Adolf Heinrich Graf v. Arnim-Boitzenburg (1803–1868): Eine politische Biographie [1 ed.] 9783428511143, 9783428111145

Die Konservativismus-Forschung weist zahlreiche Desiderata auf. Die vorliegende Dissertation nimmt sich eines dieser &qu

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Adolf Heinrich Graf v. Arnim-Boitzenburg (1803–1868): Eine politische Biographie [1 ed.]
 9783428511143, 9783428111145

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Studien und Texte zur Erforschung des Konservatismus Band 5

Adolf Heinrich Graf v. Arnim-Boitzenburg (1803 – 1868) Eine politische Biographie

Von

Wolf Nitschke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

WOLF NITSCHKE

Adolf Heinrich Graf v. Arnim-Boitzenburg (1803 – 1868)

Studien und Texte zur Erforschung des Konservatismus Herausgegeben im Auftrag der Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung von Caspar von Schrenck-Notzing

Band 5

Adolf Heinrich Graf v. Arnim-Boitzenburg (1803 – 1868) Eine politische Biographie

Von

Wolf Nitschke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1439-3743 ISBN 3-428-11114-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Vorwort Die vorliegende Studie wurde im Wintersemester 2001/02 vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Die Archivstudien waren im Sommer 1999, die Niederschrift im Oktober 2000 abgeschlossen, so daß insbesondere die Literatur des Jubiläumsjahres 2001 nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Für den Druck wurde das Manuskript geringfügig überarbeitet, außerdem einige bis Ende 2002 erschienene Titel eingearbeitet und ein Register hinzugefügt. An erster Stelle habe ich meinem akademischen Lehrer zu danken: Herrn Prof. Gerd Heinrich, der die Entstehung meiner Arbeit mit Toleranz und Geduld begleitet hat und dessen Lehrveranstaltungen, Vorträgen und Veröffentlichungen ich für meine Ausbildung zum Historiker mehr verdanke, als ich es in der vorliegenden Publikation zum Ausdruck bringen konnte. Außerdem habe ich in der Zeit der Fertigstellung dieser Arbeit vielfache Unterstützung erfahren, insbesondere von den Archivaren und Bibliothekaren in Berlin, Göttingen und Potsdam, die für meine besonderen Wünsche und Anliegen stets ein offenes Ohr hatten. Für anregende Diskussionen und manchen wichtigen Hinweis danke ich Herrn PD Dr. Hans-Christof Kraus, der nicht zuletzt auf Grund seines opus magnus über Ernst-Ludwig von Gerlach sehr an den Ergebnissen meiner Untersuchung interessiert sein mußte. Darüber hinaus danke ich den Herren Cand. phil. Tilman Bischof, Dr. Karl-Eckhard Hahn, Dr. Ulrich Müller und Prof. Dr. Wolfram Zarnack für ihre Anregungen und Hinweise. Besonderen Dank schulde ich meinen Eltern Ursula und Wilfried Nitschke, die mir das Studium der Geschichte bis hin zur Promotion ermöglichten, und meinem Großvater Erich Nitschke, der mein Interesse für Geschichte weckte. Der größte Dank aber gebührt meiner Familie, die es mir ermöglichte, ab 1999 neben meiner Berufstätigkeit als Gymnasiallehrer sowohl das Manuskript der vorliegenden Arbeit abzuschließen als auch das Promotionsverfahren mit Erfolg zu absolvieren. Isernhagen, im Frühjahr 2003

Wolf Nitschke

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Charakterisierung der ostdeutschen Adelsherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Skizze der preußischen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Typologisierung des preußischen Konservativismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Grundzüge der Entwicklung des Parlamentarismus in Preußen . . . . . . . . . . .

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11 11 14 18 21 29

I. Charakterprägung unter Friedrich Wilhelm III. (1803–1840) . . . . . . . . . 1. Herkunft und Kinderjahre (1803–1813). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Boitzenburger Ahnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Herrschaft Boitzenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Mutter und ihre Vorfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unruhige Kindheit (1803–1813) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausbildung und geistige Prägung (1813–1830) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schulzeit (1813–1821) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Studium (1821–1824) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Militärdienst und Ausbildung im Staatsdienst (1824–1830) . . . . . . . . . . . 3. Beginn einer Karriere im Staatsdienst (1830–1840) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Landrat in Templin in der Uckermark (1830–1833) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vizepräsident in Stralsund (1833/34). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regierungspräsident in Aachen (1834–1837) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Im Wartestand (1837–1840). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundlagen des politischen Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . . .

35 37 38 46 48 51 53 53 58 64 70 72 74 75 86 90

II. Der Revolution entgegen (1841–1847) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Oberpräsident in Posen (1841/42) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Innenminister (1842–1845) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Restriktive Zensur- und Polizeimaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Initiativen zur Beeinflussung der Provinziallandtage . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Differenzen wegen der Vereinigten ständischen Ausschüsse . . . . . . . . . . . d) Ringen um einen Vereinigten Landtag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beurteilung von Arnims Tätigkeit als Innenminister . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bildung des ersten Vereinigten Landtags (1845–1847). . . . . . . . . . . . . . . 4. Konservative Sammlungsbemühungen im Vormärz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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103 105 118 121 132 138 144 158 162 177

III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Ministerpräsident von Preußen (19.03.–29.03.1848) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Die Eskalation der Gewalt (09.–18.03.1848) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

8

Inhaltsverzeichnis

b) Die Straßenkämpfe am 18. und 19. März 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Krisenmanagement und ständige Kontroversen (19.–28.03.1848) . . . . . . d) Der Rücktritt des Grafen Arnim am 29. März 1848. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In der konservativen Opposition (1848/49) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der zweite Vereinigte Landtag (02.–10.04.1848). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ein kurzes Gastspiel in der deutschen Nationalversammlung . . . . . . . . . . c) In der außerparlamentarischen Opposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das endgültige Ende der Revolution im Frühjahr 1849 . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrevision und Unionspolitik (1849/50) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Oktroi des Dreiklassenwahlrechts im Sommer 1849. . . . . . . . . . . . . . b) Die Revision der Verfassung im Landtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatskrise und Abschluß der Verfassungsberatungen. . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unionspolitik und Erfurter Unionsparlament (1849/50). . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Formierung der Konservativen als Reaktion auf die 48er Revolution . . a) Die Konservativen und die Märzrevolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die konservative Opposition des Jahres 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Konservativen und die Gegenrevolution (1848–1850). . . . . . . . . . . . . d) Die Konservativen und die Deutsche Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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196 206 219 221 222 224 227 231 237 238 240 247 256 261 261 263 273 284

IV. 1. 2. 3.

Die „Reaktionszeit“ (1851–1858) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lösung der Oberhausfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Revision der Kommunalordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Debatten über Budget- und Steuervorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entstehung der „Lückentheorie“ im Frühjahr 1851 . . . . . . . . . . . . . . . b) Diskussionen über die Militärkredite während des Krimkrieges. . . . . . . . c) Der Triumph der Interessenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Differenzen innerhalb der konservativen Partei in den 1850er Jahren. . . . . . a) Konflikte zwischen führenden Konservativen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entwicklung der konservativen Landtagsfraktionen . . . . . . . . . . . . . .

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289 291 304 310 311 312 314 320 321 332

V. „Neue Ära“ und Verfassungskonflikt (1858–1866) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfolg und Mißerfolg der Reformpolitik (1858–1862) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Verabschiedung der Grundsteuerreform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Ringen um die Heeresreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Ende der „Neuen Ära“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verfassungskonflikt (1862–1866) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ausbruch des Konfliktes und die „Lückentheorie“ . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Verhärtung der Fronten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Innenpolitischer Stillstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Von Düppel nach Königgrätz (1864–1866). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Krise der Konservativen (1858–1866) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Konservativen in der Opposition (1858–1862) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Verfassungskonflikt und das konservative Herrenhaus . . . . . . . . . . . . c) Bismarcks „Revolution von oben“ und die Spaltung der Konservativen .

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339 341 341 349 356 360 361 364 367 370 378 378 385 389

Inhaltsverzeichnis

9

Schlußbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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399 399 401 414

Zeitleiste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457

Abkürzungsverzeichnis 1. K

Erste Kammer [auch Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Ersten Kammer] 1. VL erster Vereinigter Landtag 2. K Zweite Kammer [auch Stenographische Berichte über die Verhandlungen der Zweiten Kammer] 2. VL zweiter Vereinigter Landtag ADB Allgemeine Deutsche Biographie AH Abgeordnetenhaus [auch Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses] APZ Allgemeine Preußische (Staats-)Zeitung Bleich, 1. VL Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des 1. VL Bleich, 2. VL Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des 2. VL BPW Berliner Politisches Wochenblatt BrLHA Brandenburgisches Landeshauptarchiv FBPG Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte fl. (preußische) Thaler GG Geschichte und Gesellschaft GStAPK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht HH Herrenhaus [auch Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Herrenhauses] HPZ Historisch-Politische Zeitschrift HZ Historische Zeitschrift JbfG Jahrbuch für Geschichtswissenschaft JBLG Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte JGMOD Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands KM Konservative Monatsschrift MH Journal of Modern History Nachlaß Nachlaß des Grafen Arnim im BrLHA Potsdam Rep. 37 Boitzenburg Nrr. 3779–4261. ND Neudruck NDB Neue Deutsche Biographie NF Neue Folge NPZ Neue Preußische Zeitung PrJbb Preußische Jahrbücher r Rückseite eines Blattes (z. B. Bl. 3r) ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

Einleitung 1. Entwicklung der Fragestellung Wenn in der vorliegenden Arbeit Adolf Heinrich Graf v. Arnim-Boitzenburg (oder kürzer Graf Adolf v. Arnim) biographisch untersucht wird, so bedarf dieses Unterfangen – anders als noch vor einigen Jahren – keiner besonderen Legitimation mehr, erschienen doch in den letzten 20 Jahren zahlreiche Lebensdarstellungen, und zwar nicht nur Königsbiographien, sondern auch Arbeiten über Otto v. Bismarck, Ernst Ludwig v. Gerlach und Friedrich Julius Stahl1, um nur einige Werke zu nennen, die auch für diese Arbeit von Bedeutung waren. Dabei wurden neue Formen der Biographie entwickelt, um z. B. psychologische Erkenntnisse in die Geschichtswissenschaft einzuführen2. Außerdem hat das Interesse der neueren Soziologie an der Lebenslaufbetrachtung zu der Einsicht geführt hat, daß Biographien nicht „unmodern“ sein müssen3. Die vorliegende Arbeit orientiert sich zwar weniger an exotischen Formen der biographischen Geschichtsschreibung, ist jedoch auch keine „klassische“ Biographie, sondern versucht, in größerem Umfange das konservative Umfeld des Grafen Arnim mit einzubeziehen, um dessen Person von mehreren Seiten beleuchten und somit umfassender deuten zu können. Diese Perspektive wurde gewählt, um der Gefahr zu entgehen, die Geschichte des 19. Jahrhunderts ausschließlich aus der Perspektive des Grafen Arnim zu betrachten. Das Vermeiden einer rein personenzentrierten Betrachtung führt allerdings dazu, daß in einigen Passagen die Person des Grafen Arnim zurücktritt, obwohl diese Abschnitte auf das Notwendigste beschränkt wurden. Beantwortet werden muß allerdings die Frage, warum gerade Graf Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburg zum Gegenstand der vorliegenden Untersu1 Gall, Bismarck; Pflanze, Bismarck, 2 Bde.; Kraus, Gerlach; Füßl, Professor. Im Folgenden werden in den Anmerkungen nur Kurztitel verwendet, während sich ausführlichere Titel im Literaturverzeichnis finden. 2 Vgl. Röckelein, Biographie als Geschichte. Hier wird die sog. „Psychohistorie“ als eine neue Form der Biographie entwickelt. Im Januar 2001 veranstaltete das Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte ein Symposion über das Schreiben von Biographien; vgl. Wolfgang Krischke: Flickschusterei des Lebens. Eine Göttinger Tagung über die Schwierigkeiten beim Schreiben von Biographien. In: FAZ Nr. 26, Mi. 31.01.2001, S. N5. 3 Vgl. Rosenmayr, Lebensalter, passim.

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Einleitung

chung gemacht wurde. Ein erstes Argument mag diesbezüglich der bisherige Forschungsstand liefern: Die Person des Grafen Arnim wurde bisher kaum untersucht4. Dieser Tatbestand ist deshalb etwas verwunderlich, weil eine Beschäftigung mit dem Grafen Arnim bereits mit Blick auf die Fülle des überlieferten Materials als lohnend erscheint: Der Nachlaß des Grafen Arnim im Brandenburgischen Landeshauptarchiv umfaßt nicht weniger als 482 Nummern mit Tausenden von Blättern5. Dazu kommen gedruckte Quellen, von denen als erstes die Schriften des Grafen zu erwähnen sind, in denen dieser zu aktuellen Fragen Stellung nahm und deren Druck er sich leisten konnte6. Die lange parlamentarische Karriere Arnims wird in den Stenographischen Berichten der beiden Vereinigten Landtage, der Deutschen Nationalversammlung, des Erfurter Unionsparlamentes und des preußischen Landtages dokumentiert7. Diese Quellen wurden bisher nur spärlich genutzt, ebenso einige publizierte Briefe an den Grafen Arnim8. Allein diese reichhaltige Anzahl an bisher kaum genutzten Quellen läßt also eine Untersuchung des Grafen Arnim als lohnend erscheinen. Dieser war zwar kein großer Akteur in der Geschichte des 19. Jahrhunderts, aber doch ein Exponent bedeutsamer Verhältnisse, Bewegungen und Institutionen, Tendenzen und Doktrinen und insofern typisch für seine Zeit. Da der 4

Vgl. Nitschke, Konservativer Edelmann; siehe außerdem Constantin Rösler. In: ADB 1 (1875), S. 558–566.; Heinz Gollwitzer. In: NDB 1 (1953), S. 368. Dazu kommen die älteren Einzeldarstellungen des Posen-Forschers Manfred Laubert [Laubert, Verdächtigung; ders., Oberpräsident.], außerdem Hartmut Harnischs Studie über Arnims Verfassungsvorstellungen [Harnisch, Aus den Papieren.] sowie Arnim, Adolf v. Arnim und Bettina v. Arnim. 5 Brandenburgisches Landeshauptarchiv [BrLHA], Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg, Nrr. 3779–4261. Genutzt wurde der Nachlaß bisher nur von Barclay, Beck, Berdahl und Harnisch. Außerdem befinden sich einige zufällig zusammengekommene Handakten Arnims im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz; vgl. GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nrr. A32–A44. Es wäre sinnvoll, diese Stücke mit dem Arnimschen Nachlaß im BrLHA zu vereinigen. 6 Arnim, Centralgewalt; ders., Verheißungen; ders., Vereidigung; ders., Bemerkungen; ders., Recht. Außerdem wurde der Graf in einem Falle unfreiwillig zum Autoren, als sein nur für den Dienstgebrauch bestimmter Erlaß als Innenminister anonym herausgegeben und kommentiert wurde; vgl. [anonym:] Das administrative Glaubensbekenntnis. 7 Bleich, 1. VL; ders., 2. VL; Wigard, Reden; Stenographischer Bericht; Verhandlungen. Nicht beschrieben wurde in der vorliegenden Arbeit Arnims Auftreten auf den brandenburgischen Provinziallandtagen, da dort keine bemerkenswerten Aktivitäten des Grafen ad personam festzustellen waren. 8 In den edierten Briefen des Freiherrn vom Stein finden sich z. B. mehrere Briefe an Arnim, die z. T. auch für das Denken Steins von Bedeutung sind; vgl. Stein, Briefe, bes. Bd. X, passim. Trotzdem findet sich der Name Arnim in keiner Stein-Biographie.

1. Entwicklung der Fragestellung

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Boitzenburger kein großer Theoretiker war9, bietet es sich an, bestimmte Phänomene nicht nur aus ideengeschichtlicher Sicht zu betrachten, sondern aus sozialgeschichtlicher Perspektive, um die bisher gewonnenen Erkenntnisse der Historiographie um einige Facetten zu bereichern. Über die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts gibt es eine Fülle von Arbeiten, insbesondere die großen gesellschaftsgeschichtlichen Darstellungen von Thomas Nipperdey und Hans Ulrich Wehler10, die an die „klassischen“, aber unvollendeten Werke Heinrich v. Treitschkes und Franz Schnabels anknüpfen11. Dagegen mangelt es nach wie vor an fundierten modernen Darstellungen der preußischen Geschichte12, auch wenn das „Handbuch der preußischen Geschichte“ allmählich seiner Vollendung entgegengeht13: In erster Linie wäre Heinrichs „Geschichte Preußens“ zu nennen14, dazu kommen ältere Darstellungen wie Hintzes „Hohenzollern“15, außerdem Überblicksdarstellungen wie Schoeps’ „Preußen“ und Schlenkes „Preußische Geschichte“16. Trotz dieser Werke besteht nach wie vor eine Lücke zwischen Überblicksdarstellungen und punktuellen Einzeluntersuchungen. Die vorliegende Biographie will einige Erkenntnisse aus der Geschichte der ersten Hälfte des „,langen‘ 19. Jahrhunderts“ beisteuern17, um diese Lücke zu verrin9 Dieser Umstand dürfte bisher auch eine eingehende Beschäftigung mit ihm verhindert haben. 10 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866; ders.: Deutsche Geschichte 1866– 1918, 2 Bde. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, bisher 3 Bde. Nipperdeys Darstellung unterscheidet sich auch dadurch von Wehlers, daß er eine geschlossene Darstellung der deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts vorlegt, ohne Kontinuitätslinien zumindest bis 1945 zu ziehen, während Wehler mit dem (noch ausstehenden) vierten Band seiner „Gesellschaftsgeschichte“ eben dies beabsichtigt. 11 Treitschke, Deutsche Geschichte, 5 Bde. (nur bis 1847); Schnabel, Deutsche Geschichte, 4 Bde. (Ereignisgeschichte bis 1819, sonst bis in die 1840er Jahre). 12 Dieser Befund klingt überzogen, wenn man an das in den 80er Jahren stark gestiegene Interesse an Preußen denkt, insbesondere im Zuge der Preußen-Ausstellung 1981 und der über Friedrich den Großen 1986. Allerdings erschienen zu diesen Anlässen in erster Line zahlreiche populäre Darstellungen; eine Ausnahme davon war Heinrich, Geschichte Preußens. 13 Handbuch der preußischen Geschichte, Bde. II + III [Bd. I ist noch nicht erschienen]. 14 Heinrich, Geschichte Preußens. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn die geplante zweite Auflage dieses seit längerem vergriffenen Werkes durch Anmerkungen ergänzt würde. 15 Hintze, Hohenzollern; vgl. zu Hintze Heinrich, Otto Hintze passim. 16 Schoeps, Preußen; Schlenke, Preußische Geschichte. 17 Wenn die „erste Hälfte“ des „langen“ 19. Jahrhunderts (1789–1914) bis 1866 terminiert wird, so wird damit das Jahr 1866 als entscheidender Wendepunkt hervorgehoben. Nipperdey machte hier den Einschnitt seiner „Deutschen Geschichte“, und ebenso verfuhr Lutz, Zwischen Habsburg und Preußen; vgl. zur Bedeutung des Jah-

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Einleitung

gern. Die Untersuchung orientiert sich in erster Linie an den vier Stichworten „Adelsherrschaft“, „Bürokratie“, „Konservativismus“ und „Parlamentarismus“. Diese Begriffe sollen in den folgenden Kapiteln der Einleitung näher beleuchtet werden, um das theoretische Fundament der Studie zu verdeutlichen. 2. Charakterisierung der ostdeutschen Adelsherrschaft Da der Adel in der Gegenwart keine besondere Rolle mehr im öffentlichen Leben spielt, sind die spezifischen Prinzipien adeliger Lebensweise vielen nicht mehr geläufig. Auch deshalb gibt es zahlreiche oberflächliche oder ahistorische Annäherungen an dieses Phänomen: einerseits scharfe Angriffe18, andererseits romantische Verklärungen19. All diese Ansätze erschweren einen Zugang zur Welt des Adels, die erst seit etwa 1980 verstärkt in das Interesse der Forschung gerückt ist20. Dabei hat Heinz Reif durch seine zahlreichen Untersuchungen Bahnbrechendes geleistet21: Er hatte bereits durch seine umfassende Untersuchung des westfälischen Adels, in der er neben den ökonomischen Grundlagen auch sozialwisenschaftliche Fragen wie Erziehung und Vereinstätigkeit einbezog, zahlreiche weitere Studien angestoßen. Außerdem veröffentlichte Reif 1999 eine wichtige Monographie über den „Adel im 19. und 20. Jahrhundert“, in der er den Forschungsstand beschrieb und zahlreiche Desiderata anmahnte22. Im Gegensatz zu Reif wählten etliche neuere Autoren eine etwas einseitige Herangehensweise: In mehreren Arbeiten wurden ökonomische Aspekte in den Mittelpunkt gerückt und die These von der „Verbürgerres 1866 Schüssler, Königgrätz; Wandruszka, Schicksalsjahr; Schieder, Jahr 1866. Im Prinzip bedeutete das frühere Festhalten am Epochenjahr 1871 das Festhalten an jener borussischen Sichtweise, in der die Reichsgründung zum eschatologischen Ziel der preußisch-deutschen Geschichte überhöht wurde. 18 Eine typische liberale Junker-Kritik übte Kaufmann, Geschichte Deutschlands, S. 216–222. Diese Art der Kritik ging bis weit ins 19. Jahrhundert zurück; vgl. dazu u. a. Wende, Adelsdebatte, passim. 19 Insbesondere die umfangreiche „Erinnerungsliteratur“ war für diese Arbeit von geringer Bedeutung, da sie sich in der Regel auf das 20. Jahrhundert bezieht, während die vorliegende Arbeit bereits 1868 endet. Einige dieser Darstellungen erinnern ein wenig an die romantische Verklärung des Mittelalters, wie sie z. B. in dem zeitweilig sehr populären Roman „Der Zauberring“ von Friedrich de la Motte-Fouqué zu finden ist. Andere Autoren sind allerdings bemerkenswert kritsch; vgl. u. a. Dissow, Adel im Übergang. 20 Vgl. Dipper, Adel, S. 91. Brauchbar waren zuvor lediglich Oertzen, Junker und Görlitz, Junker. 21 Vgl. Reif, Westfälischer Adel; siehe auch ders., Adel in der modernen Sozialgeschichte; ders., Adelserneuerung; ders., Adelspolitik; ders., Adel. 22 Vgl. Reif, Adel, passim.

2. Charakterisierung der ostdeutschen Adelsherrschaft

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lichung“ des preußischen Adels aufgegriffen, die Hans Rosenberg bereits 1958 aufgestellt hatte23 und die von Hartmut Harnisch mit Hilfe von brandenburgischen Daten auf eine breitere Grundlage gestellt worden war24: Hanna Schissler stellte die These auf, die Gutsbesitzer seien mit den in ihre „Schicht“ eindringenden Bürgerlichen zur „kapitalistisch wirtschaftenden Rittergutsbesitzerklasse“ verschmolzen25. Francis L. Carsten behauptete, adelige und bürgerliche Rittergutsbesitzer seien zu einer „einheitlichen Unternehmergruppe“ verschmolzen, „deren bürgerliche Mitglieder den adeligen Lebensstil und die adeligen Ansichten übernahmen.“26 Hans-Ulrich Wehler betonte zwar das politische und gesellschaftliche Beharrungsvermögen des Adels27, bezeichnete es aber auch als eine „Grundtendenz“ des frühen 19. Jahrhunderts, daß „der adelige Erbstand der Ritter“ zusehends „zerfiel“ und sich „im Zeichen des Agrarkapitalismus seiner objektiven Funktion nach in eine relativ offene Besitzklasse“ verwandelte28. Diese Auffassung wurde von Elisabeth Fehrenbach mit guten Gründen zurückgewiesen29: Weniger der Agrar- und Wirtschaftssektor habe zu einer Angleichung von Adel und Bürgertum beigetragen30, sondern vielmehr die (bereits von Rosenberg beschriebene31) soziale Integrationskraft des neuen Bildungsideals auf dem kulturellen Sektor, das sich in neuen Leistungsanforderungen im Bildungswesen äußerte32. Auch Lothar Gall wies anhand einer Untersuchung des Vereinswesens im Vormärz die These von einer Verschmelzung des Adels und des Stadtbürgertums zurück33, ebenso Wolf23 Vgl. Rosenberg, Bureaucracy, passim. Rosenberg ging damit weiter als z. B. Neumann [Stufen, S. 35–38], der lediglich das Eindringen des kapitalistischen Geistes in die ostelbische Landwirtschaft konstatierte, und zwar besonders in Form der Werke Thaers und Liebigs. 24 Vgl. Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, passim; siehe auch von dems., Kapitalistische Agrarreform, passim; ders.: Grundsatzentscheidungen, passim. 25 Schissler, Agrargesellschaft, S. 108. 26 Carsten, Adel, S. 87–95. 27 Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 145–161. 28 Ebd., S. 152. Er fügte hinzu, dadurch sei eine „Aristokratie des beliebig übertragbaren Bodeneigentums, eine mobile Wirtschaftsklasse von Kapitalbesitzern, Gutswirtschaftsunternehmen und Arbeitgebern“ entstanden (Ebd.). 29 Zuvor hatte bereits Günter Birtsch [Rolle, S. 77–95] nachgewiesen, in welchem Umfang das Allgemeine Landrecht 1794 die Stellung des Adels stabilisiert hatte. 30 Vgl. Fehrenbach, Adel und Bürgertum, bes. S. 7–13. Vor allem waren demzufolge die nichtadeligen Käufer von Rittergütern häufig Domänenpächter, Gutsverwalter, Beamte oder Offiziere, also nicht unbedingt „bürgerlich“ im engeren Sinne des Wortes. 31 Vgl. Rosenberg, Bureaucracy, S. 182–192. 32 Vgl. Fehrenbach, Adel und Bürgertum, S. 14. 33 Vgl. Gall, Adel.

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Einleitung

ram Siemann in seiner Studie über die Krise des Adels in der 48er Revolution34 und Arno J. Mayer in seiner über die Zeit zwischen der Revolution und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges35. Volker Press hob hervor, die „Konzentration auf den Besitz von Grund und Boden“ sei ein „wesentliches Merkmal adeliger Existenz auch im fortschreitenden 19. Jahrhundert geblieben.“36 Bei den industriellen Aktivitäten derer von Treskow handelte es sich darum nicht um einen typischen Fall, zumal dieses Geschlecht von dem Berliner Kaufmann Sigmund Otto (von) Treskow (1756–1825) abstammte37. Allerdings benötigte der Adel zunehmend die verdeckte Hilfe des „Hochbürgertums“, um seine Stellung wirtschaftlich halten zu können38. Insofern ist Heinz Reifs Feststellung zutreffend, daß im 19. Jahrhundert zwar formal eine „offen zugängliche, neuständisch privilegierte Gutsbesitzerklasse“ entstanden sei, diese aber dennoch keine „marktbedingte, überwiegend bürgerliche Klasse“ wurde39. Bei anderen Untersuchungen des preußischen Adels stand in der Regel die Politik im Vordergrund, z. B. bei Rudolf Vierhaus und Peter Burg, die vor allem das politische Beharrungsvermögen des Adels vor 1848 untersuchten40. Bei Arno Mayer, Robert Berdahl und Rudolf Braun wurden Adel und Konservativismus als Synonyme verwendet41. Diese Gleichsetzung ist jedoch problematisch: Schon der Konservative Friedrich Julius Stahl übte auch Adelskritik, insbesondere an der Diskriminierung von Mißheiraten, an überholten Privilegien und an der Begünstigung des Adels in Militär und Verwaltung42. Auch Sigmund Neumann und Hans Joachim Schoeps stellten zwar fest, daß es sich bei den Konservativen im Kern um eine Organisation des ostelbischen Adels handele, setzten jedoch nicht die Begriffe „Adel“ und „Konservativismus“ gleich43. Barbara Vogel wies außerdem darauf hin, daß diese Gleichsetzung allenfalls für die 1848 entstehende konservative Partei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelten könne44, und Horst 34

Siemann, Adelskrise. Mayer, Persistance. 36 Press, Adel, S. 17. 37 Vgl. dazu Treskow, Adel. 38 Vgl. Henning, Konkurrenz, S. 47. 39 Reif, Adelspolitik, S. 204. 40 Vgl. Vierhaus, Absolutismus; Burg, Gerlach. 41 Vgl. Mayer, Persistance; Berdahl, Politics; Braun, Konzeptionelle Bemerkungen; siehe dazu die Kritik von Henning, Konkurrenz, S. 4/5. Die Ursache dafür liegt wohl darin begründet, daß schon die Frühkonservativen den Adel verteidigten; vgl. Jäger, Verteidigung, passim. 42 Vgl. Friedrich Julius Stahl: Die Philosophie des Rechts, Bd. II. Heidelberg (2) 1845, S. 100/01; vgl. auch ebd., S. 87–101; siehe dazu Neumann, Stufen, S. 56. 43 Vgl. Schoeps, Die preußischen Konservativen, S. 334/35; ders., Geistesgeschichte IV, S. 85/86; Neumann, Stufen, S. 8/9. 35

2. Charakterisierung der ostdeutschen Adelsherrschaft

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Möller gab Anregungen zum Verhältnis von Aufklärung und Adel, die dazu geeignet sind, das Gegensatzpaar von aufgeklärtem bürgerlichem Liberalismus und adeliger Reaktion aufzulösen45. Zuletzt verdeutlichte Monika Wienfort, daß der preußische Adel des 19. Jahrhunderts keine „monolithische Gruppe“ war46. Nur selten wurden dagegen die Anregungen Otto Brunners aufgegriffen, die adelige Lebenswelt umfassend darzustellen47: Gerd Heinrich benutzte einen gesellschaftsgeschichtlichen Ansatz bei der Beschreibung der Entstehung des nordostdeutschen Adels48, den er auch der Darstellung derer von Dewitz unter dem Titel „Staatsdienst und Rittergut“ zugrundelegte49. In dieser Monographie weist bereits der Titel auf die wesentlichen Betätigungsfelder des Adels hin: Staatsdienst (in Militär oder Verwaltung) und Land- bzw. Gutswirtschaft50. Auch Dominic Lieven setzte sich ausführlich mit Adelsherrschaft und Adelskultur auseinander51. Dabei nimmt die Rolle des Adels in der Politik nur einen relativ kleinen Teil des Darstellung ein, was sicher auch mit der europäischen Perspektive der Monographie zusammenhängt52. Besonders eine Untersuchung der Rolle des märkischen Adels im 19. Jahrhundert (analog zu Reifs Untersuchung des westfälischen Adels) ist noch ein Desiderat der Forschung53, auch wenn es mit Arnims familiengeschichtlichem und Hennings sozialgeschichtlichem Ansatz wertvolle Vorarbeiten gibt54. Eine Biographie des Grafen Arnim kann hier einige weitere Denkanstöße geben. Obwohl die Rolle des Grafen Arnim als Gutsherr nicht im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht55, sondern dessen politisches 44

Vogel, Beamtenkonservativismus, S. 3. Möller, Aufklärung und Adel, passim. 46 Wienfort, Ostpreußischer Gutsbesitzerliberalismus, S. 305. 47 Brunner stellte 1949 Leben und Werk Wolf Helmhards v. Hohberg (1612– 1688), eines niederösterreichischen Landadeligen, in der Gesamtheit seiner gesellschaftlichen Beziehungen dar; vgl. Brunner, Adeliges Landleben, passim. 48 Vgl. Heinrich, Adel in Brandenburg-Preußen; ders., Nordostdeutscher Adel. 49 Vgl. ders., Staatsdienst. 50 Diese Parameter verwendete auch Martiny, Adelsfrage, passim. 51 Lieven, Abschied, passim. 52 Dagegen scheinen bei Ingeborg Weber-Kellermann [Landleben, passim] Bauern und Landarbeiter das Leben auf dem Lande geprägt zu haben, während die (tatsächlich im 19. Jahrhundert dominierende) Gutsherrschaft nur am Rande in Erscheinung tritt [Ebd., S. 284–309]. 53 Vgl. Heinrich, Landesgeschichtliche Arbeiten, S. 1–42; zuletzt erneut bedauert von Kurt Adamy und Kristina Hübener in ihrer Einleitung des von ihnen herausgegebenen Sammelbandes „Adel und Staatsverwaltung“, S. 13. 54 Arnim, Märkischer Adel (anhand von Biographien aus dem Geschlecht Arnim); Henning, Die unentschiedene Konkurrenz. 45

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Handeln, soll auch die Frage beantwortet werden, inwiefern Graf Arnim ein „typischer“ Junker war. Dabei wird der Begriff „Junker“ nicht als politisches Schlagwort verwendet, sondern (wie auch von Francis Carsten) als „Bezeichnung für eine bedeutende soziale Klasse, die während mehrerer Jahrhunderte die deutsche Geschichte maßgebend beeinflußte.“56 3. Skizze der preußischen Verwaltung Auch in Preußen wurde neben dem Adel in zunehmendem Maße die Bürokratie zu einem wesentlichen politischen und gesellschaftlichen Faktor57: Die Tatsache, daß die Nachfolger Friedrichs des Großen nicht dazu in der Lage waren, selbst die Richtlinien der Politik zu bestimmen und zugleich die Verwaltung zu beaufsichtigen, führte schon vor der Katastrophe des preußischen Staates von 1806/07 zu einem starken Einfluß der Bürokratie auf die Politik58. In der folgenden Reformära manifestierte sich die Vorrangstellung der Bürokratie, was zur Entstehung eines Berufsbeamtentums und für eine allmähliche Auflösung der alten Stände sorgte59. Der so entstehende „bürokratische Absolutismus“ verfiel ab 1820 einer zunehmenden Erstarrung60. Die Motive der Beamten bei der Ausbildung dieses Systems wurden einerseits in dem Bestreben der (konservativen) Beamten gesehen, die liberalen und demokratischen Kräfte zu unterdrücken61, andererseits in dem Bestreben (liberaler) Beamter, gegen den Widerstand der ständischen Opposition zumindest einige liberale Forderungen durchzusetzen62. Diese Kon55

Vgl. dazu bes. Kap. I.3. Carsten, Geschichte, S. 7. 57 Vgl. dazu die exemplarische Studie von Eifert, Zum Wandel einer Funktionsleite, passim; siehe generell zum Stichwort „Bürokratie“ auch Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, passim; Hintze, Beamtenstand, passim; Wunder, Geschichte der Bürokratie, passim. 58 Vgl. Kehr, Genesis, passim. 59 Vgl. Demel, Reformstaat, passim; Wunder, Geschichte, S. 66/67. Dieses Phänomen beschrieb, an Hegels Begriff vom „allgemeinen Stand“ anknüpfend, Wilhelm Heinrich Riehl mit den Worten: „Als ein erkünstelter Stand schob sich das Beamtentum zersprengend und auflösend in die natürlichen Stände.“ [Gesellschaft (6), S. 291] 60 Vgl. dazu [anonym:] Aphorismen über Preußische Verwaltung. Magdeburg 1867. Der Anonymus lobt ausdrücklich die friderizianische Verwaltungstradition und die preußischen Reformen, um vor diesem Hintergrund die Entwicklung seit 1820 zu bedauern und Reformen anzumahnen; vgl. bes. ebd., S. 44–46. 61 Wehler beschrieb die preußischen Reformen unter dem Stichwort der „defensiven Modernisierung“; vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte I, S. 397–485; siehe auch Epstein, Ursprünge, S. 692; Kehr, Primat, passim; Rosenberg, Bureaucracy, bes. S. 203–228. 56

3. Skizze der preußischen Verwaltung

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troverse über den liberalen oder konservativen Charakter der Bürokratie läßt sich wie folgt auflösen: Einerseits gab es (besonders in Hardenbergs Staatskanzleramt) eine Reihe von (zumeist jüngeren) Reformbefürwortern63, andererseits opponierte eine Gruppe von konservativen Beamten zusammen mit der ständischen Opposition gegen Hardenbergs Verfassungspläne64. Dabei muß berücksichtigt werden, daß die Bürokratie sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem von regelrechten „Personalmassen“ geprägten Großsystem mit einem recht buntscheckigem Fachprofil entwickelte65, während im frühen 19. Jahrhundert noch relativ wenige Köpfe eine Behörde bildeten. Zu diesen generellen Bemerkungen ist allerdings einschränkend festzustellen, daß es über die preußische Bürokratie bisher lediglich die grundlegende Arbeit von Reinhart Koselleck gibt66. Deshalb ist es sinnvoll, auch Arbeiten über die Bürokratie anderer deutscher Staaten zu betrachten. Die zentrale Rolle der Bürokratie für die Konsolidierung der Rheinbundstaaten wurde zuletzt in mehreren Monographien beschrieben: Manfred Hettling arbeitete den defensiven Charakter der Reformen in Württemberg heraus67. Auch in Nassau wurde Treichel zufolge ein „straff zentralistisches, bürokratisch-monarchisches Verwaltungssystem“ aufgebaut, um den neugeschaffenen Staat möglichst schnell zu konsolidieren, wobei das bürokratische System keine Gewähr für politische Freiheit bot, sondern sich „ohne weiteres zur Befestigung überkommener Sozial- und Herrschaftsstrukturen einsetzen“ ließ68. Andreas Schulz beschreibt dagegen für HessenDarmstadt die Funktion der Bürokratie als „Initiator und Träger aller einschneidenden Veränderungen in den Rheinbundjahren“69. Waltraud Heindl untersuchte den Wandel der österreichischen Bürokratie vor 1848, die 1780 beim Regierungsantritt Josephs II. in der allgemeinen Aufbruchsstimmung als eine „Bewegung“ antrat, jedoch schon bald im „System“ erstarrte70. Allerdings verkörperten die österreichischen Beamten geradezu das moderne 62 Reinhart Koselleck stellte fest: „Der Versuch, die Stände am Staat zu beteiligen, war nur zu erkaufen gegen einen Verzicht auf alle liberalisierenden Reformen, die sich gegen eben diese Stände richteten.“ [Preußen, S. 184] Deshalb kam es nur zu Verwaltungs- und Wirtschaftsreformen, während die Verfassungsreform letzten Endes im Sande verlief; vgl. auch ebd., S. 164–216; siehe auch die Kritik an Koselleck in Demel, Reformstaat, S. 114. 63 Vgl. Vogel, Allgemeine Gewerbefreiheit, bes. S. 9–18.; dies., Beamtenkonservativismus, passim. 64 Vgl. Obenaus, Anfänge, bes. S. 88–95. 65 Vgl. Süle, Preußische Bürokratietradition, S. 251; siehe auch Henning, Beamtenschaft, passim. 66 Vgl. Koselleck, Preußen, bes. S. 153–447; siehe außerdem Habermann, Junkertum, passim; Reinke, Bürokratie, passim. 67 Vgl. Hettling, Reform ohne Revolution, bes. S. 80–114. 68 Treichel, Primat, S. 585 und S. 591. 69 Schulz, Herrschaft, S. 261.

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Staatsprinzip im Gegensatz zum älteren Ständeprinzip71, und insbesondere die Idee des christlich-germanischen Staates fand bei ihnen wenig Widerhall72. Insgesamt tritt auch in diesen Untersuchungen ein ambivalenter Charakter der Bürokratie hervor. Da es bisher nur wenige Arbeiten über die preußische Bürokratie gibt, kann eine Biographie des Grafen Arnim das Bekannte ergänzen bzw. weitere Arbeiten anregen: Als Verwaltungsbeamter war er wiederholt mit der Eingliederung neuer Territorien in den preußischen Staat beschäftigt, was ein wesentliches Problem der meisten deutschen Staaten im Zeitalter von „Revolution und Restauration“ darstellte73. Anschließend gehörte der Graf zu den Männern, die vor der Revolution im engsten Umkreis des vorkonstitutionell regierenden Königs Friedrich Wilhelm IV. zu arbeiten hatten und denen sich dabei zwei Alternativen boten: Entweder mußten sie ihren modus vivendi mit der eigenwilligen Regierungsweise des „Romantikers auf dem Thron“ finden oder aber den Rückzug aus der vordersten Linie wählen. Graf Arnim gehörte zu den Männern, die als Mitglied der Regierung bereits nach kurzer Zeit demissionierten: Seine Amtszeit als Innenminister dauerte immerhin gut drei Jahre (vom 18. Juni 1842 bis zum 13. Juli 1845)74, die als Ministerpräsident dagegen nur zehn Tage (vom 19. bis 29. März 1848)75. Ausgehend von der Frage, warum gerade er in einer ernsten Staatskrise (auf dem Höhepunkte der Märzrevolution in Berlin) vom König in ein besonders verantwortungsvolles Amt berufen wurde, soll in den ersten beiden Kapiteln die Karriere Arnims als Verwaltungsbeamter und Minister beschrieben werden76. Dabei soll insbesondere die Frage beantwortet werden, inwiefern der konservative Graf dennoch so reformorientiert war77, daß er 70

Vgl. Heindl, Gehorsame Rebellen, passim; zuvor schon Bodi, System und Bewegung, passim. 71 Vgl. Heindl, Rebellen, S. 65. 72 Vgl. ebd., S. 67. 73 Vgl. bes. Kap. I.3. und II.1. Durch die von Napoleon initiierten territorialem Umwälzungen zwischen 1803 und 1806 wurden nicht nur Bayern, Württemberg und Baden auf Dauer wesentlich vergrößert. Die preußische Monarchie erhielt zwischen 1793 und 1815 sogar dreimal ein völlig neues Gesicht durch eine erste Expansion (im Osten 1793 und 1795, im Westen 1803–1806), eine starke Dezimierung 1807 und eine zweite Expansion mit Schwerpunkt im Westen 1814/15. 74 Vgl. Kap. II.2. 75 Vgl. Kap. III.1. 76 Vgl. Kap. I.3., II.1., II.2., III.1. 77 In der zweiten Beilage zur Deutschen Zeitung vom 5. April 1849 („Die drei Arnims“, siehe das Blatt auch in Arnims Nachlaß, Nr. 3779, Bl. 49) heißt es über Adolf-Heinrich v. Arnim: „Er ist durch seine ganze Stellung in eine aristokratische Richtung gewiesen, ein zäher Tory, daher auch Mitglied des ,Junkerparlaments‘, ist

4. Typologisierung des preußischen Konservativismus

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zur Bewältigung der Krise geeignet war. Für Arnims gesamte Amtszeit als Minister, insbesondere aber für die Märzrevolution, wird dabei zu untersuchen sein, inwiefern er die Staatskrise auf Grund eigener Konzepte zu meistern versuchte oder inwiefern er lediglich aus Loyalität Maßnahmen durchführte, die er persönlich für ungeeignet hielt. 4. Typologisierung des preußischen Konservativismus Die vorliegende Biographie versteht sich auch als Beitrag zur Geschichte des Konservativismus. Dieser wurde bisher mit Hilfe einer Fülle disparater Denkansätze beschrieben78, so daß es notwendig ist, zunächst zu definieren, was unter „Konservativismus“ verstanden werden soll. Der Definition liegen vier Prämissen zugrunde. Erstens soll Konservativismus schwerpunktmäßig als politisch-soziale und weniger als geistige Bewegung aufgefaßt werden79. Demzufolge stehen (außer dem Grafen Arnim) weniger einzelne Personen (Philosophen, Politiker, Literaten, Wissenschaftler) und ihre Denkmodelle im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern vielmehr politische Organisationen (Vereine oder Fraktionen). Beide Teilaspekte können zwar nicht unabhängig voneinander untersucht werden, doch ergeben sich je nach Schwerpunktsetzung andere Ergebnisse. Zweitens wurden alle anthropologischen Denkansätze verworfen, die von einem überzeitlich gültigen und darum generell anwendbaren Konservativismusbegriff ausgehen80; diese Ansätze münden häufig entweder in einer aber gleichwohl ein Mann der Reform. That er doch als Minister den berühmten Ausspruch: ,Man muß den Volkswünschen immer nur einen Schritt voraus sein!‘“ 78 Vgl. als typisches Beispiel Meyer, Stand und Klasse, passim. Meyer führt im Literaturverzeichnis zwar zahlreiche geschichtswissenschaftliche Arbeiten an, argumentiert jedoch „im Spektrum von aristokratisch-feudalistischen oder konservativfaschistischen Gesellschaftsvorstellungen“ auf der Grundlage von Karl Marx, Jürgen Habermas und mehreren Soziologen, während historische Erkenntnisse lediglich aus Überblicksdarstellungen stammen und speziell für das 19. Jahrhundert meist oberflächlich bleiben. 79 „Für die Gewinnung einer tragfähigen historisch-politischen Kategorie des Konservatismus ist es in der Tat wichtig, die sozialen Trägerschichten in die Betrachtung einzubeziehen,“ betonte Schildt, Konservativismus, S. 13. Vgl. zu der Tatsache, daß Konservativismus nicht als Ideologie aufgefaßt werden muß, Huntington, Konservatismus, passim. 80 Vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 13. Antropologisch argumentiert u. a. Greiffenhagen, Dilemma, passim; siehe dazu Kaltenbrunner, Der schwierige Konservatismus, S. 28/29. Greiffenhagen knüpft an ältere Arbeiten an. Bereits 1922 hatte Alfred v. Martin einleitend formuliert: „Alles konservative Denken ist irrational.“ [Weltanschauliche Motive, S. 139] Diese Aussage nimmt die Selbstaussagen einiger Konservativer allzu wörtlich.

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Warnung vor dem Konservativismus81 oder im Versuch einer Aktualisierung des Konservativismusbegriffes82. Trotz nachweisbarer Querverbindungen zwischen einzelnen Konservativen gab und gibt es keine nachweisbare ewig gültige konservative „Lehre“, die (in jeweils aktualisierter Form) von Generation zu Generation weitergegeben würde83. Vielmehr ist der Konservativismus (wie alle politischen Bewegungen) einem dauernden Wandel unterworfen84. Drittens wurde darauf verzichtet, möglichst alle politischen Strömungen zu erfassen, die sich entweder selbst als konservativ bezeichnen oder aber so bezeichnet werden, denn aus der Geschichte des konkreten Gebrauchs des Begriffs „konservativ“85 läßt sich keine hinreichende Auskunft über den politischen Konservativismus gewinnen86. Diese Grundannahme mag als zu starke Einschränkung des Untersuchungsfeldes angesehen werden, doch wird der Begriff Konservativismus von derartig unterschiedlichen Persönlichkeiten und Strömungen verwendet, daß er vollkommen inhaltsleer würde, wollte man diese zu einem Erklärungsansatz vereinigen87. Viertens wurde der Begriff Konservativismus nicht mit der Geschichte bestimmter politischer Parteien gleichgesetzt, denn dann würde die Untersuchung erst im Jahre 1848 einsetzen88. Gut abzugrenzen und zu beschreiben 81 Vgl. u. a. Gauland, Was ist Konservativismus, passim; Giddens, Jenseits von Links und Rechts, bes. S. 45–81; Hirschmann, Denken, passim; Hondrich, Elend, passim. 82 Vgl. u. a. Mühlenfeld, Politik ohne Wunschbilder, passim. 83 Vgl. Kaltenbrunner, Der schwierige Konservativismus, S. 38. 84 Vgl. Valjavec, Entstehung, S. 6. Darum ist bei jeder Untersuchung eine Berücksichtigung der historischen Situation sowie eventueller nationaler Besonderheiten notwendig; vgl. Allmayer-Beck, Konservativismus, S. 5–7. 85 Vgl. Vierhaus, Konservativ, passim. 86 Vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 28; siehe auch ebd., S. 29–61. 87 Der Begriff wurde durch die 1818 bis 1820 erschienene Zeitschrift „Le Conservateur“ in Frankreich geprägt. Die Zeitung wurde von Francois Rene de Chateaubriand als Organ der Royalisten und Gegengründung zur liberalen „Minerve francaise“ herausgegeben; vgl. dazu Chateaubriand, Memoires d’outre-tombe II/III, S. 29. Der Begriff bürgerte sich nach der Julirevolution im Jahr 1830 auch in Deutschland ein; vgl. Vierhaus, Konservativ, S. 539–41. Das erste konservative Parteiprogramm verfaßte Viktor Aimé Huber; vgl. Huber, Elemente, passim. Allerdings konnte sich der Begriff erst allmählich etablieren. In den „Grenzboten“ hieß es noch 1849: „Die Parteinamen schwanken, und die Vorstellungen, die man mit ihnen verbindet, wechseln noch sehr schnell.“ Unsere Partei. In: Die Grenzboten 8/1,2 (1849), S. 290. Erst in der Reichsgründungsphase, spätestens seit der Gründung der Deutsch-Konservativen Partei 1975, gehörte der Begriff zur Umgangssprache und wurde bald zu einem Modebegriff ohne Trennschärfe. 88 Zwar hatten sich schon im Jahrzehnt vor der Revolution von 1848 politische Bewegungen herausgebildet, die bereits von den Zeitgenossen vielfach als Parteien bezeichnet wurden [vgl. Kap. I.4. + II.4.], doch entwickelten sich erst in der Revo-

4. Typologisierung des preußischen Konservativismus

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wäre der Konservativismus dann vor allem im kurzen Zeitraum zwischen 1850 und 1866, denn nach der Spaltung der konservativen Partei infolge Bismarcks „Revolution von oben“ veränderte sich diese grundlegend89. Tatsächlich aber handelte es sich beim Konservativismus um eine „bewußt artikulierte Gegenideologie“ gegen Absolutismus, Liberalismus und Radikalismus90, die bereits vor der Französischen Revolution voll entwickelt war91 und deren theoretische Überlegungen auf den Vorrechten der Krone und der adeligen Führungselite sowie der christlichen Grundlage des Staates fußten. Für das 19. Jahrhundert sind das Zeitalter der Französischen Revolution (bis 1815/20), das des Deutschen Bundes und der Nationalstaatsbildung (1820–1866) sowie das des Bismarckreiches (1866–1918) zu unterscheiden, wobei in dieser Arbeit vor allem der mittlere Zeitraum betrachtet werden muß. Diese Betrachtung fußt auf mehreren in den letzten Jahren entwickelten Ansätzen zur Erklärung des Konservativismus. Panajotis Kondylis benannte in seiner bahnbrechenden Studie über den Konservativismus92, aus der wesentliche Gedanken auch in diese Arbeit eingeflossen sind, als Träger des Konservativismus die Anhänger der mittelalterlich geprägten Feudalordnung (societas civilis), die sich gegen die Infragestellung ihrer herausgehobenen politischen und sozialen Position durch Absolutismus und Liberalismus gleichermaßen zur Wehr setzten. Indem er die Niederlage des Konservativismus im 19. Jahrhundert konstatierte, kommt er zu dem Fazit: „Der Konservativismus als konkrete geschichtliche

lution von 1848/49 Fraktionen und „politische“ Vereine als außerparlamentarische Organisationen der Parteien; vgl. Kap. III.4.; Jordan, Entstehung, passim; außerdem Ritter, Die deutschen Parteien 1830–1914, S. 10/11; Langewiesche, Anfänge, S. 359–61. 89 Diese Spaltung des Konservativismus manifestierte sich in der (1867 gegründeten) „Freikonservativen Partei“ und der (1876 gegründeten) „Deutschkonservativen Partei“. Diese Spaltung und die (ab 1890) erfolgende Transformation in „rechte“ Volksparteien können hier jedoch nicht beschrieben werden, da die Studie auf den Lebenszeitraum Arnims (1803–1868) beschränkt ist. 90 Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 440. 91 Hartnäckig hält sich die irrige Annahme, der Konservativismus sei erst als Reaktion auf die Französische Revolution entstanden; vgl. Gablentz, Reaktion, S. 79; Klemperer, Konservative Bewegungen, S. 25; Mommsen, Deutsche Parteiprogramme, S. 9; Ribhegge, Konservativismus, S. 123 + 129; ders.: Konservative Politik, passim; Ritter, Die preußischen Konservativen, S. 2; Stamm/Eberle, Deutschland, S. 1–7. Diese Annahme wurde u. a. von Valjavec und Panajotis Kondylis zurückgewiesen; vgl. Valjavec, Entstehung, passim; Kondylis, Konservativismus, S. 11; siehe auch Brandt, Landständische Repräsentation, S. 47; Kaltenbrunner, Der schwierige Konservatismus, S. 26–28; Raumer, Absoluter Staat, S. 88–96; Schildt, Konservativismus, S. 11; Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 440/41. 92 Vgl. Kondylis, Konservativismus, passim. Siehe dazu auch die umfangreiche Rezension von Kraus, Konservativismus im Widerstreit, passim.

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Erscheinung, die von einer fest umrissenen Ideologie begleitet wurde, ist längst tot und begraben.“93 Auch Kondylis erkannte „verschiedene Auffassungen“ unterschiedlicher konservativer Autoren, die er auf den Grad der jeweiligen Kompromißbereitschaft gegenüber dem modernen Staat zurückführte94. Allerdings erwähnt er die Gegensätze zwischen konservativen Bürokraten und konservativen Ständevertretern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur am Rande95. Die nicht nur von Kondylis vertretene Auffassung, es habe nur eine homogene konservative Partei gegeben, führt zu unnötig komplizierten Konstruktionen, z. B. zu dem Urteil, Graf Arnim sei „durch den Gang der Dinge immer mehr von der liberalen zur konservativen, schließlich zur ultrakonservativen Front gedrängt“ worden96. Deshalb ist es sinnvoll, die von Kondylis nur angedeutete Binnendifferenzierung des Konservativismus mittels einiger neuerer Arbeiten vorzunehmen, ohne daß dadurch dessen Beschreibung prinzipiell verworfen werden müßte. Als erstes Modell einer Differenzierung innerhalb des Konservativismus ist der Begriff des „Beamtenkonservativismus“ zu nennen, der von Barbara Vogel in einem Aufsatz erarbeitet und von Lothar Dittmer in einer gründlichen Monographie expliziert wurde97. Dittmer stellte abschließend fest: „Der preußische Konservativismus ist nie ein Monopol des Adels und der Rittergutsbesitzer gewesen. Er wurde bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts maßgeblich durch einen Personenkreis mitgetragen, der sich aus Beamten und staatsnahen Bildungsbürgern zusammensetzte.“98 Diesen Kreis nannte er die „Beamten- bzw. Reformkonservativen“99. Das zweite Modell einer Zweiteilung des Konservativismus wurde von Jörn Garber entwickelt100: Dieser diagnostizierte einen „Binnenkonflikt im 93

Ebd., S. 507. Noch deutlicher formulierte Kondylis dies acht Jahre später: „Die moderne Massendemokratie hat somit die Begriffe ,Konservativismus‘, ,Liberalismus‘ und ,Sozialismus‘ mit einem Schlag gegenstandslos gemacht.“ [Kondylis, Planetarische Politik, S. 101] 94 Vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 135. Er geht jedoch auf diese Unterschiede bewußt nicht weiter ein, weil er das Gemeinsame aller Konservativen herausarbeiten will. 95 Vgl. Vogel, Beamtenkonservativismus, S. 3. 96 Weber-Krohse, Sieben Preußen, S. 387. 97 Vgl. Vogel, Beamtenkonservativismus, passim; Dittmer, Beamtenkonservativismus, passim. Dittmer betonte im Vorwort, von Vogel zu der Arbeit angeregt worden zu sein; vgl. ebd., S. 1. 98 Ebd., S. 406. 99 Ebd., S. 413. 100 Mehrere grundlegende Aufsätze finden sich in dem Sammelband Garber, Spätabsolutismus, passim; vgl. auch die Dokumentation von dems., Kritik der Revolution, passim.

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gegenrevolutionären Lager“ auf Grund einer „Spannung zwischen einer auf Bewahrung dringenden ,Reaktion‘ bzw. einer auf Erneuerung rein ständischer Herrschaftsformen abzielenden ,Restauration‘ einerseits und dem Reformmodelle proklamierenden moderierten Konservativismus andererseits“101. Diesen reformorientierten Konservativismus nannte Garber „rationaler Konservativismus“102. Darunter subsummierte er auch Anhänger des aufgeklärten Absolutismus103 sowie Konservative, die selbst auf dem Boden des Vernunftrechtes argumentierten. Dabei verzichtete er auf die (von Vogel und Dittmer verwendete) problematische Unterscheidung von „adligem“ und „bürgerlichem“ Konservativismus und betonte statt dessen die Bedeutung unterschiedlicher Denktraditionen. Auf Grund dieser Tatsache ist Garbers Ansatz für eine Binnendifferenzierung des (zumindest bis 1866) vom Adel geprägten Konservativismus besser geeignet als Vogels und Dittmers Modell. Drittens wurde der angestrebten Binnendifferenzierung des deutschen Konservativismus der geschichtliche Abriß Axel Schildts zugrunde gelegt104. Dieser legte (außer Kondylis) eine der wenigen zufriedenstellenden Überblicksdarstellungen über die Geschichte des deutschen (besonders des preußischen) Konservativismus vor105. Ohne eine umfassende Arbeit über den preußischen Konservativismus zwischen 1820 und 1866 ersetzen zu wollen, soll es eine vorrangige Aufgabe der vorliegenden Arbeit sein, nicht nur den Grafen Arnim im System des preußisch-deutschen Konservativismus zu verorten, sondern darüber hinaus zu einer Typologie des Konservativismus zu gelangen, die sowohl hinreichend differenziert für eine biographische Analyse als auch übersichtlich genug für eine Systematisierung ist106. Dieser Versuch erfolgt in 101

Garber, Literatur, S. 316. Garber, Theoriemodelle, S. 332/33. 103 Garber hat nicht weniger als 120 Naturrechtssysteme ausfindig gemacht, die den aufgeklärten Absolutismus als beste Staatsform priesen; vgl. ebd., S. 341. 104 Vgl. Schildt, Konservativismus, passim. 105 Die Defizite der Konservativismusforschung bilanzierte zuletzt Kraus, Stand, passim. Nützlich sind nach wie vor die älteren Arbeiten von Stillich und Schüddekopf; vgl. Stillich, Die Konservativen, passim; Schüddekopf, Innenpolitik, passim. Die grundlegende Darstellungen von Valjavec und Epstein kamen leider über die Frühphase des Konservativismus nicht hinaus; vgl. Valjavec, Entstehung, bes. S. 255–342; Epstein, Ursprünge, passim. Bedauerlich ist, daß Epsteins angekündigter zweiter Band [Ebd., S. 40] nicht erschien, weil der Autor tödlich verunglückte. Dagegen verliert sich Ribhegges neuere Darstellung zu sehr in der allgemeinen Geschichte, bringt wenig Details und legt einen unklaren Konservativismusbegriff zugrunde; vgl. Ribhegge, Konservative Politik, passim. 106 Schon Valjavec wies darauf hin, „daß die Anwendung starrer politischer Begriffe auf eine Zeit, in der sich die einzelnen Strömungen voneinander nicht immer deutlich unterscheiden, methodische Gefahren in sich birgt. Wenn wir zu einem kla102

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Kenntnis der Tatsache, daß es für Deutschland schwieriger als z. B. für Frankreich ist, verschiedene konservative Strömungen voneinander abzugrenzen107. Grundsätzlich wurde der Konservativismus als eine politische „Partei“108 aufgefaßt, in dem vor allem zwei „Flügel“ um die Vorherrschaft rangen109: ein am status quo orientierter „altkonservativer“ Flügel und ein an Staat und Dynastie orientierter, aber dennoch zu Reformen bereiter „staatskonservativer“ Flügel. Dabei soll der Begriff des Staatskonservativismus verschiedene Erklärungsansätze zu einem Oberbegriff zusammenfassen110. Geren Bild der Entwicklung auf diesem Gebiete gelangen wollen, ist ihre Anwendung jedoch schlechthin unerläßlich.“ [Entstehung, S. 11] 107 Vgl. Brandt, Landständische Repräsentation, S. 48. 108 Von politischen Parteien im engeren Sinne kann man nach Mannheim [Ursprünge, S. 37] erst sprechen, wenn sich in parlamentarischen Institutionen Fraktionen bilden können. Dagegen haben sich nach Nipperdey [Grundprobleme, S. 90] Parteien im frühen 19. Jahrhundert um Zeitschriften, bestimmte Literaturwerke, aus Anlaß von Festen oder in gesellschaftlichen Zirkeln gebildet. Auf Grund verschiedener Ursachen, die zum Teil im Verlaufe der Untersuchung noch zu behandeln sind, wurden die Vereine von den Fraktionen organisatorisch „ausgehöhlt“ [vgl. Boldt, Anfänge, S. 52], so daß diese das politische Leben dominierten. In der vorliegenden Arbeit wurde gemäß Nipperdeys und Boldt der Begriff „Partei“ als übergeordneter Begriff verwendet: Unter dem Dach der „Partei“ konnten sich verschiedene parlamentarische „Fraktionen“ sowie außerparlamentarische „Vereine“ befinden; vgl. dazu Boldt, Anfänge, S. 18–53. 109 Für die Zeit der preußischen Reformen (1806–1820) könnte man von zwei Parteien sprechen, nämlich von „Adelspartei und Reformpartei“ [Schnabel, Deutsche Geschichte I, S. 472–74]. Seit den „Karlsbader Beschlüssen“ war jedoch der Gegensatz zwischen Konservativen und Liberalen so dominant und der Zusammenhalt der Konservativen so stark, daß man von einer konservativen Partei ausgehen kann. 110 Angeregt wurde diese Einteilung durch eine Formulierung Thomas Nipperdeys, der die „Historisch-Politische Zeitschrift des Staatskonservativen Ranke“ und das „Berliner Politische Wochenblatt der Hochkonservativen“ unterschied [Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 378], und außerdem durch die Arbeiten von Garber, Vogel und Dittmer. Sie folgt außerdem etlichen Arbeiten, die ähnliche Differenzierungen vornahmen: Bereits Karl Mannheim unterschied einen „romantisch-ständischen Standort“ und einen „Denkort der historischen Schule“, welchen er (fußend auf Gustav Schmoller) auf die preußische Beamtentradition zurückführte; vgl. Mannheim, Konservativismus, S. 221. Inhaltlich ähnliche Einteilungen verwendeten Brandt, Landständische Repräsentation, S. 49; siehe auch ebd., S. 122–159; Buchheim, Geschichte, S. 137, Anm. 2; Büsch, Partei, S. 168; Bußmann, Beitrag, S. 44; Hardtwig, Vormärz, S. 161–166; Heffter, Selbstverwaltung, S. 216; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 331–345; Martin, Motive, S. 158/59; Marcks, Der Aufstieg des Reiches I, S. 183; Neumann, Stufen, S. 124; Reif, Adelspolitik, S. 220; Schoeps, Preußen, S. 221/22; Schüddekopf, Innenpolitik, S. 20 + 27. Selbst Kondylis denkt zumindest an eine derartige Einteilung; vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 242/43 und 401. Mit dem Begriff „Staatskonservativismus“, den außer Thomas Nipperdey [Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 378] auch Wolfgang Hardtwig [Vormärz, S. 161],

4. Typologisierung des preußischen Konservativismus

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gensätze innerhalb des konservativen Lagers können am besten mit der für „moderne“ Parteien selbstverständlichen Tatsache erklärt werden, daß es zwei verschiedene Flügel gab, die nur ein loses Band einte. Zeitweilig wurden die Flügel vor allem durch massiven Druck aus dem liberalen bzw. demokratischen Lager zusammengeschweißt, während es andererseits immer wieder zu massiven Differenzen in strategisch-taktischen Fragen kam, nicht zuletzt bezüglich des konservativen Staatsverständnisses111. Beide Ausprägungen des Konservativismus bestanden in vielfältigen Wechselbeziehungen lange nebeneinander112. Trotz aller Gegensätze gab es aber (zwischen 1820 und 1866) nur eine konservative Partei. Allerdings spalteten sich 1837 die konservativen Katholiken ab, die sich später dem Zentrum anschlossen113, und in den 1850er Jahren die „nationalkonservative“ Wochenblattpartei114. Der Entstehung der beiden Flügel des Konservativismus im 19. Jahrhundert lag eine Ambivalenz zugrunde, die den Konservativismus bereits im 16. Jahrhundert prägte: Der Adel hielt einerseits grundsätzlich an der Rechtsauffassung der societas civilis fest, wollte aber gleichzeitig die Posten im jungen Staatsapparat aus den eigenen Reihen besetzen und sah sich deswegen dazu gezwungen, sich stärker als bisher mit dem Schicksal des Staates zu identifizieren115. Die sich daraus ergebene Diskrepanz zwischen Anpassung Otto-Ernst Schüddekopf [Innenpolitik, S. 20] und Ernst-Rudolf Huber [Deutsche Verfassungsgeschichte II, S. 344/45] verwendeten, soll ein gouvernementaler Flügel des Konservativismus beschrieben werden, der nicht selten im Gegensatz zum altständischen Flügel stand und zu dem Männer wie Radowitz, Otto v. Manteuffel und auch Graf Arnim zählten. Dieser Begriff erschien dem Verfasser prägnanter (und besonders für die Adjektivbildung geeigneter) zu sein als die Begriffe „Beamtenkonservativismus“, „gouvernementaler Konservativismus“, „bürokratischer Konservativismus“ oder „aufgeklärter Konservativismus“. Auch der Begriff „Liberalkonservativismus“ wurde als ungeeignet verworfen; vgl. dazu Kondylis, Konservativismus, S. 304–313. 111 Vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 209 + 286. 112 Vgl. Schildt, Konservatismus, S. 15; Vogel, Beamtenkonservatismus, S. 2. 113 Vgl. Kap. II.4. Die katholischen Konservativen schlossen sich dem späteren „Zentrum“ an. 114 Vgl. Kap. IV.4. + V.4. Kondylis nannte die Wochenblattpartei „nationalkonservativ“; vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 296; siehe auch Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 342–344; anders Neumann, Stufen, S. 55. Die „Wochenblattpartei“ Bethmann-Hollwegs der 1850er Jahre unterschied sich von der konservativen Partei dadurch, daß sie zusammen mit den Liberalen zur Opposition gehörte; vgl. dazu auch Brandt, Landständische Repräsentation, S. 49/50; Schoeps, Preußen, S. 227. Von 1858 bis 1862 trug die Wochenblattpartei dann zusammen mit den Liberalen die Politik der „neuen Ära“; vgl. auch Strakosch, Liberalismus, passim. 115 Vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 81. Die stärkere Betonung der Rechtsauffassung war demnach die altkonservative, die Konzentration auf den Staatsdienst die staatskonservative Variante des Konservativismus.

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und Prinzipientreue verschärfte sich während der Französischen Revolution, als es angesichts der Krise der societas civilis zu Differenzen über den „rechten“ Weg zwischen den beiden Flügeln des Konservativismus kam. Der Staatskonservativismus hatte (neben dem klassischen konservativen Gedankengut) zwei zusätzliche theoretische Wurzeln: einerseits das spätabsolutistische Vernunftrecht (bzw. die Philosophie Hegels) und andererseits den evolutionären Historismus, wie er vor allem von dem Juristen Savigny und dem Historiker Ranke geprägt wurde116. Unter dem Einfluß der letzteren wurde die traditionelle Ideologie in dem Maße umgestaltet, wie der Staatskonservativismus unter den Einfluß der vom Staat ausgehenden Verhaltens- und Denkweise geriet. Dabei entstand die Auffassung, „königliche Autorität sei selbst unter Beimischung (starker) absolutistischer Momente der sozialen Anarchie eindeutig vorzuziehen.“117 Auch deshalb war der Staatskonservativismus keine reine Adelsbewegung und darum nicht in erster Linie am Machterhalt der adeligen Führungsschicht orientiert118: Wie die Liberalen lehnten die Staatskonservativen, die vor allem aus dem Umkreis der konservativen Reformer innerhalb der Bürokratie stammten, den Konstitutionalismus nicht prinzipiell ab119. Auf der anderen Seite versuchten sie das Verhältnis von Adel und Krone „auf eine neue, ausschließlich gegenrevolutionäre Basis zu stellen“120, und darin unterschieden sie sich von den Liberalen: Ihr Ziel war es, die politische Macht nicht im Parlament, sondern in der Exekutive, also nominell bei der Krone, de facto aber in der Bürokratie zu monopolisieren und aus dieser Position der Stärke heraus eine Modernisierung ohne Demokratisierung zu verwirklichen121. Die daraus resultierende Bürokratisierung des Staates sollte eine Synthese zwischen den Zukunftserwartungen der Liberalen und dem überholten absolutistischen Ständestaat ermöglichen122; ein autoritärer Reformstaat sollte demnach vor allem eine drohende Revolution verhindern123. 116

Vgl. Garber, Theoriemodelle, passim; siehe auch Pfizer, Liberal, passim. Kondylis, Konservativismus, S. 101; siehe auch ebd., S. 90. 118 Vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 16, gegen Schwentker, S. 38/39; Schmidt, Junkertum, passim; Puhle, Programm, passim. Dagegen war das Ideal der Altkonservativen die faktische Errichtung einer Adelsrepublik mit monarchischer Spitze; vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 105/06. 119 „Die Grenze zwischen Liberalen und Konservativen verlief mitten durch das konstitutionelle Lager und entsprach der Spaltung der vormärzlichen Rechtswissenschaft in eine rechtshistorische und eine vernunftrechtliche Schule.“ [Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 19] 120 Kondylis, Konservativismus, S. 216. 121 Vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 21. Kondylis sprach von denjenigen Konservativen, „die meinten, der eigenen Sache könnte unter den gegebenen Umständen durch eine nicht liberale Form von Konstitutionalismus am besten gedient werden.“ [Kondylis, Konservativismus, S. 241] 117

5. Grundzüge der Entwicklung des Parlamentarismus in Preußen

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In der vorliegenden Arbeit soll auf dieser Unterscheidung aufbauend als durchgehende Fragestellung die Position des Grafen innerhalb des konservativen Spektrums beschrieben und mit Hilfe anderer (bereits hinreichend bekannter) konservativer Positionen beurteilt werden, und zwar sowohl von Theoretikern wie Ernst Ludwig v. Gerlach und Friedrich Julius Stahl als auch Realpolitikern wie Otto v. Manteuffel und Otto v. Bismarck. Bei dieser Untersuchung, die das Kernstück der vorliegenden Arbeit bilden dürfte, muß auch erörtert werden, ob Graf Arnim zu den reinen „Interessenpolitikern“ zählte, die spätestens ab den 1840er Jahren hervortraten124, oder aber zu den „Sozialkonservativen“, die sich ab 1855 als Reaktion auf die immer deutlicher hervortretende Interessenpolitik zusammenfanden125. Jüngst wurde wieder die Schwierigkeit herausgearbeitet, „die Geschichte des Konservatismus als eines sich immer wieder an die gesellschaftliche Entwicklung anpassenden und damit stets verändernden geistigen und politischen Phänomens über den Gesamtzeitraum seines Bestehens hinweg zu beschreiben“126. Dieser Schwierigkeit will sich diese biographische Arbeit stellen. Sie fußt dabei auch auf einigen ausgewählten Arbeiten zur generellen Entwicklung des Parlamentarismus in Preußen, die in einem engem Zusammenhang mit der Entwicklung des Konservativismus zu sehen ist. 5. Grundzüge der Entwicklung des Parlamentarismus in Preußen Im engeren Sinne begann die Geschichte des preußischen Konstitutionalismus erst mit dem Verfassungsoktroi am 5. Dezember 1848 oder mit dem Inkrafttreten der Revidierten Verfassung am 6. Februar 1850127. Doch obwohl es vorher keine gültige preußische Verfassungsurkunde gab, so existierten doch Ansätze eines Konstitutionalismus, die ihren Ursprung in den Stein-Hardenbergschen Reformen hatten128. Da die Reformbemühungen 122 Vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 51. Mühlenfeld [Politik, S. 245] nannte dies eine „unorganische und als solches keineswegs gleichgewichtige Ehe zwischen Absolutismus und Konservatismus.“ 123 Das Bestreben ging dahin, „durch Perfektion der Regierungs- und Verwaltungstätigkeit die parlamentarische Mit- oder Selbstbestimmung des Volkes zu erübrigen.“ [Brandt, Landständische Repräsentation, S. 133] 124 Vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 401–417. 125 Allmählich differenzierte sich ein eigenständiger sozialkonservativer Flügel heraus, der nach 1855 in Erscheinung trat und den vor allem Hermann Wagener verkörperte; vgl. u. a. Blasius, Lorenz von Stein, passim; ders., Konservative Sozialpolitik, S. 469–488; Kondylis, Konservativismus, S. 439–446. 126 Schildt, Konservatismus, S. 19. 127 Vgl. bes. Grünthal, Parlamentarismus, S. 27–65; ders., König, passim; außerdem die älteren Werke von Goldschmidt, Verfassung, S. 349–391; Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, S. 349–391.

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Einleitung

Hardenbergs jedoch 1820/21 durch eine höfische Intrige vorzeitig beendet wurden129, kam es nicht zur Bildung eines preußischen Parlaments. Vielmehr wirkten seit 1823 die Landtage der acht Provinzen (in äußerst begrenztem Umfang) an der Gesetzgebung mit130. Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine konstitutionelle, sondern um eine neuständische Einrichtung, mit dem Ziel der Verhinderung einer Konstitutionalisierung Preußens131. Diesem Ziel diente auch der „Vereinigte Landtag“ von 1847, die Versammlung aller Abgeordneten der acht Provinziallandtage in Berlin132. Insbesondere der Kronprinz und (ab 1840) König Friedrich Wilhelm spielte dabei eine führende Rolle133. Erst 1848 wurde mit der preußischen Nationalversammlung ein vom Volk gewähltes, „modernes“ Parlament geschaffen134. Die Entstehungsgeschichte des preußischen Konstitutionalismus kann inzwischen als gut untersucht gelten135, wobei vor allem Wolfgang Schwentker und William James Orr die Rolle der Konservativen herausarbeiteten136. Dieser Zeitraum spielt allerdings in der vorliegenden Arbeit nur eine untergeordnete Rolle, weil Graf Arnim lediglich im Vereinigten Landtag als Parlamentarier auftrat137. 128

Vgl. dazu u. a. Obenaus, Anfänge, passim; ders., Verfassung, passim. Vgl. Obenaus, Verfassung, S. 323; gegen Koselleck, Preußen, S. 323; siehe auch Nolte, Staatsbildung, S. 82–85. 130 Vgl. zu den Provinziallandtagen zuletzt Schubert, Preußen im Vormärz, passim; siehe auch Croon, Provinziallandtag, passim. 131 Vgl. Obenaus, Verfassung, S. 46–54. Allerdings konnten sich in dieser Zeit die Stadtverordnetenversammlungen zu einer Schule des Parlamentarismus entwikkeln; vgl. dazu Koselleck, Preußen, S. 582–586; Obenaus, Anfänge, S. 585/86; ders., Verfassung, S. 53. 132 Vgl. Asmus, Verfassungsadresse, passim; Eickenboom, passim; Kulenkampf, Landtag, passim. 133 Vgl. Barclay, Anarchie, bes. S. 67–69 und 182–190; Blasius, Friedrich Wilhelm IV., bes. S. 57–70; Kroll, Friedrich Wilhelm IV., bes. S. 65–107. 134 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, passim; mit anderer Akzentuierung Böhr, Verfassungsarbeit, passim. 135 Vgl. dazu Botzenhart, Parlamentarismus, bes. S. 132–141, 441–453, 493–504, 515–555 und 745–789; ders., Parlament, passim; Frahm, Entstehungsgeschichte, passim; Obenaus, Anfänge, passim; ders., Verfassung, passim. 136 Vgl. Schwentker, Konservative Vereine, passim; Orr, Foundation, passim. Einseitig recherchiert ist dagegen Trox, Militärischer Konservativismus. Trox folgt kritiklos etlichen Argumenten der in den 1960er Jahren in der DDR entstandenen Arbeiten von Konrad Canis [Militarismus. Diss. masch. Rostock 1965] und besonders Manfred Kliem [Genesis. Diss. masch. Berlin (O) 1966; beide fanden bezeichnenderweise trotz ihrer Linientreue keine Aufnahme in eine Schriftenreihe der DDRGeschichtswissenschaft]; vgl. zu Trox auch die relativ wohlwollende Rezension von Günter Wollstein. In: FBPG, NF 1 (1991), S. 289/90. 137 Vgl. dazu Kap. II.3. 129

5. Grundzüge der Entwicklung des Parlamentarismus in Preußen

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Die Zeit zwischen 1849/50 und 1858 wird mit Blick auf die preußische Entwicklung als „Reaktionszeit“ bezeichnet. Sie stand im Zeichen einer konservativen Regierung unter Otto v. Manteuffel. Diese Zeit galt lange Zeit als vernachlässigter Abschnitt der deutschen Geschichte, ist aber inzwischen durch die gründlichen Arbeiten von Günther Grünthal beleuchtet worden138. Auch die Geschichte des Konservativismus ist für diese Epoche recht gründlich erforscht139, und zuletzt schloß Hartwin Spenkuch mit seiner gründlichen Arbeit über das preußische Herrenhaus eine Forschungslücke140. In diese Zeit fällt auch das Wirken des Grafen Arnim als konservativer Fraktionsführer im preußischen Landtag, so daß aus der vorliegenden Biographie einige neue Akzente zur Einschätzung der konservativen Beharrungspolitik dieser Zeit gesetzt werden können141. Spenkuchs Arbeit ist auch deshalb verdienstvoll, weil sich außer ihr nur wenige Monographien mit dem Konstitutionalismus der Neuen Ära (1858– 1862) und dem folgenden Verfassungskonflikt beschäftigen142. Zwar ist es in letzter Zeit zu einer Neubewertung der „Neuen Ära“ gekommen143, doch dominieren für die Zeit des Verfassungskonfliktes nach wie vor Untersuchungen über (den scheinbar allmächtigen) Bismarck bzw. die liberale Opposition im Landtag144. Dieses Forschungsdesiderat läßt das etwas fragwürdige Bild entstehen, als hätte es ab 1862 nur einen Zweikampf zwischen Bismarck und der liberalen Opposition gegeben, während Bismarcks Stellung in den 1860er Jahren alles andere als unumstritten war145. Diese Polarisierung erschwert auch eine Einordnung des Grafen Arnim in das politische Beziehungsgeflecht der 1860er Jahre146. 138 Vgl. außer Grünthal, Parlamentarismus auch ders., Konstitutionalismus; ders., Grundlagen; ders., Zwischen König; ders., Bemerkungen; ders., Ende. 139 Vgl. u. a. Behnen, Wochenblatt; Jordan, Friedrich Wilhelm IV.; ders., Entstehung; Kraus, Die Konservativen, passim; Schnitter, Drei konservative Berliner Zeitungen. 140 Vgl. Spenkuch, Herrenhaus, passim. 141 Vgl. Kap. III.3. + IV. 142 Vgl. Spenkuch, Herrenhaus, S. 58–86; siehe zuletzt auch Spenkuch, Herrenhaus und Rittergut, passim; außerdem Ritter, Die preußischen Konservativen, passim. Leider steht Grünthals Fortführung seiner verdienstvollen Arbeit über den preußischen Konstitutionalismus bis 1866/67 immer noch aus; vgl. Grünthal, Konstitutionalismus, S. 9. 143 Vgl. Helfert, Liberalismus, passim; Pyta, Regierungspolitik, passim; Spenkuch, Herrenhaus, bes. S. 58–84. 144 Vgl. zu Bismarck u. a. die Biographien von Engelberg, Gall und Pflanze; zum Liberalismus u. a. Fülling, Altliberale, passim; Helfert, Liberalismus, passim; Winkler, Liberalismus, passim; über die Konservativen gibt es nur die älteren Arbeiten von Müller, Volksverein und Ritter, Die preußischen Konservativen. 145 Vgl. dazu Craig, Portrait, passim; siehe auch Dehio, Manteuffel, passim. 146 Vgl. Kap. V.

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Ein weiteres Problem bei der Beschreibung des preußischen Konstitutionalismus liegt in der Frage, wie die Stellung des preußischen Herrenhauses einzuschätzen ist: Während Mann und Nipperdey besonders ab 1879 eine Abhängigkeit des Herrenhauses von der Regierung konstatierten147, schrieben Boldt, Mommsen und Wehler dem Herrenhaus wesentlich größere Bedeutung zu148. Dem hat Spenkuch auf der Grundlage seiner (bereits erwähnten) umfassenden Studie zuletzt widersprochen: Das Herrenhaus habe, „abgesehen von relativ kurzen Zeiträumen wie 1858–62 oder 1872 und über die Jahrzehnte verteilten, einzelnen Gesetzesvorhaben, zunehmend als gouvernementales Organ“ bzw. „als Reparaturinstanz für die Regierung“ gewirkt149. Zu all diesen Fragen kann eine Biographie des Grafen Arnim deshalb einige Hinweise liefern, weil Graf Arnim alles andere als ein unbedeutender „Hinterbänkler“ war: In der Revolutionszeit 1849/50150, der „Reaktionszeit“ nach 1849, in der in Preußen der Konstitutionalismus Wurzeln schlug151, und in den ersten Jahren der Regentschaft und Regierung Wilhelms I., die erst im Zeichen einer gemäßigt liberalen, dann ab 1862 einer konservativen Führung standen152, war Graf Arnim vielmehr einer der führenden konservativen Parlamentarier, ohne aber einen derart starken Einfluß auf die Politik nehmen zu können, wie es seinem Standesgenossen Otto v. Bismarck in den 1860er Jahren möglich war. Graf Arnim trat aus gesundheitlichen Gründen von der Bühne ab, als Bismarck im Jahre 1866 seine „Revolution von oben“ begann. Er verstarb im Januar 1868. Insofern war er ganz ein Mann der „alten Zeit“, ein typischer Vertreter der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der ganz im Zeichen des Deutschen Bundes lebte153. Auf Grund dieser Tatsache können mit Hilfe der Biographie des Grafen Arnim auch die Zäsuren von 1840, 1848, 1858 und 1866, die bisher als noch nicht hinreichend erforscht gelten154, in ihrer Bedeutung für die Entwicklung des preußischen Konstitutionalismus deutlicher als bisher beschrieben werden, um damit zugleich die Erkenntnisse über den Gang der 147 Vgl. Mann, Herrenhaus, S. 294–298; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866– 1918 II, S. 610. 148 Vgl. Boldt, Verfassungsgeschichte II, S. 109; Mommsen, Ringen, S. 84; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte III, S. 857. 149 Spenkuch, Herrenhaus und Rittergut, S. 398 und 399. 150 Vgl. Kap. III.3. 151 Vgl. Kap. IV.1.–3. 152 Vgl. Kap. V.1.–3. 153 Darum handelt es sich bei der Biographie Arnims gerade nicht um die Darstellung der Vorgeschichte der Reichsgründung, sondern um die eigenständige Darstellung eines Ausschnitts aus dem Zeitalter von Restauration und Revolution. 154 Schildt, Konservatismus, S. 22.

5. Grundzüge der Entwicklung des Parlamentarismus in Preußen

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Ereignisse zwischen dem Wiener Kongreß und der Reichsgründung zu erweitern155. Insgesamt versucht die vorliegende Arbeit, sozial- und politikgeschichtliche Ansätze im Medium einer biographischen Darstellung miteinander zu verbinden156, um daraus einige Erkenntnisse über den märkischen Adel, die preußische Verwaltung und den preußischen Konstitutionalismus zu gewinnen. Im Zentrum sollen jedoch eine gründliche Untersuchung des Konservativismus in Preußen und insbesondere eine Einordnung des Grafen Arnim und seines Umfeldes in denselben stehen, um die sich die übrigen Untersuchungsfelder gruppieren.

155 In dieser Arbeit wurde die Zäsur bewußt 1840 und nicht 1830 gesetzt, um einerseits die besondere Bedeutung des Thronwechsels zu betonen, mit dem auch die Altkonservativen zu größerem Einfluß gelangten, und andererseits die Spaltung des Konservativismus in die Protestanten und die Katholiken, die schließlich zum Zentrum gehörten, hervorzuheben; vgl. auch Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 347 und S. 399. Außerdem wurde 1858 und nicht 1862 eine Zäsur gesetzt, um die Kontinuität der Politik Wilhelms I. zu betonen, dem es in der Neuen Ära und im Verfassungskonflikt vor allem um die Heeresreform ging. Darüber hinaus befanden sich die Konservativen die ganze Zeit von 1858 bis 1866 in der Defensive bzw. waren fast vollständig aus dem Abgeordnetenhaus verdrängt und auf ihre Bastion im Herrenhaus zurückgeworfen worden [vgl. Kap. V.4.]. 156 Vgl. Kraus, Verhältnis, S. 269–278; Schieder, Unterschiede, passim.

I. Charakterprägung unter Friedrich Wilhelm III. (1803–1840) Das Zeitalter Friedrich Wilhelms III. war geprägt von großen Turbulenzen in seiner ersten (1797–1820) und einer geradezu „halkyonischen“ Ruhe in seiner zweiten Hälfte (1820–1840)1. Zunächst wurde Europa durch Napoleon Bonaparte gründlich in Unordnung versetzt, und als Reaktion darauf veränderte sich auch Preußen im Zeichen der „preußischen Reformen“2. Als Napoleon auf Grund seiner verheerenden Niederlage in Rußland 1812 die Initiative verlor, wurde der Gang der Dinge von den leitenden Staatsmännern der verbündeten Mächte bestimmt. Zunächst wurde der Korse militärisch niedergeworfen, anschließend Europa auf dem Wiener Kongreß neu geordnet3. Dabei wurde der Österreicher Metternich der einflußreichste Staatsmann der Epoche4. Zumindest die Konsolidierung Deutschlands, die 1820 vorläufig abgeschlossen war, wurde wesentlich von ihm vorangetrieben. Das Ergebnis war eine anationale, bürokratische Ordnung, die auf der Solidarität der verbündeten Souveräne beruhte. In Preußen wuchsen nach 1815 allmählich die Widerstände gegen die Reformpolitik des Staatskanzlers Hardenberg. Zwar wurde das 1815 gegebene Verfassungsversprechen im Jahre 1820 im „Staatsschuldenedikt“ erneut bekräftigt und zugleich als Junktim mit der Finanzpolitik verbunden, doch wurde die Reformpolitik spätestens mit Hardenbergs Tod endgültig abgebrochen5. Die Einführung der Provinzialstände im Jahre 1823 war bereits von romantisch-konservativen Ideen aus dem Kreis um den späteren König Friedrich Wilhelm IV. geprägt6. Während eine gesamtstaatliche Volksvertretung bis 1847 nicht einberufen wurde, erhielt der 1817 errichtete Staatsrat die Bedeutung eines „Quasi-Parlamentes“7.

1 Leopold v. Ranke verwendete den Begriff „halkyonische Tage“; vgl. dazu Hinrichs, Ranke, S. 329; siehe auch Faber, Geschichte, S. 127–135. 2 Vgl. dazu u. a. Hubatsch, Reformen, passim; Vogel, Preußische Reformen, passim. 3 Vgl. dazu u. a. Fehrenbach, Ancien Régime, passim. 4 Vgl. u. a. Hartwig, Vormärz, S. 33–39. 5 Vgl. Stamm-Kuhlmann, König, S. 458–470. 6 Vgl. zu den romantischen Vorstellungen des Königs vor allem Kroll, Friedrich Wilhelm IV., passim. 7 Vgl. Schneider, Staatsrat, passim.

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I. Charakterprägung unter Friedrich Wilhelm III. (1803–1840)

Zunehmend wurde die Politik von den Ministern bzw. den leitenden Beamten geprägt, da Friedrich Wilhelm III. zwar dem Anspruch nach so absolut regierte wie die Könige des 18. Jahrhunderts, aber anders als sein Großonkel Friedrich der Große zu einer eigenständigen Leitung der Staatsgeschäfte nicht in der Lage war8. Die Folge war ein von der Bürokratie geprägter Absolutismus9. Daß dies nicht zu einer Willkürherrschaft der Beamten führte, garantierte die Tatsache, daß die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden blieb, wie insbesondere im Allgemeinen Landrecht von 1794 festgelegt worden war. Allerdings wurden im „bürokratischen Absolutismus“ Gesetzentwürfe in den zuständigen Ministerien von Beamten ausgearbeitet, im Staatsrat von Beamten beraten und vom König auf Empfehlung von Ministern (bzw. Ministerialbeamten) vollzogen, so daß eine von der Bürokratie unabhängige Gesetzeskontrolle fehlte10. Dieses Phänomen wurde dadurch verstärkt, daß der König (und hier glich er ganz seinem Großonkel) mit zunehmendem Alter immer weniger Vertraute um sich hatte: „Gegen Ende seines Lebens engte sich der Umgang des Königs derart ein, daß er allein den Fürsten Wittgenstein zum Plaudern und den Grafen Lottum zum Arbeiten hatte.“11 Seit dem Tode Hardenbergs Ende 1822 wurde das Staatskanzleramt nicht mehr besetzt, so daß es an einer straffen Einheit der Regierung mangelte12. Der seit 1818 amtierende Finanzminister Karl Friedrich Heinrich Graf v. Wylich und Lottum13 führte seit 1823 den Titel „Kabinettsminister“. Als solcher trug er dem König die Beschlüsse des (kollegial einmal wöchentlich tagenden) Staatsministeriums vor. Der König entschied dann (wie eh und je) aus dem Kabinett heraus14. Bei dieser Entscheidungsfindung mußte der Einfluß nachgeordneter Instanzen naturgemäß groß sein, denn weder der König noch Lottum konnten alle Staatsgeschäfte bis ins Detail verfolgen. 8

Vgl. Stamm-Kuhlmann, König, bes. S. 267–276, 323–329, 561–584 u. ö. Vgl. Heffter, Selbstverwaltung, S. 207–209. 10 Etwas überspitzt kann man darum von einer „Diktatur der Bürokratie“ sprechen; vgl. Kehr, Genesis, S. 45. 11 Talleyrand-Périgord, Cronique de 1831 à 1862 II, S. 321; vgl. Stamm-Kuhlmann, Der Hof Friedrich Wilhelms III. von Preußen, S. 301. 12 Heffter, Selbstverwaltung, S. 208. 13 Karl Friedrich Heinrich Graf v. Wylich und Lottum (1767–1841), bekannt als Graf Lottum, war Sohn eines preußischen Generals. Er wurde zunächst ebenfalls Offizier, mußte aber 1793 den Dienst auf Grund einer schweren Fußverletzung quittieren, die er sich in Frankreich durch einen Sturz vom Pferde zugezogen hatte. Lottum trat danach ins Ober-Kriegskollegium ein, wo er 1807 den Vortrag über militärische Angelegenheiten beim König übernahm. Friedrich Wilhelm III. lernte daraufhin den Grafen schätzen und förderte dessen Karriere. 1818 wurde Graf Lottum Finanzminister, 1823 Kabinettsminister; vgl. ADB 44 (1898), S. 394/95. 14 Vgl. Frauendienst, Staatsministerium, S. 163; siehe dazu auch Kap. II.2. und III.1. 9

1. Herkunft und Kinderjahre (1803–1813)

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Das System des „bürokratischen Absolutismus“ hatte allerdings nicht nur Nachteile. Vielmehr war die Beamtenherrschaft auch ein wesentlicher Integrationsfaktor für die preußische Monarchie, die zwischen 1806 und 1815 umfangreichen territorialen Veränderungen unterworfen war. Während vor 1800 noch selbstverständlich von den „preußischen Staaten“ die Rede war, entstand erst durch die preußischen Reformen und insbesondere durch den Aufbau vereinheitlichter und einflußreicher Behörden endgültig ein einheitlicher preußischer Staat15. Theoretisch legitimiert wurde dieser Aufbau des preußischen Staates durch den Neu-Preußen Georg Wilhelm Friedrich Hegel16. Dieser wurde an die neu gegründete Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin berufen und erhielt durch seine Lehrtätigkeit quasi den Rang eines „preußischen Staatsphilosophen“17. Jeder Mensch wird in eine bestimmte Zeit hineingeboren, von der er geprägt wird, der er in Zustimmung oder Ablehnung verbunden bleibt und aus deren Geist er sich nur schwer lösen kann. Graf Arnim wuchs unter König Friedrich Wilhelm III. auf. Während aber seine Kindheit in die Blütezeit der Herrschaft Napoleons fiel (1813 war er erst zehn Jahre alt), wurde seine Jugend von der Wiener Kongreßzeit, der Errichtung und Konsolidierung des Deutschen Bundes sowie der beginnenden Demagogenverfolgung geprägt. 1. Herkunft und Kinderjahre (1803–1813) Zu Beginn jeder Biographie finden sich üblicherweise kurze Hinweise auf das Elternhaus. Diese Hinweise werden mit der Vermutung präsentiert, daß die Eltern einen wesentlichen Einfluß auf den weiteren Werdegang der behandelten Person ausgeübt hätten18. Im Falle des Grafen Arnim könnten diese Hinweise eigentlich auf das notwendigste beschränkt werden, da er beide Elternteile bereits sehr früh verlor. 15

Vgl. dazu Schnabel, Deutsche Geschichte I, S. 363. Der 1770 geborene Georg Wilhelm Friedrich Hegel studierte Philosophie und Theologie in Tübingen, wo er u. a. Schelling kennenlernte, und war dann Privatdozent in Jena. Nach der preußischen Niederlage 1806 wurde er Rektor des Ägidiengymnasiums in Nürnberg. Erst 1816 kehrte er an die Universität zurück, und zwar nach Heidelberg. 1818 erhielt er einen Ruf nach Berlin, wo er bis zu seinem Tode 1831 lehrte; vgl. zu Hegel auch Friedrich Julius Stahls kritische Würdigung. In: Stahl, Philosophie des Rechts I, S. 270–319; siehe zuletzt auch Jaeschke, Schwabe, passim. 17 Vgl. Heffter, Selbstverwaltung, S. 211; Schnabel, Deutsche Geschichte II, S. 19/20; Koch, Geschichte, S. 109–111. 18 Häufig spielen dabei Vater-Sohn-Konflikte eine besondere Rolle, nicht nur im nur zu bekannten Falle Friedrichs des Großen. 16

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Trotz des frühen Verlustes der Eltern konnte das „Eltern-Haus“ Arnims Denken deshalb beeinflussen, weil er (besonders durch seine Großmutter) das Denken und Handeln seiner Vorfahren aus dem Boitzenburger Haus kennenlernte19. Um Adolf v. Arnims Denken besser verstehen zu können, ist es darum sinnvoll, zumindest einen kurzen Blick auf das Boitzenburger „Haus“ im weiteren Sinne und damit auch auf einige seiner Vorfahren zu werfen, um aufzuzeigen, in welcher Traditionslinie Graf Adolf stand20. a) Die Boitzenburger Ahnen Graf Arnim stammte aus einem der ältesten und vornehmsten kurbrandenburgischen Adelsgeschlechter überhaupt21: Wie etliche andere der uradeligen Familien auch, kamen die Arnime im Zuge der Ostkolonisation und damit schon lange vor den Hohenzollern in die Mark Brandenburg22. Mit der Zeit entwickelte sich ein großes Geschlecht mit zahlreichen Linien und Zweigen. Spätestens seitdem die „Junker“ sich im 16. Jahrhundert als beherrschender Stand endgültig durchgesetzt hatten, gehörten die Arnime zur sog. „Machtelite“ der sowohl an Vermögen als auch an Einfluß reichsten Familien23. Entsprechend selbstbewußt konnten die Vertreter dieses Geschlechtes auftreten. Im 16. Jahrhundert, genauer gesagt 152824, entstand 19 Arnim wurde seit 1806 von seiner Großmutter Freda Antoinette v. Arnim, geb. v. Cramm (1747–1817) beaufsichtigt; vgl. Nachlaß Nr. 3780, Bl. 3. 20 Ausfluß seines ausgesprochen traditionsbewußten Handelns war die Tatsache, daß Graf Arnim Ernst Daniel Martin Kirchner ein Buch über „Das Schloß Boytzenburg und seine Besitzer“ schreiben ließ und dies in Umlauf brachte; vgl. dazu Nachlaß Nr. 4244, passim. Die folgenden Aussagen sind aber insofern zu relativieren, als nur ein Teil des Genannten dem Grafen Arnim bekannt gewesen sein dürfte. 21 Siehe dazu Arnswaldt/Devrient, Geschlecht, 4 Bde., passim; Arnim, Märkischer Adel, passim; zuletzt Hermann, Familie, passim; außerdem Gotha, Gräfliches Taschenbuch 1909, S. 35. 22 1204 wird „Alardus de Arnheim“ als Gefolgsmann des Kurfürsten von Brandenburg urkundlich erwähnt; vgl. Devrient, Urkundenbuch, S. 1; siehe auch Arnim, Siedlungswanderung, S. 176; Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 24. Theodor Fontane beschreibt dieses Lebensgefühl des preußischen Adels treffend. Im Stechlin charakterisiert er den alten Dubslav v. Stechlin mit den Worten: „Er hatte noch ganz das eigentümlich sympathisch berührende Selbstgefühl all derer, die ,schon vor den Hohenzollern da waren‘, aber er hegte dieses Selbstgefühl nur ganz im stillen, und wenn es dennoch zum Ausdruck kam, so kleidete sich’s in Humor“. [Theodor Fontane: Der Stechlin. Berlin–Weimar (4) 1993, S. 9] Außerdem ließ Fontane die Tante Adelheid v. Stechlin ihren Neffen Woldemar ermahnen, er möge nie vergessen, „daß wir das sind, was man so ,brandenburgische Geschichte‘ nennt.“ [Ebd., S. 166] 23 Vgl. dazu Hahn, Struktur, passim. 24 Vgl. dazu auch Kap. I.1.b).

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auch die Boitzenburger Linie des Geschlechtes Arnim, dessen bedeutendster älterer Vertreter wohl General Hans Georg v. Arnim war, der sich im Dreißigjährigen Krieg auszeichnete25. Das militärische Vorbild des Generals blieb in der Geschichte des Hauses Boitzenburg unerreicht. In ihm entwickelte sich statt dessen eine andere, weniger soldatische Tradition, die mit Georg Dietloff v. Arnim (1679– 1753) begann26. Dieser wurde am 29. Juni 1694 an der Universität Halle immatrikuliert, wo er fünf Jahre Jura studierte27. Im Anschluß an sein Studium unternahm Georg Dietloff eine große Europareise, die ihn zwischen 1699 und 1703 in den Westen Deutschlands, nach Holland, Frankreich und Italien führte. Nach seiner Rückkehr wurde Arnim Kammerjunker bei Hof und zugleich Leutnant der kgl. Garde. Als Hauptmann nahm er am spanischen Erbfolgekrieg teil. 1706 beendete er jedoch seine militärische Laufbahn früh und wurde Landvogt der Uckermark28. Damit begann Georg Dietloff v. Arnims Karriere im Staatsdienst, die sich 1711 mit der Ernennung zum Justizrat fortsetzte29. Am 17. Januar 1738, mit 58 Jahren, wurde er von König Friedrich Wilhelm I. zunächst „zum Präsidenten des Tribunals in Berlin und des damit verknüpften Ravensbergischen Appellationsgerichtes bestellt“30. Vier Tage später wurde er, als Nachfolger des Geheimrats v. Cocceji31, zum „Lehnsdirektor im Kgr. Preußen“ und zweiten Justizminister ernannt32. 25 Vgl. dazu Irmer, Hans Georg von Arnim, passim; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 45–71; Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 222–299; siehe auch Fontane, Wanderungen III, S. 517–520 und 565–568. 26 Nachlaß in: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg, Nrr. 3681–3715; vgl. zu diesem Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 337–366; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 109–113 und S. 457–480; Stölzel, Rechtsverwaltung II, S. 122–220. 27 Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 109/10; dort auch das folgende. Er war wohl der erste v. Arnim, der eine vollständige juristische Ausbildung genoß; vgl. ebd., S. 109. 28 Vgl. Devrient, Urkundenbuch, S. 479–481. 29 Ernennungsurkunde vom 18.04.1711, ebd., S. 502/03. 30 Ebd., S. 531. 31 Samuel Frhr. v. Cocceji, Sohn eines namhaften Juristen, reformierte ab 1718 das ostpreußische Justizwesen. 1738 wurde er von Friedrich Wilhelm I. mit umfassenden Reformarbeiten für das gesamte preußische Justizwesen beauftragt, mußte jedoch seine Arbeiten schon 1739 wieder abbrechen. Unter Friedrich dem Großen nahm er die Arbeiten 1740 erneut auf. Bis 1747 reformierte Cocceji das Justizwesen in Pommern; es folgten entsprechende Maßnahmen in den anderen Provinzen. Besondere Bedeutung kam dabei der Vereinheitlichung des Gerichtsaufbaus zu, wobei er zahlreiche Widerstände zu überwinden hatte. 1747 bis 1751 führte Cocceji schließlich eine Neuordnung des Prozeßrechtes durch; vgl. ADB 3 (1957), S. 301/02. 32 Vgl. Devrient, Urkundenbuch, S. 532/33; vgl. Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 353–360; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 473–477.

