergschäden steht aber nach dem Systeme des ABG. als Correlat gegenüber die Befugnis des Bergwerksbefitzers zur zwangsweisen Erwerbung der für seinen Betrieb erforderlichen Grundstücke. Vgl. im übrigen die Anm. zu § 9 c des Ges. v. 22. Febr. 1869 oben S. 885 f. f) Zu Ziff. 5: „Nach diesen Vorgängen — d. h. im Mandatsbezirke und dem Fürstentum Calenberg — und mit Rücksicht auf die in anderen Landestetlen, namentlich der Provinz Sachsen, gemachten Erfahrungen, wonach der Salzbergbau unter Umständen zu weitgretfenden Beschädigungen der Oberfläche Beranlaffung gibt, empfiehlt es sich, auch die Bestimmungen des ABG. über den Schadensersatz für Beschädigungen des Grundeigentums (§§ 148 ff.) auf den hannoverschen Salzbergbau auszudehnen. g) Zu Ziff. 6: Die Vorschriften der §§ 153—155 sind nach den Mot. S. 11 für anwendbar erklärt, weil sie mit den §§ 148 ff. in engstem Zu­ sammenhänge stehen und da sie ferner auch eine gewisse öffentlich-rechtliche Bedeutung haben. h) Zu Ziff. 7: Vgl. hierzu die Begr. S. 10. Zurzeit gilt auch hier das Knappschaftsgesetz, vgl. Anm. 4 zu § 1 KnG. (oben S. 650), sowie Art. II der Nov. v. 19. Juni 1906 und Art. III der Nov. v. 3. Juni 1912, ferner Erl. des Mtn. f. H. u. G. v. 25. Mai 1908, Z. Bd. 49 S. 471, Urt. des OSchG. v. 27. Okt. 1908, Z. Bd. 50 S. 110. 2. Der hannoversche Provinziallandtag hatte den Wunsch ausgesprochen, auch daS Gewerkschaftsrecht des ABG. auf den dortigen Salzbergbau auszudehnen. Ein dahingehender Antrag wurde jedoch nicht gestellt, sondern die Regierung in einer Resolution ersucht, in einem besonderen Gesetze die §§ 94 ff. ABG. auf den Grundeigentümerbergbau für anwendbar zu erklären. Regierungsseitig wurde diesem Vorschläge eine wohlwollende Erwägung zu­ gesagt, vgl. Z. Bd. 36 S. 419. Zu § 2: Die Vorschrift trifft in Anschluß an § 10 deS Ges. v. 22. Febr. 1869 und § 134 ABG. eine Bestimmung über die Vertretung mehrerer, den Salzbergbau gemeinschaftlich betreibender Personen. Wenn daS Gesetz hier die Ausdrücke „im Jnlande", bzw. „im Aus­ lande" gebraucht, während es z. B. in § 211 c die Worte „innerhalb deS Deutschen Reichs" und „außerhalb deS Deutschen Reichs" benutzt, so soll damit ein sachlicher Unterschied nicht zum Ausdruck gebracht werden, als „In-

Ges. b. 26. Juni 1904, betr. Ausdehnung des ABG. usw.

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land" gilt bielmehr auch hier das gesamte Deutsche Reich, nicht etwa nur Preußen, Z. Bd. 36 S. 420, bgl. a. Anm. 6 zu § 112 ABG. (oben S. 426). 4. Zu § 3: 80 f. Abs. 2 Ziff. 3 - 80 k Abs. 4 Ziff. 3 der Fassung der Nov. b. 14. Juli 1905 - ist durch die Nob. b. 28. Juli 1909 beseitigt worden. 5. Zu § 4: Der Inhalt deö § 3 rechtfertigt sich durch den späteren Beginn der Geltung der in Rede stehenden Vorschriften der Nobelle b. 24. Juni 1892.