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Unter Friedrich dem Großen kam es dann zu Rivalitäten zwischen Arnim und Cocceji33, aus denen Cocceji als Sieger hervorging: Während dieser 1746 den Titel eines „Großkanzlers“ erhielt, wurde Arnim 1748 auf eigenen Wunsch von seinen Aufgaben entbunden. König Friedrich war Georg Dietloff aber trotzdem gewogen: Dieser wurde im Dezember 1749 zum Mitglied des Generaldirektoriums ernannt, wo er für das Postwesen zuständig war34. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tode, der ihn am 20. Oktober 1753 infolge eines hitzigen Fiebers ereilte. Wie sich noch zeigen sollte, begründete Georg Dietloff v. Arnim mit Jurastudium, Europareise und Aufstieg im Verwaltungsdienst eine Haustradition, die sich von der Fixierung auf das Militär in der Mehrzahl der Adelsgeschlechter unterschied. Adolf v. Arnims Großvater Friedrich Wilhelm (1739–1801)35, der einzige Enkel Georg Dietloff v. Arnims, trat – anders als dessen Vater Abraham Wilhelm v. Arnim (1713–1761)36 – in die Fußstapfen seines Großvaters: 1759 immatrikulierte er sich in Göttingen, das damals als die vornehmste Bildungsstätte für angehende Staatsmänner galt37. Nach dem Ende seiner Studien reiste Arnim 1761 nach England, wo er mehrere Jahre blieb38. Anschließend erhielt er 1764 eine Anstellung am Obergericht in Prenzlau, dessen Direktor er am 19. August 1768 (mit 28 Jahren) unter Verleihung des Titels eines Geheimen Hofrates wurde. In den folgenden Jahren stagnierte Arnims Karriere dann allerdings auf Grund der Ungnade Friedrichs des Großen39, der bei seinen Justizreformen auf andere Männer hörte. König Friedrich Wilhelm II. bemühte sich nach seiner Thronbesteigung demonstrativ um Wiedergutmachung40: Am 2. Oktober 1786 erhob er den „Geh. Justizrat Friedrich Wilhelm von Arnim auf Boitzenburg in den Gra33

Vgl. ebd., S. 475–477. Vgl. Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 361–366; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 479. 35 Nachlaß in: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg, Nrr. 3730–3756; vgl. Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 371–375; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 483–501. 36 Vgl. zu diesem Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 366–371. 37 Vgl. zur Bedeutung der Universität Göttingen im 18. Jahrhundert Boockmann, Göttingen, S. 24/25; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 57. Die herausragende Bedeutung Göttingens ist um so bemerkenswerter, als die Georgia Augusta zu Göttingen erst 1737 gegründet worden war. 38 Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 484. Das folgende ebd., S. 484–492. 39 Am 27. September 1785 wurde er aber durch den Prinzen August Wilhelm von Preußen in den Johanniterorden aufgenommen; vgl. Devrient, Urkundenbuch, S. 537/38. 40 Vgl. Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 371/72; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 492. 34

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fenstand“ und verlieh ihm das „Erzschatzmeisteramt der Mark Brandenburg“41. Es folgte am 8. November die Ernennung zum „würklichen geheimen Etats-, Krieges- und dirigirenden ministre, auch Vicepraesidenten des General-directorii und Oberjägermeister“42. Das letztere Amt erhielt Graf Arnim mit der Aufgabe, für eine einheitliche Forstverwaltung zu sorgen43. Am 28. September 1787 wurde Graf Arnim Chef des Oberbaudepartements44. In dieser Funktion geriet er sowohl mit den Kollegen im Generaldirektorium als auch mit den Provinzialbehörden in Konflikt45, und zwar wegen seines ausgeprägten Formalismus. Nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. wurde Friedrich Wilhelm v. Arnim ein Opfer dessen Bestreben, sich der ihm unbequemen Ratgeber seines Vaters zu entledigen46. Am 14. Juli 1798 wurde Graf Friedrich Wilhelm v. Arnim, unter Verleihung des „großen roten Adlerordens“, in Ehren verabschiedet47. Er zog sich nach Boitzenburg zurück, wo er am 21. Januar 1801 verstarb. Seine Witwe Freda Antoinette (1747–1817), eine geborene v. Cramm, überlebte ihn um 16 Jahre. Sie wurde ab 1806 eine wichtige Bezugsperson im Leben ihres Enkels Adolf v. Arnim, der sie sehr verehrte48. Dem 1767 geborenen Friedrich Abraham Wilhelm, dem Vater Adolf v. Arnims, erleichterte sein Vater den Berufseinstieg, indem er ihm 1785 eine Anstellung im Kriegsministerium verschaffte49. Am 28. August 1786 wurde er vom neuen König Friedrich Wilhelm II. zum Legationsrat im Außenministerium ernannt. 1788 unternahm der junge Graf eine Reise an deutsche Höfe, um sich weiter auszubilden. Nach seiner Rückkehr wurde er am 21. Mai 1788 zum Kammerherrn ernannt50. Anschließend war Graf Arnim von 1789 bis 1791 Gesandter in Kopenhagen und von 1791 bis 1795 Gesandter in Dresden. 1795 zog er sich aus Ärger über den Sonderfrieden zu Basel, den Preußen mit Napoleon abschloß51, ins Privatleben zurück52. 41

Devrient, Urkundenbuch, S. 538. Ebd., S. 538/39. 43 Vgl. Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 493/94. 44 Vgl. ebd., S. 494. 45 Devrient spricht zurückhaltend von großer „Ordnungsliebe“ (Ebd.). Diese Eigenschaft scheint, wie sich noch erweisen wird, an Adolf v. Arnim „vererbt“ worden zu sein. 46 Vgl. Stamm-Kuhlmann, Friedrich Wilhelm III., S. 139. 47 Text der Kabinettsordre in: Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 500/01. 48 Vgl. Nachlaß Nr. 3780, Bl. 3. 49 Vgl. dazu Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 491–512; Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 375–390; dort auch das Folgende. 50 Urkunde in: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg, Nr. 3778. 51 Vgl. dazu Braubach, Revolution, S. 33–40. 52 Vgl. Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 377/78. 42

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Friedrich Abraham Wilhelm v. Arnim war einer der wichtigsten Anhänger seines Schwagers, des Reichsfreiherrn Heinrich Friedrich Karl von und zum Stein53, der vom September 1807 bis zum November 1808 leitender Minister war54. Arnim half Stein im Januar 1809 zur Flucht, als Napoleon ihn verhaften lassen wollte55, und hielt ihm auch danach mit anderen im „Tugendbund“ vereinigten Männern die Treue56. In ihrem Namen versuchte Graf Arnim 1809 vergeblich, die Unterstützung des altkonservativen Friedrich August Ludwig von der Marwitz zu gewinnen57, mit dem er befreundet war58. 53 Nach Devrient [Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 508] verband Stein und Arnim eine „vielfältige Freundschaft, vermittelt durch Verschwägerung und genährt durch persönliches Vertrauen, wie durch gleichgesinntes Streben für das Vaterland.“ Die Verschwägerung ergab sich daraus, daß ihre Ehefrauen Schwestern waren, s. u. 54 Heinrich Friedrich Karl Reichsfrhr. vom und zum Stein (1757–1831), aus reichsritterlichem Geschlecht, trat 1780 in den preußischen Staatsdienst. Nach mehreren Ämtern in den preußischen Westprovinzen wurde er 1804 preußischer Finanzminister. Außerdem versuchte er vergeblich, die königliche Kabinettsregierung durch ein verantwortliches Ministerium zu ersetzen. Stein wurde im Januar 1807 entlassen, jedoch schon am 30. September 1807 zum leitenden Minister berufen. Unter ihm wurden die ersten der sog. „preußischen Reformen“ in die Wege geleitet, insbesondere die Städteordnung von 1808. Nach seiner Entlassung 1808 war Stein zunächst in russischen Diensten und ab 1813 Präsident der Zentralverwaltung für die befreiten deutschen Gebiete. 1815 zog er sich ins Privatleben zurück und widmete sein Alterswerk der Geschichtswissenschaft. 1819 gründete er die „Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde“, die die „Monumenta Germaniae Historica“ herauszugeben begann; vgl. u. a. Pertz, Stein, passim; Gerhard Ritter: Stein, passim; Botzenhart, Freiherr vom Stein, passim; Rößler, Reichsfreiherr vom Stein, passim; Hubatsch, Stein-Studien, passim. 55 Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 378/79; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 510. Zuvor war ein Brief Steins vom 15. August 1808 an den Fürsten Wittgenstein von den Franzosen abgefangen und im Regierungsblatt „Moniteur“ abgedruckt worden, versehen mit einem Kommentar, der Stein als politischen Brandstifter abstempelte. Damit war seine Stellung schwer erschüttert, doch wurde er erst am 24. November 1808 von König Friedrich Wilhelm III. mit gnädigen Worten entlassen. Daraufhin wurde Stein von Napoleon am 16. Dezember geächtet und mußte fliehen, um seiner Verhaftung zu entgehen; vgl. Ritter, Stein II, S. 68–94. 56 Der altkonservative Friedrich August Ludwig von der Marwitz notierte über diese zum Jahre 1809 in sein Tagebuch: „Der Minister Stein war noch immer die Hoffnung dieser Männer, welche sich nun größtenteils in Berlin aufhielten, und hatte an dem Grafen Arnim v. Boitzenburg einen rastlosen Mitarbeiter, in dessen Wohnung sie zusammenkamen.“ Meusel, Edelmann I, S. 526/27; vgl. auch Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 510/11; Lehmann, Scharnhorst II, S. 297. Die im Tugendbund vereinigten Männer waren energische Gegner Napoleons bzw. des „revolutionären“ Frankreichs und versuchten 1809, den König an die Seite des gegen Napoleon Krieg führenden Österreich zu drängen. 57 Meusel, Edelmann I, S. 527. Friedrich August Ludwig v. d. Marwitz (1777– 1837) trat mit 14 Jahren in die preußische Armee ein. 1802 nahm er nach seiner

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Trotz dieser Ablehnung blieben Arnim und Marwitz in engem Kontakt. Marwitz sandte ihm darum auch seinen Aufsatz über Hardenbergs Finanzedikt vom Oktober 1810, das „Oktoberedikt“59. Abraham v. Arnim antwortete darauf in einem ausführlichen Brief, in dem er zwar die Denkschrift prinzipiell als „edel, zweckmäßig und in Ruhe abgefaßt“ lobte, jedoch vor einer Adelsopposition aus egoistischen Motiven warnte60: Die Folge sei „eine wohl verdiente Geringschätzung des ganzen Adels abseits der übrigen Stände, und ein Vorwand mehr uns noch mehr zu unterdrücken; wir würden als unruhige, unpatriotische, interessirte Menschen erscheinen, die ohne eigenes Verdienst nur von den Folgen der Verdienste ihrer Vorfahren profitiren wollen, und die Auflösung jeder alten Form und jedes alten Rechts, also Revolution im eigentlichen Sinne des Wortes, wird auch auf diesem Wege die Folge davon sein.“ Anschließend entwickelte Arnim den Plan, daß alle „Kreis Täge“ den „uniformen Beschluß“ fassen sollten, den König um Einberufung eines „General Landtages“ aus Deputierten der Kreistage zu bitten, um auf diesem die Adelsrechte verteidigen zu können. Auf Grund dieser Initiative Arnims baten die kurmärkischen Stände Hardenberg am 22. Januar 1811 um die Einberufung einer Ständeversammlung61, worauf der Staatskanzler eine Notabelnversammlung von 64 Vertretern der Stände aller Provinzen auf den 23. Februar 1811 nach Berlin einberief, die dort bis September 1811 tagte62. Obwohl die beiden Männer auch während der Verhandlungen in Kontakt blieben, gehörte Arnim nicht zum Marwitz-Kreis. Dagegen sprach schon seine Freundschaft mit dem Reformer Stein. Darüber hinaus bewegte sich Arnim auch nach Steins Flucht ins Ausland im Kreise der preußischen ReHeirat den Abschied, um die Bewirtschaftung des Gutes Friedersdorf bei Küstrin zu übernehmen. Ab 1810 gehörte er zu den schärfsten altkonservativen Gegnern Hardenbergs, weshalb dieser ihn 1811 sogar fünf Wochen lang inhaftieren ließ. 1813 trat Marwitz wieder in die Armee ein, wo er bis zum Generalleutnant aufstieg. 1827 nahm er seinen Abschied. Anschließend war er mehrere Jahre Mitglied des Staatsrates, bevor er sich 1831 endgültig ins Privatleben zurückzog; vgl. Buttler, Vorstellungen des F.A.L. v. d. Marwitz, passim; siehe auch Thiele, Hardenberg, S. 261/62; Zeeden, Hardenberg, S. 107/08. 58 Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 511/12. 59 Das Oktoberedikt war zugleich auch „eine grundsätzliche Regierungserklärung“ [Thielen, Hardenberg, S. 256]. Als Ziel wurde die Aufhebung aller Steuerprivilegien formuliert; vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 43–46. Dagegen erhob sich besonders im kurmärkischen Adel Widerstand; vgl. Vetter, Kurmärkischer Adel, S. 106–144. 60 Meusel, Edelmann, S. 190–193, hier S. 190. 61 Vgl. Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 386–389; Meusel, Edelmann, S. 229– 231. 62 Vgl. Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 26; Zeeden, Hardenberg, S. 98–124.

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former: Im Juni 1810 machte er z. B. die Bekanntschaft Gneisenaus63. Vor allem aber verkehrte er mit Steins Nachfolger, dem Staatskanzler Hardenberg64. Am 2. April 1811 speiste Arnim z. B. beim diesem, um mit ihm über die anliegenden Finanzfragen zu sprechen65. Seiner Meinung nach beruhte ein Teil der Beschwerden des Adels nur auf „Leidenschaften, Einseitigkeit und Parteisucht“66. Auf der anderen Seite seien einige Beschwerden berechtigt, denn es sei „unnötig, daß ein gleicher Modus der Besteuerung durch alle Provinzen obwalte“ Außerdem regte Arnim die Ernennung eines Innen- und eines Finanzministers an, um die Arbeit zu systematisieren. Marwitz fühlte sich dagegen ausgeschaltet und beschwerte sich bei Arnim darüber, daß seine Vorstellungen von den Deputierten der Provinzen übergangen würden67. Als er sich daraufhin nicht mit einer durchaus legitimen Petition begnügte, sondern öffentlich Protest gegen das Handel der Regierung erhob, wurden er und Graf Finckenstein auf Befehl Hardenbergs in Haft genommen68. Auch wenn nicht genau zu erkennen ist, welchen Anteil Graf Arnim an der „Verwässerung der Agrar- und Finanzgesetze“ Hardenbergs hatte69, dürfte seine gemäßigte Opposition erfolgreicher gewesen sein als Marwitz’ fundamentalistische70. 63 Vgl. Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 511; Pertz, Gneisenau I, S. 617; Goldschmidt, Leben, S. 57–59; August Wilhelm Anton Graf Neidhardt v. [seit 1814] Gneisenau (1760–1831) wurde 1780 Soldat und trat 1786 als Premierleutnant in die preußische Armee ein. 1807 zeichnete er sich durch die Verteidigung der Festung Kolberg aus und wurde deshalb in die Kommission zur Reorganisation des preußischen Heeres berufen. In dieser Position war er maßgeblich an der Heeresreform beteiligt. Nach Steins Entlassung schied Gneisenau ebenfalls aus preußischen Diensten aus. 1813 wurde er Generalquartiermeister Blüchers und Generalleutnant. 1816 nahm er aus politischen Gründen seinen Abschied, wurde aber schon 1818 Gouverneur von Berlin und 1825 zum Generalfeldmarschall befördert. Gneisenau starb während des polnischen Aufstandes 1831 in Posen an der Cholera. 64 Karl August Fürst [seit 1814] v. Hardenberg (1750–1822) verwaltete seit 1790 die Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth. Er blieb leitender Beamter, als Preußen diese Territorien erbte. 1795 war er maßgeblich am Baseler Frieden beteiligt und wurde dann Kabinettsminister. Von 1804 bis 1806 war Hardenberg Außenminister, 1807 leitender Minister. Nach dem Frieden von Tilsit mußte Friedrich Wilhelm III. ihn auf Druck Napoleons hin entlassen; sein Nachfolger wurde Freiherr vom Stein. Seit 1810 war Hardenberg preußischer Staatskanzler. Als solcher führte er den zweiten Teil der Preußischen Reformen durch, u. a. den Abbau der Zunftverfassung zugunsten der Gewerbefreiheit (1810) und die Judenemanzipation (1812). Ab 1815 und verstärkt ab 1820 wurden die Reformvorhaben zunehmend erfolgreicher von seinen altkonservativen Gegnern blockiert; vgl. Thielen, Karl August von Hardenberg, S. 256–263; Zeeden, Hardenberg, passim. 65 Meusel, Edelmann, S. 330. 66 Schreiben Arnims im Frühjahr 1811 an Stein. In: Pertz, Stein II, S. 563–569; dort auch das folgende Zitat. 67 Ebd., S. 334–338. 68 Vgl. Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte, S. 26.

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Graf Arnim erhielt im Januar 1812 den roten Adlerorden 3. Klasse71. Kurz darauf verstarb er im Alter von nur 45 Jahren am 31. Januar 1812 an einem Fieber72, noch vor dem Beginn des Napoleonischen Rußlandfeldzuges, der den Untergang des Korsen einleitete. Der Freiherr vom Stein rief Arnim die Worte nach: „Er hatte Härte im Charakter, war aber einer dauerhaften, kraftvollen Freundschaft fähig und hat sie gegen mich treu und unermüdlich bewiesen“73. Die aus Frankreich kommenden Ideen waren es vor allem, denen gegenüber Arnim Härte bewies. Insgesamt war er zwar (anders als zwei seiner Vorfahren) nicht Minister, aber dennoch ein politisch „kluger Kopf“, der seinen Horizont auf Reisen erweitert hatte und in der Lage war, nicht nur die eigenen Interessen zu verteidigen. Graf Adolf Heinrich v. Arnim wurde also in eine nicht nur altehrwürdige, sondern auch politisch aktive Familie hineingeboren. Drei seiner unmittelbaren Vorfahren hatten Jura studiert und waren Geheimrat geworden, von denen es zwei bis zum Minister brachten. Ebenfalls zwei Vorfahren waren Kammerherren gewesen. Bereits der Urgroßvater Abraham Wilhelm war Mitglied des Johanniterordens geworden74, ebenso Großvater und Vater. Besonders der Vater hatte sich im Umfeld der preußischen Reformer engagiert. Dabei war auffällig, daß Friedrich Abraham Wilhelm v. Arnim sowohl Kontakte zum altkonservativen Marwitz als auch zum Romantiker Stein und zum Grafen Hardenberg besaß. Es wird noch zu untersuchen sein, inwiefern Graf Arnim in die Fußstapfen seines Vaters trat. Selbst wenn er ihn nur als Knabe kennenlernte, so dürfte doch das väterliche Erbe einen großen Eindruck auf ihn gemacht haben. Dazu trug nicht zuletzt auch die „Herrschaft Boitzenburg“ bei, der seit Jahrhunderten im Arnimschen Familienbesitz bestehende Grundbesitz im Norden der Uckermark, denn beim Uradel war das „Land“ ebenso stilprägend wie die „Leute“.

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Raumer/Botzenhart: Deutschland um 1800, S. 549; auf ihn beruft sich auch noch Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte, S. 26; vgl. auch Fehrenbach, Vom Ancien Régime, S. 198–200; Vetter, Der brandenburgische Adel, S. 301. 70 An die Verifizierung dieser Hypothese wäre im Rahmen einer biographischen Arbeit über Friedrich Abraham Wilhelm v. Arnim oder einer Monographie über die Hardenbergschen Agrargesetze zu denken, die jedoch beide noch Desiderata sind. 71 Vgl. Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 512. 72 Vgl. Perthes, Stein III, S. 33/34; Goldschmidt, Kunth, S. 58. Die Witwe Adolf v. Arnims notierte um 1870, er sei an einer Lungenentzündung gestorben [Nachlaß Nr. 3780, Bl. 3]. 73 Stein am 07.03.1812 an Marianne vom Stein. In: Stein, Briefe III, S. 615. 74 Vgl. Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 470.

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I. Charakterprägung unter Friedrich Wilhelm III. (1803–1840)

b) Die Herrschaft Boitzenburg Die „Herrschaft Boitzenburg“ in der Uckermark erwarb das Geschlecht derer von Arnim im 16. Jahrhundert75: 1528 wurde die Landvogtei Boitzenburg, im Norden der Kurmark auf altpreußischem Boden gelegen, dem „Verweser der Uckermark“ Hans v. Arnim, der neben dem Grafen Schulenburg auf der Löcknitz der reichste Mann in der Uckermark war76, als erledigtes Lehen im Tausch für das bei Berlin gelegene Zehdenick übergeben77. Durch den Erwerb von „Schloß und Amt Botzenborch“ entstand die Boitzenburger Linie des Geschlechtes Arnim. Nachdem die Herrschaft Boitzenburg, die im 16. Jahrhundert bereits mehr als 20 Dörfer und Feldmarken umfaßte78, zwischen 1570 und 1712 in zwei bzw. drei Linien geteilt worden war79, kam es unter Georg Dietloff v. Arnim, dem Ururgroßvater des Grafen Adolf, zu einer „Wiedervereinigung“80. Allerdings schieden dabei die beiden Herrschaften Kröchlendorf81 und Suckow82 dauerhaft aus dem Boitzenburger Besitz aus83.

75 Arnim, Märkischer Adel, S. 12; vgl. Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 181– 193. Die Landvogtei Boitzenburg war 1337 von Markgraf Ludwig gegründet worden [vgl. Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 19]. Vgl. zur Herrschaft Boitzenburg auch Arnim, Märkischer Adel, S. 86–88; Harnisch, Herrschaft Boitzenburg; Heinrich, Boitzenburg, S. 132/33; Kirchner, Schloß Boytzenburg; zur Uckermarck auch Enders, Uckermarck, passim. Die Stadt Boitzenburg, nicht zu verwechseln mit Boizenburg an der Elbe, wurde (wie viele andere Städte auch) im frühen 13. Jahrhundert gegründet. Ihr gelang aber nicht der Aufstieg zur Landstadt (oder gar zur Reichsstadt); vielmehr blieb Boitzenburg „Mediatstadt“ der Herrschaft Boitzenburg; vgl. zu der Einteilung der Städte Wehler, Gesellschaftsgeschichte I, S. 181. 76 Arnim, Märkischer Adel, S. 24 und S. 28. 77 Devrient, Urkundenbuch, S. 238–241; Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 20 und 24; Arnim, Märkischer Adel, S. 22. 1539 wurde der Boitzenburger Besitz um das säkularisierte Nonnenkloster gleichen Namens erweitert; vgl. Harnisch, a. a. O., S. 20–24. 78 Vgl. Heinrich, Boitzenburg, S. 132. 79 Vgl. Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 24/25. 80 Kaufvertrag und Vergleich über die Boitzenburgischen und Suckowischen Güter vom 28. April 1710. In: Devrient: Urkundenbuch, S. 489–495; vgl. Kirchner, Schloß Boitzenburg, S. 343–353; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 110–113; Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 25. 81 Teilungsvertrag der Boitzenburger Brüder vom 8. April 1711. In: Devrient, Urkundenbuch, S. 497–501; Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 454/55; Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 25. Die Herrschaft bestand (wie auch Boitzenburg) bis 1945 fort. Aus ihr kam der ebenfalls bekannte konservative Politiker Oscar Friedrich v. Arnim-Kröchlendorff (1813–1903). 82 Kaufvertrag vom 29. April 1712. In: Devrient, Urkundenbuch, S. 503; Vertrag vom 29.12.1712. In: Ebd., S. 504; vgl. Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 110–113 und S. 455.

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Zur Herrschaft bzw. „Landvogtei Boitzenburg“ gehörten zunächst „nur“ das Dorf Boitzenburg und fünf weitere Dörfer, doch schon 1539 wurde die Herrschaft durch den Ankauf des säkularisierten Nonnenklosters Boitzenburg beträchtlich erweitert84, denn zu dem Kloster gehörten 14 Dörfer bzw. Güter und Forsten von etwa 17500 ha85. Zu dieser Größe ist allerdings einschränkend zu bemerken, daß sie in einem dünn besiedelten, teilweise sumpfigen, von großen Wäldern bedeckten Landstrich gelegen war, was die Größe des Besitzes relativiert. Trotzdem war Boitzenburg zweifellos ein imposanter Besitz: „Der Boitzenburger Forst . . . ist menschenleer, großzügig, ursprünglich. Prachtvolle Kiefernbestände mit Laubholz, viele Gatter und starke geweihte Hirsche. 20 Seen sollen dazu gehören.“ Allein dieser Besitz war dazu angetan, ein ganz eigentümliches, konservatives Lebensgefühl hervorzubringen: „Ein im Westen unbekannter großer Rhythmus bewegt die schon herbstlich gestimmte Waldlandschaft.“86 Die „Herrschaft Boitzenburg“ war eine für den Osten Deutschlands typische Gutsherrschaft, die sich (ganz im Gegensatz zur west- und süddeutschen Grundherrschaft) durch eine Kumulation von Grund-, Leib- und Gerichtsherrschaft entwickelt hatte87. Ökonomisch beruhte sie vor 1815 auf Frondiensten abhängiger, schollengebundener Arbeitskräfte in der „Eigenwirtschaft“ des Grundherren und danach auf der Gesindeordnung, die ihnen bis 1918 das Personal für ihre Eigenwirtschaft sicherte88. Da die preußischen Reformen auf dem Lande scheiterten89, behielten die Rittergutsbesitzer ihre Privilegien, besonders die niedere Polizeigewalt und das Schulund Kirchenpatronat sowie das Recht, den Gemeindeschulzen zu ernen83 Dafür vergrößerte Georg Dietloff v. Arnim die Herrschaft Boitzenburg durch Neuerwerbungen wesentlich; vgl. Harnisch, a. a. O., S. 25/26. Diese Erwerbungen schieden allerdings bei der Erbteilung von 1820 wieder aus; vgl. Kap. I.2.d). 84 Dabei handelte es sich nicht um das Kloster Marienpforte; vgl. Schultze, Kloster Boitzenburg, passim. 85 Alvensleben, Besuche, S. 239. 86 „Den Boitzenburger Forst durchfährt man in 20–30km Länge (70.000 Morgen Gesamtbesitz). Er ist menschenleer, großzügig, ursprünglich. Prachtvolle Kiefernbestände mit Laubholz, viele Gatter und starke geweihte Hirsche. 20 Seen sollen dazu gehören. Einer nach dem anderen taucht zwischen bewaldeten Hügeln auf, vom langgestreckten Küstriner See bis zum Haussee von Boitzenburg. Hin und wieder auf den Höhen ein Dorf, das Spiegelbild unten im See. Ein im Westen unbekannter großer Rhythmus bewegt die schon herbstlich gestimmte Waldlandschaft, bevor das Boitzenburger Schloß sichtbar wird. Alte Lindenalleen kommen von allen Seiten über die Hügel heranmarschiert.“ [Alvensleben, Besuche, S. 239/40] 87 Vgl. dazu Wehler, Gesellschaftsgeschichte I, S. 71/72. 88 Vgl. Carsten, Entstehung, S. 79–145; Rosenberg, Ausprägung, passim; Vetter, Kurmärkischer Adel, S. 106–150; Wehler, Gesellschaftsgeschichte I, S. 71–90. 89 Vgl. Obenaus, Verfassung, S. 52; Wehler, Gesellschaftsgeschichte I, S. 409– 428.

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nen90. Jagdrecht und Patrimonialgerichtsbarkeit wurden erst in der 48er Revolution aufgehoben91. c) Die Mutter und ihre Vorfahren Auch die mütterlichen Vorfahren prägten das Denken des Grafen Arnim in besonderem Maße, was deshalb ungewöhnlich war, weil die mütterliche Linie in der Genealogie in der Regel keine große Rolle spielt. Graf Adolf v. Arnims Mutter Georgine Charlotte Auguste (1770–1859), eine geborene Gräfin v. Wallmoden-Gimborn, entstammte jedoch nicht nur einem sehr vornehmen hannoverschen Adelsgeschlecht92, sondern stand auch mit den regierenden Häusern Europas in verwandtschaftlicher Beziehung: Ihre Großmutter Amalie Sophie v. Wendt (1704–1765) heiratete 1727 den Oberhauptmann von Calenberg, Adam Gottlieb v. Wallmoden (1704–1750)93. Ihre Großtante und ihre Tante, zwei Gräfinnen Platen, waren die Mätressen des Kurfürst Ernst August von Hannover bzw. des Königs Georg I. von England gewesen, und Amalie Sophie folgte dem Vorbild ihrer Verwandten: 1735 erregte sie die Aufmerksamkeit König Georgs II. von England bei dessen Besuch in Hannover94, dessen Sohn sie im folgenden Jahr zur Welt brachte. Nach dem Tode der englischen Königin ging Amalie Sophie v. Wallmoden 1739 nach London und wurde zur Gräfin Yarmouth erhoben; ihr Mann ließ sich von ihr scheiden. Ihr Sohn Johann Ludwig v. Wallmoden (1736–1811)95, der am englischen Hof als „Monsieur Louis“ aufwuchs, zeichnete sich im Siebenjährigen Krieg als Offizier unter Herzog Ferdinand v. Braunschweig aus; 1861 wurde er Generalmajor. Er war in erster Ehe (seit 1758) mit Charlotte v. Wangenheim verheiratet. 1782 erwarb er die Grafschaft Gimborn-Neustadt für einen überhöhten Preis, um in den Hochadel aufsteigen zu können96, und wurde daraufhin am 17. Januar 1783 als Reichsgraf in das westfälische Grafenkolleg aufgenommen97. Nachdem seine erste Frau am 23. Juli 1783 gestorben war, heiratete Wallmoden 1788 Christiane v. Lichtenstein, die Tochter des coburgischen Ministers Freiherr v. Lichtenstein. 1798 wurde er Kommandierender General der englischen Truppen in Deutschland und Ge90

Vgl. Vgl. 92 Vgl. 93 Vgl. 94 Vgl. (1964). 95 Vgl. 96 Vgl. 97 Vgl. 91

Reif, Adelspolitik, S. 200–202. Nitschke, Volkssouveränität, S. 142–144 und S. 173–175. Dürre, Regesten des Geschlechtes Wallmoden, passim. ADB 40 (1896), S. 756. Trench, George II., passim; außerdem ADB 8 (1878), S. 642–645; NDB 6 ADB 40 (1896), S. 756–761. dazu Ompteda, Offizier, S. 193. Dürre, Regesten des Geschlechtes Wallmoden, S. 295/96.

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neralfeldmarschall. Auf Grund des unvorteilhaften Kaufes der Grafschaft Gimborn und infolge der Kriegswirren verlor er sein Barvermögen, so daß er 1811 außer Titel und Besitz nichts vererben konnte. Seine vier Söhne, von denen es Ludwig v. Wallmoden (1769–1862) zum österreichischen Feldmarschall und Karl August Ludwig v. Wallmoden (1792–1883) zum österreichischen General brachte, starben alle kinderlos, so daß die reichsgräfliche Linie des Geschlechtes Wallmoden 1883 erlosch. Seine Töchter heirateten standesgemäß: Wilhelmine Friederike 1793 den Reichsfreiherrn vom Stein und Friederike den Grafen Ludwig v. Kielmannsegge, mit dessen Sohn Ludwig Friedrich Georg Graf Arnim befreundet war98. Die älteste Tochter Charlotte (1770–1859) heiratete 1791 in erster Ehe Karl August v. Lichtenstein (1767–1845)99, den Sohn des coburgischen Ministers und Bruder ihrer Stiefmutter. Lichtenstein war ein recht bekannter Dichter und Komponist, der nach ähnlichen Stellungen in Dessau, Wien und Bamberg 1822 die Regie des Berliner Schauspielhauses und 1825 auch die der Oper übernahm. Schon 1794 wurde Charlotte v. Lichtenstein jedoch von ihm (nach nur dreijähriger Ehe) schuldig geschieden. Diese heiratete bereits im folgenden Jahr, am 18. Juli 1795, den Grafen Friedrich Abraham Wilhelm v. Arnim. Mit ihm hatte sie vier Kinder: den 1796 geborenen Friedrich Ludwig, zwei jung verstorbene Töchter und als jüngsten den 1803 geborenen Adolf Heinrich. Schon 1805, also nur kurze Zeit nach dessen Geburt verließ die Mutter Boitzenburg, und 1808 beantragten beide die Scheidung. Charlotte wurde am 29. Februar 1808 erneut schuldig geschieden100. Sie zog daraufhin nach Frankreich. Auch nach dem Tode ihres Mannes kümmerte sich die Mutter nicht um ihre beiden Söhne101. 1824 ging sie eine dritte Ehe mit dem Marquis le Marquant de Charmont ein. Sie hatte sich auf Grund der Tatsache, daß sie schuldig geschieden worden war, jedesmal schlechter verheiraten müssen. Nach Lichtenstein hatte ihr immerhin noch Arnim die Hand gereicht, doch auf ihn folgte ein adeliger Hungerleider102. Insofern folgte sie zwar, was den „losen“ Lebensstil anbelangt, der Tradition ihrer Vorfahrinnen, doch gelang ihr kein gesellschaftlicher Aufstieg103. 98 Vgl. Nachlaß Nr. 3965, Bll. 80 + 81. Der jüngere Kielmannsegge heiratete 1827 Therese Freiin vom Stein und wurde hannoverscher Gesandter in Den Haag. 99 Vgl. zu diesem ADB 18 (1883), S. 553/54. 100 Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 508/09; vgl. Stein, Briefe VI, S. 246, Anm. 2. 101 Vgl. Steins Brief vom 07.03.1812, ebd., S. 615. 102 Vgl. dazu Nachlaß Nrr. 4227 und 4228.

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Graf Adolf v. Arnim hatte keinen Kontakt zu seiner Mutter und lehnte es auch ab, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Mehrere Briefe aus dem Jahre 1827 ließ er unbeantwortet104, ebenso eine Bitte um 20 Louis d’Or ein Jahr später105. Nach dem Tode ihres dritten Gatten versuchte die Mutter vergeblich Kontakt mit ihm aufzunehmen106. Adolf v. Arnim war jedoch nicht einmal bereit, sich der Erbschaftsangelegenheiten nach dem Tode Charmonts anzunehmen. Dieses Verhalten ist insofern verständlich, als Arnim seine Mutter nie kennengelernt hatte und ihr vorwerfen konnte, ihn im Alter von zwei Jahren verlassen zu haben. Dabei war ihr Verhalten deshalb unverständlich, weil es sich bereits um ihre zweite Scheidung handelte. Trotzdem war sich Graf Arnim durchaus seiner vornehmen Herkunft bewußt, die ihn zu einem Urenkel Georgs II. und damit zu einem entfernten Verwandten des preußischen Königs machte107. Der ihn sehr verehrende Karl Friedrich v. Savigny brachte dies 1837 mit den Worten zum Ausdruck: „Graf Arnim hat mich gestern zu seinem hochgräflichen Präsidententisch gezogen, wo er wie ein Prinz von Geblüt die Honneurs macht.“108 Diese Verwandtschaft erklärt nicht nur die Ehrungen, die ihm widerfuhren, sondern vor allem auch den freimütigen Ton, den der Boitzenburger anzuschlagen vermochte109. Sie erklärt zwar nicht unbedingt seinen beruflichen Erfolg, aber seine Beziehungen zum königlichen Hof, wie auch das Beispiel seines Bruders Friedrich v. Arnim zeigt, der zunächst als Rittmeister aus der preußischen Armee ausschied und in die Forstverwaltung eintrat110, dann aber Schloßhauptmann des Berliner Stadtschlosses wurde und sich in dieser Stellung „wegen seines klaren, ruhigen Verstandes eines nicht unbeträchtlichen Einflusses erfreute.“111 103

Auf Grund ihres Lebenswandels wird Charlotte in Dürres „Regesten“ auch nur ein einziges Mal erwähnt, und zwar als sie 1806 als Erbin in einem Testament bedacht wird; vgl. Dürre, Regesten des Hauses Wallmoden, S. 312. 104 Nachlaß Nr. 4227, Bll. 1–2, 4–5, 6–10. 105 Nachlaß Nr. 4228, Bll. 1–2. Direkt im Anschluß findet sich die Bitte um 100 Thaler von einem Verwandten namens Arnim, der sich in „äußerster Noth“ befinde [Ebd., Bll. 3–4]. Zwar notierte Arnim an Rande des Schreibens „Mündlich abgelehnt“, doch ordnete er angesichts eines zweiten Bittbesuches immerhin eine „Ermittlung“ an, ob der besagte Arnim bedürftig sei [Nachlaß Nr. 4229, Bl. 2]. Allein die Tatsache, daß Arnim die Schreiben seiner Mutter zu anderen Bittgesuchen legte, ist bezeichnend. Und daß nichts auf eine Antwort hindeutet, besagt deshalb um so mehr, weil Arnim zahllose Briefkonzepte aufbewahrte. 106 Vgl. Nachlaß Nrr. 4195, 4197, 4198. 107 Bekanntlich war Georg I., der Vater Georgs II., ein Vetter Friedrich Wilhelms I., des „Soldatenkönigs“. 108 Real, Savigny, S. 104. Natürlich war auch Savigny, dem Sohn des berühmten Juristen, Graf Arnims Herkunft bekannt, und sei es nur aus dem Gotha. 109 Vgl. bes. Arnims Auseinandersetzung mit Innenminister Rochow in Kap. I.3.c). 110 Vgl. BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Zichow Nrr. 601 und 602.

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d) Unruhige Kindheit (1803–1813) Es ist naheliegend, daß der am 10. April 1803 in Berlin geborene kleine Adolf v. Arnim bereits früh mit den Fährnissen der großen Politik in Kontakt geriet, als der Freiherr vom Stein im Dezember 1808 von Napoleon geächtet wurde und Hals über Kopf nach Böhmen (und später nach Rußland) fliehen mußte: Sein Vater als Anhänger Steins dürfte mit kritischen Bemerkungen gegenüber Napoleons Willkürakten nicht gespart haben. Generell waren frühe Kindheitserlebnisse des Grafen das am Boden liegende Preußen und der scheinbar unangefochten Europa regierende Napoleon. Dadurch wurde bereits früh Arnims Abneigung gegenüber der „Revolution“ angelegt. Zu Beginn des Jahres 1812, als Napoleon seinen Rußlandfeldzug vorbereitete, erlitt Adolf v. Arnim durch den frühen Tod des Vaters einen schweren Schicksalsschlag112. Nachdem er seine Mutter auf Grund der Scheidung quasi nicht kennengelernt hatte, verlor er mit acht Jahren auch seinen Vater. Wegen der politischen Lage, die sich in den nächsten Monaten noch dramatisch zuspitzen sollte, sah er einer ungewissen Zukunft entgegen, auch wenn der Vater für sein leibliches Wohl und seine weitere Erziehung gesorgt hatte. Auf Grund des väterlichen Testamentes wurden für den 16 Jahre alten Friedrich Ludwig v. Arnim und den neun Jahre alten Adolf Heinrich v. Arnim zwei Vormünder ernannt113: Der Kriegsrat Bandelow114, der bereits Erzieher des Verstorbenen gewesen war, wurde zum Vormund für die Vermögensverwaltung ernannt115. Er verwaltete die umfangreichen Güter, die laut Testament (per Losentscheid) erst 1820 unter beiden Brüdern aufgeteilt werden sollten, wenn der ältere volljährig wurde. Daneben wurden dem Freiherr vom Stein die maßgebenden Entscheidungen über Erziehung und Laufbahn der Kinder zugewiesen116. Schon auf 111

Vgl. Prutz, Zehn Jahre II, S. 9. Vgl. Kap. I.1.a). 113 Vormundschaftsakten in: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3194–3198. 114 S.G. Bandelow war von Arnims Großvater Friedrich Wilhelm v. Arnim zum Erzieher seines Sohnes bestimmt worden; er sollte als Begleiter „auf Universitäten und auf Reisen“ fungieren und dafür ein jährliches Honorar von 400 Thalern erhalten [Vertrag vom 20.03.1883. In: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3739, Bl. 19; vgl. Bandelows Brief vom 19.03.1783. In: Ebd., Bll. 17–18; siehe außerdem weitere Briefe ebd., Bll. 27–55]. 115 Nachlaß Nr. 3780, Bl. 3–4; vgl. Arnswaldt/Devrient, Hauptstamm Gerswalde, S. 509. Vgl. auch die Vermögensaufstellung in: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3267. 116 Nachlaß Nr. 3780, Bl. 4. 112

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Grund der Freundschaft zum Verstorbenen nahm Stein seine Aufgabe als Vormund sehr ernst117. Dies belegt die intensive Korrespondenz, die er mit Johann Friedrich Gottfried Eiselen führte118, dem gemäßigt konservativen Erzieher der beiden Knaben119, und ebenso mit Bandelow120. Da der von Napoleon für vogelfrei erklärte Reichsfreiherr sich zu dieser Zeit im Dienst des Zaren befand121, konnte er sich aber zunächst nur aus der Ferne um seine Mündel kümmern122, weshalb er auch keinen großen Einfluß auf den jungen Adolf v. Arnim ausübte: Die romantisch-ständische Ideenwelt des Reichsfreiherrn blieb Arnim zeitlebens verschlossen123. Auch zu Bandelow entwickelte Adolf kein übermäßig herzliches Verhältnis124. Größeren Einfluß hatte (als Nachfolger des Erziehers Eiselen) der Jurist August Friedrich Barkow125, ein Schüler Friedrich Karl v. Savignys. Wichtigste Bezugsperson des jungen Adolf v. Arnim war allerdings seine Großmutter Freda Antoinette, geb. v. Cramm (1747–1817), die Witwe des Mini117 Dieses Engagement ist bisher noch nicht beachtet worden: Auch in mehrbändigen Biographien des Freiherrn vom Stein wird dessen Vormundschaft des Grafen Arnim nicht erwähnt. Dagegen finden sich in der Edition von Steins Briefen und Aktenstücken zahlreiche Hinweise auf die Arnims [vgl. z. B. Stein, Briefe IV, S. 580 und S. 713; Bd. V, S. 413] und auch Briefe Steins an Adolf v. Arnim. 118 Stein am 10.03.1812 an Eiselen. In: Stein, Briefe IV, S. 615/16; vgl. auch drei weitere Briefe Steins. In: Stein, Briefe VII, S. 153–155. 119 Auf Eiselens Gesinnung läßt eine 28seitige Broschüre schließen, in der er 1850 liberale Ideen und das Prinzip der Volkssouveränität ablehnte; vgl. J.F.G. Eiselen: Preußen und die Einheitsbestrebungen in Deutschland. Halle/S. 1850 [UB Göttingen, Signatur H.Germ.un.424]. Demnach war er außerdem ein christlich-romantisch denkender Mann. 120 Vgl. Bandelows Brief an Stein vom 01.08.1820, in: Nachlaß Nr. 3780, Bll. 7– 8; außerdem ebd., Bl. 2. 121 Vgl. zuletzt Wallthor, Freiherr vom Stein und Rußland, passim. 122 Vgl. Nachlaß Nr. 3780, Bl. 4; Noch am 22. Juli 1816 mußte Stein in einem Brief an Schuldirektor Smetlage gestehen, daß er Adolf v. Arnim nur aus der Korrespondenz mit Bandelow kenne; vgl. Stein, Briefe V, S. 516. 123 Vgl. Botzenhart, Adelsideal, passim; ders., Staats- und Reformideen, passim. 124 Der Briefwechsel des jungen Grafen mit dem Kriegsrat aus den Jahren 1813 bis 1821, den Adolf Heinrich aufbewahrte [Nachlaß Nr. 4225, Bll. 1–167], ist zwar auf den ersten Blick sehr umfangreich, enthält jedoch auch zahlreiche andere Briefe. Bandelows Aufgabe war es ja vor allem, das Vermögen der Arnims zu verwalten, und in den Briefen ging es immer wieder um Geld; vgl. z. B. ebd., Bll. 69, 75. Auch daß aus Arnims Studienzeit 1821 bis 1824, dem Todesjahr Bandelows (01.09.1824), keine Briefe erhalten sind, läßt darauf schließen, daß das Verhältnis nicht allzu herzlich war. 125 A.F. Barkow (1791–1861); vgl. Stoll, Savigny II, S. 227, Anm. 4. Barkow wurde, nachdem Adolf v. Arnim ab 1816 ein Gymnasium besuchte, 1817 Privatdozent in Berlin. 1819 erhielt er eine Professur in Greifswald. Er hinterließ u. a. eine lateinische Sammlung burgundischer Gesetze und „Fatis historiae Pommeraniae“ (Diss. Greifswald 1810).

2. Ausbildung und geistige Prägung (1813–1830)

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sters Friedrich Wilhelm v. Arnim, von der er seit 1806 beaufsichtigt wurde126. Sie konnte dem jungen Grafen am ehesten einen „Familienersatz“ bieten. Außerdem brachte sie ihn schon früh in Kontakt zu den allerhöchsten Kreisen: Mit acht Jahren war er z. B. am 2. Juni 1811 zur Hochzeit des Fürsten Heinrich LIV. von Reuß jüngere Linie eingeladen127. Insofern wurde dem jungen Boitzenburger von Kindheit an seine vornehme Abstammung vor Augen geführt. Außerdem wurde er an das höfische Leben gewöhnt. Die Herkunft aus einem vornehmen Geschlecht brachte dem jungen Grafen nicht nur besondere Ehrungen, sondern prägte auch sein gesellschaftliches Denken und Handeln128. Seinen beruflichen und politischen Aufstieg verdankte Graf Arnim allerdings weniger seiner Abstammung, sondern einer gründlichen Ausbildung, wie sie quasi schon bei den Boitzenburgern Tradition war. 2. Ausbildung und geistige Prägung (1813–1830) a) Schulzeit (1813–1821) Nachdem er seine Kindheit (1806–1813) in Boitzenburg verbracht hatte, siedelte Adolf v. Arnim 1813 (nach dem Abzug der Franzosen) nach Berlin über, wo er sich nur langsam eingewöhnte. Das lag auch am Trubel der Großstadt129. Vor allem aber mißhagte dem jungen Grafen der Wechsel vom Privat- zum Schulunterricht: Arnim war als Schüler alles andere als fleißig130. Er besuchte allerdings auch die besonders anspruchsvolle Plamannsche Anstalt131. Im Frühjahr 1816 entschied der Freiherr vom Stein dann, daß ein Gymnasialbesuch für Arnim von Vorteil sei132, den er insbe126

Vgl. Nachlaß Nr. 3780, Bl. 3. Nachlaß Nr. 3790, Bl. 1. Dies sollte nicht der einzige Kontakt Adolf v. Arnims zum regierenden Hochadel bleiben: 1823 erhielt er z. B. Glückwünsche des Großherzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach; vgl. ebd., Bl. 5. 128 Darauf wird noch öfter zurückzukommen sein, z. B. im Zusammenhang mit Arnims Verhältnis zu König Friedrich Wilhelm IV. 129 „Die erste Zeit kam es mir hier ganz wunderbar vor, weil ich die Menschen in den Straßen nicht gewohnt war“, schrieb Arnim an Bandelow, der in Boitzenburg geblieben war [Nachlaß Nr. 4225, Bl. 163]. 130 Am 14.05.1816 schrieb er kleinlaut an Bandelow: „Ich habe Ihren Brief erhalten und gestehe, daß ich diesen Verweis wegen meiner Nachlässigkeit verdient habe, weswegen ich auch um Verzeihung bitte, und den Fehler durch öfteres Schreiben gut machen will.“ [Nachlaß Nr. 4225, Bl. 94] 131 Nachlaß Nr. 3780, Bl. 4; vgl. auch Bandelows Brief vom 02.09.1814 an Arnim, ebd., Bl. 5; Steins Brief vom 18.02.1812 an Gräfin Freda Antoinette v. Arnim. In: GStAPK Rep. 92 Arnim Nr. 125a, Bll. 2–4. 127

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sondere für umfangreiche Geschichtsstudien nutzen könne133, und sorgte im Juli für dessen Aufnahme ins angesehene Berliner Joachimsthalsche Gymnasium134, das zehn Jahre früher auch Ernst Ludwig v. Gerlach besucht hatte135. Adolf v. Arnims Schulbesuch ist auf den ersten Blick erstaunlich, lag doch die Zahl der deutschen Abiturienten z. B. im Jahr 1820 bei unter 1000, von denen nur knapp 400 zu studieren begannen136. Er überrascht jedoch weniger, wenn man Steins Denken als preußischer Reformer beachtet. Außerdem lag er ganz im Trend der Zeit, denn nach 1815 traten an den Gymnasien zunehmend junge Adlige neben die Söhne der beamteten und freiberuflichen Intelligenz 137. Und nicht zuletzt lag der Schulbesuch in der Familientradition: Georg Dietloff v. Arnim war der erste gewesen, der ein ordentliches Studium absolvierte, Adolf v. Arnim der erste, der ein Gymnasium besuchte. Allerdings wurde der junge Boitzenburger nicht aufs Gymnasium geschickt, um seine Berufsaussichten zu verbessern. Da die Bürgerlichen die Schulen nach wie vor dominierten, kam der junge Adolf Heinrich früh in Kontakt mit Bürgerlichen und nicht mit den Standesdünkeln der Ritterakademien138. Dies war vom Freiherrn vom Stein beabsichtigt139. Zudem wurde er auf dem Gymnasium mit nationalem und liberalem Gedankengut konfrontiert140. Diese frühen Erfahrungen sorgten 132 Am 23. Februar 1816 schrieb Stein dem Kriegsrat Bandelow: „Vielleicht wäre es Adolf nützlich, eine der guten Lehranstalten in Berlin zu besuchen, woraus noch der Vorteil entsteht, daß er mit jungen Leuten von verschiedenem Stand, Alter und Fähigkeiten in Verhältnis kommt und daß die Einseitigkeit der häuslichen Erziehung vermieden wird.“ [Stein, Briefe V, S. 472] Das „vielleicht“ ist dabei nicht überzubewerten, denn Stein hatte bezüglich Arnims Ausbildung das letzte Wort. 133 Ebd. Als Schwerpunkte schlug er die Geschichte der Kaiser von Karl dem Großen bis zu dem Staufer Friedrich II. vor, den Deutschen Orden, die Hanse, die Schweizer, die Reformation, die Türkenkriege, die französischen Kriege, Friedrich den Großen und die „neueste Zeit“. 134 Vgl. Steins Brief vom 22.07.1816 an den Direktor Bernhard Moritz Smetlage. In: Stein, Briefe V, S. 516/17. 135 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 44. 136 Vgl. Jeismann/Lundgren, Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte III, S. 156; siehe auch Martiny, Adelsfrage, S. 113 (Tab. A5). 137 Vgl. Braun, Buchsteiner, Adel, S. 359–361; Konzeptionelle Bemerkungen, S. 90/91; Lieven, Abschied, S. 225/26; Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 492. Interessant ist, daß Graf Arnim eine ähnliche Ausbildung durchlief wie Otto v. Bismarck: Beide gingen auf ein Gymnasium, studierten in Berlin und Göttingen Jura und traten dann in die Verwaltung ein; vgl. Gall, Bismarck, S. 29. 138 Vgl. dazu Lieven, Abschied, S. 227–229. 139 Vgl. den bereits zitierten Brief. In: Stein, Briefe V, S. 472. Die Annahme, Adolf v. Arnim sei wegen seiner schwächlichen Gesundheit für ein Kadettenhaus nicht in Frage gekommen, ist folglich zwar naheliegend, aber unzutreffend. 140 Vgl. dazu auch Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 497.

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u. a. dafür, daß Graf Arnim, obwohl er eindeutig zu den Konservativen zählte, die gemäßigten Liberalen doch weitaus weniger verachtete als so mancher seiner Parteifreunde. Dem Direktor des Gymnasiums Bernhard Moritz Smetlage schrieb Stein, Adolf v. Arnim habe „viele Lebendigkeit und Leichtigkeit zu lernen.“141 Er fügte die mahnenden Worte hinzu, Arnim habe noch kein rechtes Lebensziel. Darum müsse darauf geachtet werden, „daß er sich nicht durch seine vorteilhafte ökonomische Lage zum müßigen und genießenden Leben hinreißen lasse“. Darum müsse bei Arnims Erziehung vor allem darauf geachtet werden, „daß er seine Kräfte anwende zu gemeinnützigen Zwecken und daß er das Leben als ein ernstes Geschäft, nicht als einen Zustand des Genusses ansehe.“142 Darauf sollten, so bat Stein ausdrücklich, sowohl der Direktor als auch Professor Schneider, zu dem Adolf in Pension gegeben wurde, ihre vorrangigen „Bemühungen“ richten, denn die „Erlangung von Kenntnissen“ werde von selbst erfolgen. Stein ordnete damit für den jungen Arnim quasi ein „Abhärtungsprogramm“ an. Wie z. B. der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. beim jungen Kronprinzen Friedrich, so war auch Stein darum bemüht, Arnim mit Härte „den Charakter zu veredeln“. Außerdem drang Stein auf die Fächer „Religion und Geschichte, und besonders deutsche Geschichte“143. Das wichtigste an Arnims Schulausbildung schien dem (westfälischen) Reichsfreiherrn vom Stein das Einpflanzen der Tugenden zu sein, die landläufig als die „preußischen“ gerühmt (oder verdammt) werden: „Der junge Arnim werde Soldat oder öffentlicher Beamter, das ist gleichviel, wenn er nur den Umfang der Pflicht seines gewählten Standes begreift und von dem Vorsatz, sie zu erfüllen, durchdrungen ist, wenn er in dieser Einsicht und in diesen Gesinnungen eine Schutzwehr gegen Genußliebe, Frivolität, Trägheit findet.“ Demzufolge erhielt Arnim eine Erziehung, die ihm vor allem Pflichtgefühl beibringen und ein „deutsches“ Geschichtsbild vermitteln sollte. Dazu kam der obligatorische lateinische Unterricht, der Arnim zunächst 141

Ebd., S. 516. Die weiteren Zitate ebd. „Eine bestimmte Richtung hat aber seine Tätigkeit noch nicht erhalten, noch hat er meines Wissens seine Neigung für irgendeine Lebensweise nicht ausgesprochen. Es bleibt aber doch wünschenswert, daß er sich nicht durch seine vorteilhafte ökonomische Lage zum müßigen und genießenden Leben hinreißen lasse, daß er seine Kräfte anwende zu gemeinnützigen Zwecken und daß er das Leben als ein ernstes Geschäft, nicht als einen Zustand des Genusses ansehe. Diese Gesinnung und Vorsätze in ihm zu erwecken müßte ein wichtiger Gegenstand seiner Erziehung sein“. [Ebd.] 143 Ebd., S. 517. Diese Auffassung Steins entsprang weniger dem Bildungsideal der Zeit, das vor allem die alten Sprachen (Latein und Griechisch) favorisierte, sondern vielmehr Steins persönlichen Anschauungen. Stein initiierte nicht zufällig die Herausgabe der Monumenta Germaniae Historica. 142

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leicht fiel144. In den anderen Fächern tat er sich dagegen schwerer. Darum schlug Stein Bandelow zu Weihnachten 1816 vor, um Arnims „edle Gesinnungen“ zu festigen, sei es besser, „daß sein Unterricht sich auf einige Gegenstände beschränke“, vor allem auf klassische Literatur, Geschichte und Mathematik. Nachdem seine geliebte Großmutter am 18. Dezember 1817 gestorben war, wurde Arnims Leben noch freud- und liebloser. Seine Leistungen waren weiterhin mäßig. Im Juli 1818 monierte sein Lateinlehrer in einer „Censur“, die „Anstrengung“ Arnims sei „noch nicht ernstlich und das Fortschreiten in den verschiedenen Schulkenntnissen noch nicht sichtbar genug.“145 Er kritisierte insbesondere Arnims Leistungen in den deutschen Aufsätzen, die leider „höchst nachlässig gearbeitet seien.“ Nach zweijähriger Schulzeit rebellierte der junge Adolf v. Arnim gegen die spartanischen Lebensumstände, denen er sich zu fügen hatte. Dabei beklagte sich der Graf nicht über den zu umfangreichen Stundenplan146, sondern über das schlechte Essen und darüber, daß sein Zimmer (zur Abhärtung) nicht bzw. kaum geheizt werde147. Zwar stimmte der Freiherr vom Stein einem Wechsel der Lehranstalt zu, weil der verantwortliche Professor Schneider „seinen Zögling mit Kälte und Gleichgültigkeit behandelte und sich der Erfüllung seiner Pflichten entzog“148, doch ärgerte er sich über „Adolfs Hang zu einem weichlichen, bequemen Leben“149. Auch deshalb ließ er sich von Wilhelm v. Humboldt150 versprechen, Adolf v. Arnim „häufig bei sich zu sehen“151. Es kam allerdings zu keinem engeren Verhältnis zwischen Arnim und Wilhelm v. Humboldt152. 144 Am 03.11.1816 konnte Arnim Bandelow eine gute Zensur in Latein vorlegen; vgl. Nachlaß Nr. 4225, Bl. 92 (Brief) und Bl. 93 (Zeugnis). 145 Nachlaß Nr. 4225, Bl. 115. 146 Im Januar 1818 hatte Arnim (incl. Privatunterricht) nicht weniger als 44 Stunden Unterricht pro Woche; vgl. Nachlaß Nr. 4225, Bl. 126. 147 Dies geht hervor aus Steins Brief vom 30.12.1818 an Bandelow. In: Stein, Briefe V, S. 837/38. Dort auch die folgenden Aussagen Steins. 148 Vgl. ebd. 149 Stein war empört, wie er am 13.03.1819 an Bandelow schrieb; vgl. Stein, Briefe VI, S. 49. 150 Wilhelm Frhr. v. Humboldt (1767–1835) studierte Jura und war dann 1794– 97 Privatgelehrter in Jena. Von 1802 bis 1808 war er preußischer Ministerresident in Rom. 1809/10 war er Direktor für Kultus und Unterricht im Innenministerium, dem Vorläufer des Kultusministeriums. In dieser Position war er an den preußischen Bildungsreformen und der Gründung der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität beteiligt. Seit 1810 war Humboldt Gesandter in Wien, seit 1817 in London. 1819 wurde er erneut Minister (für ständische Gesetzgebung), wurde aber nach kurzer Zeit entlassen, weil er in einem Machtkampf mit Hardenberg unterlag. Danach beschäftigte er sich als Privatmann vor allem mit sprachwissenschaftlichen Fragestellungen; vgl. zuletzt Borsche, Wilhelm v. Humboldt, passim.

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Auf Steins Vorschlag wechselte Adolf v. Arnim 1819 auf das Werdersche Gymnasium153. 1820 wurde auf Vorschlag Bandelows beschlossen, daß Arnim noch ein weiteres Jahr die Schule besuchen solle154. Damals war die Schulzeit noch nicht streng limitiert, sondern vielmehr ein längerer Aufenthalt in der „Prima“ auf Grund der enormen Leistungsanforderungen nicht ungewöhnlich155. Auch dem jungen Boitzenburger wurde offenbar eine „Ehrenrunde“ mit der Ermahnung nahegelegt, sich mehr anzustrengen. Die Maßnahme zeigte aber nur geringe Erfolge156. Das Halbjahrszeugnis vom 23. Oktober 1820 bescheinigte Arnim zwar, er habe sich „sehr löblich“ aufgeführt und sei „im Besuche der Stunden sehr pünktlich und gewissenhaft gewesen.“157 Außerdem habe er einige Fortschritte in allen Fächern (Latein, Geschichte, Mathematik, Griechisch, Deutsch) gemacht. Allerdings waren die Formulierungen ähnlich geschönt wie in manchem Zeugnis der Gegenwart: In einem weiteren Schreiben kritisierte Lateinlehrer Brunn, Arnims „Betragen in den Lateinstunden“ sei „noch immer nicht so gesetzt als man seinen Jahren und übrigen Verhältnissen nach mit Recht erwarten könnte.“158 Außerdem waren seine Fortschritte, wie ihm Brunn vorhielt, insgesamt mittelmäßig und insbesondere in Mathematik „gar nicht bemerkbar“. Arnim war auch in der Abschlußklasse des Gymnasiums kein guter Schüler. Aus seiner Erziehung läßt sich zum Teil das politische Handeln des Grafen Arnim ableiten: Gewisse humanistische Ideen spielten auf Grund dieses Unterrichts in Adolf v. Arnims Denken Zeit seines Lebens eine Rolle, außerdem nicht zuletzt Vaterlandsliebe und Nationalstolz. Allerdings hat er sich offenbar kaum mit Geschichte beschäftigt159. Auch im übrigen sollte die Bedeutung der Schule für Graf Arnims Denken nicht überbewertet werden, da Ludwig v. Gerlach von 1806 bis 1809 auch das Joachimsthalsche 151

Stein, Briefe VI, S. 49. In Arnims Nachlaß fanden sich lediglich zwei Briefe Humboldts an Arnim [Nr. 4032, Bll. 2–3; Nr. 4235, Bl. 20], und in Humboldts gesammelten Werken keine Briefe von oder an Arnim. 153 Vgl. Steins Brief vom 09.01.1819 an Friedrich v. Arnim. In: Stein, Briefe VI, S. 2. 154 Bandelow am 01.08.1820 an Stein. In: Nachlaß Nr. 3780, Bll. 7–8. 155 Vgl. Jeismann/Lundgren, Handbuch der Deutschen Bildungsgeschichte, S. 156/57. 156 Vgl. dazu auch Bandelows Brief vom 01.08.1820 an Stein. In: Nachlaß Nr. 3780, Bll. 7–8. 157 Nachlaß Nr. 4225, Bl. 113. 158 Ebd., Bl. 114. Kurz: Für Brunn war Arnim offenbar ein richtiger Lausbub. 159 In der Boitzenburger Bibliothek befand sich um 1840 keines der Bücher, die Stein Arnim empfohlen hatte, dafür aber seine lateinischen Schullektüren; vgl. den Bibliothekskatalog. In: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3478. 152

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Gymnasium besuchte und trotzdem zeitlebens (im Gegensatz zu Arnim) die liberale nationale Idee verachtete160. Ursache dafür dürfte die unterschiedliche politische Einstellung der Väter gewesen sein: Während Arnims Vater wie erwähnt Anhänger des Freiherrn vom Stein war und auch mit Hardenberg kooperierte, lehnte die ganze Familie Gerlach die von Stein und Hardenberg getragene Reformbewegung ab161. Überdies hatte auch das „Abhärtungsprogramm“ wenig Erfolg, denn Graf Arnim legte sein Leben lang Wert auf ein komfortables Leben. Deshalb entschied er sich, für den märkischen Adel nach wie vor ungewöhnlich162, aber dafür ganz der Boitzenburger Familientradition entsprechend, nicht für den Soldatenberuf163, sondern für ein Jurastudium, um in den Staatsdienst einzutreten. b) Studium (1821–1824) Im Frühjahr 1821 verließ Adolf Heinrich das Werdersche Gymnasium mit der Absicht, ein Studium zu beginnen. Der Universitätsbesuch war zwar (wie schon der Schulbesuch) für einen jungen Adligen noch ungewöhnlich, lag aber ebenfalls im Trend der Zeit164. Als Studienort war zuerst Bonn im Gespräch165, doch begann Arnim dann Ostern sein Studium des Rechtes und der Staatswissenschaften in Berlin an der jungen FriedrichWilhelms-Universität166. Diese Studienfächer waren typisch für einen studierenden Adligen, da sie auf eine Karriere im Staatsdienst hinführten167. Da es für das Studium noch kein verbindliches Curriculum gab, konnten die Studenten damals ganz ihren Neigungen entsprechend studieren. Insofern kann allein die Liste der belegten Veranstaltungen aufschlußreich sein. Graf Arnim besuchte in den ersten drei Semestern lediglich zwei Vorlesungen mit Erfolg168: eine juristische Vorlesung bei dem berühmten Professor 160

Vgl. Kraus, Gerlach, S. 44 und 233–241. Vgl. Kraus, Gerlach, S. 48–51. 162 Noch um 1800 waren 35,5% der kurmärkischen Adligen Landwirte und 36,5% Offiziere (davon fast 75% ohne Gutsbesitz), dagegen nur 7% Staatsbeamte; vgl. Martiny, Adelsfrage, Tab. A1. 163 Immerhin 50% der zwischen 1775 und 1875 geborenen Grafen gingen im 19. Jahrhundert zur Armee (ohne Landwehr); vgl. Lieven, Abschied, S. 249. Auch insofern war Arnims Karriere untypisch. 164 Vgl. Buchsteiner, Adel, S. 361–363. 165 Vgl. Steins Brief vom 21.06.1821 an Bandelow, in dem er versprach, beim Oberpräsidenten Grafen v. Solms Informationen über die Universität Bonn einzuholen; vgl. Stein, Briefe VI, S. 355. 166 Nachlaß Nr. 3780, Bll. 10 und 16. 167 Vgl. Buchsteiner, Adel, S. 362. 168 Vgl. Nachlaß Nr. 3782, Bl. 4r. 161

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Friedrich Carl v. Savigny169 und eine Vorlesung über die Geschichte des römischen Rechts170. Arnim scheint also auch das Studium zunächst nicht übermäßig ernst genommen zu haben, worauf auch schlampige Vorlesungsmitschriften hindeuten171, auch wenn in Rechnung gestellt werden muß, daß Arnim sich einige Bücher anschaffte172. Insofern ist es unwahrscheinlich, daß Arnim von Savignys Lehre stark geprägt wurde. Während hier aber letzte Sicherheit fehlt, kann ausgeschlossen werden, daß der ebenfalls in Berlin lehrende Philosoph Hegel nachdrücklichen Eindruck auf Arnim gemacht hätte: Arnim besuchte keine Vorlesung bei diesem und beschäftigte sich auch sonst nicht mit seiner Philosophie173. Er war generell an philosophischen Fragen nicht interessiert und verleibte auch keine Philosophiebücher aus dem Boitzenburger Schloß dauerhaft in seine Handbibliothek ein174. Insgesamt bestätigte Adolf v. Arnim in Berlin das gängige Vorurteil, adlige Jurastudenten seien am reichsten und am faulsten175. 169 Friedrich Carl v. Savigny (1779–1861) studierte Jura in Marburg, Göttingen, Leipzig, Halle und Jena. Er wurde 1800 in Marburg promoviert und wurde dort a.o. Professor. 1803 wies er sich mit seiner Arbeit über „Das Recht des Besitzes“ als glänzender Kenner des römischen Rechts aus. 1810 wurde er von Humboldt in die Kommission zur Errichtung der Universität Berlin berufen, an der er erster Professor des römischen Rechts wurde. Savigny wurde 1811 Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften, 1816 Geheimer Justizrat, 1817 Mitglied des Staatsrates und 1826 Mitglied der Gesetzesrevisionskommission. 1842 bis 1848 war er zweiter Justizminister (für Gesetzesrevision). Danach widmete er sich seinen wissenschaftlichen Arbeiten. Der gemäßigt konservative Savigny war Begründer der „historischen Rechtsschule“, wozu auch die von ihm herausgegebene „Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft“ beitrug. Diese Schule setzte sich von der naturrechtlichen Doktrin der Aufklärung ab; vgl. u. a. Kraus, Begriff, passim; Rückert, Idealismus, passim; Schoof, Friedrich Carl von Savigny, passim; Stoll, Friedrich Karl v. Savigny, 3 Bde., passim. 170 Sie wurde von einem Privatdozenten (Dr. Klenze) gehalten. Es ist erstaunlich, daß Arnim nicht bei Savigny selbst über römisches Recht hörte, der anerkanntesten Koryphäe auf diesem Gebiet. 171 Vgl. Nachlaß Nr. 4191 und 4193 (teilweise „nach Savigny“). 172 Der Katalog der Bibliothek beinhaltet u. a. zwei Lehrbücher über Rechtsgeschichte, zwei über römisches Recht und (nicht zuletzt) Fr. C. v. Savigny: Geschichte des Römischen Rechts im Mittel-Alter. 3 Bde. Heidelberg 1815. 173 Auf einem Notizzettel über Geschichte der Philosophie [Nachlaß Nr. 4192, Bl. 40] finden sich einige Worte zu Kant, Fichte, Schelling, Schleiermacher, Hegel. Der letztere Name ist (wie auch der Schleiermachers, aber anders als Kant, Fichte und Schelling) nicht unterstrichen und mit dem kurzen Zusatz „Absoluter Idealismus“ versehen. 174 Im Katalog der Bibliothek aus den 1840er Jahren [BrLHA Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3478] sind die Bücher in Arnims Handbibliothek gekennzeichnet. Arnim führte zwar zahlreiche Bücher mit sich, u. a. 14 historische Werke, aber kein philosophisches. Er scheint Aristoteles, Francis Bacon, Newton, Leibnitz, Spinoza usw. nicht benutzt zu haben, und die Abteilung „Philosophie“ enthält lediglich ein zweifelsfrei von Arnim angeschafftes Buch, nämlich W.G. Tennemann: Geschichte der

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Der Freiherr vom Stein, immer noch Arnims Vormund, war mit den Studien des Grafen nicht zufrieden und versuchte ihn darum zu einem Wechsel der Universität zu bringen176. Der junge Graf aber wehrte sich gegen diese Bevormundung, weshalb Stein ihm vorwarf, er scheine „nie Gehorsam gelernt zu haben“ und habe „die Fertigkeit, seinen Willen unter den eines anderen zu beugen, nie erworben“. Stein richtete an Arnims die prophetischen Worte, „daß dieser Eigenwille, der mit Eigendünkel unzertrennlich verbunden, verderblich ist und viele bittere Kämpfe im Leben unfehlbar herbeiführt“. Auf Grund von Adolf v. Arnims „Ungehorsam“ drohte Stein sogar an, die Vormundschaft niederzulegen177. Zum Bruch kam es dann aber doch nicht, da Graf Arnim an die Universität Göttingen wechselte, und Stein übte die Vormundschaft bis zur Großjährigkeitserklärung Arnims im Mai 1823 aus178. Offenbar hatte sich Arnim schließlich doch überzeugen lassen179. Dieser Studienortwechsel sollte zu einem wichtigen Wendepunkt seines Lebens werden. Nicht zuletzt auf Grund der massiven Intervention des Freiherrn vom Stein immatrikulierte sich Graf Arnim am 30. Oktober 1822 an der Georgia Augusta in Göttingen. Damit studierte er nacheinander sowohl an den beiden berühmtesten deutschen Universitäten als auch an den bedeutendsten juristischen Fakultäten180. Graf Arnim widmete sich nun eifriger seinem juristischen Studium: Die Vorlesungsmitschriften des Grafen zeugen nun von einem bewußten Bemühen um eine gründliche Ausbildung181. Darüber zeigte sich der Freiherr vom Stein sichtlich erfreut182: „Dieses Studium und das der Geschichte bleiben die Grundlage des höheren politischen Lebens und beide sichern gegen das metapolitische Theoretisieren oder das Buhlen mit der im Moment herrschenden öffentlichen Meinung.“ Er riet Arnim Philosophie. Leipzig (4) 1825. Das Buch steht offenbar in Zusammenhang mit den Aufzeichnungen. In: Nachlaß Nr. 4192, Bll. 40 + 41. 175 Vgl. Lieven, Abschied, S. 226. 176 Vgl. dazu und zum folgenden Steins Brief von Ende März 1822 an Arnims Bruder Friedrich Ludwig. In: Stein, Briefe VI, S. 501/02; dort auch die folgenden Zitate. 177 Diesen Ungehorsam charakterisierte Stein wie folgt: „Ein neunzehnjähriger Jüngling muß überzeugt sein, daß es ihm an Erfahrung fehle, er muß den ernsten, festen Willen haben, seinen Eigendünkel zu beugen und dem Rat älterer, erfahrener Männer zu folgen.“ 178 Vgl. Stein, Briefe VI, S. 619. 179 Daß Arnim nicht ohne weiteres klein beigab, sollte sich im Umgang mit Innenminister Rochow noch zeigen; vgl. Kap. I.2.b) und II.1. 180 Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 504–506 und 512. 181 Vgl. z. B. Nachlaß Nrr. 4151 und 4152 und vergleiche diese mit Nr. 4191 (aus Berlin). 182 Vgl. Steins Brief vom Juni 1823 an Graf Arnim. In: Stein, Briefe VI, S. 627/ 28. Dort auch die weiteren Zitate.

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zum Einschlagen einer Verwaltungskarriere und demzufolge zu Kollegien über „das französische Gesetzbuch und die Prozeßordnung“, indes er den Adel des „Diplomatisierens, Exerzierens, Landjunkerisierens“ bezichtigte. Arnim belegte in Göttingen mehrere Vorlesungen über Staats- und Zivilrecht sowie über Rechtsgeschichte183. Anders als in Berlin nutzte er in Göttingen die Möglichkeit, sich ein umfangreiches juristisches Wissen anzueignen184. Hier wurde die Grundlage von Arnims Denken gelegt. Darüber hinaus hörte er bei Prof. Sartorius185 über Politikwissenschaft186. Er vermittelte Arnim einen differenzierten Gleichheitsbegriff, demzufolge zwar Rechtsgleichheit unmöglich sei187, jedoch politische Gleichheit (statt ständischer Privilegien) sinnvoll188. An Literaturempfehlungen notierte er sich u. a. Jean-Jacques Rousseau, Thomas Hobbes, John Locke, Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte und August Wilhelm Rehberg189. Bei „seinem“ Sartorius hörte Arnim auch Nationalökonomie190, was ihm für seine spätere Verwaltungskarriere nur nutzen konnte. Zwar hat ihn diese Vorlesung offenbar weniger interessiert191, doch machte er sich immerhin Auszüge aus einem empfohlenen Buch von Canard über politische Ökonomie192. 183 Vgl. das Zeugnis. In: Nachlaß Nr. 3782, Bl. 4; dort auch weitere Informationen zu Arnims Studium in Göttingen. 184 Vgl. dazu auch diverse Unterlagen. In: Nachlaß Nr. 4193 (teilweise). 185 Georg Freiherr Sartorius von Waltershausen (1765–1828) studierte Theologie und Geschichte. Er wurde 1792 Privatdozent, 1797 außerordentlicher und 1802 ordentlicher Professor der Philosophie. 1814 erhielt er eine Professur für Politik in Göttingen. Der König von Bayern erhob ihn 1827 zum Freiherrn von Waltershausen (nach seinem Rittergut in Bayern). Sartorius veröffentlichte Arbeiten über die Ostgoten, die Hanse und den Bauernkrieg, außerdem ein Handbuch der Staatswirtschaft (Berlin 1796). 186 Mitschrift von Sartorius, Politik (WS 1823/24). In: Nachlaß Nr. 4151, Bll. 7– 30. In der Mappe finden sich auch eine gedruckte Gliederung der Vorlesung sowie Notizen Arnims. Sartorius las über Staatsverfassung und Staatsverwaltung: auswärtige Politik, Rechtspflege, Militär, „Policey“, Schulwesen, Sozial- und Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik. 187 Arnim notierte in seiner Mitschrift über „Politik“, eine „Gleichheit, vermöge derer jeder einen gleichen Umfang von Rechten haben soll“, sei „eine reine Unmöglichkeit, falls die Freiheit bestehen“ solle, denn die Menschen seien „mit ganz verschiedenen Kräften und Anlagen ausgerüstet“ (Nachlaß Nr. 4151, Bl. 9r.). 188 Die politische Freiheit sei ein „kostbares Kleinod“ und bestehe darin, „daß es jedem möglich sey einen gleichen Umfang von Rechten zu erlangen, mit anderen Worten: es sollte kein Gesetz geben, dem nicht möglicherweise jeder andere unterworfen sein könnte.“ (Ebd.) Damit wurde ausdrücklich „allen privilegierten geschlossenen Corporationen der Stab“ gebrochen (Ebd.). 189 Diese Mischung aus Aufklärern (Rousseau, Locke, Kant) und Konservativen (Hobbes, Rehberg) dürfte typisch für Arnims Denken gewesen sein, auch wenn unklar ist, in welchem Umfang Arnim diese Autoren gelesen hat. 190 Mitschrift von Sartorius, Nationaloeconomie (WS 1823/24). In: Nachlaß Nr. 4152, Bll. 2–28; vgl. auch die gedruckte Gliederung und Arnims Notizen ebd.

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Außerdem hörte Arnim neuere Geschichte bei Arnold Heeren, der die damals bekannte „Geschichte des europäischen Staatensystems und seiner Kolonien“ veröffentlicht hatte193, und kaufte dessen Bücher194. Bisher hatte er die ständigen Ermahnungen des Freiherrn vom Stein, sich mit Geschichte zu beschäftigen, nicht beherzigt, doch nun änderte sich dies. Allerdings ignorierte er auch die Empfehlungen seines Vormundes: Da sein Denken eher rationell und nicht romantisch geprägt war, bevorzugte er (statt der von Stein empfohlenen mittelalterlichen) die neuere preußische und deutsche Geschichte195, wovon er sich allerdings auch größeren praktischen Nutzen für seine spätere Laufbahn als Beamter versprechen konnte. Nicht zuletzt betrieb Arnim landwirtschaftliche Studien, da abzusehen war, daß er aus dem väterlichen Erbe mehrere Güter erhalten würde196. Er kaufte sich u. a. die „Grundsätze der rationellen Landwirtschaft“ des Begründers der modernen Agrarwissenschaft Albrecht Thaer197 sowie Bücher über Schafzucht und Forstwirtschaft198. Und schließlich lernte Arnim in

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Dies belegen Kritzeleien in Pennälermanier; vgl. z. B. ebd., Bl. 40. Canard: Principe de l’economique politique. Paris 1801. 193 Heeren, Handbuch der Geschichte. Heeren las seit 1801 in Göttingen. Noch Bismarck hörte bei ihm 1832/33; vgl. Gall, Bismarck, S. 32–34; Marcks, Bismarcks Jugend, S. 99–103; Pflanze, Bismarck I, S. 54/55. 194 Deshalb waren die Mitschriften auch recht dürftig; vgl. Nachlaß Nr. 4162 und 4192. 195 In seiner Handbibliothek befanden sich 1843 immerhin 14 Titel zur neueren, insbesondere preußischen Geschichte; vgl. Bibliothekskatalog. In: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3478, Erster Theil, II. Geschichte, F. Neuere Geschichte. 196 Das väterliche Testament hatte ja festgelegt, daß das Erbe per Losentscheid aufgeteilt werden sollte, wobei jeder der beiden Brüder mehrere der Güter erhalten sollte. Insofern konnte sich Arnim bereits auf der Universität auf seine Rolle als Gutsbesitzer vorbereiten. 197 A. Thaer: Grundsätze der rationellen Landwirtschaft. Berlin 1821; vgl. den Bibliothekskatalog. In: BrLHA Nr. 3478, Erster Theil, I. Staatswissenschaften, F. Oeconomie, Agricultur, Landwirtschaft. Außerdem kaufte Arnim die „Praktische Anleitung zur Führung der Wirtschaftsgeschäfte für angehende Landwirte“ von T.K.G. Gericke, hrsg. von A. Thaer. 4 Bde. Berlin 1808. Albrecht Thaer (1752–1828) wurde 1780 Mitglied der kgl. Landwirtschaftsgesellschaft in Celle und errichtete 1802 in der Nähe eine landwirtschaftliche Lehranstalt. Er erhob die Landwirtschaft von der Empirie zur Wissenschaft. 1807 errichtete er, auf Grund seiner Kontakte zum Reformer Hardenberg nach Preußen gewechselt, im Oderbruch eine weitere Lehranstalt. 1809 wurde er Staatsrat im preußischen Ministerium und 1810 Professor für Kameralwissenschaften an der neugegründeten Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Thaer war in der Folgezeit maßgeblich an der preußischen Agrargesetzgebung beteiligt. Da er jedoch 1819 seine Professur niederlegte, konnte Arnim bei ihm nicht mehr hören. Er erwarb aber mit dessen vierbändigen „Grundsätzen“ eine Anleitung für die landwirtschaftliche Betriebslehre und insbesondere eine genaue Kostenrechnung. 192

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Göttingen das angelsächsische Denken kennen, das ihn sein Leben lang kennzeichnen sollte199. Am 6. Februar 1824 verließ Graf Arnim Göttingen200. Die Länge seines Studiums von sechs Semestern bewegte sich nach damaligen Maßstäben im Bereich des Üblichen. Ein „Überflieger“ war der junge Graf zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Er eignete sich aber ausgezeichnete Grundlagen an, die wegen des bereits damals geltenden „Juristenmonopols“ in der Verwaltung für seine spätere Karriere eine Rolle gespielt haben dürften. Außerdem wurde sein Charakter von aufklärerischem Denken geprägt, das sich mit einem Konservativismus mischen sollte, der sich aus seiner Herkunft ergab. Sartorius’ naturrechtliches Denken scheint Arnim jedenfalls weitaus stärker geprägt zu haben als Savignys organisches Denken201. Und nicht zuletzt knüpfte er Kontakte zu polnischen Adligen202, die sein Denken insofern prägen sollten, als ihm zeitlebens nationalistische Gedanken wesensfremd blieben. Nach dem Examen unternahm Graf Arnim eine Reise in die Schweiz und anschließend nach Paris203, um sich „mit der französischen Gerichtsverfassung bekannt zu machen.“204 Da das französische Recht in den preußischen Westprovinzen weiterhin gültig war, glaubte er zu Recht, durch seine privaten Studien seine Berufsaussichten nur zu verbessern. Außerdem beschäftigte er sich auf der Reise mit der Französischen Revolution205. 198

Vgl. den Katalog, a. a. O. Den hohen Stellenwert, den diese Bücher für Arnim einnahmen, belegt die Tatsache, daß er 22 land- und 9 forstwirtschaftliche Bücher in seiner Handbibliothek hatte. 199 Die Universität Göttingen war damals „die Vermittlerin englisch-schottischen Denkens auf dem Kontinent“ [Neumann, Stufen, S. 137]. 200 Abgangszeugnis. In: Nachlaß Nr. 3782, Bl. 4. 201 Hinsichtlich der Entstehung der Staaten findet sich in Arnims Mitschrift die Passage: „Der Mensch ist ein geselliges Wesen, daher finden wir ihn stets in einer Gesellschaft, sei diese nun eine Familie, eine Horde usw.“ (Nachlaß Nr. 4151, Bl. 8r). Dabei ist zu beachten, daß Arnim keineswegs alles aufschrieb, was Sartorius vortrug; vgl. die Gliederung (Ebd., Bl. 31 ff.) und Arnims Notizen (Ebd., Bl. 7 ff.). 202 Vgl. Laubert, Oberpräsident, S. 302; siehe auch Kap. III.1. Die polnischen Bekanntschaften Arnims resultierten auch aus der Tatsache, daß es in Göttingen nur wenige deutsche Adlige gab; vgl. Gall, Adel, S. 40. 203 Vgl. Reiseunterlagen. In: Nachlaß Nr. 4162. 204 Vgl. Steins Brief vom 30.03.1824 an Bartold Georg Niebuhr. In: Stein, Briefe VI, S. 703. Stein bat Niebuhr zudem um Empfehlungsschreiben für Arnim an „tüchtige französische Rechtsgelehrte“ (Ebd.) und gab Arnim zudem selbst zwei Empfehlungsschreiben mit; vgl. ebd., S. 710–712. 205 In den Reiseunterlagen [a. a. O, Bll. 36–48] finden sich auch Exzerpte aus „Histoire de la Revolution francoise par F. Miquet“. Leider ist nicht mehr zu ermitteln, welche der zahlreichen Boitzenburger Bücher über die Französische Revolution Arnim damals noch las.

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c) Militärdienst und Ausbildung im Staatsdienst (1824–1830) Noch vor Beginn seiner Ausbildung mußte Arnim als Einjährig-Freiwilliger seiner Wehrpflicht genügen206. Der ihn untersuchende Militärarzt attestierte ihm „eine, wenngleich zarte, doch durchaus gesunde Körper Konstitution“ und schrieb ihn diensttauglich207. Arnim trat am 1. Januar 1825 in die 4. Eskadron des 2. Garde-Ulanen- (Landwehr-) Regiments ein, das er Ende 1825 mit der Versicherung verließ, zum Offizier befähigt zu sein208. Zwar ging der Boitzenburger „natürlich“ zur Garde, doch war er alles andere als ein kriegerischer Geist209. Nur 1849 scheint er sich demonstrativ zur preußischen Landwehr bekannt zu haben210. Insofern ist es nur konsequent, daß Arnim mit den „militärischen“ Kreisen und den konservativen Militärs später wenig zu tun hatte211. 206 Dieses Vorgehen hatte ihm Stein bereits 1821 geraten; vgl. dessen Brief vom 21.06.1821 an Bandelow. In: Stein, Briefe VI, S. 355. Daß Arnim alles andere als freiwillig diente, belegt der ihm erteilte Hinweis, daß er als Einjährig-Freiwilliger bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres zu dienen habe; vgl. Nachlaß Nr. 3783, Bl. 1. Daß Arnim nur ein Jahr diente, war typisch für seine Zeit; vgl. Spenkuch, Herrenhaus und Rittergut, S. 387. 207 Nachlaß Nr. 3783, Bl. 1. 208 Kriegs-Reserve-Paß vom 28.12.1825. In: Nachlaß Nr. 3783, Bl. 3. 209 Dies beweist seine weitere Karriere als Reserveoffizier: Arnim versäumte es, sich nach der Entlassung (wie im Militärpaß vermerkt) innerhalb von vier Wochen bei zuständigen Landwehrfeldwebel zu melden, weshalb er am 28.04.1828 (!) ermahnt wurde, dies endlich nachzuholen; vgl. Nachlaß Nr. 3783, Bl. 2. Seine wortreiche Entschuldigung [Ebd., Bl. 3] wurde nicht akzeptiert [Ebd., Bl. 4]. Obwohl er seit dem 9. Mai 1828 offiziell beurlaubt war [Ebd., Bl. 11], wurde Arnim am 15. August 1828 zum Seconde-Lieutenant befördert [Ebd., Bl. 12]. Anschließend ließ sich Arnim sowohl 1829 wegen seiner Ausbildung [Ebd., Bll. 18–22] als auch 1830 aus gesundheitlichen Gründen [Ebd., Bll. 24–28] vom Manöver befreien. In den Folgejahren war er auf Grund seiner amtlichen Stellung unabkömmlich [Vgl. ebd., Bl. 35]. Ohne eine Übung absolviert zu haben, wurde Arnim (inzwischen Oberpräsident von Posen) am 14. September 1841 vom König zum Major befördert [Ebd., Bl. 40], und zwar „in Anerkennung des Interesses, welches Sie Ihrem Verhältnis in der Landwehr widmen.“ Über dieses signifikante Beispiel für das unmilitärische Denken König Friedrich Wilhelms IV. dürfte Arnim gelächelt haben. 1851 schied er (mit 48 Jahren) aus dem „aktiven“ Dienst aus. Arnims Verhalten ist nicht untypisch: Im 19. Jahrhundert neigten besonders die Fideikommiß-Besitzer zunehmend dazu, den Militärdienst möglichst ganz zu meiden; vgl. Henning, Konkurrenz, S. 13/14. 210 Im Nachlaß findet sich ein Willkommensgruß für das Prenzlauer LandwehrBataillon vom 17. August 1849 mit einem Lied nach der Melodie „Ich bin ein Preuße, kennt Ihr meine Farben?“ [Nachlaß Nr. 3790, Bl. 37]. Arnim, der seit 1840 nur noch zum 2. Aufgebot der Landwehr zählte [Nachlaß Nr. 3783, Bl. 36], war natürlich nicht an den Feldzügen beteiligt, sondern nur am feierlichen Einzug in Templin. 211 Dies ist insbesondere bei der Beurteilung von Arnims Rolle im Verfassungskonflikt zu beachten; vgl. Kap. V.2.

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Nach dem Ende seines Militärdienstes setzte Graf Arnim seine juristische Ausbildung fort212, und zwar zunächst als Praktikant am Berliner Kammergericht213; zugleich erhielt er die Hofcharge des Oberstallmeisters v. Jagow, was deutlich machte, daß seine Karriere bei Hofe sorgfältig verfolgt wurde214. Am 17. Mai 1826 bestand Arnim die erste juristische (Aufnahme-) Prüfung, wobei er „in seinen Antworten die unzweideutigsten Beweise von vorzüglichen Rechtskenntnissen, Reife des Urtheils, Schärfe des Verstandes und schneller Auffassungsgabe“ gab215. Daraufhin wurde Arnim am 26. Mai zum „Auskulator“ ernannt216. Nun gehörten schlechte Zeugnisse endgültig der Vergangenheit an: Arnim erhielt auch ein „vorzügliches Zeugnis über 2. Prüfung“ und wurde zum Referendar befördert217. Als solcher war er beim Justizminister v. Danckelmann beschäftigt218. Anschließend arbeitete er im Innenministerium219. Nach wie vor kümmerte sich der Freiherr vom Stein um Arnims Werdegang220: Er dürfte auch an dessen Ernennung zum Domherrn von Brandenburg am 18. Dezember 1826 beteiligt gewesen sein221. Und bezüglich Arnims Wunsch, eine „ständische Laufbahn“ einschlagen, riet er ihm, beim König um eine Virilstimme für den brandenburgischen Provinziallandtag zu ersuchen222. Auf fachlichem Gebiet 212 Vgl. zur Ausbildung Arnims im Staatsdienst diverse Unterlagen. In: Nachlaß Nrr. 4148–4193. 213 Nachlaß Nr. 3779, Bl. 16. Die Datierungen sind in dieser Nummer zum Teil ungenau, was darauf zurückzuführen ist, daß die Übersicht wesentlich später verfertigt wurde. 214 Nachlaß Nr. 3780, Bl. 10; vgl. Priesdorff, Führertum III, S. 426/27. Graf Arnims gesellschaftliches Ansehen wuchs auch in der Folgezeit: Im Mai 1831 übernahm er auch die Hofcharge des Grafen v. Henckel-Donnersmark; vgl. ebd. 215 Nachlaß Nr. 3782, Bl. 1. 216 Nachlaß Nr. 3779, Bl. 16; Nr. 3780, Bl. 9. Auch die „Auskulatur“, auch „Kammerreferendariat“ genannt, war ein unbezahltes Praktikum; vgl. Wunder, Geschichte, S. 37; siehe dazu auch Lieven, Abschied, S. 286. 217 Nachlaß Nr. 3779, Bl. 16; Nr. 3780, Bl. 10. 218 Nachlaß Nr. 3780, Bl. 10. 219 Stein am 14.04.1827 an seine Tochter Therese. In: Stein, Briefe VI, S. 574. An eine diplomatische Karriere dachte Arnim nicht, obwohl diese für einen Adligen nicht unüblich gewesen wäre. Er setzte sich hier einerseits bewußt vom Vater ab und folgte andererseits dem Vorbild des Großvaters. Auch der Freiherr vom Stein hatte ihm dazu geraten. 220 Vgl. Steins Brief vom 02.06.1825. In: Stein, Briefe VI, S. 857–859. Stein riet Arnim hier zum wiederholten Male zu historischen Studien. 221 Patent Nachlaß Nr. 3817, Statuten des Domstiftes ebd., Nr. 3818; Schriftwechsel über Arnims Verwaltungstätigkeit Nrr. 3819–27; dabei Besetzung einer weltlichen Domherrnstelle 1858 (Nr. 3820), Tätigkeit als Dechant 1859–62 (Nr. 3821), Protokoll über eine Sitzung des Generalkapitels des Domstiftes 1867 (Nr. 3827); vgl. zur Ernennung auch Nr. 3780, Bl. 10. 222 Vgl. Steins Brief vom 03.01.1827 an Graf Arnim. In: Stein, Briefe VII, S. 130–132; vgl. dazu auch Kap. I.4.

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hatte Graf Arnim eine Protegierung aber nicht nötig. Vielmehr zeugen verschiedene Ausarbeitungen, u. a. Vorschläge zur Verbesserung der sozialen und politischen Zustände in Preußen223, von seinen Qualitäten224. 1827 schied Graf Arnim auf eigenen Wunsch aus dem Staatsdienst aus, als er mit der Vollendung des 24. Lebensjahres sein Erbe antreten konnte225, um seine Güter zwei Jahre lang selbst zu verwalten und dabei zugleich „das innere Provinzial- und ländliche Leben kennenzulernen“226. Er nahm nur die Leitung des Gutes Boitzenburg selbst in die Hand, während die übrigen Güter verpachtet wurden. Da er bereits eine Landratskarriere anpeilte, konnte ihm dieses Wissen nur nützen. Der Freiherr vom Stein war nun erfreut über Arnims Zielstrebigkeit, die er lange vermißt hatte227. Als erstes nahm Graf Arnim eine Inventur seines Besitzes vor228. Außerdem leitete er den Umbau des Boitzenburger Schlosses durch Friedrich August Stüler in die Wege, der zwischen 1838 und 1842 erfolgte und bei dem Ober- und Unterhaus zusammengefaßt wurden229, und ließ den Schloßpark durch den bekannten Landschaftsarchitekten Peter Josef Lenné umgestalten230. Während die meisten Adeligen eher größere Fachwerkhäuser bewohnten, verdiente Boitzenburg auch deshalb als einer der wenigen Adelssitze der Uckermark wirklich den Titel „Schloß“231, weil zwei hervorra223

Nachlaß Nr. 4154; vgl. dazu auch Kap. II.2. Vgl. außerdem Nachlaß Nrr. 4155, 4156, 4158, 4159. 225 Nachlaß Nr. 3779, Bl. 19; vgl. dazu Kap. I.4. 226 Stein am 14.04.1827 an seine Tochter Therese. In: Stein, Briefe VI, S. 574. 227 Vgl. ebd. 228 Nachlaß, Nr. 3812. 229 Vgl. ebd. Der Architekt Friedrich August Stüler (1800–1865) fußte auf Schinkels Klassizismus und baute unter anderem 1843–1856 das Neue Museum in Berlin und 1850–1867 die Burg Hohenzollern. Schloß Boitzenburg, das bereits bis 1740 unter Georg Dietloff v. Arnim umgebaut worden war und dann von 1838 bis 1842 nach Graf Arnims Anweisungen durch Friedrich August Stühler, wurde zwischen 1881 und 1884 erneut im Stile der Neurenaissance umgebaut; vgl. Bluhm, Baugeschichte, S. 227/28; Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 353 (Abb.) und S. 395/96 (Abb.); Heinrich, Boitzenburg, S. 132. 230 Vgl. ebd. Der Gartenbaumeister Peter Josef Lenné (1789–1866) wurde 1854 Generaldirektor der königlichen Gärten in Preußen. Er schuf u. a. den englischen Landschaftsgarten in Sanssouci und Schloß Babelsberg und gestaltete den Berliner Tiergarten um. 231 Vgl. dazu und zum folgenden Fontane, Wanderungen III, S. 502/03, 517/18, 565–568. Eindrucksvoll ist u. a. die Beschreibung des Schlosses Boitzenburg aus dem 17. Jahrhundert, das von Jagdtrophäen, rohen, einfachen Holzmöbeln und wenig wertvollen Bildern geprägt wurde. Für Fontane gebrach noch all das, was er „als die kleine Münze der Kunst und des Luxus“ bezeichnete, und in seiner typischen Zurückhaltung notierte er: „Die Frische labte, nicht die Schönheit.“ (Ebd., S. 503). 224

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gende Künstler es gestalteten. Allerdings bedeutete dies nicht automatisch, daß das Schloß architektonisch besonders bemerkenswert gewesen wäre232. Das Schloß stellte für den Grafen Arnim aber auch weniger ein kunstgeschichtliches Objekt dar als vielmehr ein repräsentatives, „modernes“ und prachtvolles Gebäude, das sich deutlich von anderen uckermärkischen Adelssitzen abhob. Wie um seinen Besitz kümmerte sich Graf Arnim auch um sein Haus, das für ihn mehr war als nur ein Wertobjekt: 1831 ließ er seine Bibliothek neu ordnen233. Deren Grundstock hatte sein Großvater Friedrich Wilhelm v. Arnim in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelegt. Graf Adolf v. Arnim selbst erweiterte die Bibliothek beträchtlich, so daß der Katalog von etwa 1850 nicht weniger als 3800 Nummern umfaßte234. Davon zählten nur etwa 1000 zur „schönen“ Literatur, so daß wissenschaftliche Werke die Überzahl darstellten. Darunter befanden sich unter der Rubrik I „Staatswissenschaften“ in der Gruppe F „Ökonomie, Agrikultur und Landwirtschaft“ mehrere Titel von A. Thaer und anderen landwirtschaftlichen Koryphäen des 19. Jahrhunderts, außerdem unter G „Forstwirtschaft“ Bücher über Windbruch und Raupenfraß, Kiensamensaat und das Jagdwesen. Außerdem subskribierte Graf Arnim häufig neue Bücher, neben landwirtschaftlichen Büchern auch solche über Buch- und Kassenführung235, um nur einige zu nennen. 1843 erhielt die Bibliothek im Zuge des Schloßumbaus 232 Der Kunsthistoriker Alvensleben beurteilte Boitzenburg mit deutlicheren Worten als Fontane: „Das Schloß selbst ist verdorben. Nur ein hoher alter Renaissanceflügel allein ist noch intakt. Der Barockbau, von dem schöne Bilder im Märkischen Museum hängen, ist von Schinkel in Zinnengotik umgebaut“ (Ebd., S. 240). Über den Schloßpark notierte er nicht weniger versöhnlich: „Das Schloß steht isoliert, vom Burggraben umgeben, der als See mit geschlängeltem Ufer erweitert wurde. Die Vorburg ist abgebrochen. Das Ganze liegt im Talkessel mit altem Buchenwald ringsum. Der See im Park ist verlandet. Auf den Höhen ist eine offene gotische Kapelle, ein klassizistischer Rundtempel, ein Obelisk und das Erbbegräbnis der letzten Generation, mit brüllenden Löwen. Das Schönste sind die Communs, die alte Reitbahn, der Reitplatz davor und die barocken Bedientenhäuser, die einen Vorhof vor der Schloßbrücke bilden, dazu die hochgelegene Kirche mit weithin sichtbarem Barockturm von einem friderizianischen Baumeister. Im Innern ein barocker Hochaltar, Herrschaftsgestühl, Epitaphien und alte Wappenfenster.“ (Ebd.) 233 Nachdem sich eine Vereinbarung mit cand. phil. Wilhelm Wackernagel nicht treffen ließ (Nachlaß Nr. 4212, Bll. 8–11), wurde ein Doktor Mundt beauftragt (Ebd., Bll. 19–22). 234 BrLHA Pr.Br. Boitzenburg Nr. 3478. Der Katalog umfaßte sechs Hauptabteilungen. Abt. I: Staatswissenschaft; Abt. II: Geschichte; Abt. III: Philosophie; Abt. IV: Theologie; Abt. V: Jurisprudenz; Abt. VI: Medizin und Naturwissenschaften. Dabei stellten die vier letzten Rubriken die vier klassischen Fakultäten dar, während dem Hauptinteresse Arnims gemäß die Staatswissenschaften an erster Stelle standen. 235 Nachlaß Nr. 4213.

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einen großzügigen Raum zugewiesen236. Schließlich stellte Graf Arnim einen Bibliothekar zur Ordnung der Bibliothek ein, die bei seinem Tode 1868 etwa 10.000 Bände umfaßte237. Zur Pflege und Hege der Boitzenburger Parkanlagen wurde Arnim 1827 „wirkliches“ Mitglied des Vereins „zur Beförderung des Gartenbaus in den Königlich Preußischen Staaten“238, dem laut Mitgliederverzeichnis von 1843 als „Protector“ König Friedrich Wilhelm IV. vorstand und dem fünf Prinzen und die Prinzessin von Preußen als Ehrenmitglieder angehörten, außerdem der Großherzog Georg von Mecklenburg, der Großherzog von Sachsen-Weimar und die Fürstin von Hohenzollern-Hechingen239. Daß der Graf aber nicht nur 50 Thaler im Jahr zahlte240, um in einem illustren Verein Mitglied zu sein, sondern wirklich seinen Besitz verschönerte, beweisen zwölf erhaltene Rechnungen241. Daß Graf Arnim auch im abgelegenen Boitzenburg nicht in Vergessenheit geriet, zeigt die Tatsache, daß er am 12. März 1828 (wie auch schon sein Vater) zum Kammerherrn ernannt wurde242. 1829 durfte er in dieser Eigenschaft sogar einer Kaiserin aufwarten243. Graf Adolf v. Arnim ließ sich also (entgegen den Befürchtungen des Freiherrn vom Stein) nicht zum Müßiggang verleiten, obwohl sein väterliches Erbe außerordentlich war244. Vielmehr verwendete er beträchtliche Einnahmeüberschüsse nicht nur zur konsequenten Vergrößerung seiner „Grafschaft Boitzenburg“, sondern durchlief „ungeachtet seines Reichthums 236

Nachlaß Nr. 4212. Nachlaß Nr. 4214. 238 Nachlaß Nr. 4226, Bl. 1. Laut Statuten (Nachlaß Nr. 4226, Bll. 2–9, hier Bl. 5) war der Zweck des Vereins „die Beförderung des Gartenbaus in den Preußischen Staaten, der Obstbaumzucht in allen ihren Zweigen, des Baus der Gemüse- und Handelskräuter, der Erziehung von Zierpflanzen, der Treibereien und der bildenden Gartenkunst.“ Siehe außerdem: Statuten und Verwaltungspläne der Gärtner-Lehranstalt und Landes-Baumschule zu Schöneberg und Potsdam. Berlin 1824, in: Nachlaß Nr. 4226, Bll. 10–43; Nachtrag Bll. 45–49. 239 Ebd., Bll. 78–89; vgl. auch Verzeichnis 1844 ebd., Bll. 95–105. 240 Vgl. ebd., Bl. 50. 241 Ebd., Bll. 52, 55, 58, 64, 68, 70, 92, 109, 110, 123, 124, 126. 242 Nachlaß Nr. 3828. 243 Wittgenstein schrieb Arnim am 29.06.1829: „Ew. Hochgeboren beehre ich mich zu benachrichtigen, daß Se. Majestät zu bestimmen geruht haben, daß Sie und der p. Kammerherr von Thielen während der Vermählungsfeierlichkeiten die Aufwartung bei Ihrer Majestät der Kaiserin übernehmen.“ [Nachlaß Nr. 4229, Bl. 9] 244 „Zwei Häuser weiter dem Brandenburger Tor zu wohnte Graf Arnim-Boitzenburg mit Frau und vielen Kindern. Er besaß neunundneunzig größere und kleinere Besitzungen; einhundert zu haben war das Vorrecht des Königs“, notierte Paula v. Bülow [Lebenserinnerungen, S. 10] über den außerordentlichen Besitz des Boitzenburgers. 237

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. . . die Staatskarriere sammt allen dazu gehörigen Examen in strengster und zugleich ausgezeichnetster Weise“245. Außerdem bemühte er sich (wie geplant246) um eine „ständische Laufbahn“ in den ständischen Organen der vorkonstitutionellen Zeit, in Kreis- und Provinziallandtag247. Dabei hatte er eventuell das Vorbild seines Urgroßvaters vor Augen, dessen Amt des Landschaftsdirektors ihm den Aufstieg zum Justizminister erleichtert hatte248. Es muß stets berücksichtigt werden, daß der Graf nicht etwa ein „Krautjunker“ war, der sich durch außerordentlichen Fleiß nach oben arbeiten mußte, sondern vielmehr ein reicher Grundbesitzer, der nicht um des Verdienstes willen, sondern wegen des Ansehens im Staatsdienst weilte, wegen der altrömischen „virtus“. Zum Ansehen Adolf v. Arnims trug auch bei, daß er sich (nicht nur zwischen 1827 und 1829) intensiv um seinen Besitz kümmerte. Dabei erwies er sich als derart erfolgreicher „Geschäftsmann“, daß es ihm (trotz der Agrarkrise der 1820er Jahre249) gelang, das ererbte Vermögen beträchtlich zu vermehren250. 1829 trat Graf Adolf v. Arnim wieder in die Staatsverwaltung ein, und zwar zunächst in die Regierung Potsdam251. Seinen umfangreichen und zahllosen Pflichten ging er dort mit einem derartigen Arbeitseifer nach, daß sich nach kurzer Zeit gesundheitliche Probleme einstellten. Der Freiherr vom Stein schlug ihm als „das sicherste Mittel zur Wiedererlangung einer durch übermäßige Anstrengung angegriffenen Gesundheit Entfernung von Geschäften und einen Aufenthalt in Italien“ vor252. Außerdem riet er ihm zur Annahme einer Landratsstelle, die ihm nicht nur gute Kenntnisse verschaffe, sondern auch „Selbständighandeln“ ermögliche. Dazu gab er Arnim den Rat, daß er sich bei seiner Tätigkeit am ehesten im Rheinland und in Posen profilieren könne, da dort „die jetzige Generation der preußischen Monarchie, mit der sie Krieg und neuere Verträge erst kürzlich verbunden haben, abhold“ sei. Am 20. Juli 1830 bestand Graf Arnim sein Assessorexamen253, nachdem er das Verwaltungswesen von der Pike auf gelernt hatte. Seine Probearbei245

Nachlaß Nr. 3779, Bl. 49 (Beilage Dt. Ztg.). Vgl. Steins Brief vom 03.01.1827 an Graf Arnim. In: Stein, Briefe VII, S. 130–132. 247 Vgl. Kap. I.4. 248 Vgl. Martiny, Adelsfrage, S. 52. 249 Vgl. dazu Berdahl, Politcs, S. 264–286; Schissler, Agrarreform, S. 145–153. 250 Vgl. dazu auch Kap. I.4. 251 Ebd., Bl. 10r; vgl. auch die Geschäftsordnung der Regierung Potsdam. In: Nachlaß Nr. 4169, Bll. 8–17. 252 Stein am 09.03.1830 an Graf Arnim. In: Stein, Briefe VII, S. 781–785, hier S. 782. Dort auch die weiteren Zitate. 246

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ten schrieb er über die Überlassung des Postregals an Private254 und über „Brandenburg im Westfälischen Frieden“255. Diese Arbeit ist sehr aussagekräftig für Arnims Geschichtsbild, denn die Bearbeitung des Themas lag ganz im Ermessen des Prüflings256. Insgesamt erhielt Graf Arnim auch deshalb eine sehr gründliche Ausbildung, weil er durch private Reisen bzw. sein Boitzenburger Gutsherrenleben seinen Horizont erweiterte. Diese Zusatzqualifikationen sollten ihm bei seiner Tätigkeit im preußischen Staatsdienst nützlich sein. Die Ausbildung brachte den jungen Grafen Arnim in Kontakt zu bürgerlichen Kreisen. Sie ist typisch für eine partielle Anpassung des Adels an bürgerliche Gepflogenheiten, die am ehesten im Bildungsbereich erfolgte257. Allerdings wäre es falsch, von einer „Verbürgerlichung“ Arnims zu sprechen258. Vielmehr blieb dieser ein typischer adliger Rittergutsbesitzer. Das Bemühen um eine gute Ausbildung kann auch als das traditionelle adelige Bestreben gedeutet werden, dem preußischen Staat dienen zu wollen, dessen tiefste Erniedrigung Graf Arnim als Junge erlebt hatte und dessen Wiederaufbau nach 1815 noch lange nicht abgeschlossen war, als der junge Graf 1830 in den Staatsdienst eintrat. Vielmehr sollten ihn Reorganisationsmaßnahmen während seiner ganzen Karriere als preußischer Beamter immer wieder beschäftigen, zuerst als Landrat in der Uckermark. 3. Beginn einer Karriere im Staatsdienst (1830–1840) Die Neuordnung des preußisches Staates, der auf dem Wiener Kongreß im Vergleich zum Besitzstand von 1807 bedeutend vergrößert und im Vergleich zu dem von 1795 wesentlich nach Westen („nach Deutschland hinein“) verschoben worden war, verwandelte diesen ab 1815 in einen modernen Verwaltungsstaat, wenn auch nicht in einen Verfassungsstaat259. Das Staatsgebiet wurde zunächst in zehn, später in acht Provinzen eingeteilt260. Dies machte auch eine Reform der Verwaltungsbezirke notwen253

Abschlußzeugnis in: Nachlaß Nr. 3830, Bl. 58. Vgl. Nr. 4179. 255 Vgl. Nachlaß Nr. 4178; Reinschrift ebd., Bll. 16–35. 256 Vgl. ausf. Kap. I.4. 257 Vgl. Buchsteiner, Adel, S. 374. 258 Vgl. dazu Einleitung, Kap. 2. Die These der „Verbürgerlichung“ vertreten vor allem Rosenberg und seine Schule; vgl. Rosenberg, Bureaucracy, passim. 259 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 331. 260 Es handelte sich um die Provinz Preußen (zunächst in West- und Ostpreußen geteilt), die Provinz Großherzogtum Posen, die Provinz Schlesien, die Provinz Pommern, die Provinz Mark Brandenburg, die Provinz Sachsen, die Provinz Westfalen und die Rheinprovinz (zunächst geteilt). 254

3. Beginn einer Karriere im Staatsdienst (1830–1840)

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dig261. Diese Verwaltungsreorganisation wurde von den preußischen Beamten in kurzer Zeit umgesetzt. Dazu war eine besonders penible Beachtung der Vorschriften notwendig, damit es nicht zu unnötigen Reibungsverlusten der neugeschaffenen Behörden kam, deren Zusammenarbeit sich erst einspielen mußte. Die unbestrittenen Leistungen der preußischen Bürokratie konnten aber dem aufmerksamen Beobachter ein gewisses Manko nicht verbergen, das sich gerade aus der strengen Regelhaftigkeit der Aufbauphase ergab. Im Jahre 1827 verglich Ferdinand Graf v. Galen die preußische Verwaltung mit einem Uhrwerk, das „keine andere Triebfeder wie die der Gewohnheit“ habe und sich „in der Nähe als zerrissene Stücke eines zusammenhängenden Ganzen“ zeige262. Diese Kritik Galens trifft das Kernproblem der preußischen Verwaltung nach 1815: Einer beispiellosen Pflichterfüllung der Beamten, die ihre Wurzeln in der friederizianischen Zeit hatte263, stand eine gewisse Orientierungslosigkeit gegenüber, was das zukunftsweisende Ziel des Handelns sein sollte. Je weiter die Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. fortschritt, desto stärker erstickte die Routine reibungsarmen Handelns Innovation und Inspiration. Vor zuviel Routine warnte auch der Freiherr vom Stein den Grafen Arnim zu Beginn seiner Karriere264. Die „praktischen Geschäftsmänner“ lebten nur „in ihren Akten, in Erinnerungen von Bruchstücken ihrer akademischen Studien“. Um dem zu entgehen, empfahl Stein Arnim, sich stets weiterzubilden und legte ihm besonders eine Beschäftigung mit dem öffentlichen Leben in England und Frankreich ans Herz.

261 Dies war z. B. in der Mark Brandenburg der Fall, welche die Altmark sowie die neumärkischen Kreise Dramburg und Schivelbein verlor und dafür den schlesischen Kreis Schwiebus sowie umfangreiche sächsische Gebiete, besonders die Niederlausitz, gewann; vgl. Schultze, Reform, S. 46–53. 262 „Was unsre innern Staatsverhältnisse betrifft, so ist unsere ganze Administration vortrefflich, sie geht wie ein Uhrwerk, aber ich glaube, sie hat keine andere Triebfeder wie die der Gewohnheit. Ihr fehlt ein großartiger bestimmter Charakter, eine klare Tendenz, sie ist ein Mosaikgemälde, dessen bunte und hübsch aneinandergereihte Bestandteilchen in der Entfernung einen schönen Effekt hervorbringen, sich aber in der Nähe als zerrissene Stücke eines zusammenhängenden Ganzen zeigen.“ notierte Galen in sein Tagebuch; zitiert nach Friedrich Keinemann: Zwei Beiträge zur Bewußtseinsbildung des westfälischen Adels im 19. Jahrhundert. Hamm 1975, S. 5. 263 Otto Pflanze [Bismarck I, S. 67] formulierte prägnant: „Friedrich der Große hatte in Preußen die überlieferten Pflichten des Adels umgebildet in eine patriotische Pflicht, dem preußischen Staat zu dienen.“ 264 Stein erwähnte am 31.03.1829 an Graf Arnim „eine Klippe, an der viele praktische Geschäftsmänner scheitern – das Erstarren in der Routine und in der krampfhaften Vieltuerei.“ Daran anschließend auch die weiteren Zitate.

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a) Landrat in Templin in der Uckermark (1830–1833) Als erstes Amt bekleidete Adolf Heinrich v. Arnim seit dem Winter 1830/31 das eines Landrates265 im Kreis Templin in der Uckermark, in dem auch die Herrschaft Boitzenburg lag266. Er schlug damit die sog. „Landrathskarriere“ ein, „die einzige Hinterthür, durch welche die Aristokratie die um das Preußische Beamtenthum gezogenen siebenfachen Schranken überwinden kann.“267 Darüber hinaus konnte Graf Arnim deshalb auf diesem Wege leichter zu einer angemessenen Beschäftigung kommen, weil auf Grund der politisch motivierten Sparsamkeit die Stellen in der Verwaltung äußerst knapp bemessen waren268. Die Landratsämter aber waren nach wie vor eine Domäne des Adels269, obwohl ein Landrat seit 1815 festes Gehalt und Pension erhielt270, was das Amt natürlich attraktiver machte, da es nun statt Unkosten materielle Sicherheit bot. Verwaltungstechnisch hatte der Landrat als Folge der allmählichen Kompetenzerweiterung eine doppelte Funktion als staatliches Vollzugsorgan und als Leiter der kommunalen Selbstverwaltung und übte damit eine wichtige Scharnierfunktion aus271. Daß es trotzdem bei der engen Verbindung von Landrat und Landadel blieb, lag daran, daß nach wie vor vom Landadel drei Kandidaten für das Amt ausgewählt wurden, von denen der König einen ernannte272. Daran änderte auch die Kreisordnung von 1827 nichts273; der Landrat blieb Exponent des Landadels, und dieser stellte die Masse der königlichen Landräte. Um so weniger verwunderlich war es, daß Graf Arnim in seinem eigenen Kreis zum Landrat ernannt wurde. Die Ernennung war weniger eine Hono265 Ernennungsurkunde. In: Nachlaß Nr. 3830, Bl. 55. Die Einführung in das Amt erfolgte im Januar 1831; vgl. ebd., Bl. 77; siehe auch ebd., Bll. 78–85. Siehe zum Amt des Landrates allgemein Unruh, Landrat, passim.; ders.: Kreis, passim; außerdem Eifert, Wandel, passim; Klatte, Agrarkapitalismus, S. 204–208; Bornhak, Geschichte III, S. 50–71. 266 Vgl. Akten in: Nachlaß Nrr. 3830–33. 267 Zweite Beilage der Deutschen Zeitung vom 5. April 1849 („Die drei Arnims“), auch in Arnims Nachlaß, Nr. 3779, Bl. 49. Auch Hans v. Kleist-Retzow, später konservativer Parlamentarier wie Arnim, bekleidete zunächst das Landratsamt; vgl. Nitschke, Junker, S. 136/37; Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 70–79. 268 Vgl. „Verordnung über die verbesserte Einrichtung der Provinzialbehörden“ vom 30.04.1815. In: GS 1815, S. 85–98; siehe dazu auch Obenaus, Finanzkrise, passim. 269 Vgl. Carsten, Adel, S. 116/17; Lieven, Abschied, S. 249 Unruh, Kreis, S. 18– 25; siehe auch Bornhak, Geschichte des preußischen Verwaltungsrechtes II, S. 269. 270 Vgl. Schultze, Mark Brandenburg V, S. 169; Unruh, Landrat, S. 49–52. 271 Vgl. ebd.; Hubatsch, Regierungspräsidenten, S. 34. 272 Vgl. Faber, Deutsche Geschichte, S. 29; Hintze, Ursprung, S. 337–342. 273 GS 1827, S. 16.

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rierung seiner Qualifikation als vielmehr Ausfluß seiner Stellung als größter Grundbesitzer des Kreises und Mitglied einer altehrwürdigen Familie274. Zusätzlich gefestigt wurde Arnims Stellung am 4. August 1830 durch seine Vermählung mit der 1804 geborenen Anna Caroline Gräfin v. d. Schulenburg, die am Hofe in Weimar aufgewachsen war275. Mit dieser augenscheinlichen Zweckheirat befestigte er seine Verbindungen zu den höchsten Kreisen276, da seine Frau, die zuletzt Hofdame bei der Prinzessin Carl war277, Kontakte zum Berliner und zum Petersburger Hof hatte und auch einige Minister kannte. Als Landrat war Graf Arnim für den Chaussee-, Kanal- und Eisenbahnbau sowie den Eisenbahnbetrieb zuständig, außerdem für die Krankenhausversorgung, für Sparkassen und Viehzucht278. Außerdem war er zugleich „Spezialfeuersocietätsdirektor“279. In dieser Funktion leistete Arnim erstmals Außerordentliches, indem er bis 1832 die Feuerversicherung der Windmühlenbesitzer des Templiner Kreises neu ordnete280. Alles in allem führte Graf Arnim seine Amtsgeschäfte ganz im Gleise des Üblichen281. Behindert wurde seine Amtsführung lediglich durch einen schweren Unfall: 1832 stürzte er bei Glatteis und zog sich dabei eine 274

Zudem war auch sein Amtsvorgänger ein Arnim gewesen; vgl. Eifert, Wandel,

S. 51. 275 Vgl. Vgl. Nachlaß Nr. 3779, Bl. 14. Mit ihr hatte er sich am 2. April 1830 verlobt; vgl. ebd., Bl. 13; siehe auch Steins Brief vom 24.05.1830 an Graf Arnim anläßlich der Verlobung. In: Stein, Briefe VII, S. 850. Dort sprach Stein seine Sorge darüber aus, daß die Braut zu ungläubig sein könne; vgl. auch Steins Brief vom 13.06.1830 an seine Tochter Theresa, ebd., S. 858. 276 Anna Caroline erkrankte im Januar 1830 an einer schweren Lungenentzündung, von der sie sich nur langsam erholte [Vgl. Nachlaß Nr. 3779, Bl. 11a]. Anschließend erfuhr sie zahlreiche Aufmerksamkeiten, u. a. vom alten Minister Lottum und der Gräfin Brandenburg [Ebd.]. Auf einer Gesellschaft lernte sie dann Arnim kennen, mit dem sie sich bereits wenig später verlobte [Ebd., Bl. 12]. Die beiden konnten sich also nur wenige Male gesehen haben, weshalb die Annahme einer „Vernunftehe“ naheliegt. 277 Carolines Leben wies, wie ihre Tagebuchaufzeichnungen zeigen [BrLHA Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, irrtümlich „Lebenslauf“ genannt], Parallelen zu Arnims auf. Sie verlor ebenfalls ihren Vater früh, der als Rittmeister am 14.10.1806 bei Auerstedt fiel [Ebd., Bl. 8] und wuchs bei ihren Großeltern auf [Ebd., Bl. 8]. Sie lebte dann 1816–1822 im Stift Altenburg und kam 1824 an den Hof des Großherzogs Karl August nach Weimar [Ebd., Bl. 10], wo sie bis 1827 blieb, bevor die Großfürstin von Rußland sie an den Berliner Hof vermittelte [Ebd., Bl. 11]. 278 Vgl. Eifert, Wandel, S. 51. 279 Akten in Nachlaß Nr. 3830. 280 A. a. O. Nr. 3832. Zu dieser Tätigkeit ist zu bemerken, daß erst 1836 in Preußen die lokalen Vereine zu einer öffentlichen Provinzialfeuerversicherung zusammengefaßt und damit auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestellt wurden; vgl. Helmer, Entwicklung, passim; Wehler, Gesellschaftsgeschichte I, S. 118.

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schwere Kopfverletzung zu, die ihm lange zu schaffen machte282. Zur Wiederherstellung seiner Gesundheit reiste Arnim mit seiner Frau nach Italien, wo er u. a. in Mailand und Genua verweilte283. Es ist jedoch bezeichnend für Arnims nüchterne, aber auch wenig kunstsinnige Denkweise, daß er weder seines Unfalles noch seiner italienischen Reise wegen viele Worte machte. b) Vizepräsident in Stralsund (1833/34) Nach dreijähriger Tätigkeit als Landrat in Templin gab der Boitzenburger sein Amt ab284, weil er am 13. Mai 1833 (im Alter von 30 Jahren) zum Vizepräsidenten der Regierung Stralsund ernannt wurde285. Er nahm dabei zugleich Aufgaben eines Regierungspräsidenten wahr286: Da aus Gründen der Sparsamkeit der Regierungspräsident zu Stettin zugleich Oberpräsident der Provinz Pommern war287, aber beide Posten kaum ausfüllen konnte, war er gezwungen, einen Teil seiner Aufgaben zu delegieren. Im Rahmen seiner Tätigkeit in Stralsund288, die Arnim am 1. Juli begann289, war er unter anderem mit der Aufnahme des in Neu-Vorpommern und auf Rügen geltenden Rechtes beschäftigt290. Die Eingliederung dieser Gebiete, die über 160 Jahre lang zu Schweden gehört hatten und 1815 preußisch geworden waren,291 erforderte sowohl besonderes Fingerspitzengefühl als auch spezielle Kenntnisse, weshalb sich Arnim mit dem in „Schwe281 Die von Arnim aufbewahrten Unterlagen sehen auf den ersten Blick recht umfangreich aus; vgl. bes. Nachlaß Nr. 3830. Es handelt sich dabei aber vor allem um Gratulationsschreiben anläßlich seiner Ernennung zum Landrat. Dies ist aber nicht verwunderlich, weil die Landräte damals viele Amtsgeschäfte mündlich führten; vgl. Wunder, Verwaltungsreform, S. 89/90. 282 Vgl. Tagebuch von Arnims Ehefrau. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 14. 283 Vgl. ebd., Bll. 14 + 15. 284 Vgl. a. a. O. Nr. 3831. 285 Ernennungsurkunde. In: Nachlaß Nr. 3834; vgl. auch das Schreiben des Staatsministeriums vom 01.06.1833 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3835, Bl. 1. Darin wurden die Modalitäten des Amtswechsels erwähnt und auch Arnims künftiges Gehalt in Höhe von 3000 fl. Arnim bedankte sich für die Ernennung persönlich beim König; vgl. ebd., Bl. 3. 286 Lütgen, Grundriß, S. 87. 287 Vgl. GS 1815, S. 94. 288 Akten in: Nachlaß Nrr. 3835–39. 289 Vgl. das Schreiben des pommerschen Oberpräsidenten v. Schönberg vom 11.06.1834. In: Nachlaß Nr. 3835, Bl. 5 sowie Arnims Antwort vom 16.06.1834 ebd., Bl. 6. 290 Nachlaß Nr. 3839. 291 Vgl. Wolsmann, Geschichte II, S. 285–298.

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disch-Pommern“ geltenden Privatrecht vertraut machte292. Offenbar hatte Arnim sich mit der Neuordnung des Templiner Feuerversicherungswesens einen Ruf als Organisator erworben, der 1833 zu seiner Berufung nach Stralsund führte. Obwohl Graf Arnim nur gut acht Monate in Stralsund amtierte, konnte er sich dort einen Ruf als Verwaltungsfachmann erwerben, der ihm eine Versetzung als Regierungspräsident nach Aachen eintrug. Außerdem hatte er sich in seiner kurzen Amtszeit sowohl bei den Honoratioren der Stadt Stralsund293 als auch beim vornehmsten Adeligen der Region, dem Fürsten Putbus294, einen guten Namen gemacht. Dieses Wohlwollen dürfte der Boitzenburger seinem weltmännischen, distinguierten Auftreten zu verdanken haben, das sich also schon früh zeigte. Auch dieses dürfte für den weiteren Werdegang des Grafen von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen sein, da im frühen 19. Jahrhundert noch ein anderer Umgangston bevorzugt wurde als der etwas schnodderige, mit Berolinismen duchsetzte Ton der Kaiserzeit295. c) Regierungspräsident in Aachen (1834–1837) Daß Graf Arnim am 4. März 1834 zum Regierungspräsidenten in Aachen ernannt wurde296, ist ein erstes Indiz für seine Fähigkeiten: Die „Regierungen“ als Untereinheiten der Provinzen waren Ende 1808 aus den Kriegsund Domänenkammern hervorgegangen297, 1815 war ihre Zahl auf 25 festgelegt worden298. Ihre Präsidenten unterstanden direkt dem König und nicht 292 Vgl. Nachlaß Nr. 3839, Bl. 1 und Nr. 3838, Bll. 8–19; vgl. auch die Ausarbeitung ebd., Bll. 1 + 2. 293 Vgl. deren Dankschreiben vom 01.06.1834. In: In: Nachlaß Nr. 3835, Bl. 86. 294 Vgl. dessen anerkennende Worte vom 25.07.1834. ebd., Bl. 109. 295 Diesen Tonfall hat z. B. Theodor Fontane in seinem erzählerischen Werk dokumentiert. 296 Die Ernennungsurkunde hat folgenden Wortlaut: „Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen etc. thun kund und fügen zu wissen, daß Wir allergnädigst geruht haben, den seitherigen Regierungs-Vice-Präsidenten, Kammerherrn Grafen Adolph Heinrich von Arnim zu Stralsund zum Präsidenten der Regierung in Aachen zu ernennen. Es ist dies in dem Vertrauen geschehen, daß der nunmehrige Regierungs-Präsident Graf von Arnim, Uns und Unserem Königlichen Hause in unverbrüchlicher Treue ergeben, die Pflichten des ihm übertragenen Amtes in ihrem ganzen Umfange mit Gewissenhaftigkeit und stets regem Eifer erfüllen werde, wogegen derselbe sich Unseres Allerhöchsten Schutzes bei den durch sein gegenwärtiges Amt überkommenden Rechten zu erfreuen haben soll. Urkundlich ist diese Bestallung von Uns Allerhöchsteigenhändig vollzogen und mit dem Staatssiegel versehen worden. Gegeben Berlin den 4ten März 1834. Friedrich Wilhelm.“ (Nachlaß Nr. 3834.) 297 GS 1806–1810, S. 481.

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dem jeweiligen Oberpräsidenten. Deshalb waren die Regierungen die eigentlichen Träger der Verwaltung299. Wenn ein Adliger allein auf Grund von Protektion aufstieg, so war der Sprung vom Landrat direkt zum Oberpräsidenten zumindest nicht unmöglich300, denn dieses Amt war auf Grund der skizzierten Kompetenzverteilung eher eine Repräsentationsstelle301. An einer Karriere läßt sich geradezu ablesen, ob jemand von einer dieser Repräsentationsstellen zur nächsten emporgehoben wurde oder ob er den Aufstieg durch Fleiß und Können selbst erarbeitete. Arnims familiäre Herkunft und seine Beziehungen zum Freiherrn vom Stein haben sicherlich dafür gesorgt, daß man seine Karriere in Berlin im Auge behielt; nicht zufällig war Graf Arnim (kurz nach seiner Ernennung) am 18. April 1834 zu der Feier eingeladen, die anläßlich des Amtsjubiläums des Grafen Lottum stattfand302. Da aber die Ämter des Vizepräsidenten und des Regierungspräsidenten, die Arnim in jungen Jahren bekleidete, vom Ministerium ausschließlich mit besonders qualifizierten Verwaltungsbeamten besetzt wurden303, sind Arnims Beförderungen ein Indiz für seine beruflichen Qualitäten. Darüber hinaus war speziell die Regierung Aachen, die auf dem Boden der 1815 erworbenen linksrheinischen Besitzungen lag, für Arnim ein echter Prüfstein, da dieses Gebiet in starkem Maße vom französischen Rechtsund Verwaltungssystem geprägt war304. Der Freiherr vom Stein hatte Arnim auch deshalb zu einer Tätigkeit im Rheinland geraten, weil er sich dort bewähren konnte305. Insofern ist es kein Zufall gewesen, daß Graf Arnim ge298 „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Behörden“ vom 30.04.1815. In: GS 1815, S. 85–92, hier S. 86; vgl. Hubatsch, Regierungspräsidenten, S. 32. Davon waren acht neugeschaffen worden; vgl. ebd., S. 39. 299 „Die an der Spitze ihrer Bezirke stehenden Regierungspräsidenten führten verantwortlich die regionale Amtstätigkeit im weitesten Umfang in der Mittelinstanz zwischen dem Staatsministerium und den Kreisen durch; sie berichteten immediat an den König bzw. dessen Ministerien.“ [Ebd.] 300 Ein gutes Beispiel ist Kleist-Retzow, der 1851 durch Protektion der Altkonservativen Oberpräsident der Rheinprovinz wurde und dieses Amt folgerichtig zu Beginn der „Neuen Ära“ 1858 verlor; vgl. Nitschke, Junker, S. 143–145. 301 Vgl. dazu auch Henning, Konkurrenz, S. 20–22. 302 Nachlaß Nr. 3835, Bl. 75; vgl. dazu auch Arnims Schreiben an den Oberpräsidenten v. Schönberg vom 29.04.1834 ebd., Bl. 78. 303 Vgl. Hubatsch, Regierungspräsidenten, S. 34 und 53. Hubatsch weist dort auch die Behauptung entschieden zurück, die Hälfte aller in Preußen eingesetzten Regierungspräsidenten seien dem Uradel entsprossen, und wendet sich damit gegen den Vorwurf der „Vetternwirtschaft“ bei der Besetzung dieses Amtes. 304 Der rheinische Oberpräsident Solms hatte schon 1816 festgestellt: „Die 6 rheinischen preußischen Regierungen haben die schwere Aufgabe, in einem noch ganz französisch organisierten Land nach preußischem Geschäftsgang zu administrieren.“ [zitiert nach Schütz, Preußen und die Rheinlande, S. 92] Seitdem war die Kommunalverwaltung trotz intensiver Beratungen nicht reformiert worden; vgl. ebd., S. 87–147.

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rade nach Aachen versetzt wurde. Besonders nach der Julirevolution 1830 hatte sich die Situation in der preußischen Rheinprovinz derart zugespitzt, daß Berlin keinen unqualifizierten Protegé nach Aachen geschickt hätte. Vielmehr dürfte der Gedanke eine Rolle gespielt haben, dem jungen Aufsteiger eine Chance zur Bewährung für höhere Aufgaben zu geben, zugleich aber seine Fähigkeiten auf eine ernste Probe zu stellen. Graf Arnim arbeitete sich gründlich in sein neues Amt ein: Er studierte dazu den Schriftwechsel seines Vorgängers306, um dessen Arbeit möglichst nahtlos fortsetzen zu können. Dies war deshalb eine kluge Entscheidung, weil Georg Johann Gerhard August v. Reimann den Regierungsbezirk aufgebaut und maßgeblich geprägt hatte307. Außerdem befaßte sich Arnim mit der administrativen Gesetzgebung für die Rheinprovinz308 sowie den gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften für das Kommunalwesen im Regierungsbezirk Aachen309. Diese gründliche Vorbereitung zeigt, daß Arnim nicht nur seine Zeit „absaß“, sondern sich intensiv mit den ihn anvertrauten Tätigkeiten beschäftigte. Auch der umfangreiche allgemeine Geschäftsverkehr, den Arnim aufbewahrte, legt dieses Urteil nahe310. Der Vorgesetzte Arnims war Ernst v. Bodelschwingh311, der 1834 zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz ernannt wurde312. Außerdem unterstanden dem Grafen Arnim zwei Männer, mit denen er später noch zu tun haben sollte: Der eine war Karl Friedrich v. Savigny313, der Sohn des Rechtsgelehrten und Ministers. Er spendete in einem Brief an seinen Vater vom 305

Vgl. Kap. I.2. Abschriften, übernommene Unterlagen usw. In: Nachlaß Nr. 3843. 307 Reimann (1771–1847) war schon ab 1803 mit der Reorganisation der preußischen Rheinprovinzen beschäftigt gewesen und von 1816 bis 1834 Regierungspräsident in Aachen; vgl. Hubatsch, Regierungspräsidenten, S. 48. 308 Vgl. Nachlaß Nr. 3850. 309 Übersicht in: Nachlaß Nr. 3854. 310 Vgl. den Geschäftsverteilungsplan für die Regierung Aachen. In: Nachlaß, Nrr. 3853 und 3853/1; außerdem die „Bestimmungen über den Geschäftsgang bei der Regierung Aachen“ [Nr. 3852] und Nrr. 3843–46, 3851, 3855, 3857. 311 Der 1794 geborene Ernst v. Bodelschwingh stammte aus altwestfälischem Adel. Er zeichnete sich als Freiwilliger in den Befreiungskriegen aus, in denen er das Eiserne Kreuz erhielt. Nach seinem Abschied als Oberst der Landwehr wurde er 1822 Landrat in Tecklenburg und 1831 Regierungspräsident in Trier. Nachdem er 1834–1842 Oberpräsident der Rheinprovinz geworden war, trat er 1842 als Finanzminister in das Kabinett ein. 1844 wurde er Kabinettsminister und 1845 (als Nachfolger Arnims) zugleich Innenminister. Zu Beginn der Märzrevolution, am 19. März 1848, trat er zurück. Ab 1849 war Bodelschwingh in der Zweiten Kammer Führer einer gemäßigten Fraktion. 312 Siehe dazu Bodelschwinghs Brief vom 27.06.1837 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3848, Bll. 1 + 2; vgl. auch Hubatsch, Regierungspräsidenten, S. 48. 313 Vgl. dazu Real, Savigny, passim. 306

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26. April reichlich Lob für den Grafen: Er sei „ein ganz ausgezeichneter Präsident und sehr aufmerksamer Chef, wenn man einigen Fleiß zeigt“314. Savigny beabsichtigte schon damals, in die Diplomatie überwechseln, wobei er auf die „Protection“ Arnims hoffte315. Der andere erwähnenswerte Untergebene Arnims war Otto v. Bismarck, der in Aachen sein Referendariat absolvierte316. Der zwölf Jahre ältere Arnim hatte zunächst Nachsicht mit dem exaltierten Benehmen Bismarcks317. Ihm waren Bismarcks besonderen Gaben aufgefallen, nicht zuletzt dadurch, daß Bismarck ihm anvertraute, er wolle möglichst bald in den diplomatischen Dienst überwechseln318. Um dessen Karriere zu fördern, ließ Graf Arnim den jungen Junker in kurzer Zeit in möglichst viele Bereiche der Provinzialverwaltung einführen319. Dieser widmete jedoch seinen Eifer bald eher dem „schönen Geschlecht“, während er die Aachener Gesellschaft wenig schätzte320, was dem pflichtbewußten Arnim empfindlich aufgestoßen sein dürfte321, und brach schließlich mit einer Angebeteten zu einer Reise auf, derentwegen er einen achttägigen (sic!) Urlaub um Monate überzog322. Als er schließlich den Grafen Arnim um eine weitere Verlängerung seines 314

Vgl. Savigny, Briefe, S. 102/03. Savigny fügte hinzu, daß Graf Arnim wegen der mangelnden Fähigkeiten seiner Mitarbeiter „die ganze Regierung ausmachte“ (Ebd.). 315 Savigny wurde von Arnim am 20. April 1837 zu Tisch geladen; vgl. Savigny, Briefe, S. 104. Es ist ungewiß, inwiefern Arnim dazu beitrug, daß Savigny später (anders als Bismarck) tatsächlich die Diplomatenlaufbahn einschlug. 316 Vgl. die betr. Akten. In: Bismarck-Jahrbuch 3 (1896), S. 3–29; siehe auch Marcks Bismarcks Jugend, S. 131–150. 317 Vgl. Meyer, Bismarck, S. 28. 318 Vgl. Pflanze, Bismarck I, S. 57; Gall, Bismarck, S. 38. 319 Vgl. Pflanze, Bismarck I, S. 58. 320 Am 19.07.1837 beschrieb er in einem Brief an den Bruder den Aachener Klatsch bissig: „Wenn ich heute Schokolade frühstücke, so weiß morgen die ganze Stadt, daß ich den Tee nicht mehr vertragen kann, und jeder erkundigt sich teilnehmend nach meinem Befinden. Arnim schickte neulich dem Schneider ein Paar Hosen zurück; zwei Tage nachher fragte man mich, wie sich der Schneider befände, den Arnim die Treppe hinunter geworfen hätte . . .“ (GW XIV/1, S. 8). Auch Savigny äußerte sich negativ über die Aachener; vgl. Savigny, Briefe, S. 102/03. Und Graf Arnim pflegte zu ihnen offenbar nur dienstlichen Kontakt. Savigny schrieb am 01.05.1837 an seine Mutter, Arnim sehe „niemand bey sich außer bey officiellen Gelegenheiten.“ Dies lag wohl auch daran, daß es in Aachen nur wenige Adlige gab; vgl. Gall, Adel, S. 33. 321 Gall formulierte zurückhaltend, daß Arnim „schon bald offene Zweifel darüber äußerte, ob Bismarck den Umweg über die Zollvereinsverwaltung mit ihren gesteigerten fachspezifischen Anforderungen durchstehen werde.“ [Gall, Bismarck, S. 38] 322 Am 2. Juni 1837 bat Bismarck um Urlaub für acht Tage wegen „Unwohlsein“, der ihm erteilt wurde (Bismarck-Jahrbuch 3 (1896), S. 27; vgl. Pflanze, Bismarck I, S. 61.

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„Urlaubes“ bat, was zugleich implizierte, daß sein eigenmächtiges Fernbleiben vom Dienst gebilligt werde, stieß dieses Ansinnen natürlich auf Befremden323: Am 21. Oktober lehnte Graf Arnim eine Urlaubsbewilligung ab und empfahl ihm statt dessen, seine Versetzung in eine der östlichen Provinzen zu beantragen, der er zustimmen werde. Dadurch eröffne sich für Bismarck die Möglichkeit, „zu einer angestrengteren Thätigkeit in den Amtsgeschäften zurückzukehren, nach welcher Sie bei den gesellschaftlichen Verhältnissen in Aachen vergeblich strebten“324. Arnim ließ Bismarck also glimpflich davonkommen, denn statt einer durchaus möglichen Entlassung aus dem Dienst gab er ihm damit die Möglichkeit, sein Referendariat ordnungsgemäß zu beenden325. Bismarck erhielt sogar ein besseres Abgangszeugnis, als er nach seinem eigenen Urteil verdiente326. Auch deshalb nahm Bismarck den Grafen Arnim von seiner harschen Kritik an der Aachener Bürokratie ausdrücklich aus327. Der Aufgabenbereich des Präsidenten Arnim war sehr umfangreich328: Er führte den Vorsitz sowohl im Plenum als auch in den Abteilungen der Regierung. Außerdem liefen der Posteingang und die Berichterstattung nach Berlin ausschließlich über ihn. Weiterhin war es seine Aufgabe, in Abstimmung mit den Direktoren den Regierungsbezirk durch Reisen in Augenschein zu nehmen und die Dienstführung der Unterbehörden zu prüfen. Schließlich entfaltete Arnim im Bereich des Polizeiwesens eine bemerkenswerte Wirksamkeit329, was als beispielhaft für die preußische Politik vor 1848 angesehen werden kann. Darüber hinaus engagierte sich Arnim auch 323 324

Vgl. Bismarcks Brief vom 03.09.1837 an Savigny. In: GW XIV/1, S. 10. Brief Arnims vom 21.10.1837 an Bismarck. In: Bismarck-Jahrbuch 3 (1896),

S. 28. 325

Vgl. Marcks, Bismarcks Jugend, S. 147/48; Meyer, Bismarck, S. 30; Pflanze, Bismarck I, S. 61. Bekanntlich nutze Bismarck die ihm gebotene zweite Chance nicht, sondern quittierte nach fünf Monaten den Dienst, ohne das Assessorexamen abgelegt zu haben. Nach einjährigem Militärdienst wurde er 1839 Landjunker auf Gut Kniephof. 326 Vgl. Meyer, Bismarck, S. 30. 327 In den „Gedanken und Erinnerungen“ notierte Bismarck: „Ich verließ Aachen mit einer, abgesehen von dem begabten Präsidenten Grafen Arnim von Boitzenburg, geringen Meinung von unsrer Bureaukratie im Einzelnen und in der Gesammtheit.“ [GW XV, S. 11; vgl. dazu ausf. Marcks, Bismarck I, S. 131/32]. Auch Savigny äußerte sich negativ über die Aachener Bürokratie; vgl. Savigny, Briefe, S. 102/03 und 118/19. 328 Aufgaben des Regierungspräsidenten. In: GS 1815, S. 88; vgl. Hubatsch, Regierungspräsidenen, S. 33. Siehe dazu auch die Bestimmungen über den Geschäftsgang bei der Regierung Aachen. In: Nachlaß Nr. 3852 sowie Geschäftsverteilungspläne für die Regierung Aachen. In: Nachlaß Nrr. 3853 und 3853/1. 329 Vgl. auch das Gutachten über die Art der Publikation von kreis- oder lokalpolizeilichen Verordnungen in der Rheinprovinz [Nachlaß Nr. 3856, Bll. 1–18] und die Ausarbeitung zu einem Gesetzentwurf über die Art und Weise der Veröffent-

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in Verfassungsfragen und im Bereich des Kirchenwesens, was im folgenden genauer untersucht werden soll, da es sich hier nicht nur um Routinemaßnahmen von geringer Aussagekraft handelte. Über einen Zeitraum von nicht weniger als zwölf Jahren (1833–1845) wurden Verhandlungen über ein neues Kommunalwahlrecht für die Rheinprovinz geführt330. Daran nahm zeitweilig auch Graf Arnim in seiner Eigenschaft als Regierungspräsident im Rheinland teil. Er befürwortete (wie auch der Trierer Regierungspräsident Ladenberg) ein äußerst restriktives Zensuswahlrecht, das im Bereich des im Vormärz Üblichen blieb: Nur 6% der Grundeigentümer wären demnach wahlberechtigt geblieben331. Darüber hinaus ließ Graf Arnim für eine Gemeinde seines Bezirkes eine Einteilung der Wähler in drei Steuerklassen vornehmen, um die Durchführbarkeit zu beweisen332. Arnims Vorschläge wurden erst 1839 berücksichtigt, als er längst nicht mehr in Aachen amtierte333. Diese Episode ist insofern interessant, als darin die erste dezidiert politische Äußerung Arnims zu finden ist: Der Graf trat für ein ungleiches Wahlrecht ein, das (ungeachtet aller Details) auch in späteren Jahren von ihm vertreten werden sollte334. Am Ende seiner Aachener Amtszeit war Graf Arnim auch von den Auswirkungen des „Kölner Bischofsstreites“ betroffen, der sich aus dem Problem ergab, wie bei „Mischehen“ zwischen Katholiken und Protestanten zu verfahren sei, und der eine längere Vorgeschichte hatte335. Obwohl sich der Konflikt seit dem Frühjahr 1837 zuspitzte, eskalierte der Konflikt erst Ende Oktober mit der Verhaftung des Kölner Erzbischofs336. Die Folge war ein lichung von Polizeiverordnungen, datiert Berlin, den 24.04.1838 [Nachlaß Nr. 3858, Bll. 1–9]. 330 Vgl. dazu Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 92–114. 331 StA Koblenz, Abt. 403, Nr. 5440; vgl. Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 93. 332 Bericht vom 22.09.1836, ebd. Demnach wären in der ersten Klasse 14, in der zweiten 56 und in der dritten 362 Wähler gewesen. Dagegen protestierte der Oberpräsident der Rheinprovinz und setzte eine Klasseneinteilung in je ein Drittel der Wahlberechtigten durch; vgl. Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 94. 333 Außerdem blieb es Arnim vorbehalten, als Innenminister 1845 auf die endgültige Lösung der Frage Einfluß zu nehmen; vgl. Kap. II.2. 334 Vgl. dazu ausf. Kap. III.2. + 3. 335 Nachdem seit 1831 vergeblich mit Papst Gregor XVI. verhandelt worden war, kam es 1834 zu einem Kompromiß zwischen dem Kölner Erzbischof Spiegel und der preußischen Krone, der die prinzipielle Einsegnung gemischter Ehen durch die katholische Kirche vorsah. Spiegel starb allerdings schon am 2. August 1835, und sein Nachfolger, der am 29. Mai 1836 inthronisierte Klemens August von Droste, erkannte den Kompromiß nicht an, obwohl er zuvor am 5. September 1835 dessen Beachtung zugesagt hatte. Daraufhin eskalierte der Konflikt allmählich; vgl. dazu bes. Bastgen, Verhandlungen, S. 19–172; außerdem Treitschke, Deutsche Geschichte IV, S. 672–683.

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heftiger Kirchenkampf, der mit der Allokution des Papstes vom 10. Dezember 1837 begann. Obwohl bereits Arnims Versetzung aus Aachen feststand, wurde er am Ende seiner Amtszeit mit dem Beginn der Auseinandersetzung konfrontiert337: Ein Erlaß des Ministers des Innern und der Polizei Gustav v. Rochow338 vom 15. November 1837 wies nachdrücklich auf die geltenden Zensurbestimmungen hin, was vom Oberpräsidenten Bodelschwingh strikt umgesetzt wurde. Daraufhin gab Graf Arnim, auch hier detailorientiert, Rochow zu bedenken, daß insbesondere das Verbot der belgischen Presse unzweckmäßig sei, weil das, „was in dem jetzigen Falle in jenen Blättern geschrieben steht, ohnedies so fest im Kopfe derjenigen Leser steht, denen wir es vorenthalten wollen, daß diese dadurch nicht schlimmer werden.“339 Diese Stellungnahme Arnims kann als Indiz dafür gelten, daß Graf Arnim ein Gegner planloser, rigider Unterdrückungsmaßnahmen war. Dies verdeutlicht auch der folgende Fall. Am 29. August 1835 wandte sich Arnim an Innenminister Rochow, weil er in Erfahrung gebracht hatte, daß monatlich Polizeiberichte aus seinem Regierungsbezirk direkt nach Berlin geschickt wurden340. Er bat darum, daß ihm künftig die „Specialberichte“ des Polizeidirektors v. Lüdemann vorgelegt würden; er werde sie entweder in den „Präsidialpolizeibericht“ aufnehmen oder diesem als Anhang beilegen. Arnim schloß mit der Bemerkung, dieses Verfahren bringe „selbst, wenn periculum in mora ist, . . . keinen Nachtheil, sondern nur Nutzen.“ Justizminister Mühler341, der Rochow als Innenminister vertrat, antwortete Arnim darauf am 10. September, daß 336 Vgl. ausf. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 226–268; Schrörs, Kölner Wirren, S. 247–518; siehe außerdem Höcker, Bunsen, S. 77–86; Treitschke, Deutsche Geschichte IV, S. 683. 337 Vgl. dazu auch die vier Berichte des Regierungssekretärs der Regierung Aachen über die Auswirkungen des „Kölner Bischofsstreites“, die Arnim zum Teil jedoch erst nach der Amtsübergabe erhielt: Bericht vom 25.01.1838. In: Nachlaß Nr. 3859, Bll. 1–8; Bericht vom 09.03.1838 ebd., Bll. 9–16; Bericht vom 08.04.1838 ebd., Bll. 17–21; Bericht vom 08.07.1838 ebd., Bll. 22–24. 338 Gustav Adolf Rochus v. Rochow (1792–1847) wurde 1823 nach Berlin berufen, um an den Gesetzen über die Provinzialstände mitzuarbeiten. Dort wurde er erst Mitglied der Staatsschuldenverwaltung und dann Vortragender Rat für die ständischen Angelegenheiten im Innenministerium. 1831 wurde er Präsident der Regierung Merseburg und 1834 Minister des Innern und der Polizei. Von diesem Posten wurde er 1842 wegen Kränklichkeit entbunden, blieb aber danach noch Mitglied des Staatsministeriums und des Staatsrates, dessen Vorsitz er 1843 übernahm. 339 Schreiben Arnims vom 24.11.1837 an Innenminister Rochow, zitiert nach Schrörs, Kölner Wirren, S. 597. Ob Rochow darauf einging, konnte nicht festgestellt werden; vgl. ebd. 340 Schreiben Arnims vom 29.08.1835 an Innenminister Rochow. In: Nachlaß Nr. 3855, Bll. 1 + 2. Dort auch die folgenden Zitate.

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er sich „nicht veranlaßt finden“ könne, „in der getroffenen Einrichtung . . . eine Aenderung eintreten zu lassen.“342 Mühler wies daraufhin, daß ähnliche Berichte auch aus anderen Großstädten wie Breslau, Köln und Königsberg direkt nach Berlin gingen. Mit diesem Hinweis schien für den Minister der Fall erledigt zu sein. Graf Arnim erwiderte jedoch das Schreiben mit einer umfangreichen Denkschrift343. Darin begründete er ausufernd, weshalb die fraglichen Berichte durch seine Hände zu gehen hätten. Die Denkschrift gipfelte in der Bemerkung, der einzige ihm einleuchtende Grund für die getroffene Anordnung sei der „des Mangels an genügendem Vertrauen in die Provinzialbehörde und deren Vorstand.“ Damit stellte Graf Arnim seinem Vorgesetzten quasi die Vertrauensfrage, ein an und für sich ungeheurer Vorgang, der nur damit zu erklären ist, daß Arnim auf Grund seiner Herkunft gegenüber dem erst 1832 nobilitierten Mühler ein besonderes Selbstvertrauen an den Tag legen zu können glaubte. Schließlich bat Arnim, die Berichte wenigstens einstweilen durch seine Hände gehen zu lassen. Justizminister v. Mühler entgegnete am 16. Oktober kategorisch, er könne sich mit Arnims Ansichten „nicht einverstanden erklären“344. Da es sich um eine „allgemeine Verwaltungsmaßregel“ handele, könne er keine Ausnahme machen. Erstaunlich (und bezeichnend für Arnims Ansehen) ist, daß Mühler nicht etwa den Tonfall des Boitzenburgers rügte, sondern diesen vielmehr zu beschwichtigen suchte, indem er ihn darauf hinwies, daß es durchaus Regierungspräsidenten gebe, die einer „Kontrolle“ bedürften. Für Arnim dagegen sei die Maßnahme, „so lange sie allgemein ist, durchaus nicht verletzend“. Letztere Bemerkung bat Mühler „als einen Beweis (s)eines besonderen Vertrauens aufzunehmen.“ Damit beschrieb der Justizminister eindrucksvoll das Spitzelsystem des Vormärz, das er nicht zu verantworten hatte und darum auch nicht ändern konnte. Insofern war seine Reaktion auf Arnims Denkschrift mehr als angemessen. Graf Arnim legte jedoch in dieser Angelegenheit jenen kompromißlosen Hang zu gesetzmäßigem Vorgehen an den Tag, das noch häufiger sein Handeln bestimmen sollte, indem er (auf dem Dienstweg) seinen direkten Vor341

Heinrich Gottlob v. Mühler (1780–1857), nicht zu verwechseln mit seinen Sohn Heinrich v. Mühler (1813–1874), dem Kultusminister unter Bismarck (1862– 1872), stammte aus einem schlesischen Bürgergeschlecht und wurde 1832 nobilitiert. Von 1832 bis 1846 war er Justizminister; 1842 (bis 1848) wurde ein eigenständiges „Ministerium für die Gesetzesrevision“ unter Friedrich Karl v. Savigny (1779– 1861) von seinem Ressort abgetrennt. 342 Schreiben Justizminister Mühlers vom 10.09.1835 an Arnim ebd., Bl. 3. 343 Denkschrift Arnims vom 10.09.1835 an Justizminister Mühler ebd., Bll. 4–17; dort auch die folgenden Zitate. 344 Schreiben Justizminister Mühlers vom 10.09.1835 an Arnim ebd., Bl. 18–19r. Dort auch die folgenden Zitate.

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gesetzten, den Oberpräsidenten Bodelschwingh, einschaltete345. Am Ende einer erneut umfassenden Erörterung bat er darum, wenigstens eine Abschrift der strittigen Berichte oder, „wenn hierzu das dortige Bureaupersonal nicht ausreichen sollte, deren Conzept“ vorgelegt zu bekommen346. Man kann sich leicht ausmalen, was in Justizminister Mühler vorging, als ihm durch den Oberpräsidenten eine bereits zweimal ausdrücklich mißbilligte Ansicht ein drittes Mal auf den Schreibtisch vorgelegt wurde. Daß er den Grafen Arnim nicht einfach rüffelte, kann nur mit dessen besonderer Position erklärt werden. Diese dürfte es auch gewesen sein, die Mühler dazu veranlaßte, „über diesen Punkt die Befehle Seiner Majestät des Königs einzuholen.“347 Außerdem teilte er dem Boitzenburger mit, er habe den König darum gebeten, von der Vertretung des Innenministers entbunden zu werden. Trotz dieses Erfolges wandte sich Graf Arnim in einer vierten Initiative in dieser Angelegenheit an Berlin, diesmal an den Grafen Lottum, die „graue Eminenz“ des Staatsministeriums348, und an den König selbst349. Daraufhin teilte Mühler Arnim mit, daß er vom König als Vertreter des Innenministers nicht entbunden worden sei350; damit rügte er diesen quasi wegen Nichteinhaltung des Dienstweges. Außerdem teilte er Arnim mit, daß der König eine Erörterung der Angelegenheit im Staatsministerium angeordnet habe. Diesen Sachverhalt teilte auch Graf Lottum dem streitbaren Regierungspräsidenten mit und lud ihn ein, an der Sitzung teilzunehmen, um ihm Gelegenheit zu geben, „Gründe für die Abänderung oder Modifizierung der bestehenden Einrichtung näher darzulegen.“351 Auf Grund dieses Gespräches wurde durch die Kabinettsordre vom 11. Januar 1836 verfügt, daß die strittigen Berichte dem Grafen Arnim vor345 Schreiben Arnims an Bodelschwingh ebd., Bll. 20–31. Das Schreiben wurde vom Oberpräsidenten nach Berlin weitergeleitet. 346 Ebd., Bl. 28. Dieser Seitenhieb des wohlhabenden Grafen zielte auf die von oben verordnete rigorose Sparsamkeit in der preußischen Staatsverwaltung in der Restaurationszeit. 347 Justizminister v. Mühler am 27.11.1835 an Arnim ebd., Bl. 32. Da der König noch keine Entscheidung getroffen habe, so fuhr Mühler fort, bleibe es vorerst bei der bisherigen Praxis. 348 Schreiben Arnims vom 04.12.1835 an Graf Lottum ebd., Bll. 33–36. 349 Denkschrift Arnims vom 07.12.1835 ebd., Bll. 37–40; Begleitschreiben an Lottum ebd., Bl. 41. 350 Schreiben Justizminister Mühlers vom 12.12.1835 an Arnim ebd., Bl. 43. 351 Schreiben Lottums vom 13.12.1835 an Arnim ebd., Bl. 43. Diese Einladung wurde von Lottum am 28.12.1835 wiederholt; vgl. ebd., Bl. 44. Damit verbunden waren einige weitere Briefe: Schreiben Bodelschwinghs vom 02.01.1836 an Arnim mit der Bitte um Berichterstattung ebd., Bl. 45; Schreiben Arnims vom 08.01.1836 an Rochow ebd., Bll. 46 + 47.

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zulegen seien352. Daraufhin konnte dieser am 29. Februar 1836, also genau sechs Monate nach seiner ersten Eingabe an den Innenminister, dem Polizeidirektor Lüdemann die Vorlage seiner Berichte anordnen353. Dieser Sachverhalt ist an und für sich nur von untergeordneter Bedeutung. Er ist jedoch kennzeichnend für das Denken und Handeln des Grafen Arnim: Dieser scheute sich nicht vor harten Worten gegen seine Vorgesetzten, weil er von der Rechtmäßigkeit seines Handelns überzeugt war. Außergewöhnlich ist auch, daß es dem Regierungspräsidenten Arnim gelang, den Minister Mühler in die Defensive und sogar in die Resignation zu treiben, obwohl dieser nur einen (wenn auch höchst fragwürdigen) Befehl des Königs umgesetzt hatte. Diese Tatsache kann dadurch erklärt werden, daß in Arnims Adern königliches Blut rollte. Arnims offene Fehde mit dem Staatsminister gereichte ihm keineswegs zum Nachteil, im Gegenteil: Nachdem ihm bereits am 18. Januar 1835 der Roten Adler-Orden 4. Klasse verliehen worden war354, erhielt er am 18. Januar 1837 die 3. Klasse dieses Ordens355. Außerdem war er (nach gut zweijähriger Dienstzeit in Aachen) als Außen- bzw. Finanzminister im Gespräch356. Im Jahr 1837 machte sich jedoch erneut die angeschlagene Gesundheit Arnims bemerkbar, so daß er mehrere Monate lang dienstunfähig war. Nach einer Grippewelle, welche die gesamte Familie des Grafen erfaßte, erkrankte Arnims Frau357, da auch der Graf selbst ein Halsleiden hatte, bat er um Urlaub358 und brach am 22. Mai 1837 aus Aachen auf, um seine Frau für vier Wochen ins Bad zu begleiten359. Am 24. Juni war er zwar wieder in Aachen360, da sich sein Kehlkopfleiden jedoch als hartnäckig erwies361, bat er nach gut zwei Monaten im September erneut um Krankenurlaub, den er in Boitzenburg verbrachte. Als er dann darum bat, diesen bis 352 KO vom 11.01.1836 ebd., Bl. 49; vgl. auch die eigenhändige Notiz Rochows ebd., Bl. 48. Die Entscheidung erhielt Arnim am 18.01.1836 auch auf dem Dienstweg; vgl. ebd., Bl. 50, während Bodelschwingh vom Innenminister Rochow erst am 10.02.1836 informiert wurde; vgl. ebd., Bl. 52. 353 Schreiben Arnims vom 29.02.1836 an Lüdemann ebd., Bl. 53. 354 Vgl. zur Verleihung des „rothen Adler-Orden 4ter Klasse“ Nachlaß Nr. 3786, Bll. 1–4; Urkunde ebd. 355 Vgl. zur Verleihung des „rothen Adler-Orden 3ter Klasse mit der Schleife“ Nachlaß Nr. 3786, Bll. 7–12; Urkunde in: Nachlaß Nr. 3787, Bl. 1. 356 Vgl. Nachlaß Nr. 3849, Bl. 1; Savigny, Briefe, S. 102/03. 357 Vgl. deren Tagebuch. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 22: „Wir alle haben die Grippe. Dann folgt eine längere Krankheit von mir.“ 358 Nachlaß Nr. 3847; vgl. Savigny, Briefe, S. 118, Anm. 1. 359 Vgl. Karl Friedrich Savignys Brief vom 18.05.1837 an seinen Vater. In: Savigny, Briefe, S. 105/06. 360 Vgl. ebd., S. 112, Anm. 1.

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zum 1. Dezember zu verlängern, zeigte sich sein Vorgesetzter Bodelschwingh alles andere als gnädig, sondern äußerte seine Verwunderung ob dieses langen Urlaubs362. Dieser wurde Arnim aber trotz Bodelschwinghs Widerspruch genehmigt363. Am 21. November 1837 wandte sich Graf Arnim dann kurz vor Ende seines Krankenurlaubes mit der ungewöhnlichen Bitte an Innenminister Rochow, für ihn als Regierungspräsidenten in Aachen einen Nachfolger zu ernennen und ihn solange als „General-Commissarius zur Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in der Kurmark“ zu beschäftigen, bis ein den Arnimschen Gütern näher gelegenes Präsidium zur Verfügung stünde364. Er legte zur Begründung ein Attest vom 13. November 1837 vor, demzufolge er an „einem sehr lästigen Herzklopfen“ litt, „das sich zwar auf jede veranlassende Ursache, regelmäßig aber zur Nachtzeit, und seit einigen Tagen sogar schon Nachmittag einstellt, dem Patienten den Schlaf raubt, und des Morgens, wenn derselbe das Bett verlassen hat, sich vermindert.“365 Auch Rochow versuchte die Versetzung Arnims hinauszuzögern, und bemerkte, „daß es die dortigen Verhältnisse nicht seien, die Ew. Hochgeboren längeres Verweilen in Aachen erheischen würden.“366 Allerdings bewilligte König Friedrich Wilhelm III. nach Rücksprache mit dem Staatsministerium die Versetzung, nicht ohne zu betonen, es habe ihn gefreut zu hören, daß politische Gründe für den Wunsch Arnims nicht von Bedeutung gewesen seien367. Offenbar hatte man in Berlin befürchtet, Arnim wolle sich nur wegen des beginnenden Kirchenkampfes versetzen lassen, was als „Fahnenflucht“ angesehen worden wäre. Ursache für die Befürchtungen, die Bodelschwinghs und Rochows Reaktionen auf Arnims Gesuche erklären, war also der Eindruck, der Graf instrumentalisiere seine Krankheit. 361 Laut Karl Friedrich v. Savigny (Briefe, S. 118/19.) neigte Graf Arnim zur Kehlkopfentzündung. 362 Bodelschwingh schrieb am 24.09.1837 an Arnim [Nachlaß Nr. 3848, Bl. 12], er habe „mit einigem Erstaunen“ zur Kenntnis nehmen müssen, „daß Wohldieselben, durch ein Halsübel verhindert, Ihre Amtsgeschäfte schon jetzt wieder zu übernehmen außer Stande und genöthigt worden sind, eine Verlängerung Ihres Urlaubs bis zum 1. Dezember nachzusuchen.“ Anschließend kündigte er an, unter Umständen auf Arnims Angebot einzugehen, dessen Dienste auch während des Urlaubs in Anspruch zu nehmen. 363 Genehmigung durch Innenminister und Finanzminister am 07.10.1837 ebd., Bl. 13. Offenbar hat in dieser Zeit auch eine Unterredung Arnims mit Rochow stattgefunden, wie seine Frau in ihr Tagebuch notierte; vgl. BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 22. 364 Nachlaß Nr. 3848, Bl. 15–16. 365 Attest vom 13.11.1837 ebd., Bl. 14. 366 Vgl. Rochows Schreiben vom 30.11.1837 an Arnim ebd., Bl. 19. 367 KO vom 11.12.1837 ebd., Bl. 21; vgl. Rochows Schreiben vom 11.12.1837 an Arnim ebd., Bl. 27.

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Es waren tatsächlich nicht nur gesundheitliche Gründe, die den Boitzenburger dazu veranlaßten, einen Aufenthalt in Aachen zu vermeiden. Der Sohn des bekannten Juristen, Karl Friedrich v. Savigny, bemerkte in einem Brief an seinen Vater, bei der Besetzung der Stelle des Oberpräsidenten von Magdeburg sei Graf Stolberg Arnim vorgezogen worden. Da demnächst aber die Minister Altenstein und Lottum zurücktreten könnten, sei es für Arnim sicher besser, „an Ort und Stelle [zu] sein als 90 Meilen von der Hauptstadt entfernt.“368 Arnim spekulierte also 1837 auf die Berufung ins Staatsministerium. Insofern kann Arnims Krankenurlaub im Herbst 1837 mit Bismarcks Aufenthalt in Berlin im Jahre 1862 verglichen werden, als dieser St. Petersburg verlassen hatte und auf ein Ministerium hoffte369, ebenso Arnims folgender Posten mit Bismarcks Botschaftertätigkeit in Paris. Letzten Endes erhielt Graf Arnim 1837/38 jedoch kein Ministerium: Neuer Außenminister wurde Freiherr v. Werther, als Kriegsminister kam Arnim nicht in Frage, ein neuer Gewerbeminister wurde nicht ernannt und neuer Präsident der Staatsbank wurde Christian v. Rother, der im Ministerium bereits für Seehandlung und Staatsschulden zuständig war370. Insofern befand sich Graf Arnim im „Wartestand“, nachdem er sich Ende Dezember schriftlich aus Aachen verabschiedet hatte371, wo er erneut zu einiger Beliebtheit gelangt war372. d) Im Wartestand (1837–1840) Am 11. Dezember 1837 wurde Graf Arnim „mit Belassung . . . (seines) seitherigen Amtscharakters und Ranges“ zum „General-Commissarius zur Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in der Kurmark“ und zugleich zum Mitglied des Staatsrates ernannt373. Diese Generalkommissionen, die es seit 1817 in jeder Provinz gab, waren mit der Durchführung der Agrarreformen betraut374. Sie standen unter der Oberaufsicht des Oberpräsidenten, waren also formell den Regierungen gleichgestellt, so daß Graf Arnim mit seiner Ernennung nicht degradiert wurde. 368 Karl Friedrich v. Savigny am 30.09.1837 an Friedrich Karl v. Savigny. In: Savigny, Briefe, S. 119. 369 Vgl. dazu auch die „Presseäußerungen über Besetzung preußischer Ministerposten“. In: Nachlaß Nr. 3849, Bll. 1–6. 370 Vgl. Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 288/89. 371 Abschiedsschreiben Arnims vom 25.12.1837 an das Regierungskollegium zu Aachen. In: Nachlaß Nr. 3848, Bl. 35. 372 Vgl. das Gedicht für Arnim [Nachlaß Nr. 3842] sowie zwei Dankadressen mit den Unterschriften des Regierungskollegiums [Nachlaß Nr. 3848, Bll. 36–39]. 373 Urkunde in: Nachlaß Nr. 3864; vgl. das Begleitschreiben an Arnim vom 12.12.1837. In: Nachlaß Nr. 3865, Bl. 1. 374 Vgl. Schissler, Agrargesellschaft, S. 107/08.

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Auf Grund der wesentlich geringeren Kompetenzen des Generalkommissars handelte es sich tatsächlich um einen „Warteposten“, den Graf Arnim darum auch nur wenige Monate (bis zum 18. Oktober 1838) bekleidete. Als er sich gerade in sein neues Betätigungsfeld eingearbeitet und die ersten Verhandlungen geführt hatte375, wurde er wie vorgesehen wieder in ein Regierungspräsidium versetzt. Außer in die Generalkommission wurde Graf Arnim am 11. Dezember 1837 auch in den Staatsrat berufen376, der gemäß Verordnung vom 20. März 1817 „die höchste beratende Behörde Preußens“ war377. Auch hier konnte Arnim keine bedeutsamen Aktivitäten entfalten. Dies lag daran, daß der Staatsrat gerade vor einer Neuorientierung stand, denn Friedrich v. Müffling378 war erst am 2. Oktober 1837 kommissarisch zu dessem Vorsitzenden ernannt worden379. In den folgenden Jahren entfaltete der Staatsrat unter Müfflings Leitung zwar eine umfangreiche Tätigkeit380, doch zogen sich insbesondere die Beratungen über die Strafrechtsreform jahrelang hin381. Auch für die „Mischehenfrage“, über die seit 1835 im Staatsrat beraten wurde und die in den „Kölner Wirren“ mündete382, wurde im Februar 375 Vgl. Arnims Ausarbeitungen und Exzerpte in Nachlaß Nrr. 3868–71; Schreiben an den Staatsrat über die Gesindeordnung in: Nachlaß Nr. 3866; Verhandlungen über die Separation in den preußischen Gemeinden in: Nachlaß Nr. 3867. 376 Vgl. zu m Staatsrat allgemein Schneider, Staatsrat, S. 6–51; siehe außerdem Haake, Errichtung, passim. 377 GS 1817, S. 67. Nicht zuletzt durch die Bildung von sieben Abteilungen zu einzelnen Sachfragen (§ 7) nach französischem Vorbild sowie wegen der Geschäftsordnung, in der Details bis hin zur Protokollführung nach englischem Vorbild geregelt waren [Vgl. Schneider, Staatsrat, S. 135–137], ähnelte der Staatsrat einem modernen Parlament; vgl. Koselleck, Preußen, S. 266; Brandt, Repräsentation, S. 123–125. 378 Karl Friedrich Frhr. v. Müffling (1775–1851) trat 1790 in die preußische Armee ein und arbeitete seit 1794 im Vermessungsdienst. Nach der preußischen Niederlage 1806 schied er aus der Armee aus und wurde Leiter des Baureferats in Weimar. 1813 trat er als Oberstleutnant in die Schlesische Armee Blüchers ein. Bis 1829 stieg er zum Kommandierenden General des VII. Armeekorps in Münster auf. 1838 wurde Müffling Gouverneur von Berlin und Präsident des Staatsrats. 1847 nahm er krankheitsbedingt seinen Abschied, den er als Generalfeldmarschall mit der Dotation der Domäne Wandersleben erhielt. 379 Vgl. Schneider, Staatsrat, S. 100/01. 380 Vgl. Schneider, Staatsrat, S. 95. 381 Vgl. ebd., S. 170–174. Graf Arnim war Mitglied einer besonderen „Immediatkommission für die Strafrechtsreform“ [GStAPK Rep. 80 StR I Justizsachen Nr. 128 Vol. I + II; vgl. Schneider, Staatsrat, S. 170]. Die Beratungen über diesen Gegenstand zogen sich über fast fünf Jahre hin und beschäftigten Arnim noch als Innenminister; vgl. Kap. II.2. 382 Vgl. Schneider, Staatsrat, S. 165–170; siehe auch Schnabel, Deutsche Geschichte IV, S. 106–164; Treitschke, Geschichte IV, S. 669–713; außerdem Kap. I.3.c).

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1838 eine besondere Kommission eingesetzt, die sechs Gesetzentwürfe ausarbeitete, über die dann vom 22. August 1838 bis Mitte Januar 1839 ergebnislos debattiert wurde383. Insgesamt war Arnims Tätigkeit im Jahre 1838 dermaßen unbefriedigend, daß er froh gewesen sein dürfte, als er als Regierungspräsident nach Merseburg versetzt wurde. Zwar wurde Graf Arnim erneut nicht befördert, doch erhielt er als „Trostpflaster“ für die erneute Zurücksetzung immerhin die Ernennung zum Kurator der Ritterakademie Brandenburg384. Am 18. Oktober 1838 wurde Arnim vom Ministerium die Mitteilung gemacht, daß er zum Regierungspräsidenten in Merseburg ernannt werde385. Zwei Tage später wurde ihm ergänzend mitgeteilt: „Nach der an mich unterm 18ten d.M. erlassenen Allerhöchsten Order haben des Königs Majestät Ew. Hochgeboren das Präsidium der Regierung zu Merseburg zu übertragen und zu bestimmen geruht, daß bei Ihrer hierdurch eintretenden Verhinderung in den Abtheilungen des Staatsrathes . . . ferner zu fungieren, Sie als Mitglied derselben zwar ausscheiden, jedoch Mitglied des Staatsrathes verbleiben.“386 Bis 1845 war Arnim dann aber lediglich aus Prestigegründen weiter Mitglied des Staatsrates, ohne sich an dessen Arbeit zu beteiligen. Der „Bezirk der Regierung des Herzogtums zu Merseburg“ war in den 1830er Jahren eine bevorzugte Stelle für die Ausbildung von Spitzenbeamten und wurde darum „Garde-Regierung“ genannt387. Sie verdankte diesen Vorzug der Tatsache, daß sie sich zum größten Teil aus ehemals sächsischen Kreisen zusammensetzte388 und darum eine „Vielgestaltigkeit der Verhältnisse“ aufwies. Darüber hinaus stand sie im „Rufe angenehmer geselliger Verhältnisse“ und schließlich wurden ihre Präsidenten häufig in hohe Stellen befördert389. Graf Arnim erhielt also eine besonders angenehme und perspektivenreiche Stellung für seine „Warteschleife“. Während dieser Zeit fiel es ihm nicht schwer, sich weiter zu profilieren390. Unter anderem verfaßte er zwei Denkschriften zur Rechtsangleichung im Regie383 Vgl. Schneider, Staatsrat, S. 166. Es wurden dabei nicht weniger als 204 (!) Seiten Protokoll geführt; die Akten befinden sich: In GStAPK Rep. 80 StR I Justizsachen Nr. 138 Vol. I + II. 384 Nachlaß Nr. 3780, Bl. 10. 385 Nachlaß Nr. 3872, Bl. 2. 386 Schreiben Müfflings an Arnim vom 20.10.1848 in: Nachlaß Nr. 3872, Bl. 1. 387 Delbrück, Lebenserinnerungen I, S. 99. 388 Vgl. Hubatsch, Regierungspräsidenten, S. 43. 389 Delbrück, Lebenserinnerungen I, S. 99. 390 Vgl. die umfangreichen Akten in: Nachlaß Nrr. 3873–3896. Dabei handelt es sich um Übersichten, Verzeichnisse, Zusammenstellungen oder Verwaltungsvorgänge wie die Verlängerung eines Mietvertrages für das Merseburger Schloß. Diese Akten dürften für die Landesgeschichte von Interesse sein.

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rungsbezirk Merseburg: zur Einführung von Dorfordnungen und zur Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse391. 1839 wurde er „als Minister der Zukunft angesehen“, denn „jedermann sah seine Stellung in Merseburg nur als einen Durchgang zu einer höheren Stellung an“392, wie Savigny notierte, der wie schon in Aachen Arnims Untergebener war393. Wenn irgend etwas die hoffnungsvolle Zukunft des jungen Grafen zu trüben vermochte, so war es höchstens seine schwache Gesundheit: 1838 war es ein Augenleiden, an dem er nach überstandenem Halsleiden laborierte394 und im Juli 1839 erhielt er „Urlaub auf einen Monat zu einer Badekur in Bad Ems“ bewilligt395. Außerdem verweilte Arnim 1839 für vier und 1840 für sechs Wochen auf seinen Gütern396. In Merseburg erregten Arnims gesellschaftlichen Aktivitäten großes Aufsehen: „Graf Arnim gab, außer einigen Diners, in jedem Winter mehrere Bälle, welche nach damaligen Begriffen glänzend ausgestattet waren, denn es wurde nicht nur Bowle, sondern auch, was von uns Tänzern hochgeschätzt wurde, vortreffliche Bouillon umhergereicht, sogar Champagner tranken wir auf einem Balle am Geburtstage der Königin, zu welchem wir, was sonst nicht üblich war, mit weißer Halsbinde zu erscheinen hatten.“397 Diese gesellschaftlichen Aktivitäten sollten mit zu Arnims Beförderung zum Posener Oberpräsidenten beitragen398, denn der Graf wurde auch in seiner Merseburger Stellung beobachtet. Dies zeigt die Verleihung des Roten Adler-Ordens 2. Klasse am 18. Januar 1840399 . Außerdem nahm der Boitzenburger im Mai 1840 an der Erbhuldigung Friedrich Wilhelms IV. teil400. Graf Arnim hinterließ auch in der Provinz Sachsen auf Grund seiner Leistungsfähigkeit und seines Organisationstalentes sowie besonderer Um391 Vgl. Nachlaß Nr. 27–36; siehe auch das Konzept des Schreibens an Rochow anläßlich der Vorlage der Denkschriften ebd., Bl. 37 + 38. 392 Savigny, Briefe, S. 99 und S. 102. 393 1839/40 war Arnim außerdem Vorgesetzter des späteren Diplomaten Robert v. d. Goltz; vgl. Stolberg-Wernigerode, Goltz, S. 19. 394 Vgl. Hermann Ludwig v. Balau am 23.05.1838 an Karl Friedrich v. Savigny. In: Savigny, Briefe, S. 129. 395 Nachlaß Nr. 3875, Bl. 7. 396 Vgl. ebd., Bll. 7 + 8. 397 Delbrück, Lebenserinnerungen I, S. 111. 398 Vgl. dazu Kap. II.1. 399 Vgl. zur Verleihung des „rothen Adler-Orden 2ter Klasse mit Eichenlaub“ Nachlaß Nr. 3786, Bl. 13; Urkunde in: Nachlaß Nr. 3787, Bl. 2. 400 „Zur Erbhuldigung des Königs Friedrich Wilhelm IV. hatten folgende Rittergutsbesitzer im Kreise Aufforderungen erhalten“: Es folgen auf der Liste u. a. elf Arnime, darunter auch „Regierungspräsident Adolph Heinrich von Arnim-Boitzenburg“. Vgl. Nachlaß Nr. 3779, Bl. 22.

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gangsformen einen hervorragenden Eindruck: Die Stadt Merseburg ernannte ihn zum Ehrenbürger401 und nach seiner Amtsübergabe im Mai 1841 feierte er in zwei öffentlichen Festessen mit seinen Kollegen Abschied402. Ihnen war bewußt, daß der steile Aufstieg des erst 38jährige Grafen noch nicht beendet sein mußte. Vielmehr hielt man ihn auch für höhere Aufgaben gut geeignet und erwartete, ihn bald ins Staatsministerium avancieren zu sehen. Insgesamt hatte Graf Arnim als Verwaltungsbeamter drei Charaktereigenschaften erkennen lassen: Erstens hatte er ein ungewöhnliches Organisationstalent, das ihn immer wieder dazu führte, Reorganisationspläne auszuarbeiten und für Rechtsharmonisierungen zu sorgen. Zweitens war sein gesellschaftliches Auftreten dazu geeignet, ihm hohes Ansehen zu verschaffen. Dazu trug sicherlich auch bei, daß der Boitzenburger auf Grund seines Wohlstandes bei der Ausrichtung eines Festes nicht sparsam zu sein brauchte. Allerdings dürfte auch seine dritte Eigenschaft, der Sinn für Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit, dazu geführt haben, daß sich Arnim wohltuend von anderen Beamten absetzte, was ebenfalls zu Sympathien in der Bevölkerung geführt haben dürfte. Dagegen dürften Arnims politischen Anschauungen weniger zu dem beschriebenen Wohlwollen geführt haben, denn Arnim war, wie nun zu zeigen sein wird, sicherlich kein Liberaler. 4. Grundlagen des politischen Denkens Da der Graf Arnim in seinen jungen Jahren weder publizistisch tätig war noch theoretische Schriften veröffentlichte, besteht bei dem Versuch, die Grundlagen seines politischen Denkens zu beschreiben, die Gefahr, daß spätere Zeugnisse ein zu hohes Gewicht erhalten. Dies wäre aber deshalb problematisch, weil somit die Möglichkeit außer acht gelassen würde, daß sich Graf Arnims Charakter gewandelt haben könnte. Zumindest wurde die These aufgestellt, Graf Arnim sei „durch den Gang der Dinge immer mehr von der liberalen zur konservativen, schließlich zur ultrakonservativen Front gedrängt“ worden403. Diese ist in gewisser Hinsicht nachvollziehbar: In der Schule und auch auf der Universität wurde Graf Arnim vor allem mit liberalem Gedankengut konfrontiert. Demgegenüber standen auf Grund traumatischer Erfahrungen in seiner Kindheit Vorbehalte gegenüber den „Ideen von 1789“. Deshalb ist es zumindest möglich, daß der junge Graf 401

Vgl. Nachlaß Nr. 3880. Vgl. den Artikel im Courier. Hallische Zeitung für Stadt und Land Nr. 120, Mi. 26.05.1841; auch in: Nachlaß Nr. 3873, Bll. 49 + 50. 403 Weber-Krohse, Sieben Preußen, S. 387. Diese Arbeit ist zwar in mancher Hinsicht mit Vorsicht zu genießen, doch geht es hier nur darum, eine einzige Aussage Weber-Krohses zu hinterfragen. 402

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Arnim noch zwischen Liberalismus und Konservativismus schwankte. Darum soll überprüft werden, ob bereits der junge Graf Arnim als konservativ bezeichnet werden kann, und zwar zunächst anhand seiner Religionsauffassung. Vielleicht auch auf Grund seines Schulbesuches wurde der junge Graf, im Gegensatz zu manch anderem Konservativen des 19. Jahrhunderts, vom Christentum nicht besonders geprägt. Er wurde zwar traditionsgemäß am 21. Oktober 1818 in der Marienkirche „confirmiert und eingesegnet“404, doch finden sich keine Zeugnisse religiösen oder gar pietistischen Denkens des Grafen Arnim405. Von seinem Großvater Friedrich Wilhelm v. Arnim hatte Arnim zwar zahlreiche theologische Schriften geerbt406, doch übernahm er von diesen keine in seine Handbibliothek407. Dagegen lassen mehrere Indizien darauf schließen, daß Graf Arnim alles andere als ein Pietist war, sondern vielmehr (wie viele seiner Zeitgenossen) ein „Vernunftchristentum“ praktizierte408: Ein Glaubensbekenntnis Adolfs, das dem Freiherrn vom Stein vorgelegt worden war, kommentierte dieser mit der Bemerkung, er vermisse „den Ausdruck eines hohen religiösen Gefühls und eines innig durchdrungenen Verstandes“409. Auch seine wenigen „Notizen über Bibeltexte“ lassen kein außergewöhnliches christliches Denken erkennen410, und im Kölner Kirchenstreit, in dem sich die konservativen Katholiken dauerhaft von der konservativen Partei trennten411, trat Graf Arnim keineswegs dezidiert für die Sache der Protestanten ein412. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß Arnim zeitlebens nicht den Weg zum Altkonservativismus fand, der quasi die Fortsetzung der Adelsopposition gegen den frühmodernen Staat und insbesondere gegen den (aufgeklärten) Absolutismus war und der sich um Hengstenberg und seine ab 1827 erscheinende „Evangelische Kirchenzeitung“ sowie das ab 1831 erscheinende „Berliner Politischen Wochenblatt“ gruppierte413: Adolf v. Ar404

Nachlaß Nr. 3779, Bl. 3; Nr. 3780, Bl. 6. Dagegen sprechen auch nicht einige kurze Notizen über Bibeltexte in: Nachlaß Nr. 3793. 406 Vgl. den Bibliothekskatalog. In: BrLHA Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3478. Friedrich Wilhelm v. Arnim verfaßte sogar selbst Predigten; vgl. Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 373. 407 Vgl. den Bibliothekskatalog In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3478. 408 Vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 163. 409 Stein am 13.03.1819 an Bandelow. In: Stein, Briefe VI, S. 50. 410 Vgl. Nachlaß Nr. 3793, Bll. 1–6. 411 Durch diese erste Spaltung des Konservativismus wurde dieser vor allem eine preußisch dominierte Strömung; vgl. dazu Schrörs, Kölner Wirren, S. 557–595; siehe auch Treitschke, Deutsche Geschichte IV, S. 700–705. 412 Vgl. Kap. I.3.c). 405

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nim war weder besonders christlich gesinnt noch ein strikter Gegner des aufgeklärten Absolutismus. Vielmehr wurde er bereits früh mit Ideen der Aufklärer konfrontiert. Nicht zuletzt deshalb, weil er ein liberal geprägtes Gymnasium besucht hatte, beschäftigte Graf Arnim sich zu Beginn seines Studiums freiwillig mit dem französischen Aufklärer Montesquieu414. Auch die wissenschaftlichen Arbeiten des Grafen argumentieren ganz auf dem Boden des Naturrechts, z. B. seine Abschlußarbeit 1830 über Brandenburg im Westfälischen Frieden415. Diese Arbeit ist deshalb sehr aussagekräftig für Arnims Geschichtsbild, weil die Bearbeitung des Themas ganz im Ermessen des Prüflings lag. Insofern ist es auffällig, daß Arnim in der Einleitung seiner Arbeit die bisherige Geschichte in zwei Abschnitte einteilte: Im ersten Abschnitt, der bis zu den Kreuzzügen reichte, habe allein das Recht der stärkeren Waffen gegolten416. Am Beginn des zweiten Abschnittes aber standen für Arnim „die Vereinigung der christlichen Welt zu einem Reiche, und die Unterjochung derselben unter ein geistliches Oberhaupt“417. Erst jetzt habe die Ausbildung der Diplomatie begonnen. Daraus habe das Bemühen um Koalitionen resultiert, woran auch die Reformation nichts geändert habe. Arnim vertrat ein alles andere als christlich geprägtes Geschichtsbild. Dagegen galt seine ungeteilte Bewunderung „des großen Kurfürsten Persönlichkeit“, dessen „weise Benutzung der sich darbietenden Vortheile“ Brandenburg im Westfälischen Frieden „ein so günstiges Resultat“ beschieden habe418. Dieser habe, und damit stellte Arnim auch eine Maxime seines späteren eigenen Handelns auf, bewiesen, „wie ruhige und gemäßigte Verfolgung als richtig anerkannten Zweckes weiter führt als die ungestüme Mißachtung der sich entgegenstellenden Schwierigkeiten, welche nicht zu scheuen, aber richtig zu würdigen die Pflicht derer ist, in deren Hand die Verfolgung des Geschickes der Völker liegt.“419 Diese realpolitische Maxime sollte Arnims politisches Denken und Handeln sein Leben lang prägen. 413 Vgl. zur EKZ Bachmann, Ernst Wilhelm Hengstenberg, 3 Bde.; Kriege, Geschichte, passim.; zum BPW Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 131. 414 Im August 1821 fragte Arnim Bandelow, ob sich „Esprit des loix par Montesquieu“ in Boitzenburg befinde; vgl. Nachlaß Nr. 4225, Bl. 145r. 415 Vgl. Nachlaß Nr. 4178; Reinschrift ebd., Bll. 16–35. 416 Ebd., Bl. 17. 417 Ebd., Bl. 18. 418 Ebd., Bl. 35r. 419 Ebd. Allein aus diesen Sätzen ist leicht ersichtlich, warum Arnim als Innenminister [vgl. Kap. II.2.] und als Ministerpräsident [vgl. Kap. III.2.] Probleme mit König Friedrich Wilhelm IV. bekommen mußte.

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Darüber hinaus gibt die Zusammenstellung der Handbibliothek des Boitzenburgers interessante Aufschlüsse über sein Denken420, wie bereits im Zusammenhang mit Arnims Studium festgestellt wurde421. Graf Arnim beschäftigte sich „dienstlich“ mit juristischen Fragen, Polizei- und Finanzund Kammeralwissenschaften sowie Statistik, außerdem als Gutsbesitzer mit Land- und Forstwissenschaften. Darüber hinaus beschäftigte er sich mit Geschichte, besonders mit der preußischen sowie der neueren europäischen und Weltgeschichte, jedoch steht zu vermuten, daß Arnim dies vor allem deshalb tat, weil im Rahmen der juristischen Ausbildung auch eine historische Abschlußarbeit zu schreiben war. Darauf deutet auch hin, daß Arnim weder philosophische noch theologischen Werke und lediglich drei literarische Werke mit sich führte422. Offenbar las Graf Arnim Bücher nicht zum Vergnügen oder zur reinen Charakterbildung, sondern nur, wenn er aus den Büchern praktischen Nutzen ziehen konnte, z. B. aus den 22 landwirtschaftlichen Büchern. Insofern war Graf Arnim ein nüchterner, praktisch denkender Verwaltungsbeamter und Rittergutsbesitzer. Graf Arnims rationale Auffassung vom Christentum und auch sein Geschichts- und Politikverständnis finden sich in seinen Verfassungsvorstellungen wieder: Daß er, statt von Thron und Altar zu sprechen, die Wendung „Thron und Vaterland“ verwendete423, kann als säkularisierte Form des Gottesgnadentums bezeichnet werden424. Außerdem vertrat Graf Arnim die Auffassung von der neutralen Stellung der Krone, die Benjamin Constant als „pouvoir neutre“ beschrieb und der liberale Adolphe Thiers 1829 mit der als Forderung aufzufassenden Formel charakterisierte: „Le roi règne, mais il ne gouverne pas.“425: Nach Arnims Auffassung wäre es ein echtes Problem, wenn „die Krone einer Wahlkammer ohne conservatives Gegengewicht gegenüber stehen würde, und statt 420 Die Boitzenburger Schloßbibliothek gilt seit 1945 als verschollen. Allerdings ist der systematische Katalog aus den frühen 1840er Jahren erhalten, den Graf Arnim anlegen ließ [BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3478]. Darin sind die Titel gekennzeichnet, die Graf Arnim zu diesem Zeitpunkt, also seit den 1830er Jahren, in seiner Handbibliothek mit sich führte. 421 Vgl. Kap. I.2.b). 422 Es waren C.H. Spieß: Die zwölf schlafenden Jungfrauen. 3 Bde. Leipzig 1796; ders.: Die Laurienritter. Leipzig 1794; Der reisende Aventurier, Über sehr merkwürdiges Leben und Begebenheiten eines Flamländischen Ritters. Frankfurt 1749. 423 Z. B. in der Denkschrift vom Dezember 1846. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 30– 41; vgl. Kap. II.3. und in der Denkschrift vom 09.03.1847. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 14–16; vgl. Kap. II.3. 424 „Das monarchische Prinzip entbehrt einer geistigen Begründung. Es ist kein echtes Gottesgnadentum mehr. Was unter diesem Namen auftritt, . . . meint nur noch das christliche Prinzip, daß jede Obrigkeit von Gott sei.“, urteilte Brunner, Gottesgnadentum, S. 183.

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über den Partheien zu stehen, conservative Partei werden müßte“426. Vielmehr sollten die Kräfte der Bewegung und der Beharrung, die er beide als notwendig erachtete, in „weisem Gleichgewichte“ stehen427, womit der Krone die Rolle der ausgleichenden und über den Dingen stehenden Instanz zufiel428. Graf Arnims konkreten Verfassungsvorstellungen, die er aber erst nach 1840 entwickelte, orientierten sich stets daran, wie der angestrebte Ausgleich der Kräfte gewährleistet werden konnte, ohne daß die Opposition die Oberhand gewann und ohne daß die Regierung zur direkten Einflußnahme gezwungen war. Graf Arnims Stellung als „Junker“ wurde durch den Zufall mitbestimmt, der ihm als dem Zweitgeborenen zur „Herrschaft Boitzenburg“ verhalf: Wie erwähnt sollte laut Testament das Los über die Verteilung des väterlichen Besitzes entscheiden, sobald sein Bruder volljährig wurde429. Dieser Fall trat 1820 mit dem 24. Geburtstag Friedrich Ludwig v. Arnims ein, worauf das Erbe zwischen ihm und seinem jüngeren Bruder Adolf aufgeteilt wurde430. Dabei erhielt der Ältere die (nach 1734 von Georg Dietloff v. Arnim erworbenen) Güter Zichow, Kleinow und Falkenwalde sowie eine größere Geldsumme431, für die er das Gut Blumberg bei Berlin erwarb und für sich ausbaute432. Der Jüngere aber erhielt Boitzenburg und das Majorat433. 425 Vgl. zu den beiden Aussagen ebd., S. 182. Vgl. zu Henri-Benjamin Constant de Rebecque (1767–1830), dem Philosophen, Schriftsteller und Politiker, den Artikel von Helmut Stubbe-da Luz. In: Schrenck-Notzing, Lexikon, S. 111–113. 426 Denkschrift vom Dezember 1846. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 30–41; vgl. Kap. II.3. 427 Vgl. ebd.: „Das politische Streben scheidet sich in Preußen, wie in allen Staaten, deren Völker eine Theilnahme an öffentlichen Dingen ausüben, in zwei große Hauptrichtungen: in das Streben fortschreitender Verwandlung der sozialen Zustände, – und in das ihrer möglichen Erhaltung. Beide, in weisem Gleichgewichte sich bewegend und mäßigend, sind nöthig zur Wohlfahrt des Vaterlandes.“ Diese Gedanken vertraten auch Edmund Burke und Friedrich Gentz; vgl. Bußmann, Beitrag, S. 39 und 41. 428 Mit dieser Auffassung stand Graf Arnim im Gegensatz zu Friedrich Wilhelm IV., der (wie in noch stärkerem Maße später Wilhelm II.) seine monarchische Stellung derart überbetonte, daß er (gegen seine Absicht) „zum Abbau monarchischen Empfindens erheblich beigetragen“ hat [Brunner, Gottesgnadentum, S. 184]. 429 Testament des Vaters in: Devrient, Urkundenbuch, S. 540/41; vgl. auch BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nrr. 3257 und 3260. 430 Vgl. dazu Steins Briefe vom 19.02.1820 und vom 04.03.1820 an Bandelow. In: Stein, Briefe VI, S. 219 und S. 224; Bandelow am 01.08.1820 an Stein. In: Nachlaß Nr. 3780, Bl. 7–8r. 431 Zu dem sog. „Lehensstamm“ vgl. Kirchner, Schloß, S. 391; gemäß BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3273/1. Dabei handelte es sich um 300.000 Thaler. 432 Friedrich v. Arnim schied als Rittmeister aus der preußischen Armee aus und trat in die Forstverwaltung ein; vgl. BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Zichow Nrr. 601 und

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Zunächst fungierte der Kriegsrat Bandelow (wie bereits in den Jahren zuvor) als Verwalter der Güter434. Er war es auch, der zwischen 1814 und 1853 die Regulierung der Boitzenburger gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse durchführte435, zunächst die Regulierung des Eigentums, danach die Ablösung der Hand- und Spanndienste und schließlich die der auf dem bäuerlichen Eigen liegenden Reallasten436. Insgesamt war das väterliche Erbe 1812 zwar nominell 877.000 fl. wert, real wegen Belastungen von 623.000 fl. aber nur 254.000 fl.437. Trotzdem bot es Adolf v. Arnim die materielle Grundlage seiner Geisteshaltung438 und erlaubte ihm das Auftreten eines Grandseigneurs439. Graf Arnim, das sollte bei der Beurteilung seiner politischen Anschauungen berücksichtigt werden, war Zeit seines Lebens ein standesbewußter „strenger Aristokrat, aber ein solcher, wie man sie wünscht, um die Gattung würdig repräsentiert zu sehen.“440 Insgesamt war allein der Umfang seines Besitzes dazu angetan, den jungen Grafen Arnim (wie vom Freiherrn vom Stein befürchtet) zu einem dünkelhaften und bequemen Leben zu verleiten441, denn allein die Einnahmen aus seinen Gütern hätten ihm ein sorgenfreies Dasein in Berlin garantiert. Diesen bequemen Weg schlug Arnim jedoch nicht ein442. Vielmehr kümmerte sich Adolf v. Arnim (nicht nur zwischen 1827 und 1829) intensiv um seinen Besitz. Dabei erwies er sich auch als erfolgreicher „Geschäftsmann“, dem es gelang, das ererbte Vermögen beträchtlich zu vermehren443. Im Unterschied zu so manchem seiner Standesgenossen erkannte Graf Arnim die Notwendigkeit, seinen Besitz zu modernisieren, 602. Mit seinem einzigen Sohn Georg v. Arnim (1832–1866) starb diese „Aeltere Speciallinie“ der Grafen v. Arnim aus; vgl. Gotha 1874, S. 30; Gotha 1909, S. 35. 433 Nachlaß Nr. 3780, Bl. 7; siehe auch Nachlaß Nr. 3779, Bl. 49v (Beilage Dt. Ztg.). 434 Vgl. Nachlaß Nr. 3780, Bl. 7r. 435 Vgl. Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 238–247. Dabei fielen nur etwa zehn Prozent des bäuerlichen Landes an die Herrschaft, da die Regulierung hauptsächlich durch Geldrenten und kaum durch Landabtretungen erfolgte. 436 Alle bestehenden Renten wurden ab 1848 kapitalisiert und von den Bauern auf eine neugegründete Rentenbank eingezahlt, die ihrerseits den jeweiligen Gutsherren auszahlte. Diese Rentenzahlungen zogen sich bis nach 1900 hin. Dabei flossen wohl „mehrere hunderttausend Thaler“ an die Grafen v. Arnim, vgl. Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 243. 437 Vgl. BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3267, Bll. 7–8. 438 Vgl. Harnisch, Kapitalistische Agrarreformen, passim. 439 Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 73. 440 Zweite Beilage der Deutschen Zeitung vom 5. April 1849 („Die drei Arnims“), auch in Arnims Nachlaß, Nr. 3779, Bl. 49v. Dieses Urteil der liberalen Zeitung ist besonders hoch einzuschätzen. 441 Vgl. Kap. I.2. 442 Vgl. dazu Kap. I.2.d).

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um seine Erträge steigern und damit seine gesellschaftliche Führungsposition sichern zu können444. Nachdem unter Bandelows Regie bereits die Vorwerke Lichtenhain, Lindensee und Sterntal entstanden waren445, wurde von Adolf v. Arnim selbst 1837/38 das Vorwerk Arnimshain mit 1980 Morgen Land angelegt, wofür er 30.000 Thaler aufwendete446. Dafür mußten in der sog. „Krewitzer Heide“ größere Flächen Eichen- und Buchenwaldes gerodet werden. Außerdem sorgte Graf Arnim für eine Entmischung der Kulturflächen, indem er einige geringwertige Ackerflächen aufforsten ließ (insgesamt 2410 Morgen), wobei aber nicht der Umfang der Rodungsflächen (4131 Morgen) erreicht wurde. Diese Maßnahmen kosteten den Grafen weitere 20.000 Thaler. Es folgten bis 1855 die Gründungen der Vorwerke Mellenau (883 Morgen) und Steinrode (784 Morgen), welche jeweils 20.000 Thaler kosteten. Vor allem mit Hilfe von Landkäufen wurde außerdem bis 1869 das Vorwerk Mathildenhof gegründet (908 Morgen). Bereits um 1850 gehörten 16 Güter zur Herrschaft Boitzenburg447. Zusammen mit den umfangreichen Forsten und einigen kleinen Grundstücken in den elf Bauerndörfern, die ebenfalls zur Gutsherrschaft gehörten, umfaßte sie fast 250 qkm448. Darüber hinaus investierte Graf Arnim bis 1865 nicht weniger als 364.000 Thaler zum Ankauf ländlicher Grundstücke, darunter die Güter Gollmitz und Parmen sowie einzelne Höfe449. Graf Arnim selbst bewirtschaftete die Forsten (über 36.000 Morgen) sowie die Güter Boitzenburg, Zerwelin und Lindensee selbst, während die übrigen 15 Güter für zusammen 67.000 Thaler im Jahr verpachtet waren450. Insgesamt konnte Graf Arnim sein Gesamtvermögen bis 1865 auf 1,5 Mio. Thaler steigern451. Er war also (nach dem altrömischen Ideal) auch ein „guter Landwirt“452. Trotzdem ist an der Wirtschaftsweise des Grafen 443 Vgl. dazu Arnims Geschäftspapiere. In: Nachlaß Nrr. 3794–3816, bes. die Vermögensaufstellung aus dem Jahre 1865. In: Nr. 3812, Bl. 1–2. 444 Vgl. dazu Herz, Adel, S. 534. 445 Vgl. Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 247/48. Dort auch Informationen zu Graf Arnims Vorwerkgründungen. 446 Nachlaß Nr. 3812, Bl. 1. Auf diesem Blatt auch die Aufschlüsselung der weiteren Kosten. 447 Vgl. Harnisch, Herrschaft Boitzenburg, S. 26. 448 Allein die Ländereien der 16 Güter machten 65.864 Morgen aus. Außerdem gehörten zu den elf Dörfer der Gutsherrschaft Boitzenburg 27.978 Morgen Land. Zusammen waren dies 93.842 Morgen Nutzfläche sowie 3.444 Morgen „Feldmark“, also insgesamt 97.286 Morgen; vgl. Berghaus, a. a. O. 449 Nachlaß Nr. 3812, Bl. 1. Auf diesem Blatt auch die folgenden Daten. 450 Ebd., Bl. 2r. 451 Ebd. 452 Graf Arnim dürfte im Gymnasium den Römer M. Porcius Cato kennengelernt haben, der seinen Standesgenossen eine „moderne“ Landwirtschaft vorschlug, um

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Arnim weder die oft beschriebene „Verbürgerlichung“ noch eine Hinwendung zum Kapitalismus festzustellen453, was auch daran lag, daß Boitzenburg kein industrielles Zentrum war, sondern „hinter dem Mond“ lag. Deshalb investierte Graf Arnim seine Gewinne ganz konservativ in Grundbesitz. Und daß er moderne Autoren wie Thaer las454, war angesichts der boomenden Agrarliteratur nicht außergewöhnlich455. Vielmehr hatte schon der legendäre „konservative“ Römer M. Porcius Cato auf die Vorteile „moderner“ landwirtschaftlicher Methoden hingewiesen456. Und auch daß Graf Arnim dafür sorgte, daß Chausseen im Boitzenburger Einzugsgebiet gebaut wurden, wofür er nicht weniger als 50.000 Thaler beisteuerte457, war alles andere als „kapitalistisch“, auch wenn dieses Verhalten typisch für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war458. Auch das generelle Verhalten Arnims als Herr von Boitzenburg war konservativ: Die Errichtung eines Fideikommisses, zu der ihm der Freiherr vom Stein schon im Januar 1827 riet459, kam wohl vor allem wegen der Inventur des Besitzes nicht sofort zustande. Am 16. Dezember 1833 stiftete Graf Arnim dann aber doch einen Fideikommiß für Boitzenburg460. Dies war nach Suckow erst der zweite Fideikommiß des alles andere als kleinen Arninschen Geschlechtes461. 1855 hob Adolf v. Arnim den ersten Fideikommiß auf und stiftete einen zweiten462. 1856 erhob Friedrich Wilhelm IV. mit Hilfe verbesserter Methoden die führende Position der Oberschicht gegen „bürgerliche“ Aufsteiger zu verteidigen. 453 Vgl. zur Gegenüberstellung, Treskow, Adel, S. 10; siehe auch Schissler, Agrargesellschaft, S. 108. 454 Vgl. Kap. I.2.b). 455 Vgl. dazu Treue, Wirtschaft, S. 38. 456 Die Ansichten M. Porcius Catos waren nicht wirklich modern, sondern zielte auf Rentabilität der sich entfaltenden Sklavenwirtschaft auf den mittelgroßen Gütern der Oberschicht. Sie waren auch nicht ungewöhnlich, denn die Landwirtschaft galt in fast allen antiken Staaten als ehrbare und geachtete Tätigkeit, während handwerkliche Arbeit meist minder geachtet war. Es wäre eine eigene Arbeit wert, diese Auffassung mit dem Denken des 19. Jahrhunderts zu vergleichen. 457 BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3812, Bl. 1r. 458 Besonders in den Jahren zwischen 1825 und 1835 wurde der Chausseebau enorm vorangetrieben; vgl. Müller, Entwicklung, S. 446; Wehler, Gesellschaftsgeschichte I, S. 120/21. 459 Stein, Briefe VII, S. 132. 460 Devrient, Urkundenbuch, S. 542/43. Die Stiftungsurkunde erhielt Nachträge am 14.04.1844, am 20.03.1847, am 08.01.1851 und am 26.10.1852. 1855 wurde die 1. Stiftung zugunsten der 2. Stiftung aufgehoben; s. u. 461 Devrient, Urkundenbuch, S. 542; es folgten zwischen 1882 und 1913 13 weitere; vgl. ebd., S. 543–545. 462 Devrient, Urkundenbuch, S. 543. Die Urkunde erhielt zu Arnims Lebzeiten nur einen Nachtrag: am 08.07.1865; vgl. zum zweiten Fideikommiß Kirchner, Schloß, S. 392/93.

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(mit der Bestätigung des zweiten Fideikommiß) zugleich auch Arnims Besitzungen zur „Grafschaft Boitzenburg“463. Arnim schaffte also die Erbteilung zugunsten eines Majorates ab, bei dem die Herrschaft Boitzenburg ungeteilt in der Hand des ältesten Sohnes bzw. des nächsten Erben blieb, was angesichts seiner zahlreichen Kinder verständlich war464. Zu den auch im 19. Jahrhundert weiter geltenden adeligen Privilegien gehörte das Jagdrecht465, das Graf Arnim auch tatsächlich in Anspruch nahm. Dreimal hatte er zu diesem Anlaß sogar Allerhöchsten Besuch auf Schloß Boitzenburg: Im Jahr 1842, als er gerade Innenminister geworden war, „durfte“ er König Friedrich Wilhelm IV. zur Jagd einladen466. Dieser Jagdausflug des Königs war in Berlin allgemein bekannt geworden und erregte einiges Aufsehen467, was auch daran gelegen haben mag, daß der König eigentlich mehr Künstler denn Jäger war. Trotzdem weilte Friedrich Wilhelm IV. 1845 erneut zur Jagd in Boitzenburg468. Im Jahre 1847 besuchte der Prinz von Preußen Graf Arnim zur Jagd auf Schloß Boitzenburg469, nachdem zuvor im Jahre 1840 ein geplanter Besuch im letzten Augenblick hatte abgesagt werden müssen470. Schon früh lernte der Graf auf diese Art und Weise den späteren König Wilhelm I. kennen. 463

Vgl. das Statut. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 3073; siehe auch Enders, Historisches Ortslexikon VIII, S. 112; Kirchner, Schloß Boytzenburg, S. 392–394. Zugleich erhielten die Boitzenburger das Präsentationsrecht für das Herrenhaus. Für die Standeserhebung dürften Arnims Verdienste bei der Schaffung des Herenhauses eine Rolle gespielt haben; vgl. Kap. IV.1. 464 Beim Tode des Grafen Arnim [vgl. Arnims Testament von 1865. In: BrLHA Pr.Br. Boitzenburg Nr. 3281, Bll. 1–62 sowie den Erbrezeß von 1868. In: a. a. O. Nr. 3283] erbte sein ältester Sohn Adolf (geb. 1832) die Grafschaft Boitzenburg [a. a. O. Nr. 3281, Bll. 11–14], während die jüngeren Söhne Hermann (geb. 1839), Albrecht (geb. 1841) und Werner (geb. 1845) die Güter Mellenau, Parmen, Gollmitz sowie kleinere Besitzungen und ein Haus in Berlin unter sich aufteilten; vgl. ebd., Bll. 14–17; Parmen wird ebd., Bl. 45 mit „Holtzendorff“ bezeichnet. Offenbar waren die Güter Parmen und Gollmitz bewußt zur Ausstattung der jüngeren Söhne erworben worden. Diese Versorgung jüngerer Kinder war typisch für das 19. Jahrhundert; vgl. Buchsteiner, Adel, S. 352. Den vier Töchtern wurden je 60.000 Thaler ausbezahlt, die Witwe erhielt neben 30.000 Thalern in bar eine jährliche Rente von 8.000 Thalern und Wohnrecht in Berlin und Boitzenburg sowie umfangreiche Sachwerte, besonders Möbel, Reit- und Kutschpferde und Porzellan; vgl. ebd., Bll. 4–10. 465 Vgl. Müller, Entwicklung, S. 418. 466 Vgl. Nachlaß Nr. 4237, Bl. 1–5; außerdem Briefwechsel in: Nr. 4238, Bll. 1– 22. 467 Vgl. Brünnecks Brief vom 05.12.1842 an Auerswald. In: Herre, Verfassungskampf, S. 364. 468 Vgl. Varnhagen, Tagebücher III, S. 263; siehe auch Kap. II.2.d). 469 Vgl. Nachlaß Nr. 4237, Bll. 59–125: Zusage Bl. 62; Zimmerverteilung Bll. 83–85.