Till. Gesetz, betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vorn 24. Juni i$6s auf die Arbeiten zur Aufsuchung von Stein- und Kalisalz und von Solquellen in der Provinz Hannover. Uom 26. Juni 1-04 (GS. S. 135). § 1. Auf die Arbeiten, welche in der Provinz Hannover zur Aufsuchung von Stein- und Kalisalz und von Solquellen vorgenommen werden, finden die Titel VIII und IX des Allge­ meinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 (GS. S. 705) in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juni 1892 (GS. S. 131) ent­ sprechende Anwendung. Vorbemerkung: Durch das Ges. b. 14. Juli 1895 waren eine Anzahl bon Bestimmungen des ABG. aus den in der Vorbemerkung zu diesem Ges. (bgl. oben S. 1240 f.) angegebenen Gründen auf den Stein- und Kalisalzbergbau in der Provinz Hannover für anwendbar erklärt worden. Die immer steigende wirtschaft­ liche Bedeutung dieses Bergbaues ließ es jedoch erforderlich erscheinen, die An­ wendbarkeit des ABG. noch weiter auszudehnen. Anlaß hierzu gaben vor allem die mit der äußerst umfangreichen Bohrtättgkeit in diesem Gebiete ver­ bundenen Gefahren für den Bestand der Lagerstätten, die vor allem in dem Eintritt des Wassers der Erdoberfläche durch die Bohrlöcher bestanden. Infolgedessen hatten die Oberbergämter Bergpolizeiverordnungen zum Schutze der Salzlagerstätten erlassen, vgl. z. B. PB. des OBA. Halle b. 1. Okt. 1890 (Z. Bd. 31 S. 50) und b. 1. Okt. 1903, PB. des OBA. Clausthal b. 4. Juni 1895 (Z. Bd. 36 S. 432). Diese Polizetverordnungen konnten aber wegen der für die Provinz Hannover geltenden besonderen Bestimmungen auf die Arbeiten zllr Aufsuchung und Gewinnung von Kali- und Steinsalz in diesem Gebiete keine Anwendung finden. Es hatten deshalb die Regierungsprästdenten von Hannover, Hildesheim, Lüneburg und Stade diesen Bergpoltzeiverordnungen entsprechende Poltzeiverordnungen erlassen (vgl. die Zu­ sammenstellung in der Begr. zu dem Vorst. Ges. Z. Bd. 45 S. 27/8). Das Kammergericht hatte aber die Polizeiverordnung des Regierungs­ präsidenten zu Lüneburg durch eine Entscheidung vom 13. Juni 1901 für rechtlich unverbindlich erklärt. Damit war auch die Rechtsgültigkeit der übrigen Regierungspolizeiverordnungen in Frage gestellt. Dazu kam, daß der Salzbergbau und insbesondere auch der ihn vorbereitende Bohrbetrieb nach den Grundsätzen bergmännischer Technik erfolgt und daher seine Beaufsichtigung durch bergtechnisch und geologisch vorgebildete Beamte geboten erschien, und zwar gilt dies nicht nur für die untere Instanz — d. h. also die Revier-

Anhang zum zehnten Titel.

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beamten —, sondern auch für die zur Entscheidung von Beschwerden über diese Beamten und den Erlaß polizeilicher Verordnungen und Anordnungen zu­ ständige obere Instanz. Diese Erwägungen veranlaßten die Regierung, den Entwurf zu dem Vorst. Ges. einzubringen, in welchem sie die Ausdehnung der eine wirksame Durchführung der Aufsicht über solche Betriebe am besten sichernden Vor­ schriften der §§ 196 ff. ABG. auf diesen Bergbau vorschlug. Der Entwurf wurde zunächst dem Herrenhause vorgelegt (Drucks. Nr. 57, Anl. zu den StenB. 1904 S. 212 ff., vgl. a. Z. 93b. 45 S. 25 ff.) und wurde sodann von beiden Häusern des Landtages unverändert angenommen (StenB. HH. S. 206, StenB. AH. S. 4724, 5774, 5851). 1. An dem Grundsätze, daß die Stein- und Kalisalze in der Provinz Hannover lediglich dem Berfügungsrechte deS Grundeigentümers unterliegen, wird durch dieses Gesetz nichts geändert. 2. Durch § 1 sind nicht nur die Gewinnungs-, sondern auch die AufsuchungSarbeiten der Bergpolizei unterstellt, Urt. des KG. v. 11. u. 18. Nov. 1907, Z. Bd. 49, S. 520, 330. 3. Die oben genannten infolge der Bohrungen entstehenden Schäden sind „gemeinschädliche" im Sinne deS § 196 ABG., da sie sich, und zwar in jedem einzelnen Falle, möglicherweise auf sehr weite Entfernungen erstrecken und eine Gefährdung volkswirtschaftlich wertvoller Güter, also eine gemein­ schädliche Einwirkung darstellen können.