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Als Graf Arnim 1827 die Verwaltung seiner Güter übernahm, wurde er zugleich Mitglied des Kreistages im Kreis Templin471, denn den brandenburgischen Kreistagen gehörten gemäß Kreisordnung die Rittergutsbesitzer ad personam an472. Obwohl die Kreistage seit dem Zeitalter des Absolutismus wichtige Zweige der Lokal- und Steuerverwaltung kontrollierten473, hatten sie zunächst kaum echte Funktionen. Sie tagten jährlich nur zweimal und wählten vor allem den Kreisausschuß, der aus dem Landrat und sechs ehrenamtlichen Mitgliedern bestand474. Erst 1841 erhielten die Kreise dann das Besteuerungsrecht und Einflußmöglichkeit auf Chausseebauten475; außerdem wurden Kreissparkassen eingerichtet476. Graf Arnim hatte als größter Gutsbesitzer des Kreises natürlich eine starke Position auf dem Templiner Kreistag, doch war dies nicht von besonderer Bedeutung, da es kaum wichtige Sachfragen zu klären gab. Eine politische Profilierung war auf dem Kreistag aber auch deshalb unmöglich, weil es keine Berichterstattung über die Verhandlungen in der Presse gab. Alles in allem war Graf Arnim sowohl wegen seiner vornehmen Abstammung als auch wegen seines enormen Vermögens kein typischer märkischer Junker477. Obwohl sein Vermögen im europäischen Vergleich nicht besonders hoch war478, konnte er es sich doch (wie andere vermögendere Adelige) leisten, liberaler zu denken als seine Standesgenossen479, zumal ihm die Erziehung einen weiteren Horizont verschaffte480. Trotzdem war Graf Arnim zweifellos ein Konservativer: Erstens investierte er Gewinne in die Landwirtschaft, indem er die Ertragsfähigkeit seiner Güter steigerte und Land hinzukaufte481. Zweitens beschloß er mit 23 Jahren, sich in der Lokal470

Ebd., Bll. 5a–10. Vgl. Arnims Tätigkeit auch Nachlaß Nr. 3830, Bll. 44–49; siehe dazu Klatte, Agrarkapitalismus, S. 202–204; Unruh, Kreis, passim. 472 Kreisordnung für die Kur- und Neumark vom 17. August 1825. In: GS 1820, S. 203; vgl. dazu Unruh, Kreis, S. 105–115. Zu den Rittergutsbesitzern kamen drei Vertreter der Bauern und ein Vertreter aus jeder im Kreisgebiet liegenden Stadt. 473 Vgl. Unruh, Kreis, S. 25; siehe zum Zeitalter des Absolutismus auch ebd., S. 56–64. 474 Vgl. Schultze, Mark Brandenburg V, S. 169. Diese Verteilung änderte erst die Reform von 1872 grundlegend. 475 GS 1841, S. 53–62; vgl. Unruh, Kreis, S. 108. 476 Vgl. Hubatsch, Regierungspräsidenten, S. 34. 477 Vgl. dazu Lieven, Abschied, S. 49/50. 478 Die vermögendsten englischen und russischen Adeligen erreichten wesentlich höhere Jahreseinkommen und hatten ein wesentlich größeres Vermögen; vgl. ebd. S. 57–59 und S. 85/86. 479 Vgl. dazu Stolberg-Wernigerode, Deutschlands konservative Führungsschichten, S. 141–152 und S. 169–205. 480 Vgl. dazu Carsten, History, S. 85; Lieven, Abschied, S. 101. 481 Vgl. dazu Kap. I.2.d). 471

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I. Charakterprägung unter Friedrich Wilhelm III. (1803–1840)

politik zu engagieren482, was eine Entscheidung für eine adelig geprägte konservative Politik bedeutete, und drittens schlug er die für Adelige typische „Landratskarriere“ ein. Allein seine Stellung als Beamter brachte Adolf v. Arnim in Kontakt mit den Staatskonservativen483, die mitunter sogar ausdrücklich als „dritte Parthei“ bezeichnet wurden484. Diese versuchten, die politische Macht in der Bürokratie zu monopolisieren und aus dieser Position der Stärke heraus eine Modernisierung ohne Demokratisierung zu verwirklichen, um somit eine drohende Revolution verhindern485. Zu der relativ kleinen Gruppe an der Spitze der Bürokratie, die sich gegen Liberale und Altkonservative zu behaupten hatte, gehörten Karl Friedrich Graf v. Beyme und Graf Lottum, der Nachfolger Hardenbergs, zu dem auch Graf Arnim Kontakt fand486. Theoretisch begründet wurde der Staatskonservativismus einerseits durch Hegel und seine Schule, andererseits durch die „Historische Schule“ um Savigny und Ranke. Diese beiden Strömungen waren zwar in philosophischer Hinsicht Gegner, waren aber beide Verteidiger des Staates gegen die Liberalen und die romantischen Altständischen. Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel wurde 1818 explizit wegen seiner Staatslehre nach Berlin berufen: Für ihn war der Staat „absoluter, unbewegter Selbstzweck“487, der in der Person des Monarchen „wirklich“ werde488, während er die Idee der Volkssouveränität ablehnte489. Deshalb kann Hegel als staatskonservativ bezeichnet werden490. 1825 kam Leopold v. Ranke nach Berlin, und ab 1830 gewann auch der juristische Historismus Savignys an Bedeutung491. Graf Arnim las jedoch kein einziges Werk dieser drei Geistesgrößen, wie er sich auch in Zukunft wenig mit grundlegenden Werken auseinandersetzten sollte. Insofern blieb er sein Leben lang „Praktiker“. Dieses Urteil darf 482 Vgl. Steins Brief vom 03.01.1827 an Graf Arnim. In: Stein, Briefe VII, S. 130–132; vgl. dazu auch Kap. I.2.c). 483 Vgl. Brandt, Landständische Repräsentation, S. 115. 484 Z. B. in der aus bayrischer Sicht herausgegebenen Verfassungszeitschrift „Alemannia“; vgl. ebd., S. 141. 485 Vgl. die Passagen in der Einleitung dieser Arbeit zum „Staatskonservativismus“, bes. S. 28. 486 Vgl. dazu Kap. I.3.c). 487 Rechtsphilosophie, § 258. 488 Rechtsphilosophie, § 279. 489 Rechtsphilosophie, § 279 und § 302. 490 Vgl. Brandt, Landständische Repräsentation, S. 158; Conze, Spannungsfeld, S. 246; anders Lübbe, Politische Philosophie, S. 50/51. 491 Vgl. Berdahl, Politics, S. 256; Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 139; Kraus, Gerlach, S. 127–135; Meinecke, Weltbürgertum, S. 207/08; Schoeps, Das andere Preußen, S. 14.

4. Grundlagen des politischen Denkens

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jedoch nicht zu dem Fehlschluß führen, daß Arnim nicht zu den Staatskonservativen gezählt hätte. Vielmehr dürfte er Grundaussagen besonders Savignys in vulgarisierter Form aufgenommen haben, nicht zuletzt durch seinen Erzieher Barkow492, einen Schüler Savignys, sowie durch eine Vorlesung, die er in Berlin hörte493. Graf Adolf v. Arnim trat unmittelbar nach der Julirevolution von 1830 als Landrat in den preußischen Staatsdienst ein. Da durch diese mit einem Schlag die optimistische Hoffnung der Restaurationspolitiker widerlegt wurde, „die“ Revolution sei endgültig besiegt worden, stellte sie, ebenso wie die Revolution von 1789494, einen nicht zu unterschätzenden Einschnitt in der Geschichte des Konservativismus dar495. Insofern sprechen Arnims Karriere nach 1830 allgemein, die (wie erwähnt) von Berlin aus aufmerksam verfolgt wurde, und speziell seine Versetzung nach Aachen 1834 angesichts des verstärkten Argwohns gegenüber liberalen Tendenzen dafür, daß der Boitzenburger zumindest kein bekennender Liberaler war. Darüber hinaus legte Graf Arnim in den Verhandlungen über das rheinische Kommunalwahlrecht Auffassungen an den Tag, die konservativ genannt werden müssen: Nur sechs (!) Prozent der Grundeigentümer (!) wären demnach wahlberechtigt gewesen496. Aufschlußreich ist auch, daß Arnim aus eigenem Antrieb für eine Gemeinde seines Regierungsbezirkes eine Klassifizierung der Wähler vornehmen ließ, um mittels dieses Musters die Durchführbarkeit seines Vorschlages einer Einteilung in drei Klassen zu beweisen. Indem der Boitzenburger sich aus eigenem Antrieb derart stark in der Wahlrechtsfrage engagierte, bewies er aktives Interesse an der Prägung des preußischen Konstitutionalismus in konservativem Sinne. Auch die Auseinandersetzung, die Graf Arnim in Aachen mit Justizminister Mühler über die Vorlage von Polizeiberichten hatte497, ist aufschlußreich für das Denken des Grafen: Er wandte sich energisch dagegen, daß in Berlin ein merkwürdiges Mißtrauen gegenüber leitenden Staatsbeamten herrschte. Auch in anderen Vorschlägen und Denkschriften, zum Beispiel während des Kölner Kirchenstreites498, zeigte sich Graf Arnim als Gegner 492

Vgl. Kap. I.1.d). Vgl. Kap. I.2.b). 494 Vgl. dazu Bußmann, Beitrag, S. 38. 495 Vgl. dazu und zum folgenden u. a. Brandt, Landständische Repräsentation, S. 56; Kraus, Gerlach, S. 151/52; Schieder, Problem der Revolution, S. 23/24; Schwentker, Konservative Vereine, S. 45. Zu den Ereignissen aus preußischer Sicht Hoffmann, Preußen und die Julimonarchie, passim. 496 Vgl. dazu Kap. I.3.c). 497 Vgl. dazu Kap. I.3.c). 498 Vgl. dazu Kap. I.3.c). 493

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I. Charakterprägung unter Friedrich Wilhelm III. (1803–1840)

von unzweckmäßigen Polizeimaßnahmen. Dabei scheute er den Konflikt nicht, wenn er die richtigere Auffassung zu vertreten glaubte. Graf Arnim war in dieser frühen Phase noch nicht im engeren Kreis der konservativen Partei zu finden. Er konnte sich auf Grund seiner Stellungen in der Provinz nicht zu den führenden staatskonservativen Kreisen in Berlin gesellen. Ihnen dürfte er aber als rasch aufsteigender Staatsbeamter am nächsten gestanden haben. Dagegen gab es mit den Kreisen der romantischen Konservativen (oder auch der pommerschen Pietisten) keinerlei Berührungspunkte. Insofern kann der junge Graf Arnim innerhalb der konservativen Partei der Restaurationszeit, die sich in den 1830er Jahren mit der Gründung des altkonservativen „Berliner politischen Wochenblattes“ und der staatskonservativen „Historisch-politischen Zeitschrift“ allmählich ausdifferenzierte499, eher im staatskonservativen Milieu verortet werden.

499

Vgl. dazu Koszyk, Presse, S. 63–65.

II. Der Revolution entgegen (1841–1847) Der Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. am 7. Juni 1840 wurde von der Hoffnung begleitet, daß besonders drei Maßnahmen erfolgen würden: erstens eine Korrektur der erfolglosen restaurativen Gesetzgebung, zweitens eine Erweiterung der bisher zu geringen politischen Entwicklungsmöglichkeiten und drittens eine Erweiterung des bisher durch die Kreditlosigkeit der Monarchie stark beschränkten staatlichen Entscheidungsspielraums1. Diese Hoffnungen waren darin begründet, daß der neue König als Gegner des bürokratischen Obrigkeitsstaates galt2. Zunächst schien es, als ob der neue König die Erwartungen zu erfüllen gedachte. Zumindest deuteten die Entscheidungen darauf hin, die er nach 1840 vornahm: Patrioten wie Arndt, Jahn und Boyen wurden rehabilitiert, die Brüder Grimm nach Berlin berufen und der Kirchenstreit beendet3. Allerdings wurde zugleich der Adel bei Standeserhöhungen, Ordensverleihungen und Beförderungen auch unter Friedrich Wilhelm IV. bevorzugt4. Außerdem mußte die Huldigungsfeier im Oktober 1840 in Königsberg für die Liberalen wie eine Brüskierung wirken5. Die Folge war die Veröffentlichung von zwei aufsehenerregenden Schriften: Johann Jacobys anonymen „Vier Fragen“6 sowie Theodor v. Schöns kurzer Schrift „Woher und wohin?“7. In den ersten beiden Jahren seiner Herrschaft bildete Friedrich Wilhelm IV. sein Ministerium nach und nach um: Der liberale Hermann v. Boyen wurde im März 1841 zurück ins Kriegsministerium berufen8, der bekannte 1 Vgl. u. a. Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 199–202; Heinrich, Geschichte Preußens, S. 345–347; Obenaus, Anfänge, S. 521; Schieder: Vom Deutschen Bund, S. 71/72; Siemann, Staatenbund, S. 359–362. 2 Vgl. Botzenhart, Reform, S. 143; siehe zu Friedrich Wilhelms IV. Denken außerdem Seld, Vertrauliche Mitteilungen, S. 3–37. 3 Vgl. Prutz, Zehn Jahre I, S. 194–221. 4 Vgl. Heinrich, Geschichte Preußens, S. 353. 5 Vgl. dazu u. a. Streckfuß, Geschichte, S. 872–877. 6 Jacoby, Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen. Dabei war die Anlehnung an die berühmte Schrift Sieyès „Quesque le thiers etat?“ unverkennbar, in der drei Fragen gestellt wurden. Durch diese Fragen in der Schrift Jacobys „wurde eine neue politische Ära geschaffen, sie zogen die große Masse des Volks in den Verfassungskampf hinein,“ urteilte Streckfuß, Geschichte, S. 883; vgl. auch Keinemann, Preußen, S. 12. 7 Vgl. dazu Rothfels, Theodor v. Schön, S. 1937, passim.

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II. Der Revolution entgegen (1841–1847)

Jurist Karl Friedrich v. Savigny ins Justizministerium9. Außerdem erhielt der konservative Johann Albrecht Friedrich Eichhorn 1840 das Kultusministerium10, und der ebenfalls konservative Ludwig Gustav v. Thile wurde 1841 Kabinetts- und Schatzminister11. Außerdem erkannte Carl v. Voß bereits im April 1841 die „Wichtigkeit“ der Oberpräsidenten Arnim und Ernst v. Bodelschwingh, „weil der König auf die Idee kömmen könnte, im Falle der Not einen von beiden zum Minister zu machen.“12 Insgesamt schlug der König in seiner Personalpolitik einen konservativen Kurs ein: Friedrich Julius Stahl, der neben Hegel den größten Einfluß auf die Staatslehre des preußischen Beamtentums gewann13, und Friedrich Wilhelm Schelling wur8 Hermann v. Boyen (1771–1848), der in Königsberg bei Kant gehört hatte, entwickelte seit 1795 Gedanken einer grundlegenden Militärreform. 1808 wurde er deshalb in die Militärreorganisationskommission nach Berlin berufen, 1814 wurde er Kriegsminister. Nach Differenzen mit seinen konservativen Kabinettskollegen über die Rolle der Landwehr quittierte er 1819 den Dienst. Als Friedrich Wilhelm IV. den 69jährigen zurückholte, waren seine Anschauungen veraltet, was zu Konflikten mit dem Kronprinzen führte; trotzdem nahm er erst 1847 seinen Abschied (unter Beförderung zum Generalfeldmarschall). 9 1844 wurde Karl Albrecht Alexander v. Uhden zum zweiten Justizminister ernannt, damit sich Savigny ganz auf die Reform der preußischen Gesetzgebung konzentrieren konnte. 10 Friedrich Eichhorn (1779–1856) war ein in Wertheim gebürtiger Beamtensohn, der 1810 in den preußischen Justizdienst eintrat und sich danach in verschiedenen Behörden hochdiente. Ab 1831 war er Direktor im Außenministerium und führte vor allem die politischen Verhandlungen über die Bildung des Zollvereins. Eichhorn wurde wegen seines Eintretens für die kirchliche Orthodoxie vielfach angefeindet, u. a. in der Schrift des Berliner Geschichtsprofessors Adolf Schmidt „Geschichte der Denk- und Glaubensfreiheit im ersten Jahrhundert der Kaiserherrschaft und des Christentums“; vgl. Pierson, Preußische Geschichte II, S. 227. Trotzdem trat Eichhorn erst im März 1848 zurück. 11 Ludwig Gustav v. Thile (1781–1852) war Sohn eines preußischen Generals und schlug ebenfalls die militärische Laufbahn ein. 1812 wurde er vortragender Adjutant König Friedrich Wilhelms III. und stieg dann bis 1830 zum Kommandeur der 6. Infanteriedivision auf. 1838 wurde er Mitglied des Staatsrates. Friedrich Wilhelm IV. holte Thile 1841 nicht nur ins Kabinett, sondern legte großen Wert auf dessen antikonstitutionelle Meinung. Am 31.03.1848 nahm Thile seinen Abschied und zog sich ins Privatleben zurück; vgl. ADB 38. 12 Carl v. Voß am 02.04.1841 an Leopold v. Gerlach. In: Schoeps, Neue Quellen, S. 275. 13 Friedrich Julius Stahl (1802–1861) war der Sohn des jüdischen Würzburger Kaufmanns Golson, trat aber 1819 zum Protestantismus über und änderte dabei seinen Namen. Obwohl er als Burschenschafter für zwei Jahre relegiert wurde, konnte er sich 1927 habilitieren und wurde 1832 Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen. Ab 1830 veröffentlichte er die erste Auflage seines Hauptwerkes, die „Philosophie des Rechts nach geschichtlicher Ansicht“. Darin überwand er die privatrechtliche Staatslehre Hallers, die bis 1840 den preußischen Konservativismus bestimmt hatte, und bekämpfte außerdem den bürokratischen Absolutismus. 1840 berief ihn Friedrich Wilhelm IV. deshalb als Dozenten für Staats- und Kirchenrecht nach Berlin.

1. Oberpräsident in Posen (1841/42)

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den an die Berliner Universität berufen, der ehemalige kurhessische Minister Hassenpflug an das Obertribunalgericht, und Leopold v. Gerlach ins Militärkabinett des Königs14. Auch Graf Arnim erhielt im Zuge der Umbesetzungen seine erwartete Beförderung: 1841 wurde er Oberpräsident der Provinz „Großherzogtum Posen“ und bereits ein Jahr später Innenminister. Insofern war auch er einer der neu berufenen Männer, die dabei helfen sollten, der Schere zwischen der wirtschaftlichen und der verfassungspolitischen Entwicklung entgegenzuwirken15. Der erfolgreiche Verwaltungsbeamte mußte nun auch politische Konzeptionen zu erarbeiten, da er eine Stellung erreicht hatte, in der administratives Handwerkszeug allein nicht mehr ausreichte. 1. Oberpräsident in Posen (1841/42) Am 30. Dezember 1840 wurde Graf Adolf v. Arnim zum Oberpräsidenten von Posen ernannt16. Auf Grund dieser Beförderung, die sich seit 1837 abgezeichnet hatte, trat er aus dem eigentlichen Verwaltungsdienst hinaus, denn die preußischen Oberpräsidenten17, die seit 1815 an der Spitze der Provinzen standen18, waren (zumindest vor 1848) Kontroll- und Mittlerinstanz zwischen dem Staatsministerium und den Regierungen. Daß Graf Arnim gerade nach Posen versetzt wurde, war kein Zufall. Vielmehr wollte der König einen besonders qualifizierten Mann in ein 1845 definierte er das „Monarchische Prinzip“, das er als Parlamentarier von 1849 bis zu seinem Tode im preußischen Landtag als Führer der Altkonservativen verteidigte. 14 Vgl. dazu Varnhagen, Tagebücher I, S. 384. Leopold v. Gerlach (1790–1861) nahm an den Befreiungskriegen teil und wurde 1824 Adjutant des späteren Kaisers Wilhelm I. Außerdem knüpfte er enge Beziehungen zum späteren König Friedrich Wilhelm IV., der ihn ab 1840 in seine Nähe zog und 1849 zum Generaladjutanten ernannte. Dieser Stellung verdankte Gerlach seine Beförderungen bis zum General der Infanterie (1859). Wie sein Bruder Ernst Ludwig (1795–1877) nahm Gerlach als Vertrauter des Königs und führender Altkonservativer (besonders ab 1848) großen Einfluß auf die preußische Politik. 15 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, passim; Obenaus, Anfänge, S. 522. 16 Nachlaß Nr. 3897, Bl. 1. 17 Vgl. zu dem Amt Hartung, Oberpräsident, passim; Kube, Entwicklung, passim; Ratje, Amt, passim; Unruh, Oberpräsident, passim. Laut Schütz stellten die Oberpräsidenten eine echte Funktionselite dar, weil sie sich in der Regel in der Verwaltung hochdienten; vgl. Schütz, Oberpräsidenten, S. 58–66. Allerdings war das Amt auch von Anfang an eine Domäne des Adels: Von den 45 Oberpräsidenten zwischen 1815 und 1866 waren 31 Adelige, und auch von den 14 Bürgerlichen wurden nicht weniger als zwölf nobilitiert; vgl. ebd., S. 34–43. 18 „Verordnung über die verbesserte Einrichtung der Provinzialbehörden“ vom 30.04.1815. In: GS 1815, S. 85–98; vgl. dazu Hubatsch, Regierungspräsident, S. 32; Schütz, Preußen, S. 29/30; Unruh, Oberpräsident, S. 23–26.

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„Krisengebiet“ entsenden: Nachdem das „Großherzogtum Posen“ 1815 als Provinz in das Königreich integriert worden war19, hatte dort zunächst ein Geist der Versöhnung geherrscht, der daran deutlich wurde, daß Fürst Anton Heinrich Radziwill (1775–1833) als „Statthalter“ des Königs in Posen (neben dem Oberpräsidenten) residierte20. Diese Versöhnungspolitik hatte sich auf Grund des polnischen Aufstandes von 1830 grundlegend geändert: Der Statthalterposten wurde nach dem Tode des ersten (und einzigen) Statthalters nicht wieder besetzt, und der seit 1830 amtierende Oberpräsident Eduard Flottwell21 schlug eine wesentlich härtere Gangart ein22, um eine Wiederholung des Aufstandes unmöglich zu machen und Posen langfristig zu germanisieren23. Zu diesem Zweck wurden die deutsche Sprache in Verwaltung und Justiz bevorzugt, die Position der Posener Adeligen durch besondere Provinzialgesetze geschwächt und die Besiedelung polnischer Güter mit Deutschen projektiert24. Verschärft wurden die Spannungen zwischen Deutschen und Polen durch die Verhaftung des Posener Erzbischofs Dunin im Jahre 1839, als dieser sich im erwähnten Mischehenstreit mit dem verhafteten Kölner Erzbischof solidarisierte25. Besonders die höheren Kreise begegneten einander in Posen deswegen in offener Feindseligkeit. Da es der feste Wille des neuen Königs Friedrich Wilhelm IV. war, neben dem Konflikt im Rheinland auch den in Posen zu beenden, ermöglichte er dem Posener Erzbischof Dunin die Rückkehr in sein Amt26. In der Erwartung, dadurch sei ein grundsätzlicher Kurswechsel der preußischen Poli19

Vgl. dazu Laubert, Polenpolitik, S. 15–41. Vgl. ebd., S. 42–59. 21 Eduard (von) Flottwell (1786–1865) war ein Schüler von Kant und Kraus. Er trat zunächst 1805 in den Justizdienst ein, wechselte aber auf Anraten Heinrich Theodor v. Schöns zur Verwaltung über und folgte diesem 1816 nach Danzig. 1825 wurde Flottwell Regierungspräsident in Marienwerder. Nachdem er von 1830 bis 1840 Oberpräsident von Posen gewesen war, wechselte er 1840 nach Magdeburg. 1844–1846 war er Finanzminister, ab 1846 erneut Oberpräsident, zunächst ab 1846 in Westfalen, ab 1849 in der Provinz Preußen und ab 1850 in Brandenburg. 1858/59 war er zu Beginn der „Neuen Ära“ kurzzeitig Finanzminister, danach 1859–1862 erneut Oberpräsident von Brandenburg. 1862 trat er in Ruhestand; vgl. Laubert, Eduard Flottwell, passim. 22 Vgl. zu Flottwells Politik Laubert, Flottwell, passim; Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 431–34. 23 Dies erklärte er auch nach seiner Versetzung offenherzig dem König; vgl. Flottwells Denkschrift vom 15.03.1841. In: Laubert, Flottwell, S. 107–125. 24 Vgl. Laubert, Flottwell, passim; dort auch die Quellenbelege. 25 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 246–250; Laubert, Flottwell, S. 75– 78; Treitschke, Deutsche Geschichte IV, S. 693–695; siehe zum „Mischehenstreit“ Kap. I.3.c). 26 Vgl. Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 200; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 257; Laubert, Polenpolitik, S. 73; Meinecke, Weltbürgertum, S. 213; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 37. 20

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tik eingeleitet worden, drängten die Polen (und insbesondere Graf Eduard Raczynski) daraufhin auf die Abberufung des verhaßten Oberpräsidenten Eduard Flottwell27. In einem Kronrat wurde am 23. Dezember 1840 entschieden, auf die polnischen Forderungen zwar nicht zu antworten, jedoch den Beschwerden abzuhelfen, so daß sie auf dem nächsten Landtag im Jahre 1841 keinen Grund mehr hätten, diese zu erneuern28. Daraus resultierten die Versetzung Flottwells am 31. Dezember 1840 als Oberpräsident nach Sachsen und die Ernennung des Grafen Arnim zum neuen Oberpräsidenten von Posen. Flankiert wurde diese Maßnahme durch zwei Kabinettsordres vom 15. Januar 1841, durch welche in Berlin und Breslau zur Förderung der polnischen Sprache Lehrstühle für slawische Sprachen und Literatur eingerichtet und die Flottwellsche Diskriminierung der polnischen Sprache beendet wurden29. Graf Arnims vordringlichste Aufgabe war es, im Zuge dieses Kurswechsel hin zu einer polenfreundlicheren Politik für eine Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen zu sorgen: Der König drückte die Hoffnung aus, „daß es Ihnen gelingen werde, auch die schwierigen Verhältnisse im Großherzogtum Posen in eine den wohlverstandenen Interessen der Bevölkerung wie den allgemeinen Interessen des Staates entsprechende Bahn zu leiten.“30. Arnim schien vor allem durch seine Beziehungen zu polnischen Adeligen, die er in seiner Göttinger Universitätszeit geknüpft hatte, am besten dazu geeignet zu sein, Deutsche und Polen in Posen wieder miteinander ins Gespräch zu bringen31. Außerdem qualifizierten ihn sein weltmännisches Auftreten und nicht zuletzt seine liebenswürdige Gattin32 zu dieser verantwortungsvollen Aufgabe. 27 Raczynski sprach nicht nur den König bei den Krönungsfeierlichkeiten in Königsberg an, sondern brachte auch eine Adresse an den König in Umlauf, die er dem König am 27. November 1840 überreichte; vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 46/47 und S. 58. Zuvor hatten sich Flottwell und Grolman, der Kommandierende General in Posen, für die Fortsetzung der Germanisierungspolitik ausgesprochen; vgl. ebd., S. 58. 28 Vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 58/59. 29 Vgl. dazu Laubert, Flottwell, S. 77–80; Laubert, Polenpolitik, S. 86. 30 „Ich habe Sie zu einem größeren Wirkungskreise in dem besonderen Vertrauen befördert, daß Sie auch in diesem Ihre Umsicht und Fähigkeiten für das Wohl und den Nutzen Meines Dienstes recht kräftig bemühen werden und daß es Ihnen gelingen werde, auch die schwierigen Verhältnisse im Großherzogtum Posen in eine den wohlverstandenen Interessen der Bevölkerung wie den allgemeinen Interessen des Staates entsprechende Bahn zu leiten.“ hieß es in der Kabinettsorde vom 30.12. 1830. In: Nachlaß Nr. 3897, Bl. 2; Vgl. dazu auch Prutz, Zehn Jahre I, S. 347. 31 Laubert, Flottwell, S. 79; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 37. Außerdem hatte er bereits im Rheinland die Parteien miteinander versöhnen können; vgl. Kap I.3. 32 Vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 145.

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II. Der Revolution entgegen (1841–1847)

Diese Aufgabe des neuen Oberpräsidenten wurde allerdings durch seinen Amtsvorgänger erschwert. In einer Denkschrift, in der er Rechenschaft über seine zehnjährige Amtszeit ablegte33, verdeutlichte Eduard Flottwell am 15. März 1841 erneut seine kompromißlose Politik, deren vordringliche Aufgabe es gewesen sei, das polnische Wesen zurückzudrängen, „damit endlich die gänzliche Vereinigung beider Nationalitäten, als der Schluß dieser Aufgabe, durch das entschiedene Hervortreten deutscher Kultur erlangt werden möge.“34 Als diese Denkschrift an die Öffentlichkeit gelangte35, gingen die Wogen erneut hoch36, zumal der König, was typisch für seine sprunghafte und inkonsequente Regierungsweise war, Flottwell öffentlich wärmstens lobte und ihm sogar einen Orden verlieh37, obwohl er bereits den Grafen Arnim beauftragt hatte, Flottwells Politik gründlich zu verändern. Friedrich Wilhelm IV. hatte den Grafen Arnim gebeten, die Funktion des Landtagskommissars der Provinz Sachsen auszuüben38, so daß Flottwell sein Amt bis zur Entlassung des Posener Provinziallandtages bekleidete39. Nach der Schließung der Landtage im Mai 1841 reiste Graf Arnim nach Posen und nahm seine Amtsgeschäfte zum 1. Juni auf40, nachdem er sich erneut gründlich auf seine Aufgabe vorbereitet hatte41. Um zwischen den Bevölkerungsgruppen vermitteln zu können42, hielt er ein großes Haus43. Außerdem veranstaltete er mehrere Bälle und Feste44. Auf Grund dieses repräsentativen Lebensstils nannte man den Boitzenburger auch den „Soi33

Abgedruckt in: Laubert, Flottwell, S. 107–125; ein Exemplar auch in: Nachlaß Nr. 3903, Bll. 1–9. 34 Laubert, Flottwell, S. 107/08. Hierbei hatte Flottwell bereits eine seiner Meinung nach abgeschwächte Form seiner Auffassung vertreten. Ursprünglich hatte er es als seine Aufgabe bezeichnet, „die dem polnischen Volks-Stamm angehörigen Bewohner des Landes so viel als möglich ihren deutschen Mitbürgern zu assimilieren.“ (Ebd., S. 107) Flottwell rechtfertigte anschließend die einzelnen antipolnischen Maßnahmen und machte damit deutlich, daß er seine polenfeindliche Politik nicht nur im Auftrage König Friedrich Wilhelms III., sondern auch aus eigener Überzeugung geführt hatte. 35 Vgl. Varnhagen, Tagebücher I, S. 308. 36 Dies erwähnt Arnim in seiner Denkschrift vom 14.08.1841. In: Nachlaß Nr. 3902, Bl. 6 sowie in seinem Bericht an Innenminister Rochow am 12.10.1841, in Auszügen abgedruckt in: Laubert, Posener Oberpräsident, S. 297–301. 37 Vgl. Prutz, Zehn Jahre I, S. 347; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 145. 38 Vgl. GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 523f Nr. 27 Bll. 151–54; siehe dazu Holtz, Ständepolitik, S. 114–17. 39 Vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 141–44. 40 Nachlaß Nr. 3779, Bl. 23. 41 Vgl. dazu Nachlaß Nr. 3899. 42 Vgl. Laubert, Oberpräsident, passim. 43 Vgl. Nachlaß Nr. 3779, Bl. 23. 44 Vgl. ebd.

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reen-Oberpräsidenten“45. Arnims Auftreten wurde wohlwollend registriert: „Seine gemessene Ruhe behagte vielen mehr als das ungestüme Wesen Flottwells“46. Am 19. Juni erhielt Arnim detaillierte Instruktionen für seine Amtsführung47. Daraufhin verfaßte er, nach einer gründlichen Revision der Verhältnisse, eine umfangreiche Denkschrift, die er dem König am 30. Juni 1841 vorlegte48. Darin betonte er eingangs, daß Posen (anders als etwa das preußische Fürstentum Neuenburg oder das habsburgische Königreich Ungarn) „eine Provinz des preußischen Staats, in politischer Beziehung gleich den anderen sieben“ sei. Er trat dabei vor allem der „bei vielen im Grunde des Gemüths vorhandenen Neigung für solche politische Absonderung“ entgegen49. Damit verwarf Arnim einerseits die (von Nationalpolen vertretene) Auffassung, das Großherzogtum Posen sei ein besonderer Teil der Monarchie, und lehnte andererseits Ausnahmegesetze für die Provinz Posen ab, wie sie die deutschen Nationalisten befürworteten. Vielmehr sollte Posen gemäß dem Besitznahmepatent Friedrich Wilhelms III. vom 15. Mai 1815 wie die übrigen Provinzen verwaltet werden. Dem Rechtsempfinden des Grafen Arnim widerstrebte auch hier jede Form unrechtmäßigen Handelns seitens der Verwaltung50. Damit stand er (wie auch seine Vorfahren) ganz im Zeichen der friderizianischen Verwaltungstradition. Der Germanisierungspolitik Flottwells setzte Graf Arnim entgegen: „Es soll also Seitens der Regierung kein Nachtheil an das Festhalten und Beken45 Laubert, Polenpolitik, S. 74; siehe auch Laubert, Verdächtigung, S. 205; ders., Flottwell, S. 72; ders., Oberpräsident, S. 297. 46 Oberlandesgerichtspräsident v. Franckenberg-Ludwigsdorf am 27.08.1841 an Ludwig Gustav v. Thile; nach Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 145. 47 Vgl. Nachlaß Nr. 3906, Bll. 5–11; Anschreiben ebd., Bl. 2. 48 Abgedruckt in: Laubert, Verwaltung, Anhang E, S. 32–40 (Anhang gesondert paginiert); Manuskript in: Nachlaß Nr. 3905, Bll. 2–12; vgl. dazu Laubert, Polenpolitik, S. 75/76; Feldman, S. 67–69; dt. Übersetzung, S. 58/59; eine verzerrte Inhaltsangabe auch in: Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 146. Die Denkschrift erscheint zwar aus heutiger Sicht in einigen Passagen recht deutschnational, doch ist zu bedenken, daß 1841 bestimmte Vokabeln noch unbedarfter verwendet wurden als nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus. Die gemäßigtere Grundhaltung Arnims ergibt sich durch den Kontrast zu der Anschauung des liberalen Flottwell. 49 Laubert, Verwaltung, Anhang E, S. 32. Diese Ansicht hatte auch der König vertreten; vgl. die Abschrift der KO vom 12.06.1841 an das Staatsministerium. In: Nachlaß Nr. 3906, Bll. 3 + 4. 50 Später formulierte Arnim noch deutlicher, daß „selbstredend alle Mittel, welche dem inneren Rechtsgefühl und der Moralität widerstreiten, einer preußischen Verwaltung unwürdig“ seien und demzufolge auch „jeder Zwang, jedes gewaltsame Verdrängen des polnischen und Eindrängen des deutschen Elementes“ (Ebd., S. 37). Diese Zurückhaltung forderte Arnim in einem abschließenden kurzen Abschnitt IV auch für den kirchlichen Bereich; vgl. ebd., S. 39/40.

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nen der polnischen Sitte und Sprache geknüpft und kein Zwang angewendet werden dürfen, um die Polen zu deren Ablegung und zur Zunahme der deutschen Sitte und Sprache zu vermögen. Vielmehr soll der Zustand des nationellen Lebens des polnischen Stammes in dem Großherzogtum Posen neben dem deutschen, wie er bei der Besitzname vorgefunden, eine naturgemäße, keine gezwungene, noch unnatürliche Entwicklung erfahren.“51 Auf der anderen Seite gab Graf Arnim zu bedenken, daß die Förderung der polnischen Nationalität „die Sicherheit und die allgemeinen Interessen des preußischen Staates“ nicht gefährden dürfe52. Auf Grund der Bestrebungen, Posen in einen polnischen Staat zu überführen, müsse die Regierung die „Verbreitung des deutschen Elements in der Provinz“ unterstützen, und die Verwaltung „ein Durchdringen der Bevölkerung namentlich der leitenden gebildeten Klassen mit deutschem Sinne und deutscher Bildung“ fördern53. Graf Arnim hielt in diesem Zusammenhang einen weiteren „Kampf“ zwischen Deutschen und Polen in Posen für „unvermeidlich“54; auch „ohne allen Zwang Seitens der preußischen Verwaltung“ werde sich „das deutsche Element“ auf lange Sicht durchsetzen. Allerdings seien staatliche Eingriffe geradezu kontraproduktiv, denn: „Nur Fehler der Verwaltung oder politische Stürme könnten diesen Fortschritt hemmen. Solche Fehler wären Zwang, Härte, Ungerechtigkeit gegen die Polen.“55 Als Handlungsmaxime schlug Graf Arnim vor, „die vorhandene polnische Nationalität mit der dem Gange der geschichtlichen Begebenheiten, dem gegebenen Zustande und dem Unglücke gebührenden Achtung, so lange sie und wo sie besteht, zu schonen, und auf sie bei allen Schritten der Administration wahrhaft wohlwollende und milde Rücksicht zu nehmen, daneben aber das in der Natur der Dinge, im wohlverstandenen Interesse der Provinz und in der Nothwendigkeit für die innere Sicherheit und Ruhe des Staats liegende Eindringen deutscher Cultur und deutscher Gesinnung überall zu unterstützen und als endliches Ziel zu fördern.“56 Ihm schwebte dabei eine 51

Ebd., S. 33. Diese Grundannahme bestimmt den Abschnitt II der Denkschrift (Ebd., S. 33–37). 52 Ebd. Der gesamte zitierte Passus wurde von Arnim hervorgehoben. 53 Ebd., S. 34. Dort auch die folgenden Zitate. 54 Feldman, S. 68 (58) stellte wegen dieser Aussage Arnims Handeln in eine Kontinuitätslinie mit Flottwells. Diese Ansicht ist durch eine (vom Nationalitätenkampf des 20. Jahrhunderts überlagerte) einseitige Betrachtungsweise getrübt. Ebenso überzogen ist Treitschkes Urteil, der die Stellungnahme des Grafen abfällig als „diese sanften Worte“ charakterisierte [Deutsche Geschichte V, S. 146]. 55 Ebd., S. 35. 56 Ebd., S. 36. Arnim fügte hinzu: „Also nur durch in sich edle Mittel unterstütze und fördere die Verwaltung ohne Zwang und Uebereilung das natürliche siegreiche Vordringen der preußischen und somit der deutschen Elemente in die polnische Nationalität.“ (Ebd., S. 37.)

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Entwicklung vor Augen, wie sie bereits in Schlesien und in Ostpreußen im Laufe der Jahrhunderte stattgefunden hatte57. Schließlich befürwortete Arnim die Förderung der deutschen Sprache in Posen58. Er schlug dazu vor, polnischsprachige Schüler in der deutschen Sprache zu unterrichten59, also die Bilingualität zu fördern. Auch wenn er mit Flottwell darin übereinstimmte, daß das deutsche Element in Posen gefördert werden müsse, unterschied sich Graf Arnim besonders an dieser Stelle von seinem Vorgänger. Statt rigoroser Unterdrückung forderte er einen geradezu modern anmutenden Fremdsprachenunterricht und einen Verzicht auf jede Form des Zwanges60. Der König reagierte auf Arnims Denkschrift am 21. Juli 1841 mit einer Kabinettsordre, in der er den Grafen in seinen Auffassungen bestärkte, indem er empfahl, daß „in allem, was geschieht, um den polnischen Unterthanen der Provinz deutsche Sprache, Bildung und Wissenschaft nahe zu bringen, jede Weise eines Aufdringens derselben, und bei allem, was zur Kräftigung der deutschen Elemente in der Provinz dienen soll, jeder Anschein einer versuchten Verdrängung oder Beeinträchtigung des polnischen Elements durch das deutsche vermieden werde“61. Auch Innenminister Rochow erklärte sich daraufhin mit Arnims Absichten einverstanden und übernahm dessen Ideen in einem Regulativ62. Damit war Arnims Abkehr von Flottwells Kurs der Germanisierung gebilligt worden. Nach dreimonatiger Amtszeit legte Arnim dem König eine weitere Denkschrift vor, in der er eine erste Zwischenbilanz zog63. Darin stellte er fest, 57 Darauf wies Arnim an zwei Stellen seiner Denkschrift explizit hin; vgl. ebd., S. 36 und 37. 58 Vgl. Abschnitt III der Denkschrift, S. 37–39. 59 Ebd., S. 39. 60 Der Deutschunterricht in Posen sollte nicht so erfolgen wie der Russischunterricht in der DDR. Hellsichtig formulierte Arnim: „Auch hier (im Sprachunterricht, WN) aber dürfte Zwang das verkehrte Mittel sein.“ (Ebd.). 61 Nachlaß Nr. 3905, Bl. 1 + 1r; teilweise zitiert in: Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 146. Außerdem befürwortete der König ein ähnliches Vorgehen wie im Elsaß. 62 Vgl. Rochows Schreiben vom 28.06.1841 an Arnim ebd., Bl. 14; zugleich gab er Arnim das ihm vorgelegte Exemplar der Denkschrift mit Anmerkungen zurück; vgl. ebd., Bll. 15–21; Regulativ ebd., Bl. 22. 63 Immediatbericht Arnims vom 14.08.1841. In: Nachlaß Nr. 3902, Bll. 2–6; dort auch die folgenden Zitate; ein Exemplar auch in: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 379 Nr. 5 Bd. 2, Bl 233. Treitschke [Deutsche Geschichte V, S. 146] zitiert nur einige bruchstückhafte, zusammengezogene Auszüge, die ihm ins Konzept passen, aber nicht Arnims Intention entsprechen. Angeblich, so fährt Treitschke [Ebd., S. 147] fort, habe Arnim danach aber eher nach der Devise Friedrichs des Großen zu handeln versucht, man dürfe den Polen keine Komplimente machen, das verderbe sie nur.

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daß er (außerhalb der Saison) bisher nur wenige polnische Gutsbesitzer getroffen habe, diese ihm aber „freundlich und, wie es scheint, mit Vertrauen entgegengekommen“ seien64. Dabei habe er auch unter den Adeligen, die aus Kongreßpolen nach Paris ins Exil gegangen waren und sich nun mit Erlaubnis des Königs in Posen aufhielten, „einige ruhig denkende und verständige Personen gefunden“, die mäßigend auf ihre Landsleute einwirken könnten. Ihnen solle man es „nicht versagen“, sich „hier mit Grundbesitz ansässig zu machen“. Dabei könne mann durch deren „verwandtschaftliche Beziehungen zu den ersten Familien des Großherzogthums auch wiederum diese Euer Königlichen Majestät dankbar verpflichten.“ Natürlich seien dabei Erkundigungen über ihr Verhalten im Pariser Exil einzuholen. Anschließend stellte Arnim jedoch auch fest, daß es in Posen noch große Schwierigkeiten zu bewältigen gebe. Dies läge auch an „einer entschieden republikanischen Parthei, theils unter dem Adel, theils im Bürgerstande“, die besonders auf „die müßige Jugend“ Einfluß habe. Vor allem übertreffe die „Schroffheit“ zwischen Polen und Deutschen seine Erwartungen. Dies sei aber auf Grund der 50jährigen Fehlentwicklung verständlich65. Insbesondere ergäben sich Schwierigkeiten daraus, „daß das Umlenken aus einer seit mehr als zehn Jahren mit einer großen verfolgten Bahn doch so bewirkt werden“ solle, daß „das viele Gute, was während dieser Zeit auf ihr erbaut ist, nicht umgeworfen und zerstörte werde.“ Man müsse sich vor allem bewußt sein, „daß die Umkehr sehr spät erfolgt“ sei66. Schließlich sprach Arnim die Befürchtung aus, daß in Kürze beim Erscheinen des Landtagsabschiedes eine neue „Krisis“ entstehen könne, weshalb er darum bat, den Wünschen und Hoffnungen der Polen entgegenzukommen. Der König antwortete auf Arnims Denkschrift in sehr gnädigem Tone und erklärte sich mit den Ansichten des Oberpräsidenten „völlig einverstanden“67. Außerdem forderte er einen weiteren Bericht über die Wirkung des bereits publizierten Landtagsabschiedes an. Postwendend antwortete Arnim, obwohl der Landtagsabschied, der ihm bereits vorlag, in Posen noch nicht 64

Arnim wandte sich naturgemäß an den Adel. Er erwähnte jedoch ausdrücklich, er habe auch im „wenig zahlreichen polnischen Bürgerstande“ einige erfreuliche Bekanntschaften gemacht; vgl. ebd., Bll. 3r + 4. 65 Arnim sprach nur von einer „Entwicklung“ [Ebd.]. Man wird ihm jedoch nicht unrecht tun, wenn man aus seinen Worten herausliest, daß er diese für eine „Fehlentwicklung“ hielt. 66 Das „sehr“ wurde von Arnim unterstrichen und somit hervorgehoben. Es folgt der von Treitschke [a. a. O.] teilweise zitierte Ausruf: „Gott gebe, daß es nicht zu spät dazu ist. Gleichwohl muß man die Hoffnung nicht aufgeben, das gesunkene Volk aufzurichten.“ (A. a. O., Bl. 5r.) Auch das „zu“ wurde von Arnim hervorgehoben. 67 Vgl. das Schreiben vom 27.08.1841 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3902, Bl. 1; auch in: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 379 Nr. 5 Bd. 2, Bl. 234.

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publiziert worden war68: Nach einigen verbindlichen Worten bedauerte Arnim dessen Inhaltslosigkeit, da es in Posen ein reges Verlangen „nach der thatsächlichen Verwirklichung der Verheißungen und Hoffnungen“ gebe. Diesbezüglich schlug er erneut eine größere Berücksichtigung der Sprache in den höheren Schulen vor und außerdem die Errichtung zweier neuer Schulen. Außerdem befürwortete er die baldige Ausführung zweier (bereits genehmigter) Chausseebauten, die Posen mit Breslau bzw. Bromberg verbinden sollten. Am 12. Oktober 1841 faßte Graf Arnim erneut seine Erfahrungen in Posen zusammen69. Obwohl er den Landtagsabschied nicht erwähnte, wird darin deutlich, daß durch diesen die Stimmung in Posen verschlechtert worden war70: Hatte er zuvor von freundlichem Entgegenkommen berichtet, so schrieb er nun, die Bevölkerung verharre in einer „Position des Wartens“, so daß es vor allem darauf ankomme, „die Wunden zu heilen“. Außerdem bewertete Arnim es als Erfolg, daß der polnische Adel und Klerus dem König und auch ihm, dem Oberpräsidenten, persönlich Wohlwollen entgegenbrächten, während die Stimmung zwischen Deutschen und Polen insgesamt immer noch feindselig sei. Auch der Konflikt des preußischen Staates mit der katholischen Kirche, den er in seiner Junidenkschrift mit nur wenigen Worten erwähnt hatte, war nach Arnims Auffassung mit der Rehabilitierung des Posener Erzbischofs Dunin noch nicht beendet: Der polnische Klerus habe vielmehr einen „Feldzug“ eröffnet, „um sich in den Besitz der Leitung des Unterrichts zu setzen.“ Er habe dem Erzbischof deshalb deutlich gemacht, daß er keine Einflußnahme seitens der Kirche „über das Gebiet der religiösen Bildung der Schüler hinaus“ dulden werde. Anschließend warnte Graf Arnim, und dies dürfte der eigentliche Anlaß seines Schreibens an Rochow gewesen sein, nachdrücklich davor, Beamte nach Posen zu berufen, die Antipathien gegen den Adel hegten. Damit wandte sich der Boitzenburger nicht in erster Linie als konservativer Adeliger gegen die Zuteilung liberal denkender Beamter in seinen Amtsbereich. Vielmehr sah er durch eine ungeschickte Personalpolitik sein Versöhnungswerk gefährdet. In diesem Sinne gab er dem Innenminister zu bedenken: „Der polnische Adel beklagt sich z. T. noch mehr über die antiaristokratischen als über die antipolnischen Tendenzen der früheren Verwaltung.“ Gerade die letzte Passage verdeutlicht, daß Graf Arnim alles andere als deutschnational dachte. Vielmehr war für ihn die Solidarität mit den 68 Immediatbericht vom 03.09.1841 ebd., Bll. 7–11. Darin erwähnte Arnim auch erste Begegnungen mit dem Posener Erzbischof Dunin, die sehr „freundschaftlich und gegenseitig zuvorkommend“ gewesen seien. 69 Bericht an Innenminister Rochow vom 12.10.1841, in Auszügen abgedruckt in: Laubert, Posener Oberpräsident, S. 297–301. Dort die folgenden Zitate. 70 Vgl. dazu auch Prutz, Zehn Jahre I, S. 485.

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(polnischen) Standesgenossen ein wesentliches Korrektiv71. Diese Haltung trug ihm mancherlei Verdächtigungen ein. Am 29. November 1841 beschuldigte Graf Benckendorf, der Chef der russischen Geheimpolizei 72, den Oberpräsidenten Adolf v. Arnim-Boitzenburg in einer Note an Innenminister Rochow der Parteinahme zugunsten der Polen: Dieser habe erstens die Errichtung eines Denkmals für einen polnischen Revolutionär geduldet und begünstige zweitens polnische Emigranten73. Diese Anschuldigungen waren aus der Luft gegriffen. Der Vorwurf, Arnim habe eine Denkmalserrichtung geduldet, stellte sich rasch als unzuverlässiges Gerücht heraus74: Tatsächlich sollte ein Denkmal für den 1818 verstorbenen General Heinrich v. Dabrowski errichtet werden75; diesbezüglich wurde von einem Polen in einem Gespräch geäußert, man solle lieber für den Schriftsteller Niemcewicz76 ein Denkmal errichten. Im weiteren Verlauf des Notenwechsels wurde der Vorwurf darum auch fallengelassen. 71 In diesem Zusammenhang ist auffällig, daß der Graf dem Klerus gegenüber weitaus weniger Verständnis entgegenbrachte als dem Adel, indem er ihn der Eröffnung eines „Feldzuges“ bezichtigte. Einmal mehr wird hier deutlich, daß Graf Arnims grundsätzlich laizistisch dachte, denn sein Bestreben war es auch hier, den Vorrang des Staates gegenüber kirchlichen Initiativen zu wahren. 72 Alexander Graf v. Benckendorff (1783–1844) nahm als Gardeoffizier an den Kriegen gegen Napoleon teil. 1815 wurde er General der Kavallerie und Adjutant des Großfürsten Nikolaus, des späteren Nikolaus I., 1826 Chef der Gendamerie und Kommandant des kaiserlichen Hauptquartiers. Als Abteilungsleiter der „eigenen Kanzlei Sr. Maj. des Kaisers“ organisierte er ein Geheimpolizeisystem, das nicht nur in Rußland, sondern in ganz Europa seine Agenten hielt. Er starb 1844 auf der Rückkehr von einer Badereise nach Deutschland. 73 Benckendorff am 29.11.1841 an Rochow. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 379 Nr. 5 Bd. 2, Bll. 80–82; vgl. dazu Nachlaß Nrr. 3911–13; siehe auch Laubert, Verdächtigung, S. 504–506. Dem Schreiben war die Abschrift einer Instruktion des russischen Geschäftsträgers in Berlin, Baron v. Meyendorff, beigefügt; vgl. GStAPK a. a. O., Bll. 83 + 84. 74 Rochow am 27.12.1841 an Außenminister Maltzahn ebd., Bll. 91–94; vgl. Laubert, Verdächtigung, S. 508. 75 Johann Heinrich v. Dabrowski (1755–1818), auch Dombrowski genannt, kämpfte 1792 unter Stanislaus Poniatowski gegen Rußland und schloß sich 1794 dem Aufstand des Kosciusko an. Nachdem er unter Napoleon in französischen Diensten gestanden hatte, wurde er 1815 russischer General der Kavallerie. Er zog sich 1816 auf sein Gut in Posen zurück, wo er zwei Jahre später verstarb. 76 Julian Ursyn Niemcewicz (1758–1841) war 1794 Kosciuskos Adjutant, wurde mit diesem gefangengenommen und mußte in die USA emigrieren. 1807 kehrte er nach Polen zurück und wurde Staatssekretär im Großherzogtum Warschau. Bei Ausbruch der Revolution 1830 wurde er Mitglied des Administrationsrates. Kurz vor dem Fall Warschaus verließ er Polen und emgirierte nach Paris, wo er am 21.05.1841 (also kurz vor dem erwähnten Gespräch) verstarb.

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Bezüglich des anderen Vorwurfes, der eine generelle Verleumdung der Arnimschen Versöhnungspolitik war, erklärte Innenminister Rochow, der ja aus Arnims Denkschrift vom 30. Juni von dessen Kontakten zu polnischen Emigranten wußte, zunächst gegenüber Außenminister Maltzahn, daß er nichts dagegen einzuwenden habe, wenn dieser „den einen oder den anderen der polnischen Emigranten, die mit Allerhöchster Erlaubniß auf kurze Zeit sich in Posen aufhalten, bei Tafel gesehen“ habe, zumal es somit leichter sei, „diese Individuen während ihres Aufenthaltes in der dortigen Provinz in der Hand zu behalten.“77 Außerdem holte Rochow bei Arnim, der in diesen Tagen persönlich in Berlin weilte und sich deshalb zu den Vorwürfen direkt äußern konnte78, weitere Informationen ein79. Die Aussagen des Oberpräsidenten führten dazu, daß Rochow am 31. Dezember 1841 in einer Note an Graf Benckendorff alle Anschuldigungen energisch zurückwies80. Am 17. Januar 1842 legte Arnim außerdem dem Minister drei detaillierte Berichte vor, die Rochow an den Zarenhof weiterleitete81, womit die Angelegenheit endgültig erledigt war. Die russischen Vorwürfe waren nicht nur aus der Luft gegriffen, sondern auch insofern verwunderlich, als sich Graf Arnim und der russische Statthalter Fürst Paskewitsch kurz zuvor am 1. Dezember 1841 in Warschau getroffen hatten, um die gegenseitigen Beziehungen zu verbessern. Es wäre also ohne weiteres möglich gewesen, den Grafen im Rahmen dieses Gespräches zunächst selbst um eine Stellungnahme zu bitten. Insofern ist der Vorfall aufschlußreich für die Machtkämpfe und Interessenkonflikte am Zarenhof. Darüber hinaus beleuchtet der Vorfall auch das gespannte Verhältnis zwischen Arnim und Rochow, das aus dem erwähnten Briefwechsel von 1835 77

Rochow an Maltzahn GStAPK, a. a. O. Dies geht aus einem Schreiben Arnims an Rochow hervor; vgl. GStAPK a. a. O., Bll. 117 + 118; siehe dazu Laubert, Verdächtigung, S. 515. 79 Schreiben Rochows vom 29.12.1841 an Arnim GStAPK, a. a. O.; vgl. Laubert, Verdächtigung, S. 509/10. Zugleich legte Rochow Arnim Auszüge aus den russischen Noten zur Kenntnisnahme vor. Arnim wies darauf hin, daß lediglich einige Emigranten an seinen Bällen bzw. Teeabenden seiner Frau teilgenommen hätten, die grundsätzlich jedem offen gestanden hätten. In der Tat war es Arnim auch nicht zuzumuten, bei einer Gesellschaft von über 400 Personen (davon etwa 120 Polen) jeden persönlich auf seine politische Loyalität zu überprüfen, zumal dies seiner Versöhnungspolitik vollkommen zuwider gewesen wäre; vgl. dazu Arnims Immediatbericht vom 21.02.1842 in: GStAPK a. a. O., Bl. 142; außerdem Laubert, Posener Oberpräsident, S. 304. 80 Note vom 31.12.1841 in: GStAPK a. a. O., Bll. 101–104 (dt.) und Bll. 105–108 (frz.); vgl. Laubert, Verdächtigung, S. 510; siehe dazu Meyendorffs Note vom 03.01.1842 an Rochow a. a. O., Bll. 109 + 110. 81 Vgl. GStAPK a. a. O., Bll. 125–129 und 224–232; siehe dazu Laubert, Verdächtigung, S. 513–526. 78

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resultierte82: Am 5. Januar 1842 rüffelte der Minister den Oberpräsidenten, weil dieser ihm sein Treffen mit dem Fürsten Paskewitsch nicht angezeigt und auch keinen Bericht erstattet habe83. Daraufhin setzte Arnim sich in einem energisch formulierten Schreiben gegen den Vorwurf zur Wehr, er habe seine Pflicht verletzt und eine Berichterstattung versäumt84. Seiner Meinung nach wäre die mündliche Unterrichtung des Ministers Ende Dezember hinreichend gewesen, zumal dieser in dem Gespräch keinen schriftlichen Bericht angefordert habe. Er habe in Posen ohnehin schon mit zahlreichen Problemen zu kämpfen: „In diesem wahrlich nicht erfreulichen Kampfe können mich nur unerschütterlich und fest erhalten das Vertraun meines Königs, das eigene Gewissen, und das Bewußtsein der erfüllten Pflicht. Deshalb darf ich mir dieses Bewußtsein durch einen Vorwurf, der mich umsomehr verletzen muß, als ich ihn nicht verdiene, nicht trüben lassen. Von Euer Excellenz Rechtsgefühl darf ich daher erwaren, daß Hochdieselben sich überzeugen, und dies gegen mich anerkennen werden, daß jener Vorwurf unter den vorhandenen Umständen und nach den zwischen Euer Excellenz und mir stattgefundenen mündlichen Besprechungen unbegründet war.“ Dieser Auseinandersetzung, die Rochow am 24. Febuar 1842 beilegte, ohne Arnim aber Recht zu geben85, zeigt erneut das Selbstbewußtsein des Grafen Arnim. Der Boitzenburger verschmähte es auch hier, durch Kleinbeigeben den weiteren Fortgang seiner Karriere zu befördern. Seine Karriere beruhte auf seiner Pflichterfüllung und nicht auf Anbiederei. Insgesamt stand Graf Arnims Versöhnungswerk von Anfang an unter keinem günstigen Stern, denn die Flottwellsche Denkschrift und der Landtagsabschied hatten bei den Polen die Hoffnungen auf eine wirkliche Versöhnung zwischen Deutschen und Polen schwinden lassen. Daran konnten auch die von ihm veranstalteten Bälle und Feste nichts ändern, auf denen die Nationalitäten in Kontakt treten sollten86. Am 17. November 1841 ließ Arnim sogar ein Theaterstück über einen „Kinderstreit“ aufführen, in dem es hieß: „Laßt fahren den Geist des Streites und gebt Euch die Hände fein.“87 82

Vgl. dazu Kap. I.3.c). GStAPK a. a. O., Bll. 113–115; siehe auch 143–149, 214–223; vgl. dazu Laubert, Verdächtigung, S. 510–513. 84 Vgl. GStAPK a. a. O., Bll. 131–133; siehe dazu Laubert, Verdächtigung, S. 514– 516. 85 Rochow am 24.02.1842 an Arnim. In: GStAPK a. a. O., Bll. 138–14; vgl. Laubert, Verdächtigung, S. 524–526. 86 Nachlaß Nr. 3779, Bl. 23. 87 Nachlaß Nr. 3779, Bll. 24–27: „Zum 17ten November 1841 in Posen. Der Kinderstreit.“; mißverständlich Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 145. Das kurze Stück ist Teil eines Manuskriptes mit Stücken und Gedichten zu Familienfesten. Der „Kinderstreit“ ist das erste von mehreren Aufführungen zum 17.11., dem Geburtstage der Gemahlin Arnims. 83

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Trotz dieser Bemühungen Arnims blieb die Stimmung zwischen Deutschen und Polen weiterhin alles andere als entspannt, man bewege sich „im Gegenteil eigentlich immer nur an den äußersten Grenzen der Höflichkeit, so daß man nur wenige Schritte von der Unhöflichkeit und dem abermaligen Bruch entfernt war.“88 Angesichts des nach wie vor großen Nationalitätenhasses erschien Arnim „für die nächsten Generationen keine Versöhnung möglich“89. Leicht resignierend sprach er von einer der „Sisyphosarbeit der Vermittlung zwischen beiden Nationen“. Außerdem versuchte Graf Arnim vergeblich, Anhänger für einen ausgleichenden Kurs zu finden: Erfolge wie die Beendung des Ankaufs polnischer Güter durch den Staat und der Verzicht auf Deutsch als erste Schulsprache wurden nur von wenigen Polen als Versöhnungsangebot honoriert90. Auch seine polnischen Bekannten aus der Studienzeit zeigten keinerlei Kooperationsbereitschaft, sondern nur glatte Höflichkeit91, während er von deutschen Nationalisten als „Polenfreund“ bezeichnet wurde92, ebenso (wie erwähnt) am russischen Hof in St. Petersburg. Im Frühjahr 1842 besuchte der König den Grafen Arnim auf einer Inspektionsreise in Posen93. Kurze Zeit später wurde der Graf zum Innenminister befördert94. Deshalb mußte er seine Versöhnungspolitik nach nur einem Jahr abbrechen95. Er hinterließ eine (scheinbar) befriedete Provinz. Daß bereits 1846 erneut ein Aufstand in Posen ausbrach, ist kaum seiner Amtsführung zuzuschreiben96. 88 Immediatbericht vom 21. Februar 1842, in Auszügen abgedruckt in: Laubert, Posener Oberpräsident, S. 301–307, hier S. 304. Die Schuld an diesem eisigen Klima wies Arnim „entschieden“ den Polen zu. Deren Verhalten dürfte in einem nach wie vor starken Mißtrauen gegenüber einer zuvorkommenden Behandlung nach jahrelanger Schikanierung gewurzelt haben. 89 Ebd., dort auch das folgende Zitat. 90 Vgl. Laubert, Polenpolitik, S. 82–84; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 147. 91 Vgl. Laubert, Posener Oberpräsident, S. 302–304; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 146; siehe außerdem Kap. I.2.b). Zur generell ablehnenden Haltung der polnischen Posener vgl. Feldman, S. 55 und S. 68–70. 92 Vgl. Laubert, Posener Oberpräsident, S. 308; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 297. Laubert warf ihm geradezu das „Internationale“ vor, das leider oft die „höchsten Adelskreise angelockt“ habe und hielt dem Grafen Arnim bei dieser Gelegenheit auch seine Kontakte zu Engländern in Aachen vor (a. a. O.). 93 Vgl. Stolbergs Brief vom 26.02.1842 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3910, Bl. 18; siehe auch Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 149. 94 Vgl. Kap. II.2. 95 Aus diesem Grund berief der König Arnim auch nicht leichten Herzens aus Posen ab; vgl. Keinemann, Preußen, S. 33/34. 96 Nach Treitschke [Deutsche Geschichte V, S. 163] wurde sogar „das neue System in Posen durch Arnims plötzliche Abberufung gestört“.

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Insgesamt bleibt festzustellen, daß Arnim ein Hauptträger der Versöhnungspolitik Friedrich Wilhelms IV. war. Gerade im Kontext des deutschpolnischen Verhältnisses im 19. Jahrhundert war sein Handeln bemerkenswert, das er selbst mit den Worten charakterisierte: „Das Bewußtsein muß zum Leitstern dienen(,) daß man etwas wahrhaft Gutes will, daß man es unmöglich allen recht machen kann, und daß, wenn, wie sehr wahrscheinlich, dasjenige nicht erreicht wird, was man wünschen möchte, es an Willen nicht, sondern an Können gefehlt hat, wo dann das gute Gewissen für die Zukunft eine feste Stütze bleiben wird.“97 Auch das Amt des Oberpräsidenten insgesamt wurde vom Grafen Arnim tadellos geführt. Ihm gelang es, den Aufgaben seines Amtes gemäß zum Mittler zwischen Regierung und Provinz zu werden und alle Interessen angemessen zu vertreten98. Darüber hinaus bewährte er sich im Umgang mit dem russischen Statthalter in Warschau auch auf diplomatischem Parkett. Damit wurde der Graf seinen wesentlichen Aufgaben gerecht. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß Graf Arnim-Boitzenburg (in dieser Tradition seinem Großvater folgend) 1842 ins Staatsministerium nach Berlin berufen wurde. 2. Innenminister (1842–1845) Im März 1842 kam es zu einer ernsten Regierungskrise99. Zunächst trat Graf Albrecht v. Alvensleben als Finanzminister zurück100, blieb jedoch Minister ohne Portefeuille. Sein Nachfolger wurde der wie Graf Arnim seit 1837 als Minister gehandelte Ernst v. Bodelschwingh101. Außerdem eskalierte die (durch Schöns Schrift „Woher und Wohin?“ ausgelöste und seit 1840 schwelende) Auseinandersetzung zwischen dem einflußreichen Innenminister Gustav Adolf v. Rochow102 und dem preußischen Oberpräsidenten 97 Aus dem erwähnten Immediatbericht vom 21.02.1842, zitiert nach: Laubert, Posener Oberpräsident, S. 306/07. 98 Daß Arnim die Probleme der Provinz wirklich am Herzen lagen, beweist eine Denkschrift Johann Metzigs über das Großherzogtum Posen aus dem Jahre 1859 in seinem Nachlaß; vgl. Nachlaß Nr. 4117, Bll. 35–46; siehe auch Metzigs Petition wegen Gleichberechtigung der polnischen Sprache und Gründung einer polnischen Landesuniversität vom 30.03.1859 ebd., Bl. 47. 99 Vgl. u. a. Keinemann, Preußen, S. 28–35. 100 Albrecht Graf v. Alvensleben-Erxleben (1794–1858) war der Sohn eines braunschweigischen Ministers und gehörte zum Kreis um Ludwig v. Gerlach. Er war von 1835 bis 1842 preußischer Finanzminister; danach war er noch bei mehreren Kabinettsumbildungen als Kandidat im Gespräch, da Friedrich Wilhelm IV. offenbar viel von ihm hielt; vgl. Kap. III.1.; zu Alvensleben auch Petersdorff, Alvensleben, passim; Kraus, Gerlach I, S. 295. 101 Vgl. zu der Regierungsumbildung Barclay, Anarchie, S. 96–100.

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Heinrich Theodor v. Schön, als die ostpreußischen Polizeibehörden begannen, Bericht über ihren eigenen Oberpräsidenten zu erstatten103. Schweren Herzens entließ der König Schön, forderte gleichzeitig aber auch Rochow am 9. April 1842 zum Rücktritt „aus gesundheitlichen Gründen“ auf. Lediglich die Möglichkeit, sein Gesicht zu wahren, wurde Rochow zugestanden104, indem Schöns Entlassung am 3. und Rochows erst am 13. Juni 1842 veröffentlicht wurde. Bereits am 25. April 1842, also kurz nachdem er sich zur Entlassung Rochows entschlossen hatte, bat Friedrich Wilhelm IV. aber den Grafen Arnim um die Übernahme des Innenministeriums105, und dessen Ernennung erfolgte am 14. Mai 1842, also noch vor dem offiziellen Rücktritt Rochows106. Arnims Ernennung war einerseits seit 1837 erwartet worden, andererseits war sie geradezu charakteristisch für die ersten Amtsjahre Friedrich Wilhelms IV., denn 1842 kam außer Arnim und Bodelschwingh auch Graf Stolberg-Wernigerode, zu dem Graf Arnim ein gutes Verhältnis hatte107, als zweiter Hausminister nach Berlin. Diese Beförderungswelle von Oberpräsidenten, die einzigartig in der Geschichte der preußischen Monarchie war108, dokumentierte den Versuch des Königs, das Regierungssystem seines Vaters zu reformieren. 102

Rochow galt als einer der Väter des bürokratischen Absolutismus; vgl. Stamm-Kuhlmann, König, S. 557. Obwohl Friedrich Wilhelm IV. dieses System verabscheute, besaß Rochow gerade in den ersten Monaten seiner Regierung großen Einfluß; vgl. Barclay, Anarchie, S. 95; Prutz, Zehn Jahre I, S. 186–188. 103 Vgl. zu dieser Affäre die Tagebuchnotizen von Rochows Schwester. In: Marwitz, Vom Leben, S. 411–428; siehe auch Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 157–159; summarisch Barclay, Anarchie, S. 557. Über diese Praxis, unter Vermeidung des Dienstweges Amtsträger durch Untergebene bespitzeln zu lassen, hatte sich Arnim bereits 1837 aufgeregt; vgl. Kap. I.3.c). 104 Friedrich Wilhelm IV. am 09.04.1842 an Rochow: „Es muß durchaus so eingerichtet werden, daß auch die Bosheit nicht behaupten kann, Sie würden Schön zum Opfer gebracht. Wenn Sie kurz nach Schöns Abgang Ihre Stellung verändern, so ist das gut und ersprießlich.“ [Marwitz, Vom Leben, S. 415–417, hier S. 416; vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 158] 105 Schreiben des Kabinettsministers Thile vom 25.04.1842 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3921, Bl. 1. 106 Ebd., Bl. 4; vgl. auch die kurze Tagebuchnotiz von Arnims Frau am 13.05.1841. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 36. 107 Vgl. Stolbergs Brief vom 24.09.1843 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3965, Bl. 63. 108 Während zuvor lediglich dem sächsischen Oberpräsidenten v. Motz 1825 der Aufstieg zum Finanzminister gelungen war, folgten bis 1848 außer den genannten des Jahres 1842 vier weitere Beförderungen: 1844 die Flottwells zum Finanzminister und 1848 die Rudolf v. Auerswalds zum Ministerpräsidenten, Gustav v. Bonins zum Finanzminister und Friedrich v. Eichmanns zum Innenminister. Bis 1866 gelang danach lediglich dem brandenburgischen Oberpräsidenten v. Selchow 1862 der Aufstieg zum Landwirtschaftsminister.

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Adolf v. Arnim war zum Zeitpunkt seiner Ernennung erst 39 Jahre alt und damit der jüngste Innenminister Preußens109. In gut zehn Jahren war er in der Verwaltung vom einfachen Landrat zum Innenminister aufgestiegen. Dafür waren mehrere Gründe verantwortlich: Wie auch der König hatte Arnim, von dem auch die Vorlage von Konzepten einer Verfassungsreform erwartet wurde, eine Vorliebe für England110. Dazu kamen seine Herkunft aus einem der führenden brandenburgischen Adelsgeschlechter und sein weltmännisch-gewandtes Auftreten111. Vor allem aber weckten seine sehr guten Leistungen als Verwaltungsbeamter große Erwartung112: „Man glaubte allgemein, der kräftige, noch nicht vierzigjährige Mann, der sich auch sofort mit jungen Räten umgab, würde die gesamte Richtung des Kabinetts bestimmen.“113 Zwar war Arnims aristokratische Gesinnung bekannt, doch schien sich sein Rechtsbewußtsein wohltuend vom Absolutismus seines Vorgängers Rochow abzuheben114. Graf Arnim übernahm sein Amt in dem gleichen Stile, mit dem er schon in Posen das gesellschaftliche Leben geprägt hatte: In der ersten Ballsaision nach seinem Amtsantritt gaben er und sein Bruder Friedrich Ludwig v. Arnim „abwechselnd bal soiréen.“115 Allerdings prägten nicht der Müßiggang 109 Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 73. Umso erstaunlicher ist es darum, daß Graf Arnim schon 1836 (also im Alter von 33 Jahren) als Außenminister im Gespräch war; vgl. Engelberg, Bismarck I, S. 123. 110 Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 73; Prutz, Zehn Jahre II, S. 116; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 163. 111 In diesem Zusammenhang ist an Arnims relativ hohen Einkünfte zu erinnern, die ihm das Auftreten eines Grandseigneurs ermöglichten; vgl. Kap. I.4. 112 Von Arnim „ging der Ruf eines begabten, gründlich gebildeten Staatsmannes voraus. Indessen mochte, wer ihn genauer kannte, stark in Zweifel ziehen, ob der stolze Aristokrat dem Zug der Zeit immer Verständnis entgegenbringen und ob er zur Durchführung fester Entschlüsse genug Kraft besitzen werde“, urteilte Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 139/40. 113 Heinrich v. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 163. 114 „Ein Neffe Steins, hatte Arnim seines aristokratischen Stolzes nie ein Hehl; er nannte es einen unschätzbaren Vorzug, daß sein Haus eine der Stätten sei, wo Recht gesprochen, wo das Unrecht gestraft, wo die Ordnung geschätzt würde. An den englischen Moden und Passionen, welche damals in die vornehme Welt Deutschlands und Österreichs einzudringen begannen, fand der Graf viel Freude; seine hohe, etwas steife, stets elegant gekleidete Gestalt erinnerte mehr an einen Lord als an den Sohn eines alten deutschen Kriegergeschlechtes; nicht ohne Herablassung schaute der blonde Kopf zwischen den mächtigen Vatermördern – wie man die neuen Hemdkragen nannte – auf die gewöhnlichen Sterblichen hernieder. Aber gleich seinem großen Oheim war er ganz durchdrungen von dem Grundsatze des Gleichgewichts der Rechte und der Pflichten; er verlangte, daß der preußische Adel sich eine Machtstellung durch politische Arbeit verdiene.“ urteilte Heinrich v. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 163; siehe auch Keinemann, Preußen, S. 34/35.

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oder das Leben am Hofe116, wo Arnim und seine Frau verkehrten117, seine Amtsführung, sondern harte Arbeit: Oft arbeitete er bis spät in die Nacht118. Seine wichtigsten Betätigungsfelder waren „die Presse“ und die „ständischen Verhältnisse“, wie er 1843 in einer Denkschrift hervorhob119. a) Restriktive Zensur- und Polizeimaßnahmen Den hohen Erwartungen anläßlich seines Amtsantrittes schien Graf Arnim bereits gerecht zu werden, als er in das Staatsministerium eintrat120, denn sein Ministerium wurde von „Ministerium des Innern und der Polizei“ in „Ministerium des Inneren“ umbenannt121. Diese Maßnahme erfolgte jedoch auf Befehl des Königs122. Sie läßt deshalb nicht darauf schließen, daß Arnim das Instrument der Polizei besonders liberal gehandhabt hätte. Vielmehr ordnete er besonders auf dem Gebiet der Pressepolitik restriktive Maßnahmen an und versuchte zugleich die „gouvernementale“ Presse zu stärken. Während die Verhinderung von Zeitungsgründungen durch Aktiengesellschaften ein weiteres Wachstum der oppositionellen Presse hemmen sollte123, förderte Graf Arnim die Gründung besonderer Blätter der Kreisstände124, um der Regierung ein Korrektiv gegenüber der regionalen Presse zu schaffen. Dabei dienten die Gesetze von 1841 und 1842 als Grundlage, die den Kreisständen die Befugnis gaben, eigene Ausgaben zu beschließen, und die darum von den Liberalen heftig attakiert wurden125. Außerdem schlug Arnim dem König am 19. November 1842 die Gewinnung geeigne115

Brief Prinz Wilhelms vom 24.01.1843 an seine Schwester Charlotte. In: Börner, Prinz Wilhelm, S. 235. Diese Bälle waren nach Auffassung des Kronprinzen neben denen des Außenministers Heinrich v. Bülow besonders eindrucksvoll. 116 Vgl. dazu Barclay, Hof, passim. 117 Vgl. Delbrück, Lebenserinnerungen I, S. 194. Der Verkehr bei Hofe ergab sich nicht automatisch aus seinem Amt, sondern eher aus seiner Herkunft. 118 Laut Tagebuchaufzeichnung seiner Frau blieb Arnim oft bis 11 Uhr abends im Amt, um dann zu Hause zwei weitere Stunden über Akten zu sitzen; vgl. BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 37. 119 Denkschrift Arnims vom 21.05.1843 an den König. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Nachlaß Arnim Nr. A 35, Bll. 1–17. 120 Vgl. zum preußischen Staatsministerium u. a. Frauendienst, Staatsministerium, passim; Hintze, Staatsministerium, passim; Rietdorf, Staatsministerium, passim. 121 Die Doppelbezeichnung rührte daher, daß zwischen 1814 und 1819 neben dem Innenministerium ein eigenständiges Polizeiministerium bestand; vgl. dazu Bornhak, Geschichte III, S. 96–108. 122 Vgl. die Ernennungsurkunde vom 18. Mai 1842. In: Nachlaß Nr. 3921, Bl. 4; GS 1842, S. 202; siehe auch Prutz, Zehn Jahre II, S. 115. 123 Vgl. Hansen, Rheinische Briefe I, S. 502, Anm. 1 und S. 511/12. 124 Vgl. Koselleck, Preußen, S. 430; Prutz, Zehn Jahre II, S. 327/28.

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ter Publizisten für gouvernementale Zeitungen vor126. Damit knüpfte er an das Zeitungsprojekt der 1830er Jahre an: die 1832 bis 1836 von dem Historiker Leopold Ranke herausgegebene „Historisch-politische Zeitschrift“127. Dagegen ging der Versuch, die (1819 von Hardenberg gegündete) „Allgemeine Preußische Staatszeitung“ zu reorganisieren, der bereits Ende der 1830er Jahre vergeblich unternommen worden war128, von Kultusminister Eichhorn aus129, während Arnim dafür plädierte, statt einer Reform der Staatszeitung „die Gründung einer dritten Berliner Zeitung im guten loyalen, nicht systematisch-oppositionellen Sinn unter einem anderen Namen – durch einen zuverlässigen Buchhändler vorläufig ohne eine förmliche Conzession – einzuleiten, der gar keine . . . Verpflichtung übernähme, als den Redacteur zur Genehmigung zu präsentiren.“130. Die Reformdebatte, in die Arnim keine eigenen inhaltlichen Vorschläge einbrachte, kulminierte 1843 in dem „Generalbericht über die Lage und Verhältnisse des Staats-Zeitungs-Instituts“131, blieb aber letzten Endes erfolglos: Zwar wurde die Zeitung zum 1. Juli 1843 formal selbständig und unterlag damit auch der Zensur132, doch wurde in der Öffentlichkeit nur die Umbenennung in 125 GS 1841, S. 53–62; vgl. dazu Kap. I.4. 1848 erreichte die preußische Nationalversammlung die Aufhebung der Gesetze; vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 164–166. 126 GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 53 Nr. 29 Bd. 1, Bll. 30–41; vgl. dazu Dittmer, S. 164/65. 127 Vgl. dazu bes. dessen einleitenden Worte in: HPZ Nr. 1 (1832), S. 1–8; Ranke, Zur eigenen Lebensgeschichte, S. 50–55; Diether, Leopold von Ranke als Politiker, passim; Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 118–129; Helmoldt, Leopold Rankes Leben, passim; Varrentrap, Zeitschrift, passim. 128 Vgl. bes. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 146–158; Struckmann, Staatsdiener, passim. Für dieses Projekt war erneut Leopld Ranke vergesehen, der jedoch eine Mitarbeit ablehnte; vgl. Ranke, Briefwerk, S. 293–295; außerdem Diether, Leopold von Ranke, S. 256–258; Varrentrap, Zeitung S. 110; Vierhaus, Rankes Verhältnis, passim. Die erwähnte Arbeit von Struckmann gibt zwar interessante Einblicke in den Sachverhalt, doch beschränkt dieser sich auf die frühen Jahre der Staatszeitung unter Friedrich Wilhelm III., so daß besonders das Verhältnis von (Staats-) Konservativen und Staatszeitung ab 1840 noch Forschungsdesiderat ist. 129 Die wichtigsten Akten der Debatte befinden sich in: GStAPK I. HA Rep 77 Tit. 53 Nr. 21 Bde. 2–5; III. HA Rep. 2.4.1 Nr. 9067, Bd. 2 und Nr. 9071; vgl. dazu Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 190–198. 130 Arnim am 18.06.1844. In: GStAPK III. HA Rep. 2.4.1 Abt I Nr. 9067, Bll. 171–173. 131 Vgl. GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 53 Nr. 21 Bd. 3, Bll. 5–94; siehe zu den Reformdebatten Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 190–198. In Arnims Nachlaß findet sich auch ein undatierter „Plan zu einer Veränderung in der Redaction der Staatszeitung mit Rücksicht auf die in den Conferenzen vom 2. Juni 1843 gefaßten Beschlüsse“. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A38, Bll. 1–12. 132 Arnim am 28.06.1843 an den Oberpräsidenten v. Meding. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 59 Nr. 21 Bd. 3, Bl. 332. Dieser Aspekt war der einzige, zu dem Ar-

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„Allgemeine Preußische Zeitung“ wahrgenommen133. Infolgedessen existierte weiterhin keine einflußreiche gouvernementale (oder auch konservative) Zeitung. Neben diesen Maßnahmen zur Schaffung einer konservativen Publizistik arbeitete Graf Arnim auch im Bereich der Pressezensur. Seit den Karlsbader Beschlüssen aus dem Jahre 1820 wurde im Gebiet des Deutschen Bundes die Presse vor der Veröffentlichung zensiert134; im Laufe der Jahre waren die Bestimmungen immer wieder verschärft worden, insbesondere nach der Julirevolution von 1830135. Diese Zensurbestimmungen waren bis 1840 in Preußen besonders restriktiv umgesetzt worden136, woran sich zunehmend der Unmut der liberalen Öffentlichkeit entzündete. Darauf hatte Friedrich Wilhelm IV. schon vor dem Amtsantritt des Grafen Arnim reagiert: Durch die „Weihnachtsverordnung“ vom 24. Dezember 1841 waren die Zensur gemildert und insbesondere Karikaturen von der Zensur befreit worden137. Außerdem wurden am 4. Oktober 1842 Bücher mit einem Umfang von mehr als 20 Druckbogen ganz von der Zensur befreit, „wenn sowohl der Verfasser als der Verleger auf dem Titel genannt ist.“138. nim eigene Ideen entwickelte. Am 23.07.1843 schlug er vor, die Aufsicht über die Finanzen des Blattes einem Beamten des Innenministeriums zu übertragen und die Überwachung dessen Inhalts einem besonderen Beamten, „weil weder mir noch meinen Räthen diejenigen Rücksichten bekannt seyn können, welche Behufs einer zweckmäßigen Ueberwachung und Leitung des Blatts auf die hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten obwaltenden An- und Absichten der Staats-Regierung zu nehmen sind.“ [GStAPK III. HA Rep. 2.4.1 Abt I Nr. 9067, Bll. 294–298; Zitat Bl. 296] Am 26. Juni 1843 wurde Dr. Zinkeisen zum Kurator ernannt; vgl. ebd., Bl. 302. 133 KO vom 03.07.1843. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 53 Nr. 21 Bd. 3, Bl. 352; vgl. Varnhagen, Tagebücher II, S. 188/89 (Eintragung vom 19.06.1843). 134 Vgl. Kruchen, Zensur, S. 27–54; siehe auch Hardtwig, Vormärz, S. 37–39; Schneider, Pressefreiheit, passim; Siemann, Staatenbund, S. 333/34. 135 Vgl. Hardtwig, Vormärz, S. 46–50; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 125– 184. 136 Vgl. Kapp, Preßgesetzgebung, passim. 137 Der Erlaß vom 24.12.1841 ordnete an, den Artikel II des Zensurediktes vom 18.10.1819 zu beachten und „einer freimüthigen und anständigen Publizistik“ einen „angemessenen Spielraum“ zu gewähren. Text in: Hansen, Rheinische Briefe I, S. 307–309; vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 160; Kruchen, Zensur, S. 54/ 55; Obenaus, Anfänge, S. 546; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte II, S. 543. Bezeichnenderweise wurde die Verordnung nicht in die preußische Gesetz-Sammlung aufgenommen. 138 GS 1842, S. 250. Das Gesetz war bereits im Sommer (vor Arnims Amtsantritt) beschlossen worden, wurde jedoch erst im Oktober publiziert; vgl. Varnhagen, Tagebücher II, S. 83 (Eintrag vom 27.06.1842); siehe auch Kruchen, Zensur, S. 56; Prutz, Zehn Jahre II, S. 220/21. Noch bei Kruchen wird die Einschränkung für anonyme Veröffentlichungen nicht erwähnt.

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Doch schon bald mehrten sich die Stimmen innerhalb der Regierung, diese Lockerung wieder rückgängig zu machen. Dabei war es weniger die „Angst vor der eigenen Courage“139, welche das Kabinett für eine Rücknahme der Liberalisierung einnahm, sondern vielmehr die Ausnutzung der Karikaturfreiheit zu Angriffen auf die Person des Königs140. Daraufhin befahl der König Ende Dezember 1842 den drei „Zensurministern“ (Innen-, Außen- und Kultusminister) die Ausarbeitung von geeigneten Vorschlägen zur weiteren Umgestaltung des Zensurwesens141. Graf Arnim verfaßte daraufhin ein umfangreiches Gutachten, in dem er mehrere Maßnahmen zur Bekämpfung der oppositionellen Presse und besonders zur Reorganisation des Zensurwesens vorschlug142. Bevor aber das Innenministerium die Arbeit an Arnims Gesetzentwürfen zur Reform des Zensurwesens beenden konnte143, wurden die Lockerungen der Pressezensur im Februar 1842 teilweise revidiert und insbesondere die Karikaturfreiheit wieder aufgehoben144. Deshalb trugen die Reorganisation der Zensurverwaltung durch eine neue Zensurinstruktion145 und die Verordnung vom 23. Februar 1843146 nur teilweise seine Handschrift. Allerdings konnte Graf Arnim in einem zentralen Punkt einen Erfolg für sich verbuchen: Während zuvor Innen-, Außen- und Kultusminister gemeinsam für die Zensur verantwortlich gewesen waren, trat nun der Innenminister an die Spitze der Zensurverwaltung147. Außerdem wurden Lokal- und Bezirkszensoren bei den Regierungen eingesetzt. Dazu kamen kleinere Zugeständnisse an die Liberalen, insbesondere die Aufhebung der Bestimmung von 1824, welche die Zensoren persönlich für Fehlentscheidungen haftbar machte148 und auf deren negative Folgen Joseph Görres hingewiesen hatte149. 139

Obenaus, Anfänge, S. 546. Vgl. Prutz, Zehn Jahre II, S. 47/48; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte II, S. 543; siehe die Faksimilés bei Lammel, Majestätsbeleidigung, S. 82, 83, 89 und 93; vgl. dazu Frank, Friedrich Wilhelm IV., passim. 141 Vgl. Varnhagen, Tagebücher II, S. 130. 142 Konzept des Gutachtens für das Staatsministerium in: Nachlaß Nr. 3930, Bll. 1–27; vgl. auch die weiteren Akten über das Zensurwesen in: Nachlaß, Nr. 3929-33. 143 Vgl. Stölzel, Rechtsverwaltung II, S. 547. 144 KO vom 03.02.1843 über die Aufhebung der Karikaturfreiheit. In: GS 1843, S. 24; KO vom 04.02.1843, betr. die Zensur der Zeitungen und Flugschriften. In: GS 1843, S. 25/26; vgl. Prutz, Zehn Jahre II, S. 394/95; Varnhagen, Tagebücher II, S. 157/58; siehe auch Koselleck, Preußen, S. 424–431; Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 161; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte II, S. 544. 145 Zensurinstruktion vom 31.01.1843. In: GS 1843, S. 27–31. 146 Vgl. GS 1843, S. 31–36. 147 Vgl. dazu Kornow, Entwicklung, bes. S. 21–52; Kruchen, Zensur, S. 56/57; Müllenbach, Entwicklung, S. 38/39; Obenaus, Anfänge, S. 546. 148 KO vom 28.12.1824. In: GS 1825, S. 2/3. 140

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Allerdings war es eine Niederlage Arnims gegenüber Justizminister Savigny, daß das seit 1819 bestehende Oberzensurkollegium mit Wirkung zum 1. Juli 1843 durch ein (mit Juristen besetztes) „Ober-Zensur-Gericht“ ersetzt wurde150, denn das neue Gericht wurde (unabhängig von der Zensurverwaltung) dem Justizminister unterstellt, womit die gerade erst beschlossene alleinige Zuständigkeit des Innenministers in Zensurfragen (gegen dessen Votum151) scheinbar wieder unterlaufen wurde152. Ergänzend zur Reorganisation des Zensurwesens widmete Arnim sein Augenmerk dem erst Ende 1841 gegründeten „Ministerial-Zeitungs-Bureau“153, das sowohl der Erfassung regierungskritischer Stimmen als auch der Erarbeitung und Verbreitung amtlicher Verlautbarungen dienen sollte154. Dieses wurde deutlich aufgewertet, was schon daran deutlich wurde, daß das Büro aus einer Privatwohnung des bisherigen Büroleiters in das Amtsgebäude verlegt wurde155. Außerdem trat an seine Spitze Arnims Referent für Öffentlichkeitsarbeit und enger Vertrauter, der Regierungsrat Bitter156, dem künftig sechs statt drei Mitarbeiter zur Verfügung standen157. Aufgabe 149 Vgl. dazu die Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland 12 (1843), S. 174. 150 VO vom 30.06.1843. In: GS 1843, S. 257–264; vgl. Koselleck, Preußen, S. 424/25. Akten über eine von Savigny angestoßene Debatte über eine Reform des Oberzensurkollegiums in: GStAPK I. HA Rep. 77 A. Censurverwaltung I Nr. 40, Bll. 1–3; vgl. dazu Koszyk, Deutsche Presse, S. 89; Stoll, Savigny III, S. 38–54. 151 Vgl. die Passage in Arnims Promemoria vom 24.05.1844. In: Nachlaß Nr. 3968, Bl. 16. 152 Allerdings handelte es sich hierbei um einen sinnvollen Schritt hin zu weniger Polizeiwillkür; vgl. Kruchen, Zensur, S. 57. Insofern wurde nicht eine erneute Aufsplitterung von Kompetenzen beschlossen, sondern eine Prüfung der Verwaltungsakte durch ein unabhängiges Gericht. 153 Vgl. die vorläufige Instruktion vom 31.10.1841. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 56 Nr. 1, Bll. 1–3. 154 Vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 165. Dittmer hat für den Bereich der amtlichen Pressearbeit wichtige Pionierarbeit geleistet; die folgenden Passagen stützen sich auf seine Erkenntnisse; vgl. außer den im Folgenden zitierten Seiten auch ebd., S. 341–343. 155 Vgl. Arnims Erlaß vom 22.10.1842. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 864 Nr. 3, Bl. 57. 156 Arnim am 16.10.1842 an Bitter. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 864 Nr. 3, Bl. 51; siehe auch GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 56 Nr. 1, Bl. 33; vgl. dazu Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 341. 157 GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 864 Nr. 3, Bl. 84: Zu dem Literaten St. Paul kamen Curtius und Woeniger hinzu, außerdem zwei statt eines Gehilfen. Curtius blieb allerdings Redakteur bei der Spenerschen Zeitung und arbeitete nur für das Büro; vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 341/42. Wenig später erhielt das Büro mit der Erstellung eines wöchentlichen Zeitungsbulletins für den König eine weitere Aufgabe zugewiesen, weshalb noch ein Mitarbeiter eingestellt wurde; vgl. ebd. S. 294/95.

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des Büros sollte es sein, erstens „die Art, welche die Censur, besonders der Tagesblätter gehandhabt wird, zu controliren“, zweitens den Zeitungsmarkt zu beobachten und drittens bei „thatsächlichen Lügen und Entstellungen der Tagesschriftsteller“ Gegendarstellungen zu lancieren158. Es ist bemerkenswert für die Zensurpolitik Arnims, daß er nicht nur streng gegen oppositionelle Stimmen vorgehen ließ, sondern auch eine Kontrolle der Zensur anordnete und von den Zensurbeamten eine gewisse Sensibilität verlangte159. Außerdem befürwortete er (im Gegensatz zu Kultusminister Eichhorn) kein aktives Eingreifen der Bürokratie mit dem Ziel, „gewissermaßen eine gute Presse zu schaffen“160, sondern vielmehr das Instrument der Gegendarstellung als Mittel zur Korrektur von Falschaussagen. An anderer Stelle formulierte er noch deutlicher, daß zwar die Zensur schon deshalb fortbestehen müsse, weil eine Aufhebung nur durch den Deutschen Bund erfolgen könne, aber eine unnötige Gängelung der Presse zu vermeiden sei, damit künftig „Gesetz und Rechtsschutz in der Presse walte, wo bisher reine Willkür war.“161. Arnims Zensurmaßnahmen, von denen außer der Reorganisation der Zensur vor allem Entscheidungen in Einzelfällen für die Öffentlichkeit sichtbar wurden162, riefen im oppositionellen Lager große Empörung hervor. Daß diese Entscheidungen aber nicht willkürlich getroffen wurden, sondern sich aus Gesetzen und Beschlüssen ableiteten, zeigen besonders Adolf v. Arnims Auseinandersetzungen mit der Schriftstellerin Bettina v. Arnim, der Schwester Clemens Brentanos und Witwe Achim v. Arnims. Bettina v. Arnim schickte im Mai 1843 ihr anonym erschienenes Buch „Dies Buch gehört dem König“, in dem diese die sozialen Mißstände der Zeit aufgriff163, direkt an den König und forderte ihn überdies in einem Be158

Immediatbericht vom 30. April 1843. In: GStAPK I. HA Rep 77 Tit. 56 Nr. 1, Bll. 83–98 (Zitat B. 87); siehe auch die vorläufige Instruktion von 1841. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 864 Nr. 3, Bll. 8–10. Der Versuch einer Aufwertung des Zeitungsbüros blieb jedoch Episode, denn das Büro wurde im Zuge der Reorganisation der Staatszeitung zu deren Informationslieferanten degradiert; vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 343. 159 Vgl. auch die Passage im Entwurf eines Immediatberichtes vom März 1843 ebd., Bl. 90. 160 Ebd., Bl. 90; das Wort „gut“ von Arnim hervorgehoben. 161 Zitat aus einem Manuskript in: Nachlaß Nr. 4154, Bl. 53r. Die Worte „Rechtsschutz“ und „Willkür“ wurden von Arnim hervorgehoben. 162 Vgl. dazu Beispiele für Druckverbote (mit ausführlichen Zitaten aus Arnims Erlassen) bei Kruchen, Zensur, S. 58–61. 163 Vgl. Arnim, Dies Buch (1982); zur Entstehung Geist/Kürvers, Berliner Mietshaus I, bes. S. 214–231. Bettina v. Arnim (1785–1859), die Schwester Clemens Brentanos und Enkelin Sophie v. La Roches, heiratete den Dichter Achim v. Arnim, mit dem sie zunächst auf Schloß Wiepersdorf lebte. Mit 50 Jahren, also wie ihre Großmutter in vorgerückten Jahren, veröffentlichte sie „Goethes Briefwechsel mit

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gleitbrief dazu auf, seinen Ratgebern und Ministern zu mißtrauen und sich allein auf das Volk zu stützen: „Mir schwebt eine Fabel vor, wie sich der Volksgeist deutlich bezeichnen lasse gegenüber jener Scheinmacht der Staatskunst, die zwar die Zügel lenkt, aber einen hölzernen Gaul reitet, der nicht vorwärts geht.“164 Das Buch enthielt kein politisches Konzept, sondern sprach lediglich von einer Gefährdung des Staates durch Armut165. Der König, der ein persönliches Verhältnis zu Bettina v. Arnim hatte, nahm das Buch relativ wohlwollend auf166, obwohl er es nicht gelesen hatte167. Auch von der radikalen Linken wurde das Buch hoch gelobt168, während es sonst in der breiteren Öffentlichkeit kaum beachtet wurde169. Daß Bettina v. Arnim wegen dieses Buches Probleme mit den Behörden kam, lag weniger an dessen Inhalt, sondern vor allem daran, daß sie die (ihr unwürdig erscheinenden) Zensurbestimmungen bewußt ignorierte: Das Buch erschien anonym, ohne der Zensurbehörde vorgelegen zu haben, obwohl jede anonyme Publikation dieser vorgelegt werden mußte170. Allein diese Tatsache zwang das Innenministerium dazu, sich der Sache anzunehmen. Darüber hinaus wußte Graf Arnim bereits seit 1842 von Bettinas Publikationsvorhaben und war von vorne herein zum Einschreiten entschlossen171. einem Kinde“ (1835); zwar fußte das Buch auf ihrem Briefwechsel mit Goethe, doch wurde dieser frei umgestaltet und ergänzt. Nicht nur an dieser Stelle ging Bettina v. Arnim recht großzügig mit der Wahrheit um, sondern auch in anderen ihrer Werke, die fast alle als Brief-Romane konzipiert wurden. Ihr „Königsbuch“, das 1852 eine Fortsetzung unter dem Titel „Gespräche mit Dämonen“ erhielt, fußte auf Berichten aus Elendsquartieren. 164 Bettine von Arnim und Friedrich Wilhelm IV, S. 40, vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 75. Arnim vermutet, der „hölzerne Gaul“ wäre eine Anspielung auf Adolf v. Arnim, einen eleganten Reiter. 165 Vgl. Drewitz, Bettine von Arnim, S. 203. 166 Vgl. Varnhagens Notiz vom 24.08.1843. In: Varnhagen, Tagebücher II, S. 209/ 10; siehe auch Gustav Konrads Kommentar. In: Arnim, Werke und Briefe III, S. 458/59. 167 Varnhagen notierte am 14.08.1843: „Der König selber soll nur darin [in Bettina v. Arnims Buch, WN] geblättert, es noch gar nicht eigentlich gelesen haben.“ [Varnhagen, Tagebücher II, S. 206; vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 75] 168 Vgl. Härtl, Rezeption, S. 208–235. 169 Varnhagen notierte am 14.08.1843: „Bettinen’s Buch ,Dies Buch gehört dem König‘ erfährt wenig Gunst. Der Tadel hat sehr das Uebergewicht. Das Schlimmste ist, daß die meisten es als langweilig verurtheilen.“ [Varnhagen, Tagebücher II, S. 205/06] Vgl. zu Bettina v. Arnim als Schriftstellerin auch Pückler-Muskau, Briefwechsel und Tagebücher III, S. 172; siehe außerdem Arnim, Märkischer Adel, S. 74–78. 170 GS 1842, S. 250; vgl. Drewitz, Bettine von Arnim, S. 208; Geiger, Bettine von Arnim, S. 44–46. 171 Vgl. Püschel, Schriftstellerin, S. 204/05.

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Darum las er das Buch ohne jedes Wohlwollen für die geborene Bürgerliche, die in sein Geschlecht eingeheiratet hatte172. An den König schrieb er, daß „die in der Schrift dargelegte Weltansicht aus einem excentrischen an Fanatismus grenzenden Eifer für die abstracte Idee des Rechts hervorgegangen“ sei. Sie müsse „vermöge der darin dargelegten und verteidigten Irreligiösität und vermöge des darin gepredigten heillosen Radicalismus für eine der gemeingefährlichsten Schriften erklärt werden.“173 Dieses Votum war jedoch ohne Belang: Auf Grund der wohlwollenden Aufnahme des Königs war das Buch quasi freigegeben worden. Diese Entscheidung des Königs entsproß allein seinem persönlichen Verhältnis zu Bettina v. Arnim: Eine Broschüre Adolf Stahrs, in der er den Stoff unter dem Titel „Bettina und ihr Königsbuch“ in die Alltagssprache übertrug, damit das Buch nicht nur literarisch gewürdigt werde174, wurde auf Befehl des Königs beschlagnahmt175. Als Bettina v. Arnim wenig später ihr nächstes Buch „Clemens Brentanos Frühlingskranz“ vorlegte176, geriet sie erneut in Konflikt mit Adolf v. Arnim177. Diesen hatte sie bewußt provoziert, indem sie ihr Buch erneut anonym erscheinen ließ, ohne es der Zensur vorzulegen. Darüber hinaus erschien das Buch im Bauer-Verlag, der Egbert Bauer, dem Bruder des bekannten Jung-Hegelianers Bruno Bauer gehörte178. Das Buch wurde folgerichtig gemäß den Zensurbestimmungen konfisziert, worauf Bettina v. Arnim sich beim König beschwerte. Als Friedrich Wilhelm IV. daraufhin durch den Justizminister Uhden bei Arnim nach den Gründen für die Beschlagnahmung fragen ließ179, wies dieser lediglich auf die bestehende Gesetzeslage hin und fügte hinzu: „Wenn also Bettine und diejenigen, welche Euro K.M. über diese Angelegenheit Bericht erstattet haben, der Zensur das selbstverschuldete Hindernis aufbürden möchten, so ist dies eine Verdrehung der Wahrheit.“ Bettina v. Arnim sei wegen der Wahl ihres Verlegers selbst schuld, fügte Arnim 172

Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 75. Zitiert nach Hahn, Bettina von Arnim, S. 39. 174 Stahr, Bettina und ihr Königsbuch. Die Schrift erschien bereits im Herbst 1843 und wurde in Preußen konfisziert; vgl. Drewitz, Bettine von Arnim, S. 209; Geiger, Bettine von Arnim, S. 47–51. 175 Vgl. Varnhagen, Tagebücher II, S. 231 und 240; siehe auch Valentin, Geschichte I, S. 50. 176 Arnim, Clemens Brentanos Frühlingskranz (1844). 177 Vgl. Heinrich Bernhard Oppenheims Brief vom 02.06.1842 an Bettina von Arnim. In: Arnim und Oppenheim, S. 195–199. 178 Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 77; Drewitz, Bettine von Arnim, S. 210/11; siehe zu Bauer auch Varnhagen, Tagebücher I, S. 208 und 349. 179 Schreiben Uhdens vom 30.05.1844 an Arnim. In: Geiger, Bettine von Arnim, S. 56/57. 173

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süffisant hinzu, „da diese Herren bekanntlich eine besondere Abneigung gegen die Lektüre der Gesetze haben.“180 Obwohl das Zensurverfahren noch nicht abgeschlossen war, erreichte Bettina v. Arnim durch Einschaltung Alexander v. Humboldts, daß Friedrich Wilhelm IV. auch dieses Buch freigab181. Dieser Eingriff in die Verwaltung unter Mißachtung aller Vorschriften war typisch für dessen Herrschaftsstil182. Damit mußte er den Grafen Arnim verstimmen, der lediglich den geltenden Zensurbestimmungen gemäß gehandelt hatte183. Dem Boitzenburger war in dieser Angelegenheit höchstens ein unsensibles Verhalten vorzuwerfen, weil er die gezielte Provokation der Bettina v. Arnim, der es nur um die Erregung öffentlichen Interesses ging184, nicht einfach ignorierte. Das Verhältnis der beiden Arnims blieb auch in der Folgezeit äußerst angespannt, denn Bettina v. Arnim, die auch weiterhin mit dem König verkehrte, erhob immer wieder Anschuldigungen gegen die Minister Arnim, Eichhorn und Savigny185. Umgekehrt beschuldigte Graf Arnim Bettina nach dem Ausbruch des Weberaufstands in Schlesien, sie habe „die Leute gehetzt, ihnen Hoffnungen geweckt, durch ihre Reden und Briefe, und schon durch ihr Königsbuch! – Auch stand schon in der ,Spenerschen Zeitung‘ ein Artikel in diesem Sinne.“186 Allerdings behandelte Adolf v. Arnim Bettina und ihre Kinder doch wie Arnims: Als diese 1847 ihre Verhaftung provoziert hatte, waren ihre Töchter zu Gast auf Boitzenburg187. Insgesamt handelte Graf Arnim im Bereich des Zensurwesens stets nach Recht und Gesetz. Diese Haltung sorgte dafür, daß er einerseits willkürliche Übergriffe der Zensurbehörden ablehnte, andererseits aber streng auf die Einhaltung der geltenden Zensurbestimmungen achtete. 180 Geiger, Bettine v. Arnim, S. 56–58; Manuskript in: Nachlaß Nr. 4248, Bl. 1 + 2. Drewitz [Bettine von Arnim, S. 212] betont die Tatsache, daß Arnim Edgar und Egbert Bauer verwechselte und bezeichnet das Schreiben darüber hinaus als typisch für „die vergiftete Atmosphäre des vormärzlichen Preußen“. 181 Vgl. Drewitz, Bettine v. Arnim, S. 212. 182 General v. Prittwitz bemerkte dazu etwas süffisant: „Während der Großvater (Friedrich Wilhelm II., WN) jungen und schönen weiblichen Wesen huldigte, zog der Enkel den Umgang mit älteren, redefertigen Damen vor.“ [Berlin 1848, S. 1.] Ursprünglich hatte Prittwitz statt „redefertig“ gar „schwatzhaft“ geschrieben, dies dann aber doch gestrichen. 183 Dagegen sprach Bettina v. Arnim in einem Brief an Stahr von polizeilichem Rachegeist; vgl. Geiger, Bettine von Arnim, S. 62. 184 Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 77/78. 185 Vgl. Stoll, Savigny III, S. 93. 186 Zitiert nach Drewitz, Bettine v. Arnim, S. 213. Außerdem gab Arnim ihr 1848 Mitschuld am Ausbruch der Revolution; vgl. Geiger, Bettine von Arnim, S. 69. 187 Vgl. Meyer-Hepner, Magistratsprozeß, S. 132; Johannes Werner: Maxe von Arnim 1818–1894. Leipzig 1937, S. 66.

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Darüber hinaus bekämpfte Arnim die Bestrebungen der oppositionellen Bewegung energisch188, insbesondere demokratische und sozialistische Tendenzen: Der „Centralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen“, der 7. Oktober 1844 als Reaktion auf die Hungerkrise der 1840er Jahre und insbesondere den Weberaufstand in Schlesien gegründet worden war189, sah sich staatlichem Mißtrauen ausgesetzt190, was dessen Aktivitäten ziemlich hemmte191. Arnim war die soziale Lage der Unterschichten zwar nicht gleichgültig192, doch trat er für eine harte Bestrafung der Rädelsführer ein193, und seine Aufgabe war es, für die strikte Domestizierung der öffentlichen Meinung zu sorgen194. Außerdem verbot Arnim die Rheinische Zeitung wegen „Böswilligkeit der Tendenz“ und unveränderter „Konsequenz in Verfolgung eines gemeingefährlichen Systems“195, sorgte in Dresden für das Verbot von Arnold Ruges „Deutschen Jahrbüchern“196 und behinderte, nachdem Marx und Ruge nach Paris emigriert waren, auch die Herausgabe der „Deutsch-französischen Jahrbücher“197. Diese Aktionen lassen darauf schließen, daß sich Bettina v. Arnim auch durch ihren Umgang mit radikalen Oppositionellen 188 Allerdings war Arnim auch nicht unnahbar; David Hansemann konnte ihn z. B. am 27.02.1843 um ein Gespräch bitten: „Ew. Excellenz bitte ich um 2 Minuten Gehöhr, allein mit Ihnen, weil es meine Pflicht ist, Ihnen etwas mündlich mitzuteilen, was Hochdieselben sofort wissen müssen.“ 189 Vgl. dazu Hodenberg, Aufstand, passim; dies., Rotstift, passim; Tilly, Vom Zollverein zum Industriestaat, S. 12–29. 190 Vgl. Arnims Verfügung vom 16.03.1845 an das Oberpräsidium in Münster. In: Bahne, Die Freiherrn Vincke, Anlage 6, S. 148–152; Arnims Schreiben vom 04.04.1845 „an das Komité des Central-Vereins für das Wohl der arbeitenden Klassen“. In: Nachlaß Nr. 3953, Bll. 1–10; siehe zu dem Verein auch Reuleuche, Frieden, passim. Auch hier argumentierte Arnim nur auf der Grundlage der Verwaltungsvorschriften. 191 Vgl. Barclay, Anarchie, S. 176/77; Streckfuß, Geschichte, S. 929. 192 Arnim reiste persönlich nach Schlesien, um sich vor Ort zu unterrichten; vgl. die Tagebuchnotiz seiner Frau. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 37b; vgl. außerdem Arnims Ausarbeitung zur Verbesserung der sozialen und politischen Verhältnisse in Preußen. In: Nachlaß Nr. 4154, Bll. 1–72. 193 Vgl. Varnhagen, Tagebücher II, S. 313. 194 Die Verschärfung der Pressezensur wurde von König und Kabinett beschlossen; vgl. Hodenberg, Rotstift, S. 97/98 und 107. Außerdem versuchte Arnim im Zuge dieser Angelegenheit vergeblich, gegen das ihm mißliebige Oberzensurgericht vorzugehen; vgl. Hodenberg, Partei, S. 256–258; dies., Rotstift, S. 100–102. 195 Stern, Geschichte Europas von 1830–1840 III, S. 161; vgl. auch Prutz, Zehn Jahre II, S. 348–361 und 391–394. 196 Vgl. ebd. Auf die besondere Bedeutung dieser Jahrbücher für die Opposition hatte schon Victor Aimé Huber hingewiesen; vgl. Huber, Ueber die Elemente, S. 4; siehe auch ebd., S. 3–11. 197 Vgl. Varnhagen, Tagebücher III, S. 52/53; Silberner, Johann Jacoby, S. 126.

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wie Egbert Bauer bei dem konservativen Adolf v. Arnim alle Sympathien verscherzt hatte. Graf Arnims aktive Bekämpfung der entschiedenen Linken kulminierte im Jahre 1845: Am 21. Mai 1845 kamen die oppositionellen badischen Landtagsabgeordneten Johann Adam v. Itzstein und Friedrich Hecker auf einer angeblichen „Vergnügungsreise“ nach Berlin198. Am 22. Mai wurde dieser Fall im Kronrat besprochen, nachdem Graf Arnim sich zuvor mit Bodelschwingh beraten hatte199. Dort befürwortete besonders Graf Stolberg Polizeimaßnahmen200, während Graf Arnim davon abgeraten zu haben scheint201. Daraufhin erschienen daraufhin am 23. Mai morgens um 5 Uhr auf Befehl des Innenministeriums Polizisten im Hotel der beiden Oppositionellen202. Sie überbrachten ihnen den Befehl, Berlin und Preußen mit dem nächsten Eisenbahnzug verlassen, obwohl den beiden, die lediglich mit einigen bekannten Berliner Oppositionellen gesprochen hatten, nichts Strafbares vorzuwerfen war203. Daraufhin kam es zu öffentlichen Unmutsäußerungen, was Itzstein und Heckers Popularität zugute kam204. Da er als der zuständige Minister die 198 Vgl. Keinemann, Preußen, S. 69–72; Mieck, Berliner Vormärz, S. 592; Streckfuß, Geschichte, S. 934/35; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 274. 199 Nachlaß Nr. 3972, Bl 1. Um 11 Uhr trafen sich Arnim und Bodelschwingh, und um 12 Uhr hatten beide eine Audienz beim König. 200 In der Deutschen Zeitung wurde 1849 [05.04.1849, 2. Beilage; auch abgeheftet in: Nachlaß Nr. 3779, Bl. 49] gemutmaßt, daß die Ausweisung „eigentlich dem Grafen Stolberg als damaligem nächsten Rathgeber des Königs zur Last fallen mag.“ Allerdings vor dem Hintergrund der Erfahrungen von 1848 erklärte Graf Arnim am 12. April 1849 in der Zweiten Kammer, „daß es sehr wünschenswert gewesen wäre, wenn dieser Mann (Hecker, WN), der mit fremden Schaaren und fremden Waffen in Deutschland eingedrungen und deutsches Blut vergossen hat, aus allen Staaten (des Deutschen Bundes, WN) ausgewiesen wäre.“ [Persönliche Bemerkung Arnims, zitiert nach: NPZ Nr. 86, Fr. 13.04.1849, Beilage] 201 Im Nachlaß Arnims [Nr. 4014, Bl. 39] befindet sich ein Blatt der APZ [Nr. 174, Mi. 25.06.1845], auf dem der Graf mit Blaustift den Satz angestrichen hat, die Regierung beabsichtige entgegen anderslautenden Gerüchten nicht, ausländische Tagesschriftsteller aus Berlin auszuweisen. Vor dieses Blatt legte der Graf in seine Privatakten die Schrift „Nachtrag zu der Abhandlung: Ein völkerrechtliches Wort über die Befugniß der Regierung Ausländern den Aufenthalt zu versagen. Berlin 1845.“ [Nachlaß, Nr. 4014, Bll. 34–38] 202 Vgl. Hassel, Radowitz I, S. 398; Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III., S. 250/51. 203 Vgl. Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 252. 204 In einer Denkschrift über die Ausweisung von Itzstein und Hecker vom 19.07.1845 [Nachlaß Nr. 4016, Bll. 1–9; der Entwurf ebd., Bll. 10–21], mit der er auf eine Note der badischen Regierung [vgl. dazu Hassel, Radowitz I, S. 398] reagierte, behauptete Arnim, das Verhalten der beiden lege nahe, „daß sie, von dem Ausweisungsbefehl unterrichtet, die Sache zu einem öffentlichen Eklat zu machen bemüht waren.“ Auch ihr übriges Benehmen, unter anderem die Tatsache, daß sie

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Verantwortung dafür übernahm, sorgte vor allem diese Verwaltungsmaßnahme des Boitzenburgers dafür, daß er als Erzreaktionär angesehen wurde205. Auf Grund seiner bürokratischen Handhabung der Zensurmaßnahmen war der König mit dem Grafen Arnim als Innenminister alles andere als zufrieden206. Er entschloß sich jedoch auch nicht zu einer Lockerung der unhaltbaren Zensurbestimmungen, so daß Arnims Position als Diener des Königs äußerst fragwürdig war: Seine Berufsauffassung schrieb ihm die Umsetzung von Gesetzen vor, die der zugleich als Gesetzgeber fungierende König zum Teil ignorierte, jedoch nicht änderte. Dazu kam das Problem, daß Friedrich Wilhelm IV. nicht etwa generell für eine Lockerung der Zensur eintrat, sondern im Einzelfall (besonders im Falle Bettina v. Arnims) willkürlich entschied, was dem Rechtsempfinden des Boitzenburgers zutiefst widersprach. Und schließlich wurde Graf Arnim öffentlich für Maßnahmen an den Pranger gestellt, die er lediglich als federführender Minister umsetzte. Dies galt auch für die Behandlung der Provinziallandtage. b) Initiativen zur Beeinflussung der Provinziallandtage Da der König nicht dazu bereit war, das als unhaltbar empfundene ständische System rasch zu reformieren, kam es zu immer stärkerem öffentlichen Unmut und insbesondere zu einer Fülle von Petitionen, mit deren Hilfe die Opposition die Landtage, deren Protokolle seit 1841 veröffentlicht wurden207, als politische Bühne zu nutzen verstand208. Daraufhin wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen209, die alle darauf abzielten, diese kritischen Stimmen nicht in die Öffentlichkeit gelangen zu lassen210. Arnim versuchte vor allem das 1841 gewährte Publikationsrecht zu entschärfen. Am 27. Februar 1843 ermahnte er die Oberpräsidenten, die für die Landtagsberichte zuständigen Abgeordneten sorgfältig auszuwählen und bei ihrer Ankunft keine Pässe vorwiesen, spreche dafür, das es ihnen darum gegangen sei, Aufsehen zu erregen. 205 Graf Arnim bewahrte zahlreiche Pressestimmen auf [Nachlaß Nrr. 4014 und 4015]; vgl. Varnhagen, Tagebücher III, S. 78 u. ö.; siehe dazu Bergengrün, Hansemann, S. 333/34; Hassel, Radowitz I, S. 398; Köhler/Richter, Berliner Leben, S. 362–364; Mieck, Reformzeit, S. 592; Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 251. 206 Vgl. Arnims Rechtfertigung. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 38, Bll. 17–22 sowie die folgenden Akten. 207 Vgl. Croon, Provinziallandtag, S. 61–64; Keinemann, Preußen, S. 14–18; Obenaus, Anfänge, S. 539–542; ders., Verfassung, S. 59. 208 Vgl. Keinemann, Preußen, S. 19–24; Obenaus, Anfänge, S. 548–550. 209 Vgl. Arnims Stellungnahme vom 11.06.1843. In: Nachlaß Nr. 3921, Bl. 24. 210 Vgl. dazu auch Kruchen, Zensur, S. 61–66.

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weniger auf „Gewandtheit des Ausdrucks“ als vielmehr auf eine „zuverlässige Gesinnung“ zu achten211. Schon deshalb, weil „diese Artikel das Bild des Landtags für Europa geben,“ sei es nicht zulässig, daß „partielle und vorübergehende Reibungen im Innern des Landtags und einzelne Ausbrüche einer leidenschaftlichen Opposition offen zur Schau gestellt werden.“212 Indem lediglich eine Kommentierung der Landtagsbeschlüsse sowie deren amtlicher Auslegung gestattet wurde, sollte indirekt eine Zensur der Opposition erfolgen. Außerdem versuchte Arnim die Veröffentlichung der Landtagsprotokolle auf ein Minimum zu beschränken, um eine nachträgliche öffentliche Diskussion zu verhindern: Jeder Abgeordnete sollte nur zwei Exemplare der Protokolle erhalten213. Der preußische Landtag, der schon 1841 seine Protokolle in einer Auflage von 500 bis 600 Exemplaren gedruckt hatte und erneut 500 Exemplare drucken wollte214, wurde deshalb darauf hingewiesen, daß bei 97 Abgeordneten höchstens eine Auflage von 200 Exemplaren zulässig sei215. Allerdings wurde diese Weisung, die Graf Arnim auf der Grundlage eines Beschlusses der Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten getroffen hatte216, vom König unterlaufen, indem er jedem Abgeordneten zusicherte, daß er „außer den zwei ihm von Amts wegen zu verabfolgenden Exemplaren . . ., um die Mitteilung an seine Committenten zu erleichtern, noch einige Exemplare gegen Bezahlung erhalten dürfte.“217 Diese Entscheidung des Königs war insofern unglücklich, als sie eine zwar harte, aber korrekte den Maßnahmen des Innenministers unterlief. Auch in derartigen Einzelfällen wird deutlich, wie wenig Friedrich Wilhelm IV. vor 1848 mit seinen Ministern zusammenarbeitete, so daß die Politik insgesamt Stückwerk blieb und dem König in ihrer Gesamtlinie aus dem Ruder lief. 211 Erlaß Arnims vom 27.02.1843 an die Oberpräsidenten. In: GStAPK Rep. 77 Tit. 522a Bd. 3, Bl. 82; dort auch die weiteren Zitate; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 548/49. 212 Insbesondere sei es unzulässig, „daß die Tagespresse neben authentischen noch unverbürgte Nachrichten über die Landtagsdebatten gibt oder gar die Ansichten und Äußerungen der einzelnen Deputierten und deren Benehmen auf Gund solcher unverbürgten Nachrichten der Publizistik preisgibt und einer Kritik unterwirft. Dagegen bleibt es aber der Tagespresse unbenommen, den Gegenstand der Landtagsverhandlungen, nachdem derselbe durch den Abdruck der Eröffnungsdekrete oder sonstige authentische Mitteilungen bereits zur öffentlichen Kenntnis gebracht worden ist, noch weiter aufzunehmen und zu erörtern.“ [A. a. O., Bl. 91] 213 Ebd., Bl. 82. 214 Schreiben des Oberpräsidenten Bötticher vom 08.03.1843 an Innenminister Arnim ebd., Bl. 126. 215 Arnim am 01.04.1843 an den Oberpräsidenten Bötticher ebd., Bl. 133. 216 Protokoll vom 30.03.1843 ebd., Bll. 167–169. 217 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 550. Auch der westfälische Landtag erhielt die Genehmigung zum Druck weiterer Exemplare; vgl. ebd., S. 550, Anm. 61.

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Weil es ihm der König ausdrücklich befohlen hatte218, verbot Arnim außerdem festliche Empfänge für die oppositionellen Landtagsabgeordneten, die nach französischem Vorbild nach dem Schluß des Landtages u. a. in Köln und Aachen stattfinden sollten, da derartige Empfänge als „politisches Volksfest“ und als „oppositionelle Demonstration“ wirken könnten219. Die Militärbefehlshaber seien vom Kriegsminister angewiesen worden, die Regierungspräsidenten, „wo es wider Verhoffen und Erwarten nötig werden sollte, kräftig zu unterstützen.“220 Festbankette in geschlossenen Räumen wurden zwar geduldet, jedoch einer strengen Polizeiaufsicht unterworfen221. Trotz dieser Maßnahmen gelang es 1843 nicht, die „politische Stimmung“ im Rheinland ganz ruhig zu halten222. Im Juni 1844 schlug Graf Arnim dem König darum vor, bereits Maßnahmen für den Fall zu treffen, daß die Provinziallandtage wieder „ganz in der bisherigen Weise und Wichtigkeit, mit denselben Befugnissen wie die letzten und ohne Hinzutritt einer neuen höheren Institution“ stattfinden würden223. In einer Denkschrift entwickelte er zwei Alternativen. Von diesen verwarf er die erstere, nämlich die Einberufung von „Reichsständen“ schon für das Jahr 1845, da dies „schwerlich in kurzer Zeit möglich“ sein werde224. Darum sei es notwendig, weiter den Weg der Restriktion zu gehen, nämlich die gesetzlichen Bestimmungen erneut einzuschärfen und zudem „manche Schranken fester“ zu schließen und „genauer“ zu bestimmen. Nur dadurch sei eine „Konsolidierung“ der Provinzialstände möglich. 218 Eigenhändiger Entwurf des Königs zur KO vom 17.03.1847 an Arnim. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 35, Bl. 39. Arnim setzte den Entwurf um; vgl. ebd., Bl. 40; vgl. auch die Passage in Arnims Promemoria vom 24.05.1844. In: Nachlaß Nr. 3968, Bl. 16r. 219 Erlaß Arnims vom 17. Juli 1843 an die fünf rheinischen Regierungspräsidenten. In: Hansen, Rheinische Briefe I, S. 559, Anm. 1; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 603/04. 220 Siehe dazu Obenaus, Anfänge, S. 603/04. 221 Dem Kölner Regierungspräsidenten Gerlach teilte Arnim am 18. Juli 1843 mit: „Wenngleich Diners oder ähnliche Feste . . . nicht gehindert werden können, so ist die Polizei berechtigt und verpflichtet, einzuschreiten, wenn sie zu skandalösen oder unerlaubten Auftritten im Innern der Gesellschaft oder zu Volksaufläufen nach außen führen.“ Schreiben des Grafen Arnim vom 18.07.1843 an Gerlach. In: Hansen, Briefe 1, S. 560, Anm. 1; vgl. dazu Obenaus, Anfänge, S. 604. Siehe zum repressiven Einsatz der Polizei auch Lüdtke, Praxis, passim. 222 Vgl. dazu die Berichte in: Nachlaß Nr. 3921, bes. Bll. 19–22; siehe zu den Landtagen von 1843 auch Keinemann, Preußen, S. 51–56. 223 Eingabe des Grafen Arnim vom 29. Juni 1844 an Friedrich Wilhelm IV. In: GStAPK I. HA Rep 77 Tit 522a Nr 66 Bl. 1. Damit spielte Arnim auf das unbefriedigte Streben nach Reichsständen an. 224 Die Immediatkommission für die Ständischen Angelegenheiten, auf dessen Beratungsergebnissen Arnim hier aufbaut, ohne diese zu erwähnen, befaßte sich erst seit kurzen mit dieser Frage.

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In Vorbereitung auf die Landtagsverhandlungen des Jahres 1845, wies Arnim außerdem die Oberpräsidenten bereits am 25. November 1844 darauf hin, daß die Opposition besondere Hoffnungen auf die Ausnutzung des Petitionsrechtes setze, weshalb es erforderlich sei, „daß die Censoren die Presse in dieser Beziehung mit aller Sorgfalt und Strenge beaufsichtigen.“225 Die Druckerlaubnis für einen Artikel sei darum zu versagen, wenn in ihm in einer „das Bestehende verachtenden oder herabsetzenden Weise oder . . . in aufregender und leidenschaftlicher Form zu Petitionen aufgefordert“ werde. Ebenso sei die Druckerlaubnis zu versagen, wenn Schriften über die kommenden Landtage darauf ausgingen, „den Parteigeist hinsichtlich derselben zu wecken und dadurch sowohl im Publicum als im Schooße der Versammlungen selbst Parteien hervorzurufen.“ Daran knüpfte Arnim die Erwartung, „daß die Censurbehörden mit Umsicht und Gewissenhaftigkeit die Censur Instructionen anwenden werden.“ Trotz dieser Maßnahmen gelang der Opposition auch 1845 eine starke Einflußnahme auf die Öffentlichkeit. Die restriktive Politik erwies sich als wenig erfolgreich. Dies hatte Arnim bereits 1843 erkannt und entsprechend reagiert. Zur „Konsolidierung“ der Provinzialstände legte Graf Arnim der Immediatkommission am 18. September 1843 gleich eine Reihe von Denkschriften vor, die den Beratungen „zum Ausgangspunkt und Anhalt“ dienen sollten und in denen er eine Reihe von administrativen Einzelmaßnahmen zur Abkühlung der sich allmählich aufheizenden politischen Klimas vorschlug226. Erstens sollte die ausschließliche Veröffentlichung der Landtagsergebnisse im Sinne der Regierung durch die Einrichtung eines „Landtagsblattes“ gewährleistet werden, das durch die Verwaltung herauszugeben und allen „Redaktionen gegen billige Vergütung zur Ausgabe mit ihren Zeitungen“ zu überlassen sei227. Zusammen mit der Bestimmung, alle Zeitungen müßten die ihnen „von der Regierung zugefertigten Artikel“ über die Landtage veröffentlichen228, sollte also eine Zensur der Berichterstat225 Erlaß Innenminister Arnims vom 25.11.1844 an alle Oberpräsidenten. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 522a Nr. 10 Bll. 160–165; dort auch die folgenden Zitate; vgl. dazu Obenaus, Anfänge, S. 592/93. Der konkrete Anlaß für Arnims Erlaß war, daß Johann Jacoby, der wegen der Publikation seiner Schrift „Vier Fragen“ des Hochverrats angeklagt wurde, während des Prozesses die Ansicht vertreten hatte, es sei erforderlich, daß die preußischen Stände auf den Antrag zur Einberufung von Reichsständen so oft zurückkommen sollten, wie er abgelehnt werde; vgl. Silberner, Jacoby, S. 100. 226 Anschreiben Arnims vom 18.09.1843. In: GStAPK Rep. 77 Tit. 522a Nr. 72 Bll. 80–85; vgl. zu Arnims Initiative Obenaus, Anfänge, S. 588–594. 227 Denkschrift „zu dem Entwurf einer Allerhöchsten Verordnung über die Veröffentlichung der Landtags-Verhandlungen durch den Druck“ vom 18.09.1843. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 522a Nr. 72 Bll. 110–127.

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tung über die Landtage stattfinden, um zu verhindern, daß die kritischen Äußerungen der Opposition an die Öffentlichkeit gelangten. Zweitens schlug Arnim eine Beeinflussung der Landtagesverhandlungen selbst vor: Durch die Einführung von geheimen Abstimmungen sollte eine „größere Unbefangenheit beim Abstimmen“ erreicht werden229. Hinter dem Antrag stand die Beobachtung, daß das regierungstreue Lager allmählich bröckelte, was damit erklärt wurde, daß viele Abgeordnete sich auf Grund des zunehmendes Drucks der öffentlichen Meinung nicht mehr trauten, ihre Stimme offen für den König abzugeben230. Arnim ging bei diesem Vorschlag offenbar von einer regierungstreuen und lediglich von der Opposition unzulässig beeinflußten Mehrheit der Abgeordneten aus. Darum muß bezweifelt werden, daß durch eine derartige Maßnahme die liberale Mehrheit einiger Landtage wieder in eine konservative zurückverwandelt worden wäre. Arnim muß dies allerdings auch befürchtet haben, wie sein folgender Vorschlag belegt. Drittens schlug Arnim zur Sicherung des amtlichen Einflusses die Ernennung eines besonderen „Regierungsbevollmächtigten“ auf den Landtagen vor. Während der Landtagskommissar die Sitzungen nach der Landtagseröffung und anschließenden Übergabe der königlichen Propositionen verließ, sollte dieser an den Verhandlungen des Landtags teilnehmen, um „gegen ungegründete Anschuldigungen oder unrichtige Ansichten die Rechte und Interessen des Staats sofort durch mündlichen in das Protokoll und in die zu veröffentlichen Landtags-Berichte mitaufzunehmenden Vortrag wahrzunehmen und zu vertheidigen.“231 Dieser Vorschlag einer Stellungnahme der Regierung während der Debatten ähnelte modernen parlamentarischen Gepflogenheiten, hätte die Regierung aber offensichtlich als Partei erkennen lassen. Arnims vierter Vorschlag war (im Gegensatz zu seinem dritten) rein restriktiv: Auf Grund der großen Belastung der Bürokratie, deren Geschäfte sich „in unaufhörlichem Kreislauf“ befänden und die sich, „fast lediglich durch die Sorge für die Bewältigung der durch die ständischen Geschäfte bedingten Arbeiten in Anspruch genommen“232 sehe, stellte er die gerade erst 1841 eingeführte zweijährige Periodizität der Provinziallandtage wieder in Frage233. 228 Denkschrift „zu dem Entwurfe einer Allerhöchsten Instruktion für das königliche Staats-Ministerium, betreffend das Verfahren der Verwaltung Behufs der Vorbereitung und während der Dauer der Landtags-Verhandlungen“ vom 18.09.1843. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 522a Nr. 72 Bll. 210–215. 229 Ebd., Bl. 212; Entwurf einer KO ebd., Bl. 228. 230 Vgl. dazu die Beispiele bei Obenaus, Anfänge, S. 586, Anm. 16 und S. 589, Anm. 29. 231 GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 522a Nr. 72 Bll. 213. 232 Ebd., Bl. 214.

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Die von Arnim vorgeschlagenen Maßnahmen liefen im Kern auf die Fortführung der repressiven Landtagspolitik Friedrich Wilhelms III. hinaus, die weder der König noch seine Vertrauten im Kabinett wünschten234. Als dann die Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten im Juni 1844 über die vorgelegten Denkschriften und Verordnungsentwürfe beriet, breitete sich die gleiche skeptische Stimmung aus235. Am Ende wurde keiner von Vorschläge Arnims umgesetzt. Daraufhin versuchte Graf Arnim, in Weiterführung seiner Zensurpolitik wenigstens die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen236. Seine Forderung, die Landtagskommissare über alle Petitionen sofort informieren zu lassen, wurde jedoch in der Immediatkommission abgeschwächt237. Daraufhin forderte Graf Arnim die Oberpräsidenten dazu auf, eine Abschrift jeder Petition gleich nach deren Überweisung an die Ausschüsse zwecks Weiterleitung an die Regierung „durch sachgemäße Einwirkung“ auf Marschälle und Landtage anzustreben238, um eine schnellere Reaktion der Regierung auf Petitionen der Provinziallandtage zu ermöglichen. Außerdem wurde den Landtagskommissaren eingeschärft, darauf zu achten, bei Gegenständen, „welche an sich wegen ihrer eigenthümlichen Beziehung zur Regierung, oder zu auswärtigen Verhältnissen, oder zu einzelnen Personen, eine besonders diskrete Behandlung erfordern“, die Veröffentlichung nicht zu erlau233 Siehe auch die Denkschrift vom 14.10.1844. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 522a Nr. 66, Bll. 13 + 14. Am 16. März 1845, also noch während der Session der Landtage, ergriff Graf Arnim in dieser Frage erneut die Initiative. Die geplante Anfrage an die Oberpräsidenten und Kommissare, ob diese es für durchführbar hielten, auf der Grundlage einer Bitte der Stände erneut zum Dreijahresturnus zurückzukehren, wurde jedoch auf Anweisung des Königs unterlassen; vgl. GStAPK Rep. 77 Tit. 522a Nr. 37 Bd. 2 Bll. 65–67. 234 Varnhagen notierte am 23.10.1843, ohne allerdings den konkreten Anlaß zu erwähnen: „Es heißt, der Minister Graf von Arnim werde zurücktreten, wegen kränkender Worte, die ihm der König wiederholt gesagt; der König ist sehr auffahrend, und bedient sich dann solcher Worte wie ,dumm‘, ,albern‘, und dergleichen, mit vieler Geläufigkeit.“ [Varnhagen, Tagebücher II, S. 221] Es ist zu vermuten, daß sich die Äußerung des Königs auch auf diese Initiative Arnims bezog, die der König offenbar gar nicht guthieß. 235 Protokoll der Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten vom 06.06.1844. In: GStAPK Rep. 77 Tit. 522a Nr. 72 Bll. 244–253; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 590. 236 Vgl. Arnims Promemoria „über die Gränzen des den Provinzialständen zustehenden Petitionsrechtes“. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 35, Bll. 50–64. 237 Vgl. das Protokoll der gemeinsamen Sitzung von Immediatkommission und Staatsministerium am 03.12.1844. In: GStAPK Rep. 77 Tit. 522a Nr. 26 Bl. 81–82 (Kop. Auszug); vgl. Obenaus, Anfänge, S. 591; siehe auch Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 151. 238 Innenminister Arnim am 03.02.1845 an alle Oberpräsidenten. In: Ebd., Bll. 85–88; außerdem in: Nachlaß Nr. 3968, Bll. 53–56.

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ben239. In diesem Zusammenhang ließ Graf Arnim die Zensoren daran erinnern, daß die Landtagsberichte und Landtagsabschiede die einzige legale Quelle für die Berichterstattung der Zeitungen seien und daß diese notfalls geändert werden müßten, wenn sie „für die Veröffentlichung nicht geeignete Erörterungen“ enthielten. In den auf dieser Grundlage angestellten Erörterungen aber dürften weder das monarchische Prinzip noch die ständischen Institutionen angegriffen werden240. Insgesamt waren die Reformmaßnahmen des Grafen Arnim gescheitert. Gebilligt wurden lediglich einzelne Zensurmaßnahmen sowie eine Instruktion, um Termine und organisatorische Regelungen zwischen Landtag, Landtagskommissar und Ministerium besser abzustimmen241. Damit war der Einsatz restriktiver Maßnahmen abgelehnt worden, woraus sich umso stärker die Notwendigkeit entschiedenerer Reformen ergab, und zwar insbesondere durch die Einführung von „Reichsständen“. Dies machten nicht zuletzt die Landtagsverhandlungen des Jahres 1845 deutlich242. c) Differenzen wegen der Vereinigten ständischen Ausschüsse Graf Arnim war 1842 nicht nur zum Innenminister, sondern auch zum Mitglied der „Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten“ ernannt worden243. Diese war mit dem Staatsministerium dadurch verbun239 Instruktion des Innenministers vom 12.12.1844 an die Oberpräsidenten betr. die „Gestaltung der Berichte in den öffentlichen Blättern über die Resultate der Landtags-Verhandlungen“. In: GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 13931 Bll. 92–93 (Druck). 240 Erlaß Innenminister Arnims vom 12.12.1844 an die Zensoren; zitiert nach Kruchen, Zensur, S. 64/65. 241 „Instruktion für das Staatsministerium betreffend die Vorbereitung der den Provinziallandtagen vorzulegenden Propositionen und das Verfahren der Verwaltung während der Dauer der Landtagsverhandlungen“. In: Protokoll der gemeinsamen Sitzung von Immediatkommission und Staatsministerium am 03.12.1844. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 522a Nr. 40 Bll. 116–119; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 591. Im Protokoll hieß es: „Wenn auch nicht unerwähnt blieb, daß durch diese Anordnung das ohnehin gehäufte Schreibwerk während der Landtagsdauer noch vermehrt werde, so müßte doch zugegeben werden, daß die Verwaltung auf die Landtags-Verhandlungen nur dann einigen Einfluß zu üben im Stande sei, wenn sie nicht nur deren endliche Resultate, sondern auch von dem Gange der letzteren fortgesetzt in Kenntniß bleibe.“ [A. a. O., Bl. 118r] 242 Vgl. Keinemann, Preußen, S. 64–69. 243 Ernennungsurkunde in: GStAPK Rep 77 Tit. 522a Nr. 31 Bl. 33. Vgl. zu dieser Kommission Obenaus, Immediatkommission, passim; ders.: Anfänge, S. 237– 255; Kraus, Gerlach I, S. 104. Diese Kommission, der seit dem April 1841 der Prinz von Preußen vorsaß, war am 5. November 1824 auf Befehl Friedrich Wilhelms III. ins Leben gerufen worden und hatte alle Ständeangelegenheiten zu begutachten, die dem König vom Staatsministerium vorgelegt wurden, außerdem Petitio-

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den, daß ihr üblicherweise der Innenminister angehörte. Insofern war Arnims Ernennung nichts Ungewöhnliches. Allerdings spricht einiges dafür, daß der Graf auch in der Erwartung zum Innenminister berufen wurde, er werde den König bei der Neuordnung der preußischen Verfassungszustände unterstützen244. Dieser beschäftigte sich nicht nur vom ersten Tage seiner Regierung an mit Verfassungsfragen245, sondern hatte überdies detaillierte Vorstellungen, mit denen sich Graf Arnim auseinanderzusetzen hatte. Friedrich Wilhelm III., der seinen Sohn (nicht zuletzt durch dessen Mitwirken bei der Bildung der Provinzialstände im Jahre 1823246) nur zu gut kannte, hatte diesen (in seinem Testament vom 1. Dezember 1827) vor riskanten Reformen gewarnt: „Hüte Dich jedoch für die so allgemein um sich greifende Neuerungssucht, hüte Dich vor unpraktische Theorien, deren so unzählige jetzt im Umschwunge sind, hüte Dich aber auch zugleich, für eine fast eben so schädliche, zu weit getriebene Vorliebe für das Alte, denn nur dann, wenn Du diese beiden Klippen zu vermeiden verstehst: nur dann: sind wahrhaft nützliche Verbesserungen, gerathen.“247 Viele Probleme der Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. entstanden daraus, daß der König diese väterliche Warnung ignorierte, obwohl er das Testament veröffentlichen ließ und damit seinen Willen bekundete, es zu beachten248. Dies lag nicht an seinem bösen Willen, sondern war Ausfluß der schillernden, von romantischen Bildern durchdrungenen Vorstellungswelt des Königs249, die er mittels eines bereits in den 1820er Jahren konzipierten „Programmes“ konsequent umzusetzen versuchte250. Friedrich Wilhelm IV. ging in seinen Verfassungsvorstellungen von mittelalterlichen Ständestaat als der einzigen angemessenen Staatsform aus, in der sich Monarch und korporative, d.h. nach Adel-, Bürger- und Bauernstand organisierte Interessenvertretung gegenüberstanden251: „Absolutistisch nen und Gutachten der Stände sowie Anfragen der Landtagskommissare. Da ihre Mitglieder vom König persönlich ausgewählt wurden, besaß die Kommission eine wichtige Scharnierfunktion zwischen dem König und dem Staatsministerium. 244 Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 79. Für diese Annahme spricht auch, daß Friedrich Wilhelm IV. insgesamt nur fünf neue Kommissionsmitglieder ernannte: 1840 den neuen Kabinettsminister Thile, 1841 Graf Stolberg und Voß, 1842 Arnim und 1843 Bodelschwingh; vgl. Obenaus, Immediatkommission, S. 446. 245 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 524. 246 Vgl. Barclay, Anarchie, S. 65–69; Stamm-Kuhlmann, König, S. 416–476. 247 Dietrich, Testamente, S. 754; vgl. Heymann, Testament, S. 127–166. 248 Vgl. ebd., S. 155/56. 249 Vgl. dazu bes. Kroll, Friedrich Wilhelm IV., bes. S. 65–107; ders.: Politische Romantik, passim. Die romantischen Ideen des Königs waren bereits 1847 von David Friedrich Strauß unter dem Titel „Der Romantiker auf dem Throne der Cäsaren oder Julian der Abtrünnige“ persifliert worden. 250 Kroll, Friedrich Wilhelm IV., S. 67.

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will ich nicht regieren, aber auf die Ständische Monarchie will ich zurückkommen.“252 Allerdings ging Friedrich Wilhelm IV. von einer merkwürdigen Gefügigkeit der Stände gegenüber seinen Vorstellungen aus, obwohl ihm die adelige Fronde gegen Hardenberg bekannt war. Potentielle Konflikte und ihre Bewältigung verdrängte der König, indem er von einem allmählichen „organischen“ (also friedlichen) Wachstum ausging253. Darüber hinaus bemühte sich der König auch deshalb unbeirrt um die Ausführung seines Verfassungsplanes, weil er eine geradezu mystische Vorstellung von der unfehlbaren Richtigkeit seiner königlichen Ideen hatte254. Gerade die daraus resultierende Unnachgiebigkeit brachte ihn und seinen neuen Innenminister bereits kurz nach dessen Ernennung in Konflikt255. Seit September 1840 verfolgte Friedrich Wilhelm IV. den Plan, statt „allgemeiner“ Reichsstände zumindest „Vereinigte Ausschüsse“ der Provinziallandtage in Berlin zu versammeln256. Den Provinziallandtagen wurde dies mitgeteilt und ihnen die Wahl eines ständischen Ausschusses aufgetragen, der zwischen den Landtagen die wichtigsten Angelegenheiten beraten sollte257. Auf Grund der insgesamt positiven Ergebnisse der Landtage von 1841 entschloß der König sich dann im Frühjahr 1842 dazu, die neugebildeten Ausschüsse der Provinziallandtage noch im gleichen Jahre als Vereinigte ständische Ausschüsse als Beratungsorgan nach Berlin einzuberufen258. 251 Vgl. ebd., S. 70/71. Noch 1851 schrieb der König: „Volksvertretung ist nur in Ständen . . . möglich.“ (Zitat ebd., S. 71.) 252 Friedrich Wilhelm IV. am 30.07.1849 an Leopold v. Gerlach, zitiert nach ebd., S. 77. Heinrich [Geschichte Preußens, S. 355] brachte die Auffassung des Königs auf den Punkt: Dieser „wollte über die Idee der aus königlicher Machtfülle heraus gewährten Ständeordnung nicht hinausgehen.“ In der Tat lag das zentrale Problem darin, daß der König auf einen Verfassungszustand zurückgreifen wollte, der bereits ab 1540 geherrscht hatte, dies aber zugleich als „organisches Wachstum“ ausgab. 253 Vgl. Kroll, Friedrich Wilhelm IV., S. 78–80; siehe auch ebd., S. 90–93. 254 Vgl. ebd., S. 86. 255 Insofern war Friedrich Wilhelm IV. offenbar weniger an einer „regierungsinternen Verständigung“ [Holtz, Regierung, S. 113] interessiert als vielmehr daran, die Minister von seinen (kraft höherer Weihen und größerer Weisheit) gewonnenen Einsichten zu überzeugen. 256 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 32–37; Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 206; Kroll, Friedrich Wilhelm IV., S. 95/96; Obenaus, Anfänge, S. 536–540; Prutz, Zehn Jahre II, S. 118/19. Nach Keinemann [Preußen, S. 9/10] hatte der König die Absicht, bereits bei seiner Thronbesteigung derartige Ausschüsse einzuführen. 257 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 540–42. Diese Ausschüsse waren 1823 ausdrücklich untersagt und die in Ostpreußen seit 1798 bestehenden Ständekomitees sogar abgeschafft worden; vgl. Obenaus, Verfassung, S. 50/51. 258 Vgl. Croon, Provinziallandtag, S. 117–120; Keinemann, Preußen, S. 36–45; Obenaus, Anfänge, S. 552; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 176/77.

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Graf Arnim wurde bereits vor seinem Amtsantritt mit diesen Plänen des Königs konfrontiert259. Am 4. Juni 1842, also noch in Posen, verfaßte er für den König eine Denkschrift, in der er darum bat, vor den „Räthen“ des Königs erörtern zu lassen, ob es ratsam sei, die Ausschüsse noch im gleichen Jahre in Berlin zu versammeln260. Darin betonte Arnim, daß er zwar nicht grundsätzlich gegen Reformen sei261, die geplante Einberufung der Ausschüsse im Jahre 1842 jedoch mangels eines geeigneten Beratungsgegenstandes für unnötig halte. Er bezweifle, „daß von irgend einer Seite, um der Sache willen, die Anwendung jenes Instituts im Jahre 1842 begehrt“ werde. Außerdem hielt der designierte Innenminister die Verammlung aller acht Ausschüsse in Berlin deshalb für unzweckmäßig, weil die Wünsche der Opposition nach „Einheit der legislativen Berathung“ nicht befriedigt würden, „da ja gerade die Berathung der Gesetze zunächst den Provinzialständen vorbehalten bleiben soll.“ Deshalb plädierte er dafür, statt der Einberufung der Ausschüsse „eine Vorbereitung zur Entwicklung einer reichsständischen legislatif“ zu treffen. Diese Denkschrift überarbeitete der inzwischen nach Berlin gekommene Arnim unter dem 12. Juni 1842, indem er den letzten Passus fortließ und statt dessen mit den Worten schloß, die Opposition würde durch die geplante Maßregel nicht befriedigt werden262. Offenbar hatte er inzwischen erfahren, daß der König Reichsstände nicht befürwortete. Als diese Problematik am 14. und 16. Juni 1842 in Anwesenheit des Königs diskutiert wurde263, erklärte der König, seiner Meinung nach sollten 259 Vgl. dazu den Brief seines Bruders Friedrich vom 03.06.1842, der Arnim den Wunsch des Königs übermittelte, er möge den Beratungen in dieser Angelegenheit am 14.06. beiwohnen; vgl. Nachlaß Nr. 3921, Bll. 18 + 19; siehe auch GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 34. Arnim übernahm die Geschäfte von Innenminister Rochow offiziell erst am 16.06., dessen Entlassung wurde am 13.06. publiziert; vgl. dazu auch Marwitz, Vom Leben, S. 425–427. 260 Vgl. Arnims Denkschrift vom 04.06.1842. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 34, Bll. 1–9; dort auch die folgenden Zitate. 261 „Der Preußische Staat bedarf, wie jeder Organismus, des Fortschritts der natürlichen Entwicklung.“ [Ebd., Bl. 4r] 262 Vgl. ebd., Bll. 10–17; vgl. zu dieser Denkschrift auch Holtz, Regierung, S. 115/16. 263 Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums und der ständischen Immediatkommission vom 14.06.1842. In: GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 522a Nr. 53 Bd. 1, Bll. 225–236; dort auch die folgenden Zitate; abgedruckt auch in: Bahne, Verfassungspläne, S. 43b–53b; vgl. dazu ebd., S. 34; Obenaus, Anfänge, S. 555–557. Holtz stellt die These auf, eine Reaktion des Königs auf Arnims Denkschrift sei „nicht nachweisbar“ [Regierung, S. 115; vgl. auch a.a.O., S. 116]. Diese Aussage ist insofern zutreffend, als Friedrich Wilhelms IV. dem Grafen Arnim nicht schriftlich antwortete, doch können die (auch von Holtz ausgewerteten) Besprechungen am 14. und 16. Juni auch als eine Aufarbeitung der Arnimschen Verfassungsvorstellungen gedeutet werden.

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die Vereinigten ständischen Ausschüsse einen Teil der bisherigen Aufgaben des Staatsrates übernehmen, nämlich die „letzte Umarbeitung der Gesetze“264. Anschließend wies Arnim darauf hin, daß in den bisherigen Beratungen die Frage ausgespart worden sei, ob die Ausschüsse überhaupt und besonders noch in diesem Jahr einberufen werden sollten. Die bisherige Gesetzeslage erfordere dies durchaus nicht265. Es bestehe die Gefahr, daß die Liberalen schwer enttäuscht würden, „wenn man in den Ausschuß Mitgliedern eine allgemeine Versammlung ständischer Organe berufe, diese Versammlung aber nicht hinsichtlich der selben vorzulegenden Gegenstände einer Reichsständischen Versammlung gleichstelle.“ Diesen schwerwiegenden Vorbehalten des Grafen Arnim wurde erwidert, die von ihm aufgeworfene Frage sei bereits „mittelbar“ entschieden worden, und zwar durch den Beschluß, die Ausschüsse bezüglich des Eisenbahnbaus zu befragen. Offenbar hatten die übrigen Minister es nicht gewagt, dem König explizit zu widersprechen, nach dessen Auffassung mit Hilfe der Vereinigten Ausschüsse „dem Verlangen nach Reichsständen begegnet werden“ sollte266. Eine „unrichtige Auffassung des Zwecks und Wesens der Ausschußversammlung“ aber könne nach Auffassung des Königs „doch höchstens von einer Fraction ausgehen und sei, wenn sie hervortreten sollte, nicht zu fürchten.“ Als diese Diskussion am 16. Juni fortgesetzt wurde267, lenkte Arnim zwar ein, indem er die Notwendigkeit einer „weiteren Fortbildung“ der bestehenden ständischen Institutionen anerkannte268. Allerdings sei die Bildung der Ausschüsse im Jahre 1841 von der Öffentlichkeit anders aufgefaßt worden als sie vom König gedacht war. Um Zeit dafür zu gewinnen, das Volk über dieses Mißverständnis aufzuklären, sei es besser, die Ausschüsse dieses Jahr nur in den Provinzen zu versammeln und nicht in Berlin. Arnim gab erneut zu bedenken, daß „wohl Stoff zur würdigen und angemessenen Beschäftigung einer Generalversammlung der Ausschüsse vorhanden sei, aber kein Gegenstand vorliege, welcher die Berufung einer solchen Versammlung als eine dringende Notwendigkeit erscheinen lasse.“ Nicht zu264

Ebd., Bl. 226. „In den Allerhöchsten Propositionsdekreten und in den den letzten Landtagen auf ihre Denkschriften ertheilten Bescheiden über die Einrichtung der permanenten Ausschüsse sei“, so betonte Arnim, „nicht bestimmt ausgedrückt daß in gewissen Fällen die sämmtlichen Ausschüsse zu gemeinsamen Berathungen zusammen berufen werden sollten.“ [Ebd., Bl. 228r] Deshalb habe man geglaubt, so fuhr er fort, eine „Zusammenberufung aller Ausschüsse“ solle „höchstens bei ungewöhnlich großen Ereignissen (in einem casus belli) Statt finden.“ [Ebd., Bl. 229] 266 Ebd., Bl. 230. Dies betonte der König in der Konferenz, offenbar in dem Glauben, Arnim habe seine (höchst fragwürdige, ihm aber schlüssig erscheinende) Auffassung nicht richtig verstanden. 267 Protokoll vom 16.06.1842 ebd., Bll. 237–249. 268 Arnims Beitrag ebd., Bll. 237r–238r. 265

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letzt sei zu einer baldigen Berufung der Ausschüsse „zur Zeit nicht alles gehörig erwogen und vorbereitet“ worden. Auch der Prinz von Preußen sprach sich nachdrücklich gegen die Einberufung aus: Eine Einberufung der Ständischen Ausschüsse sollte erst erfolgen, wenn es etwas Wichtiges zu beraten gebe; und auch in diesem Falle sollten diese nicht als unmaßgebliches Beratungsgremium, sondern als Äquivalent der von König Friedrich Wilhelm III. versprochenen Nationalrepräsentation angesehen werden269. Anschließend entwickelte sich eine lebhafte Diskussion darüber, welche Rolle die Ausschüsse in der Gesetzgebung einnehmen sollten. Bodelschwingh wies darauf hin, „daß der Gang der Gesetzgebung durch die Beratungen auf acht getrennten Landtagen, deren Ergebnisse dann die Regierung mühsam und oft mit nicht glücklichem Erfolg in ein Ganzes zu verarbeiten suche, sehr erschwert und aufgehalten werde.“270 Außerdem wiesen Bodelschwingh und Alvensleben auf die große Bedeutung der Eisenbahnfrage hin, da sich gerade die „Unmöglichkeit“ herausstelle, „Eisenbahnen von größerer Ausdehnung ohne Mitwirkung des Staats bloß durch Privatkräfte zustande zu bringen.“271 Schließlich wurden die Pläne des Königs mehrheitlich gebilligt272. Umgesetzt wurden sie in der Verordnung vom 21. Juni 1842 über die Bildung des „Vereinigten Ausschusses“ aus Mitgliedern der Provinziallandtage273. Die daraufhin auf den 18. Oktober 1842 nach Berlin eingeladenen Vereinigten ständischen Ausschüsse bestanden aus 98 Vertretern der Provinziallandtage, davon 46 Vertretern der Standesherren und der Ritterschaft, 32 der Städte und 20 der Landgemeinden. Anschließend kam es zu einer erneuten Kontroverse über den Inhalt der königlichen Botschaft, die den Ausschüssen bei ihrer Eröffnung vorgelegt werden und die Absichten des Königs zum Ausdruck bringen sollte274. Schließlich wurden die Beratungen der Vereinigten ständischen Ausschüsse 269 Vgl. ebd., Bll. 244 + 245; siehe dazu Bahne, Verfassungspläne, S. 47; Obenaus, Anfänge, S. 556. 270 A. a. O., Bl. 243. Vgl. zu Bodelschwinghs Rolle in den 1840er Jahren auch Schoeps, Briefwechsel, S. 10–16. 271 Ebd., Bl. 245. 272 Ebd., Bl. 249r; vgl. dazu Holtz, Regierung, S. 116. 273 Verordnungen für jede Provinz über die Bildung eines Ausschusses der Stände. In: GS 1842, S. 215–241; vgl. Prutz, Zehn Jahre II, S. 141–169. 274 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 35/36; Meinecke, Boyen II, S. 581/82; Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 146; siehe auch Marwitz, Vom Leben, S. 433–435. Hier entwickelte angeblich Radowitz den Plan, einen Vereinigten Landtag aus den Provinziallandtagen zu bilden; vgl. Hassel, Radowitz, S. 371– 373.

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am 18. Oktober 1842 nicht mit einer königlichen Proklamation eröffnet275, sondern durch eine Rede des Grafen Arnim, in der er sich die einleitende Bemerkung erlaubte, er halte seine Rede auf Befehl des Königs. Dann verlas er die königliche Kabinettsordre und ermahnte die Stände zu Einigkeit und Loyalität gegenüber der Krone. Er schloß mit den Worten: „Ein großes und wichtiges Feld ist Ihnen eröffnet; möge es durch treue Bebauung unter Gottes Segen reiche Früchte tragen.“276. Wie Arnim befürchtet hatte, überwog das Gefühl der Unsicherheit bei den Abgeordneten, und bei der Beratung über die Zweckmäßigkeit von Eisenbahnbauten kam es darüber hinaus zu einer Debatte über das derzeit gültige preußische Staatsrecht277. Als die Ausschußmitglieder nach 18 Sitzungen am 10. November 1842 vom König mit einer wohlwollenden Abschiedsrede entlassen wurden, war sowohl einsichtigen Ministern als auch der Opposition das strukturelle Dilemma der preußischen Monarchie, das sich aus der Kumulierung institutioneller und finanzieller Probleme ergab, offensichtlich278. Alle Reformbestrebungen mußten sich deshalb an der Frage orientieren, wie man den institutionellen Mängeln abhelfen und damit auch die finanziellen Probleme lösen könne. d) Ringen um einen Vereinigten Landtag Friedrich Wilhelm III. hatte außer seinem offiziellen auch ein (unsigniertes) politisches Testament hinterlassen, das 1838 aufgesetzt worden war und in den Diskussionen um einen Vereinigten Landtag im Hintergrund 275 Verhandlungen, passim; vgl. dazu Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 207/08; Keinemann, Preußen, S. 45–51; Kroll, Friedrich Wilhelm IV., S. 96–98; Obenaus, Anfänge, S. 559–562; Prutz, Zehn Jahre II, S. 230–320; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 178–182. 276 Zitiert nach Prutz, Zehn Jahre II, S. 239; vgl. Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 146; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 179. Varnhagen bezeichnete die Eröffnung der Vereinigten Ausschüsse als „chinesische Komplimentierspiele“: „Weder der Minister Graf von Arnim noch der Fürst von Solms-Lich gaben irgend ein gehaltvolles oder bedeutendes Wort.“ [Varnhagen, Tagebücher II, S. 112] Dagegen hieß es im offiziellen Protokoll überschwenglich, Arnim habe „in begeisterter Rede“ gesprochen [Verhandlungen, S. 6/7]. Als Beweis für diese Aussage folgt im Protokoll ein längeres, nichtssagendes Zitat, das wohl die Skepsis Arnims gegenüber den bevorstehenden Beratungen verschleiern sollte. 277 Verhandlungen, S. 3; vgl. Prutz, Zehn Jahre II, S. 280–307. Hermann Ludwig von Balau bemerkte zu Arnims Auftreten in einem Brief vom 22.10.1842 an Karl Friedrich v. Savigny: „Graf Arnim soll sich zuviel auf spezielle Widerlegung einlassen.“ [Savigny, Briefe, S. 217/18] Dagegen profilierte sich Bodelschwingh; vgl. Keinemann, Preußen, S. 47/48. 278 Vgl. Heinrich, Geschichte Preußens, S. 355; Obenaus, Anfänge, S. 562; ders., Verfassung, S. 59.

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eine Rolle spielte279. Darin erklärte er, kein Regent sei befugt, „ohne Zuziehung sämtlicher Agnaten in dem Königl. Hause eine Aenderung oder Einleitung zu treffen, wodurch eine Veränderung in der jetzigen Verfassung des Staats, namentlich in Beziehung auf die ständischen Verhältnisse und die Beschränkung der Königl. Macht bewirkt oder begründet werden könnte.“280 Außerdem legte er zum Staatsschuldengesetz von 1820 für den Fall, daß neue Anleihen notwendig werden sollten, das Verfahren für seine Nachfolger verbindlich fest: Die im Gesetz erwähnte „Reichsständische Versammlung“ sollte aus je vier gewählten Vertretern der Provinzialstände und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern des Staatsrates gebildet werden und ausschließlich über die Bewilligung neuer Anleihen beraten281. Während sich Prinz Wilhelm immer wieder auf diesen Wortlaut berief, wurde das Testament von Friedrich Wilhelm IV. in seinem Sinne interpretiert282. Er war insbesondere dazu entschlossen, seine eigenen Verfassungskonzepte umzusetzen, statt die Politik seines Vaters fortzuführen283. Da aber seine Ideen (wie bereits im Falle der Vereinigten Ausschüsse) mit denen seiner Ratgeber nicht deckungsgleich waren, kam es zu zahlreichen Reibereien: „Der König hat im Staatsrat kein Ansehen und keine Parthey, – der Prz. v. Preußen und die Minister Boyen und Arnim treten gegen ihn auf und behandeln Savigny und seine Vorschläge ohne Achtung.“284 Vor diesem Hintergrund müssen die Reformpläne des Grafen Arnim beurteilt werden, die auf die Einführung von „Reichsständen“ zielten. Angesichts der festgefügten verfassungspolitischen Vorstellungen des Königs verwundert es nicht, daß die Initiativen des Boitzenburgers alle im Sande ver279 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 7–24; Branig, Fürst Wittgenstein, S. 195; Dehio, Wittgenstein, S. 238–240; Hintze, Hohenzollern, S. 515; Stamm-Kuhlmann, König, S. 552–560. 280 Dietrich, Politische Testamente, S., S. 757; Der König verschwieg hier seine Verfassungsversprechen, während er mehrere Organe als Stützen des Thrones erwähnte: „Meine Unterthanen besitzen in der geregelten Staats-Verwaltung, in dem Staats Rathe, in den Provinzial Ständen, in der Städte Ordnung, in den CommunalVerfassungen, die Garantie für die ungestörte Ordnung und Gesetzlichkeit.“ [Ebd., S. 756] 281 Ebd., S. 757. Die von Friedrich Wilhelm III. beschriebene Versammlung ähnelte also, zumindest was die 32 Mitglieder der Proviziallandtage anging, den Vereinigten ständischen Ausschüssen, die allerdings eine ganz andere Funktion innehatten. 282 Vgl. Bußmann, Zwischen Preußen und Deutschland, S. 116/17. 283 1843 erkärte er gegenüber den Posener Landständen rundweg, „daß er die Verordnung vom 22. Mai 1815 nicht als rechtsverbindlich ansehe.“ [Treitsche, Geschichte V, S. 588] Vgl. zu Friedrich Wilhelms IV. Verfassungsplänen nach 1840 auch Bahne, Verfassungspläne, S. 36–41; Keinemann, Preußen, S. 56–58. 284 Unveröffentlichtes Tagebuch Ludwig v. Gerlachs, zitiert nach Kraus, Gerlach, S. 374, Anm. 234.

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liefen. Ohne auf den verschlungenen Gang der Reformdebatten in den vierziger Jahren einzugehen285, sollen im folgenden die Vorschläge des Grafen Arnim unter der doppelten Fragestellung untersucht werden, ob sie eine angemessene Reaktion auf die aktuelle Problemlage darstellten und welche politischen Anschauungen ihnen zugrunde lagen. Am 21. Mai 1843 erörterte Graf Arnim in einer Denkschrift die Frage, wie „ohne allgemeine Reichs- oder Landstände die Verheißung des Staatsschulden-Gesetzes vom 17ten Januar 1820 ihrem wahren Sinn nach erfüllt werden“ könne286. Er schlug vor, daß „von den acht Provinzial-Landtagen aus ihrer Mitte eine allgemeine reichsständische Deputation erwählt“ werden solle, wobei jeder der acht Landtage acht der 64 Mitglieder für einen Zeitraum von sechs Jahren wählte. Diese Deputation sollte sich auf Befehl des Königs alle drei Jahre in Berlin versammeln. Für die Zeit zwischen den Verhandlungen sollte ein Ausschuß von 24 Mitgliedern gebildet werden. Obwohl Arnim dem König sogar seinen Rücktritt anbot, falls dieser mit seinen Vorstellungen nicht einverstanden sei, verlief auch diese Initiative des Boitzenburgers im Sande. Erst am 17. und 24. Oktober 1843 wurden im Rahmen einer Verfassungsdebatte in der Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten auch Arnims Vorstellungen diskutiert287. Dabei wurde beschlossen, daß die Provinzialstände „die eigentlichen und hauptsächlichsten Stände Versammlungen der Monarchie“ seien. Die Vereinigten Ausschüsse sollten bestehen bleiben, zudem aber die allgemeinen Gesetze künftig „einer neu zu errichtenden allgemeinen Ständeversammlung“ vorgelegt werden288. Die Kommission hatte sich damit mehrheitlich für eine Position ausgesprochen, die der Arnimschen entsprach. Dadurch ermutigt beschäftigte sich dieser intensiv mit der Bildung eines „Vereinigten Landtags“289. Seine Auffassungen faßte er (auf Aufforderung des Königs) im April 1844 in einer Denkschrift zusammen290. Darin skizzierte er zunächst die Vorstellungen des Königs: Dieser wolle als Erfüllung des Staatsschulden285

Vgl. dazu ausf. Obenaus, Anfänge, S. 563–617. Vgl. GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 35, Bll. 1–17; siehe dazu ausführlich Holtz, Regierung, S. 117–121. 287 GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 35, Bll. 1–17; vgl. dazu ausführlich Holtz, Regierung, S. 121–124. 288 Protokoll der gemeinsamen Sitzung von Immediatkommission und Staatsministerium vom 24.10.1843 a. a. O., unpaginiert, vorletztes Blatt von Nr. A 35. 289 Vgl. dazu bes. Obenaus, Anfänge, S. 649–668; siehe auch auf der Grundlage von Arnims Nachlaß Berdahl, Politics, S. 334. An den Diskussionen beteiligten sich außer dem Grafen Arnim besonders der Londoner Gesandte Freiherr v. Bunsen und der Wiener Gesandte Freiherr v. Canitz; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 650; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 260/61. 286

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ediktes von 1820 die acht Provinziallandtage zu einer Versammlung zusammenrufen. Diese solle neue Steuern und Zölle bewilligen, neue Anleihen genehmigen und garantieren und außerdem das Petitionsrecht besitzen, aber nicht über „allgemeine“ Gesetzentwürfe beraten, da diese Aufgabe die Vereinigten Ausschüsse behalten sollten291. Die Vereinigten Ausschüsse sollten periodisch einberufen werden, der Vereinigte Landtag dagegen zunächst nur einmal. Demgegenüber gab Graf Arnim zu bedenken, man müsse „oft manches, was besteht und der Zeit nicht gefällt, erhalten“, denn „etwas Zeitwidriges neu zu schaffen“, sei „vergebliche Arbeit.“292 Anschließend maß er anhand von zehn „praktischen Bedürfnisse(n)“ mit dem Ziel der „Erhaltung des Prinzips der ungetheilten königlichen Souveränität“ die Vorstellungen des Königs. Vor allem lehnte Arnim das geplante Steuerbewilligungsrecht der „reichsständischen Versammlung“ ab. Außerdem gab er zu bedenken, daß eine Versammlung von über 600 Mitgliedern zu groß sei, um effizient arbeiten zu können. Darüber hinaus seien die Kompetenzen zwischen den Provinziallandtagen, den Vereinigten Ausschüssen und der neuen Versammlung nicht voneinander abgegrenzt, wie Arnim am Beispiel des Petitionsrechtes verdeutlichte. Vor allem aber würden die gegebenen Verfassungsversprechen nicht eingelöst, „denn die Reichsstände, welche keine Gesetze berathen, wird Niemand als die im Gesetz vom 5. Juny 1823 verheißenen Allgemeinen Landstände betrachten. Die vereinigten Ausschüsse werden ebensowenig dafür gelten, da sie über Staatsschulden und Steuern nicht mitsprechen sollen.“293 In der Tat mutete es seltsam an, daß der König nicht nur zwei konkurierende ständische Organe schaffen, sondern auch die Kompetenzen unter diesen aufteilen wollte, so daß die Ausschüsse nicht als Vertretung des Landtages fungierten. Anschließend entwickelte Arnim seine eigenen Anschauungen, der er die Form von „Grundzüge(n) einer Allerhöchsten Verordnung über die Bildung 290 Denkschrift vom April 1844. In: Nachlaß Nr. 3945, Bll. 1–17; siehe auch GStAPK I. HA Rep. 92 Nr. A 36, Bll. 18–34 und GStAPK I. HA Rep 89 Nr. 13926 Bll. 21–33; vgl. dazu Holtz, Regierung, S. 124–126. 291 Nachlaß Nr. 3945, Bl. 1. Es ist auffällig, in welch hohem Maße diese Vorstellungen des Königs sich mit den 1847 in Kraft tretenden Bestimmungen decken. 292 Ebd., Bl. 4. Der König dagegen glaubte, alles andere als etwas Neues ins Leben zu rufen. 293 Ebd., Bl. 9. Arnim fügte die geradezu prophetischen Worte hinzu: „Das Drängen nach einer Umgestaltung würde also fortdauern und so lange die Gesetze von 1815 und 1823 nicht der Sache nach erfüllt sind, in der Nation immer noch den Glauben an eine gesetzliche Rechtfertigung finden, den man durch noch so häufige und entschiedene Erklärungen, daß diese Gesetze nicht verbindlich seyen, nicht nehmen kann, weil Ansichten und Ueberzeugungen sich nicht gebieten lassen. Man würde daher alle Nachtheile der der vollständigen Erfüllung jener Gesetze, ohne ihre Vortheile haben.“ (Ebd., Bl. 9).

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einer Reichsständischen Versammlung“ gab. Diese Versammlung sollte erstens „aus den auf dem Provinzial-Landtage mit einer Virilstime berechtigten Mitgliedern des ersten Standes“, zweitens „aus den gesetzlichen Vertretern der auf den Provinzial-Landtagen mit einer Collektiv-Stime betheiligten Standesherren und Fidei-Comiß-Besitzer“ und drittens aus gewählten Abgeordneten bestehen, „und zwar aus jedem Landtage 18 Mitglieder, welche nach dem Verhältniß, wie dies für die Wahl der Ausschüsse bestimmt ist, zu wählen sind.“ Die Versammlung sollte demzufolge aus etwa 160 Personen bestehen. Sie sollte (als Erfüllung des Staatsschuldenediktes von 1820) an der Aufnahme neuer Staatsanleihen mitwirken. Außerdem sollte sie „über Gesetze, welche die Besteuerung (mit Ausschluß der Zölle) betreffen“, beraten und ebenso über Gesetze, „welche Veränderungen in den Personen- und EigenthumsRechten zum Gegenstand haben, und für alle Provinzen der Monarchie erlassen werden sollen.“ Und schließlich sollte die Versammlung das Petitionsrecht erhalten. Im Gegensatz zu den Plänen des Königs sollte sie nach Arnims Vorstellungen periodisch, etwa alle drei Jahre einberufen werden. Neben dieser „reichsständischen Versammlung“ sollten die Provinziallandtage weiter die Belange der jeweiligen Provinz vertreten, wobei sie von dem jeweiligen Provinzialausschuß zwischen den Landtagssessionen unterstützt werden sollten. Den Vereinigten Ausschüssen, die Arnim ja von Anfang an abgelehnt hatte, wurde lediglich die Aufgabe zugewiesen, „die Verschiedenheit der Ansichten auszugleichen, welche sich auf den Provinziallandtagen bei der Berathung solcher Gesetze kund gegeben haben, die der reichsständischen Versammlung nicht vorgelegt worden sind, weil sie nicht alle Provinzen oder selbst nicht die Mehrheit derselben betreffen.“294 Durch diese Verordnung, so betonte Arnim am Ende, würden alle Verfassungsversprechen eingelöst. Künftig sollten „das Gesetz vom 5. Juny 1823 wegen Anordnung der Provinzial-Stände, die Verordnungen vom 22. Juny 1842 wegen des für jede Provinz zu bildenden Provinzialständischen Ausschusses, und die gegenwärtige Verordnung wegen der reichsständischen Versamlung“ die preußische Verfassung bilden. Dieser Plan hätte gegenüber dem des Königs zwei Vorteile gehabt: Die Forderungen der Opposition wären erfüllt worden und die Versammlung wäre reformierbar gewesen und damit zukunftsweisend: Eine Ausweitung ihrer Kompetenzen und eine Änderung des Wahlrechts waren dazu geeignet, sie in ein modernes Parlament zu verwandeln. Als der König jedoch nicht auf Arnims Vorbehalte einging, bat der Boitzenburger den König am 17. Mai 1844 darum, das ihm „huldreichst anver294 Ebd., Bl. 16. Dabei vermied Arnim absichtlich den Begriff „Vereinigte Ausschüsse“, sondern sprach von einer „Versamlung mehrerer Ausschüsse“.

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traute Amt in Eurer Königlichen Majestät Hände niederlegen zu dürfen“295. Er glaube mit seinem Rücktrittsgesuch seinen „Vaterlande einen Dienst zu thun“, da er „in Augenblicken wie dem jetzigen, nichts nachtheiliger halte, als eine Verwaltung, welche nicht das volle Vertrauen ihres Königs besitzt.“296 Arnim war der Auffassung, daß neben restriktiven Polizeimaßnahmen Reformen unbedingt notwendig seien, und diese sollten sich nicht an Wunschbildern orientieren, sondern auf einer nüchternen Lageanalyse fußen. Der König gab Arnims Bitte nicht statt, sondern bat ihn statt dessen um genauere Darlegung seiner Vorstellungen297. Graf Arnim stellte dem König daraufhin die Frage, ob das königliche Vertrauen sich nur auf seinen guten Willen oder auch auf seine Fähigkeiten erstrecke, die er selbst als „schwach“ bewerte298. Außerdem wies Arnim den König darauf hin, „daß das Werkzeug Eurer Königlichen Majestät auch das Vertrauen des Landes besitzen muß.“299 Als Anlage legte Arnim dem König ein umfassendes Promemoria vor300. Darin stellte er einleitend fest, daß sich im Land eine „Mißstimmung“ ausbreite, wobei die Ursachen „nicht in den materiellen, sondern in den geistigen Gebieten“ lägen: „Eure Königliche Majestät hatten als sie den Fortschritt verhießen, eine andere Entwicklung vor Augen, als die Mehrzahl Ihrer Unterthanen.“301 Um dieser Mißstimmung begegnen zu können, sei eigentlich „in der Verwaltung Ruhe, Mäßigung, Consequenz, und einmüthiges Handeln verschiedener Zweige nothwendig“, während tatsächlich das Ministerium in Fraktionen zerfallen sei und wichtige 295 Rücktrittsgesuch vom 17.05.1844. In: Nachlaß Nr. 3968, Bll. 10–12. Auslöser war außerdem ein Detail bei den Debatten über das Ehescheidungsgesetz; vgl. dazu ausf. Kraus, Gerlach, S. 308–329. 296 Ebd. Im Anschluß nannte Arnim konkret die unterschiedlichen Auffassungen in der „ständischen Frage“ als Grund seines Rücktrittsgesuches. 297 Eigenhändiges Schreiben Friedrich Wilhelms IV vom 17.05.1844 ebd., Bl. 13; veröffentlicht von Beck, Gottesgnadentum; vgl. dazu auch Holtz, Regierung, S. 126. 298 Damit warf der Boitzenburger dem König vor, seine Fähigkeiten zu unterschätzen. 299 Schreiben Arnims vom 24.05.1844 an den König ebd., Bll. 15–18. Man beachte die feine Spitze Arnims, indem er vom „Werkzeug“ sprach. In der Tat lag der eigentliche Grund für Arnims Rücktrittsgesuch darin, daß er sich vom König nicht als willenloses Werkzeug behandeln lassen wollte. 300 Promemoria vom 25. Mai 1844 über notwendige Verfassungsprojekte. In: Nachlaß Nr. 3960, Bll. 1–14; dort auch die folgenden Zitate [Die Beschriftung der Akte ist irreführend]. Ein Exemplar auch in: GStAPK Nr. 13926, Bll. 7–20. Obenaus [Anfänge, S. 650, Anm. 5] zieht die Aprildenkschrift und das Promemoria zusammen, da er offenbar das Rücktrittsgesuch Arnims nicht kannte. 301 Da Arnim (wie erwähnt) die Mehrheit der Bevölkerung nicht der Opposition zurechnete, kann davon ausgegangen werden, daß er sich selbst auch zu dieser Mehrheit zählte.

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Maßregeln ohne Vorwissen des gesamten Ministeriums eingeleitet würden. Angesichts dieser Situation schlug Arnim mehrere Maßnahmen vor: Erstens sollte er im Zuge einer Verwaltungsreform die Zuständigkeit erhalten „für die beiden Pole, durch welche sich die ganze oben geschilderte Mißstimmung bei jeder Gelegenheit entladet: die Stände und die Presse.“ Zweitens sollte die „Lösung der ständischen Frage“ erfolgen, aber „nicht im radikalen, sondern im wahrhaft conservativen Sinne.“ Diesbezüglich erwähnte Arnim lediglich, man solle sich auf die Stände stützen, ging jedoch nicht ins Detail, sondern kündigte eine gesonderte Denkschrift darüber an. Offenbar hoffte er, zunächst die Verfassungsarbeit unter seiner Federführung konzentrieren und dann erst konkrete Projekte ausarbeiten und auch umsetzen zu können. Diesem Zweck sollte auch die dritte Maßregel dienen, die Einsetzung einer Verfassungskommission von acht bis zwölf Vertretern der Stände, wodurch der Einfluß der Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten ausgeschaltet worden wäre302. Viertens sollte Uneinigkeit in der Regierung vermieden werden, wobei notfalls auch die „widersprechenden Räthe“ entlassen werden sollten. Schließlich sei eine Konzentration auf das Wesentliche notwendig, was auch einen Aufschub der kirchlichen Reformen zur Folge habe. Durch diese Maßnahmen, so schloß Arnim, „würde das Vertrauen zu Eurer Königlichen Majestät Regierung von Tag zu Tag wachsen.“ Diese Vorschläge des Grafen Arnim wären eine angemessene Reaktion auf die gegebene Situation gewesen, wenn die Ratgeber des Königs (und nicht dieser selbst) Urheber jener Politik gewesen wären, die zu Enttäuschungen und Mißstimmungen in der Bevölkerung führten. Obwohl auch Metternich dem König von seinen Plänen abriet303, hielt Friedrich Wilhelm IV. an seinen ursprünglichen Plänen fest. Zunächst versuchte er Metternich (gegen Arnims Votum) am 8. Dezember 1844 in einem Brief von seinen Absichten zu überzeugen304. Daraufhin legte Graf Arnim dem König am 17. Dezember erneut seine Bedenken gegen dessen Pläne dar, die er in vier Punkten zusammenfaßte305: Erstens würde die Opposition durch ein „ständisches Gebäude auf aristokratisch-germanischem Grunde“ 302

In die Immediatkommission war 1843 Ernst v. Bodelschwingh berufen worden, der Arnim bereits 1842 in den Diskussionen über die Vereinigten Ausschüsse entgegengetreten war und den Arnim als Konkurrenten ansehen mußte. Nicht zufällig wurde Bodelschwingh 1845 sein Nachfolger als Innenminister. 303 Vgl. Dallinger, Karl von Canitz und Dallwitz, S. 51/52. 304 Friedrich Wilhelm IV. an Metternich, begonnen Sanssouci, 9. November 1844, beendet Charlottenburg, 8. Dezember 1844; auszugsweise zitiert in: Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 265/66; vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 53/54; Dallinger, Canitz und Dallwitz, S. 53. 305 Schreiben Arnims vom 17.12.1844 an den König. In: Nachlaß Nr. 3943, Bll. 1–3; dort das Folgende; siehe auch Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 266.

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nicht zufriedengestellt sein und darum versuchen, die neue ständische Institution als „Waffe“ gegen die Absichten des Königs zu verwenden. Zweitens sei mit dem Widerspruch des Prinzen von Preußen und damit einer „Spaltung“ des königlichen Hauses zu rechnen. Drittens warf er dem König (allerdings in verbindlichen Worten) seinen Starrsinn in dieser Frage vor, „was die Conflikte häufiger und gefährlicher mache, als da, wo ein biegsamerer Wille den Ständen gegenüber stehe.“ Viertens sah Arnim Probleme aus der Tatsache erwachsen, daß der König ein Gegner dessen sei, „was man heut zu Tage den ,Zeitgeist‘ nennt“, denn „daher könnten Allerhöchstdero Plane, namentlich auf dem kirchlichen, die Gemüther so gewaltig erregenden Gebiete, mögten sie an sich noch so groß und edel sein, auf Popularität nicht rechnen.“ Daran anschließend bot Arnim dem König (verklausuliert in Form einer differenzierten Frage) erneut seinen Rücktritt an. Der König reagierte auf diesen Brief in einem langen Handschreiben, in dem er (in typisch romantischer Gefühlsaufwallung) seinem „theuerste(n) Graf(en)“ zurief: „Sie, theuerster Graf, wenn Sie in mein Vorhaben eingehen, wenn Ihr Gewissen Ihnen gestattet Ihren König in diese Schlacht zu folgen u den Glauben an mich faßen können, daß mein weißer Busch den Weg der Ehre bezeichnen wird, Sie lieber Graf setzen es sieg reich durch, Sie werden mein siegreiches Schwerdt seyn. Warum? Weil Ihnen Gott die größte: d leibs Stärke dazu verliehen hat.“306 Anschließend gab er Arnim zu bedenken, daß auch dessen Idee einer Wahl von Deputierten jeder Provinz dem Zeitgeist widerspreche, denn dieser fordere etwa folgendes: „Für den Anfang etwa 300 Volksrepräsentanten, aus der Sudelsuppe aller Stände gewählt, mit legislativer Gewalt begabt, ferner: Verantwortlichkeit der Minister, Budget annual, absolute Preß Freyheit u von meiner Seite die Anordung: nur durch die Gnade des Volkes, als sein Pensionär auf dem Thron zu sitzen. Das Übrige, neml. Abschaffung des Adels u practische Beschränkung der Wahlen auf den Mittelstand, findet sich dann von selbst. Vor allem aber, statt Gott im Himel, einen Arschwisch von Charte als Vorsehung über uns.“ Während der König den entscheidenden Einwand Arnims, die Nichterfüllung der Verfassungsversprechen Friedrich Wilhelms III. überging, bezeichnete er es als Hauptunterschied, daß Arnim periodische Reichsstände fordere, er dagegen „nicht periodische, aber ächte rechte, wahre, aus dem Leben der ehemaligen Instituzionen genomene in folio“ wolle. Darüber hinaus gestand der König Arnim zu, daß auch er den Konflikt mit seinem Bruder fürchte. Zu dem Vorwurf der Unbeugsamkeit dagegen erklärte er, er sei nur in einer Hinsicht unbeugsam: „Das Szepter laß Der Anlaß des Schreibens war, daß Arnim der Auffassung des Königs entgegentrat, er sei mit dem Inhalt des Schreibens an Metternich einverstanden gewesen. 306 Handschreiben des Königs vom 18.12.1844 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3968, Bll. 58–61; dort das Folgende.

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ich nicht aus den Händen, eine Charte geb ich nicht, mit Ständen theil ich nie meine Souverainität.“ Wenn aber die ständische Frage „einmal geordnet, so wie ich es will, also zur Vollendung gebracht“ worden sei, werde er „jeder billigen Forderung der unzähligen Getreuen, der Besseren, der ächten Preußen“ zustimmen. Auf diese Aufforderung zur Gefolgschaft antwortete Arnim am 27. Dezember zurückhaltend, anders als bei einen Soldaten könne einem Minister „gerade die Ehre gebieten, vom Kampfplatze abzutreten, wenn sein König ein neues Panier aufpflanzt“, statt an dem Platze nur deshalb zu verharren, „um nicht Macht und Ansehen aufzugeben.“307 Ohne seinen politischen Grundsätzen untreu zu werden, könne er aber nur einer Reform die Hand bieten, die „im conservativen Sinn unternommen und durchgeführt“ werde. Als konservativer Reformer befürworte er zwar „die Erhaltung der vorhandenen Institutionen, aber durch weitere Entwicklung und Verjüngung, indem sie das, was außer ihnen an conservativen Elementen sich gebildet hat, in dieselben aufzunehmen und diesen Elementen daher auch neue Rechte einzuräumen geneigt sind.“308 Da die „Stimmung im Lande, namentlich in allen großen Städten, wo der höhere Bürger- und Beamtenstand vorherrscht“ gegenüber der Regierung „ungünstig“ wäre, sei es momentan gefährlich, sich auf die (schiefe) „Bahn der Reform zu begeben, weil keine Garantie gegeben ist, daß die jetzige Regierung die Unterstützung einer kräftigen Majorität in den Ständen finde, noch daß die Reform von ihr im conservativen Sinne durchgeführt werden werde.“ Am gleichen Tage legte der König in einer Konferenz mit seinen engsten Beratern seinen (gegenteiligen) Standpunkt dar309: Vor allem müßte das Verfassungsversprechen von 1815 aufgehoben werden, da es nur eine „augenblickliche Absicht“ darstelle. Während auch das Staatsschuldengesetz von 1820 „regulirt“ werden solle, erfuhr das 1823 (von ihm selbst in die Wege geleitete) Gesetz über die Provinzialstände die volle Sympathie des Königs: Dieses Gesetz müsse „erfüllt“ werden, und zwar indem 1847 „alle 8 Landtage zusammen berufen werden“. Der so entstehende Vereinigte Landtag sollte dazu berechtigt sein, „neue Schulden zu bewilligen, bei der Verwaltung der Staatsschulden zu koncurrieren, neue direkte Abgaben oder 307 Arnim am 27.12.1844 an den König. In: 3943, Bll. 4–9; dort auch die folgenden Zitate; vgl. dazu Holtz, Regierung, S. 127. 308 Als weiteres Problem sprach Arnim die Uneinigkeit des Staatsministeriums an, „das sich in eine kirchliche, eine conservative, und in eine selbst noch über die conservative Reform hinausgehende ultraliberale Fraktion gespalten“ habe. Am Ende seiner Denkschrift votierte Arnim deshalb auch für die Bildung eines reformkonservativen Ministeriums; siehe dazu auch II.4. 309 Alle folgenden Zitate gemäß den eigenhändigen Aufzeichnungen Savignys. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Savigny Nr. 2 Bl. 2; vgl. dazu auch Obenaus, Anfänge, S. 651/52.

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eine Veränderung der bestehenden zu bewilligen.“ Außerdem sollte er einen Ausschuß wählen, der Verwaltungs- und Kontrollfunktionen zu versehen hatte. Der Vereinigte Landtag und die Ausschüsse sollten „abwechselnd“ berufen werden. Dabei sei im Vereinigten Landtag „eine Art von Oberhaus zu bilden“, welches auf jeden Fall aus den Fürsten und Herren, „die von 40 auf 70 zu vermehren“ seien, gebildet werden sollte, eventuell auch aus geistlichen Würdenträgern, den Rektoren der Landesuniversitäten sowie aus 24 Repräsentanten, die „aus jedem Stand jeder Provinz“ zu wählen seien. Auf Grund fundamentaler Meinungsverschiedenheiten bot Graf Arnim dem König am 29. Dezember erneut seinen Rücktritt an310. Der König ging darauf ebensowenig ein wie auf Arnims Denkschrift vom 14. Januar 1845311. Daß dies nicht an persönlichen Animositäten lag, beweist die Tatsache, daß der König auch die Kritik seines Bruders ignorierte312. Sogar warnende Stimmen des österreichischen Staatskanzlers Metternich, König Wilhelms I. von Württemberg und Zar Nikolaus I. verhallten ungehört313. Als selbst der dem König gedanklich nahestehende Ernst Ludwig v. Gerlach ein starkes Mißtrauen gegenüber diesem Projekt zeigte314, näherte sich im Januar 1845 „Alles einer Crisis“315. 310

Vgl. Nachlaß Nr. 3926, Bl. 2. Vgl. Nachlaß Nr. 3950, Bll. 152–166; siehe dazu auch Holtz, Regierung, S. 127. 312 Vgl. Jordan, Umwandlung, S. 54; Treitschke V, S. 273. Arnim betonte, daß er nicht von Prinz Wilhelm zu seiner Haltung gebracht worden sei; vgl. Arnims Brief vom 28.12.1844 an den König. In: Nachlaß Nr. 3968, Bl. 66; Bemerkung des Königs dazu ebd., Bl. 67. Offenbar schwirrten einige Gerüchte umher, denn laut Varnhagen [Tagebücher III, S. 24] stachelte Arnim den Prinzen von Preußen zum Widerstand gegen die Pläne des Königs an. Zumindest bleibt festzuhalten, daß Arnim und Wilhelm ähnliche Vorstellungen hatten. 313 Vgl. dazu Bahne, Verfassungspläne, S. 50–53; Dallinger, Canitz und Dallwitz, S. 52/53; Obenaus, Anfänge, S. 650/51; Schiemann, Kaiser Nikolaus I., S. 275– 285; Schreiben König Wilhelms I. von Württemberg vom 19.01.1845 an Friedrich Wilhelm IV. In: Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 596–598, Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 265/66. 314 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 384. Ernst Ludwig v. Gerlach (1795–1877) machte als Kriegsfreiwilliger die Befreiungskriege mit und studierte dann Jura. Er stand schon früh dem späteren König Friedrich Wilhelm IV. nahe und wurde außerdem ein führender Vertreter der Altkonservativen. 1828 gründete er (mit Hengstenberg) die konservative „Evangelische Kirchenzeitung“ und 1830 das „Berliner Politische Wochenblatt“. 1842 wurde er Mitglied des Staatsrats und Referent im Justizministerium, 1844 Oberlandesgerichtspräsident. Auch nach 1845 war er (bis 1866) der Vordenker der preußischen Altkonservativen; vgl. ausf. Kraus, Gerlach, passim. 315 Unveröffentlichter Brief Leopold v. Gerlachs vom 23.01.1845 an seinen Bruder Ernst Ludwig, zitiert nach: Kraus, Gerlach, S. 383; vgl. auch Keinemann, Preußen, S. 58–64. 311

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Immerhin wurde jedoch für das rheinische Kommunalwahlrecht mit der Einführung des Dreiklassenwahlrechtes eine befriedigende Kompromißlösung gefunden, woran besonders Graf Arnim und Ernst v. Bodelschwingh beteiligt waren316. Offenbar ermutigte dieser Erfolg den Grafen Arnim zu weiteren Initiativen in der Verfassungsfrage: Zunächst finanzierte er die Veröffentlichung einer Broschüre mit dem Ziel einer „Verständigung über die preußische Verfassungsfrage“317, die sich in erster Linie gegen eine im Ausland veröffentlichte Denkschrift des Königsberger Oppositionellen Johann Jacoby richtete318. Darüber hinaus schlug sie eine Reform der Provinzialstände zugunsten des Bürgertums vor.319 Schließlich wurden die bestehenden Verhätnisse als „consultative ständische Monarchie“ verteidigt, also als „diejenige Staatsform, welche die volle Macht der Krone mit der durch die Schule der Zucht und des Gehorsams gereinigten und geläuterten individuellen Freiheit in sich vereinigt.“320 Nachdem die Verfassungsfrage auf dem rheinischen Provinziallandtag erneut für Diskussionen gesorgt321 und auch Ernst v. Bodelschwingh ein Promemoria über die zu bildenden „Reichsstände“ verfaßt hatte322, arbeitete Arnim auf der Grundlage der königlichen Ausführungen zwei Denkschriften aus, die er dem König mit Bezug auf die Besprechung vom 27. Dezember 1844 am 14. Mai 1845 vorlegte323. In einem Anschreiben erklärte er, er habe (mit Zustimmung des Königs324) versucht, dessen „Plan der ständi316 Gemeindeordnung für die Rheinprovinz vom 23.07.1845. In: GS 1845, S. 523; vgl. dazu Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 100–103; Heffter, Selbstverwaltung, S. 228/29; siehe auch Bornhak, Geschichte III, S. 46–50; Bulle, Geschichte I, S. 321/22. 317 Henning, Verständigung; vgl. dazu Varnhagens Notiz vom 17.03.1845. In: Tagebücher III, S. 47. 318 Jacoby, Das Königliche Wort; vgl. dazu Silberner, Jacoby, S. 133/34. 319 Einerseits sollten zu den Vertretern der Städte auch „besondere Deputirte der Handelskammern und kaufmännischen Corporationen in den größeren Städten, so wie auch nach gewissen Bezirken zu wählende Deputirte der größeren Fabrikbesitzer“ hinzugefügt werden, andererseits würde „der Zuziehung von Deputirten der Universitäten und der Akademie der Wissenschaften wohl kein wesentliches Bedenken entgegenstellen.“ [Henning, Verständigung, S. 14/15] Allerdings wurde die generelle Hinzuziehung von Industriellen sowie der „Intelligenz“ in einer „Beilage A“ verworfen; vgl. ebd., S. 20–32. 320 Ebd., S. 42. 321 Vgl. Bahne, Freiherren, S. 128; Bergengrün, Heydt, S. 69–72. 322 Vgl. Bodelschwinghs Brief vom 03.03.1845 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3949, Bl. 8; vgl. Arnims Notizen über Bodelschwinghs Plan ebd., Bll. 10 + 11. 323 Vgl. Arnims Schreiben vom 13.05.1845 an König Friedrich Wilhelm IV. In: GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 13947, Bll. 1 + 2; außerdem GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 37; siehe auch Bahne, Verfassungspläne, S. 39/40; Holtz, Regierung, S. 128–131; Obenaus, Anfänge, S. 652/53; ders., Verfassung, S. 60, Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 252/53.

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schen Verfassung näher zu bearbeiten, um den definitiven Entschluß darüber vorzubereiten.“ Allerdings betonte Arnim, er sehe sich nicht dazu imstande, die Pläne des Königs „heilsam durchzuführen“. Insofern stellte er den König vor die Alternative, sich entweder auf die Verfassungsvorstellungen seines Innenministers einzulassen oder diesen zu entlassen. In der ersten Denkschrift beschränkte sich Arnim nicht darauf, die Pläne des Königs wiederzugeben, sondern schlug auch einige (nicht unwesentliche) Änderungen vor325. Zunächst schlug er die Bezeichnung „Allgemeine Landstände“ statt „Vereinigter Landtag“ vor. Außerdem sollte die Regierung im Kriegsfall selbständig über Anleihen beschließen dürfen. Vor allem aber sollte der neben dem „Herrenstand“ gebildete zweite Stand unterteilt werden: Ritterschaft, Städte und Landgemeinden sollten getrennt beraten und beschließen326. Der Herrenstand, dem ein Vetorecht zugestanden wurde, sollte aus folgenden Personengruppen bestehen: den Standesherren, den Personen mit Viril- und Kollektivstimmen auf den Provinziallandtagen und schließlich Rittergutsbesitzern, die der König auf Lebenszeit ernennen konnte, auch wenn sie nicht Mitglieder eines Provinziallandtages waren327. Durch das Vetorecht dieses Oberhauses sollte das geplante Steuerbewilligungsrecht der Stände entschärft werden. In seiner zweiten Denkschrift erläuterte Graf Arnim erneut seine Idee einer gewählten Ständeversammlung328: Aus den vier Ständen der Provinziallandtage (Herren, Ritter, Städte und Landgemeinden) sollten zwei Ständekammern hervorgehen. Zur „ersten Ständekammer“ als einer Art Oberhaus 324

Vgl. das Handschreiben des Königs vom 25.05.1845. In: Nachlaß Nr. 3988,

Bl. 7. 325 Original der Denkschrift I des Grafen Arnim vom 13.05.1845. In: GStAPK I: HA Rep. 89 Nr. 13947, Bll. 3–8; dazu Gesetzentwurf A, ebd., Bll. 10–19 und GStAPK I. HA Rep. 77 Tit. 496 Nr. 1 Bd. I, Bll. 14–23; Konzepte in: Nachlaß Nr. 3952, Bll. 1–7 und Nr. 3946, Bll. 1–13. Die Änderungen fehlen bei Holtz, Regierung, S. 129. 326 Gesetzentwurf A, § 11. Dort wurde auch bestimmt: „Jede Kurie stimmt für sich ab. Ein Antrag ist angenommen, wenn zwei Kurien zustimmen.“ Mit diesem Anklang an die Abstimmungen aus der Zeit vor 1789 bewies Graf Arnim historisches Wissen. 327 Gesetzentwurf A, § 13. 328 Original der Denkschrift II des Grafen Arnim vom 13.05.1845, GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 13947, Bll. 21–39; Gesetzentwurf B in: GStAPK Rep. 77 Tit. 496 Nr. 1 Bd. 1 Bll. 24–44; Konzepte in: Nachlaß Nr. 3947, Bll. 1–26, Nr. 3948, Nr. 3050 und Nr. 3951, Bll. 1–63. Der Prinz von Preußen entwickelte ähnliche Vorstellungen wie Arnim; vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 61/62. Dagegen nannte Humboldt Arnims Verfassungsvorschläge „ein plumpes, engherziges Machwerk“ [laut Varnhagen, Tagebücher II, S. 354]. Siehe zu Arnims Plänen auch Obenaus, Anfänge, S. 652/53 (auf der Grundlage von Gesetzentwurf B); Stern, Geschichte Europas von 1830 bis 1848 III, S. 252/53.

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sollten außer den in Entwurf A für den Herrenstand vorgesehenen Personen auch noch „Besitzer von Familien-Fideikommissen“ gehören329. Die zweite Kammer sollte als eine Art Unterhaus aus je 70 Abgeordneten der Ritterschaft, der Städte und der Landgemeinden bestehen, also aus 210 Abgeordneten330. Den Städten sollte dabei die Wahl von zehn Abgeordneten zugestanden werden, die nicht Mitglied eines Provinziallandtages waren331, um insbesondere Aufsteigern wie Fabrikanten, aber auch Vertretern der Universitäten die Mitgliedschaft zu ermöglichen. Sowohl die Reichsstände als auch die Provinziallandtage sollten künftig eine vierjährige Periodizität besitzen. Außerdem war ein Auflösungsrecht vorgesehen, das in den Entwürfen des Königs fehlte332. Graf Arnim hatte bisher nur beratende Stände befürwortet, bei denen ein Zweikammersystem unnötig gewesen wäre. Nun legte er seinen Vorschlag einer gewählten Ständeversammlung auf der Grundlage eines Zweikammersystems vor, weil er hoffte, damit den König eher für seinen Plan gewinnen zu können. Darüber hinaus stellten seine beiden Entwürfe den (vergeblichen) Versuch dar, die Absicht des Königs zu entschärfen, den Ständen das Steuerbewilligungsrecht zu verleihen. Erneut schlug Graf Arnim eine sinnvolle Alternative zu den weltfremden Plänen des Königs vor, doch mußte auch diese Initiative daran scheitern, daß der König für sich eine höhere Einsicht reklamierte und allen realpolitischen Argumenten verschlossen blieb333. Nachdem der König am 22. Mai befohlen hatte, „als Grundlage anzunehmen, daß Allerhöchstdieselben nicht Reichsständen, nicht allgemeinen Landständen, sondern nur Ausschüssen der Provinziallandtage die Rechte der letzteren beilegen wollen“334, beschloß Graf Arnim, „definitif“ zurückzutreten335, und reichte am 23. Mai 1845 erneut ein Entlassungsgesuch ein, das er mit unüberbrückbaren Gegensätzen in der „Behandlung der ständischen Verhältnisse“ begründete336. Am folgenden Tage legte er dem König 329

Gesetzentwurf B, § 2.e. Die Zahl der auf Lebenszeit ernannten Rittergutsbesitzer wurde dabei auf 50 begrenzt, so daß diese nicht die Majorität bilden konnten (Ebd.). 330 Ebd., § 4. Dabei sollten die größeren Provinzen Preußen, Schlesien und Rheinland je 10 Abgeordnete wählen, die übrigen fünf Provinzen je acht (Ebd.). 331 Ebd., § 4. Vorgesehen waren zwei Abgeordnete aus Berlin und je einer aus Königsberg, Breslau, Danzig, Magdeburg, Stettin, Elberfeld und Barmen, Köln und Aachen. 332 Ebd., § 12: „Die reichsständische Versammlung kann jederzeit von Uns wieder entlassen, ebenso eine neue Wahl der zweiten Ständekammer durch die Provinziallandtage angeordnet werden.“ 333 Vgl. dazu Hildebrand, Ich und mein Haus, S. 34; Kroll, Monarchie, S. 54–56, zuletzt auch Holtz, Regierung, S. 130. 334 Denkschrift Arnims vom 24.05.1845. In: Nachlaß Nr. 3988, Bll. 5 + 6.

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außerdem eine Denkschrift vor, in der er sich trotz der definitiven Entscheidung des Königs erlaubte, „nochmals auf die bestehenden Gesetze aufmerksam zu machen“337. Auf Grund der Gesetze über die Provinzialstände vom 5. Juni 1823 und über die ständischen Ausschüsse vom 21. Juni 1842 dürften den allgemeinen Landständen vorbehaltene Rechte nicht ohne Anhörung der Provinziallandtage an ständische Ausschüsse übertragen werden. Darum habe der König auf Grund der Gesetzeslage nur die Wahl, entweder auf die geplante „Uebertragung der Rechte der Provinziallandtage an die Ausschüsse“ zu verzichten oder „zur Bildung allgemeiner Landstände“ zu schreiten oder aber den „Beirath der Provinziallandtage über die Bildung der ständischen Central-Versammlung vorher“ einzuholen, „welches letzteres nicht in Euro Majestät Absicht liegt, und auch nach meiner Meinung ein höchst gefährliches Verfahren sein würde.“ Auf Grund dessen bezeichnete Arnim das Projekt des Königs, sowohl Vereinigte Ausschüsse als auch einen Vereinigten Landtag mit jeweils beschränkten Rechten zu bilden, für „unausführbar“. Der König ging in einem sehr emotionalen Handschreiben auf Arnims konkrete Bedenken gar nicht ein, sondern sandte ihm das Entlassungsgesuch und die Denkschrift mit dem Hinweis zurück: „Die Leidenschaftlichkeit ertheilt nie guten Rath.“338 Außerdem warf er dem Grafen vor, ihn kurz vor einer längeren Reise mit seinem Abschiedsgesuch belästigt zu haben339. Darüber hinaus äußerte der König seine Verwunderung darüber, „daß Sie in einer unbegreiflicher u unverständlicher Weise den Abschied v neuem begehren, weil ich der Arbeit, die ich genehmigt hatte, daß Sie sie verfechten Beyfall gegb. habe, dagegen einer anderen, die ich weder bestellt noch eigentlich erwartet haben konnte, diesen meinen Beyfall versagen mußte u zwar aus Gründen die Ihnen seit 3 Jahren auf das Allergenaueste bekant waren u in einer Form die Ihnen einen gerechten Dank, auch für Unbestelltes u Unerwartetes klar machen mußte.“ Damit bewies 335 Vgl. Nachlaß, Nr. 3926, Bl. 2. Auf diesem Zettel notierte Graf Arnim: „17. May 1844 schon einmal um Entlassung gebeten – Schreiben des Königs hirüber. . . . Entschieden nochmals 29/11.44 – 23/5 definitif.“ 336 Entlassungsgesuch vom 23.05.1845. In: Nachlaß Nr. 3926, Bll. 7 + 8; Konzept ebd., Bll. 9 + 10. 337 Denkschrift Arnims vom 24.05.1845. In: Nachlaß Nr. 3988, Bll. 5 + 6; dort auch die folgenden Zitate. 338 Handschreiben des Königs vom 25.05.1845 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3988, Bl. 7; dort auch die folgenden Zitate. 339 Gerade dieser Vorwurf ärgerte den Grafen außerordentlich, und er versuchte in einem längeren Schreiben am 27.05.1845 zu beweisen, „daß der Vorwurf der Leidenschaftlichkeit und Rücksichtslosigkeit, der mir zum ersten Male in meiner dienstlichen Laufbahn gemacht worden, mich auch an deren Schluß in unverdienter aber schmerzlicher Weise getroffen hat.“ [Nachlaß Nr. 3926, Bll. 16–19]

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der König, daß er Arnims Beweggründe nicht im mindesten verstanden hatte, denn dieser entwickelte ja nicht einen Vorschlag nach dem anderen, um den „Beyfall“ des Königs zu erringen, sondern um die vom König hartnäckig befürwortete Veränderung der preußischen Verfassung zu verhindern, die er (zu Recht) für fragwürdig hielt. Darüber hinaus bewies der König hier einmal mehr seinen (trotz gegenteiliger Bekundungen vorhandenen) Hang zu einem absolutistischen Regierungsstil340, indem er ernste juristische Bedenken gegen seine Pläne mit der Bemerkung abtat, er habe um diesen Rat nicht gebeten. Schließlich rief der König, dabei Arnims Entlassungsgesuch annehmend, in seinem romantischen Duktus aus: „So dürfen wir nicht scheiden. So wäre es unmöglich als Freunde zu scheiden. Was ich aber thun kann, daß wir als Freund scheiden, thue ich redlich. Erkennen Sie das auch in diesem Schritt. Nach der Reise sprechen wir ruhig u friedlich von unseren Verhältnissen u unsrer Zukunft.“341 Graf Arnim ließ sich jedoch vom König nicht umstimmen, sondern beharrte auf seinem Abschied. Auch das Angebot, als Gesandter nach Wien zu gehen, lehnte er ab342. Daraufhin bestätigte der König Arnims Rücktritt am 7. Juli 1845, forderte ihn aber zugleich dazu auf künftig wieder im Staatsrat mitzuarbeiten343. e) Beurteilung von Arnims Tätigkeit als Innenminister Der König war mit Arnim während dessen dreijähriger Amtszeit häufiger unzufrieden. In der Zensurpolitik kam es nicht nur im Falle der Bettina von Arnim zu Auseinandersetzungen, da der König ein „Polizeiregime“ verabscheute344. Allerdings war Graf Arnim (trotz harter Entscheidungen in der Sache345) vor allem auf die penible Einhaltung der Gesetze und Verordnun340 Der König behandelte nicht selten seine Minister wie Lakaien, und „auch das Verhältnis Friedrich Wilhelms IV. zu Graf Arnim kann erst vor dem Hintergrund dieses königlichen Selbstverständnisses voll und ganz erfaßt werden.“ urteilte Kraus [Gerlach I, S. 300]. 341 Diesen herzlich klingenden Worten steht entgegen, daß sich der König über Arnim laut Varnhagens Aussage „sehr hart“ geäußert habe [Varnhagen, Tagebücher III, S. 57]. 342 Vgl. die Tagebuchnotiz seiner Frau. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 38. 343 Kabinettsordre vom 07.07.1845. In: Nachlaß Nr. 3926, Bl. 21; vgl. auch die Notiz in der Allgemeinen Preußischen Zeitung [APZ Nr. 192, So. 13.07.1845], die Graf Arnim aufbewahrte [Nachlaß Nr. 3988, Bl. 3]. 344 Vgl. dazu auch Arnims langatmige Rechtfertigung vom 29.11.1844. In: Nachlaß Nr. 3968, Bll. 43–49; Antwort des Königs vom 30.11.1844 ebd., Bl 50. 345 Außer der Ausweisung Itzsteins und Heckers erregte auch der Fall des schlesischen Fabrikanten Schlöffel Aufsehen, der auf Grund von fragwürdigen Verdachtsgründen einer kommunistischen Verschwörung beschuldigt und inhaftiert wurde.

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gen bedacht, also kein „Polizeiminister“, der einen möglichst mächtigen Polizeiapparat aufzubauen versuchte: 1843 lehnte Arnim es sogar „der ehrlichen Kosten wegen“ ab, das 1829 in London eingeführte Konstabler-System zu übernehmen346. Dieser Verzicht auf eine Verstärkung der Polizeikräfte sollte sich 1848 als Fehlentscheidung herausstellen347. Die Spekulation, Graf Arnim habe auf Grund dieser Polizeiaktion zurücktreten müssen, dürfte schon darum unzutreffend sein, weil Arnim von der Aktion eher abgeraten hatte348. Außerdem hegte der König für Itzstein und Hecker (anders als für Bettina von Arnim) keinerlei Sympathien. Vor allem aber beleuchtet der (ausführlich behandelte) Konflikt des Grafen mit dem König darüber, wie das preußische Verfassungswesens weiter ausgestaltet werden sollte, in etlichen Passagen die Motive für den Rücktritt des Grafen als Innenminister. Bemerkenswert ist dabei, daß der König dem Grafen Arnim sein Wohlwollen bewahrte: Trotz mehrfacher Differenzen hatte dieser am 18. Januar 1843 den „Stern zum rothen Adler-Orden Zweiter Klasse mit Eichenlaub“349 und am 18. Januar 1845 den „rothen AdlerOrden Erster Klasse mit Eichenlaub“350 erhalten. Und nach Arnims Entlassung besuchte er ihn im Herbst 1845 auf Boitzenburg zu einem Jagdausflug351, was umso auffälliger sein mußte, als der König kein großer Jäger war. Offenbar war es nicht nur eine Geste, daß der König den Grafen Arnim bei seiner Entlassung zur Arbeit im Staatsrat verpflichtet hatte352, sondern das Bestreben, den Boitzenburger nicht ganz aus seinen Diensten zu entlassen. Allerdings dürfte die Verantwortung dafür eher bei dem zuständigen Polizeidirektor Stieber gelegen haben; vgl. Kaufmann, Geschichte, S. 258. 346 Zitiert nach Heinrich. In: Berlin 1848, S. XLIV, FN 51. 347 Die Tatsache, daß trotz zunehmender Unruhen die Stärke der Polizei im Berliner Raum weder von Innenminister Gustav Adolf v. Rochow (1834–1842) noch von Graf Arnim (1842–1845) oder Ernst v. Bodelschwingh (1845–1848) erhöht wurde, sondern Sicherheitsprobleme mit schwer nachzuvollziehender Großzügigkeit behandelt wurden, sollte sich im März 1848 bitter rächen: Die Schwäche der Polizei machte den Einsatz des Militärs zur ultima ratio, um der Unruhen Herr zu werden; vgl. Heinrich, Geschichte Preußens, S. 360. 348 Vgl. Kap. II.2.a). Bereits in der Deutschen Zeitung wurde vermutet [Ausgabe vom 05.04.1849, 2. Beilage], daß weniger die Differenzen mit dem König Arnims Abgang verursacht habe als vielmehr „die Ausweisung von Itzsteins und Heckers, die er wohl nur aus Großmuth auf sich genommen“ habe. Auch Varnhagen [Tagebücher III, S. 78–101] ist hier nicht besonders gut informiert: Er mutmaßt noch im Juni über Arnims Entlassung, während dieser bereits am 23. Mai um seine Entlassung gebeten hatte. Diese Annahme findet sich noch bei Meyer-Hepner, Magistratsprozeß, S. 15; Mieck, Reformzeit, S. 592; siehe auch Steinmann, Geschichte, S. 384. 349 Vgl. Nachlaß Nr. 3786, Bl. 21. 350 Vgl. ebd., Bl. 24. 351 Notiz Varnhagens vom 11.12.1845 in: Varnhagen, Tagebücher III, S. 263. 352 Vgl. Nachlaß Nr. 3926, Bl. 21.

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Arnims Rücktritt, der von mehreren seiner Kollegen bedauert wurde353, war in erster Linie keine Niederlage der reformorientierten Staatskonservativen gegen den altkonservativen Zirkel um den König. Vielmehr hatten die reformorientierten Konservativen den eigenwilligen König selbst nicht von der Notwendigkeit einer behutsamen Modernisierung Preußens mit dem Ziel einer Stabilisierung der Verhältnisse überzeugen können354. Bezeichnend ist auch die Tatsache, daß gemäß Arnims Vorschlag zwar eine Verfassungskommission gebildet wurde, jedoch unter der Leitung des neuen Innenministers Bodelschwingh und ohne Beteiligung des Grafen Arnim355. Allerdings hatte nicht etwa Bodelschwingh Arnim aus dem Amte gedrängt, denn der Boitzenburger hatte ja selbst seine Entlassung betrieben. Darüber hinaus standen die beiden in einem guten Verhältnis zueinander356. Außerdem bat Bodelschwingh, der das Innenministerium zunächst nur provisorisch übernommen hatte, den König wegen Differenzen in der ständischen Frage bereits 1846 um seine Entlassung357. Graf Arnim konnte es sich auf Grund seiner ökonomischen Unabhängigkeit erlauben, sich auf seine Boitzenburger Güter zurückzuziehen 358, statt wider besseres Wissen den Sündenbock für eine verfehlte Politik zu spielen359 und den sprunghaften Launen des Königs zu folgen360.