§ 2. Auf die zum Betriebe der im § 1 bezeichneten Ar' beiten dienenden Dampfkessel und Triebwerke finden die Vor­ schriften des § 59 des genannten Allgemeinen Berggesetzes An­ wendung. § 3. Bedrohen Arbeiten der im § 1 bezeichneten Art die Sicherheit der Baue oder den ungestörten Betrieb eines fremden Bergwerks, so finden die Vorschriften des § 10 Abs. 2, 3 und 4 des genannten Allgemeinen Berggesetzes Anwendung. Die Vorschriften des ABG. über das Schürfen sind zum weitaus größten Teile hier nicht anwendbar, weil sie die Aufsuchung verleihbarer, also dem Berfügungsrechte des Grundeigentümers entzogener Mineralien voraus­ setzen. Eine Ausnahme macht § 10, der die Beziehungen des Schürfers zu „fremden Bergwerken" regelt und zum Schuhe der letzteren den Erlaß be­ sonderer Vorschriften vorsieht. Dieser Schutz fremder Bergwerke kann auch bei beiden im 8 1 bezeichneten Arbeiten notwendig werden- es empfiehlt sich deshalb, diese Arbeiten auch in dieser Beziehung den Schürfarbeiten gleich­ zustellen. (Begründung).

§ 4.

Dies Gesetz tritt am 1. Juli 1904 in Kraft.

Ges. üb. d. Bestellung v. Salzabbaugerechtigkeiten in Hannover usw.