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Vgl. die Schreiben Savignys (Ebd., B. 23.), Naglers (Ebd., Bl. 24.), Uhdens (Ebd., Bl. 25.), Natzmers/Raumers (Ebd., Bl. 26. ) und andere mehr (Ebd., Bll. 27– 50.); siehe auch Nachlaß, Nrr. 3927 + 28. 354 Vgl. dazu auch Kap. II.4. Dies legt ein Bericht des österreichischen Gesandten Trautmannsdorff vom 1. Juli 1845 nahe; siehe das ausführliche Zitat in Keinemann, Preußen, S. 71. Nach Kliem [Genesis, S. 141–159] fanden im Sommer 1845 regelrechte „Palastkämpfe“ statt; allerdings erwähnt er Arnim in diesem Zusammenhang nicht. 355 Treitschke [Deutsche Geschichte V, S. 591; siehe auch ebd., S. 260/61] verdreht die Tatsachen allerdings insofern, als er suggeriert, der König habe Arnim auf Grund seines Widersprechens von sich aus entlassen und nicht auf Grund von Arnims dringender Bitte. 356 Am 7. Mai 1843 redete Bodelschwingh Arnim in einem eigenhändigen Schreiben mit „Verehrter Freund“ an [Nachlaß Nr. 3921, Bl. 16; vgl. auch den Brief vom 07.01.1847. In: 3990, Bl. 1]. 357 Vgl. Diest, Erlebnisse, S. 36–41. 358 Arnim ging im Juli nach Boitzenburg und blieb dort auch den ganzen Herbst; vgl. das Tagebuch seiner Frau. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bll. 38 + 39; siehe auch Deutsche Zeitung vom 05.04.1849, 2. Beilage; auch in: Nachlaß Nr. 3779, Bl. 49. 359 Bereits am 5. Dezember 1842 hatte Brünneck an Alfred von Auerswald geschrieben, daß statt des Königs seine Minister (und besonders Graf Arnim) beschimpft würden, „denen man doch nur mit Recht vorwerfen kann, daß sie sich in Ermangelung aller Selbständigkeit zu Sünden Böcken und Prügel Jungen hergeben.“ Zitiert nach Herre, Verfassungskampf, S. 363; ähnlich urteilte auch Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 163.

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Insofern war der Rücktritt des Grafen Arnim (wie schon zuvor der Rückzug des Grafen Alvensleben361) symptomatisch für die sich zunehmend abzeichnende Krise der Monarchie362: Einerseits ließ das Wachsen der oppositionellen Bewegung erkennen, daß sich die Monarchie mit ihren acht „reichsständisch“ agierenden Landtagen zunehmend als unregierbar erwies363, andererseits waren die dringend notwendigen Reformen nicht durchsetzbar. Der König neigte zu einer Selbstregierung im Stile Friedrichs des Großen, ohne dazu in der Lage zu sein364. Dazu trat das Bestreben, häufig die verantwortlichen Minister zu entlassen, selbst aber unverantwortlich zu bleiben365. Daß der König aber eben dies versuchte, mutet um so merkwürdiger an, als der König theoretisch den Absolutismus verabscheute und vielmehr vom Ideal einer ständischen Monarchie träumte366. Ihm war nicht klar, wie sehr er seinen Urgroßonkel (allerdings vergeblich) zu imitieren versuchte367. 360 Vgl. Varnhagens plastische Darstellung vom 11.08.1843. In: Varnhagen, Tagebücher II, S. 203/04. Vergeblich hatte sich Arnim darum bemüht, die Arbeit des Staatsministeriums effizienter zu gestalten; vgl. ebd., S. 164. 361 Vgl. Keinemann, Preußen, S. 69–72; Obenaus, Immediatkommission, S. 423. 362 Vgl. Görlitz, Junker, S. 240. 363 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 649. 364 Schon Otto Hintze [Monarchisches Prinzip, S. 743] beurteilte den Regierungsstil des Königs sehr kritisch: „Das Maß der persönlichen Einmischung in die Geschäfte, wie es Friedrich Wilhelm IV. für nötig hielt, wird als zu hoch gegriffen bezeichnet werden müssen. Das Ideal Friedrich Wilhelms IV. vom ,gehorsamen Minister‘ läßt sich in einem konstitutionellen Staat nicht realisieren.“ Zuletzt untersuchte Bärbel Holtz den Regierungsstil Friedrich Wilhelms IV. anhand der Ministerialakten und kam zu anderen Ergebnissen als der Verfasser bei der Durchsicht der Privatpapiere des Grafen; vgl. Holtz, Regierungsstil, bes. S. 86/87; dies., Ostrakismos, S. 114–132. Es erscheint dem Verfasser nach wie vor fraglich, ob der König, der seine Minister eher als „Werkzeuge seines Willens“ [Barclay, Anarchie, S. 97; vgl. auch ebd., S. 99/100.] ansah, wirklich „an einer „kollegialen Meinungsbildung seiner Minister“ interessiert war [Holtz, Regierungsstil, S. 89.] oder eher daran, seine Berater von seiner persönlichen Auffassung zu überzeugen; dabei wäre zu beachten, daß eine gemeinsame Beratung nur dann zwangsläufig als Abkehr vom Absolutismus zu deuten wäre, wenn der König in jeder Frage von der Mehrheit überstimmt werden könnte, insbesondere dann, wenn dieser auf seiner abweichenden Meinung beharrte, wie er es in der Verfassungsdiskussion mit großer Hartnäckigkeit tat. 365 Friedrich der Große hatte erklärt, jedem Staatsmann stehe das Recht zu, einen Bedienten wegzujagen; vgl. Hartung, Geschichte, S. 706. Trotzdem behielt noch im 18. Jahrhundert die Mehrzahl der Minister ihr Amt bis zur völligen Dienstunfähigkeit oder bis zum Tode; vgl. ebd. Dagegen nahm Friedrich Wilhelm IV. dieses Recht in großem Umfang in Anspruch, so daß 1848 die Kabinette nach wenigen Wochen ausgewechselt wurden. 366 Vgl. dazu zuletzt Kroll, Monarchie, S. 50/51. 367 Vgl. Kroll, Monarchie, S. 52. Es ist darum nicht verwunderlich, daß dem Mann, der es am längsten als verantwortlicher Leiter der Politik unter Friedrich Wilhelm IV. aushielt, Otto v. Manteuffel, häufig „Absolutismus“ vorgeworfen

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Arnims Rücktritt hatte noch ein (nicht nur für den Grafen überraschendes) Nachspiel: In Leipzig erschien im „Verlag von Otto Wigand“ als anonyme Broschüre „Das administrative Glaubens-Bekenntniß des Königl. preussischen Ministers des Innern Grafen von Arnim“368. Darin wurde, eingekleidet von einigen kommentierenden Worten, ein Erlaß des Grafen Arnim vom 10. April 1843 abgedruckt, in dem er sich gegen eine allzu scharfe „Beaufsichtigung der öffentlichen Zustände“ aussprach369, da er „stets ein entschiedener Gegner allen Mißtrauens, aller ängstlichen Beobachtung, aller Zuträgerei, allen Eindringens in Privat-Verhältnisse gewesen“ sei370. Der Anonymus bemerkte dazu, Graf Arnim sei deshalb „der erste deutsche Minister, der, nicht etwa dem Volke, um ihm zu schmeicheln, sondern seinen eigenen Unterbehörden gegenüber das Vertrauen des Volkes als unerläßliche Bedingung für seine Verwaltung offen und ohne Einschränkung ausgesprochen hat“ und wertete Arnims Aussage als Bekenntnis zum Konstitutionalismus371. Graf Arnim war natürlich von dieser Broschüre, an deren Ende zudem Friedrich Engels Buch über „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ angezeigt wurde, peinlich berührt, denn nichts stand ihm ferner als ein derartiges Bekenntnis372. Dies dürfte auch niemand vermutet haben. Allerdings belegte die Broschüre, daß Arnim nicht etwa wegen reaktionärer Ansichten zum Rücktritt gezwungen worden war. 3. Die Bildung des ersten Vereinigten Landtags (1845–1847) Der Ende Juni 1845 vom König neu eingesetzten Verfassungskommission, die monatelang über die Verfassungsreform beriet373, gehörte Graf Arnim nicht an und auch nicht Prinz Wilhelm, der Vorsitzende der Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten374. Damit trat das Gegenwurde. Manteuffel setzte eher den Absolutismus des Königs um, und seine Stellung beruhte geradezu darauf, daß er dem schwierigen Charakter des Königs zu entsprechen vermochte; vgl. Kap. IV, passim. Bezeichnend ist auch, daß sich der König 1848 von seinen Ministern „tyrannisiert“ fühlte [Haenchen, Revolutionsbriefe, S. 104]. 368 [anonym:] Das administrative Glaubens-Bekenntniß des Königl. preussischen Ministers des Innern Grafen von Arnim. Leipzig 1845. 369 Ebd., S. 7. 370 Ebd., S. 10. 371 Ebd., S. 13. 372 Vgl. dazu auch Arnims Schreiben vom 24.09.1845 an die Redaktion der Kölnischen Zeitung. In: Nachlaß Nr. 3927, Bl. 6. Er wandte sich damit gegen die Ausgabe der KZ Nr. 213, Fr. 01.08.1845 [Ebd., Bl. 8]; sein Schreiben wurde am 24.09. in der KZ abgedruckt [Ebd., Bl. 12]. 373 Vgl. Keinemann, Preußen, S. 73–75; Obenaus, Anfänge, S. 653–655. 374 Sie umfaßte zunächst nur die Minister Bodelschwingh, Bülow, Canitz, Savigny und Uhden sowie den Landtagsmarschall Adolf v. Rochow-Stülpe. Später

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teil dessen ein, was der Boitzenburger erreichen wollte, als er die Ausschaltung der Immediatkommission vorschlug, um eine größere Effizienz der Verfassungsarbeit zu erreichen375. Obwohl der Prinz von Preußen ähnliche Ansichten vertrat376, befaßte sich die Kommission auf Befehl des Königs nicht mit Arnims „Gesetzentwurf B“377. Trotzdem wurden zwei seiner Bedenken aufgegriffen: das Problem, daß der Vereinigte Landtag nicht aufgelöst werden konnte, ohne zugleich alle acht Provinziallandtage aufzulösen, und das juristisch fragwürdige Nebeneinander von Vereinigten Ausschüssen und Vereinigtem Landtag. Deshalb hätte die Mehrheit der Verfassungskommission am liebsten den Vereinigten ständischen Ausschuß zu einer Ständeversammlung ausgebaut378. Der König beharrte jedoch auf seinen Vorstellungen, und bootete am 11. März 1846 auch die widerspenstige Verfassungskommission aus, indem die Beratungen wieder der Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten übertragen wurden379. Die vom Grafen Arnim vorgeschlagene Verfassungskommission hatte sich deshalb als überflüssig erwiesen, weil sie lediglich einige Bedenken äußerte, die dem König bekannt waren und die zu ignorieren er längst beschlossen hatte. Graf Arnim hatte sich zwar im Sommer 1845 auf seinen Gütern in der Uckermark aufgehalten380, doch zog er sich nicht ganz ins Privatleben zurück. Vielmehr nahm er die Aufforderung des Königs aus seiner Entlaswurden auch noch die Minister Thile und Rother sowie der Landtagsmarschall Fürst zu Solms-Lich hinzugezogen; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 652. 375 Vgl. Arnims Promemoria vom 25. Mai 1844 über notwendige Verfassungsprojekte. In: Nachlaß Nr. 3960, Bll. 1–14; dort auch die folgenden Zitate [Die Beschriftung der Akte ist irreführend]. Ein Exemplar auch in: GStAPK Nr. 13926, Bll. 7– 20; siehe dazu auch Kap. II.2. Treitschke [Deutsche Geschichte V, S. 591] erkannte nicht, daß dies Arnims Vorschlag entsprach. 376 Prinz Wilhelm legte dem König im November 1845 einen Plan vor, der (ähnlich wie Arnims) eine aus 150 Abgeordneten der Provinziallandtage bestehende Versammlung vorsah; vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 66–78; Berdahl, Politics, S. 334. 377 Ludwig v. Gerlach notierte am 8. Dezember 1846 in sein Tagebuch, „Graf Arnims Gutachten über Entwicklung der ständischen Verfassung habe der König [nach Aussage Leopold v. Gerlachs, WN] eine Schuljungenarbeit – mit Recht – genannt.“ [zitiert nach Schoeps, Neue Quellen, 347; vgl. auch Obenaus, Anfänge, S. 656] Siehe zu Arnims Entwurf einer von den Provinziallandtagen gewählten Ständeversammlung ausf. Kap. II.2. 378 Vgl. dazu Obenaus, Anfänge, S. 657/58; siehe auch Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 593/94. 379 Vgl. Keinemann, Preußen, S. 75; siehe auch Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 594. 380 Vgl. Kap. II.2.

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sungsurkunde auf und beteiligte sich seit dem Oktober 1845 an den Beratungen des Staatsrates381, besonders denen über das Strafgesetzbuch382. Im Juli 1846 eröffnete sich dem Grafen Arnim dann überraschend die Möglichkeit zur Rückkehr in Staatsministerium: Als Eduard Heinrich v. Flottwell, sein Vorgänger in Posen, als Finanzminister entlassen wurde, wurde nach langen Überlegungen dem Grafen Arnim das Ministerium angetragen383, der offenbar als „Krisenmanager“ die verfahrene Finanzsituation meistern sollte. Arnim lehnte es jedoch auf Grund der unterschiedlichen Auffassungen zwischen ihm und dem König in der Verfassungsfrage ab, erneut in das Kabinett einzutreten384. Neuer Finanzminister wurde daraufhin der Geheimrat Franz v. Duesberg, der auch kein Finanzfachmann war. Vom 11. März 1846 bis zum 21. Januar 1847 beriet die Immediatkommission über die Vorlagen der Verfassungskommission385. Dabei konnte Prinz Wilhelm gegen Bodelschwingh und Canitz durchsetzen, daß im Vereinigten Landtag wenigstens eine Herrenkurie gebildet wurde386, auch wenn kein echtes Zweikammersystem eingeführt wurde. Nachdem bis zum 17. Dezember 1846 die Gesetzentwürfe und königlichen Botschaften erstellt worden waren, die dem Vereinigten Landtag vorgelegt werden sollten, waren die Arbeiten nahezu beendet387. Kurz vor der Veröffentlichung der Patente gab es jedoch zum letzten Male Widerspruch: Prinz Wilhelm trug erneut ernste Bedenken vor388, und auch Graf Arnim legte dem König am 3. Januar 1847 eine Denkschrift vor389. In einem Begleitschreiben betonte er, er wolle nicht grundsätzlich 381

Vgl. Nachlaß Nr. 3862, Bll. 1–10. Vgl. ebd., Bll. 4–10; siehe auch die umfangreichen Materialien in: Nachlaß Nrr. 4018–4022. 383 Vgl. das Tagebuch von Arnims Frau. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 40; Varnhagen, Tagebücher III, S. 425. 384 Vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 495. Arnim wurde das Amt deshalb angeboten, weil der einzige geeignete Kandidat für das Ministerium, Kühne, der 1848 zeitweilig das Finanzministerium verwaltete, dem König nicht gefallen hatte. 385 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 79–94; Obenaus, Anfänge, S. 654/55. Arnim nahm an diesen Beratungen nicht teil; vgl. sein Schreiben an den König. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 29. 386 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 86–92; Dallinger, Canitz und Dallwitz, S. 65/66; Meinecke, Boyen II, S. 583; Stern, Geschichte Europas von 1830–1848 III, S. 258–261; Obenaus, Anfänge, S. 660/61. 387 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 666; siehe auch Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 595. Damit hatte die Immediatkommission für die ständischen Angelegenheiten ihre letzte Arbeit vollbracht; sie wurde nach dem Scheitern des Vereinigten Landtages 1847 aufgelöst, da sie ihre politischen und bürokratischen Funktionen verloren hatte; vgl. Obenaus, Immediatkommission, S. 443. 388 Vgl. Treitschke, Geschichte V, S. 752–757. 382

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gegen die Pläne des Königs opponieren, sondern lediglich „Euro Majestät Aufmerksamkeit für einen, wie mir scheint, wichtigen Punkt“ erbitten, jedoch „nicht aus einem dem Plane E.K.M. entgegengesetzten oder davon abweichenden Standpunkte, sondern aus dem Standpunkte dieses Planes selbst“390. Ihm ginge es lediglich um die Stärkung „des von Euro Majestät für nothwendig erkannten conservativen Gegengewichtes“. In der Denkschrift wies Graf Arnim einleitend auf die Notwendigkeit hin, „zur Wohlfahrt des Vaterlandes“ ein Gleichgewicht zwischen zwei politischen „Hauptrichtungen“ herzustellen: dem Streben nach „fortschreitender Verwandlung der sozialen Zustände“ und dem nach „ihrer möglichen Erhaltung“391. Deshalb begrüßte Arnim, daß der König „zur Verstärkung des conservativen Gegengewichtes gegen das in der Zeit liegende allzu rasche Vordrängen der Bewegungsparthei eine Vermehrung des Herrenstandes in den allgemeinen Ständen zu verordnen geruht“ habe. Er wies den König anschließend darauf hin, daß eine entsprechende Stärkung des Herrenstandes in den vereinigten Ausschüssen, die auf Grund ihrer periodischen Einberufung und des Rechtes der Beratung allgemeiner Gesetze an Einfluß gewännen, noch ausstehe. 1842 habe der Herrenstand nur vier Vertreter in die Ausschüsse entsandt. Es sei höchst problematisch, „wenn in der engeren aber ebendeshalb um so thatkräftigeren, periodisch wiederkehrenden Centralversammlung“, „dort also, wo periodisch die bewegenden Tendenzen der Zeit ihren stärksten und conzentrirtesten Ausdruck finden werden, die Krone einer Wahlkammer ohne conservatives Gegengewicht gegenüber stehen würde, und statt über den Partheien zu stehen, conservative Partei werden müßte.“ Außerdem würde bei der jetzigen Regelung „dem Herrenstande, der mit allen Banden in den preußischen Boden festgewachsen ist, der von jeder Umgestaltung praktisch in der Regel am stärksten betroffen wird“, nur die Zuschauerrolle dabei überlassen, „wie über seine wichtigsten Interessen abgestimmt würde, ohne sie auch nur einmal wahrnehmen zu können.“ Außerdem hätten die Ausschüsse (in der Zusammensetzung von 1842) nur „30 Mitglieder der rechten Seite, wogegen 68 Mitglieder der Ritterschaft, Städte und Landgemeinden der linken Seite angehören dürften.“ Arnim befürwortete allerdings keine sofortige Änderung 389 „Ständische Verhältnisse und Gesetzgebung Winter 1846/47“ In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 28–66; dort Geschäftsordnung VL ebd., Bll. 68–72; sowie Entwurf mit Glossen Arnims ebd., Bll. 95–99; vgl. Heinrich, Geschichte Preußens, S. 355/ 56; Holtz, Regierung, S. 137. 390 Schreiben Arnims vom 03.01.1847 an den König. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 29 + 42. Dort auch das folgende Zitat. Vgl. dazu Arnim, Märkischer Adel, S. 80; Heinrich, Geschichte Preußens, S. 355; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 599. 391 Denkschrift vom Dezember 1844. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 30–41; dort auch die folgenden Zitate. Diese Denkschrift legte Arnim auch dem Prinzen von Preußen vor; vgl. sein Schreiben vom 05.01.1847. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 51.

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dieses Sachverhaltes, sondern plädierte dafür, zunächst den Verlauf des Vereinigten Landtages abzuwarten und schlug vor, einstweilen lediglich zu verfügen, daß „die nähere Bestimmung über die Zahl und Zusammensetzung ihrer Mitglieder aber der Allerhöchsten Bestimmung vorbehalten bleibe“. Dadurch bleibe „der Krone für die Formation der Ausschüsse nicht allein eine wünschenswerthe Freiheit, sondern auch die Gelegenheit zur Berücksichtigung der Resultate des allgemeinen Landtages.“ In einer weiteren Denkschrift befürwortete Arnim die Bewilligung der Periodizität für den Vereinigten Landtag392, doch erneut wurden seine Vorschläge nicht berücksichtigt393, obwohl sie ausdrücklich die prinzipiellen Entscheidungen des Königs akzeptierten und lediglich versuchten, einer Instrumentalisierung des Vereinigten Landtages und der Ständischen Ausschüsse seitens der Opposition durch konservative Sicherungen und begrenzte Zugeständnisse vorzubeugen. Am 3. Februar 1847, dem 34. Jahrestag des Patentes Friedrich Wilhelms III. „An mein Volk“ erging das königliche Patent über die „ständischen Einrichtungen“394, das ergänzt wurde durch die „Verordnung über die Bildung des vereinigten Landtages“395. In ihm wurde mitgeteilt, daß die im Gesetz über die Provinzialstände von 1823 angekündigten „allgemeinen Landstände“, die den im Staatsschuldengesetz von 1820 genannten „Reichsständen“ entsprächen, unter dem Namen eines „Vereinigten Landtages“ einberufen werden würden, der neben den vereinigten Ausschüssen stehen sollte396. Diese sollten dessen Vertretung übernehmen, wenn der Vereinigte Landtag nicht einberufen war. Beide Organe waren für die Beratung allgemeiner Gesetze zuständig, wirkten an der Verwaltung der Staatsschulden mit und hatten „das Petitionsrecht über innere, nicht bloss provinzielle Angelegenheiten.“ Allerdings sollte nur der Vereinigte Landtag neue Anleihen sowie Steuererhöhungen beschließen dürfen397. 392

Entwurf einer (undatierten) Denkschrift. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 85–89. Zwei Schreiben des Königs. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 77 und 78/79; Antworten Arnims ebd., Bll. 82–84 und 85–89; weitere Konzepte ebd., Bll. 90–94. 394 Bleich, 1. VL I, S. 3/4; vgl. dazu Obenaus, Anfänge, S. 656–666; Valentin, Geschichte I, S. 61; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 597–599. Asmus [Verfassungsadresse, S. 1339] nannte das Patent „die oktroyierte ,Verfassung‘ vom 3. Februar 1847“. 395 Bleich, 1. VL I, S. 4–7; dort auch die folgenden Zitate; siehe zum Vereinigten Landtag auch Berdahl, Politics, S. 333–347; Eickenboom: Vereinigter Landtag, passim; Koch, Deutsche Geschichte, S. 240–242; Valentin, Geschichte I, S. 61–82. 396 Bleich, 1. VL I, S. 3. Dabei wurde bewußt ein Hinweis auf das Verfassungsversprechen von 1815 vermieden, in welchem eine „Repräsentation des Volkes“ angekündigt worden war; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 658. 397 Der König schuf mit der Bildung einer „Deputation für das Staatsschuldenwesen“ sogar ein weiteres Gremium, das im Falle „eines zu erwartenden oder 393

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Der König hatte also alle klugen Ratschäge ignoriert: Es blieb sowohl bei dem problematischen Nebeneinander von Provinziallandtagen, vereinigten Ausschüssen und vereinigtem Landtag als auch bei dem Kuriensystem, bei dem die beiden Kurien teils getrennt, teils zusammen beraten sollten. Darüber hinaus hatte Friedrich Wilhelm IV. den unangreifbaren Rechtsboden der Gesetze seines Vaters verlassen, indem er dem Vereinigten Landtag zwar weitgehende Rechte gewährte, aber versprochene Rechte vorenthielt: Insbesondere dessen Gesetzgebungsrecht war dadurch eingeschränkt, daß Gesetze auch vom Vereinigten Ausschuß oder in Einzelfällen sogar von den Provinziallandtagen verabschiedet werden konnten. Außerdem wurde dem Vereinigten Landtag keine Periodizität zugesprochen, dem Vereinigten ständischen Ausschuß aber eine vierjährige Periodizität. Insgesamt konnte der Vereinigte Landtag kaum als die versprochene Nationalrepräsentation gelten. Vor allem aber war er nicht zu einem modernen Parlament reformierbar, was die Opposition dazu zwang, ihn als politisches Instrument prinzipiell abzulehnen und auf eine andere Lösung der preußischen Verfassungsfrage hinzuarbeiten. Insofern war das vom Grafen Arnim vorhergesagte Scheitern des Vereinigten Landtages bereits vor dessen Eröffnung abzusehen. Durch das Königliche Patent vom 8. Februar 1847 wurde der vereinigte Landtag erstmals auf den 11. April 1847 nach Berlin einberufen398. Zugleich wurden die Marschälle der Herrenkurie und der Kurie der drei Stände ernannt. Graf Arnim, der im Zuge der Verstärkung des Herrenstandes auf Grund seines Majorates Boitzenburg Mitglied des Vereinigten Landtages geworden war, wurde vom König zum stellvertretenden Marschall des Herrenstandes ernannt. Daraufhin fragte Graf Arnim beim König an, ob es mit diesem Amte vereinbar sei, wenn er sich dafür einsetzte, dem Vereinigten Landtag die Periodizität zu gewähren399. Der König bat Arnim in einem herzlichen Handschreiben darum, seine „Privat Wünsche, Privattheorien o besondere, individuelle Ansichten“ in diesem Fall hintanzustellen und nicht die Forderungen der Opposition zu vertreten400. Als Arnim darauf nicht einging, sondern auf der Notwendigkeit einer Periodizität des Landtages beharrte401, machte der König dem Grafen am 2. April in einem weiteren Handschreiben deutlich, daß er vor dem Verlauf des bevorstehenden Vereibereits ausgebrochenen Krieges“ (statt des Vereinigten Landtages) bei der Aufnahme neuer Anleihen mitwirken sollte. 398 Bleich, 1. VL I, S. 10. 399 Vgl. auch Arnims nicht abgesandtes Schreiben vom 09.03.1847. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 14–16. Wahrscheinlich hat Arnim den Brief am 29.03.1847 doch abgesandt. 400 Handschreiben des Königs vom 31.03.1847 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 77. 401 Arnims Brief vom 01.04.1847 an den König. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 80.

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nigten Landtages auf keinen Fall die Periodizität bewilligen werde, um sich die Optionen offenzuhalten402. Außerdem bat er den Grafen für den folgenden Tag zu einer Audienz403. In der Sache aber blieb der König erneut uneinsichtig. Nach wie vor erschien ihm sein ständisches Modell perfekt zu sein, und guten Mutes sah er darum der Landtagseröffnung entgegen. Eröffnet wurde der Vereinigte Landtag am 11. April 1847 in Berlin mit einer feierlichen Festveranstaltung. Nachdem zunächst ein feierlicher Gottesdienst für eine quasi-religiöse Stimmung hatte sorgen sollen404, hielt Friedrich Wilhelm IV. die von ihm selbst entworfene Thronrede, in der er erneut dem Konstitutionalismus eine entschiedene Absage erteilte, indem er betonte: „Es drängt mich zu der feierlichen Erklärung: daß es keiner Macht der Erde je gelingen soll, Mich zu bewegen, das natürliche, gerade bei uns durch seine innere Wahrheit so mächtig machende Verhältniß zwischen Fürst und Volk in ein conventionelles, constitutionelles zu wandeln, und daß Ich es nun und nimmermehr zugeben werde, daß sich zwischen unseren Herr Gott im Himmel und dieses Land ein beschriebenes Blatt, gleichsam als eine zweite Vorsehung eindränge, um uns mit seinen Paragraphen zu regieren und durch sie die alte, heilige Treue zu ersetzen. Ich strebe nicht nach eitler Volksgunst. . . . Ich strebe allein danach, Meine Pflicht nach bestem Wissen und nach Meinem Gewissen zu erfüllen und den Dank Meines Volkes zu verdienen, sollte er mir auch nimmer zu Theil werden.“405 Mit dieser Rede, die der König gegen ernste Bedenken seiner Ratgeber hielt406, stieß der König alle Anhänger konstitutioneller Ideen vor den Kopf407. Darüber hinaus maß er allein durch die Tatsache, daß er überhaupt eine Thronrede hielt, dem Vereinigten Landtag eine relativ große Bedeutung zu408. 402

Handschreiben des Königs vom 31.03.1847 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 78 + 79. 403 Ebd. Arnim war zuvor bereits für den 02.04.1847 eine Audienz gewährt worden; vgl. Stolbergs Brief vom 01.04.1847 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 3. Wahrscheinlich verschob der König die Audienz wegen Arnims Brief um einen Tag. 404 Vgl. das Programm. In: Bleich, 1. VL I, S. 11–13. 405 Ebd., S. 20–22. Die Thronrede befindet sich auch als Sonderdruck im Nachlaß des Grafen Arnim; vgl. Nachlaß Nr. 4081, Bll. 1–3; vgl. zu der Rede Bahne, Verfassungspläne, S. 111–114. 406 Kurt v. Schlözer urteilte in einem Brief vom 18.04.1847: „Minister v. Thile hatte den Herrscher gebeten, für den Ausdruck seiner politischen Überlegungen andere Wendungen zu wählen. Graf Arnim, eben erst angelangt, soll sofort zum König gefahren sein, um ihm dasselbe zu raten.“ [Schlözer, Jugendbriefe, S. xx] 407 Die Reden König Friedrich Wilhelms IV. insgesamt können geradezu als Charakteristikum seiner Regierung betrachtet werden: Öffentliche Reden des Königs waren im alten Obrigkeitsstaat bisher nicht vorgekommen, und Friedrich Wilhelm III. war besonders wortkarg gewesen. Erst Wilhelm II. hat wieder so viele (und mitunter so peinliche) Reden gehalten wie Friedrich Wilhelm IV.

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War die Stimmung bei den Liberalen schon zuvor recht skeptisch gewesen, so war nun die Enttäuschung groß. Eine derartig deutliche Zurückweisung der liberalen Hoffnungen war nicht erwartet worden. Noch am gleichen Nachmittag trafen sich etwa 50 Abgeordnete und beschlossen, eine Adresse zu beantragen und, „wenn sie verweigert würde, sie durchzusetzen oder gleich jede Beratung abzubrechen.“409 Damit wurde der (von schlesischen und preußischen Abgeordneten vorgeschlagene) offene Bruch mit dem König nur vorläufig abgelehnt410. Auf der ersten Sitzung der Vereinigten Kurien wurden zunächst die königlichen Propositionen verlesen und dann die „Abteilungen“ (Ausschüsse) gebildet411. Anschließend meldete sich der liberale Graf v. Schwerin zu Wort und beantragte, an den König eine Adresse zu richten, die einerseits Dank enthalten sollte, andererseits aber die Rechtsbedenken gegen das Patent und die Verordnungen vom 3. Februar412. Daraufhin wurde ein Ausschuß zur Vorbereitung der Adresse ernannt und die Beratung derselben für den 15. April anberaumt413. In diesem Ausschuß wurde, aufbauend auf Vorarbeiten Beckeraths, ein Entwurf erarbeitet414, der dem Programm der rheinischen Liberalen entsprach: Zwar betrachteten die Abgeordneten den Vereinigten Landtag „dem Wesen nach“ als reichsständische Versammlung, doch wurden auch die Rechte aufgezählt, die ihm im Gegensatz zum Staatsschuldengesetz von 1820 nicht gewährt worden waren, besonders das der Periodizität. Außerdem wurde die Konkurrenz des Vereinigten ständischen Ausschusses und der Provinziallandtage bei der Aufnahme von Anleihen nicht anerkannt415. In der sich anschließenden Debatte416 wies Bodelschwingh in seiner Eigenschaft als Landtagskommissar die Adresse zurück417, während sie von 408 Friedrich Wilhelm III. hatte es bewußt vermieden, die 1811 berufene Notabelnversammlung mit einer Thronrede zu eröffnen; vgl. Stamm-Kuhlmann, König, S. 412. 409 Zitiert nach Obenaus, Anfänge, S. 686; vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 607/08. 410 Vgl. Asmus, Verfassungsadresse, S. 1332; Obenaus, Anfänge, S. 686/87. 411 Bleich, 1. VL II, S. 4. Graf Arnim leitete die zweite Abteilung der Herrenkurie; vgl. Bleich, 1. VL I, S. 579; siehe auch Nachlaß Nr. 4081, Bll. 4, 33, 43. 412 Bleich, 1. VL II, S. 4/5. 413 Ebd., S. 5–8. Daß die Adresse auch vom König hätte unterbunden werden können, belegt Obenaus, Anfänge, S. 687, Anm. 4. 414 Vgl. Asmus, Verfassungsadresse, S. 1333; Obenaus, Anfänge, S. 687. 415 Vgl. Bleich, 1. VL II, S. 12/13. 416 Vgl. Asmus, Verfassungsadresse, passim; Biedermann, Geschichte, S. 39–100; Obenaus, Anfänge, S. 686–689. 417 Bleich, 1. VL II, S. 13–17; siehe zu Bodelschwingh auch Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 388/89; Schoeps, Briefwechsel, S. 13/14.

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mehreren Abgeordneten unterstützt wurde418. In dieser Situation brachte Graf Arnim, der seine oft geäußerten Befürchtungen bestätigt sah, ein Amendement ein, um diese Konfrontation abzumildern: Statt des konkreten Vorwurfes der Verweigerung der 1820 versprochenen Rechte sollte nur der Hinweis erfolgen, daß viele Abgeordnete „die volle Übereinstimmung mit den älteren Gesetzen vermissen.“ Und statt der Verwahrung von Rechten sollte lediglich angekündigt werden, daß der Landtag beim „Vorhandensein solcher Abweichungen zwischen den älteren und den gegenwärtigen Gesetzen“ Petitionen einreichen werde419. In der Begründung für sein Amendement gab Graf Arnim den Liberalen insofern recht, als er ihre Bedenken anerkannte, die er zuvor ebenfalls geäußert hatte420. Andererseits versuchte er den König dadurch zu decken421, daß er regelrechte Forderungen an den König vermied und zur Eintracht mahnte. Dadurch gab Arnim der Debatte eine für die Krone günstige Wendung422. Angesichts dieses Kompromisses wollte der Landtagsmarschall die Debatte abbrechen, was aber durch die Intervention Hansemanns verhindert wurde423. Die Adreßdebatte wurde daraufhin am 15. April nicht beendet, sondern am 16. April fortgeführt424. Da sich herausstellte, daß der ursprüngliche Adreßentwurf nicht mehrheitsfähig sein würde, brachte der liberale Alfred v. Auerswald ein weiteres Amendement ein425. Es enthielt den Hinweis, der Vereinigte Landtag habe die im Staatsschuldengesetz von 1820 zugestandenen Rechte erworben, weshalb die Adresse „zur Wahrung der ständischen Rechte“ formuliert worden sei. Damit wurde die Adresse zwar wieder etwas deutlicher formuliert, doch blieb insbesondere der vom 418 Vgl. Beckeraths Rede. In: Bleich, 1. VL II, S. 17–20; Camphausen ebd., S. 21–25; Lichnowski ebd., S. 25/26. 419 Bleich, 1. VL II, S. 30; vgl. dazu Hansemanns Rede ebd., S. 57; siehe auch Obenaus, Anfänge, S. 687. 420 Rede des Grafen Arnim vom 15.04.1847. In: Bleich, 1. VL II, S. 26–31; vgl. APZ Nr. 108 vom 19.04.1847. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 22/23, mit Anstreichungen Arnims über die Adresse Beckeraths und die Debatte; siehe zu Arnims Rede Varnhagen, Tagebücher IV, S. 65–67; außerdem Biermann, Geschichte, S. 60–64. 421 Vgl. Oertzen, Junker, S. 152; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 608; siehe auch Asmus, Verfassungsadresse, S. 1334/35. 422 Vgl. Biermann, Geschichte, S. 60. 423 Bleich, 1. VL II, S. 33; vgl. dazu Asmus, Verfassungsadresse, S. 1335; Biermann, Geschichte, S. 64; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 608. 424 Vgl. Bleich, 1. VL II, S. 33–72. Auch Prinz Wilhelm ergriff dabei das Wort [Ebd., S. 60], was jedoch auch von den Konservativen kritisiert wurde, die befürchteten, daß damit nur ein Verlust königlicher Autorität verbunden sein könnte; vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 115–124; Obenaus, Anfänge, S. 688; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 609/10. 425 Vgl. Asmus, Verfassungsadresse, S. 1334; Biedermann, Geschichte, S. 86–88; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 610.

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Grafen Arnim eingebrachte Petitionsweg auch in dieser Fassung erhalten426. Daraufhin forderte Arnim erneut dazu auf, man möge „nicht eine Adresse an Se. Majestät den König verabschieden, die den Landtag in zwei Lager spaltet. Seien wir hierin einig, und diese Einigkeit wird länger leben in den Annalen der Geschichte als jenes einzelne Wort.“427 Anschließend befürwortete er erneut den traditionellen Weg der „Gravamina“428. In der Schlußabstimmung wurde das Amendement Arnim schließlich mit sehr knapper Mehrheit abgelehnt429. Anschließend wurde das Amendement Auerswald mit großer Mehrheit angenommen430, weil die Mehrheit der Gemäßigten weder im Sinne der Linken die ursprüngliche Adresse annehmen noch im Sinne der Rechten die Adresse insgesamt ablehnen wollte. Daß sich die gemäßigte Linke durchsetzen konnte, lag auch daran, daß Graf Arnim seine (gemäßigt konservativen) Anhänger dazu bewegte, für den Antrag zu stimmen, damit nicht der Antrag der Linken durchkam431. Damit war der Angriff der Liberalen auf das Februarpatent auf Grund der Initiative des Grafen Arnim vorerst abgeschlagen432. Es blieben die Alternative, entweder die Zusammenarbeit zu verweigern oder aber durch Petitionen weitere politische Rechte zu avisieren. Trotz der gemäßigten Fassung der Adresse reagierte der König in seiner Antwort vom 23. April unnachgiebig auf die Adresse433: Er erklärte, die Gesetzgebung über den Vereinigten Landtag sei zwar „bildungsfähig“, doch „in ihren Grundlagen unantastbar“. Sein einziges Zugeständnis war die Zusage, den nächsten Vereinigten Landtag binnen vier Jahren einzube426

Endgültiger Text. In: Bleich, Landtag 1, S. 26/27. Rede des Grafen Arnim am 16.04.1847. In: Bleich, 1. VL II, S. 66. 428 Arnim verwendete ausdrücklich diesen Begriff des Feudalismus; vgl. Bleich, 1. VL II, S. 65. Er hatte sich zuvor über das Petitionsrecht informiert; vgl. Nachlaß Nr. 4081, Bll. 101–104. Dittmer [Beamtenkonservativismus, S. 389] schreibt den Weg der Petition Bodelschwingh zu. 429 Das Ergebnis war + 290/–303 [Bleich, 1. VL II, S. 72]. Womöglich war dafür das Negativvotum der äußersten Rechten ausschlaggebend; vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 619; siehe auch Koser, Charakteristik, S. 299. Ursache war jedenfalls, daß nach kurzer Debatte [A. a. O., S. 69–71] beschlossen wurde, erst über Arnims und dann über Auerswalds Amendement abzustimmen, denn sonst wäre erst Auerswalds Amendement abgelehnt worden, worauf die Liberalen für Arnims Vorschlag hätten abstimmen müssen, um überhaupt eine Adresse zu verabschieden. 430 Das Ergebnis war + 484/–107 [ebd., S. 73]; vgl. auch Asmus, Verfassungsadresse, S. 1336. 431 Ebd., S. 72; endgültige Fassung der Adresse. In: Bleich, 1. VL I, S. 26/27; vgl. Asmus, Verfassungsadresse, S. 1336; Biedermann, Geschichte, S. 95; Obenaus, Anfänge, S. 688. 432 Vgl. dazu auch Wilhelms Brief vom 23./24.04.1847. In: Prinz Wilhelm an Charlotte, S. 272/73. 433 Ebd., S. 27/28; dort die folgenden Zitate. 427

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rufen. Da diese Zusage aber verfassungsrechtlich ohne Bedeutung war, da sie ausdrücklich keine Periodizität gewährte434, milderte sie keineswegs die schroffe Ablehnung der Adresse. Damit stärkte er die Position derjenigen Abgeordneten, die von Anfang an eine Verweigerungshaltung eingenommen hatten435, und verhinderte eine Kompromißfindung, und dies trotz der am 21. April in Berlin ausgebrochenen „Kartoffelrevolution“, die bereits auf 1848 vorauswies: Marktstände und Geschäfte wurden geplündert, die Fenster im eben umgebauten Palais des Prinzen von Preußen zertrümmert. Die Obrigkeit reagierte mit mehreren hundert Verhaftungen436. Nachdem der König die liberale Opposition in seiner Thronrede zum ersten Male und in seiner Antwort auf die Adresse erneut brüskiert hatte, unternahmen die Gemäßigten einen letzten Versuch, den König zu Zugeständnissen zu bewegen. Am 4. Mai 1847 wurde auf Grund der ablehnenden Haltung des Königs437 der Inhalt der Adreßdebatte von 138 Abgeordneten der Opposition erneut aufgegriffen, und zwar in Form einer „Petition der Rechte“438, die sich an der englischen „Petition of Right“ von 1628 und besonders der „Bill of Rights“ von 1689 orientierte439. Die Petition wurde nach kurzer Debatte in der Kurie der drei Stände am 4. Mai zunächst der Herrenkurie zur Beratung vorgelegt440. Dort leitete der Marschall, Fürst zu Solms, am 8. Mai die Debatte441 mit der Feststellung ein, daß die Vorlage der 138 Abgeordneten gar nicht beraten werden könne, 434

Vgl. Asmus, Verfassungsadresse, S. 1337; Biedermann, Geschichte, S. 101– 104; Obenaus, Anfänge, S. 689. 435 Vgl. die Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten Nr. 105, Di. 04.05.1847. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 6–9. 436 Vgl. Gailus, Straße, S. 304–327; Köhler/Richter, Berliner Leben, S. 384–389; Mieck, Reformzeit, S. 600/01; Streckfuß, Geschichte, S. 948–950; Valentin, Geschichte I, S. 83/84. 437 Vgl. APZ Nr. 127, Sa. 08.05.1847. In: Nachlaß Nr. 4081, Bll. 39–42; Kölnische Zeitung Nr. 114, Leitartikel Deutschland. In: Nachlaß Nr. 4081, Bl. 90. 438 Vgl. Biedermann, Geschichte, S. 105–123; siehe außerdem Marcks, Bismarcks Jugend, S. 397/98; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 610/11. 439 Für Treitschke [Deutsche Geschichte V, S. 610] war dieser Rückgriff auf die englische Geschichte nicht verwunderlich, denn „Dahlmanns Geschichte der englischen Revolution war ja zur Zeit in jedermanns Händen.“ Allerdings war auch den Konservativen die englische Geschichte des 17. Jahrhunderts bekannt, besonders die Tatsache, daß 1689 zunächst die „Declaration of Rights“ des Parlamentes erfolgte, die vom neuen König Wilhelm III. (in Form der „Bill of Rights“) akzeptiert werden mußte, da dies die Bedingung für die Billigung seiner Usurpation des Thrones war. Darum „roch“ für die Konservativen die „Petition der Rechte“ nach „Volkssouveränität“. 440 Bleich, 1. VL II, S. 271–281; vgl. dazu die Reklamation vom 05.05.1847, ebd., S. 318–321; siehe auch Obenaus, Anfänge, S. 689/90. 441 Bleich, 1. VL II, S. 469–483; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 690.

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da sie weder eine Bitte noch eine Beschwerde enthalte442. Auch Graf Arnim betonte, daß eine „Verhandlung über den vorliegenden Antrag gesetzlich unzulässig sei“443. Nach kurzer Geschäftsordnungsdebatte wurde schließlich gemäß Arnims Antrag beschlossen, daß die Beratung der Vorlage der 138 Abgeordneten unzulässig sei444, wobei auch der Kurie der drei Stände das Recht einer Beratung über diesen Gegenstand abgesprochen wurde. Am 17. Mai wurde der Gegenstand daraufhin zwar erneut in der Kurie der drei Stände aufgegriffen445, doch war der Zweck der Debatte lediglich, daß der Inhalt der Adresse (als Teil des stenographischen Berichtes) publiziert wurde. Da der Versuch der Liberalen, die von Friedrich Wilhelm III. versprochenen Rechte einzufordern, damit endgültig gescheitert war, gingen die liberalen Abgeordneten nun zu einer reinen Verweigerungshaltung über. Diese Haltung kam erstmals in der zweitägigen Debatte am 14. und 15. Mai über die Errichtung von Landesrentenbanken zu Ausdruck446, in der Graf Arnim sich (wenn auch vergeblich) stark engagierte447. Am 15. Mai wurden schließlich alle Anträge abgelehnt. Angesichts dieser überraschenden Tatsache formulierte Arnim einen weiteren Kompromißvorschlag, um doch noch zu einem Beschluß zu kommen448. Wie schon in der Adreßdebatte gelang es Arnim erneut, den Konflikt zu entschärfen, denn die große Mehrheit stimmte seinem Antrag zu, die Frage zunächst auf den Provinziallandtagen und erst danach dem nächsten Vereinigten Landtage vorzulegen449. Allerdings blieb der Tatbestand bestehen, daß die Mehrheit des Landtages einen Beschluß in der Sache auf Grund ihrer prinzipiellen Ablehnung des Vereinigten Landtages selbst abgelehnt hatte. In der Debatte über die Ostbahn, die ebenfalls ohne Fassung eines Beschlusses endete450, meldete sich Graf Arnim nur wegen Formalia zu Wort. 442

Ebd., S. 470. Arnims Rede ebd., S. 471–476, hier S. 471 [Druck der Rede in: APZ Nr. 130, Di. 11.05.1847, 3. Beilage; auch in: Nachlaß Nr. 4081, Bl. 53 + 54]. Es folgte eine umfangreiche formelle Begründung dieser einleitenden Aussage, bei der es Arnim nur darum ging, sein Votum vor „einer Mißdeutung zu schützen“ [Ebd., S. 476]. 444 Ebd., S. 482/83. 445 Ebd., S. 717–728; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 690. 446 Bleich, 1. VL II, S. 594–684; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 692; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 611/12. 447 Er hielt nicht nur eine längere Rede, sondern ergriff insgesamt 16mal das Wort. 448 Bleich, 1. VL II, S. 679. 449 Ebd., S. 683. Dies hatte Arnim bereits zuvor vorgeschlagen; vgl. ebd., S. 628/29. 450 Ebd., S. 1436–1542; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 692 ; siehe auch ebd., S. 707; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 612–615; Valentin, Geschichte I, S. 79/80. 443

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Offenbar hatte er eingesehen, daß angesichts der prinzipiellen Opposition der Landtagsmehrheit ein Engagement in der Sache vergeblich sein mußte. Auch in der Frage der Ersetzung der Mahl- und Schlachtsteuer durch eine Klassensteuer verweigerte die Opposition einen konkreten Beschluß, sondern sprach lediglich auf Antrag des Grafen Arnim die unbestimmte Bitte aus, die Regierung möge auf eine „Erleichterung der Abgaben der ärmeren Klassen“ hinwirken451. Das neue Judengesetz wurde als einzige Vorlage verabschiedet452. Schließlich kam es im Zusammenhang mit den Wahlen zum Vereinigten ständischen Ausschuß und zur Deputation für das Staatsschuldenwesen zu einer letzten Auseinandersetzung über das preußische Verfassungsrecht: Die liberale Mehrheit stellte einen Antrag auf Bewilligung der Periodizität des Vereinigten Landtages sowie auf Beschränkung der Ausschüsse, weshalb diese nicht gewählt werden sollten453. Daraufhin vermied Graf Arnim am 19. Juni ein letztes Mal eine Konfrontation, indem er für den Beschluß sorgte, den König um eine Äußerung in dieser Sache zu bitten454. Damit verschaffte er dem König die Gelegenheit, von sich aus die Periodizität zu gewähren und für einen versöhnlichen Abschluß des Vereinigten Landtages zu sorgen. Da der König aber auf den Wahlen bestand, ohne Zugeständnisse zu machen, wählten von nominell 619 Abgeordneten nur 284 vorbehaltslos die Ausschußmitglieder455, was für den König eine erneute, letzte Niederlage darstellte456. Insgesamt hatten sich die Befürchtungen des Grafen Arnim bezüglich des Vereinigten Landtages bewahrheitet. Die Liberalen hatten auf der vollständigen Erfüllung der Verheißungen Friedrich Wilhelms III. bestanden. Außerdem hatten sie die ihnen gewährten Mitspracherechte bei der Gesetzgebung und der Bewilligung von Anleihen dazu instrumentalisiert, um politischen Druck auf die Krone auszuüben. 451

Bleich, 1. VL II, S. 1576–1628; vgl. Valentin, Geschichte I, S. 77. Bleich, 1. VL II, S. 1706–1970; vgl. den Landtagsabschied ebd., S. 747–751 [auch in Nachlaß Nr. 4081, Bll. 172 + 173]; siehe auch Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 616–622; Valentin, Geschichte I, S. 77–79. 453 Bleich, 1. VL III, S. 1416/17; Bleich, 1. VL IV, S. 2225–2227; vgl. dazu Obenaus, Anfänge, S. 692–94; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 627/28; Valentin, Geschichte I, S. 80. 454 Bleich, 1. VL IV, S. 2226/27. Dies schlug auch Bodelschwingh vor; vgl. Valentin, Geschichte I, S. 75/76. 455 157 Abgeordnete wählten nur unter Vorbehalt, während 58 Abgeordnete sich der Stimme enthielten und 120 Abgeordnete fehlten; vgl. das Wahlprotokoll. In: Bleich, 1. VL IV, S. 2440–2486. 456 Gegen Treitschke [Deutsche Geschichte V, S. 628], der behauptete: „Der Versuch, die Erklärung der Rechte zu wiederholen, war also kläglich gescheitert.“ Vgl. zum Ende des Vereinigten Landtages auch Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 480. 452

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Die eigentliche Ursache für die oppositionelle Haltung der Liberalen lag jedoch im Nebeneinander verschiedener ständischer Institutionen, die alle nur beschränkte Rechte besaßen und darum nicht reformfähig waren. Deshalb konnten die Oppositionellen nicht auf die Reform der ständischen Institutionen bauen, sondern nur darauf, daß insbesondere der Vereinigte Landtag scheiterte, damit etwas anderes an seine Stelle treten konnte. Es ist natürlich reine Spekulation, inwiefern die Umsetzung der Arnimschen Verfassungskonzeptionen die Opposition zufriedengestellt hätte. Der Verlauf des Vereinigten Landtages beweist jedoch eindeutig, daß Arnims Vorschläge wesentlich besser geeignet gewesen wären, der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen, denn erstens beachteten sie penibel die Verheißungen Friedrich Wilhelms III. und zweitens basierten sie auf einer gewählten Ständeversammlung, die deshalb für die Liberalen prinzipiell akzeptabel sein mußte, weil die Möglichkeit einer Änderung des Wahlrechtes und eine Ausweitung der Kompetenzen der Versammlung sie ihren Verfassungsvorstellungen näher bringen konnten, ohne das Instrumentarium selbst in Frage stellen zu müssen. Die Arnimschen Vorstellungen hätten die Opposition also nicht zu einer Obstruktionspolitik gezwungen. Der König verfolgte aber nicht nur unpraktische Verfassungsvorstellungen, sondern zeigte sich darüber hinaus noch äußerst starrsinnig: Wie vor dem Landtag bereits gegenüber dem Grafen Arnim, so verweigerte er auch der Opposition die Geste, dem Vereinigten Landtag die Periodizität zu bewilligen. Insofern ist es eher verwunderlich, daß die letzte ständische Versammlung vor der Revolution, die erneute Einberufung der Vereinigten Ausschüsse, entgegen Arnims Befürchtungen vom Januar 1847 äußerst konstruktiv arbeitete und jede Obstruktionspolitik vermied, obwohl es (trotz Diskussionen unter den Beratern des Königs) zu keiner Reform der ständischen Einrichtungen kam457. Am 22. November kündigte Innenminister Bodelschwingh an, daß die Vereinigten Ausschüsse demnächst einberufen würden, um den Entwurf des Strafgesetzbuches zu beraten458. Am 2. Dezember 1847 wurde daraufhin für die Vereinigten Ausschüsse eine Geschäftsordnung erlassen459, und diese am 3. Dezember auf den 17. Januar 1848 einberufen460. Seine Arbeiten sollten durch einen Ausschuß vorbereitet werden, der vom Grafen Arnim geleitet werden sollte461. Graf Arnim erklärte sich am 13. Dezember 457

Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 710. Rundschreiben Bodelschwinghs vom 22.11.1847. In: Nachlaß Nr. 4023, Bl. 1. 459 Bleich, Verhandlungen des im Jahre 1848 zusammenberufenen Vereinigten ständischen Ausschusses, S. 11–13.; vgl. zu den Sitzungen des Ausschusses Obenaus, Anfänge, S. 711–713; siehe auch Arnims Unterlagen. In: Nachlaß Nr. 4023. 460 Bleich, Verhandlungen I1, S. 9/10. 458

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zur Übernahme der Aufgabe bereit, bat aber zugleich um die Ernennung eines Stellvertreters für den Fall seiner Verhinderung462, da er gesundheitliche Probleme hatte. Zwar sorgte Arnim dafür, daß der liberale Prenzlauer Oberbürgermeister Wilhelm Grabow463 Referent für das Strafgesetzbuch wurde464, doch mußte er krankheitshalber nicht nur auf ein Mitwirken in dem Vorbereitungsausschuß verzichten465, sondern auch in den Vereinigten Ausschüssen selbst466, um in Boitzenburg in Ruhe seine Krankheit auskurieren zu können467. Erst Ende Februar konnte Graf Arnim nach Berlin reisen468, kurz vor dem Ende der Sitzungen der Vereinigten Ausschüsse. Am 17. Januar 1848 war der Vereinigte ständische Ausschuß zum zweiten und letzten Male zusammengetreten und hatte zunächst zügig abschnittsweise den ganzen Entwurf des Strafrechts durchgearbeitet. Dieses versöhnliche Verhalten änderte sich jedoch, als gegen Ende der Beratungen die Nachricht vom Ausbruch der Revolution in Paris kam469: Daraufhin beschloß der Ausschuß, das Strafgesetzbuch solle nicht verkündet werden, bis der Vereinigte Landtag über die beabsichtigte Reform des Strafprozesses 461 Bodelschwinghs Schreiben vom 07.12.1847 an Arnim: In: Nachlaß Nr. 4023, Bll. 2 + 3; vgl. auch sein Schreiben vom 11.12.1847 an Arnim [Ebd., Bl. 5], in dem er Arnim mitteilte, der Marschall der Ausschüsse (Fürst zu Solms) habe Arnims Beauftragung mit den Vorarbeiten zugestimmt. 462 Arnim am 13.12.1847 an Bodelschwingh ebd., Bl. 4. 463 Wilhelm Grabow (1802–1874) studierte Jura und trat in den Justizdienst ein. 1836 wurde er Hofgerichtsrat und Universitätsrichter in Greifswald, 1838 Oberbürgermeister von Prenzlau. Grabow zählte zu den (gemäßigten) Liberalen, die 1847 im Vereinigten Landtag auf der Linken, 1848 in der preußischen Nationalversammlung auf der Rechten saßen. Bis in den Verfassungskonflikt hinein gehörte Grabow danach dem Präsidium des preußischen Landtages an, zog sich jedoch nach 1866 ins Privatleben zurück, um der Aussöhnung der Liberalen mit Bismarck nicht im Wege zu stehen. 464 Erstmals am 13.12. [Nachlaß Nr. 4023, Bl. 4], danach erneut am 14.12.1847 in einem weiteren Brief an Bodelschwingh; vgl. ebd., Bl. 6. Bodelschwingh erklärte sich mit Arnims Vorschlag am 18.12.1847 einverstanden; vgl. ebd., Bll. 7 + 8. Arnim informierte Grabow am 19.12.1847; vgl. ebd, Bll. 11 + 12. 465 Am 19.12.1847 teilte Arnim Bodelschwingh mit, er sei „seit 8 Tagen von einem so heftigen Brustkatarrh befallen“, daß er nicht arbeiten könne [Ebd., Bll. 9 + 10]. Am 23.12.1847 sagte Arnim seine Teilnahme am Vorbereitungsausschuß endgültig ab [Ebd., Bl. 15]. 466 Schreiben Arnims vom 12.01.1848 an den König ebd., Bll. 20 + 21. Am 15.01.1848 gab Arnim seine Unterlagen an seinen Stellvertreter, den Grafen Schwerin, ab; vgl. ebd., Bl. 25. 467 Vgl. Arnims Schreiben vom 31.01.1848 an Bodelschwingh. In: Nachlaß Nr. 4023, Bl. 31. 468 Tagebuchnotiz seiner Frau. In: BrLHA Pr.Br. Rep. 37 Boitzenburg Nr. 4261/1, Bl. 45. 469 Am 25. Februar kamen erste Nachrichten, am Nachmittag des 28. Februar wußte man bereits, daß die Republik proklamiert sei; Vgl. Berlin 1848, S. 16.

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beraten hätte470. In der Schlußsitzung am 6. März erklärte Friedrich Wilhelm IV. in einer Thronrede die Februarverordnungen des Jahres 1847 für realisiert, da inzwischen auch die Deputation für das Staatsschuldenwesen einberufen worden sei. Nun endlich ging er außerdem auf die Petitionen des Vorjahres wenigstens insofern ein, als er die Periodizität des Vereinigten ständischen Ausschusses auf den Vereinigten Landtag übertrug und zugleich die Befugnisse des Vereinigten Ausschusses einschränkte471. Dieses Zugeständnis wäre im Sommer 1847 vielleicht noch zufriedenstellend gewesen, doch nun wurde das Zugeständnis, das der König schon seit langem für diesen Augenblick vorgesehen hatte, lediglich als erste magere Frucht der Revolution angesehen und als Zeichen dafür, „daß die Regierung sich nicht mehr ganz sicher fühle.“472 4. Konservative Sammlungsbemühungen im Vormärz In den Jahren nach 1830 und insbesondere nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. im Jahre 1840 verstärkten sich die Bemühungen sowohl des liberalen als auch des konservativen Lagers, die Kräfte zu sammeln und zusammenzuschließen473. Ein wichtiger Impuls ging dabei von dem Marburger Professor Victor Aimé Huber aus, der 1841 seine Gedanken „Über die Elemente, die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer konservativen Partei in Deutschland“ publizierte474 und der 1843 von Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin berufen wurde. Auch in Preußen gab es in den 1840er Jahren mehrere Initiativen zur Gründung einer konservativen Partei: Nachdem das konservative Lager durch den Verlust des katholischen Flügels (ab 1837) geschwächt worden war475, unternahm Ernst Ludwig v. Gerlach mit seiner Artikelserie „Die Partei der Evangelischen Kirchenzeitung“476 einen ersten Versuch, eine altkonservative Parteientheorie aufzustellen477. Daneben machte Kultusmini470

Vgl. dazu Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 634. Bleich, Verhandlungen IV, S. 788–791; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 711; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 634; siehe auch APZ Nr. 67, Di. 07.03.1848. In: Nachlaß Nr. 4023, Bl. 34. 472 Prittwitz, Berlin 1848, S. 17. 473 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 370. 474 Marburg 1841; vgl. dazu Buchheim, Geschichte, S. 117–121; Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 179/80; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte II, S. 341; Obenaus, Anfänge, S. 630/31. Als Kristallisationspunkt schlug Huber die Gründung einer konservativen Zeitschrift vor, die das Pendant zu den liberalen Hallischen Jahrbüchern sein sollte. Hubers 1845 bis 1848 erscheinende Zeitschrift „Janus“ bildeten den (erfolglosen) Versuch, diese Idee zu realisieren. 475 Vgl. dazu Kap. I.3.c). 476 EKZ, Frühjahr 1846. 471

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ster Eichhorn sein Ministerium (am Innenministerium vorbei) zu einer Art Schaltzentrale für das staatskonservative Beamtentum478, und das erfolgreiche Hallesche Volksblatt wurde von ihm sogar gegen Arnims Votum ins Leben gerufen479. Schließlich gab es in der Provinz Preußen Ansätze zur Gründung einer konservativen Partei480, und auch die Gründung der schlesischen „Adelsreunion“ zielte in eine ähnliche Richtung481. Trotz dieser Initiativen kam es in den vierziger Jahren eher zu einer Zersplitterung des Konservativismus482. Dafür gab es mehrere Ursachen: Erstens bestanden vor 1848 bei vielen Konservativen Vorbehalte sowohl gegen den Begriff der Partei als auch gegen die reale Existenz von Parteien. Zu denen, die am Nutzen von Parteien zweifelten, gehörte auch Graf Arnim. Dies zeigt vor allem seine Denkschrift, die er dem König am 3. Januar 1847 vorlegte483 und in der er zwei politische „Hauptrichtungen“ unterschied: das Streben nach „fortschreitender Verwandlung der sozialen Zustände“ und das nach „ihrer möglichen Erhaltung“484. Deshalb begrüßte Arnim auch die „Verstärkung des conservativen Gegengewichtes gegen das in der Zeit liegende allzu rasche Vordrängen der Bewegungsparthei“. Allerdings schwebte ihm eine institutionelle und keine auf einer Partei beruhende konservative Einrichtung vor, nämlich eine möglichst starke Stellung des Herrenstandes im Vereinigten Landtag und in den Vereinigten Ausschüssen, die ein „conservatives Gegengewicht“ gegen die „die bewegenden Tendenzen der Zeit“ bilden sollten. Arnim benutzte sogar den Begriff der Partei in negativem Sinne, in dem er davor warnte, die Regierung könne, „statt über den Partheien zu stehen, conservative Partei werden“. Dagegen vertrat er ausdrücklich nicht das Interesse einer konservativen Partei, sondern sprach vom „Herrenstande, der mit allen Banden in den preußischen Boden festgewachsen“ sei. Arnim war jedoch Realist genug, um zu 477

Kraus, Gerlach, S. 372; dort weitere Belege. Vgl. Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 167–176. 479 Vgl. ebd., S. 227–232. 480 Die Initiative ging von Innenminister Rochow und dem Landrat v. Hake aus, ab 1843 auch von einer Gruppe jüngerer Rittergutsbesitzer; vgl. Obenaus, Anfänge, S. 631. 481 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 601 und 631. 482 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 324–345; Obenaus, Anfänge, S. 629-32. 483 Schreiben Arnims vom 03.01.1847 an den König. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 29 + 42; Denkschrift über „Ständische Verhältnisse und Gesetzgebung Winter 1846/ 47“ In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 28–66; dort die folgenden Zitate; vgl. dazu Arnim, Märkischer Adel, S. 80; Heinrich, Geschichte Preußens, S. 355/56; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 599. 484 Denkschrift vom Dezember 1844. In: Nachlaß Nr. 4082, Bll. 30–41; dort auch die folgenden Zitate. Diese Denkschrift legte Arnim auch dem Prinzen von Preußen vor; vgl. sein Schreiben vom 05.01.1847. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 51. 478

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erkennen, daß er parteiische Interessen vertrat, ganz im Gegenteil zum König, der jede Form der Parteibildung strikt ablehnte485. Zweitens gab es im konservativen Lager Differenzen in der Frage, ob man den Forderungen der Liberalen wenigstens teilweise gerecht werden müsse486. Befürwortet wurde dies von Ernst v. Bülow-Cummerow, der zwischen 1841 und 1847 in zahlreichen Denkschriften und Eingaben finanzpolitische Reformen anmahnte487, und auch Graf Arnim488, dessen verfassungspolitischen Initiativen darauf abzielten, einerseits den Liberalen den Wind aus den Segeln zu nehmen489 und andererseits für die Konservativen mittels einer „conservativen Reform“490 ein stabiles Bollwerk gegen den andrängenden Liberalismus zu schaffen491. Dabei befürwortete Arnim eine „organische“ Entwicklung, ohne den (liberalen) Fortschrittsgedanken zu verwerfen: Am 4. Juni 1842 schrieb er: „Der Preußische Staat bedarf, wie jeder Organismus, des Fortschritts der natürlichen Entwicklung.“492 Seine Initiativen scheiterten jedoch weniger am Widerstand der Altkonservativen493 als vielmehr an den eigenwilligen romantischen Verfassungsplänen 485 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen I, S. 326; ders., Aufzeichnungen II, S. 78; siehe dazu Kondylis, Konservativismus, S. 404; Kraus, Gerlach, S. 375/76; Schüddekopf, Innenpolitik, S. 18/19. 486 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 628. 487 Vgl. GStA I. HA Rep. 89 Nr. 3686, Bll. 1–139. 488 Vgl. Valentin, Geschichte I, S. 70. 489 Bereits in der Denkschrift vom April 1844 [vgl. Kap. II.2.] erwähnte Arnim mehrmals Unzufriedene bzw. ein „Drängen nach Umgestaltung“, das bei unbefriedigenden Reformen andauern werde. Außerdem schlug er lediglich beratende Stände vor, um eine Entwicklung wie 1789 in Frankreich auszuschließen. Am 17.12.1844 warnte er den König explizit davor, den „Zeitgeist“ vollkommen zu ignorieren [vgl. Kap. II.2.], ebenso am 27.12.1844 [vgl. Kap. II.2.]. Schließlich zielte die Bitte um Periodizität für den Vereinigten Landtag im März 1847 in diese Richtung [vgl. Kap. II.2.]. 490 Schreiben Arnims vom 27.12.1844 an den König [vgl. Kap. II.2.]. Diese Idee hatte Graf Arnim wahrscheinlich bei seiner Beschäftigung mit England gewonnen; vgl. dazu Kondylis, Konservativismus, S. 315. 491 1844 schlug Arnim [a. a. O.] eine Versammlung von 160 Abgeordneten vor, der auch alle Inhaber von Viril- und Kollektivstimmen der Landtage angehören sollten, außerdem vom König ernannte Fideikomißbesitzer. 1845 forderte Graf Arnim ein eigenständiges „Oberhaus“ als konservatives Korrektiv [vgl. Kap. II.2.], und im Dezember 1846 wies er auf die unzureichende Vertretung des „Herrenstandes“ in den Vereinigten Ausschüssen hin [vgl. Kap. II.2.]. 492 Denkschrift vom 04.06.1842. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A 34, Bll. 1–9, hier Bl. 4r. Diese Denkschrift stand im Zusammenhang mit der Einberufung der ständischen Ausschüsse; vgl. dazu Kap. II.2.c). 493 Allerdings mokierte sich Leopold v. Gerlach am 08.05.1842 in einem Brief an seinen Bruder Ludwig darüber, daß der designierte Innenminister Arnim „von den Geistlichen zunächst preußischen Patriotismus verlangt“ [Zitiert nach Hans-Joachim Schoeps, Ein weites Feld. Berlin 1980, S. 277].

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des Königs. Zugleich entwickelte sich ein recht gutes Verhältnis zwischen dem Grafen Arnim und dem Prinzen von Preußen494; offenbar gehörte der Boitzenburger auch zur „Prinzenopposition“495. Am 27. Dezember 1844 entwickelte Graf Arnim seine Vorstellungen von einer konservativen Reformpolitik496. Ohne seinen politischen Grundsätzen untreu zu werden, könne er aber nur einer Reform die Hand bieten, die „im conservativen Sinn unternommen und durchgeführt“ werde. Als konservativer Reformer befürwortete er (anders als die streng Konservativen) zwar auch „die Erhaltung der vorhandenen Institutionen, aber durch weitere Entwicklung und Verjüngung, indem sie das, was außer ihnen an conservativen Elementen sich gebildet hat, in dieselben aufzunehmen und diesen Elementen daher auch neue Rechte einzuräumen geneigt sind.“ Deshalb votierte Arnim für die Bildung eines reformkonservativen Ministeriums, dessen Mitglieder „dem aristokratischen Prinzip im edlen Sinne huldigen, welches die Aristokratie im Ritterstande, im Bürger- und Handwerkerstande, im Bauern- und Händlerstande erkennt, aber auch überzeugt ist, daß das Uebergewicht des Ritterstandes auf politischem Gebiete mit der Erhaltung des monarchischen Prinzips in Preußen eng verbunden ist, – einem Ministerio, das frei ist von dem Mißtrauen des Landes auf hierarchischem Gebiete, aber auch frei von der Sympathie für radikales Gleichmachen, und was deshalb den guten Richtungen des Zeitgeistes ohne Scheu zu folgen, seine reizbaren Seiten mit Weisheit zu schonen, aber seinen schlimmen und gefährlichen Gelüste entschieden Widerstand zu leisten Willens und im Stande ist.“497 Vor allem aber orientierte sich die ebenfalls auf Reformen zielende Politik des Königs weder an den Forderungen der Liberalen noch an der bestehenden Gesetzeslage498. Da diese nur von einem Teil seiner Berater aus Loyalität unterstützt wurde, kam es zu Kontroversen im Beraterkreis Fried494 Darauf deutet insbesondere der Hinweis des Königs in seinem Handschreiben vom 02.04.1847 hin, Arnim müsse auf Grund seiner „Bekanntschaft mit dem Prinzen von Preußen“ über dessen Denken „fast noch besser“ Bescheid wissen als der König selbst [Nachlaß Nr. 4082, Bl. 73; vgl. Kap. II.2.]; vgl. zu Arnims Verhältnis zum Prinzen Wilhelm auch Arnims Schreiben vom 28.12.1844 an den König [vgl. Kap. II.2.]; Arnims Schreiben vom 16.07.1845 an Prinz Wilhelm. In: GStAPK BPH Rep. 51J Nr. 16, Bll. 3 + 4 und 15–151; mehrere Schreiben des Prinzen Wilhelm an Arnim. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Arnim Nr. A35; siehe auch Trautmannsdorffs Urteil vom 07.01.1845. In: Keinemann, Preußen, S. 35. 495 Bahne, Verfassungspläne, S. 42–44. 496 Arnim am 27.12.1844 an den König. In: 3943, Bll. 4–9; dort auch die folgenden Zitate; vgl. II.2.d). 497 Allein diese Ausführungen verdeutlichen, daß Arnim (entgegen der Behauptung des russischen Politikers Meyendorff) nicht zu den Liberalen zählte; vgl. dazu Bahne, Verfassungspläne, S. 58. 498 Vgl. Kroll, Monarchie, S. 56; siehe auch Keinemann, Preußen, S. 76–78.

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rich Wilhelms IV. und zu Uneinigkeit im Staatsministerium499. Da der König zudem deutlich machte, daß er bei der Entwicklung des preußischen Verfassungswesens seine eigenen Vorstellungen verfolgen werde, lähmte er damit zugleich die konservativen Kräfte500, die angesichts der wachsenden liberalen Opposition nicht gut gegen die Krone zu operieren vermochten, ohne das Schlimmste befürchten zu müssen. Deshalb wurden die für die Geschichte des Konservativismus im 19. Jahrhundert wichtigen Anregungen Friedrich Julius Stahls, der eine Gewaltenteilung liberaler Coleur ablehnte und dem König den Schwerpunkt der Staatsgewalt wahren wollte501, auch erst nach 1848 aufgegriffen502. Insofern gab es in Preußen vor 1847 keine echten Grundsatzdebatten über das politisch Zweckmäßige, sondern nur Versuche, dem König wenigstens einen Teil seiner phantastischen Pläne abzuhandeln bzw. konkrete Details möglichst praktikabel zu gestalten. Darüber hinaus ging es den Altkonservativen um eine Stärkung des Glaubens, den Staatskonservativen um eine Stärkung der Verwaltung, wobei beide Maßnahmen für eine Stärkung des Konservativismus sorgen sollten503. Dabei waren die Bestrebungen der Altkonservativen dem König eher sympatisch, während die der Staatskonservativen (auf Grund seiner Vorbehalte gegenüber „Absolutismus“ und „Polizeiherrschaft“) auf seine Ablehnung stießen504. Das königliche Patent vom 3. Februar 1847 über die Bildung des Vereinigten Landtages wurde in allen Bevölkerungskreisen abgelehnt505. Demokraten und Sozialisten lehnten den Vereinigten Landtag rund heraus als Volksbetrug ab506, waren jedoch nicht im Vereinigten Landtag vertreten. 499 Vgl. Arnims Schreiben vom 27.12.1844 an den König [Nachlaß Nr. 3943, Bll. 4–9; auch in Anhang 2; vgl. Kap. II.2.d)]. 500 Das Februarpatent trug deshalb weniger die Spur von „Kämpfen“, wie Valentin [Geschichte I, S. 63] meinte, denn auch ein echtes Zwei-Kammer-System wurde vom König verworfen, während die Herrenkurie seinen eigensten Vorstellungen entsprach, wie auch die Auseinandersetzungen um das Herrenhaus in den 1850er Jahren zeigen sollten; vgl. Kap. IV.1. 501 Grosser, Grundlagen, S. 74–100; Kondylis, Konservativismus, S. 312/13. 502 Vgl. Boldt, Staatslehre, S. 28; Brandt, Repräsentation, S. 106; Bußmann, Beitrag, S. 42/43; Faber, Geschichte, S. 169; Neumann, Stufen, S. 97–106; Nipperdey, Grundprobleme, S. 91; Obenaus, Anfänge, S. 631; Schoeler, Anfänge, S. 97–101; Schwentker, Konservative Vereine, S. 47. 503 Vgl. zur Charakterisierung der beiden Lager Obenaus, Anfänge, S. 629. 504 Vgl. dazu Kap. II.2.a); siehe auch das Handschreiben des Königs vom 30.05.1844 an Arnim [Nachlaß Nr. 3968, Bl. 50], in dem er sich gegen repressive Zensurmaßnahmen ausspricht. 505 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 95–109. 506 Vgl. Steinmann, Geschichte, S. 198–203; siehe dazu Bahne, Verfassungspläne, S. 106/07; außerdem Faber, Rheinlande, S. 343; Obenaus, Anfänge, S. 669. Die Broschüre „König und Volk oder Der 11. April. Von einem Unterthan des preußi-

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Für die Liberalen war das Februarpatent einerseits politisch unbefriedigend und anderseits unrechtmäßig, weil es die Verfassungsversprechen Friedrich Wilhelms III. nicht erfüllte507. Sie einigten sich auf die von Heinrich Simon in seiner Schrift „Annehmen oder Ablehnen?“ vorgeschlagene Strategie, erst einmal als Mitglied des jeweiligen Provinziallandtages nach Berlin zu reisen und dort sofort eine Adresse an den König zu verabschieden508, um die nachträgliche Erfüllung der Versprechen Friedrich Wilhelms III. zu erreichen. Angesichts dieser Kritik stellte sich für die preußischen Konservativen die schwierige Frage, wie sie sich zum Februarpatent vom 3. Februar 1847 stellen sollten, denn auch bei vielen Konservativen stieß das Februarpatent auf Kritik: Im Vordergrund stand allerdings die Kritik an der Bevorzugung der Standesherren gegenüber dem märkischen Uradel bei der Bildung der Herrenkurie509. Einsichtigere Köpfe wie Graf Arnim, Bülow-Cummerow und Bodelschwingh hielten es außerdem für notwendig, dem Vereinigten Landtag die Periodizität zu gewähren, um wenigstens diesem in der Öffentlichkeit dominierenden Wunsch nachzukommen510. Auch sie hielten die Bestimmungen über den Herrenstand für problematisch, jedoch nicht nur aus egoistischen Motiven511. Allerdings hielten sich die Konservativen deshalb mit Kritik zurück, weil sie nicht der Opposition nützen wollten. Auch Graf Arnim wandte sich schen Tyrannen.“ [Herisau 1847] schloß mit den bezeichnenden Worten „Es lebe die Revolution!“ 507 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 100–106. Der Leipziger Brockkaus-Verlag druckte in der Broschüre „Die preußische Verfassung vom 3. Februar 1847“ auch die Gesetze von 1820, 1823 und 1842 ab, um den Vergleich des einst Versprochenen mit dem nun Gewährten nahezulegen; vgl. [anonym:] Die preußische Verfassung vom 3. Februar 1847. Nebst einem Anhange. Leipzig 1847; ein Exemplar auch in: Nachlaß Nr. 4081, Bll. 148–160. 508 Heinrich Simon: Annehmen oder Ablehnen? Die Verfassung vom 3. Februar 1847 beleuchtet vom Standpunkte des bestehenden Rechts. Leipzig 1847, S. 286; vgl. zu den Diskussionen der Liberalen im Vorfeld des Landtages ausf. Obenaus, Anfänge, S. 669–685. 509 Vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 95 und 100; Obenaus, Anfänge, S. 662 und 669; Valentin, Geschichte I, S. 63. 510 Vgl. Kap. II.3.; Bülow-Cummerow, Preußen im Jahre 1847, S. 266–270; siehe auch Valentin, Geschichte I, S. 70. Überhaupt griff Bülow-Cummerow öffentlich viele Kritikpunkte auf, die Arnim gegenüber dem König bereits Jahre zuvor intern geäußert hatte; vgl. Bülow-Cummerow, a. a. O., S. 254–324. 511 Vgl. Kap. II.3.; Bülow-Cummerow, Preußen im Jahre 1847, S. 262–264; Bodelschwinghs Denkschrift vom 25.12.1846. In: Diest, Erlebnisse, S. 41–45; siehe auch ebd., S. 36–41; siehe dazu Brünnecks Schreiben vom 13.03.1847 an Alfred v. Auerswald. In: Herre, Befreiungs- und Verfassungskampf, S. 410; außerdem Bahne, Verfassungspläne, S. 108/09; Obenaus, Anfänge, S. 669; Pierson, Preußische Geschichte II, S. 230.

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(wie beschrieben) nur direkt an den König, zeigte sich jedoch in der Öffentlichkeit loyal512. Außerdem sprach er dem König, da es nun für Widerworte sowieso zu spät war, nach dessen Eröffnungsrede ausdrücklich seinen „tiefempfundenen Dank“ aus513. Während der Verhandlungen des Vereinigten Landtages zeigte sich rasch, daß zwar der Adel auf dem Landtag eine starke Stellung hatte, dies jedoch nicht automatisch eine starke Stellung der Konservativen bedeutete, sondern daß die Opposition in der Mehrheit war514. Darüber hinaus zeigte sich, daß sich die Strukturen der politischen Öffentlichkeit im Verlaufe der vierziger Jahre enorm fortentwickelt hatten515. Nicht nur bei den Liberalen516, sondern auch die Konservativen hatten Anhänger gesammelt und mobilisiert517. Trotz der für sie günstigen Zusammensetzung des Vereinigten Landtages scheiterte der Versuch der Altkonservativen, eine „Partei“ um Carl v. VoßBuch zu bilden518, so daß die „äußerste Rechte“ auf einen kleiner Kreis von etwa 30 Personen beschränkt blieb519, obwohl der Vereinigte Landtag an und für sich ein relativ großes konservatives Potential aufwies. Im Lager der gemäßigten Konservativen konnte Ernst v. Bodelschwingh520, der sich auf dem Vereinigten Landtag besonders stark profi512 Darauf hatte ihn der König jedoch am 02.04.1847 ausdrücklich (unter Verweis auf ähnliche Gepflogenheiten in England) verpflichtet [Nachlaß Nr. 4082, Bll. 78 + 79]. 513 Schreiben Arnims vom 12.04.1847 an den König. In: Nachlaß Nr. 4082, Bl. 82. 514 Am 07.05.1847 resumierte Leopold v. Gerlach: „Der Landtag dauert nun fast vier Wochen, und es erfolgt eine Niederlage nach der anderen.“ [Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 118]. 515 Treitschke erwähnte, „daß die meisten Abgeordneten keine Neulinge waren, sondern schon seit Jahren in der bescheidenen Schule der Provinziallandtage die Kunst der Rede und der parlamentarischen Taktik gelernt hatten und jetzt die Fülle der dort gesammelten Erfahrungen zur gemeinsamen Arbeit herbeitrugen.“ Hierin lag ein wesentlicher Unterschied zur preußischen Nationalversammlung im Jahre 1848, die zum großen Teil aus „Neulingen“ bestand; vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 32. 516 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 594–600 und S. 619–29. 517 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 600–602. 518 Vgl. Ludwig v. Gerlachs Notiz vom 16.04.1847. In: Schoeps, Neue Quellen, S. 354; vgl. Kraus, Gerlach, S. 385/86; Obenaus, Anfänge, S. 705. Wenig später schrieb der König am 17.05.1847 an Ernst v. Bodelschwingh: „Mir ist der Gedanke gekommen, daß Carl Voss ein excellentes Bindemittel der guten Partei abgeben könnte, wenn es Arnim gelingt, sie zu bilden und zu organisieren.“ und bat ihn, diese Idee mit Arnim und Voß zu besprechen [Schoeps, Briefwechsel, S. 36/37]. 519 Vgl. dazu Marcks, Bismarcks Jugend, S. 393. In diesem kleinen Kreis gewann Otto v. Bismarck einiges Ansehen, das ihm später noch nützen sollte. 520 Vgl. Schoeps, Briefwechsel, S. 15. Insofern waren Arnim und Bodelschwingh nicht etwa verfeindet, sondern kooperierten miteinander. Am 5. Juni 1847 bat Arnim Bodelschwingh z. B. um eine Unterredung [Nachlaß Nr. 4081, Bl. 120], was

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lierte521, als Regierungsvertreter nur wenig Einfluß auf die Abgeordneten nehmen522. Deshalb wurde Graf Arnim, der bereits vor der Eröffnung des Vereinigten Landtages über eine gewisse Anhängerschaft in beiden Kurien verfügt hatte523, der Führer der reformorientierten Staatskonservativen und damit seine Fraktion der einzige einflußreiche konservative Faktor des Vereinigten Landtages524. Dies lag an Arnims parlamentarischem Geschick, das besonders in der Adreßdebatte deutlich wurde525, in der Bodelschwingh in seiner Eigenschaft als Landtagskommissar die Adresse zurückwies und damit den Weg der Konfrontation einschlug526. Dagegen gelang es dem Grafen Arnim, mit seinem Amendement die Konfrontation abzumildern, „die den Landtag in zwei Lager spaltet.“527 Auch in der Folgezeit versuchte Arnim mit Kompromißvorschlägen die Konfrontation zwischen Regierung und liberaler Opposition abzumildern. Die hervorragende Stellung Arnims, die er (wie schon zuvor als Posener Oberpräsident und als Innenminister) durch eine ausgeprägte Gastfreundlichkeit untermauerte528, lag in erster Linie an seinem gewandten Auftreten im Landtag529. Allerdings änderte auch Arnims Auftreten nichts an der Schwäche der Konservativen530. Dafür war aber weniger die Zersplitterung dieser zusagte [Ebd.]. Wahrscheinlich suchten die beiden führenden Konservativen einen Ausweg aus dem Dilemma der liberalen Politik der Verweigerung. 521 Vgl. Wülffing, Stellung, S. 23; siehe dazu auch Keinemann, Preußen, S. 48/ 49; Obenaus, Anfänge, S. 702; Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 602; Valentin, Geschichte I, S. 68/69. Bodelschwinghs Auftreten vor dem Vereinigten Landtag gab danach sogar Anlaß zu der Spekulation, er könne der erste Premierminister Preußens werden. Allerdings wurde dann doch Savigny mit der Leitung des Staatsministeriums betraut; vgl. Valentin, Geschichte I, S. 80. 522 Vgl. Valentin, Geschichte I, S. 68/69. 523 Dies geht aus den Worten des Königs hervor, der am 31.03.1847 Arnims „Gesinnungsgenossen in Allen Ständen“ erwähnte [Nachlaß Nr. 4082, Bl. 77] und am 02.04.1847 dessen „Freunde“ [Ebd., Bll. 78 + 79]; vgl. auch Hintze, Hohenzollern, S. 526. 524 Vgl. dazu auch Biedermann, Geschichte, S. 291. Ihr Führer in der DreiStände-Kurie, wenn diese getrennt tagte, war Graf Gneisenau; vgl. Marcks, Bismarcks Jugend, S. 398. Varnhagen notierte am 11.06.1847: „Der Graf Arnim sucht sich eine ständische Stellung zu bilden, allein er flößt kein Vertrauen ein.“ [Tagebücher IV, S. 102]. 525 Vgl. Kap. II.3. Dazu kamen Kompromißvorschläge Arnims in der Debatte über die Landesrentenbanken und bei den Wahlen am Ende des Landtages. 526 Bodelschwingh handelte dabei allerdings auf Befehl des Königs; vgl. Marcks, Bismarcks Jugend, S. 396. 527 Rede des Grafen Arnim am 16.04.1847. In: Bleich, 1. VL II, S. 66; vgl. dazu Kap. II.3. 528 Während des Vereinigten Landtages wurden in Berlin zahlreiche Festlichkeiten veranstaltet, „allen voran an Glanz und Zahl seiner Abende standen die Grafen Redern, Anton zu Stolberg, Arnim Boitzenburg.“ [Stoll, Savigny III, S. 232; vgl. Reumont, Friedrich Wilhelm IV., S. 285].

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der Rechten verantwortlich531, sondern vielmehr die unhaltbare politische Stellung, die verfehlte Verfassungspolitik des Königs (wider besseres Wissen) gegen die berechtigten Angriffe der Liberalen verteidigen zu müssen. Graf Arnim sah in dieser Situation lediglich Ausicht auf Erfolg bei der Vermittlung zwischen den Ansichten der Liberalen und denen des Königs, wobei er wohl hoffte, daß der König gegenüber dem Druck der Liberalen doch noch nachgeben werde. Besonders seine Kompromißvorschläge, die sich einerseits auf dem Boden des Rechts bewegten und andererseits dem König möglichst günstige Kompromisse ermöglichen sollten, begründeten seinen Ruf als konservativer Mann des Kompromisses532. Der König ließ sich jedoch auf keinen Kompromiß ein, weshalb Arnim kein Handlungsspielraum mehr blieb. Darüber hinaus wurde sein Engagement dem Grafen keineswegs gedankt. Vielmehr galt er seitdem als „Kompromißler“: Varnhagen notierte am 1. September 1847 in sein Tagebuch: „Der König ist dennoch gegen die Mitglieder der Opposition höchst erbittert; dies erstreckt sich sogar auf den Minister Grafen Arnim.“533 Nach dem Ende des Vereinigten Landtages war den Konservativen klar, daß etwas geschehen müsse. Deshalb versandten Fürst Radziwill, Otto v. Bismarck und der Rittergutsbesitzer v. Werdeck am 5. Juli 1847 einen Prospekt mit dem Ziel, eine „Gründung einer ständischen Zeitung“534. Allerdings scheiterte auch dieses Projekt, wozu die pessimistische Stimmung der Konservativen beitrug: Graf Arnim z. B. beschränkte sich darauf, die ihm 529 Valentin [Geschichte I, S. 70] urteilte zutreffend: „Arnim war, was er als Minister oft genug bewiesen hatte, durchaus kein Liberaler; er besaß aber politischen Instinkt und sagte sich von Anfang an, daß der König ohne Zugeständnisse das begonnene Werk nicht werde durchführen können. Zu Anfang der Verhandlungen schien es, als habe dieser hohe Beamte, der dies vor allem war und blieb, „den Landtag in der Tasche“. Er wußte so geschäftsgewandt die Formalien zu behandeln und eben dadurch die unerfahrene Versammlung auf seine Seite zu bringen!“ Das von Valentin danach angeführte sinkende Ansehen Arnims dürfte allerdings weniger an Arnims ermüdendem Stil gelegen haben [Valentin, ebd.], sondern vielmehr an der Tatsache, daß die Opposition nach der Zurückweisung der Adresse und dem Scheitern der „Petition der Rechte“ nicht mehr an Kompromissen interessiert war, sondern zu einer Verweigerungshaltung überging. 530 Vgl. Gerlach, Tagebücher, S. 454; siehe auch Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 384. 531 Vgl. Biedermann, Geschichte, S. 291; Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 386; Koser, Charakteristik, S. 297/98. 532 Arnim sollte von seinem Ruf in den kommenden Jahren ebenso profitieren wie Otto v. Bismarck, der zum Synonym des „Hardliners“ wurde; vgl. dazu Obenaus, Anfänge, S. 728. 533 Varnhagen, Tagebücher IV, S. 137. 534 Nachlaß Nr. 4081, Bll. 146 + 147; zuvor hatten das Projekt schon die Brüder Gerlach vergeblich verfolgt; vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen I, S. 477; Schwentker, Konservative Vereine, S. 55.

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II. Der Revolution entgegen (1841–1847)

zugesandten Materialien in seine Akten aufzunehmen. Bis zum Ausbruch der Revolution kam es nicht zur Gründung einer konservativen Partei, die diesen Namen verdient hätte. Alles in allem war Graf Arnim innerhalb des konservativen Spektrums besonders durch sein Auftreten auf dem Vereinigten Landtag aus der Anonymität herausgetreten. Er hatte sich jedoch schon zuvor als konservativer, aber dennoch gemäßigter und vor allem rechtsbewußter Bürokrat einen Namen gemacht. Allerdings gehörte Graf Arnim trotz seines Protestes gegen die Verfassungspläne des Königs zweifellos zu den Konservativen und nicht zu den Liberalen. Er opponierte nicht etwa gegen den Konservativismus des Königs, sondern vielmehr gegen dessen realitätsfernen, idealistischen Verfassungsvorstellungen, die sich zudem nicht mit der geltenden Rechtslage in Übereinstimmung bringen ließen. Als sich dann auf dem Vereinigten Landtag Arnims Befürchtungen bewahrheiteten, reagierte der Boitzenburger jedoch nicht mit abwartender Schadenfreude. Vielmehr versuchte er Loyalität gegenüber der Krone und gewisse Zugeständnisse an die Liberalen zu einem Kompromiß zu verbinden, um in der verfahrenen Situation zu retten, was noch zu retten war. Zwar lehnte der starrköpfige König auch diese Initiative ab, doch dürfte den Grafen insbesondere sein Auftreten auf dem Vereinigten Landtag für die Rolle des Krisenmanagers in der Märzrevolution prädestiniert haben.

III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850) Friedrich der Große hatte die königliche Selbstregierung aus dem Kabinett eingeführt, sich um sämtliche Angelegenheiten des Staates persönlich gekümmert und seinen Ministern mit Hilfe von Kabinettsordres das Wesentliche vorgeschrieben. Obwohl dieses System bereits unter Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III. an seine Grenzen gestoßen war, blieb Friedrich Wilhelm IV. bis zum 18. März 1848 quasi sein eigener Ministerpräsident, obwohl er diese Rolle noch weniger ausfüllen konnte als seine Vorgänger1. Diverse Reformansätze führten zu keiner wirklichen Lösung des Problems, da insbesondere das von vielen als dringend erachtete Amt des Premierministers selbst nach dem Scheitern des Vereinigten Landtags nicht geschaffen wurde2, so daß es bei der von Arnim bereits 1844 bemängelten Uneinigkeit der Regierung blieb3. Weniger die generelle Entschlußlosigkeit des Königs4, sondern vielmehr dessen Ablehnung jeder Strukturreform außerhalb seiner eigenen Verfassungsvorstellungen war die tiefere Ursache der Märzrevolution. Während das (offensichtlich unzureichende) Regierungssystem unverändert blieb, begann bereits vor dem Ausbruch der Märzrevolution das ungewöhnlich rasche Auswechseln des Führungspersonals, das die gesamte preußische Revolutionszeit prägen sollte. Es sollte sich am 18. März bitter rächen, daß der König in der Krisenzeit des März wichtige militärische Schlüsselpositionen umbesetzte, wobei er den General Karl Ludwig v. Prittwitz, der am 18. März das Kommando führen sollte, mehrfach überging: Nachdem der wichtige Posten des Gouverneurs von Berlin längere Zeit nicht wirklich besetzt und von General Prittwitz kommissarisch ausgeübt worden war5, erhielt ihn am 2. März der liberale Ernst v. Pfuel, der dem 1 Vgl. ausf. Kap. II.2.; zu dieser Einschätzung kommt auch Holtz, Regierung, S. 133. 2 Vgl. Obenaus, Anfänge, S. 710. Dabei wurde Ernst v. Bodelschwingh de facto als Ministerpräsident angesehen; vgl. Bahne, Verfassungspläne, S. 74; Bußmann, Zwischen Preußen, S. 222; siehe auch Diest, Erlebnisse, passim. 3 Vgl. Kap. II.2.d). 4 Prittwitz [Berlin 1848, 3] wirft dem König Entschlußlosigkeit vor. 5 Der seit 1838 amtierende General Friedrich Ferdinand Karl Freiherr v. Müffling (1775–1851) wurde am 5. Oktober 1847 aus Altersgründen entlassen, worauf die Funktion kommissarisch vom nur wenig jüngeren Stadtkommandanten General Karl Freiherr v. Ditfurth (1780–1855) übernommen wurde. Zugleich wurde General Karl Ludwig v. Prittwitz (1790–1871) zu dessen Stellvertreter ernannt. Der Gouver-

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Amt augenscheinlich wenig gewachsen war6, während Prittwitz als dessen Adjutant fungierte7. Am 3. März verfügte der König, daß der alte General Karl Freiherr v. Ditfurth nominell auf seinem Posten als Stadtkommandant von Berlin blieb, jedoch kommissarisch in seinen Amtsgeschäften von General Prittwitz vertreten wurde8. Kurz bevor Pfuel seinen Posten als Gouverneur am 12. März antrat9, wurde am 10. März zudem der Kommandierende General des Gardekorps, der Prinz von Preußen, zum Militär-Gouverneur der Rheinprovinz und Westfalens ernannt10 und General Prittwitz (erneut nur kommissarisch) mit dem Posten betraut11. Zu Beginn der Märzrevolution betreute General Prittwitz also in Berlin die Posten des Gouverneurs, des Stadtkommandanten und des Kommandos des Gardekorps, ohne jedoch den Vertrauensbeweis einer „ordentlichen“ Ernennung erfahren zu haben. Zudem hatte Kriegsminister General Ferdinand v. Rohr, der erst seit dem 7. Oktober 1847 als Nachfolger Boyens im Amt war, im Februar 1848 einen Blutsturz erlitten, wurde aber trotzdem erst am 29. März seines Amtes entbunden, so daß auch das Kriegsministerium nur unzulänglich besetzt war12. neur hatte weitgehende, noch von Friedrich Wilhelm III. festgelegte Befugnisse: „Ihm liegt die Fürsorge für die militärischen Maßregeln zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung ob, und es stehen in dieser Beziehung sämtliche Truppen der Garnison zu seiner Disposition.“ [Zitiert nach Prittwitz, Berlin 1848, S. 8] 6 „Der Gouverneur von Berlin, wahrscheinlich um sich frischen Gemütes und unbefangenen Geistes zu erhalten und um sich für die entscheidenden Augenblicke aufzusparen, bekümmerte sich herzlich wenig um alles, was einem Detail nur entfernt ähnlich sah.“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 51; vgl. Rochow, Vom Leben, S. 121/22; dagegen wohlwollend Gersdorff, Pfuel, S. 99–108. 7 Prittwitz, der sich bei der Besetzung des Postens übergangen fühlen durfte, da er ihn zuvor de facto innegehabt hatte, fungierte nach eigener Aussage freiwillig als Pfuels Adjutant; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 47/48 und S. 51. 8 KO vom 03.03.1848. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 24; vgl. Rachfahl, Friedrich Wilhelm IV. im Lichte neuer Quellen, S. 271–275. 9 Prittwitz, Berlin 1848, S. 39 und S. 46/47. 10 Vgl. ebd., S. 34. Prinz Wilhelm verabschiedete sich am 13. März von den Truppen [Ebd., S. 50], blieb aber auf Befehl des Königs bis zum Ende der Kämpfe in Berlin [Vgl. Prinz Wilhelm, Briefe, S. 287/88], ausgestattet mit großer militärischer Autorität, allerdings ohne offizielle Befehlsgewalt, was zu Problemen führen sollte, s. u. 11 General Prittwitz, seit 1843 Kommandeur der Garde-Infanterie, erhielt erst am 23. Mai 1848 endgültig das Oberkommando über das Gardekorps. 12 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 24, Anm. 9. Als General v. Prittwitz seine etwas undurchsichtige Dienststellung klären wollte, wandte er sich darum, „hierbei auf den Kriegsminister wenig rechnend“, an den Prinzen von Preußen (Prittwitz, Berlin 1848, S. 27.). Er wurde kommissarisch von General Reyher vertreten, den Huber [Deutsche Verfassungsgeschichte II, S. 750] darum zeitweilig als Kriegsminister führt.

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Auf Grund dieser Konstellation war es geradezu vorprogrammiert, daß es beim Ausbruch von Unruhen zu massiven Reibungsverlusten bis hin zu einer militärischen Führungskrise kommen mußte, sobald die Krise mehr als nur Routinemaßnahmen der unteren Führungsebene erforderte: Das Zentrum der preußischen Militärmaschinerie, die nach wie vor ein absolut königstreues Offizierskorps besaß, wies ein außerordentliches Machtvakuum auf. Dazu kam, daß auch das Staatsministerium auf Grund der Tatsache, daß die Minister (nicht nur Graf Arnim) vom König quasi wie Lakaien behandelt wurden, nicht zu einem wirkungsvollen Krisenmanagement in der Lage war. 1. Ministerpräsident von Preußen (19.03.–29.03.1848) Graf Arnims Amtsführung als preußischer Ministerpräsident war und ist stärker umstritten als alle anderen politischen Entscheidungen seiner Karriere. Dies liegt daran, daß sie in die sog. „Märzrevolution“ fiel, welche das königliche Preußen in eine der tiefsten Krisen seiner Geschichte stürzte. Besonders die Frage, wer für die Niederlage der Krone zur Verantwortung zu ziehen war, wurde mehrmals kontrovers diskutiert13. Bereits zwischen 1848 und 1854 schoben sich militärische und zivile Berater des Königs die Schuld für die „Katastrophe“ des 19. März zu14, und ab 1901 gab es (in der Regierungszeit Wilhelms II.) einen heftigen Historikerstreit über die Ursachen und Folgen der Märzrevolution. Ohne auf die verschlungenen Pfade dieser Diskussionen im Detail einzugehen, soll in diesem (deshalb auch recht umfangreichen) Kapitel untersucht werden, bis zu welchem Grade Graf Arnim als preußischer Ministerpräsident Verantwortung für bestimmte Entscheidungen trug. Dabei ist zu beachten, daß (wie erwähnt) seit dem Tode Hardenbergs die Stelle eines „Premierministers“ in Preußen nicht besetzt war und quasi der König sein eigener Ministerpräsident war.

13 Vgl. zusammenfassend Heinrich, Einleitung. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. XV– LXIV. Dort auch das Folgende. 14 Diese Diskussion wurde vor allem zwischen dem Grafen Arnim, dem damals höchsten zivilen Ratgeber des Königs, und dem General Prittwitz, dem obersten Militär, geführt. Beider Verhältnis war zunächst alles andere als feindselig: Am 22.08. und 05.09.1848 schrieb Arnim an Prittwitz [Nachlaß Nr. 3993], um ihm sein gedruckt erscheinendes Manuskript zur Stellungnahme vorzulegen; vgl. Nachlaß Nr. 3979, Bll. 16–20; Prittwitz’ Korrekturen in: Nachlaß Nr. 3993, Bll. 10 + 11. Auch Prittwitz versuchte Arnim zu schonen; vgl. dessen Schreiben vom 06.11.1848 an Arnim ebd., B. 14. Siehe dazu auch Nachlaß Nr. 3982, passim.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

a) Die Eskalation der Gewalt (09.–18.03.1848) Am 6. März schloß der König die Vereinigten ständischen Ausschüsse und gewährte dabei endlich dem Vereinigten Landtag die Periodizität15. Dieses Zugeständnis, das 1847, als Graf Arnim vergeblich darauf drängte, noch Zufriedenheit ausgelöst hätte16, kam viel zu spät und zeigte darum nicht die geringste positive Wirkung. Vielmehr wurde das Zugeständnis, das der König seit langem vorgesehen hatte, als Reaktion auf die Pariser Februarrevolution angesehen, weshalb es am folgenden Tage in den „Zelten“ im Tiergarten vor den Toren Berlins zu einer großen Volksversammlung kam, die eine Adresse an den König beschloß17. Da jedoch die Überreichung dieser recht gemäßigten Adresse nicht zustande kam und außerdem der Berliner Oberbürgermeister Krausnick sich weigerte, zwischen Bürgern und König zu vermitteln18, wurde ein friedlicher Weg zur Artikulation des angestauten Unmuts verbaut19. Deshalb eskalierte ab dem 9. März allmählich die Gewalt. Zur Bekämpfung der Unruhen wurde Militär eingesetzt20, da in Berlin nur 204 Polizeibeamte zur Verfügung standen, was bei weitem nicht ausreichte, um für Ruhe und Ordnung sorgen zu können. Der Militäreinsatz erfolgte gegen das Votum des Berliner Polizeipräsidenten Julius v. Minutoli in der Verantwortlichkeit des Innenministers Ernst v. Bodelschwingh21. Darüber hinaus deuteten die vom Kabinett zunächst ergriffenen Maßregeln darauf hin, „daß dasselbe mehr um Deutschland als um sich selbst besorgt war.“22 Nachdem Joseph Maria v. Radowitz schon seit Ende 1847 in Wien verhandelt hatte, wurde am 10. März in Wien eine Übereinkunft der preußischen und österreichischen Regierung getroffen, „gleichzeitig am 15. März die Einberufung eines Kongresses behufs der Regeneration des Deutschen Bundes zu veröffentlichen.“23 Außerdem wurden eine Division 15 Vgl. Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben I, S. 15; siehe auch Hachtmann, Berlin 1848, S. 123; Obenaus, Anfänge, S. 711. Zugleich wurden die Befugnisse der Vereinigten Ausschüsse beschränkt, diese jedoch beibehalten, so daß weiterhin die Möglichkeit beschränkt blieb, daß der Vereinigte Landtag sich zu einem „modernen“ Parlament entwickeln konnte. 16 Vgl. Kap. II.3. 17 Vgl. Wolff, Revolutionschronik I, S. 14–17; siehe auch Blos, Revolution, S. 124–126; Hachtmann, Berlin 1848, S. 127/28; Haenchen, Zur revolutionären Unterwühlung, S. 107–109; Richter, Revolution, S. 606. 18 Vgl. Streckfuß, 500 Jahre, S. 623; Valentin I, S. 419. 19 Vgl. Hachtmann, Berlin 1848, S. 128–131; Richter, Revolution, S. 607. 20 Vgl. ebd., S. 610–612. 21 Vgl. Heinrichs Einleitung. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. XVIV; außerdem Hachtmann, Berlin 1848, S. 124/25. 22 Prittwitz, Berlin 1848, S. 22; diese Einschätzung bestätigte Holtz, Regierungsstil, S. 75/76.

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bei Koblenz und eine weitere bei Halle an der Saale zusammengezogen24, um in ganz Deutschland militärisch eingreifen zu können. Am 13. März stießen erstmals Truppen und Bevölkerung zusammen25. Ursache dafür war sowohl auf der Seite der Truppe als auch auf der der Bevölkerung das Gefühl unerträglicher Provokation26, was zu einer weiteren Eskalation der Gewalt führte: Am 14. März mußten bereits zwei Barrikaden mit Gewalt beseitigt werden27. Die Einsicht, „daß nur das Erscheinen der Truppen die Unruhe nähre, daß mit dem gänzlichen Zurückziehen derselben aber sofort die vollständigste Ordnung eintreten werde“28, wurde jedoch von General Pfuel nach wie vor ignoriert: Während Verhaftungen auf Befehl des Polizeipräsidenten Minutoli unterblieben29, reizten Kavalleriepatrouillen in der Stadt nur die Bevölkerung30. Am 15. kam es erneut zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Militär31, bei denen erstmals scharf geschossen wurde, obwohl die Polizei durch etwa 2000 Bürger verstärkt worden war, die mit schwarz-weißen Armbinden und der Aufschrift „Schutzbeamter“ sowie mit weißen Stäben ausgerüstet wurden32, jedoch nicht mit Schußwaffen. Dabei scheiterte das von General Pfuel erprobte Prinzip des passiven Widerstands kläglich: Zwei Stunden lang mußten sich Soldaten vor einem Portal des Schlosses von der Menge mit Steinen bewerfen lassen, ohne aktiv Widerstand leisten zu dürfen, wobei zwei Offiziere und mehr als zwanzig Soldaten (zum Teil schwer) verletzt wurden33. Am 16. März wurden deshalb zunächst keine Patrouillen ausge23

Ebd., S. 35. Vgl. ebd., S. 22. 25 Vgl. ebd., S. 52–56; siehe dazu Blos, Revolution, S. 128/29; Hachtmann, Berlin 1848, S. 137–139; Kaeber, Berlin 1848, S. 39–42. 26 „Bereits hier wird die Konfliktsituation des 18. März erkennbar: Die Eskalation gegenseitiger Herausforderung schuf eine emotional aufgeladene Atmosphäre: Militärhaß entwickelte sich zu einem Grundgefühl in der Berliner Bevölkerung, und dieser Stimmung entsprangen psychologisch ähnlich aggressive Reaktionen wie von Seiten der Truppe, nur daß deren Waffenmonopol das Ergebnis vorwegzubestimmen schien“ [Richter, Revolution, S. 610]. 27 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 62/63; Wolff, Revolutionschronik I, S. 71–75; siehe auch Hachtmann, Revolution, S. 139–142; Kaeber, Berlin 1848, S. 42/43. 28 Prittwitz, Berlin 1848, S. 66; vgl. Hachtmann, Berlin 1848, S. 140. 29 Prittwitz, Berlin 1848. Minutoli bestritt dies; vgl. ebd. 30 Vgl. Hachtmann, Berlin 1848, S. 140. 31 Vgl. die Bekanntmachung des Berliner Magistrats. In: Angerstein, März-Ereignisse, S. 94; Prittwitz, Berlin 1848, S. 71–79: Wolff, Revolutionschronik I, S. 79– 84; siehe dazu Blos, Revolution, S. 131/32; Kaeber, Berlin 1848, S. 43/44. 32 Vgl. Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben I, S. 20/21; Prittwitz, Berlin 1848, S. 71 und 81/82; siehe dazu Hachtmann, Berlin 1848, S. 142–146; Richter, Revolution, S. 611. Die Führer der Schutzmänner fungierten zugleich als Zivil-Adjutanten des Gouverneurs; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 92. 24

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schickt, um dem Vorwand entgegenzutreten, „nur das Erscheinen der Truppen reize die Menge auf.“34 Als jedoch die (durch Auswärtige verstärkte35) Bevölkerung die neu aufgestellten Schutzmannschaften bedrängte, wurde doch das Militär eingesetzt, worauf erneut Blut floß36. Dabei zeigte sich Gouverneur Pfuel zunehmend weniger der Situation gewachsen37, zumal abzusehen war, daß der häufige Einsatz der Armee deren moralisches Ansehen untergraben mußte. Angesichts dieser Eskalation der Gewalt fiel dem König am 14. März nicht mehr ein als die Einberufung des Vereinigten Landtages nach Berlin auf den 27. April38. Daraufhin setzte der gerade erst von seiner Krankheit genesene Graf Arnim, der seit dem 28. Februar die Ereignisse in Berlin beobachtete39, am 16. März eine Petition an den König auf, in der dazu riet, mit der Einberufung des Vereinigten Landtages nicht noch über einen Monat zu warten40. Der Prinz von Preußen, dem Arnim diese Petition vorlegte, ließ sich von Arnim die Argumente vortragen, damit er diese mündlich an den König weiterleiten könne41. Die Nachricht vom Sturz Metternichs sorgte jedoch für eine erneute Verschärfung der Lage42: Am 17. März wurden im Ministerrat in Anwesenheit des Königs unter dem Eindruck der Revolution in Wien mehrere Beschlüsse von großer Tragweite gefaßt: Erstens entließ der König endgültig 33

Vgl. ebd., S. 71–74; siehe auch den Brief des Premierleutnants Frhr. v. Keyserling vom 16.03.1848. In: Haenchen, Aus dem Nachlaß, S. 110–113; oberflächlich Hachtmann, Berlin 1848, S. 146. 34 Ebd., Berlin 1848, S. 86. 35 Prittwitz [Berlin 1848, S. 85] erwähnte „vierzig sogenannte Leipziger Studenten (Polen)“, die an diesem Tage in Berlin angekommen wären und den aktiven Kern des Widerstands verstärkt hätten. 36 Vgl. Streckfuß, Berliner März 1848, S. 39; Wolff, Revolutionschronik I, S. 88–90. 37 Da Pfuel trotz des offensichtlichen Mißerfolges seine Strategie nicht in Frage stellte, griff der Prinz von Preußen ihn heftig an, worauf Pfuel erklärte „daß ihm unter solchen Umständen nur die Appellation an den König oder augenblicklicher Rücktritt übrigbleibe.“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 74] Der König stellte sich daraufhin auf Pfuels Seite und zwang den Prinzen zu einer Entschuldigung [anders Kaeber, Berlin 1848, S. 46/47]. 38 Vgl. Barclay, Anarchie, S. 205; Hachtmann, Berlin 1848, S. 123/24. 39 Vgl. Nachlaß Nr. 3779, Bl. 48. 40 Vgl. Nachlaß Nr. 4083, Bll. 3–5; siehe auch das Konzept eines mit dem 13.03.1848 datierten Schreibens an Bodelschwingh ebd., Bl. 2; Ähnliches riet auch Radowitz; vgl. Neumann, Stufen, S. 143. 41 Vgl. Arnims Randbemerkung ebd. Der Prinz von Preußen gewährte Arnim am 16. März eine Audienz, zusammen mit Fürst Putbus und Fürst Lichnowski; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 94. 42 Vgl. Hachtmann, Berlin 1848, S. 146–148.

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das alte Ministerium und insbesondere Ernst v. Bodelschwingh43, als dessen Nachfolger Graf Alvensleben-Erxleben ins Auge gefaßt wurde44. Zweitens wurden „die dem Preußischen Staat zu gebende Verfassung, d.h. die Teilung der Gesetzgebungsgewalt und des Besteuerungsrechtes zwischen dem Könige und den Ständen, sowie die der Krone verbliebene Vollziehungsgewalt nebst einem verantwortlichen Ministerium erörtert.“45 Im Zusammenhang mit dieser Umgestaltung der Exekutive entschloß sich der König nun endlich zur Aufhebung der Zensur46 und zu einer Verfassungsreform, die mit Hilfe des Vereinigten Landtages durchgeführt werden sollte47. Drittens wurde „mit den bereits vorhandenen Plänen für Deutschlands Umgestaltung, jetzt jedoch durch ein deutsches Parlament noch vermehrt“, versucht, „Preußen an die Spitze der Bewegung zu stellen“48. Die Reform Deutschlands sollte mit Hilfe des Vereinigten Landtages erfolgen, der bereits zum 2. April einberufen wurde, weil sich der Plan eines Fürstenkongresses wegen des Ausbruchs der Revolution in Wien und der Entlassung Metternichs erledigt hatte49. Viertens wurde beschlossen, „soweit es möglich ist, das Einschreiten der militärischen Waffen zu vermeiden, diese vielmehr, wie es der Wunsch des Herrn Gouverneurs und der ausdrückliche Befehl S.M. des Königs ist, nur auf den Fall zu beschränken, in welchem das Militär selbst angegriffen oder das Privateigentum . . . bedroht werden sollte“50. 43 Vgl. ausf. Prittwitz, Berlin 1848, S. 29–108 [nicht in der GS 1848 publiziert]. Entlassen wurden außer Innenminister Bodelschwingh auch Außenminister Canitz, Finanzminister Duesberg, Kultusminister Eichhorn, Justizminister Savigny und die Hausminister Fürst Wittgenstein und Graf Stolberg. Die Entlassenen führten zunächst kommissarisch die Geschäfte fort, während Kriegsminister Rohr und Justizminister Uhden im Amt blieben. 44 Prittwitz, Berlin 1848, S. 96; vgl. Mähl, Überleitung, S. 20/21; Petersdorff, König Friedrich Wilhelm, S. 78; ders., Alvensleben, S. 287. Bodelschwingh schlug dagegen den ihm nahestehenden Grafen Arnim vor, um die Ernennung Alvenslebens zu verhindern [Schoeps, Neue Quellen, S. 377/78], der ihm offenbar als zu konservativ erschien. Der König dachte wohl deshalb an Alvensleben, weil dieser 1844 (als erster) aus Protest gegen dessen Verfassungspolitik zurückgetreten war. 45 Ebd., Berlin 1848, S. 95. 46 Vgl. Pressegesetz vom 17.03.1848. In: GS 1848, S. 69; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 95. 47 Dieser wurde in einer (vom 18. März datierten) Verordnung zum 2. April einberufen, „damit Wir desto eher diejenigen Vorschläge zu entwickeln im Stande sind, welche Wir für die Verfassung Unserer Staaten nötig erachten.“ [Huber, Dokumente 1, S. 364/65] 48 Prittwitz, Berlin 1848, S. 95. Der König wurde also [gegen Kirsch, Monarch, S. 315] nicht erst durch die Barrikadenkämpfe dazu veranlaßt, sich die nationalen Forderungen der Revolutionäre „zu eigen“ zu machen. 49 Über die Frage, inwiefern bei dieser Entscheidung auch Arnims Argumente eine Rolle gespielt haben, läßt sich lediglich spekulieren, jedoch nichts Gesichertes aussagen.

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Diese durch den Zwang der Umstände diktierten Zugeständnisse bedeuteten noch keine Kehrtwendung des Königs51, der auch noch auf dem Gipfel der Krise am Vereinigten Landtag festhielt, und verpufften darum ohne Wirkung52. Zwar wurden die Truppen an diesem Tage nicht eingesetzt53, doch wurden in einer abendlichen Bürgerversammlung in einem Bierlokal in der Köpenicker Straße der Plan einer „Sturmpetition“ für den folgenden Tag geschmiedet54, die weitreichende Folgen haben sollte. Dabei hatten einige Verfechter des Planes die Möglichkeit eines Straßenkampfes mit dem Militär mehr oder weniger deutlich vor Augen, und es kursierte die Parole: „Morgen geht’s los, morgen wird es sich entscheiden.“55 Am 18. März fand zunächst um 8 Uhr eine Konferenz Bodelschwinghs mit dem Berliner Oberbürgermeister Krausnick und weiteren Funktionsträgern statt56. Danach ließ dieser zwischen 8 und 9 Uhr den Grafen Arnim zu sich rufen und legte ihm (und Alvensleben) die Beschlüsse vom Vortage zur Kenntnisnahme vor57, teilte Arnim jedoch nicht mit, daß er eventuell Ministerpräsident werden könnte58. Um 10 Uhr fand eine Konferenz im Runden Salon des Berliner Schlosses statt. Daran nahmen Kriegsminister Ferdinand v. Rohr, Justizminister Karl Alexander v. Uhden und Hausmini50 Bekanntmachung des Berliner Magistrats vom 17.03.1848 ebd., S. 98. Außerdem wurde festgelegt, daß die Militärbefehlshaber nicht eher eingreifen dürften, „als bis die Führer der Schutzabteilungen erklärt haben, daß es ihnen nicht gelingen wolle, die Ruhe zu erhalten, und Exzesse zu erwarten sind.“ [Ebd., S. 99] 51 Gegen Koser, Friedrich Wilhelm IV. am Vorabend, passim; Schoeps, Neue Quellen, S. 378. 52 Deshalb kam es auch zu Konflikten zwischen gemäßigten Konservativen und der sog. „Militärpartei“; vgl. Hachtmann, Berlin 1848, S. 148/49. 53 Vgl. Blos, Revolution, S. 133; Hachtmann, Berlin 1848, S. 151/52. 54 Eine an und für sich harmlose Adresse, in der im Prinzip nur gefordert wurde, was 36 Stunden später umgesetzt worden war (Rückzug des Militärs, Aufstellung einer Bürgerwehr, Pressefreiheit und rasche Einberufung des Vereinigten Landtages), sollte insofern Sprengkraft erlangen, als sie nicht durch eine Deputation, sondern als „Sturmpetition“ im Rahmen einer Massendemonstration vor dem Schloß überreicht werden sollte; vgl. August H. Braß. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 101– 103; außerdem Streckfuß, Geschichte, S. 637; Wolff, Revolutionschronik I, S. 93– 108; siehe auch Blos, Revolution, S. 133; Kaeber, Berlin 1848, S. 49; Richter, Revolution, S. 612/13. 55 Zitiert nach: Streckfuß, Geschichte, S. 638; vgl. Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben I, S. 21–23; siehe auch Kaeber, Berlin 1848, S. 49. 56 Prittwitz, Berlin 1848, S. 112. 57 Vgl. ebd., S. 110 [Erklärung Arnims vom 31.01.1849; siehe auch ebd., S. 95] Dagegen behauptete Bodelschwingh, die Verordnung vom 18. März sei mit dem Grafen Arnim abgesprochen worden [vgl. ebd.; siehe auch Koser, Friedrich Wilhelm IV. am Vorabend, S. 320]. 58 Vgl. ebd. Arnim wurde offenbar zunächst nur herangezogen, um an der Verfassungsarbeit teilzunehmen.

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ster Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode teil, außerdem der ehemalige Minister Albrecht Graf v. Alvensleben, der Oberpräsident der Rheinprovinz Franz August v. Eichmann, der Generaladjutant Friedrich Wilhelm v. Rauch und der Flügeladjutant Gustav v. Below, jedoch nicht Graf Arnim59. Daraufhin folgte um 10.30 Uhr, nach Hinzuziehung des Königs und des Außenministers Karl Ernst Wilhelm Freiherr v. Canitz und Dallwitz ein Kronrat im Roten Zimmer. Als „Retter der Krone“ wurde nun, weil Alvensleben das Amt abgelehnt hatte60, doch Graf Arnim auserkoren. Dieser war bezeichnenderweise zu den Beratungen am Morgen des 18. März nicht hinzugezogen worden, wenn man von dem kurzen Gespräch mit Alvensleben und Bodelschwingh absieht. Erst nach dem Kronrat nahm Bodelschwingh Kontakt zu Graf Arnim auf61, um ihn aufzufordern, an die Spitze des Ministeriums zu treten, „ob des alten, eines umzugestaltenden oder eines neuen, sollte zunächst von seiner Beurteilung abhängen.“62 Erst nachdem eine Kölner und dann (bis 12.45 Uhr) eine Berliner Deputation beim König gewesen waren63, erhielt Graf Arnim, der schon um 10 Uhr „unerwartet“ zum König beschieden worden war, eine Audienz64. In dieser wurde er vom König in einem Gespräch unter vier Augen dazu aufgefordert, ein Ministerium zu bilden65. Arnim dürfte sich angesichts dieser überraschenden Aufforderung kaum geschmeichelt gefühlt haben, zumal er aus seiner Amtszeit als Innenminister wußte, wie schwer es war, unter Friedrich Wilhelm IV. Minister zu sein66. Außerdem mußte er das Gefühl haben, lediglich als „Notnagel“ zu fungieren. Insofern ist es verständlich, daß Graf Arnim sich nicht auf eine längere Erörterung einließ67, sondern „bei der Wichtigkeit der Sache Bedenkzeit bis zum andern Tage“ erbat, die 59 Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 50. Es ist bemerkenswert, daß Graf Arnim und auch General Prittwitz von dieser kurzen Unterredung keine Kenntnis erhielten, geschweige denn, daß Graf Arnim hinzugezogen worden wäre. 60 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 96 und 110; siehe dazu Bergengrün, Hansemann, S. 407; Mähl, Überleitung, S. 20/21; Petersdorff, König Friedrich Wilhelm, S. 78; ders., Alvensleben, S. 287/88. 61 Vgl. Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 50; Prittwitz, Berlin 1848, S. 110/111; Mähl, Überleitung, S. 23. 62 Prittwitz, Berlin 1848, S. 96. 63 Vgl. Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe, S. 50; Prittwitz, Berlin 1848, S. 113–120; Wolff, Revolutionschronik I, S. 123. 64 Arnim. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 453; vgl. dessen Erklärung ebd., S. 111. Die Deputationen waren auch für 10 Uhr zum König bestellt worden; vgl. ebd., S. 113; Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe, S. 50. 65 Erklärung Arnims. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 111; vgl. ebd., S. 110. 66 Vgl. ausf. Kap. II.2. 67 Gemäß Adjutantenjournal trat der König schon um 13.30 Uhr auf den Balkon [Revolutionsbriefe, S. 50]; die Audienz des Grafen dauerte also nur etwa eine halbe Stunde.

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ihm auch gewährt wurde68. Bodelschwingh führte also weiter kommissarisch die Amtsgeschäfte69. Da es am Vortage aber relativ ruhig gewesen war und die Situation auch auf Grund der Zugeständnisse des Königs wieder entspannt zu sein schien, auch wenn es Warnungen vor neuen Unruhen gab70, erscheint Arnims Bitte um Bedenkzeit gerechtfertigt71. Schon bald erwies sich die Ruhe als trügerisch. Schon ab 13 Uhr, also noch während der Audienz des Grafen, war es zu einem Volksauflauf von etwa 10.000 Bürgern vor dem Schloß gekommen, in dem die Stimmung zunächst gut war72. Um 13.30 Uhr trat der König auf den Balkon, um sich dem Volk zu zeigen, das sich inzwischen vor dem Schloß versammelt hatte. Bei der Verkündung der Zugeständnisse des Königs brach großer Jubel aus73. b) Die Straßenkämpfe am 18. und 19. März 1848 Während der Graf aus dem Schloß trat, begann sich die Menge zwar zu zerstreuen, doch drängten dafür andere nach, und der Jubel über die Zugeständnisse des Königs begann sich allmählich in Ärger zu wandeln, wobei die starke Militärpräsenz im Schloß als Auslöser diente74. Die Menge rea68

Arnim. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 454. Die Frage, ob Graf Arnim am 18. März schon als Minister amtierte, wurde von diesem ausdrücklich verneint [Prittwitz, Berlin 1848, S. 454; Arnim, Bemerkungen, S. 6]. Demgegenüber erklärte Edwin v. Manteuffel, der Arnim allerdings nicht mochte, „daß Graf Arnim sich als Minister betrachtete und auch als solcher betrachtet wurde.“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 127, Anm. 17] 70 Prittwitz zufolge habe Polizeipräsident Minutoli vor weiteren Unruhen gewarnt [Prittwitz, Berlin 1848, S. 97 und 118]. Bodelschwingh aber habe das Patent vom 18. März hochgehalten und geantwortet: „Dafür ist mir jetzt nicht mehr bange, Preußen hat seine Revolution gemacht, die liegt hinter uns.“ [Ebd., S. 119] Er meinte wohl die Zugeständnisse des Königs, die er offenbar als „Revolution von oben“ interpretierte. 71 Prittwitz bemerkte, „daß der Wechsel des Ministeriums und die dadurch herbeigeführte 24stündige Zwischenzeit entschieden ungünstig auf den Ausgang der Märztage eingewirkt hat.“ [Berlin 1848, S. 111] Dies ist natürlich richtig. Trotzdem war es dem Grafen eher anzurechnen, daß er die Aufforderung des Königs nicht (wie Graf Alvensleben) rundheraus ablehnte. Außerdem war es der König, der dem Grafen die Bedenkzeit gewährte, statt auf einer sofortigen Entscheidung zu bestehen. 72 Vgl. ebd., S. 116–118; siehe auch Blos, Revolution, S. 134–136; Kaeber, Berlin 1848, S. 52–54. 73 Vgl. Edwin v. Manteuffel. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 120; siehe dazu Hachtmann, Berlin 1848, S. 152–155. 74 Vgl. Fürst Radziwill. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 478; siehe dazu Hachtmann, Berlin 1848, S. 155/56. Gouverneur Pfuel hatte kurz zuvor (unnötigerweise) zusätzlich zu den bereits in und um das Schloß stationierten Truppen drei Bataillone In69

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gierte mit der ungestümen Forderung nach Rückzug des Militärs, weil dieses die königlichen Versprechungen als „ungedeckten Scheck“ erscheinen ließ75. Obwohl sich der gerade aus dem Schloß getretene Graf Arnim nach eigenem Bekunden noch als „Privatmann“ fühlte76, versuchten er, Bodelschwingh und Gouverneur Pfuel vergeblich, die Gemüter auf dem Schloßplatz zu beruhigen77. Der sichtlich überforderte General Pfuel begab sich anschließend in seine Wohnung, „um dort einige eilige Briefe zu schreiben.“78. Daß der Kommandeur der Berliner Truppen in dieser unübersichtlichen Situation einfach nach Hause ging, ist ein nur schwer erklärbares Verhalten. Ebenso mysteriös ist allerdings, daß Pfuel nur kurze Zeit nach seinem Weggang auf Drängen Alvenslebens durch General Karl v. Prittwitz ersetzt wurde79. Wie Graf Arnim wurde auch Prittwitz vor vollendete Tatsachen gestellt und erhielt „plötzlich und unerwartet“ den Oberbefehl „über die Truppen in und bei Berlin“ übertragen, jedoch nicht den Posten des Gouverneurs selbst80. Bemerkenswert daran ist, daß erstens Prittwitz erneut nur interimistisch mit dem Kommando betraut wurde, zweitens der Prinz von Preußen den Posten nicht erhielt81 und drittens Pfuel das Kommando nach seiner Rückkehr ins fanterie, drei Schwadronen Kavallerie und vier Geschütze nach dem Schloß beordert [Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 128]. 75 Blasius, Friedrich Wilhelm IV., S. 124. Allerdings haben einige Provokateure die Truppenpräsenz dazu genutzt, um mit dem Anstimmen der Parole „Militär weg!“ eine Konfrontation zu provozieren; vgl. Paul Börners Erinnerungen (1920). In: Das Jahr 48. Ein Buch der Erinnerung. Gütersloh 1948, S. 61. 76 Arnim. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 454; vgl. ebd., S. 111. 77 Der Prinz von Preußen erklärte, Arnim, Bodelschwingh und Pfuel hätten sich auf Befehl des Königs unter die Menge gemischt; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 117. Bodelschwingh wurde dabei von der Menge angegriffen; vgl. Leo ebd., S. 124; siehe auch Wolff, Revolutionschronik I, S. 124–129; außerdem Kaeber, Berlin 1848, S. 61/62. 78 Prittwitz, Berlin 1848, S. 129. Er glaubte offenbar, daß die Situation durch die Zugeständnisse des Königs beruhigt worden sei. Indem er als Oberkommandierender mitten in der Krise wegging, ohne seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben [Vgl. ebd., S. 128], bewies Pfuel, daß er auf seinem Posten überfordert war. Diesen Vorwurf entkräftet auch nicht die Ausrede, er sei später nicht mehr durch das Gedränge zum Schloß zurückgekommen; vgl. Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 51; siehe auch Kaeber, Berlin 1848, S. 54/55. 79 Vgl. Edwin v. Manteuffel. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 129, Anm. 18; siehe auch Varnhagen, Tagebücher IV, S. 302/03; Petersdorff, König Friedrich Wilhelm, S. 78; Lenz, Geschichte, S. 210/11. Die Kabinettsordre des Königs, die Prittwitz eine Stunde später erhielt, lautete: „Da der Gouverneur, General der Infanterie v. Pfuel, augenblicklich nicht zu finden ist, so übertrage Ich Ihnen das Kommando sämtlicher Truppen in und um Berlin, bis Ich diese Maßregel zu ändern Mich bewogen finden sollte.“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 129] 80 Vgl. ebd., S. 456. General Prittwitz war damit nur noch an die Weisungen des Königs gebunden.

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Schloß nicht zurückbekam82. Offenbar stellten die Ernennungen des Grafen Arnim und des Generals Prittwitz den Versuch dar, die eskalierende Situation durch erfahrene „Krisenmanager“ in den Griff zu bekommen. Die Ernennung Prittwitz’ ging offenbar einher mit dem Entschluß zum harten Durchgreifen: Statt die am Vortage beschlossene militärische Zurückhaltung zu üben und die Menge mit dem Versprechen einer „Bürgerbewaffnung“ zu beruhigen83, befahl der König Prittwitz kurz nach 14 Uhr den Einsatz von Militär zur Räumung des Schloßplatzes84. Dieser ließ daraufhin eine Schwadron Dragoner vorgehen85, auf die sofort eine Volksmenge „mit gewaltigem Geschrei“ und dem Ruf „Militär weg!“ losstürzte86. Während sich Graf Arnim zu Pferd vom Schloßplatz in benachbarte Straßen begab, um dort die Gemüter zu beruhigen87, rückte ein Bataillon Infanterie vor, um den arg bedrängten Dragonern zu Hilfe zu eilen. Dabei lösten sich unbeabsichtigt zwei Schüsse88. Dieser Zwischenfall brachte das Faß zum 81 Dem Prinzen von Preußen wurde, obwohl er ständig am Orte des Geschehens war, offiziell keine Kommandogewalt in Berlin zugesprochen. Fürst Radziwill wies darauf hin, Leopold v. Gerlach habe am 18. März vergebens versucht, den Prinzen von Preußen zur Abreise ins Rheinland zu bewegen, denn „sein Platz sei nicht an der Spitze der Garden gegen die Bevölkerung der Residenz, das wäre die Sache des Generalleutnants v. Prittwitz.“ [Ebd., S. 464]. Es scheint also, als sei General Prittwitz am 18. März zum Oberbefehlshaber ernannt worden, um den Volkszorn auf sich und vom Hause Hohenzollern wegzulenken. Dieser Frage ist jedoch noch unerforscht; vgl. Börner, Wilhelm I., S. 74–76; Marcks, Wilhelm I., S. 77–82. 82 Prittwitz, Berlin 1848, S. 140. Über den weiteren Verbleib Pfuels wird berichtet, daß er auf einer Matratze im Schloß nächtigte [Vgl. ebd., S. 229], am nächsten Morgen an militärischen Besprechungen teilnahm [Vgl. ebd., S. 275] und zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt zurücktrat [Vgl. ebd., S. 341]. 83 Richter, Revolution, S. 615. 84 Prittwitz, Berlin 1848, S. 131; Wolff, Revolutionschronik I, S. 123/24; siehe auch Blos, Revolution, S. 136–138; Kaeber, Berlin 1848, S. 55–58. Bodelschwingh hatte dem König bezüglich des Patents vom 18. März erklärt, „daß es nach diesen Konzessionen nur noch Kartätschen gebe.“ [Ebd., S. 119], und auch der hannoversche König Ernst August hatte Friedrich Wilhelm IV. zum Einsatz von Truppen geraten; vgl. Revolutionsbriefe 1848, S. 47/48. 85 Nach offizieller Lesart rückten die Dragoner im Schritt und mit eingesteckten Säbeln vor, während sie nach zahllosen Augenzeugenberichten, die Varnhagen gehört haben will, die Menge im Galopp mit gezückten Säbeln attackierten; vgl. Steinmann, Geschichte, S. 294/95; Varnhagen, Tagebücher IV, S. 304, 308, 315/16 und 319. 86 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 150/51. 87 Arnim ebd., S. 454; vgl. Streckfuß, Berliner März, S. 54; siehe auch den Artikel der Deutschen Reform vom 11.11.1849 ebd., S. 144. Nobiling notierte: „Außer von dem Grafen v. Arnim, der kurze Zeit vor mir hier (nämlich in der Breiten Straße, WN) war, und außer meinem Bestreben ist von keinem Menschen etwas geschehen, um den Barrikadenbau zu hindern.“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 148] 88 „Bei dieser Gelegenheit entlud sich das Gewehr des Grenadiers Kühn der 1. Kompanie dadurch, daß derselbe mit dem Hahn des Gewehrs am Säbel hängen

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Überlaufen: Alles stob auseinander, es wurde „Verrat!“ gerufen89. Mit erstaunlicher Schnelligkeit und Planmäßigkeit wurde damit begonnen, Barrikaden in vielen Straßen der Innenstadt zu errichten90, auf denen rasch rote sowie schwarz-rot-goldene Fahnen aufgesteckt wurden91. Diese Aktionen wurden teilweise von einer nicht genau eingrenzbaren Gruppe von Agitatoren vorbereitet und koordiniert, zu der auch Auswärtige gehört zu haben scheinen92. Vergeblich versuchte Graf Arnim einen bewaffneten Konflikt zu blieb; ein zweiter Schuß fiel, indem ein Bürgerlicher dem Unteroffizier Hettgen derselben Kompanie mit einem Stock auf den Zündstift des Gewehrs schlug.“ Ebd., S. 132; vgl. Frhr. Hiller v. Gaertringens Tagebuchnotiz. In: Stadelmann, Geschichte, S. 202; Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben I, S. 25/26; Steinmann, Geschichte, S. 339–343; siehe auch Hachtmann, Berlin 1848, S. 171; Kaeber, Berlin 1848, S. 58/59. 89 Minutoli. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 143; Edwin v. Manteuffel ebd., S. 150; Fürst Radziwill ebd., S. 464; Steinmann, Geschichte, S. 295. Das Geschrei erfolgte nach Aegidi „laut Verabredung für diese Eventualität“; gegen Leo, Signatura, S. 120; siehe auch Hachtmann, Berlin 1848, S. 157. 90 General v. Prittwitz stellte fest, zweifellos müsse „die zweckmäßige Anlage fast aller Barrikaden, ganz abgesehen von ihrer gleichzeitigen Entstehung, ferner der Umstand, daß die Volkskämpfer überall nach einem und demselben System verfuhren, notwendig auf die Vermutung eines lange vorher angelegten Planes führen.“ Prittwitz, Berlin 1848, S. 233; vgl. ebd., 132, S. 135, S. 137, S. 139; Fürst Radziwill ebd., S. 466. Als Beleg dafür, daß die Barrikaden „nach vorbereiteten Plänen“ [Heinrich, Geschichte Preußens, S. 361] errichtet wurden, führt Prittwitz den Bericht eines Regimentsarztes Dr. Branco an, demzufolge die Frau eines Maurergesellen eine ausgezeichnete Kenntnis der errichteten Barrikaden hatte, da bei ihrem Mann „schon seit Jahr und Tag, in der Regel alle Abende, über Barrikaden umständlich gesprochen worden“ sei [Prittwitz, Berlin 1848, S. 233]. Ein weiteres Indiz sei ein Brief an den Kommissionär Buhl, in dem der Aufstand auf 16 Uhr terminiert war [Vgl. ebd., S. 179]. Auch anderweitig gäbe es Anzeichen für „einen bereits von länger her vorbedachten Plan“ [Ebd., S. 184]. Anders Schulze, Weg, S. 37; Hachtmann, Berlin 1848, S. 158. 91 Prittwitz, Berlin 1848, S. 142; Fürst Radziwill ebd., S. 467. 92 Vgl. Heinrichs Einleitung. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. XLVI. Er stützt sich auf zahlreiche Aussagen des Generals Prittwitz, u. a. darauf, man habe in den Tagen vor den Kämpfen „Unterhaltungen in französischer und polnischer Sprache viel öfter als gewöhnlich gehört“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 45]. Siehe zur Frage auswärtiger Revolutionäre auch Diest, Erlebnisse, S. 22/23; Steinmann, Geschichte, S. 279; Wolff, Revolutionschronik I, S. 133–145; außerdem Rachfahl, Friedrich Wilhelm IV. im Lichte neuer Quellen, S. 292; Richter, Revolution, S. 616; Stadelmann, Geschichte, S. 186; Valentin, Geschichte I, S. 432; zur Rolle der Berliner Studenten Blos, Revolution, S. 138; Griewank, Deutsche Studenten, S. 26–31; Lenz, Geschichte, S. 218–221. Hachtmann [Berlin 1848, S. 170–172] weist zu Recht darauf hin, daß sich um den Ausbruch der Märzrevolution viele obskure Verschwörungstheorien ranken, die ohne wissenschaftlichen Wert sind. Ein typisches Beispiel ist Bresser [Das tolle Jahr (1940), S. 36–38], der keinerlei Fakten bringt, sondern lediglich auf die jüdische Abstammung handelnder Personen verweist. Auf der anderen Seite sind nicht alle Hinweise auf konspiratives Handeln von der Hand zu weisen. Hachtmann, der die Schrift des Obristen Schultz für eine eigenständige Quelle hält

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verhindern, indem er zunächst am Schloß eine weiße Fahne mit der Aufschrift „Mißverständnis“ anbringen ließ93. Der König schien zunächst die Tragweite des Geschehens gar nicht zu erfassen: Obwohl ab 15 Uhr die Kämpfe mit der Räumung von Barrikaden am Gouverneurshause begannen94, dinierte Friedrich Wilhelm IV. seelenruhig gut eine Stunde lang bis 16 Uhr, statt einen „Kriegsplan“ ausarbeiten zu lassen95. Deshalb entschloß sich General Prittwitz in der Annahme, er werde aus dem Schloß keine brauchbaren Befehle bekommen, zu einer selbständigen Leitung der Operationen96. Bereits in dieser Phase zeichneten sich also eklatante Führungsdefizite ab. Gegen 17 Uhr gewährte der König einer Deputation des Berliner Magistrats eine Audienz, in der er die Bitte um Rückzug der Truppen abschlug97. Am Ende dieser Audienz kam Graf Arnim hinzu und fragte die Deputierten, mit welchen Mitteln sie denn nach dem Rückzug der Truppen die Ruhe erhalten wollten. Als diese entgegneten, sie hätten lediglich die Schutzkommissionen, die aber erst zusammengebracht werden müßten, erklärte Graf Arnim einen Truppenrückzug für unverantwortlich98. Anschließend versuchte er noch vergeblich, den König von einer Inspizierung der im Schloß stationierten Truppen abzuhalten, da er die unzureichenden militärischen Fähigkeiten des Königs kannte99. Danach verließ er das Schloß mit der erwähnten weißen Fahne, als er sah, daß diese am Schloß nicht beachtet wurde, um die Bürger an den Barrikaden über das „Mißverständnis“ aufzuklären100. Erst als die Truppen damit begannen, den größten Teil [A. a. O., S. 175, Anm. 11], während dieser doch seinen Namen nur für General Prittwitz zur Verfügung stellte, hat u. U. die für die Märzrevolution wichtigen Prittwitz-Erinnerungen, auf deren Grundlage (deren Herausgeber) Heinrich zu seinen Erkenntnissen kommt, nicht hinreichend gründlich ausgewertet. 93 Vgl. Angerstein, März-Ereignisse, S. 37. Auch Bodelschwingh und General v. Neumann versuchten mit Hilfe von Plakaten vergeblich, das Gerücht eines Blutbades auf dem Schloßplatz zu entkräften; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 148; Wolff, Revolutionschronik I, S. 142 und S. 149; Streckfuß, Berliner März, S. 54/55; ders., Berlin IV, S. 11/12. 94 Vgl. Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 51; Prittwitz, Berlin 1848, S. 139, S. 142; siehe auch Blos, Revolution, S. 139. 95 Vgl. Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 51; siehe dazu Heinrichs Einleitung. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. LVIII/IX. 96 Prittwitz, Berlin 1848, S. 137/38. 97 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 149–155; siehe auch Kaeber, Berlin 1848, S. 62. 98 Laut Oberbürgermeister Krausnicks Notiz vom Februar 1850 soll Arnim gesagt haben: „Wie können Sie denn da wollen, daß der König sofort die Truppen zurückziehe?“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 153] Graf Arnim zog sich also [gegen Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 84] nicht zurück, sondern stand dem König bis zum Abend zur Verfügung. 99 Prittwitz, Berlin 1848, S. 154.

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der Barrikaden zu stürmen und die Innenstadt besetzten, beendete Graf Arnim seine vergeblichen Vermittlungsversuche und begab sich in seine Wohnung, um sich mit der Regierungsbildung zu beschäftigen; dort blieb er bis zum nächsten Vormittag101. Nachdem der König soupiert hatte102, ließ er sich kurz vor Mitternacht durch General v. Prittwitz umfassend Bericht über die Lage erstatten103. Daraufhin befahl er diesem, ohne sich auf eine Erörterung einzulassen, die Defensive104. Unmittelbar danach verfaßte er eigenhändig und ohne Rücksprache mit Prittwitz seinen Aufruf „An Meine lieben Berliner“105, in dem er den Aufständischen goldene Brücken baute: Er bat um die Entsendung von Deputationen und machte die Räumung der Straßen und Plätze durch die Truppen nur von der Wegräumung der Barrikaden abhängig; lediglich das Schloß, das Zeughaus und einige andere Gebäude sollten besetzt bleiben. Bodelschwingh erhielt den Befehl, den Aufruf zur Drucklegung zu bringen und für dessen Verbreitung zu sorgen106. Der König änderte damit seine Strategie und ging von der gewaltsamen Unterdrückung, die er Stunden vorher leichtfertig begonnen hatte, zu einer Versöhnungspolitik über, die in ihrer Nachgiebigkeit einer Kapitulation gleichkam107. Außerdem ord100

Vgl. Angerstein, März-Ereignisse, S. 37. Vgl. ebd., S. 454; Streckfuß, Berliner März, S. 54/55. 102 Edwin v. Manteuffel ebd., Berlin 1848, S. 230. 103 Dieser meldete, der größte Teil der Stadt sei eingenommen, der Rest könne im Verlaufe der Nacht gewonnen werden. Es könne allerdings sein, daß die Aufständischen nicht besiegt würden; für diesen Fall sei eine Zernierung der Stadt am zweckmäßigsten; vgl. ebd., S. 230–232. Der Bericht war eher nüchtern; vgl. Heinrich ebd., S. XXVII, gegen Stadelmann, Geschichte, S. 57; siehe auch Hachtmann, Berlin 1848, S. 183/84 und 189–202. 104 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 232. Er entschied sich damit sowohl gegen die vollständige Unterwerfung der Stadt als auch gegen einen Abzug aus der Stadt und Blockade derselben von außen; vgl. Blos, Revolution, S. 150/51; Pierson, Preußische Geschichte II, S. 235; Valentin, Geschichte I, S. 438/39; Sybel, Begründung I, S. 87. 105 Text in: Prittwitz, Berlin 1848, S. 259; Wolff, Revolutionschronik I, S. 201/ 02; vgl. dazu Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 52; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 93; ders., Aufzeichnungen I, S. 513; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 174; siehe auch Kaeber, Berlin 1848, S. 71–76. Sowohl Gerlach [Prittwitz, Berlin 1848, S. 228] als auch Hauptmann v. Bergh [Ebd., S. 229] und Rittmeister v. Manteuffel [Ebd., S. 230] vermuten, daß Vincke den König zu einem Aufruf an „die lieben Berliner“ überredet habe. 106 Prittwitz, Berlin 1848, S. 259; Schoeps, Neue Quellen, S. 378; vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 93, 137 und 508/09; Diest, Erlebnisse, S. 10; siehe auch Blos, Revolution, S. 147/48. 107 „Der Sieg der Revolution schien damit seine königliche Bestätigung erfahren zu haben.“ urteilte Richter, Revolution, S. 618. Auch andere Autoren betonen, daß dies der eigentliche „Fehler“ am 18. und 19. März gewesen sei; z. B. Pierson, Preußische Geschichte II, S. 235. 101

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nete der König eigenmächtig militärische Maßnahmen von enormer Tragweite an, ohne besondere militärische Fähigkeiten zu haben und ohne mit dem kommandierenden General Rücksprache zu halten108. Ursache dafür war wohl ein Nervenzusammenbruch109. Der ahnungslose General Prittwitz teilte den Kommandeuren um 2 Uhr den Defensivbefehl des Königs mit, der bereits als Schwächezeichen der Truppe gedeutet wurde110. Dabei wies er darauf hin, daß sie ausschließlich von ihm Befehle entgegenzunehmen hätten, nicht aber „von gut gesinnten Personen in wohlmeinendem, aber übel verstandenem Eifer unter Bezugnahme auf irgend welche Autoritäten“111. Gegen 8 Uhr morgens, als von Seiten der Truppe das Feuer eingestellt wurde112, kontrollierten die Truppen einen Großteil der Innenstadt113, weshalb einige Revolutionäre den Kampf verloren gaben114. Dies änderte sich natürlich, als in den Morgenstunden der Aufruf des Königs herausgegeben wurde115. Dieser Aufruf mußte General Prittwitz verärgern, der erneut das mangelnde Vertrauen des Königs spürte und außerdem seine Disposition über den Haufen geworfen sah. Auch Graf Arnim fragte sich angesichts dieser Kapitulation des Königs, ob er sich unter diesem Umständen noch als Minister zur Verfügung stellen sollte116. Schließlich hatte der Eigensinn des Königs ihn als Innenminister schon oft genug zur Verzweiflung gebracht. 108 Vgl. dazu Prittwitz Brief vom 15.04.1848 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3993, Bl. 3. Der König war „ohne Kenntnis von den Details, ja selbst in den Reglements sehr wenig bewandert.“ urteilte Prittwitz [Prittwitz, Berlin 1848, S. 4] und belegte dies eindrucksvoll mit einem Zwischenfall bei einer Truppenbesichtigung; vgl. ebd., Anm. 3. 109 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 88; Varnhagen, Tagebücher IV, S. 313. 110 Vgl. Angerstein, März-Ereignisse, S. XVI–XXIII. 111 Prittwitz, Berlin 1848, S. 237. Anschließend befahl Prittwitz, den Großteil der Kavallerie, die im Barrikadenkampf nur von geringem Wert war, noch vor Anbruch des Tages aus der Stadt zurückzuziehen und mit ihr die Stadt von außen einzuschließen; vgl. ebd., S. 237/38. Die Einschließung erfolgte etwa um 5 Uhr morgens; vgl. ebd., S. 252. Damit war es möglich, die Unruhen durch Einschließung der Stadt von außen zu beenden. 112 Notiz Bettina v. Arnims, zitiert nach Drewitz, Bettine von Arnim, S. 236. 113 Prittwitz, Berlin 1848, S. 255. „Nur die Nieder Wall-Straße, die Gegend an der Spittelbrücke und die Stralauer-Straße, befanden sich noch nicht vollständig in den Händen der Truppen.“ (Ebd.). Außer den genannten Plätzen im Südosten wären noch der Alexanderplatz im Osten, der Hackesche Markt und die Rosenthaler Straße im Norden sowie die Borsigwerke vor dem Oranienburger Tor im Nordwesten zu erwähnen. Sie wurden angeblich auf Grund des Planes nicht genommen, „die durch den ehemaligen Festungsgraben angedeutete Linie nicht zu überschreiten“ [Ebd.]. 114 Z. B. Berends, zitiert nach Prittwitz, Berlin 1848, S. 257 und S. 260. 115 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 259–261. 116 Arnim ebd., S. 283; vgl. Wolff, Revolutionschronik I, S. 232/33.

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In den Morgenstunden des 19. März empfing der König dann zahlreiche Deputationen der Berliner Bürger. Dabei verlor Friedrich Wilhelm IV. um so stärker den Überblick, je mehr er durch Deputationen bestürmt wurde, von denen niemand eine auch nur annähernd verbindliche Zusage machen konnte117: Nachdem Ludwig Rellstab den König bereits vor 8 Uhr in einer Audienz vergeblich um den sofortigen Rückzug der Truppen gebeten hatte118, sprachen dann zwischen 8 und 10 Uhr mehrere Deputationen in friedlichem Tone mit dem König und baten immer wieder um den Rückzug der Truppen, worauf der König jedes Mal darauf bestand, daß als Vertrauensbeweis zuerst die Barrikaden abgebaut werden müßten119. Dabei wurde allerdings sein Widerstand „gegen das immer erneute Andringen schwächer“120. Im Anschluß an die Audienz der „Deputation Fournier“ um 9.30 Uhr, in der der König erstmals den Rückzug der Truppen zusagte, fand eine kurze Besprechung des Königs mit dem Prinzen von Preußen, mehreren Generälen, Bodelschwingh und Minutoli statt: Prinz Wilhelm sprach sich entschieden gegen einen Truppenrückzug aus, während ihn Bodelschwingh befürwortete121. Er fügte jedoch die Forderung des Königs hinzu, daß vor dem Rückzug zuerst die Barrikaden abgebaut werden müßten, worauf der „als Privatmann“ anwesende Graf Arnim zu bedenken gab, „daß, wenn einmal die Truppen den Kampf einstellen und sich auf die Besetzung des Schlosses und der nächstliegenden öffentlichen Gebäude concentrieren sollten, dies nicht vom Abtragen der Barrikaden abhängig zu machen wäre, da in diesen nicht die Entscheidung des Tages lag.“122 Wichtig sei vielmehr 117

„Die sich vorstellenden Deputationen erschienen auf eigene Rechnung, oder sie vertraten höchstens einen gut gesinnten, aber völlig machtlosen Bruchteil der Einwohnerschaft.“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 264] Diese Verhandlungen bezeichnete Prittwitz als „Hauptfehler“ des 19. März, denn die Deputationen hätten nicht im Namen der Aufständischen sprechen können; vgl. Prittwitz Erklärung vom 22.10.1848. In: Nachlaß Nr. 3978, Bll. 28 + 29; siehe dazu auch Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben I, S. 50/51. 118 Vgl. ebd., S. 261/62; vgl. Rellstab, Zwei Gespräche, S. 57–88; Wolff, Revolutionschronik I, S. 202–207. 119 Prittwitz, Berlin 1848, S. 265. Nach 8 Uhr kam zunächst eine Deputation Rellstabs [Ebd., S. 266 und S. 272], eine des Oberbürgermeisters Krausnick [Ebd. S. 269/70], eine des Fabrikanten Neumann [Ebd., S. 270], eine des Stadtverordneten-Vorstehers Fournier [Ebd., S. 270]; siehe auch Wolff, Revolutionschronik I, S. 207–221. Eine genaue Chronologie des frühen 19. März ist wegen des Zusammenbruchs der Geschäftsordnung nicht zu erstellen; vgl. Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 52. 120 So urteilte Nobiling ebd., S. 268. 121 Vgl. ebd., S. 268 und S. 271. Nobiling fügte hinzu: „Wunderbarerweise hat sich ganz dasselbe eine halbe Stunde später fast wörtlich wiederholt, als die folgende Deputation unter Vortritt des Bürgermeisters Naunyn erschienen war.“ [Ebd., S. 271]

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die Konzentration der Truppen um das Schloß herum. Noch vor 10 Uhr wurde daraufhin der Rückzugsbefehl von Generaladjutant August Wilhelm v. Neumann ausgefertigt und an General v. Wussow weitergegeben123. Dieser Befehl wurde zunächst teils ignoriert124, teils schleppend umgesetzt125. Als Prittwitz kurz darauf um 10 Uhr einen kurzen Lagebericht erstattete 126, enthielt sich der König jeder Äußerung127, teilte also dem General erneut eine wichtige Entscheidung nicht mit. Kurz nach 10 Uhr berichtete eine Deputation unter Führung des Berliner Bürgermeisters Franz Naunyn dem König, daß die Barrikaden abgebaut würden128. Dieser erwiderte, „obgleich mit matterer Stimme“, daß erst die Barrikaden vollständig abgebaut werden müßten, bevor die Truppen abzögen129. Weil Graf Arnim den König und Bodelschwingh in diesem Augenblick um ein Gespräch unter sechs Augen bat130, ließ der König die Deputation stehen und zog sich mit den beiden in einen Nachbarraum zurück131. Wenig später kehrte Bodelschwingh erregt zu der wartenden Deputation zurück und eröffnete ihr, die Truppen würden auf Befehl des Königs von allen Straßen und Plätzen zurückgezogen werden132. Damit trat der von General Neumann ausgefertigte Befehl endgültig in Kraft133. Auf die Nachfrage des Prinzen von 122 Arnim, Bemerkungen, S. 6; dort auch das Folgende; vgl. Wolff, Revolutionschronik I, S. 220/21; General v. Wussows Stellungnahme. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 483/84. 123 Vgl. Wussows Bericht (incl. Text des Befehls) ebd., S. 484; siehe auch ebd., S. 270–272; außerdem Heinrichs Beurteilung ebd., S. XXV, Anm. 25. 124 In der Leipziger Straße; vgl. ebd., S. 272. 125 Ab 10 Uhr am Alexanderplatz; vgl. ebd., S. 293–299. 126 Vgl. ebd., S. 275. 127 Vgl. ebd., S. 276 und 277. 128 Vgl. Bodelschwingh ebd., S. 282; Edwin v. Manteuffel ebd., S. 286; anders Leo, Signatura, S. 32. 129 Edwin v. Manteuffel ebd., S. 286. 130 Vgl. ebd., S. 286/87; siehe auch Kaeber, Berlin 1848, S. 76/77. 131 Ebd.; vgl. Streckfuß, Berliner März, S. 92; siehe auch Busch, Märztage, S. 59– 63; Herre, Wilhelm I., S. 190/91; Hintze, Hohenzollern, S. 531; Sybel, Berliner Märztage, S. 248–255. Was dort gesprochen wurde, ist nicht überliefert. Vermutlich hat Graf Arnim jedoch seine (bereits erwähnte) Meinung vorgetragen, daß ein vollständiger Abbau der Barrikaden militärisch ohne Belang sei, wenn die Entscheidung für den Rückzug der Truppen prinzipiell feststehe. 132 Vgl. Arnim, Bemerkungen, S. 12/13; Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben I; S. 46–51; Prittwitz, Berlin 1848, S. 287–289; Schulze, Weg, S. 42/43; Streckfuß, Berliner März, S. 93; ders., Berlin IV, S. 69/70; Wilhelm I., Der Alte Kaiser, S. 132–134; Wolff, Revolutionschronik I, S. 220. Gemäß General Wussow verließ Bodelschwingh das königliche Zimmer, „die Türe zum Korridor nach der Halle in einer Weise hinter sich zuschlagend, daß es mir durch Mark und Bein ging, den König so von jenem Manne verlassen zu sehen.“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 485]

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Preußen, ob es bei der Besetzung von Schloß, Zeughaus und anderen Gebäuden bleibe134, antwortete Bodelschwingh, der König habe keine Einschränkung des Rückzugs gemacht, und rief „in aufgeregtem, heftigen Tone: an einem königlichen Worte dürfe nicht gedeutelt werden, es sei der letzte Befehl, den er als Beamter brächte“135. Daraufhin gab der hinzugetretene Prittwitz, der den Rückzugsbefehl offenbar inzwischen von Wussow erhalten hatte, Bodelschwingh zu bedenken, der angeordnete Rückzug sei aus militärischen Gründen unmöglich136. Bodelschwingh entgegnete darauf erregt, „daß demselben nicht zustehe, an einem öffentlich gegebenen königlichen Wort zu mäkeln, und daß dieses Recht auch einem Dritten nicht eingeräumt werden könne.“137 General Prittwitz beschloß daraufhin, dem Befehl zu gehorchen und entfernte sich, ohne dem König selbst seine Bedenken vorzutragen, da er froh darüber war, daß überhaupt eine Entscheidung gefallen war138. Dagegen ließ Rittmeister Edwin v. Manteuffel durch den Grafen Stolberg dem König, der nach wie vor mit Arnim konferierte, Zweifel an dessen Befehl melden139, worauf dieser erläuterte, „daß Schloß, Zeughaus, Schloß-Platz besetzt bleiben!“140 Offenbar war der König der Meinung, alle 133 Es war also [gegen den Prinzen von Preußen ebd., S. 317] nicht Graf Arnim, der den Rückzugsbefehl gab. 134 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 287–289. 135 Vgl. Arnim, Bemerkungen, S. 13; Prittwitz, Berlin 1848, S. 287–290; Streckfuß, Berliner März, S. 92; Varnhagen, Tagebücher IV, S. 323/24; Wolff, Revolutionschronik I, S. 220; etwas anders Fürst Radziwill. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 473; siehe auch Kaeber, Berlin 1848, S. 77; Schoeps, Briefwechsel, S. 18/19. 136 Ebd., S. 458; vgl. ebd., S. 290. 137 Ebd., S. 458; vgl. Streckfuß, Berliner März, S. 92/93. Es folgt der etwas kryptische Absatz: „Eine gleichzeitig in einem andern Zimmer des Schlosses gehaltene Beratung blieb ohne Erfolg.“ Damit ist wohl die Beratung gemeint, die etwas früher stattfand und an dessen Ende General Neumann den Rückzugsbefehl ausfertigte; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 282; siehe auch Busch, Märztage, S. 27–29. 138 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 291. Angesichts der Tatsache, daß die in der Stadt stehenden Truppenteile inzwischen von Menschenmassen umringt waren, war für Prittwitz der ihm mitgeteilte Befehl „doch ein Entschluß und als solcher der augenblicklich herrschenden völligen Ungewißheit weit vorzuziehen. Er machte zugleich der nicht allein peinlichen, sondern wirklich gefährlichen Lage, in welcher sich ein Teil der Truppen in den Straßen befand, ein Ende.“ [Ebd.] Im Nachhinein erklärte General Prittwitz, er habe den Verlust der Truppen befürchtet: „Er kannte die Geschichte des Regiments der französischen Garden vom Juli 1789 ziemlich genau.“ [Ebd., S. 302] 139 Prittwitz, Berlin 1848, S. 287. 140 Prittwitz, Berlin 1848, S. 309. Vorher war von der Besetzung des Schloßplatzes keine Rede gewesen; Bodelschwingh versicherte ausdrücklich, er habe: „die Worte des Königs genau wiedergegeben“ [Ebd., S. 310]. Offenbar war sich der König nicht darüber im klaren, daß es in einem militärischen Befehl auf jedes Wort ankam, weshalb er ihn ungeniert modifizierte. Dabei erforderte sein erster Befehl nur eine relativ geringe Anzahl von Soldaten im Schloß und im Zeughaus, der

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Truppen würden in der Nähe des Schlosses bleiben141. Diese (zudem militärisch fragwürdige142) Anschauung wurde nicht an den General Prittwitz weitergegeben: Bis 12.30 Uhr sammelten sich die Truppen am Schloß und am Zeughaus und rückten dann großteils ab143. c) Krisenmanagement und ständige Kontroversen (19.–28.03.1848) Während der Rückzug der Truppen stattfand und Arnims Bruder, der Schloßhauptmann Friedrich Ludwig Graf v. Arnim-Blumberg, für den Schutz des Schlosses durch die Bürgerwehr sorgte144, stellte der Boitzenburger sein künftiges Kabinett zusammen und entwarf selbst seine Ernennungsurkunde145. Er kümmerte sich indessen nicht um die militärischen Maßnahmen146, da er sowieso keine Weisungsbefugnis in militärischen Fragen besaß. Um etwa 12 Uhr konnte Graf Arnim seine Amtsgeschäfte aufzweite aber die Konzentration aller Truppen in Schloßnähe, womit aber keine Deeskalation erreicht worden wäre; vgl. zu dem Befehl auch ebd., S. 318. 141 Vgl. General Wussows Bericht ebd., S. 486/87. 142 „Menschen und Pferde in ein Gebäude hineinzustopfen, soviel drinnen irgend Raum finden, ist allerdings möglich. Sie in dieser Lage ohne Speise und Trank den Beleidigungen und Verhöhnungen des Volkes preiszugeben, ohne die Mittel oder doch ohne die Erlaubnis, sich verteidigen zu dürfen, scheint aber nicht möglich.“ [Ebd., S. 304; vgl. ebd., S. 303/04; vgl. dazu Arnim, Bemerkungen, S. 8/9] 143 Vgl. ebd., S. 293 und 299–302. Das Schloß blieb mit etwas mehr als sechs Kompanien besetzt. Vorgesehen waren zwei Bataillone [Vgl. ebd., S. 305], von denen das eine aber nur zwei Kompanien zur Verfügung hatte. Diese sechs Kompanien wurden in den Schloßhöfen aufgestellt, die Portale jedoch nicht gesperrt, um das Volk nicht erneut zu reizen. Am frühen Morgen des 20. März wurde die Besatzung auf ein Bataillon reduziert, wozu eine Abteilung der Bürgerwehr kam; vgl. ebd., S. 356/57. Im Zeughaus blieben zunächst mit einem Bataillon; vgl. ebd., S. 305, S. 459. Es wurde schon am 19. März um 13.15 Uhr durch die Bürgerwehr abgelöst. In Bank und Seehandlung blieben zwei Kompanien; vgl. ebd., S. 302. Sie wurden am 20. März nachts von der Bürgerwehr abgelöst. Im Palais des Prinzen Karl stand zunächst noch eine Kompanie; vgl. ebd., S. 239. Sie rückte am 19. März ohne Ersatz um 15.30 Uhr ab. 144 Vgl. Krausnick ebd., S. 319. Ihm war unklar, ob Arnim „im Auftrage seines Bruders oder aus eigenem Antriebe“ handelte [Ebd.]. 145 Prinz Wilhelm sah dabei, daß das neue Kabinett u. a. auch die gemäßigten Liberalen Auerswald und Graf Schwerin enthalten sollte, und bemerkte, das sei „ja ganz wie in Paris“, worauf Arnim entgegnete, es sei auch „die höchste Zeit!“ [Ebd., S. 288; vgl. Wilhelm I., Der Alte Kaiser, S. 133] Charakteristisch ist einerseits, daß die Ernennungsurkunde (wie auch schon die Entlassungsurkunde des alten Ministeriums) nicht in der Gesetzsammlung erschien und daß andererseits nicht völlig klar ist, welcher Minister an welchem Tag entlassen wurde. 146 Wolff, Revolutionschronik I, S. 232/33; Fürst Radziwill. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 473; Wilhelm I., Der Alte Kaiser, S. 133. Radziwill fügte hinzu, Arnim habe die Bemerkung, die gerade erfolgende „Zurückziehung der Truppen“ sei „eine verhängnisvolle Maßregel“, mit dem Hinweis erwidert, „General v. Prittwitz habe

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nehmen147. Als der Amtsantritt des Kabinetts Arnim der Menge vor dem Schloß verkündet wurde, wurde dieser wegen der ebenfalls ernannten Liberalen Auerswald und Schwerin mit Jubel begrüßt148. Der Amtsantritt des Grafen Arnim, der gerade erst genesen war149, fand am 19. März 1848 unter ganz anderen Voraussetzungen statt als der des jungen dynamischen Verwaltungsbeamten im Jahre 1842, zumal er die Entwicklung seit Jahren hatte kommen sehen, ohne sie verhindern zu können. Inzwischen waren nicht mehr allein Reformen notwendig, sondern vor allem ein entschlossenes Krisenmanagement150. Dieses wurde durch die völlige Unübersichtlichkeit der Situation erschwert: Es war ja nicht nur ein Ministerwechsel vollzogen worden, sondern der lange erwartete Systemwechsel, wobei sich die Frage stellte, welche Weisungsbefugnisse Graf Arnim auf Grund seines in Preußen neuen Titels „Ministerpräsident“ gegenüber den anderen Ministern haben würde151. Darüber hinaus blieb das Handeln Friedrich Wilhelms IV., der seine Minister noch nie als eigenverantwortlich Handelnde angesehen hatte152, auch in diesen Stunden recht chaotisch153. die Befehle des Königs.“ [Ebd.]. Arnim war in der Tat General Prittwitz gegenüber nicht weisungsbefugt. 147 Vgl. Arnim, Bemerkungen, S. 20; Prittwitz, Berlin 1848, S. 325; allerdings wurde „die Kabinettsordre, die den völligen Wechsel sowohl der Personen wie des Geistes im Ministerium bekannt gab“, erst am Nachmittag verbreitet [Ebd., S. 341]. Edwin v. Manteuffel behauptet, Arnim sei seit 10.30 Uhr im Amt gewesen; vgl. ebd., S. 310; siehe auch Bodelschwinghs Stellungnahme. In: Diest, Erlebnisse, S. 26. 148 Prittwitz, Berlin 1848, S. 314. 149 Nachlaß Nr. 3779, Bl. 48; vgl. zu der Krankheit Kap. II.3. 150 General Prittwitz notierte dazu: „Das neue Ministerium hatte und konnte, nach der Art seines Zusammentritts, ein sogenanntes Programm über seine ferneren Absichten nicht füglich veröffentlichen. . . . Vorläufig schien die Tätigkeit des Ministeriums auf die Bedürfnisse des Augenblicks, auf die Forderungen der unablässig und wiederholt sich darstellenden, berufenen und unberufenen Ratgeber gerichtet.“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 390] 151 Vgl. Steinmann, Geschichte, S. 379–382; siehe auch Kaeber, Berlin 1848, S. 78. 152 Vgl. dazu auch Holtz, Regierungsstil, S. 76/77. 153 Flügeladjutant Eduard v. Brauchitsch schrieb am 20. März, obwohl sich die Situation allmählich wieder beruhigte, leicht entnervt ins Adjutantenjournal: „Es ist schwer, ein klares Bild von diesem Tage zu geben, da die bisherige Geschäftsordnung völlig über den Haufen geworfen und noch keine neue an ihre Stelle getreten ist. S.M. wird von Anfragen, Meldungen pp. bestürmt, erteilt Audienzen, spricht mehrere Male den Polizeipräsidenten, arbeitet mit den einzelnen Ministern, wie er den Beratungen des gesamten Ministerii beiwohnt. Tafel en retraite. Nachmittags geht das Treiben ebenso fort wie am Vormittage begonnen; die Halle ist der Schauund Sammelplatz unzähliger Menschen, die zum Könige oder zu den Ministern wollen, worunter sich auch Leute einfinden, die weder da zu tun haben noch dahingehören und die teils die Neugierde, teils die Sucht, sich wichtig zu machen, dahin

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Die wesentlichen Aufgaben des Grafen Arnim ergeben sich aus den Kompetenzen, die ihm zugewiesen wurden: Er übernahm nicht nur „den Vorsitz im Staats-Ministerium“, sondern auch „vorläufig die Verwaltung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten und der Verfassungssachen“154, obwohl die Außenpolitik nie sein besonderes Interesse gefunden hatte155. Er sollte offenbar Bewegung in das preußische und das deutsche Verfassungswesen bringen. Dagegen wurde nicht Graf Arnim, der dieses Amt bereits innegehabt hatte, sondern vielmehr der liberale Alfred v. Auerswald Innenminister (und Nachfolger Bodelschwinghs), obwohl sich dieser nicht einmal in Berlin befand156. Neuer Kultusminister wurde Maximilian Graf v. Schwerin-Putzar, der wie Auerswald auf dem Vereinigten Landtag zu den liberalen Wortführern gehört hatte157, und das Finanzministerium wurde dem Altliberalen Ludwig Samuel Kühne kommissarisch übertragen. Dagegen blieben Justizminister Karl Albrecht Alexander v. Uhden, Kriegsminister Ferdinand v. Rohr und Hausminister Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode vorerst im Amt158. Insgesamt bestand das „Kabinett Arnim“ am 19. März noch zu einem Gutteil ruft!“ [Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 52/53] Am 19. März hatte Flügeladjutant Adolf v. Bonin nur zurückhaltend formuliert: „Das Weitere, was sich im Laufe des Tages ereignet, hat jeder von uns zu schmerzlich und im Sturme mitdurchlebt, um jetzt schon davon ein ruhiges und klares Bild entwerfen zu können.“ Tatsächlich dürfte es dem Major unmöglich gewesen sein, das Chaos am Hofe zu beschreiben, ohne den König hart zu kritisieren. 154 Kabinettsordre vom 19.03.1848. In: GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 3692, Bll. 93 + 94; vgl. GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 3727, Bl. 5; Prittwitz, Berlin 1848, S. 340/ 41; Wolff, Revolutionschronik I, S. 233; außerdem Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 84; Streckfuß, Berliner März, S. 99. 155 Da Arnim sich nicht dazu im Stande fühlte, das Außenministerium sofort zu übernehmen, bat er den bisherigen Außenminister Canitz, vorerst die Geschäfte kommissarisch weiterzuführen; vgl. Canitz’ Briefe vom 20.03.1848 an Arnim. In: GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 3729, Bl. 2 und vom 22.03.1848 an den König: In: Revolutionsbriefe 1848, S. 54. 156 Graf Arnim hatte das Amt jedoch kommissarisch bis zu Auerswalds Eintreffen in Berlin am 22. März inne; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 390. 157 Ebd. Bettina v. Arnim notierte: „Kanitz, Bodelschwingh, Thile, Eichhorn abgesetzt, Arnim als Präsident vom Volk noch nicht bestätigt, der Landtagsschwerin Kultus, Auerswald Minister des Innern; das Äußere ist noch nicht deklariert – man vermutet Radowitz!“ (Zitiert nach Drewitz, Bettine von Arnim, S. 238.) Allerdings ist dies eine Quelle von nur geringem Wert, wie die Notiz vom 20. März belegt, General Prittwitz sei „gleich von den Bürgern totgeschossen worden, weil er Feuer kommandiert hatte.“ (Ebd.) Die Arnim notierte hier ohne Nachprüfung ein Gerücht; tatsächlich starb Prittwitz hochbetagt am 9. Juni 1871 im Kreise seiner Familie. 158 Kabinettsordre vom 19.03.1848. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 341; vgl. Steinmann, Geschichte, S. 323/24 und 383–390; Steckfuß, Berliner März, S. 98. Nach nichtamtlichen Aussagen blieben beide Justizminister, Uhden und Savigny, vorerst im Amt.

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aus Konservativen und aus drei Liberalen. Damit waren Spannungen innerhalb des Ministeriums vorprogrammiert. Besonders weil Graf Arnim seit 1845 als Reaktionär galt159, wurde sein Kabinett darüber hinaus nicht als Ministerium der „neuen Zeit“ akzeptiert160. Als Graf Arnim sein Amt antrat, sammelten sich gerade die Truppen in der Nähe des Schlosses. Der Graf hatte jedoch keine Möglichkeit einer direkten Einflußnahme auf deren Operationen. Dies lag nicht nur an der strikten Trennung von ziviler und militärischer Gewalt, sondern vor allem daran, daß der kommandierende General Prittwitz den neuen Ministerpräsidenten nicht über die Lage informierte161. Offenbar hielt er seine Befehle für hinreichend, und da der ihm gegenüber allein weisungsbefugte König keine weiteren Befehle ausgab, ließ Prittwitz um 12.30 Uhr ein Großteil der Truppen abrücken162. Dies tat er offenbar mit Billigung des Königs, denn als Edwin v. Manteuffel diesem den Abzug der Truppen meldete, reagierte er darauf nicht163, Statt dessen kam es zu einer Grundsatzdiskussion über das weitere Vorgehen, an der unter anderem Prinz Wilhelm und Graf Arnim teilnahmen. Manteuffel schlug vor, daß der König sich in der Mitte der beiden im Schloß stationierten Bataillone aus der Stadt begebe164. Graf Arnim, der es im nachhinein bedauerte, daß der König Berlin nicht (wie beabsichtigt) vor dem Ausbruch der Kämpfe in Richtung Potsdam verlassen habe165, betonte 159 Vgl. Bergengruen, Hansemann, S. 408/09; Hofmann, Ministerium, S. 46–51; Kaeber, Berlin 1848, S. 80/81; anders Faber, Deutsche Geschichte, S. 217; siehe auch Kap. II.2. 160 Vgl. die Adresse des Rheinischen Städtetages. In: Hansen, Rheinische Briefe und Akten II.1, S. 633/34; Varnhagen, Tagebücher IV, S. 347; Botzenhart, Parlamentarismus, S. 102; Hofmann, Stellung, S. 48–50. 161 Wahrscheinlich gab der mehrfach brüskierte General den zivilen Beratern des Königs die Schuld an der Misere und behandelte sie deshalb wenig zuvorkommend, und den Einjährig-Freiwilligen Arnim nahm Prittwitz offenbar nicht für voll: Gegen ein Uhr, also kurz nach dem Abmarsch der Truppen, antwortete er auf die Frage des Grafen Arnim, wo die übrigen Truppen geblieben seien, nach eigener Aussage: „Die anderen haben sich verkrümelt.“ [Berlin 1848, S. 325]. Kurz darauf erklärte er zur selben Frage: „Sie sind mir durch die Finger gegangen!“ [Ebd., S. 342/43] Beide Aussagen finden sich auch in: Arnim, Bemerkungen, S. 26; vgl. dazu auch den Brief des Grafen Lüttichau an Arnim. In: Nachlaß Nr. 3979, Bll. 2–5; siehe außerdem Pierson, Preußische Geschichte II, S. 236. 162 Edwin v. Manteuffel erhob den Vorwurf [Prittwitz, Berlin 1848, S. 312], „daß die Truppen lange genug konzentriert waren, um dem Grafen Arnim Gelegenheit zu geben, den kommandierenden General mit Anweisungen zu versehen.“ Dieser Vorwurf ignoriert jedoch die Tatsache, daß Arnim gegenüber Prittwitz nicht weisungsbefugt war. Tatsächlich läßt sich Manteuffels Vorwurf dahingehend verändern, daß der König lange genug Zeit dazu gehabt hätte, um dem General Prittwitz weitere Befehle zu geben. 163 Vgl. ebd.

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zwar, daß die Entscheidung nur vom König „unmittelbar“ ausgehen könne, machte aber darauf aufmerksam, daß damit der gerade begonnene Versöhnungskurs aufgegeben werde166; außerdem gäbe es in der Geschichte kein Beispiel, daß ein König nach dem Verlassen seiner Hauptstadt seine Krone behalten habe167, weshalb bei der Fortsetzung der Kämpfe alles auf dem Spiel stehe168. Nach langem Schwanken entschloß sich Friedrich Wilhelm IV. Berlin nicht zu verlassen und entschied sich zugleich gegen die von Prittwitz geplante Fortsetzung der Kämpfe in Form einer Zernierung Berlins169, womit er endgültig akzeptierte, daß die Armee de facto eine Niederlage erlitten hatte170. Während anschließend der König mit Arnim und Kultusminister Schwerin konferierte171, wurden im Schloßhof die Leichen der Barrikadenkämpfer aufgebahrt, und es erschollen Rufe nach dem König172. Nachdem Arnim und Schwerin vergeblich versucht hatten, die Menge zu beruhi164 Vgl. ebd. Zuvor hatte schon der tief aufgewühlte Bodelschwingh dem König geraten, auf Fluchtwegen die Stadt zu verlassen, als er sich von ihm verabschiedete; vgl. Schoeps, Neue Quellen, S. 380. 165 Vgl. Arnim, Bemerkungen, S. 53/54. Der König hatte schon am 16. und erneut am 18. März nach Potsdam gehen wollen, vgl. Brief Friedrich Wilhelms IV. vom 18.03.1848 an Bodelschwingh. In: Revolutionsbriefe, S. 48/49; siehe auch Prittwitz, Berlin 1848, S. 59 und 226/27. 166 Vgl. Edwin v. Manteuffels Bericht ebd., S. 313. 167 Arnim benutzte dabei angeblich die Worte: „Ein preußischer König flieht nicht vor seinem Volke.“ Ebd., S. 353; Anm. 152; vgl. Fürst Radziwill ebd., S. 474; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen I, S. 512/13; Leopold v. Gerlachs Brief. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 499; siehe auch Arnim, Märkischer Adel, S. 83; Busch, Märztage, S. 73/74; Stolberg-Wernigerode, Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode, S. 58/59. Arnim dachte wohl besonders an das Schicksal Ludwigs XIV. nach seinem mißglückten Fluchtversuch im Juni 1791. Manteuffel entgegnete darauf, Heinrich IV. „habe sein Paris erobert und sei als König gestorben“. Prittwitz, Berlin 1848, S. 353; vgl. Bismarck, Gesammelte Werke XV, S. 604. Am Abend des 18. März hatte Manteuffel sich noch anders geäußert; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 226. 168 Hauptmann v. Bergh. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 332. Ähnlich kritisch sahen die Lage auch der württembergische und der bayrische Gesandte Graf Lerchenfeld; vgl. Richter, Revolution, S. 618; Valentin, Geschichte I, S. 447. 169 Diese Entscheidung kann auch auf das Votum des Oberbürgermeisters Krausnick zurückgeführt werden; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 333. Als am Abend erneut der Vorschlag aufgeworfen wurde, der König möge sich nach Potsdam begeben, bekämpfte Graf Arnim erneut jeden dahin zielenden Vorschlag; vgl. ebd., S. 344–349. 170 Vgl. Hachtmann, Berlin 1848, S. 199. 171 Krausnick ebd., S. 328. 172 Ebd., S. 329. Eventuell wurde dies vom Fürsten Lichnowski initiiert; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 328, Anm. 132 sowie S. 329 (mit Anm. 134); vgl. Wolff, Revolutionschronik I, S. 239–250.

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gen173, veranlaßte Graf Schwerin den König, auf den Balkon vor die Leichen zu treten174. Dieser trat auf den Balkon, war tief ergriffen beim Anblick der Leichen und kam dann der Forderung „Mütze ab!“ nach, ebenso sein Gefolge175. Diese Geste des Königs symbolisierte die endgültige Kapitulation der Krone vor der Revolution. Erst nach dieser erneuten Demütigung des Königs gelang es dem Grafen Arnim, die Gemüter wieder zu beruhigen176. Zur weiteren Stabilisierung der Lage leitete er dann rasch die Bildung einer Berliner Bürgerwehr in die Wege177. Er gab sogar persönlich (zusammen mit dem Polizeipräsidenten Minutoli) Waffen aus dem Zeughaus an die Bürgerwehrmänner aus178. Damit wurden die Polizeikräfte im Berliner Raum endlich entscheidend verstärkt, so daß der Einsatz des Militärs bei inneren Unruhen nicht mehr notwendig war. Gegen 18 Uhr bezog die erste bewaffnete Abteilung die Wache auf dem Schloß179. Graf Arnim selbst inspizierte noch am gleichen Abend „seine neue Schöpfung“180. Zugleich wurde General v. Below zum Kommandanten des Königlichen Schlosses ernannt181, was eine erneute Zurücksetzung Prittwitz’ bedeutete, denn auf Grund der herrschenden Lage 173 Vgl. Blos, Revolution, S. 151; Steinmann, Geschichte, S. 320; Streckfuß, Berliner März, S. 99/100. 174 Manteuffel und Berg. In: S. 329, Anm. 133. 175 Vgl. Angerstein, März-Ereignisse, S. 56; Prittwitz, Berlin 1848, S. 330–332; Streckfuß, Berlin IV, S. 82/83; Varnhagen, Tagebücher IV, S. 321; Wolff, Revolutionschronik I, S. 249; siehe dazu Blos, Revolution, S. 151; Busch, Märztage, S. 71; Hachtmann, Berlin, S. 88/89; ders., Berlin 1848, S. 204–208; Hintze, Hohenzollern, S. 532; Schulze, Weg, S. 44. Stadtsyndikus Moewes bezeichnete „das mehrmalige Durchfahren der Leichen der Gebliebenen durch die Schloßhöfe, unter schrecklichen Gesängen“ als „die scheußlichste und brutalste aller begangenen verbrecherischen Taten“ [Prittwitz, Berlin 1848, S. 335; vgl. Schmidt, Märzrevolution, S. 148]. 176 Vgl. Arnim, Bemerkungen, S. 58/59; gegen Prittwitz, Berlin 1848, S. 335/36; siehe auch Streckfuß, Berlin IV, S. 84. Für eine Beruhigung sorgte auch das Wetter: Ab 16 Uhr begann ein leichter Regenschauer; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 341. 177 Bekanntmachung. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 337. Vgl. ebd., S. 167, 327 und 336–338; Angerstein, März-Ereignisse, S. 57/58 (mit Anm. *) und S. 100; Nobiling, Bürgerwehr, S. 2/3; Peterson, Personen I, S. 3–7; Steinmann, Geschichte, S. 320/21; Streckfuß, Berlin IV, S. 84/85; Wolff, Revolutionschronik I, S. 237–251; Otto Camphausens Brief vom 20.03.1848. In: Hansen, Rheinische Briefe II.1, S. 608–610; siehe dazu Hachtmann, Berlin 1848, S. 234–239; Kliem, Genesis, S. 263/64; Hofmann, Stellung, S. 45. Erst am 19.04.1848 wurde eine Verordnung über die Bürgerwehr erlassen; vgl. GS 1848, S. 111. 178 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 338; Nobiling, Bürgerwehr, S. 3/4. Insgesamt sollten etwa 4000 Gewehre ausgegeben werden, für jeden Stadtbezirk etwa 40 Dienstwaffen; vgl. Prittwitz, a. a. O. 179 Vgl. Minutoli ebd., S. 337. 180 Vgl. ebd., S. 167, siehe auch Wolff, Revolutionschronik I, S. 289/90. 181 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 341.

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wurde Below „nahezu die Leitung aller militärischen Angelegenheiten“ übertragen182. Am Vormittag des 20. März setzte Graf Arnim seine Versuche fort, für eine Beruhigung der Situation zu sorgen. Einerseits sorgte er für Geldgeschenke an das Volk, indem alle Pfänder bis fünf Thaler auf Kosten der Staatskasse zurückgegeben wurden183, andererseits für die Amnestierung aller Gefangenen, auch der verurteilten polnischen Aufständischen184. Gleichzeitig vergrößerte sich zunehmend der Druck der Menge auf die Kasernen, obwohl die Regierung öffentlich versicherte, „daß das Gerücht vom Anrücken der Truppen ein vollkommen unbegründetes“ sei185. Trotz des Beschlusses, die Truppen in den Kasernen zu belassen und nur im Notfall im Umland Berlins zu stationieren186, führten in der Folgezeit „viele sich kreuzende Befehle“ zu einer völligen Unübersichtlichkeit der Situation187, so daß am 21. März alle Truppen aus Berlin abmarschierten188, was den König endgültig dazu zwang, sich dem Volkswillen zu unterwerfen. Trotzdem stabilisierte sich die Lage in Berlin immer noch nicht, was auch am weiterhin völlig unorthodoxen Handeln des Königs lag189. Am 20. März waren der liberale Wirtschaftsrechtler und bisherige Vorsitzende des Oberzensurgerichts Friedrich Wilhelm Ludwig Bornemann, der bereits mit dem Innenminister Arnim in Konflikt geraten war190, zum Justizminister und außerdem Ludolf Camphausen in Abwesenheit zum Minister ernannt worden191. Nicht diese Ernennungen sorgten jedoch dafür, daß 182

Ebd. Zu recht wies Prittwitz auf die „seit dem Jahre 1840 mehrfach hervorgetretene Regierungsmaxime“ hin, „allen Schwierigkeiten durch einen Wechsel in den ausführenden Personen schnell vorbeugen zu wollen“ [Ebd.]. 183 Kabinettsordre vom 20.03.1848 an „den Staatsminister Grafen v. Arnim“ ebd., S. 371; vgl. Wolff, Revolutionschronik I, S. 259/60. 184 Vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 371; Wolff, Revolutionschronik I, S. 279–281. 185 Text des Plakates ebd., S. 387. 186 Vgl. ebd., S. 375 und 379/80. 187 Prittwitz, Berlin 1848, S. 385. Dazu kam es, weil sich verschiedene „berechtigt oder nicht berechtigt Befehlenden vielleicht für zu zeitraubend hielten, sich an den vorschriftsmäßigen Instanzenzug zu binden.“ [Ebd., S. 374] Da der König selbst Prittwitz’ Position in den letzten Tagen untergraben und dessen Kompetenzen beständig ignoriert hatte, war dies nicht weiter verwunderlich. 188 Vgl. ebd., S. 389–402. 189 Bezeichnend ist, daß der König zunächst „auf den Wunsch des Tierarztes Urban“ diesem (als Zivilisten!) die Rückführung von Truppen nach Berlin genehmigte [Kabinettsordre ebd., S. 398], was der Kriegsminister wenig später gerade noch per Depesche widerrufen konnte [Text ebd., S. 403]. Allerdings hatte der Befehl bereits „eine nichts weniger als freudige Aufregung hervorgerufen“ [Ebd.]. 190 Vgl. Kap. II.2.a). 191 Kabinettsordre. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 371; vgl. Streckfuß, Berliner März, S. 108/09; Steinmann, Geschichte, S. 324. Zugleich wurde das Entlassungs-

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die Position des Grafen Arnim bereits nach einer Amtszeit von wenigen Stunden schwierig wurde. Vielmehr stützte sich der König in der deutschen Frage, mit der die weitere verfassungspolitsche Entwicklung Preußens zusammenhing, nicht auf den Grafen Arnim, sondern auf den bisherigen Pariser Gesandten Heinrich Alexander v. Arnim-Suckow, der sich seit einigen Tagen in Berlin aufhielt und am 18. vergeblich zu vermitteln versucht hatte192. Schon am Morgen des 20. März wurde Friedrich Wilhelm IV. von mehreren Seiten dazu gedrängt, sich durch eine öffentliche Erklärung „an die Spitze Deutschlands“ zu stellen193. Als diese Frage am frühen Morgen des 21. März im Staatsministerium erörtert wurde, legte Arnim-Suckow, der bereits am Morgen des 21. März eigenmächtig Flugzettel hatte verteilen lassen194, seine schon am 17. März verfaßte Denkschrift zur Deutschen Frage gedruckt dem König und dem Staatsministerium vor195. Dieses Programm beinhaltete vorformuliert den Aufruf Friedrich Wilhelms IV. „An mein Volk gesuch des Hausminister Stolberg gebilligt; vgl. Stolberg-Werigerode, Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode, S. 58–60. Außerdem erklärte der König, er habe „den Präsidenten der Handelskammer [Ludolf] Camphausen zu Mir berufen, um Mir fortan gleichfalls als Minister zur Seite zu stehen“ [Ebd.]. Camphausen konnte nur für das Finanzministerium vorgesehen sein. 192 General Prittwitz [Prittwitz, Berlin 1848, S. 145] erweckt den Eindruck, als habe Arnim eher auf der Seite der Aufständischen gestanden, zumindest (wie auch Polizeipräsident v. Minutoli) einen „Trupp Menschen“ angeführt, wobei Arnim mit einer „noch viel abscheulicher aussehenden Bande“ als Minutoli gesehen worden sei. Auch später hätten die beiden vergeblich zu vermitteln versucht [Vgl. ebd., S. 202]. 193 Brief Arnims vom 29.03.1848 an den König. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 59/60; Konzept in: Nachlaß Nr. 4090, Bll. 38 + 39. Angeblich hat Graf Schwerin diese Formel geprägt; vgl. Steinmann, Geschichte, S. 357. 194 Prittwitz [Berlin 1848, S. 391] wies darauf hin, daß bereits „um 9 Uhr morgens“ auf einem unterschriftslosen Plakat verbreitet wurde, der König werde „mit den alten, ehrwürdigen Farben deutscher Nation noch heute zu Pferde in Eurer Mitte erscheinen“. Das Plakat war kaum von Friedrich Wilhelm IV. autorisiert worden, denn es enthielt den Ausruf: „Heil und Segen dem konstitutionellen (sic !) Fürsten, dem Führer des gesamten deutschen Volkes, dem neuen Könige der freien wiedergeborenen deutschen Nation!“ Vgl. Steinmann, Geschichte, S. 357; Streckfuß, Berlin IV, S. 113/14; Wolff, Revolutionschronik I, S. 293; siehe auch Hachtmann, Berlin 1848, S. 87. Arnim-Suckow konnte sich diese Eigenmächtigkeit ungestraft erlauben, weil ihn Friedrich Wilhelm IV. seit einer gemeinsamen Italienreise schätzte und deshalb 1840 zum Freiherrn erhoben hatte; vgl. Steinmann, Geschichte, S. 386 und 388. 195 [Heinrich Alexander von Arnim:] Die politische Denkschrift vom 17. März 1848 über die französische Februarrevolution und ihre Folgen für Deutschland. Als Manuskript gedruckt. 20. März 1848. Berlin 1848 [ein Exemplar in Göttingen, Sem. f.m.u.n. Geschichte, C IV Q 4]; vgl. Arnims Brief vom 29.03.1848 an den König. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 59/60. Zur Rolle Arnim-Suckows im Kabinett Arnim vgl. Brandenburg, Untersuchungen, S. 72.

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und an die deutsche Nation“196. Gegen Arnims Votum wurde daraufhin vom inzwischen mehrheitlich liberalen Kabinett der Beschluß gefaßt, „an die Spitze der Bewegung zu treten.“197. Daraufhin erklärte Graf Arnim, er halte es unter diesem Umständen für notwendig, daß derjenige, der dieses System vertrete, auch Ministerpräsident werde, weshalb er dem König seine sofortige Entlassung anbiete198. Dieses Angebot wurde aber vom König und von den übrigen Ministern nicht befürwortet, worauf sich der Graf nur aus reinem Pflichtgefühl dazu bereiterklärte, im Amt zu verbleiben199. Allerdings übergab er das Außenministerium und die Zuständigkeit für Verfassungsfragen an Arnim-Suckow, so daß er nur noch als „Vorsitzender des Staatsministeriums“, jedoch „ohne Verwaltung eines besonderen Portefeuilles“ amtierte200. Dieser Kompetenzverlust kam deshalb einer Entmachtung gleich, weil Arnim ohne Portefeuille in dem neu eingeführten System nur begrenzte Einflußmöglichkeiten hatte und zudem mit dem Suckower ein Konkurrent die entscheidenden Reformen durchführte. Allein Arnims Entmachtung nach nur zweitägiger Amtszeit verdeutlicht, daß dieser von den Kompetenzen eines Bismarck nur träumen konnte. Insofern war er zwar nominell der erste Ministerpräsident, de facto aber der letzte Kabinettsminister, für den ein neuer Titel eingeführt wurde, um einen Wandel zu propagieren, der noch stattfinden mußte201. 196 Text in: Huber, Dokumente 1, S. 366/67; vgl. Arnim, Centralgewalt, S. 46; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 86; ders., Aufzeichnungen I, S. 514. Angeblich war Graf Arnim aber verantwortlich für die Formel „Preußen geht in Deutschland auf“; vgl. Perthes, Beiträge, S. 541; Sybel, Begründung I, S. 89. 197 Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 53. 198 Entlassungsgesuch vom 20.03.1848. In: GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 3729, Bl. 3; siehe dazu auch Arnims Entlassungsgesuch vom 29.03.1848. In: Nachlaß Nr. 4090, Bll. 38 + 39; abgedruckt in: Revolutionsbriefe 1848, S. 59/60. 199 Am 29. März begründete er dies [A.a.O]: „In den damaligen Tagen der Gefahr E.Kgl.M. wider Ihren Willen zu verlassen, schien mir nicht ehrenhaft.“ 200 „Ich habe heut den bisherigen Gesandten v. Arnim zum Minister der Auswärtigen Angelegenheiten ernannt, welche Verwaltung der Minister Graf v. Arnim bisher vorläufig geführt hat. Bei dem notwendigen Zusammenhange der allgemeinen deutschen mit den preußischen Verfassungs-Angelegenheiten übernimmt der Minister v. Arnim auch deren Verwaltung. – Der Minister Graf v. Arnim bleibt Vorsitzender des Staatsministeriums, vorläufig ohne Verwaltung eines besonderen Portefeuilles.“ Kabinettsordre. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 391; vgl. Arnims Brief vom 29.03.1848 a. a. O.; Angerstein, März-Ereignisse, S. 64–66; Wolff, Revolutionschronik I, S. 292/93. Bezeichnend ist, daß Canitz, der das Außenministerium kommissarisch leitete, noch am 22. März nichts von Arnim-Suckows Ernennung wußte; vgl. Revolutionsbriefe 1848, S. 54/55. 201 Dazu trug auch die Tatsache bei, daß Graf Arnim seit dem 21. März im Kabinett nur noch in Kriegsminister Rohr eine Stütze fand; dies illustriert Waldersee, Aus den Berliner Märztagen, S. 43.

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Der um 10 Uhr getroffene Entschluß wurde sofort in die Tat umgesetzt: Um 10.45 Uhr begab sich Friedrich Wilhelm IV. „nur von dem geringen gerade gegenwärtigen und berittenen Gefolge wie von den neuen Ministern begleitet, zu Pferde (alles mit den deutschen Farben, in Kokarde, Bändern und Schleifen) unter das Volk, von tausend und abertausend Vivatrufen begleitet.“202 Friedrich Wilhelm IV. hielt auf seinem Ritt mehrmals an und erklärte öffentlich, „er wolle nichts usurpieren, und wenn er Farben trage, die nicht die seinigen wären, so wolle er keine Herrschaft und Krone damit erobern, sondern nur Deutschlands Einigkeit und Freiheit damit bezwecken.“203 Der Umritt, an dem auch Graf Arnim teilnehmen mußte, wurde um 13.15 Uhr in anderen Teilen der Stadt fortgesetzt, aus denen eine weniger günstige Stimmung gemeldet wurde204, auf der Schloßkuppel wurde Schwarz-rot-gold aufgezogen, und auch die Armee erhielt den Befehl, neben den preußischen die deutschen Farben zu tragen205. Am Nachmittag erschien zudem der Aufruf „An mein Volk und an die deutsche Nation“206. Darin erklärte der König: „Preußen geht fortan in Deutschland auf.“ Als Mittel „zur Rettung und Beruhigung Deutschlands“ sowie zur Reform Preußens und Deutschlands sollte jedoch nach wie vor „der auf den 2. April bereits einberufene Landtag“ dienen. Neben diesem wirklichkeitsfremden Plan, der deshalb starke Kritik erhielt207, machte der König mehrere Verfassungsversprechen, nämlich die „Einführung wahrer konstitutioneller Verfassung, mit Verantwortlichkeit der Minister“, eine „öffentliche und mündliche Rechtspflege, in Strafsachen auf Geschworenengerichte gestützt“, Glaubensfreiheit sowie eine „freisinnige Verwal202 Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 53; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 391–393; Wolff, Revolutionschronik I, S. 293–298; siehe auch Blos, Revolution, S. 154–158; Hachtmann, Berlin 1848, S. 209–213; Kaeber, Berlin 1848, S. 87/88. 203 General v. Rauch. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 392; etwas anderer Wortlaut. In: Friedrich Wilhelm IV., Reden, S. 11. 204 Adjutantenjournal. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 53; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 391/92; Ludwig v. Gerlach Aufzeichnungen I, S. 513; Wolff, Revolutionschronik I, S. 295. 205 General v. Rauch. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 392. Der Befehl wurde allerdings nur widerwillig und hinhaltend umgesetzt; vgl. ebd., S. 415. 206 Text ebd., S. 392/93; dort auch die folgenden Zitate; vgl. dazu Angerstein, März-Ereignisse, S. 65; Biermann, Waldeck, S. 71/72; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 86, Anm. 34. 207 Der sächsische König Friedrich August II. teilte Friedrich Wilhelm IV. mit, „die Form, . . . namentlich die Vereinigung der deutschen konstitutiven Versammlung mit dem preußischen Landtage“ habe zwar nicht bei ihm, da er den König kenne, „aber in den verschiedensten Kreisen, Mißtrauen und Mißvergnügen erregt.“ Brief König Friedrich Augusts II. von Sachsen vom 24.03.1848 an Friedrich Wilhelm IV. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 55/56; siehe zu dem Aufruf auch Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 86.

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tung“. Alle diese Versprechungen machte der König ohne die Billigung seines Ministerpräsidenten. Nach dem Umritt des Königs durch Berlin und dem unfreiwilligen Abzug der Truppen aus der Stadt gelang es dem Grafen Arnim offenbar, Friedrich Wilhelm IV. davon zu überzeugen, daß nicht romantische Ideen, sondern handfeste politische Zugeständnisse notwendig waren, um die Situation zu stabilisieren208. Außerdem wurden in den königlichen „Verheißungen“ vom 22. März die politischen Versprechen des Königs vom 21. März spezifiziert209. Diese Erklärung legte die Grundlage eines neuen Preußen, das durch die Gewährleistung persönlicher Freiheit, eine Reform der Wehrverfassung und des Regierungssystems sowie des Justizwesens geschaffen werden sollte. Zudem bedeutete die Aufhebung der letzten Feudalrechte eine deutliche Modernisierung der Gesellschaft, besonders des „platten Landes“. Der König machte diese Zugeständnisse angeblich nur gezwungenermaßen210, während Graf Arnim von deren Notwendigkeit überzeugt war211. Mit den Märzverheißungen, der folgenreichsten Tat des Ministeriums Arnim212, war ein erster Schritt zur Konstitutionalisierung Preußens getan. Allerdings war keineswegs festgelegt, wie die versprochenen „Urwahlen“ 208 Vgl. Arnim, Verheißungen, S. VIII. Dieser Gesinnungswandel des Königs wurde auch durch eine Breslauer Deputation beeinflußt, welcher der König ein „volkstümliches Wahlgesetz“ versprach, das dem Vereinigten Landtag vorgelegt werden sollte; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 406; Wolff, Revolutionschronik I, S. 360– 368; siehe auch Blos, Revolution, S. 158/59; Mähl, Überleitung, S. 31–45. 209 Text in: Huber, Dokumente I, S. 366/67; außerdem in: Arnim, Verheißungen, S. 13/14; Friedrich Wilhelm IV., Reden, S. 12; Prittwitz, Berlin 1848, S. 406/07; siehe auch Hintze, Hohenzollern, S. 533/34. 210 Im August äußerte er z. B. in einer Randglosse, er sei nach wie vor der Überzeugung, „daß das Aussprechen der Ministerverantwortlichkeit ohne Verfassung ein reiner Nonsens ist, den allerdings Arnim 1 und 2, Schwerin, Bornemann etc. sich haben zuschulden kommen lassen“. [Revolutionsbriefe 1848, S. 160; anders Steinmann, Geschichte, S. 363] 211 Graf Arnim veröffentlichte im Dezember 1848, nach dem Verfassungsoktroi, die Schrift „Die Verheißungen des 22sten März und die Verfassung vom 5ten Dezember“, um einerseits sein Verhalten im Frühjahr zu rechtfertigen und andererseits (mit Blick auf die bevorstehende Verfassungsrevision) „den König nicht in den Punkten gebunden erscheinen zu lassen, wo er frei ist.“ [A. a. O., S. VII] Seine Aufgabe sei es im März gewesen, dem unwiderstehlichen Verlangen nach einer konstitutionellen Regierungsform „Befriedigung und Form in der Weise zu geben, daß in ihr die ewigen Grundlagen des Glücks der Völker: die göttliche und menschliche Gerechtigkeit gegen alle, zur Wahrheit werden können.“ [Ebd., S. 22] Damit bezeichnete der Graf die „Verheißungen“ als Mittel zur Kanalisierung der Leidenschaften, ohne daß er dabei sein konservatives Denken aus den Augen verloren hätte. 212 Vgl. Mähl, Überleitung, S. 30 (mit Anm. 2).

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stattfinden sollten und welche Form die künftige Volksvertretung haben könnte. Graf Arnim hatte (wie schon 1845) ein Zwei-Kammer-System im Sinn, dessen zweite Kammer nach einem Zensuswahlrecht gebildet werden sollte213. Um eine „Charte“ nach französischem oder belgischen Vorbild zu verhindern214, sollte der König nach Anhörung des Vereinigten Landtages das neue Wahlrecht und einige Verfassungsgrundzüge per Verordnung in Kraft setzen215, also quasi die Verfassung von 1847 novellieren216. Damit wollte Graf Arnim endlich seine seit 1842 verfolgten Verfassungspläne umsetzen. Am gleichen Tag wurde bei der Beerdigung von 183 gefallenen Aufständischen217, an der etwa 20.000 Menschen teilnahmen, darunter auch der König mit einem Trauerflor218, erneut deutlich, in welchem Maße die Revolutionäre inzwischen Oberwasser bekommen hatten. Um die notwendigen Reformen steuern zu können, versuchte Graf Arnim, obwohl er dafür nicht mehr zuständig war, mit Hilfe des liberalen Friedrich Christoph Dahlmann eine Verfassungskommission zu bilden219. Dabei ging er nach wie vor davon aus, daß der König im Sinne des „Monarchischen Prinzips“ die aus den Verheißungen des 22. März resultierenden Reformmaßnahmen einer besonders dazu zu berufenden Versammlung vorlegen werde220. Außerdem wurde mit den Gesandten mehrerer deutscher Staaten vereinbart, die Abgeordneten 213 Vgl. den Entwurf eines Wahlgesetzes vom 19.03.1848. In: Arnim, Verheißungen, S. 27–30; siehe dazu auch Perthes, Bundestag, S. 101; außerdem Hofmann, Innenpolitik, S. 306/07. 214 Ebd., S. 20/21. 215 Vgl. ebd., S. 22, 39/40 und 72–77; siehe dazu auch Seitz, Verfassungsurkunde, S. 8/9. 216 Siehe dazu die Beilage zur Deutschen Reform Nr. 643, So. 09.12.1849, S. 2599/2600. In: Nachlaß Nr. 3975, Bl. 30. 217 Vgl. dazu Angerstein, März-Ereignisse, S. 69–71; Peterson, Personen I, S. 12/ 13; Nobiling, Bürgerwehr, S. 28–38; Prittwitz, Berlin 1848, S. 395–397, 407–410 und 423; Steinmann, Geschichte, S. 364–370; Wolff, Revolutionschronik I, S. 301– 305 und 315–328; außerdem Nachlaß Nr. 3985, passim; siehe auch Blos, Revolution, S. 160/61; Hachtmann, Berlin 1848, S. 214–221; Kaeber, Berlin 1848, S. 89– 94. Von den 300 zivilen Toten konnten 270 namentlich identifiziert werden; vgl. Kuczinski/Hoppe, Berufsanalyse, passim. Die gefallenen Soldaten wurden am 24. März in Spandau beerdigt; vgl. Angerstein, März-Ereignisse, S. 73 (mit Anm. *); Prittwitz, Berlin 1848, S. 429–432; Steinmann, Geschichte, S. 370/71; siehe dazu Blos, Revolution, S. 161; Schwarz, Verluste, passim. Über diesen nebensächlichen Aspekt der Märzrevolution kam es 1850 zu einem Gefecht zwischen Gerlach und Arnim; vgl. dazu Gerlachs Oktober-Rundschau In NPZ Nr. 248/1850; Arnims Inserat in der NPZ vom 27.10.1850, Gerlachs Entgegnung in der NPZ vom 01.11.1850 und Arnims erneute Replik in der NPZ vom 05.11.1850. 218 General v. Rauch. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 407. 219 Vgl. Mähl, Überleitung, S. 49; Seitz, Entstehung, S. 9; Springer, Dahlmann II, S. 213/14.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

der deutschen Nationalversammlung durch die jeweiligen Landtage wählen zu lassen221. Beide Maßnahmen zielten darauf, revolutionäre Brüche im Verfassungswesen zu vermeiden und statt dessen die bestehende preußische Verfassung fortzuentwickeln. Zur gleichen Zeit bereitete General Prittwitz eine Militäraktion vor222. Am 25. März kam jedoch der König nach Potsdam und forderte die versammelten Offiziere zu einer versöhnlichen Haltung auf, denn er sei „niemals freier und sicherer gewesen als unter dem Schutze meiner Bürger“223. Daß diese Worte die zuhörenden Offiziere zutiefst empörten224, lag auch daran, daß der König damit implizit jede Gewaltanwendung untersagte225. Er entschied sich damit gegen den Versuch einer blutigen Beendung der Märzrevolution und für die endgültige Entmachtung seines militärischen „Krisenmanagers“ Prittwitz. Gleichzeitig wurde auch die Stellung seines zivilen Krisenmanagers, die bereits seit dem 20. März angeknackst war, zunehmend unhaltbar: Friedrich Wilhelm IV. hatte am 21. März die Bildung eines vom Vertrauen des Volkes getragenen Ministeriums versprochen und zudem versucht, mit Ludolf Camphausen einen der führenden rheinischen Liberalen ins Staatsministerium zu berufen226. Dieser teilte jedoch dem Grafen Arnim am 25. März mit, daß er nicht in sein Kabinett eintreten wolle227. Daraufhin wurden Verhandlungen mit David Hansemann aufgenommen, doch auch dieser lehnte 220

Vgl. Hintze, Prinzip, S. 732; Mähl, Überleitung, S. 42; Seitz, Entstehung, 5–10; siehe dazu Otto Hintzes Rezension. In: FBPG 23 (1910), S. 617–619. 221 Vgl. Meinecke, Weltbürgertum, S. 305, Anm. 8. Diese Politik wurde vom Ministerium Camphausen fortgesetzt, allerdings letzten Endes ohne Erfolg. 222 36 Geschütze wurden mit Munition versorgt, und die Infanterie hielt militärische Übungen ab. Außerdem setzte Prittwitz sich mit den Kommandierenden Generälen der benachbarten Armeekorps in Verbindung; vgl. Prittwitz, Berlin 1848, S. 434–439. 223 Friedrich Wilhelm IV., Reden, S. 14/15; Prittwitz, Berlin 1848, S. 440/41. 224 Laut Prittwitz [Berlin 1848, S. 442] fühlten sich die Offiziere wie „ein begossener Pudel“. Bismarck zufolge erhob sich „ein Murren und Aufstoßen von Säbelscheiden, wie es ein König von Preußen in Mitten seiner Offiziere nie gehört haben wird und hoffentlich nie wieder hören wird.“ [Gedanken und Erinnerungen I, S. 26] Vgl. zu der Rede auch Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 88; Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben I, S. 68–71; Prittwitz, Berlin 1848, S. 439–443; Roon, Denkwürdigkeiten I, S. 150–154; Wolff, Revolutionschronik I, S. 423–425. 225 Prittwitz schließt sein Werk nicht zufällig mit jener Ansprache vom 25. März, angeblich weil „Ihre Majestäten der König und die Königin bereits am folgenden Tage, 26. März, ihre Residenz nach Potsdam verlegten“ [Berlin 1848, S. 444]. Erst nach der Abreise des Königs aus Berlin am 27. März kehrte das Militär friedlich in seine Berliner Kasernen zurück; vgl. Arnims Brief vom 28.03.1848 an den König. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 59; Wolff, Revolutionschronik I, S. 451–466; siehe auch Hachtmann, Berlin 1848, S. 260–272. 226 Vgl. Kap. III.1.c).