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IX. (jesetx üver die Bestellung von Salzatoaueerecbtiglteittn in der Provlnx Bannover. Uom 4. August 1904 (GS. S. 235). § 1. Das Recht zur Gewinnung von Stein- und Kali­ salzen kann von dem Eigentum an dem Grundstücke, in welchem die genannten Minerälien anstehen, abgetrennt und als selbständige Gerechtigkeit für den Grundeigentümer oder einen anderen bestellt werden (Salzabbaugerechtigkeit). Literatur: Erdmann, Die rechtlichen Grundlagen deS Kali- und Steinsalzbergbaues in der Provinz Hannover, Sehli ng, Die Rechtsverhält­ nisse an den der Verfügung deS Grundeigentümers nicht entzogenen Minera­ lien S. 89 ff., 188 ff. Vorbemerkung. Nach Art. II der Einf.-Verordnung für Hannover v. 8. Mai 1867 (f. oben S. 1234) gehören die Stein- und Kalisalze in diesem Gebiete dem Grundeigentümer. Die Grundeigentümer sind aber einerseits mit Rücksicht auf die Ablagerung dieser Mineralien in meist sehr großer Tiefe, andererseits wegen der starken Zersplitterung deS Grundbesitzes nur in den seltensten Fällen in der Lage, den Abbau selbst zu betreiben, sind vielmehr in der Regel gezwungen, die Gewinnung dieser Mineralien Unternehmern zu überlassen, die über die nötigen geognosttschen und technischen Kenntnisse sowie ein ausreichendes Kapital verfügen und, hierauf gestützt, die durch Vertrag er­ worbenen Berechtigungen einer größeren Anzahl von Grundeigentümern zu einer einheitlichen Unternehmung zusammenfassen. Die den Unternehmern bestellten Rechte müssen naturgemäß von der Persönlichkeit der jeweiligen Grundeigentümer unabhängig sein, was nur durch ihre Ausgestaltung als dingliche Rechte geschehen kann. Dies war vor dem Inkrafttreten deS BGB. möglich durch die Ein­ tragung dieser Rechte in das Grundbuch als sog. irreguläre Personalservituten, wodurch sie den Charakter veräußerlicher und vererblicher dinglicher Rechte erlangten. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt dagegen nur eine festumgrenzte An­ zahl von dinglichen Rechten und läßt weder die Begründung anderweitiger dinglicher Rechte, noch eine Abänderung des Inhalts dieser Rechte durch Ab­ kommen der Beteiligten zu. Für die Bestellung der obengenannten Abbau­ rechte könnte daher nach dem BGB. nur die Form der beschränkten persön­ lichen Dienstbarkeit in Frage kommen. Solche Rechte sind aber gemäß § 1091 BGB. einmal auf das Bedürfnis deS Berechtigten beschränkt, dann aber auch vor allem auf Grund der §§ 1090, 1092 i. V. m. § 1061 BGB. weder veräußerlich noch vererblich, also auch nicht verpfändbar. Der Salz­ bergbau bedarf aber mit Rücksicht auf die sehr hohen Anlagekosten eines Stein- und Kaltsalzbergwerks unbedingt des Kredits,' dessen Beschaffung in der Regel nur gegen Verpfändung der Abbaurechte möglich ist. Aus diesen Gründen erschien es erforderlich, dem hannoverschen Salz­ bergbau die Möglichkeit der Bestellung selbständiger Abbaugerechtigkeiten zu gewähren, wie solche schon für den Grundeigentümerbergbau im Mandatsbezirke durch das Gesetz v. 22. Febr. 1869 mit Erfolg eingeführt worden waren. Unter Zugrundelegung dieses Gesetzes in seiner Fassung durch das pr. AG. z. BGB. (s. oben S. 877 f.) legte daher die Regierung den Entwurf zu dem vorstehenden Gesetze, nachdem er die Billigung des hannoverschen Provinziallandtages gefunden hatte, zunächst dem Herrenhause vor (Drucks, des

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Anhang zum zehnten Titel.

HH. 04 Nr. 53). Dieses überwies ihn einer Kommission, welche einen ein­ gehenden Bericht erstattete, in welchem sie einige Abänderungen vorschlug (Drucks, des HH. 04 Nr. 80). Nachdem sodann das Herrenhaus selbst über den Entwurf beraten hatte (StenB. HH. S. 422 ff.), nahm ihn das Ab­ geordnetenhaus auf Grund des von seiner Kommission erstatteten Berichts in der vom Herrenhause beschlossenen Fassung an (Drucks, des AH. 04 Nr. 393, StenB. AH. S. 5775, 6253, 6295). Vgl a. Z. Bd. 45 S. 12 ff., 255 ff. 1. Da die Kalisalze nur in Verbindung mit dem Steinsalz auftreten und beide Salze aus bergtechnischen und bergpolizeilichen Gründen nur ge­ meinschaftlich gewonnen werden können, gehört zum unabänderlichen Inhalte der zu bestellenden selbständigen Gerechtigkeiten die Gewinnung der in dem betreffenden Grundstücke anstehenden Stein- und Kalisalze (Begr. zu § 1).

§ 2. Zur Bestellung einer Salzabbaugerechtigkeit für den Grundeigentümer ist dessen Erklärung gegenüber dem Grundbuch­ amte, daß die Gerechtigkeit für ihn in das Grundbuch eingetragen werden soll, und die Eintragung erforderlich- die Borschrift des § 878 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet Anwendung. Zur Bestellung der Salzabbaugerechtigkeit für einen anderen ist die Einigung des Grundeigentümers und des Erwerbers über die Bestellung der Gerechtigkeit und die Eintragung im Grund­ buch erforderlich- die Einigung muß bei gleichzeitiger Anwesen­ heit beider Teile vor dem Grundbuchamt erklärt werden. 1. § 878 BGB.: „Eine von dem Berechtigten in Gemäßheit der §§ 873, 875, 877 abgegebene Erklärung wird nicht dadurch unwirksam, daß der Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuch­ amte gestellt worden ist." 2. Ein in den Kommissionen gestellter Antrag, für die Einigung gemäß Abs. 2 die gerichtliche oder notarielle Form vorzuschreiben, ist abgelehnt worden, indem man gegenüber dem Bedenken, daß es schwierig sein werde, die zahl­ reichen interessierten Grundeigentümer zu dem Sitze des Gerichts zu bringen, darauf hinwies, daß sich dieses, wie auch bisher schon geschehen, dadurch ver­ meiden lasse, daß in den von einem Notar abschließenden Abbauverträgen eine Person zur Abgabe der Erklärungen vor dem Grundbuchamte bevoll­ mächtigt werde, KB. HH. S. 465, KB. AH. S. 3184.

§ 3. Für die Salzabbaugerechtigkeiten gelten die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Die für den Erwerb des Eigentums und die Ansprüche aus dem Eigentum an Grundstücken geltenden Vorschriften finden ent­ sprechende Anwendung. 1. § 3 entspricht dem § 4 des Entw. Vgl. im übrigen § 50 ABG., Abs. 2 und 3 und die Anm. dazu. 2. Mer § 3 des Entw. vgl. Anm. 2 zu § 5.

§ 4. Die für die selbständigen Kohlenabbaugerechtigkeiten in den vormals sächsischen Landesteilen geltenden Vorschriften der Artikel 22, 28 des Ausführungsgesetzes zur Grundbuchordnung vom 26. September 1899 (GS. S. 307), der Artikel 15—22 des

Ges. üb. d. Bestellung v. Salzabbaugerechtigkeiten in Hannover usw.

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Ausführungsgesetzes zum Reichsgesetz über die Zwangsversteige­ rung und die Zwangsverwaltung vom 23. September 1899 (GS. S. 291), und des Artikels 76 des preußischen Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 21. September 1899 (GS. S. 249) finden auf die Salzabbaugerechtigkeiten Anwendung. § 4 entspricht im wesentlichen dem § 5 des Entw. Bgl. im übrigen § 50 ABG. Abs. 4 sowie den Anhang zu § 50.

§ 5. Bei der Bestellung einer Salzabbaugerechtigkeit ist diese von dem Grundstück abzuschreiben und auf ein besonderes Grundbuchblatt zu übertragen. Inwieweit die Abschreibung von der Vorlegung eines be­ glaubigten Auszugs aus dem Steuerbuchs sowie einer von dem Fortschreibungsbeamten beglaubigten Karte abhängig ist, bestimmt der Justizminister. 1. § 5 Abs. 1 entspricht dem § 6 des Entw. Nach Art. 27 des gemäß § 4 anwendbaren Ausf.-Ges. zur GBO. würde die Anlegung eines besonderen Grundbuchblattes für die Salzabbaugerechtig­ keit in der Regel nur auf Antrag, von Amts wegen aber nur dann erfolgen, wenn die Gerechtigkeit veräußert oder belastet werden soll. Um einer Ver­ wirrung im Grundbuch vorzubeugen, erschien es jedoch empfehlenswerter, die Anlegung eines besonderen Blattes von Amts wegen in jedem Falle vorzu­ schreiben (Begr. zu 8 6 des Entw.). 2. Nach § 3 des Entwurfs sollte die Eintragung der Salzabbaugerechttgkett von der Vorlegung eines dem § 17 ABG. entsprechenden SituattonsrtsseS abhängig gemacht werden. Die Kommission des HH. hat diese Bestimmung alS unzweckmäßig gestrichen, weil der Situationsriß auf die hier in Frage kommenden Verhältnisse nicht Passe, und statt dessen den Abs. 2 eingefügt, KB. HH. S. 465. 3. Die gemäß Abs. 2 dem Justizminister vorbehaltene Bestimmung hat derselbe getroffen durch die

Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 26. August 1904 zur Ausführung des Gesetzes über die Bestellung von Salzabbaugerechtigkeiten in der Provinz Hannover vom 4. August 1904