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es ab, unter Arnim Finanzminister zu werden228. Die führenden rheinischen Liberalen hofften offenbar, daß auf das Kabinett des „reaktionären“ Grafen Arnim ein gemäßigt liberales folgen würde und baten den König darum um Graf Arnims Entlassung229, was dieser jedoch am 28. März ablehnte230. Diese schwebenden Personalfragen überschatteten Arnims Amtsführung als Ministerpräsident über das Krisenmanagement im engeren Sinne hinaus, da klar war, daß es nach der Ablehnung des Konfrontationskurses am 25. März keine Lösung ohne die Mitarbeit der gemäßigten Liberalen geben konnte. d) Der Rücktritt des Grafen Arnim am 29. März 1848 Die schwelende Krise innerhalb des Kabinetts Arnim wurde dadurch verstärkt, daß es auch nach dem 19. März immer wieder zu Volksunruhen kam, deren Ursache die Furcht vor einem erneuten militärischen Einschreiten war231. Am 29. März eskalierte der Konflikt, als Graf Arnim nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Außenminister Arnim-Suckow von Innenminister Auerswald zum Rücktritt aufgefordert wurde232. Der Boitzenburger setzte daraufhin sein Rücktrittsgesuch auf, in dem er betonte, schon seit dem 21. März mit den politischen Entscheidungen nicht einverstanden gewesen zu sein233. Er habe nur die Verhältnisse ordnen wollen, und da die 227

Vgl. Ludolf Camphausens Brief vom 25.03.1848. In: Hansen, Rheinische Briefe II.1, S. 647–650; siehe auch Friedrich Wilhelm IV., Briefwechsel mit Ludolf Camphausen, S. 20–22; außerdem Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 121; Hofmann, Ministerium, S. 51. 228 Vgl. Hansen, Mevissen II, S. 356; Hofmann, Ministerium, S. 52. 229 Vgl. die Adresse des rheinischen Städtetages vom 24.03.1848. In: Hansen, Rheinische Briefe II.1, S. 633/34; siehe auch Friedrich Wilhelm IV., Reden, S. 15/ 16. 230 Vgl. Friedrich Wilhelms IV. Antwort vom 28.03.1848. In: Hansen, Rheinische Briefe II.1, S. 672/73; Wolff, Revolutionschronik I, S. 466; siehe auch Hofmann, Ministerium, S. 53; Mähl, Überleitung, S. 101. 231 Vgl. u. a. Peterson, Personen I, S. 13–33. 232 Vgl. Nachlaß Nr. 4090, Bll. 38 + 39; siehe dazu Hoffmann, Ministerium, S. 53/54; Mähl, Überleitung, S. 102. Die Mehrheit des Kabinetts trat angesichts der Alternative, ob der Boitzenburger oder der Suckower zurücktreten sollte, auf die Seite des Letzteren; vgl. Streckfuß, Berlin IV, S. 175/76. 233 Rücktrittsgesuch Arnims vom 29.03.1848 an den König. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 59/60; dort auch das Folgende; vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 152. Rückblickend gab Graf Arnim an, er sei bereits am 28. März aus dem Kabinett ausgeschieden [Verheißungen, S. 37/38]. Graf Arnim trat ab, „nachdem der Zusammentritt des Landtages allen Ankämpfen der Revolution gegenüber gesichert, und nachdem ich dessen gewiß war, daß ein Ministerium vor ihn trat, welches . . . anerkannte Ehrenmänner und Vaterlandsfreunde in sich vereinigte.“ [Arnim, Verheißungen, S. 37; vgl. auch Arnims Brief vom 29.03.1848. In: Revolutionsbriefe, S. 59/60]

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

Zukunft durch den bevorstehenden Zusammentritt des Vereinigten Landtages gesichert sei und der König ein stabileres Ministerium bilden könne, bitte er um seine Entlassung. Die gleiche Bitte äußerten Kultusminister Graf Schwerin und Kriegsminister Rohr234. Daraufhin genehmigte Friedrich Wilhelm IV. Arnims Rücktrittsgesuch; zugleich ernannte er Ludolf Camphausen zum neuen Ministerpräsidenten, David Hansemann zum Finanzminister und den General v. Reyher interimistisch zum Kriegsminister235. Es ist bemerkenswert, daß auch das zweite Ausscheiden des Grafen Arnim aus dem preußischen Staatsministerium damit verknüpft war, daß er in der Verfassungsfrage mit seinen gemäßigt konservativen Vorstellungen nicht durchkam236. Doch dieses Mal war es nicht die Scylla des Altkonservativismus, an denen seine angeblich zu „liberalen“ Ideen scheiterten, sondern die Charybdis der Revolution, an der seine zu „reaktionären“ Vorstellungen nicht vorbeikamen: Am 31. März, am Tage nach der Entlassung des Grafen, fiel die Entscheidung für ein Ein-Kammer-System237. Alle Versuche, sich an die Spitze der Revolution zu stellen, mußten letzten Endes scheitern, weil auch Arnims Vorstellungen von einem gemäßigten Konstitutionalismus, einer Reformierung des ständischen Systems nach englischem Vorbild, sich als überholt erwiesen238. 1845 wäre eine derartige Reform vielleicht noch akzeptiert worden, doch nach der Märzrevolution waren es das französische und das belgische Vorbild, welche den Gang der Entwicklung maßgeblich beeinflußten. Vor allem aber waren die ungeschickte Personalpolitik und die chaotische Regierungsweise des Königs, der ältere und jüngere Generaladjutanten und Minister wechselseitig anhören konnte und sich dabei letztlich keinem Rat verpflichtet fühlte239, für den Ausbruch der Märzrevolution und auch 234

Vgl. Hofmann, Stellung, S. 54. KO vom 29.03.1848. In: GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 3692, Bl. 94; GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 3727, Bl. 6; vgl. Gerlach, Tagebuch, S. 87; Hofmann, Stellung, S. 53–55. Drei Tage später ernannte der König den Frhr. v. Schreckenstein (statt General Rohrs) zum neuen Kriegsminister, während er Schwerins Entlassungsgesuch ablehnte. 236 Der König aber stellte sich ein bezeichnendes Zeugnis aus, als er am 30.03.1848 gegenüber Ludwig v. Gerlach über „Graf Arnims geistlosen Liberalismus“ schimpfte [Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 110]. 237 Vgl. Frahm, Entstehungsgeschichte, S. 254/55. 238 Vgl. Jordan, Entstehung, S. 117. 239 Nobiling [Prittwitz, Berlin 1848, S. 439] urteilte über die große Zahl selbsternannter, ungebetener und vor allem unverantwortlicher Ratgeber im Schloß, die lediglich eifrig Gerüchte verstreuten, aber wenig Nützliches verrichteten: „Die hiervon bezeichneten dienstfertigen Seelen tragen nach meiner Ansicht eine viel größere Schuld daran, daß damals die erbärmlichen Zustände nicht rascher abgeschüttelt 235

2. In der konservativen Opposition (1848/49)

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für das Scheitern des Grafen Arnim als Ministerpräsident verantwortlich240. Außerdem offenbarte der Auftritt des Königs in Potsdam am 25. März, daß sein Verhältnis zum Offizierskorps schwer gestört war. Ein weiserer König hätte es wohl vermocht, den offenen Kampf durch rechtzeitige und geeignete Zugeständnisse zu vermeiden, ein skrupelloserer Herrscher hätte ihn vielleicht siegreich beendet. Friedrich Wilhelm IV. vermochte weder das eine noch das andere. Darüber hinaus verhinderte er durch sein Handeln auch noch, daß seine Ratgeber die Krise selbständig zu meistern vermochten. Erst nach Arnims Entlassung verzichtete der König auf eine eigene Verfassungspolitik: Am 30. März 1848 erklärte er in einer Kabinettsordre an das Staatsministerium, er werde „von jetzt an die VerfassungsAngelegenheiten an Mich gelangenden Anträge an das Staatsministerium verweisen“ und ermächtigte dieses, „die Bittsteller auf solche Anträge mit Bescheid zu versehen.“241 Es mußte für den Grafen Arnim besonders tragisch sein, daß ihm der König erneut die Hände gebunden hatte, während er seinem Nachfolger freie Hand ließ, obwohl er mit dessen politischen Ansichten noch viel weniger übereinstimmte als mit denen des Boitzenburgers. 2. In der konservativen Opposition (1848/49) Die Ernennung des Ministeriums Camphausen-Hansemann am 30. März 1848 verbannte die preußischen Konservativen in die Opposition. Während zuvor zumindest einige von ihnen das Vertrauen des Königs besessen hatten und somit Einfluß auf die Regierung nehmen konnten, mußten sie nun tatenlos zusehen, wie die ihnen verhaßten Liberalen die Richtlinien der Politik festlegten. Erst dieser rasante Sturz in die Ohnmacht sorgte dafür, daß sich die Konservativen parteipolitisch zu organisieren begannen. Dazu trug auch bei, daß sie in den diversen parlamentarischen Versammlungen die negativen Folgen ihrer mangelnden Parteiorganisation zu spüren bekamen. wurden, als man gewöhnlich annimmt.“ Vgl. dazu Heinrichs Urteil. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. LV; siehe auch Pierson, Preußische Geschichte II, S. 229; Sybel, Begründung I, S. 254. 240 Dies hat zwar nach dem Sieg der Gegenrevolution niemand auszusprechen gewagt, doch verurteilte Ernst v. Bodelschwingh den König noch unter dem frischen Eindruck des Geschehens heftig. Am 20. März fand ihn Otto v. Bismarck im Potsdamer Schloß, „wo er schon im Bett gelegen und weinend über den Fall des Vaterlandes den König einen falschen Feigling genannt, den er nie wieder zu sehen wünsche“. Außerdem beschimpfte er den König mit den Ausdrücken „Seiltänzer“ und „Komödiant“ [unveröffentlichte Tagebuchnotiz Ludwig v. Gerlachs. In: Schoeps, Neue Quellen, S. 380, Anm. 30]. Vgl. zur Schuld des Königs Hintze, Hohenzollern, S. 531; Marcks, Bismarck, S. 19–22. 241 GStAPK I. HA Rep. 89 Nr. 3692, Bl. 97. Der König entsprach damit einer Bitte des neuen Ministeriums; vgl. ebd., Bll. 95 + 96.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

Diese Erfahrungen machte auch Graf Arnim im Vereinigten Landtag und in der Nationalversammlung in Frankfurt am Main. a) Der zweite Vereinigte Landtag (02.–10.04.1848) Der zweite Vereinigte Landtag wurde am 2. April 1848 (nur drei Tage nach Arnims Rücktritt) unter ganz anderen Voraussetzungen eröffnet als der erste im Jahre 1847: Nun ging es nicht mehr um ein Verfassungsexperiment, sondern lediglich um den Versuch, trotz der Märzrevolution die Rechtskontinuität zu wahren242, indem der Vereinigte Landtag das neue Wahlgesetz und die wichtigsten Verfassungszugeständnisse des Königs billigte. Es war das Verdienst Arnims, Krone und Konservativen diese Möglichkeit offengehalten zu haben. Graf Arnim nutzte dieses Forum außerdem dazu, um in der Eröffnungssitzung, formal als Erwiderung auf die Motivierung des Adreß-Entwurfs durch den Referenten Beckerath243, einen Rechenschaftsbericht seiner Regierung vorzutragen244: Er habe versucht, durch die Verheißungen vom 22. März „Vertrauen und die davon bedingte Einigkeit zwischen der Krone und dem Volke“ herzustellen und trotzdem daran festzuhalten, „daß zunächst der Vereinigte Landtag, daß auf gesetzlichem Wege fortgeschritten werden müsse“. Er sei zwar der Krone am 19. März zur Hilfe gekommen, jedoch in dem Gefühl freiwillig zurückgetreten, „daß eine andere Gestaltung des Kabinetts dem Interesse der Dynastie, dem Interesse der Ordnung wohlthätiger“ sei, da „andere Kräfte bessere Dienste leisten“ könnten. Er aber „wolle mit der Krone und ihren Räthen muthig Hand in Hand gehen.“ In diesem Sinne schließe er sich der Adresse an. Diese wurde nach kurzer Debatte „beinahe einstimmig“ angenommen245. Danach hielt sich der Graf in den weiteren Beratungen des Landtages auffallend zurück, obwohl er immerhin Vizemarschall der Herrenkurie und Vorsitzender der „Abtheilung zur Bericht-Erstattung über das Wahlgesetz“ 242

Vgl. zum zweiten Vereinigten Landtag u. a. Hachtmann, Berlin 1848, S. 291– 295; Hofmann, Innenpolitik, S. 308–316; ders., Ministerium, S. 57–86; Kraus, Gerlach, S. 403–406; Mähl, Überleitung, passim; Steinmann, Geschichte, S. 396–400. 243 Adreßdebatte. In: Bleich, 2. VL, S. 8–20; Beckeraths Rede ebd., S. 12–14 (fast nur der Text der Adresse); vgl. Hofmann, Innenpolitik, S. 308–311; ders., Ministerium, S. 68–70; Mähl, Überleitung, S. 139–145. 244 Vgl. Arnims Rede. In: Bleich, 2. VL, S. 14–18; dort die folgenden Zitate; siehe auch Hofmann, Stellung, S. 68; Steinmann, Geschichte, S. 389/90; Streckfuß, Berlin IV, S. 186 und 188. 245 Bleich, 2. VL, S. 20. Zuvor hatte niemand die Adresse befürwortet, da ihre Annahme außer Zweifel stand. Lediglich Bismarck und Adolf v. Thadden-Trieglaff widersprachen ihr; vgl. ebd., S. 19/20; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 88; siehe auch Marcks, Bismarck, S. 30–32.

2. In der konservativen Opposition (1848/49)

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war und die Verabschiedung des neuen Wahlgesetzes die wichtigste Aufgabe des zweiten Vereinigten Landtages darstellte246: Weder in der Debatte über „einige Grundlagen“ der preußischen Verfassung247 noch in der über das neue Wahlgesetz248 und in der über eine außerordentliche Anleihe in Höhe von 15 Millionen Thalern zur Überwindung der Staatskrise249 meldete er sich zu Wort. Dieses Verhalten wurde Arnim später zur Last gelegt: Er habe geschwiegen, statt der „Mißdeutung“ seiner „Märzverheißungen“ entgegenzutreten und seine „wahren“, konservativen Intentionen offenzulegen250. Graf Arnim dürfte aber bewußt gewesen sein, daß angesichts der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse im Landtag jede Opposition vergeblich sein würde, zumal er bereits 1847 im ersten Vereinigten Landtag hatte erleben müssen, wie vergeblich jedes Bemühen um einen tragfähigen Kompromiß angesichts der festen Überzeugungen der Liberalen sein mußte. Darüber hinaus war Graf Arnim aber auch wesentlich kompromißbereiter als die altkonservativen „Hardliner“ um Ludwig v. Gerlach. Der Graf dürfte auch deshalb geschwiegen haben, um der Öffentlichkeit nicht auch noch die Uneinigkeit der konservativen Partei zu demonstrieren. Diese hatte ohnehin zu verkraften, daß alle Entscheidungen des zweiten Vereinigten Landtages gegen ihre Ansichten verstießen und Preußen den Weg hin zu einem liberalen Verfassungsstaat eröffneten. Dies galt für das neue Wahlgesetz ebenso wie für die Grundlagen der Verfassung. Vor allem aber war abzusehen, daß die Konservativen auch in der preußischen und in der deutschen Nationalversammlung keine Mehrheit würden stellen können.

246

Vgl. Bleich, 2. VL, S. 22 und 167. Vgl. zur zweiten Sitzung am 04.04.1848 ebd., S. 24–78; siehe dazu Hofmann, Ministerium, S. 70–73; ders., Innenpolitik, S. 311–315; Mähl, Überleitung, S. 148– 168. 248 Vgl. zur dritten Sitzung am 05.04.1848 Bleich, 2. VL, S. 78–124; siehe dazu Hofmann, Ministerium, S. 73/74; ders., Innenpolitik, S. 315–317; Mähl, Überleitung, S. 168–192. 249 Vgl. zur vierten Sitzung am 10.04.1848 Bleich, 2. VL, S. 124–158; siehe dazu Hofmann, Ministerium, S. 74–78; ders., Innenpolitik, S. 318–325; Mähl, Überleitung, S. 192–227. Auffällig ist, daß bis zum November 1848 (im Gegensatz zum ersten Vereinigten Landtag 1847) die Finanzfrage zunächst in den Hintergrund trat, um dann angesichts des drohenden Scheiterns der Revolution erneut eine Rolle zu spielen; vgl. Nitschke, Volkssouveränität, passim. 250 Februar-Rundschau. In: NPZ Nr. 38, Do. 15.02.1849, Beilage; vgl. auch Kap. III.4. Nach Rodbertus hatte Graf Arnim aber schon bei der Beratung des Wahlgesetz-Entwurfes erklärt, daß auf Grund der Märzverheißungen keine Verpflichtung zum allgemeinen, gleichen Wahlrecht bestehe; vgl. Wolff, Revolutionschronik III, S. 542; siehe auch Mähl, Überleitung, S. 36. 247

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

b) Ein kurzes Gastspiel in der deutschen Nationalversammlung Nach dem Ende des Vereinigten Landtages hielt sich Graf Arnim kurz im heimischen Boitzenburg auf, wo er auf Anordnung des Landrates v. Haas auch die Wahlen für die Wahlmänner zur preußischen und zur deutschen Nationalversammlung selbst abhielt251. Er selbst erhielt dann zu seiner eigenen Überraschung ein Mandat für die deutsche Nationalversammlung252, lehnte dieses jedoch zunächst ab, „überzeugt von der Notwendigkeit großer Reformen, aber unfähig, den Weg der Revolution zu betreten.“253 Er, der gemäßigte Konservative, befürwortete zwar (evolutionäre) Reformen, lehnte aber jeden (revolutionären) Bruch im Staatsrecht ab, insbesondere die Rechte der Einzelstaaten und des deutschen Bundestages betreffend254. Der Graf ließ sich nach eigener Aussage aber zur Annahme des Mandates überreden255, um in Frankfurt zu beurteilen, ob sich die Nationalversammlung – gemäß der Formel Friedrich Wilhelms IV. vom 3. April – darauf beschränken werde, „zwischen den Regierungen und dem Volke das deutsche Verfassungswerk zu Stande zu bringen.“256 Er verfocht dabei das vom Bundestag fixierte „Vereinbarungsprinzip“, das den deutschen Fürsten quasi ein absolutes Vetorecht gegenüber den Beschlüssen der Nationalversammlung sicherte257 und das auch für die preußische Verfassungsentwicklung festgelegt worden war258. In der Absicht, unter Umständen nicht lange zu bleiben, reiste Adolf v. Arnim nach Frankfurt am Main, nahm Quartier im Englischen Hof259 und trat in die Versammlung ein, indem er seine Legitimation gegen Quittung abgab260. In dieser Versammlung, deren erste Sitzung am 18. Mai 1848 stattfand, gehörte Arnim zusammen mit dem Liberalen Freiherrn v. Vincke, den er auf dem ersten Vereinigten Landtag noch bekämpft hatte, zur äußersten Rechten261. Allein diese Tatsache macht 251

Vgl. Nachlaß Nr. 4091, Bll. 277–280. Vgl. Nachlaß Nr. 4089. 253 Arnim, Centralgewalt, S. 4. 254 Vgl. zur Souveränitätsproblematik ebd., S. 3–10. 255 Schreiben Arnims vom 11.05.1848 an Tschirschky. In: Nachlaß Nr. 4089, Bl. 22; vgl. ebd., Bll. 23–30; außerdem Schreiben Arnims vom 13.05.1849 (Konzept). In: Nachlaß Nr. 4090, Bll. 41/42. 256 Arnim, Centralgewalt, S. 6. 257 Vgl. Sybel, Begründung I, S. 89. In der neueren Literatur über die 48er Revolution spielt dieses Prinzip kaum eine Rolle. Vielmehr wird selbstverständlich davon ausgegangen, die Nationalversammlung sei in ihren Entscheidungen souverän gewesen, weil die Mehrheit der Abgeordneten davon ausging. 258 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 27–29. 259 Wohnungsliste der Abgeordneten. In: Nachlaß Nr. 4088, Bl. 9. 260 Ebd., Bl. 39. Arnim wurde der ersten Abteilung zugeteilt; vgl. ebd., Bl. 2 und Nachlaß Nr. 4087, Bl. 17. 261 Vgl. Hildebrand, Opposition, S. 6, 16 und 27. 252

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deutlich, daß der Boitzenburger sich in einer hoffnungslosen Minderheitsposition befand. Bereits am 27. Mai erhielt Graf Arnim Gelegenheit dazu, die Gesinnung der Mehrheit der Nationalversammlung kritisch zu würdigen. Hintergrund war die vom Abgeordneten Raveaux in der dritten Sitzung am 22. Mai aufgeworfene Frage, „ob neben der Frankfurter Nationalversammlung noch eine andere konstituierende Versammlung in Deutschland zur selben Zeit beraten und Beschlüsse fassen dürfe.“262 In der Debatte darüber, die wegen ihrer Wichtigkeit zunächst vertagt worden war, ging es auch um das künftige Verhältnis von Landesverfassungen und Reichsverfassung263. Vincke brachte daraufhin den Antrag auf motivierte Tagesordnung ein, in dem er auf den Vereinbarungscharakter der preußischen Nationalversammlung hinwies. Diese Auffassung vertrat auch Graf Arnim in seiner einzigen längeren Rede in der Paulskirche264: Er betonte, daß das prinzipielle Verhältnis von Reichsverfassung und Landesverfassungen nicht das eigentliche Problem sei, sondern vielmehr die Frage, wie die künftige deutsche Verfassung verabschiedet werden solle. Erstens könne die deutsche Nationalversammlung diese selbständig beschließen, zweitens könne sie die Regierungen der deutschen Länder fragen und drittens die Regierungen und Landtage der einzelnen Länder hinzuziehen. Da diese Frage nicht geklärt sei, würde durch einen Beschluß im Sinne des Antragstellers Raveaux nur „etwas unbestimmtes in Deutschland hinein“ geworfen. „Wir können und müssen von dem Standpunkt des Vertrauens, von der Ueberzeugung ausgehen, daß das, was wir hier schaffen, dereinst Gesetz wird, daß Deutschland sich ihm unterwerfen werde. Weiter können, weiter wollen wir für jetzt nicht gehen.“ Deshalb solle die Frage vertagt werden. Indem der Boitzenburger die Rechte der Nationalversammlung zugunsten der Einzelstaaten und insbesondere Preußens verneinte265, vertrat er eine „völlig verlorene“ Position, indem er das gültige Staatsrecht höher einschätzte als „die praktische Dringlichkeit der Fragen“266. Allerdings wurde die Initiative der Rechten vom Präsidenten der Nationalversammlung Heinrich v. Gagern mit der Behauptung zurückgewiesen, es sei unzulässig, den 262

Vgl. Wigard, Reden I, S. 35. Vgl. ebd., S. 86/87 und 123–155; dort die folgenden Zitate. 264 Text des Antrags Vincke In: Nachlaß Nr. 4090, Bl. 8; Sonderdruck des gedruckten Ausschußberichtes in: Nachlaß Nr. 4088, Bl. 4; Arnims Redekonzept, ebd., Bll. 44–48. 265 Vgl. Jordan, Entstehung, S. 236. 266 Rudolf Haym schrieb am 29.05.1848 an David Hansemann: „Arnim hat gestern sehr gut gesprochen; aber seine Position ist eine höchst unglückliche und völlig verlorene. Mit scharfsinnigem Formalismus enthielt er sich der praktischen Dringlichkeit der Fragen und für seine diplomatischen Distinktionen hat niemand Sinn als er selbst.“ [Haym, Briefwechsel, S. 40] 263

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Übergang zur Tagesordnung besonders zu motivieren, worauf der Übergang zur Tagesordnung von der Mehrheit abgelehnt wurde267. Anschließend wurde mit wenigen Gegenstimmen die Erklärung beschlossen, „daß alle Bestimmungen einzelner deutscher Verfassungen, welche mit dem . . . zu gründenden allgemeinen Verfassungswerke nicht übereinstimmen, nur nach Maßgabe des letzteren als gültig zu betrachten sind – ihrer bis dahin bestandenen Wirksamkeit unbeschadet.“ Als die Versammlung nicht in Arnims Sinne entschied, zeigte dieser kein Interesse mehr an der Arbeit der Nationalversammlung. Auf einem Notizzettel finden sich Bleistiftkritzeleien in der Manier eines desinteressierten Pennälers: Schnecken und ein mit Strichen angedeutetes Gesicht268. Am 5. Juni bat Arnim dann um einen achttägigen Urlaub269. Wenig später erklärte er, er müsse wegen seiner „hiesigen Geschäfte“ sein Mandat niederlegen, hoffe aber, daß es der Nationalversammlung „gelingen möge, die Einigkeit und Kraft Deutschlands neu und dauernd zu stärken.“270 Diese Mandatsniederlegung, die am 14. Juni der Nationalversammlung mitgeteilt wurde271, entsprach Arnims Vorsätzen bei seinem Eintritt in die „Paulskirche“ und erfolgte nicht auf Grund der offiziellen Gründe und auch nicht als Reaktion auf die Debatten über die provisorische Zentralgewalt, die erst am 3. Juni begannen und in der Wahl des habsburgischen Erzherzogs Johann ihren Abschluß fanden272, sondern auf Grund der geschilderten Annahme des „Antrags Raveaux“273. Der Hintergrund der Mandatsniederlegung war, daß Graf Arnim der deutschen Nationalversammlung eine Überschreitung ihrer Kompetenzen vorwarf. Während der Boitzenburger bei seinem Austritt aus der Nationalversammlung noch verbindliche Worte gefunden hatte, ging er mit ihr in seiner Schrift „Die deutsche Centralgewalt und Preußen“ hart ins Gericht274. 267 Wigard, Reden I, S. 155; das Folgende ebd. Der motivierte Übergang zur Tagesordnung war z. B. in der preußischen Nationalversammlung ein gängiges Instrument; vgl. Nitschke, Volkssouveränität, passim. 268 Nachlaß Nr. 4088, Bll. 47 + 48. 269 Nachlaß Nr. 4089, Bl. 31. 270 Schreiben des Grafen Arnim an den Parlamentspräsidenten Gagern. In: Nachlaß Nr. 4089, Bl. 3/4; vgl. ebd., Bll. 1–20. Dabei verwies Arnim nicht nur auf die Geschäftsordnung, sondern führte auch noch zahlreiche weitere Argumente an, die jedoch nur aus Höflichkeit vorgeschoben gewesen sein dürften. 271 Mitteilung des Präsidenten am 14. Juni. In: Wigard, Reden I, S. 305; vgl. dazu auch Nachlaß Nr. 4089, Bll. 34–35 und 45–51. 272 Dies behauptete zunächst Harnisch, Aus den Papieren, S. 542; ihm folgten Nipperdey, S. 614; Arnim, Märkischer Adel, S. 85; vgl. zur Wahl NPZ Nr. 2, S. 02.07.1848, Extra-Beilage; Leitartikel. In: NPZ Nr. 13, Sa. 15.07.1848, S. 1. 273 Vgl. dazu auch Arnims Rede am 10.05.1852 in der Zweiten Kammer. In: 2. K. 1851/52, S. 1351.

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Darin verwarf er erneut das Prinzip der Volkssouveränität und beharrte auf dem Vereinbarungsprinzip, das die deutsche Nationalversammlung angeblich ignoriert habe. Diesen Vorwurf leitete der ausgebildete Jurist (wie schon mündlich am 27. Mai) ausführlich aus dem deutschen Staatsrecht ab, wie es sich seit 1814/15 entwickelt hatte275. Außerdem wandte er sich gegen alle Pläne, Preußen „in eine oder einige deutsche Provinzen“ aufzulösen276. Diese Vorwürfe resultierten weniger aus den Beschlüssen der Nationalversammlung als vielmehr aus dem Eindruck des Meinungsbildes vor Ort. c) In der außerparlamentarischen Opposition Graf Arnim zog sich zunächst aus der Politik zurück und begab sich auf seine Boitzenburger Güter, wie er es bereits 1845 getan hatte277. Von dort aus engagierte er sich seit Juni 1848 in der außerparlamentarischen Opposition, und zwar in verschiedenen konservativen Vereinen, insbesondere in Bülow-Cummerows „Verein zum Schutz des Eigentums“ und im „Verein für König und Vaterland“278, die sich als Gegengewicht zu den von den Liberalen dominierten Parlamenten in Frankfurt und Berlin bildeten. Diese Vereine traten vor allem im Herbst 1848 mit zahlreichen Adressen an die Öffentlichkeit279, als sich die Mehrheit in der preußischen Nationalversammlung nach links verschob280: Als Reaktion auf die entschädigungslose Aufhebung des Jagdrechts281 forderte der Verein zum Schutz des Eigentums in einer anonymen Broschüre Entschädigungszahlungen282. Als die Nationalversammlung beschloß, das Gottesgnadentum abzuschaffen283, lud der Berliner „Patriotische Verein“ zu einem Vortrag über „Die Titulatur der 274 Vgl. Arnim, Centralgewalt, S. 11/12; siehe auch ebd., S. 43/44; außerdem die „offene Verwahrung“ gegenüber der preußischen Nationalversammlung in: Nachlaß Nr. 4090, Bl. 12 sowie die Adresse ebd., Bll. 13 + 14. Arnims Schrift war eine Reaktion auf Oberstleutnant v. Griesheims anonym veröffentlichte Schrift „Die deutsche Zentralgewalt und die preußische Armee“; vgl. dazu Wentzcke, Über den Verfasser, S. 341. Griesheim war ein Gehilfe des preußischen Reformers Hermann v. Boyen; vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte V, S. 580. 275 Ebd., S. 12–23. 276 Ebd., S. 47. 277 Vgl. Brünnecks Brief vom 20.09.1848 an Theodor v. Schön. In: Herre, Befreiungskampf, S. 439; siehe auch Arnim, Märkischer Adel, S. 85. 278 Vgl. Kap. III.4. 279 Vgl. Nachlaß Nr. 4092, Bll. 35 + 36, 59–62, 68 + 69 u. ö.; siehe auch ebd., Bll. 13–24 und 29 + 30; außerdem Nachlaß Nr. 4026, Bll. 133 + 134. 280 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 43/44. 281 Vgl. ebd., S. 142–144. 282 [Anonym:] Gesetz-Entwurf; vgl. dazu Schwentker, Vereine, S. 134. 283 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 195–199.

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Krone“ ein284. Diese Aktivitäten zeigten jedoch vor allem die Ohnmacht der Konservativen. Ernsthafter waren dagegen die Bestrebungen der Konservativen, die Regierungskrise im September 1848 für sich auszunutzen, die aus dem „Schweidnitzer Zwischenfall resultierte285: Friedrich Wilhelms IV. entschloß sich daraufhin prinzipiell zur Gegenrevolution286. Deshalb faßte er am 6. September als Nachfolger des zurückgetretenen liberalen Ministerpräsidenten Rudolf v. Auerswald den konservativen Grafen Arnim ins Auge287. Dieser erklärte dem König jedoch postwendend am 8. September, er käme gegenüber der Nationalversammlung als Minister nicht in Frage288, erst recht nicht nach der Annahme des Antrages Stein. Arnim vermied es dabei, auf das alles andere als gute Verhältnis zwischen dem König und ihm einzugehen. Deshalb gab sich Friedrich Wilhelm IV. mit der Absage auch nicht zufrieden, sondern schickte am 8. September General Rauch, seinen Generaladjutanten, mit einem zweiten Brief nach Boitzenburg289. 284

Vgl. Schwentker, Vereine, S. 133/34. Im September 1848 kam es zu einer ernsten Regierungskrise: In der schlesischen Stadt Schweidnitz kam es auf Grund eines Konfliktes zwischen Militär und Bürgerwehr zu einem Tumult, der (wie die Märzrevolution) durch einen versehentlich abgegebenen Schuß eskalierte, worauf das bedrängte Militär das Feuer eröffnete, so daß nicht weniger als 14 Bürgerwehrmänner erschossen wurden. Wegen dieses „Schweidnitzer Zwischenfalls“ sprach die preußische Nationalversammlung mit der Annahme des „Antrag Stein“ ihr Mißtrauen gegenüber der reaktionären Gesinnung vieler Offiziere aus und verlangte einen entsprechenden Erlaß des Kriegsministers zur Bekämpfung dieser Gesinnungen. Da das (gemäßigt liberale!) Ministerium Auerswald-Hansemann die Abstimmung mit einer Vertrauensfrage verbunden hatte, trat es zurück, weil die Nationalversammlung es zu einer Verwaltungsmaßnahme nötigen wollte, um die Unabhängigkeit der Exekutive gegenüber der Legislative zu wahren. Hintergrund dieses Konfliktes war die Frage, ob Preußen peu á peu eine parlamentarische Regierung bekäme oder ob die Minister weiterhin nur der Krone gegenüber verantwortlich sein sollten; vgl. dazu Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 191/92; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 1 und 12; ders., Tagebuch, S. 110; siehe auch ausf. Nitschke, Volkssouveränität, S. 105–119; dort weitere Literatur. 286 Vgl. Anschütz, Verfassungsurkunde, S. 46; Frahm, Entstehungsgeschichte, S. 264–270; Grünthal, Konstitutionalismus, S. 138/39; Kraus, Gerlach, S. 431. 287 Vgl. Haenchen, Revolutionsbriefe, S. 170, Anm. 1; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 190–192; siehe auch Bergengrün, Von der Heydt, S. 115; Schwentker, Vereine, S. 131. 288 Vgl. Haenchen, Revolutionsbriefe, S. 170, Anm. 3. Sein äußerster Standpunkt sei in der Erklärung vom 22. März fixiert gewesen. Über diesen sei aber schon sein Nachfolger Camphausen hinausgegangen, als er das Zwei-Kammer-System verworfen habe, und Hansemann, der eigentliche Kopf des gerade zurückgetretenen Kabinetts, habe gar „die Revolution als die Basis seiner Operationen anerkannt“. Nun aber habe die Nationalversammlung den Anspruch erhoben, das Ministerium nur „als Vollziehungsbehörde ihrer Beschlüsse in der Verwaltung“ zu betrachten [alle Zitate ebd.]. 285

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Graf Arnim empfahl dem König daraufhin, das Entlassungsgesuch des Ministeriums Auerswald nicht anzunehmen, „um der Versammlung zu erkennen zu geben, daß derartige Beschlüsse von der Krone als Übergriffe in das ihr gebührende Gebiet betrachtet werden und dieselbe also nach konstitutioneller Regel nicht veranlassen können, ihr Ministerium zu ändern.“290 Darüber hinaus gab er zu bedenken, daß ein von ihm gebildetes Ministerium „bei den jetzt herrschenden Ideen den Argwohn des Reaktionsversuchs und mannigfache Antipathien gegen sich haben“ würde. Schließlich schlug er dem König vor, „mit weiser Abwägung der Mittel das Recht mit Festigkeit zu behaupten und zur Geltung zu bringen, dazu aber die gemäßigste Form zu wählen und, wenn ein Konflikt nicht zu vermeiden, ihn von denen ausgehen zu lassen, die das Recht verletzen wollen, so daß, wenn es dazu kommt, das Unrecht deutlich und für jedermann erkennbar auf ihrer Seite ist.“ Damit waren die Verhandlungen gescheitert, die nur in aller Stille geführt worden waren, so daß nur einige Gerüchte davon an die Öffentlichkeit drangen291. Nachdem auch Georg v. Vincke, mit dem der König bereits im Juli Kontakt aufgenommen hatte292 und dem der König nun erneut durch Ludwig v. Massow ein Ministerium anbot293, sich nicht zur Verfügung stellte294, ernannte Friedrich Wilhelm IV. schließlich mit Ernst v. Pfuel (weniger auf Grund von Arnims Rat, „die gemäßigste Form zu wählen“, sondern vor allem als Verlegenheitslösung) zum letzen Male einen Liberalen zum Ministerpräsidenten295, der sich gegenüber der Nationalversammlung demonstrativ für einen Kurs der Kooperation entschied296, was seine Position gleich bei seinem Amtsantritt stark erschwerte. Allerdings war er auf Grund der Gesamtkonstellation als „Krisenmanager“ ebenso überfordert wie Graf Ar289 Vgl. Haenchen, Revolutionsbriefe, S. 170, Anm. 1; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 193/94; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 1; ders., Tagebuch, S. 111. 290 Schreiben des Grafen Arnim vom 09.09.1848 an König Friedrich Wilhelm IV. In: Haenchen, Revolutionsbriefe, S. 170–173; dort auch die folgenden Zitate. 291 Brünneck schrieb am 20.09.1848 an Schön, von Arnim, Vincke und Radowitz sei „während der jetzigen Krise nie die Rede gewesen, wenn auch ihrer gedacht sein mag.“ [Herre, Befreiungskampf, S. 438] 292 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 173/74. 293 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 111; Haenchen, Revolutionsbriefe, S. 162, Anm. 1. 294 Vgl. ebd., S. 174/75; siehe auch Schwentker, Vereine, S. 130/31. 295 Anders als Arnim hatten die Gerlachs an Pfuels Ernennung keinen Anteil; vgl. Kraus, Gerlach, S. 437. 296 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 202; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 6; Höhn, Verfassungskampf, S. 156/57; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 741/42; Kraus, Gerlach, S. 437; Nitschke, Volkssouveränität, S. 118/19; Pfefferkorn, Kampf, S. 58–60.

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nim im März und scheiterte nach kurzer Amtszeit, auch wenn der König Pfuel erst Ende Oktober entließ. Nun bildete der König das „Kampfministerium“ Brandenburg, das einen entschiedenen Kurs einschlug: Die Nationalversammlung wurde am 9. November gegen den Willen der Mehrheit der Abgeordneten nach Brandenburg an der Havel verlegt und bis zum 27. November vertagt297. In der Folgezeit kam es zu Diskussionen im konservativen Lager über das weitere Vorgehen, wobei Graf Arnim das Vorgehen des Grafen Brandenburg gegen die preußische Nationalversammlung begrüßte298. Angeblich soll er sich sogar am 20. November angesichts der Schwierigkeit, das Außen-, das Finanz- und das Handelsministerium mit geeigneten Konservativen zu besetzen, selbst als Minister angeboten haben299. Dies ist allerdings unwahrscheinlich, denn dem Grafen Arnim war nichts an einer Schwächung des Kabinetts Brandenburg gelegen, die zur gleichen Zeit durch den Gerlach-Kreis betrieben wurde300. Offenbar stimmte der Boitzenburger mit den Mitgliedern des Kabinetts Brandenburg politisch überein, so daß von ihm in der Folgezeit eine Unterstützung der Regierungspolitik zu erwarten 297

Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 209–222. Graf Arnim sorgte dafür, daß der Verein für König und Vaterland im November in einer Dankadresse anläßlich der Ernennung des konservativen Grafen Brandenburg zum Ministerpräsidenten zur Unterstützung der neuen Regierung aufforderte; vgl. Nachlaß Nr. 4092, Bl. 10; siehe dazu Schwentker, Vereine, S. 139/40. Auch andere konservative Zweigvereine beschlossen unabhängig davon ähnliche Adressen; vgl. ebd., S. 139–142. 299 Vgl. Haenchen, Revolutionsbriefe, S. 264, Anm. 1; siehe auch Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 250–252. Das von Haenchen erwähnte Schreiben im Hausarchiv (H.A.) konnte nicht ermittelt werden. Insgesamt erscheint die Aussage auch wenig glaubwürdig, denn keines der genannten Ministerien wäre für Adolf v. Arnim in Frage gekommen. Als Außenminister war dann auch nicht, wie Haenchen behauptet, der außenpolitisch desinteressierte Boitzenburger, sondern Heinrich Friedrich Graf v. Arnim-Heinrichsdorff-Werbelow im Gespräch: Graf Brandenburg [Brief vom 10.10.1848. In: Revolutionsbriefe 1848, S. 264] sprach nur von einem Grafen Arnim. Haenchen [Ebd., S. 244, Anm. 2 und S. 264, Anm. 1] verwechselt Arnim-Boitzenburg und Arnim-Heinrichsdorff, obwohl Schneider, auf den er sich beruft [Geschichte, S. 210] ausdrücklich erwähnt, Graf Arnim sei zu dieser Zeit Gesandter in Wien gewesen. Damit ist eindeutig Arnim-Heinrichsdorff gemeint, der am 24.02.1849 wirklich Außenminister wurde, jedoch als Gegner der Radowitzschen Unionspolitik schon am 03.05.1849 wieder zurücktrat; 1851 ging er erneut als Gesandter nach Wien. 300 Vgl. Arnims Brief vom 16.12.1848 an Otto v. Manteuffel. In: Manteuffel, Denkwürdigkeiten I, S. 68/69. August Frhr. v. d. Heydt wurde am 6. Dezember neuer Handelsminister, während Brandenburg vorläufig das Außenministerium und Kühne weiter kommissarisch das Finanzministerium leitete. Am 03.12.1848 hatte Leopold v. Gerlach dem Grafen Brandenburg vergeblich Alvensleben als Minister vorgeschlagen; vgl. Denkwürdigkeiten I, S. 258; siehe auch dessen Brief vom 03.12.1848 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 611. 298

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war301. Diese zielte zunächst darauf ab, für eine Beruhigung der politischen Situation zu sorgen. Deshalb wurde am 5. Dezember nicht nur die preußische Nationalversammlung aufgelöst, sondern zugleich vom König eine relativ liberale Verfassung mit einem Zwei-Kammer-System oktroyiert, die aber von vorneherein unter dem Vorbehalt der Revision stand302. Diese „Revolution von oben“ kehrte quasi das Procedere des Jahres 1848 um, indem nun der König eine Verfassung vorschlug, der ein gewähltes Parlament zustimmen sollte, während vorher die Nationalversammlung eine Verfassung erarbeiten und dem König zur Genehmigung vorlegen sollte. Damit beendete das Ministerium Brandenburg nicht nur die revolutionären Verfassungsbestrebungen der preußischen Nationalversammlung303, sondern verhinderte auch eine Rückkehr zum ständischen System im Sinne der Altkonservativen: Statt eines durchaus möglichen Rückgriffs auf den Vereinigten Landtag kam es zu einer Konstitutionalisierung Preußens im Sinne der Staatskonservativen304, die sich kaum wieder aus der Welt schaffen ließ. d) Das endgültige Ende der Revolution im Frühjahr 1849 Die Wahlen am 5. und 12. Februar 1849 zum neuen preußischen Landtag, dessen Erste Kammer dieses Mal nach einem Zensuswahlrecht und dessen Zweite Kammer nach einem allgemeinen und gleichen Wahlrecht gewählt worden war305, fielen für die Konservativen weitaus günstiger aus als die zur preußischen Nationalversammlung, in der sie quasi nicht vertreten gewesen waren306. Im Zuge dieses Aufschwunges wurde auch Graf Arnim, der zunächst die Wahlen der 141 Wahlmänner im Kreis Templin leitete 307, in die Zweite Kammer gewählt308. Es zeigte sich jedoch schon bald nach der Landtagseröffnung am 26. Februar 1849, wie wenig dieser konservative Wahlsieg wert war, denn auch viele Abgeordnete der „Linken“ bzw. der 301

Anders Rachfahl, Politik, S. 19–29. Vgl. dazu vor allem Grünthal, König, passim; ders., Parlamentarismus, S. 27– 95; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 763/64; Kraus, Gerlach, S. 458–467; außerdem Frahm, S. 288–292; Goldschmidt, S. 197–216; Meinecke, Weltbürgertum, S. 349–391. 303 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, bes. S. 190–207; gegen Böhr, Verfassungsarbeit, S. 99–110. 304 Vgl. Schwentker, Vereine, S. 237 [unter der Bezeichnung „Beamtenliberalismus“]. 305 Vgl. die Wahlgesetze. In: GS 1848, S. 395–401; Botzenhart, Parlamentarismus, S. 606–608. 306 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 39. 307 Nachlaß Nr. 4091, Bl. 169. In dieser Akte findet sich auch Arnims umfangreiche Korrespondenz wegen der Wahlen. 302

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linken „Zentren“ der preußischen Nationalversammlung waren gewählt worden, so daß die Kontinuität noch nicht völlig gebrochen war309. Außerdem konnte zwar die „Rechte“ am 6. März die Präsidiumswahlen für sich entscheiden310, doch bestand diese „Rechte“ zu einem Gutteil aus Liberalen wie Grabow und Alfred v. Auerswald311. Daß darüber hinaus die Linke auch 1849 noch keineswegs besiegt war, zeigte sich in der Adreßdebatte, in der es um die Anerkennung der Verfassung vom 5. Dezember 1848 ging312, die bis ins konservative Lager hinein umstritten war. Während die Erste Kammer mit ihrer rechten Mehrheit beschloß, von einer von Anfang an bestehenden Rechtsgültigkeit der oktroyierten Verfassung auszugehen313, kam es in der Zweiten Kammer zu einer harten Auseinandersetzung, die am 19. März begann und bis zum 28. März andauerte314. Graf Arnim ergriff in dieser Debatte gleich zu Beginn das Wort in dem Bestreben, die rechte Mehrheit zusammenzuhalten. Deshalb konstatierte er „eine unausfüllbare Kluft“ zwischen der Linken und der Rechten315. Zur Sache warnte er davor, gemäß dem Antrag der Linken die Frage offenzuhalten, ob die Oktroyierte Verfassung gültig sei oder nicht, denn dies hieße, den „Zustand der Ungewißheit und der Rechtlosigkeit“ zu verewigen. Gerade weil die Verfassungsrevision auch scheitern könne, sei es wichtig, „daß auch für diesen Fall ein Rechtszustand vorhanden sei, daß auch in diesem Falle das Volk eine Verfassung habe, daß auch für diesen Fall die Revolution beendet“ werde. Arnim fügte hinzu, daß auch er (als Konservativer) davon profitieren könne, wenn die Verfassung vorerst nicht in Kraft trete. Er schloß mit den pathetischen Worten, die Abgeordneten sollten ihre „Pflicht thun“, also die Adresse annehmen, und im übrigen darauf vertrauen, daß dies das beste für das Volk sei. In den folgen308 Vgl. Nachlaß Nr. 4091, Bll. 1–9 und 33; außerdem Friedrich v. Arnims Brief vom 07.02.1849 an Adolf v. Arnim. In: Nachlaß Nr. 4091, Bl. 17; siehe auch Carsten, Junker, S. 113. 309 Vgl. Botzenhart, Parlamentarismus, S. 458–462; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 36–38; Richter, Revolution, S. 640. 310 Vgl. Botzenhart, Parlamentarismus, S. 608. 311 Vgl. 2. K 1849, S. 67/68. 312 Vgl. dazu Botzenhart, Parlamentarismus, S. 609–613; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 38–40; Schwentker, Vereine, S. 273. 313 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 39. 314 Vgl. 2. K. 1849, S. 151–170, 172–195, 210–226, 229–241, 244–260, 262– 277, 279–298, 300–314, 315–318; siehe dazu auch Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 39/40. 315 „Ich glaube mich nicht zu täuschen, daß zwischen einzelnen Fractionen dieser Versammlung, nämlich zwischen der, der ich angehöre, und zwischen der, wohin welcher jener Entwurf ausgegangen ist, eine unausfüllbare Kluft besteht, und ich erkläre dies meinerseits offen und frei.“ [2. K. 1849, S. 158; dort auch die folgenden Zitate]

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den Sitzungen ergriff Graf Arnim nur noch einmal das Wort, um festzustellen, daß „Preußens Heer seinen Kriegsruhm, in den Tagen des Kampfes, in schweren Prüfungen seine Treue bewährt“ habe316. Am Ende der Adreßdebatte setzte sich der Entwurf der vereinigten Rechten mit 186 gegen 145 Stimmen bei 2 Enthaltungen deutlich durch317. Auf diese Adresse, die feststellte, das Volk habe die oktroyierte Verfassung „anerkannt“ und die Zweite Kammer werde sich „der Revision der Verfassung – des nunmehr gültigen Grundgesetzes des preußischen Staates – auf dem in Art. 112 daselbst vorgezeichneten Wege mit dem dieser großen Aufgabe entsprechenden Eifer unterziehen“318 antwortete der König huldvoll319. Damit war eine Konfrontation zwischen Krone und Landtag vorerst vermieden worden. Allerdings gab sich die Linke noch keineswegs geschlagen. Bereits am 31. März 1849 wurde der Antrag auf Verabschiedung einer zweiten Adresse gestellt, und zwar betreffend die Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum Deutschen Kaiser durch die Paulskirche am 28. März320. Offenbar versuchte die Linke, einige nationale Liberale der Rechten in ihr Lager zu ziehen und damit die Mehrheit wiederzugewinnen, die sie bereits am Ende der Beratungen der preußischen Nationalversammlung innegehabt hatte. Tatsächlich konnten die Altkonservativen, die sich schon seit längerer Zeit gegen das Verfassungswerk der Paulskirche ausgesprochen hatten321, zwar ihre Auffassung, die Kaiserkrone der Paulskirche ohne wenn und aber abzulehnen, innerhalb der konservativen Partei gegen eine Gruppe Gemäßigter um Bunsen und Bethmann-Hollweg durchsetzen, die Friedrich Wilhelm IV. zu einer bedingten Annahme der Krone hatten überreden wollen322, doch brachten Vincke und seine Liberalen, die bisher zur Rechten gehört hatten, in der Adreßdebatte, die am 2. April begann323, einen eigenen Antrag ein324. Durch den Antrag der Konservativen wurden die anstehenden Entscheidungen vertrauensvoll „Ew. Königl. Majestät Weisheit und Hingebung 316

Ebd., S. 258. Ebd., S. 315–318. 318 Ebd., S. 315. Diese Formulierung fand auch einen Kompromiß in der Frage, ob die Notverordnungen der Regierung seit dem Dezember 1848 rechtens seien; vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 40–44. 319 Vgl. ebd., S. 329. 320 Vgl. 2. K. 1849, S. 331; siehe dazu Botzenhart, Parlamentarismus, S. 614; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 40; Schwentker, Vereine, S. 299/300. 321 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 38/39; ders., Tagebuch, S. 153; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 477/78. 322 Vgl. Bethmann-Hollwegs Brief vom 01.04.1849 an den König. In: Revolutionsbriefe, S. 427/28; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 844–846; Kraus, Gerlach, S. 478. 323 Vgl. 2. K 1849, S. 344, S. 343–356. 324 Text ebd., S. 344; vgl. dazu NPZ Nr. 78, Di. 03.04.1849. 317

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für die große (nationale, WN) Sache“ anvertraut, statt ein eigenes politisches Konzept zu entwickeln325. Für diesen Antrag sprach vor allem Graf Arnim326. Er bedauerte eingangs, daß man nicht zunächst auf den Entschluß des Königs gewartet habe. Allerdings erklärte auch Graf Arnim, daß sich der König dem „Rufe“ nicht entziehen dürfe, also die Krone annehmen solle, „weil Deutschlands Existenz, Deutschlands Zukunft und mit ihr auch Preußens Zukunft davon abhängt, weil ohne ein Eingehen auf diesen Beruf Deutschland auseinanderzufallen droht.“ Damit ergriff Graf Arnim nicht die Partei der Altkonservativen, sondern nahm eine nationalliberale Position ein. Außerdem verwarf er den Antrag der Linken scharf, während er Vinckes Antrag wohlwollend kommentierte. Offensichtlich wollte er das Auseinanderbrechen der Rechten an dieser Prinzipienfrage vermeiden. Als schließlich der Antrag der Konservativen verworfen wurde327, stimmte Graf Arnim deshalb auch für den Antrag Vincke, der mit 156 gegen 151 Stimmen bei 23 Enthaltungen angenommen wurde328. Diese Auseinandersetzung endete zwar mit einer erneuten Niederlage der Linken329, doch hatten sich bereits Risse im rechten Lager gezeigt. Es sollte die letzte wichtig Abstimmung im Frühjahr gewesen sein, in der die vereinigte Rechte ihre Auffassung durchbrachte. Zu weiteren Zugeständnissen waren die Gemäßigten nicht mehr bereit, zumal die Altkonservativen um Ludwig v. Gerlach nur eine „Politik der Negation“ betrieben330. Am 3. April, dem folgenden Tage, gab der König der Delegation der Paulskirche eine ausweichende Antwort, statt die ihm angebotene Kaiserkrone anzunehmen331. Infolgedessen kam es zu zahlreichen Kundgebungen zugunsten des Verfassungswerkes der Paulskirche. Der Landtag reagierte darauf mit einer sechstägigen Debatte (vom 16. bis zum 24. April) über das Versammlungs- und Vereinsrecht332. Graf Arnim, der zwar mit der Haltung 325

Text. In: 2.K 1849, S. 344. Ebd., S. 345/46; dort auch die folgenden Zitate. 327 Ebd., S. 355. 328 Ebd., S. 355/56. Außer einigen Altkonservativen wie Bismarck und KleistRetzow enthielten sich auch die (sonst links orientierten) Polen der Stimme und ermöglichten somit einen erneuten Sieg der (gemäßigten) Rechten. 329 Vgl. NPZ Nr. 79, Mi. 04.04.1849; siehe auch Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 40. 330 Kraus, Gerlach, S. 473. Ludwig v. Gerlach besaß – wie schon im Dezember 1848 – keine genaue Vorstellung davon, wie der künftige Verfassungszustand Preußens aussehen sollte. 331 Text der Note. In: Manteuffel, Denkwürdigkeiten, S. 90/91; vgl. Valentin, Geschichte II, S. 456–459. Die konservativen Vereine begrüßten diese Entscheidung; vgl. Schwentker, Vereine, S. 300–308. Am gleichen Tage begann Preußen mit seiner „Unionspolitik“; vgl. Manteuffel, Denkwürdigkeiten, S. 91/92. 326

2. In der konservativen Opposition (1848/49)

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der Regierung in der Deutschen Frage unzufrieden war333, sprach sich hier entschieden gegen den Mißbrauch des Versammlungs- und Vereinigungsrechts aus334: Die Tatsache, „daß eine große Aufregung, eine Neigung, die in einzelnen Schichten des Volkes vorhandenen Absichten selbst auf gewaltsame Weise zur Geltung zu bringen, Platz greift“, erfordere Gesetze, „welche Freiheit in heilsame Schranken schließen“. Statt den Regierungsentwurf gemäß der konservativen Forderung unverändert anzunehmen, wurde dieser von der Mehrheit, die inzwischen links ausgerichtet war, wesentlich verändert. Am 24. April erklärte Graf Arnim deshalb, „daß vom dem Gesetze so wenig übrig geblieben ist, daß es, nach meiner Ansicht, zweifelhaft ist, ob es noch von Nutzen sein werde.“335 Unter diesen Voraussetzungen schien es als wahrscheinlich, daß auch die Revision der Verfassung in liberalem Sinne erfolgen würde. Während der Debatten über den Belagerungszustand brachte Rodbertus im Landtag für die Linke einen Antrag auf Anerkennung der deutschen Reichsverfassung ein336, über den am 21. April debattiert wurde337. Dabei entstand ein Riß zwischen den Staatskonservativen um den Grafen Arnim und den Altkonservativen um Ludwig v. Gerlach: Während diese gegen den Antrag sowie alle Amendements und für den „einfachen“ Übergang zur Tagesordnung votierten338, beantragte Graf Arnim einen „motivierten“ Übergang zur Tagesordnung339. Er verwies (wie schon 1848 in der Pauls332 2. K. 1849, S. 498–513, 515–529, 536–556, 560–580, 623–657; vgl. Unruh, Erinnerungen, S. 124; siehe dazu Botzenhart, Parlamentarismus, S. 625–627; Paschen, Vereine, S. 140; Schwentker, Vereine, S. 294/95. 333 Ludwig v. Gerlach notierte am 03.04.1849: „Man will dem Ministerium zu Leibe; in der Zweiten Kammer Vincke und Graf Arnim-Boytzenburg (wie Hollweg, empört über diesen, sagte).“ [Tagebuch, S. 164] 334 2. K. 1849, S. 498–500; dort die folgenden Zitate; Die Reaktion war „lebhafter Beifall von der Rechten – Zischen links“; siehe ausf. auch in: NPZ Nr. 89, Do. 17.04.1849. 335 2. K. 1849, S. 655. Auch wegen der angeblichen Verstümmelung dieses Gesetzes endete die letzte Sitzung des Landtags mit einem Affront: Als der Präsident gerade den zweiten Tagesordnungspunkt, die Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf ohne vorherige Diskussion, aufrufen wollte, teilte Ministerpräsident Graf Brandenburg die Auflösung der Kammer mit; vgl. ebd., S. 708. 336 Vgl. 2. K. 1849, S. 461. 337 2. K. 1949, S. 581–615; vgl. dazu Botzenhart, Parlamentarismus, S. 621–625; Schwentker, Vereine, S. 305–307. 338 Rede Bismarcks. In: 2.K. 1849, S. 586–588 und in: Bismarck, Gesammelte Werke XV, S. 27–33; vgl. NPZ Nr. 94, Di. 24.04.1849, Beilage. Der Antrag auf „einfache Tagesordnung“ wurde abgelehnt [Ebd., S. 589]. Siehe auch Kleist-Retzows Rede ebd., S. 593–595. 339 Amendement Arnim ebd., S. 589; Rede ebd., S. 589–591; dort die folgenden Zitate; Vorarbeiten dazu in: Nachlaß Nr. 4098, Bll. 111–113; vgl. auch NPZ Nr. 93, So. 22.04.1849; NPZ Nr. 94, Di. 24.04.1849, Beilage.

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kirche) auf das Vereinbarungsprinzip, indem er betonte, „daß die Verfassung nicht durch die einseitigen Beschließungen der Frankfurter Nationalversammlung rechtsgültig werden“ könne. Demnach wäre eine Zustimmung Preußens unbedingt notwendig, die sowohl vom König als auch von den Kammern hätte ausgesprochen werden müssen. Dies erschien Arnim aber nicht die vordringlichste Aufgabe zu sein, und er empfahl, die Kammern sollten zunächst dafür sorgen, „daß in Preußen Ordnung und Stärke wiedergewonnen werden.“340 Deshalb könne man zur Tagesordnung übergehen. Bei der Schlußabstimmung wurde aber die vom Grafen Arnim befürwortete motivierte Tagesordnung verworfen341, anschließend alle weiteren Anträge bis auf den dritten Satz des Antrags Rodbertus, mit dem die Kammer „die von der deutschen Nationalversammlung vollendete Verfassung, so wie nach zweimaliger Lesung beschlossen, als rechtsgültig anerkennt.“342 Auf Grund dieser Debatte spaltete sich die Rechte endgültig in mehrere Fraktionen343. Diese Spaltung erwies sich als irreparabel: Eine rechte Mehrheitsfraktion sollte sich in keinem der folgenden Landtage mehr bilden, auch wenn die konservativen Fraktionen zeitweilig die Mehrheit stellten. Direkt im Anschluß an die Beratungen über die Versammlungsfreiheit wurde am 25. und 26. April in der Zweiten Kammer über den Antrag der Linken zwecks Aufhebung des seit dem 12. November 1848 in Berlin bestehenden Belagerungszustandes in Berlin debattiert344. In dieser Debatte erlitten Regierung und Konservative eine weitere Niederlage: Obwohl Innenminister Manteuffel dem Landtag das Recht absprach, dem Ministerium eine derartige Verwaltungsmaßregel vorzuschreiben345, erklärte die Kammer 340 Im Frühjahr 1849 traten Graf Arnim und Graf Schwerin Bismarck zufolge angeblich für eine Akzeptierung des Verfassungswerkes der Paulskirche ein [Vgl. Bismarcks Brief vom 18.04. an seinen Bruder. In: GW 14, S. 127; siehe dazu Botzenhart, Parlamentarismus, S. 614; Engelberg, Bismarck, S. 288]. Auch Ludwig v. Gerlach notierte, inzwischen seien Arnim und Schwerin gegen die ablehnende „deutsche Politik“ der Regierung [Tagebuch, S. 170]. 341 2. K. 1849, S. 608; vgl. NPZ Nr. 94, Di. 24.04.1849, Beilage: „Nur die entschiedene Rechte und die beiden Minister erheben sich für den Antrag.“ 342 2.K. 1849, S. 608–615. Der Antrag Rodbertus wurde mit 175 gegen 159 Stimmen angenommen. 343 Vgl. Schwentker, Vereine, S. 322/23; siehe dazu auch Kap. III.4. 344 2. K. 1849, 660–678, 680–706; vgl. dazu Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 302; Botzenhart, Parlamentarismus, S. 627–629; Schwentker, Vereine, S. 296. 345 2. K. 1849, S. 686–688; vgl. dazu Parisius, Parteien, S. 9/10. Manteuffel legte auch umfangreiches Material vor, das die Aufrechterhaltung des Belagerungszustandes rechtfertigen sollte. Die Rede Manteuffels erschien als achtseitige Sonderbeilage in: NPZ Nr. 100, Di. 01.05.1849. Außer dem Innenminister ergriffen auch Justizminister Simons [2. K. 1849, S. 674/75] und Kriegsminister Strotha [Ebd., S. 677/78] das Wort.

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mit 184 gegen 168 Stimmen die Fortdauer des Belagerungszustandes ohne ihre Zustimmung für ungesetzlich und verweigerte zugleich eben diese Zustimmung346. Folgerichtig wurde die Regierung außerdem mit 177 gegen 153 Stimmen dazu aufgefordert, den Belagerungszustand aufzuheben347. Die Regierung reagierte auf diese Beschlüsse prompt: Am folgenden Tage, dem 27. April, wurden die Zweite Kammer aufgelöst und die Erste Kammer vertagt348. Erst jetzt scheiterte die Revolution in Preußen endgültig: Zwar versuchte eine Menschenmenge auf dem Dönhoffplatz und dem Gendarmenmarkt, das Parlament vor der Auflösung zu schützen, doch feuerte das Militär auf sie, worauf die Menge sich unter Zurücklassung einiger Toter und Verwundeter zurückzog349. Anders als am 18. März kam es zu keinem Aufstand, weil die Berliner inzwischen revolutionsmüde geworden waren. Die Linke hatte es zwar in mehreren Anläufen geschafft, die Mehrheit in der neugewählten Zweiten Kammer zu übernehmen und die Regierung herauszufordern. Daran konnten auch die Kompromißvorschläge und Ausgleichsbemühungen des Grafen Arnim nichts ändern. Es stellte sich allerdings heraus, daß diese Niederlage die Konservativen eher stärkte, während sich zugleich zeigte, daß die Linken die Unterstützung der Bevölkerung inzwischen verloren hatten. Deshalb konnten die Konservativen im Sommer 1849 (ander als die Opposition) erneut die Initiative ergreifen. 3. Verfassungsrevision und Unionspolitik (1849/50) Besiegelt wurde die Niederlage der Linken durch die Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. am Tag nach der Parlamentsauflösung. Darüber hinaus war klar, daß sie es im neuen Landtag schwerer ha346

Ebd., S. 703–705. Ebd., S. 705/06. Die Annahme dieses Antrages war vergleichbar mit der Annahme des „Antrages Stein“ im September 1848, der der Regierung ebenfalls eine Verwaltungsmaßnahme vorschrieb und eine ernste Regierungskrise auslöste; vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 105–119; Schwentker, Vereine, S. 296. Am 14. Mai beschloß das Staatsministerium, daß der Belagerungszustand über Berlin und einen Umkreis von zwei Meilen um die Stadt herum bis auf Widerruf bestehen bleiben solle; vgl. Müller, Ereignisse, S. 491. Er wurde erst am 31. Juli 1849, an dem die Wahlen zum Abgeordnetenhaus nach dem Dreiklassenwahlrecht stattfanden, aufgehoben, als keine Einflußnahme der Linken befürchtet werden mußte; vgl. Richter, Revolution, S. 641. 348 Vgl. Botzenhart, Parlamentarismus, S. 629; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 46–48; Kraus, Gerlach, S. 473; Müller, Ereignis, S. 491; Müller, Ära Manteuffel, S. 494; Schwentker, Vereine, S. 308. 349 Es waren wohl 4 Tote und 14 Verwundete; vgl. Hachtmann, Berlin 1848, S. 801–804; Richter, Revolution, S. 641. Die Demonstration hatte einen erkennbaren Bezug zur „Reichsverfassungskampagne“; vgl. dazu Klessmann, Sozialgeschichte, passim. 347

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ben würde, eine Mehrheit zu bekommen, denn die Auflösung der Zweiten Kammer war mit der Absicht erfolgt, ein neues Wahlrecht zu oktroyieren350, um zu einem gefügigeren Parlament zu gelangen und die Linke endgültig zu entmachten. a) Der Oktroi des Dreiklassenwahlrechts im Sommer 1849 Die Idee, an Stelle des ohnehin nur unter Vorbehalt geltenden ein neues Wahlrecht für die zweite Kammer zu oktroyieren351, war nicht im Umkreis der Gerlachs entstanden352, sondern im Ministerium auf der Grundlage der Arnimschen Interpretation des „Urwahlrechts“353: Ein allgemeines Wahlrecht müsse keineswegs ein gleiches sein, zumal ein solches nicht in den „Märzverheißungen“ versprochen worden sei354. Innenminister Otto v. Manteuffel arbeitete dazu den Entwurf eines Dreiklassenwahlrechts aus355, das sich am rheinischen Dreiklassenwahlrecht von 1845 orientierte356. Dabei verwendete er außer einer Studie des Statistischen Büros auch eine Broschüre Bülows357, die von Savigny beeinflußt worden war358. Außerdem berücksichtigte er Arnims Erkenntnis, daß ein interessenpolitisches Fundament für die Wahlen zwar zweckmäßig sei, dafür aber keine geeignete Form gefunden werden könne359, weshalb es am zweckmäßigsten sei, den Einfluß der unteren Klassen lediglich zu beschränken360. 350 Dies hatte der König Mitte April beschlossen; vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 170. 351 Vgl. zu dem Oktroi vor allem Botzenhart, Parlamentarismus, S. 630; Brandt, Weg, S. 116/17; Canis, Gegenrevolution, S. 169; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 46–51; Schwentker, Vereine, S. 308. Eine Anmerkung zu Artikel 67 OV erwähnte die Möglichkeit einer „Eintheilung [der Wähler] nach bestimmten Klassen für Stadt und Land, wobei sämmtliche bisherige Urwähler mitwählen.“ [GS 1848, S. 384] Das allgemeine gleiche Wahlrecht war im Dezember 1848 also nur aus taktischen Gründen verabschiedet worden; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 67. 352 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 473/74. 353 Grünthal, Parlamentarismus, S. 67. Er spricht von einer „Adaption der Arnimschen Interpretation des Urwahlrechts“ [Ebd.]. 354 Vgl. zu den Märzverheißungen Kap. III.1. 355 Vgl. zu der Entstehung des Dreiklassenwahlrechts bes. Grünthal, Dreiklassenwahlrecht, passim; ders.: Parlamentarismus, S. 66–95; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 49–51; Kraus, Gerlach, S. 474/75; Schilfert, Sieg, S. 277–279; Schwentker, Vereine, S. 314–321. 356 Vgl. dazu Kap. II.2. 357 Bülow-Cummerow [Wahlen, passim] schlug eine Einteilung der Wähler in drei Gruppen vor; vgl. dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 66–75 und 84; Schwentker, Vereine, S. 315. 358 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 61; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 474. Kraus [A. a. O., Anm. 45] weist darauf hin, daß Savignys Rolle bei der Entstehung des Dreiklassenwahlrechts bisher noch nicht untersucht worden ist.

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Am 30. April wurden in einer von Manteuffel geleiteten informellen Besprechung, an der Graf Alvensleben-Erxleben, Graf Arnim und David Hansemann teilnahmen, jedoch nicht Ludwig v. Gerlach, bereits die wichtigsten Vorentscheidungen getroffen361. Trotzdem zogen sich die Debatten über das neue Wahlgesetz noch fast einen Monat lang hin362, wobei besonders das Prinzip des „allgemeinen Wahlrechts“ erst in einer Kampfabstimmung durchgesetzt werden konnte363. Dabei setzte Otto v. Manteuffel Arnims Empfehlung durch, die unteren Schichten nicht von der Wahl auszuschließen364. Am 30. Mai wurde dann nicht nur das Drei-Königs-Bündnis zwischen Preußen, Hannover und Sachsen veröffentlicht365, sondern auch der Oktroi des „Dreiklassenwahlrechts“ für die Zweite Kammer366. Ergänzt wurde der Oktroi durch die Verordnung über das Versammlungs- und Vereinigungsrecht vom 29. Juni367.

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Vgl. Arnim, Verheißungen, S. 70/71; siehe dazu Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 128; Grünthal, Parlamentarismus, S. 74. 360 Arnim schlug zunächst vor, das Stimmgewicht der unteren Klassen auf ein Zehntel zu verringern, was letzten Endes auch auf eine Dreiteilung der Wähler hinauslief; vgl. Arnim Verheißungen, S. 72–79; später vertrat er auch einen Entwurf mit drei Steuerklassen; vgl. Nachlaß Nr. 4039, Bll. 23 + 24. 361 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 317; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 175; Hansemann, Verfassungswerk, S. 172; vgl. Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 140/41; Grünthal, Parlamentarismus, S. 69 und S. 84, Anm. 78; Schilfert, Sieg und Niederlage, S. 272/73. Für Petersdorff [Alvensleben, S. 301] war Alvensleben der Vater des Dreiklassenwahlrechts, doch hatte sich dieser kaum mit Wahlrechtsfragen beschäftigt. Hansemann, den Wolfstieg [Vater, S. 354] als Urheber bezeichnet, hatte dagegen eher ein Zensuswahlrecht im Kopf; vgl. Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 141. Darum dürfte Graf Arnim von den Anwesenden den größten Einfluß auf die Ausarbeitung des Dreiklassenwahlrechts gehabt haben. 362 Vgl. ausf. Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 143–148; Grünthal, Parlamentarismus, S. 66–95; Schwentker, Vereine, S. 317/18. 363 Vgl. Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 144; Grünthal, Parlamentarismus, S. 86. Für ein allgemeines Wahlrecht stimmten Brandenburg, Manteuffel, Rabe und Strotha, dagegen v. d. Heydt, Ladenberg und Simons. 364 Vg. Arnim, Verheißungen, S. 75 und 78, Anm. *. 365 Vgl. Kap. III.3.d). 366 Das neue Wahlgesetz in: GS 1849, S. 205–211. Grundlage des Oktrois war der „Notverordnungsartikel“ 105 der Verfassung: „Wenn die Kammern nicht versammelt sind, können in dringenden Fällen, unter Verantwortlichkeit des gesammten Staatsministeriums, Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen werden. Sie sind den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen.“ [GS 1848, S. 390] Dieser Artikel war für einen derartigen Fall in die Verfassungsurkunde eingefügt worden; Grünthal, Parlamentarismus, S. 44. 367 „Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauches des Versammlungs- und Vereinigungsrechts“. In: GS 1848, S. 221–225. Diese Verordnung wurde wiederum durch das Vereinsgesetz vom 11. März 1850 ergänzt, das bis 1908 in Kraft blieb; vgl. GS 1850, S. 227.

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Während die Linke aus dem Untergrund vehement gegen diesen „zweiten Staatsstreich“ der Regierung protestierte und zum Boykott der Wahlen aufrief368, hielt sich die Kritik der Konservativen am neuen Wahlgesetz in Grenzen369. Dieses ermöglichte ihnen im Juli 1849 einen Wahlsieg, der ihre Ausgangsposition für die weitere Verfassungsrevision verbesserte370. Allerdings stellten die Konservativen noch nicht die Mehrheit der Zweiten Kammer, sondern waren auf die Unterstützung fraktionsloser Abgeordneter angewiesen371. Dem Versuch, die Gemäßigten zu gewinnen, diente bei den Präsidiumswahlen der Zweiten Kammer die Wahl des Grafen Schwerin, der auch von der Regierung vorgeschlagen wurde372. Bei der Wahl zum ersten Vizepräsidenten setzte sich dann jedoch Eduard Simson, der ehemalige Präsident der Paulskirche, mit 140 gegen 102 Stimmen gegen den Grafen Arnim durch373: Die Konservativen besaßen offensichtlich nach wie vor keine Mehrheit in der Zweiten Kammer. b) Die Revision der Verfassung im Landtag Noch vor Beginn der Verfassungsrevision faßte die Erste Kammer am 7. September den Beschluß, daß der Oktroi des Dreiklassenwahlrechts rechtens gewesen sei374, worin ihr die Zweite Kammer am 13. Dezember (kurz vor dem Ende der Verfassungsberatungen) ohne Diskussion folgte375. Beide Beschlüsse wurden gefaßt, um eine weitere Konfrontation zu vermeiden und statt dessen in den Revisionsberatungen zu möglichst günstigen Ergebnissen für den preußischen Konstitutionalismus zu gelangen. 368 Vgl. Hachtmann, Berlin 1848, S. 804–807; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 46/47; Paschen, Vereine, S. 146–149; Richter, Revolution, S. 641. 369 Vgl. Kap. III.4.c). 370 Vgl. NPZ Nr. 165, Fr. 20.07.1849, Beilage; NPZ Nr. 170, Do. 26.07.1849, Beilage; NPZ Nr. 181, Mi. 08.08.1849, S. 1; NPZ Nr. 182, Do. 09.08.1849, Beilage; NPZ Nr. 183, Fr. 10.08.1849, S. 1; siehe auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 97– 106; Kraus, Gerlach, S. 488/89; anders Richter, Revolution, S. 641. 371 Vgl. Parisius, Parteien, S. 17; Kruse, Berichte, S. 8 und 41; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 108 und 393/94. 372 Schwerin wurde am 11.08.1849 mit 176 von 272 Stimmen gewählt; vgl. 2. K. 1849/50, S. 25/26. „Die Rechte der Kammer macht jetzt die Concession, anstatt des Grafen Arnim, der mit Rücksicht auf seine Gesundheit das Präsidium ungern übernommen haben würde, den Grafen Schwerin zu unterstützen,“ hieß es in der Kreuzzeitung [NPZ Nr. 184, Sa. 11.08.1848, S. 1; vgl. Bismarcks Briefe vom 08.08.1849 an seine Frau und vom 09.08.1849 an seinen Bruder. In: Gesammelte Werke XV, S. 131 und S. 132; Simson, Erinnerungen, S. 228 und 238/39]. 373 Vizepräsidentenwahl vom 07.09.1849 ebd., S. 243/44; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 109. 374 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 118–125. 375 2. K. 1849/50, S. 1690/91.

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Die Debatten über die Revision der Verfassung wurden (wie schon in der preußischen Nationalversammlung) durch eine Verfassungskommission jeder Kammer vorbereitet376. Graf Arnim wurde stellvertretender Vorsitzender der Kommission der Zweiten Kammer, in der sechs Mitglieder seiner Fraktion sechs Abgeordneten der Liberalen gegenüberstanden, während die übrigen neun Mitglieder zur „Mitte“ zählten377. Auch in dieser Kommission, in der wichtige Vorentscheidungen für die Verfassungsrevision getroffen wurden, mußte also ein Ringen um die „Mitte“ stattfinden. Die Verfassungsrevision, die von vorneherein auf wenige zentrale Punkte beschränkt wurde378, begann am 8. September in der Ersten und am 19. September in der Zweiten Kammer. Eines der erklärten Hauptziele der Liberalen war die Streichung des Artikels 108, der das Budgetrecht der Zweiten Kammer dadurch einschränkte, daß „die bestehenden Steuern und Abgaben“ forterhoben werden konnten, „bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden.“379 Diese Bestimmung, die schon in den Verfassungsentwürfen des Jahres 1848 aufgetaucht war, war in die Übergangs- und Schlußbestimmungen gerückt und damit wesentlich aufgewertet worden380, um mit ihm und dem „Notverordnungsartikel“ 105 Mittel in der Hand zu haben, um einen widerspenstigen Landtag gefügig zu machen381. Erst während der Beratungen über das Budgetrecht (Art. 98 und 108), die am 24. September in der Zweiten Kammer begannen382, wurde er 376

Vgl. zur Bildung der Verfassungskommission 2. K. 1849/50, S. 53; zur Verfassungskommission der preußischen Nationalversammlung Nitschke, Volkssouveränität, S. 191–193; zur Verfassungskommission der Zweiten Kammer im Frühjahr 1849 Botzenhart, Parlamentarismus, S. 609. 377 Zur „Rechten“ zählten Arnim, Keller, v. Klützow, Oppermann, v. Reyher und Scherer, zur „Linken“ Beckerath, O. Camphausen, Harkort, Kühlwetter, Simson und Tellkampf, zur „Mitte“ Broicher, M. Duncker, Evelt, Geppert, Geßler, v. Griesheim, Pfeiffer, v. Saucken und v. Schwerin; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 127, Anm. 11–13. Allein diese Namen verdeutlichen den personellen Wandel von der preußischen Nationalversammlung des Jahres 1848 zur Zweiten Kammer der Session 1849/50: Während Harkort, der Führer des rechten „Zentrums Harkort“ von 1848 nun zur Linken zählte, gehörten nun der deutschnationale Abgeordnete Geßler aus Posen und der 1848 als Exponent der „Militärpartei“ geltende Oberstleutnant Griesheim zur „Mitte“; vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 40/41, 75 und 159. 378 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 126. 379 Artikel 108 OV. In: GS 1848, S. 390; vgl. Hansemann, Verfassungswerk, S. 163; außerdem Grünthal, Parlamentarismus, S. 129; Kraus, Gerlach, S. 495. 380 Vgl. dazu „Zur Auslegung der Verfassung vom 5. December“. In: NPZ Nr. 53, So. 04.03.1849, Beilage. Offenbar hatte die Regierung ihre Schlußfolgerungen aus dem Steuerverweigerungsbeschluß der Nationalversammlung vom 15. November 1848 gezogen; vgl. zu diesem Nitschke, Volkssouveränität, S. 218/19. 381 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 135. 382 Kommssionsbericht. In: 2. K. 1849/50, S. 379–383; Debatten ebd., S. 383– 397, 399–422.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

von den Konservativen als Mittel zur dauerhaften Beschränkung des parlamentarischen Budgetrechts erkannt383. Graf Arnim verteidigte den Artikel am 25. September als wichtiges Vorrecht der Krone384: Außerdem bezweifelte er, „daß das sogenannte Steuer-Verweigerungsrecht ein Fundamentalartikel der Constitution sei.“ Lediglich das „Steuerbewilligungsrecht“, demzufolge „zu jeder Erhöhung bestehender und zu jeder Einführung neuer Steuern die Zustimmung beider Kammern notwendig ist“, sollte dem Landtag zustehen, nicht jedoch das Recht der jährlichen „Bewilligung gesetzlich feststehender und begründeter Steuern“. Als Grund führte Arnim an, daß das Recht der Steuerverweigerung das absolute Veto der Krone in Frage stelle, wodurch die (für Arnims Denken zentrale) starke Position des Königs gefährdet und somit „das wahre Wesen der constitutionellen Monarchie“ verletzt werde. Arnim unterschied diese Position jedoch ausdrücklich von einer Befürwortung des Absolutismus: „Hielte ich den Absolutismus als heilsam für Preußen, so würde ich es gerade heraus sagen; ich wüßte nicht, was in der Welt mich daran irgend hindern könne.“385 Außerdem habe der Vereinigte Landtag gezeigt, daß das Recht der Steuerbewilligung ein hinreichend starkes Druckmittel des Landtages sein könne. Allerdings sprach er bereits 1849 ein Problem an, das erst 1862 virulent werden sollte, nämlich die Möglichkeit eines Konfliktes, der dadurch entstehen könne, „daß die eine Kammer sagen wird: ,ihr erhebt die Steuern!‘, und die andere: ,ihr erhebt die Steuern nicht!‘.“386 Obwohl Graf Arnim am Ende seiner Rede offen um die Stimmen der Abgeordneten der Mitte geworben hatte, wurde mit 212 gegen 93 Stimmen bei 7 Enthaltungen in Artikel 108 die Möglichkeit gestrichen, im Konfliktfalle die bestehenden Steuern und Abgaben fortzuerheben387. Allerdings scheiterte diese Initiative der Zweiten Kammer am Veto der Ersten, die 383 Vgl. Kleist-Retzow ebd., S. 383–385; Bismarck ebd., S. 394–396; Otto v. Manteuffel ebd., S. 400/01; Klützow ebd., S. 404/05; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 138. 384 2. K. 1849/50, S. 407–411; dort auch das Folgende. Arnims Rede erschien auch in der NPZ Nr. 224, Do. 27.09.1849, Beilage. Die Rede stand unter dem Einfluß Stahls, der als Mitglied der Ersten Kammer in die Debatten der Zweiten nur indirekt eingreifen konnte; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 139, Anm. 81. 385 Dies sagte der Boitzenburger im vollen Selbstbewußtsein des größten Grundbesitzers in der Uckermark und Abkömmling eines englischen Königs, der es sich leisten konnte, jederzeit seine eigene Meinung zu vertreten und die etwaigen Konsequenzen zu tragen. 386 Arnim fügte hinzu: „Wie da das Ministerium sich zwischen diesen beiden Erklärungen bewegen werde, ist eine Frage, bei der es mir doppelt lieb ist, daß ich nicht in die Lage kommen werde, sie zu lösen.“ [A. a. O., S. 409] 387 2. K. 1849/50, S. 422; vgl. dazu NPZ Nr. 224, Do. 27.09.1849, Beilage; NPZ Nr. 225, Fr. 28.09.1849, S. 1; NPZ Nr. 227, So. 30.09.1849, S. 1; NPZ Nr. 237, Fr. 12.10.1849, S. 1; NPZ Nr. 238, Sa. 13.10.1849, S. 1. Der Artikel insgesamt wurde

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nach ebenfalls längeren Debatten mit 84 gegen 57 Stimmen die Beibehaltung des Artikels beschloß388. Die Bestimmung ging darum unverändert als Artikel 109 in die Revidierte Verfassung über389. Obwohl als Zugeständnis dafür am 9. Oktober der „Notverordnungsartikel“ 105 im Sinne der Liberalen entschärft wurde390, hatten die Konservativen damit ihren „Hauptsieg“ errungen391, was aber auch zu einer Verhärtung der Fronten führte392. Am 10. Oktober kam die Heeresorganisation in der Zweiten Kammer zur Sprache, und zwar zunächst die Frage der Vereidigung des Heeres auf die Verfassung393. Zu dieser Frage äußerte sich Graf Arnim nicht im Landtag, sondern in seiner Schrift „Über die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung“394, in der er dafür plädierte, das stehende Heer auch weiterhin nicht auf die Verfassung zu vereidigen395, womit er explizit sein Versprechen vom März 1848 widerrief, das Heer werde demnächst auf die Verfassung vereidigt396. Arnim gestand offen zu, „daß der Rath: diese Verheißung zu geben, in einer zweiten Abstimmung am 12. Oktober ohne Debatte angenommen; vgl. 2. K. 1849/50, S. 627. 388 Debatten am 16., 17., 19. und 20.10.1849. In: 1. K. 1849/50, S. 1107–1126, 1127–1146, 1147–1165; vgl. NPZ Nr. 245, So. 21.10.1849; siehe auch Kraus, Gerlach, S. 496. Daraufhin versuchten die gemäßigten Liberalen, die Streichung des Paragraphen durch Konzessionen in der Oberhausfrage zu erreichen, die dem König besonders am Herzen lag, doch auch die „Transaktion Camphausen“ scheiterte; vgl. Kap. III.3.c). 389 Vgl. Art. 109 RV. In: GS 1850, S. 34. 390 Nach der Annahme des Artikels 105 in der ursprünglichen Fassung am 05.10.1849 [2. K. 1849/50, S. 561–565] folgte am 09.10. eine kurze Debatte über Art. 105,2, den „Notverordnungsartikel“; vgl. ebd., S. 582–604; siehe dazu NPZ Nr. 236, Do. 11.10.1849, S. 1; außerdem Kraus, Gerlach, S. 498/99. Graf Arnim ergriff in dieser Debatte nicht das Wort, und außerdem verzichteten die Konservativen auf eine namentliche Abstimmung, machten also offensichtlich den gemäßigten Liberalen ein Zugeständnis. 391 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 78; ders., Tagebuch, S. 225/26; vgl. Kraus, Gerlach, S. 497/98; Meinecke, Radowitz, S. 365. „Im Ergebnis war es in dem besonders wichtigen Fall der Bestimmungen über die budgetrechtlichen Bestimmungen die äußerste Rechte in beiden Kammern, die unter der Ägide der Stahl und Ludwig v. Gerlach einerseits, der v. Arnim-Boytzenburg und v. Kleist-Retzow andererseits die Fäden in der Hand behielt.“ [Grünthal, Parlamentarismus, S. 111] 392 Vgl. Kap. III.4. 393 2. K. 1849/50, S. 615–626; vgl. NPZ Nr. 242, Do. 18.10.1849, S. 1/2. 394 Arnim, Vereidigung; vgl. „Die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung“. In: NPZ Nr. 212, Do. 13.09.1849, S. 1; NPZ Nr. 231, Fr. 05.10.1849, S. 1; NPZ Nr. 232, Sa. 06.10.1849, S. 1; siehe außerdem „Septemberrundschau“. In: NPZ Nr. 225, Fr. 28.09.1849, Beilage; dazu Kap. III.4. 395 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 126; siehe auch „Februar-Rundschau“. In: NPZ Nr. 38, Do. 15.02.1849, Beilage; „Ob Vereidigung des Militairs auf die Verfassung, oder nicht?“ In: NPZ Nr. 61, Mi. 14.03.1849, Beilage. 396 Vgl. dazu Kap. III.1.c).

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ein politischer Fehler war“397. Deshalb bat er den Landtag darum, „daß jene Verheißung zum Heile des Landes nicht zur Ausführung gebracht werde“398, weil dadurch „der Geist in der preußischen Armee durch diesen Akt gefährdet“ würde399. Das wesentliche Argument Arnims, daß nämlich das Heer nicht „beratschlagen“ dürfe, war seit den Debatten der preußischen Nationalversammlung hinlänglich bekannt400. Die Erfüllung des Wunsches, „daß das preußische Heer nach wie vor nur seinem Königlichen Kriegsherrn Treue schwöre“, werde „dem Heere der kräftigste Sporn sein: in einer für Preußen entscheidenden Zukunft den alten Ruhm zu bewähren.“401 Am 10. Oktober wurde tatsächlich mit 192 gegen 91 Stimmen bei 7 Enthaltungen, also mit der relativ großen Mehrheit der Konservativen und der Abgeordneten der Mitte, beschlossen, daß das Heer auch weiterhin nicht auf die Verfassung vereidigt würde402. Dies war eine bedeutende Zäsur der deutschen Heeresgeschichte, zumal in den folgenden Debatten über die Heeresorganisation auch die Bürgerwehr aufgelöst blieb403, denn diese beiden Entscheidungen bedeuteten das endgültige Scheitern des liberalen Bestrebens, Heer und Volk zu verschmelzen und die alte monarchische Armee zu beseitigen404. Deshalb konnte sich die preußische Krone bis in den Ersten Weltkrieg hinein auf die Loyalität der Armee verlassen. Über die künftige Zusammensetzung der Ersten Kammer einigten sich die Revisionskomissionen beider Kammern auf einen Vorschlag, nach dem diese künftig aus drei Gruppen bestehen sollte: aus den Prinzen des königlichen Hauses, aus 160 von den Kreisvertretern gewählten Mitgliedern und aus 80 von den höchstbesteuerten Grundbesitzern gewählten Mitgliedern405. 397 Insofern sprach Arnim zugleich offen und mutig von einer „Selbstanklage des Verfassers“; ebd., S. 3. Allerdings war diese Selbstanklage u. U. unzutreffend, denn laut Steinmann [Geschichte, S. 363] hatte der König bereits am Vortag auf seinem „deutschen Umritt“ versprochen, das Heer auf die Verfassung vereidigen zu lassen. 398 Arnim bat darum, „dahin mitzuwirken, daß jene Verheißung, aus wie edlen Motiven sie auch vom König ertheilt, aus wie treuem, worthaltendem Gemüthe sie auch in dem Patente vom 5ten December v. J. wiederholt sein möge – daß jene Verheißung zum Heile des Landes nicht zur Ausführung gebracht werde“. Ebd., S. 4; Hervorhebung im Original. 399 Ebd., S. 12. 400 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 129. 401 Ebd., S. 13. Dies ist der Schluß der Schrift. 402 2. K. 1849/50, S. 624–626. 403 Vgl. die Debatten über Artt. 33–35 ebd., S. 672–692, 677–679, 693–697; bes. Arnims Rede am 16.10.1849 ebd., S. 677–679. 404 Vgl. dazu Heinrich, Geschichte Preußens, S. 377; siehe auch Höhn, Verfassungskampf, passim; Ritter, Staatskunst I, S. 125–158. 405 2. K. 1849/50, S. 793–803. Schon in der Anmerkung zu Art. 63 OV war die Möglichkeit von Mitgliedern erwähnt worden, die der König ernannte; vgl. GS 1848, S. 383.

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Diese Einteilung hätte den Gutsbesitzern einen gewissen Einfluß gesichert, ihnen jedoch keine Mehrheit verschafft, wenn sie die Kreisvertretung nicht mehr kontrollierten. In der Zweiten Kammer wurde der Kommissionsbericht an fünf Tagen (vom 22. bis 26. Oktober 1849) debattiert, ohne daß wesentliche Veränderungen vorgenommen wurden406. Graf Arnim brachte ein eigenes Amendement ein407, das er ausführlich begründete408. Der Adel habe seit dem Großen Kurfürsten zwar der Krone treu gedient, aber auch stets „Widerspruch geltend gemacht“, und zwar „mit Wahrheit und Unabhängigkeit der Gesinnung“. Deshalb solle der Adel mit erblichen Vertretern in der Ersten Kammer vertreten sein. Damit wandte sich Arnim auch gegen alle Vorschläge, Vertreter des Großgrundbesitzes wählen zu lassen, da dies nicht unbedingt Adlige sein mußten. Außerdem wandte er sich gegen das Bestreben, die Entscheidung über die Erste Kammer aus Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung vorerst zu vertagen, und schlug statt dessen vor, lediglich die Debatten über das entsprechende Wahlgesetz zu verschieben. Am 25. Oktober standen nicht weniger als 28 Anträge und Amendements zur Abstimmung, unter anderem das des Grafen Arnim, das mit 228 gegen 78 Stimmen abgelehnt wurde409. Angenommen wurde auch nicht der Kommissionsantrag410, sondern der Antrag Riedel, demzufolge 80 Abgeordnete der Ersten Kammer durch die höchstbesteuerten Gutsbesitzer und 160 durch die Kreis- und Provinzialvertreter gewählt werden sollten411. Damit wäre die eigentliche Auseinandersetzung auf die Debatten über die neue Kommunalordnung, insbesondere über die bislang von den Gutsbesitzern dominierten Kreistage, verschoben worden. Der Beschluß der Zweiten Kammer sollte sich jedoch nicht als endgültig erweisen. Auch in der Ersten Kammer wurde über diese Frage an fünf Tagen beraten412. Dabei standen ebenfalls fast 30 Anträge und Amendements zur Diskussion, so daß es äußerst ungewiß war, ob sich auch die beste Lösung würde durchsetzen können. Das Problem bestand darin, daß zwar von fast allen Rednern eine erbliche Mitgliedschaft analog zum englischen Oberhaus befürwortet wurde, auf der anderen Seite aber das Fehlen einer preußischen 406

Vgl. 2. K. 1849/50, S. 803–822, 823–837, 841–852, 853–874, 876–880. Demzufolge sollte die Erste Kammer aus den Prinzen des Königlichen Hauses, 80 erblichen und 160 gewählten Mitgliedern bestehen, deren Wahl durch ein besonders Wahlgesetz nach dem Ende der Verfassungsrevision geregelt werden sollte. 408 Vgl. ebd., S. 849–852; dort auch das Folgende. 409 Vgl. ebd., S. 867/68. 410 Dieser wurde mit 170 gegen 137 Stimmen verworfen; vgl. ebd., S. 870/71. 411 Ebd., S. 873/74. 412 1. K. 1849/50, S. 1491–1514, 1515–1533, 1535–1553, 1555–1581, 1596/97. 407

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„Pairie“ zu beklagen war, was durch die zahlreichen mehr oder weniger gut durchdachten Lösungsvorschläge kompensiert werden sollte. Die Position der Altkonservativen, die Stahl zusammenfaßte413, erwies sich als nicht mehrheitsfähig, weil auch die Staatskonservativen eine Konzentration der Macht bei den ritterschaftlichen Gutsbesitzern ablehnten414, was zu einer Spaltung der Konservativen der Ersten Kammer in dieser Frage führte. Die Staatskonservativen formulierten deshalb den Antrag Mätzke, die Bestimmungen über die Erste Kammer einem besonderen Gesetz vorzubehalten, bis zu dessen Verabschiedung das interimistische Wahlgesetz vom 6. Dezember 1848 in Kraft bleiben sollte. Durch die Annahme dieses Antrages mit 84 gegen 51 Stimmen wurde die Frage vorerst vertagt415. Da der Antrag daraufhin auch in der Zweiten Kammer ohne Diskussion angenommen wurde416, konnten das Ministerium vom Druck der äußersten Rechten befreit und zugleich die Tür für eine Kompromißpolitik mit den gemäßigten Abgeordneten der Mitte offengehalten werden. Auch die Altkonservativen waren mit dem Provisorium zufrieden, weil die Frage noch in ihrem Sinne entschieden werden konnte417. Allerdings stand der enorme Arbeitsaufwand in keinem Verhältnis zum mageren Ergebnis. Am 18. Dezember 1849 wurden die Beratungen über die Verfassungsurkunde im Landtag beendet418. Obwohl sie in einigen zentralen Punkten zuungunsten der Liberalen ausgefallen waren, bedeutete dies noch nicht das Ende der Verfassungsberatungen. Zuvor war es noch vom 23. November bis zum 10. Dezember 1849 zu einer zehntägigen Debatte über die „Ablösung der Reallasten und Regulirung der gustherrlich-bäuerlichen Verhältnisse“ gekommen419, einer Materie, über die bereits die preußische Nationalversammlung lange debattiert hatte420. In diesen Debatten versuchte Graf Arnim, der mehrmals das Wort ergriff421, vor allem den Eindruck zu vermeiden, er opponiere gegen die 413

Ebd., S. 1517–1521. Dies signalisierte Innenminister Manteuffel bereits unmittelbar nach Stahls Rede; vgl. 1. K. 1849/50, S. 1521; siehe auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 156. 415 1. K. 1849/50, S. 1580/81; vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 238; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 383; siehe Grünthal, Parlamentarismus, S. 156/57. 416 2. K. 1848/49, S. 1723/24. 417 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 383. 418 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 159; Kraus, Gerlach, S. 501. 419 Vgl. 2. K. 1849/50, S. 1285–1331, 1349–1369, 1374–1397, 1399–1418, 1419–1437, 1441–1458, 1460–1478, 1479–1504, 1531–1556, 1557–1580, 1612– 1623; siehe dazu mehrere NPZ-Artikel im November und am 02.12.1849. 420 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 137–144. 421 Vgl. 2. K. 1849/50, S. 1325–1329, 1330/31, 1368, 1400/01, 1411, 1477, 1492/93, 1497–1500, 1563, 1569/70. 414

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Regierung. Als ihm Innenminister Otto v. Manteuffel am 23. November dennoch offen widersprach422, erklärte der Boitzenburger im Anschluß daran, „daß mir Nichts schwerer werden wird, als abzuweichen von einem Ministerium, dessen Verdienste und dessen Leistungen ich stets, wie mir wohl bezeugt werden wird von dieser Tribüne, in dieser und in einer früheren Kammer, wo es mehr Widerstand fand, gepriesen habe.“423 Und in der folgenden Sitzung fügte Arnim hinzu, er sei ein „ministerieller Deputirter in dem Sinne“, daß er es „wohl mit dem Ministerium“ meine und ihm darum offen die Meinung sage in der Gewißheit, daß das Ministerium einen Irrtum auch als solchen anerkennen werde424. Indem er prinzipielle Loyalität mit dem Beharren auf einem eigenen Standpunkt paarte, schlug Graf Arnim gegenüber dem Ministerium Brandenburg einen ähnlichen Ton an wie in den 1840er Jahren gegenüber dem König. Er machte erneut deutlich, daß er zwar bereit sei, die Exekutive zu unterstützen, jedoch nicht auf eine eigene Meinung verzichte, weshalb Arnims Denken nicht einfach als „gouvernemental“ bezeichnet werden kann. c) Staatskrise und Abschluß der Verfassungsberatungen Der König wollte Ende 1849 seinen Verfassungseid um jeden Preis vermeiden, weil er eine Konstitutionalisierung Preußens nach wie vor ablehnte. Da der Landtag weder das Recht noch die Macht dazu hatte, dem König notfalls seinen Willen aufzuzwingen425, kam es zu einer Staatskrise426, nachdem sich die Kammern am 20. Dezember vertagt hatten. Ausgelöst wurde die Krise durch die Altkonservativen um Ludwig v. Gerlach, die ähnliche Bedenken gegen eine Verfassung hegten wie der König. In ihrem Namen trug der Kabinettsrat Marcus v. Niebuhr dem König den Plan vor, den Art. 111 der Oktroyierten Verfassung in der Form zu instrumentalisieren, daß alle Verfassungsbestimmungen, die durch Beschlüsse des Unions-Parlamentes in Erfurt tangiert werden könnten, aus der Verfassung herausgelöst und lediglich als Gesetz publiziert würden427. Damit wäre der 422

Vgl. ebd., S. 1329/30. Ebd., S. 1331. 424 Ebd., S. 1368. 425 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 149. 426 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 160–174; Kraus, Gerlach, S. 501–516; ders., Ursprung, S. 220–225; anders Canis, Gegenrevolution, S. 173–176; siehe auch Füßl, Professor, S. 271–275; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 52/53; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 69–149; Meinecke, Radowitz, S. 360–371; Petersdorff, König Friedrich Wilhelm, S. 165–168. 427 Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 395; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 85. Art. 111 OV beinhaltete einen Übereinstimmungsvorbehalt der preußischen mit der deutschen Verfassung; vgl. GS 1848, S. 391. Siehe zu den 423

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Verfassungsoktroi vom 5. Dezember 1848 revidiert und an die Verfassungsentwicklung vor der Revolution angeknüpft worden: Den Gesetzen über die Provinziallandtage, die Vereinigten Ausschüsse und den Vereinigten Landtag wären – nach englischem Vorbild, also unter Vermeidung einer Verfassungsurkunde – weitere Verfassungsgesetze hinzugefügt worden, um die Grundrechte der Preußen sowie die Rechte der Verfassungsorgane zu definieren. Dieser altkonservativen Angriff auf den preußischen Konstitutionalismus beantwortete das Ministerium Brandenburg mit einer Rücktrittsdrohung. Da die Altkonservativen keine personellen Alternativen vorzuweisen hatten, mußten sie daraufhin klein beigeben428. Zwar war die Krise noch nicht beendet, doch ging es in den folgenden Auseinandersetzungen ab dem 4. Januar nur noch um einen Kompromiß in der Sache und nicht mehr um eine prinzipielle Infragestellung des preußischen Konstitutionalismus429. Als Mittel der weiteren Auseinandersetzung dienten eine Reihe von „Propositionen“, die Friedrich Wilhelm IV. am 7. Januar veröffentlichen ließ und von deren Erfüllung er seine Zustimmung zur Verfassung abhängig machte430. Dabei ging es ihm aber weniger um die Sache, sondern nur darum, Zeit zu gewinnen und seine Zustimmung zu einer Verfassungsurkunde aufzuschieben431. Daß die Propositionen nicht als rigorose politische Forderungen des Königs zu verstehen waren, wurde an ihrem reichlich disparaten und sogar widersprüchlichen Charakter deutlich432. Darum ging das Gerücht um, daß „es den Ministern damit kein Ernst“ sei433. Trotzdem bedeutete die „Allerhöchste Botschaft die Verfassungsrevision betreffend“434, daß die Abgeordneten sich nun mit den Vorstellungen des Königs auseinanderzusetzen und eine „zweite Revision“ der Verfassung vorzunehmen hatten435. Dabei stand im Zentrum erneut die Oberhausfrage436, denn die in der Proposition geforderte Neugestaltung der Ersten Plänen und Ideen der Altkonservativen auch Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 376, 391, 400 u. ö.; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 87/88; dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 160; Kraus, Gerlach, S. 503/04. 428 Vgl. Kap. III.4. 429 Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 401. 430 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 162–166; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 75–103; außerdem.; Kraus, Gerlach, S. 503–505. 431 Vgl. NPZ Nr. 8, Do. 10.01.1850, S. 1; NPZ Nr. 9, Fr. 11.01.1850, S. 1; siehe auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 162. 432 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 503, Anm. 248. 433 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 247; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 164. 434 2. K. 1849/50, S. 1875/76; vgl. die Zusammenstellung Arnims. In: Nachlaß Nr. 4107, Bll. 2–3; außerdem Manteuffel, Denkwürdigkeiten I, S. 152–154. 435 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 158.

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Kammer mußte für die Liberalen unannehmbar sein437. Diese Revision versuchte das Ministerium mit Hilfe der gemäßigten Opposition möglichst reibungslos durchzuführen, um den Altkonservativen endgültig den Wind aus den Segeln zu nehmen438. Aus diesem Grund knüpfte Otto v. Manteuffel zunächst Kontakte zu den Liberalen, wobei Ludolf Camphausen von Anfang an eine zentrale Rolle spielte439. Auf seine Initiative hin erarbeitete der Zentralausschuß der Ersten Kammer ein Paket von zwei Anträgen: Die „Transaktion Camphausen“ verknüpfte die Oberhausfrage gemäß der achten Proposition, die dem König besonders am Herzen lag, mit der Frage des Budgetrechts, auf welche die Liberalen bereits in den Revisionsverhandlungen ihr Hauptaugenmerk gerichtet hatten: Die erste Kammer sollte definitiv eine relativ konservative Gestalt erhalten, wohingegen für die Frage des Budgetrechts ein Provisorium bis 1852 vorgesehen war440. Das Ministerium trat für die Annahme des Amendements ein441, doch scheiterte der Vermittlungsversuch auf Grund massiver Proteste der Altkonservativen442. Obwohl sich Risse in ihren Reihen bildeten443, schien nun ein Bruch zwischen Landtag und Krone unumgänglich zu sein, und die Liberalen befürchteten ein „Ministerium Pollignac“ und einen weiteren Staatsstreich444. 436 Vgl. 2. K. 1849/50, S. 1876; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 170. Ein erneutes Aufgreifen der Oberhausfrage hatte Kleist-Retzow dem König am 6. Januar vorgeschlagen; vgl. Jordan, Umwandlung, S. 79–96. 437 Gemäß der Proposition VIII sollte die Erste Kammer aus den Prinzen des Königlichen Hauses, den mediatisierten Standesherren und weiteren großen Grundbesitzern bestehen, außerdem aus einigen wenigen auf Lebenszeit vom König ernannten Mitgliedern sowie 60 Vertretern der Großgrundbesitzer, 30 der Gemeindevorstände und 6 der Universitäten. Da die Höchstzahl der Mitglieder auf 200 festgelegt war, jedoch nur 96 Mitglieder gewählt werden sollten, hätten Mediatisierte und preußischer Uradel eine auf ewig gesicherte Majorität in der Ersten Kammer besessen. 438 Vgl. dazu auch Kap. III.4. 439 Grünthal, Parlamentarismus, S. 165/66. 440 Text bei Rönne, Verfassungsurkunde, S. 137/38; vgl. dazu Nachlaß Nr. 4107, Bll. 26/27; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 404; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 250/51; siehe auch Bergengruen, Hansemann, S. 623–626; Caspary, Camphausen, S. 349–356; Grünthal, Parlamentarismus, S. 167–169; Jordan, Umwandlung, S. 89/90; Kraus, Gerlach, S. 508–511. 441 Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 409 und 415; vgl. Jordan, Umwandlung, S. 105. 442 Vgl. Friedrich Wilhelms IV. Brief vom 16.01.1850 an Ludolf Camphausen. In: Brandenburg, Briefwechsel Friedrich Wilhelms IV. mit Camphausen, S. 208 f.; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 408–413; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 250; ders., Briefe, S. 651/52; siehe dazu ausf. Jordan, Umwandlung, S. 107–111; außerdem Caspary, Camphausen, S. 351–354; Grünthal, Parlamentarismus, S. 169; Kraus, Gerlach, S. 508–511. 443 Vgl. Kap. III.4.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

Daraufhin wurde Radowitz am 18. Januar aus Frankfurt als Vermittler nach Berlin gerufen445. Dieser wollte auf jeden Fall ein altkonservatives Ministerium verhindern, da ein solches seine Unionspläne zunichte gemacht hätte446. Darum erarbeitete er einen Kompromiß447, der die Zahl der königlichen Propositionen auf vier reduzierte. Außerdem verabredete er eine „Transaktion Radowitz“, welche die „Transaktion Camphausen“ geradezu umkehrte: Nun sollte die definitive Festschreibung des Art. 108 mit einem Provisorium in der Oberhausfrage bis 1852 verbunden werden. Diese Aktion wurde, da Radowitz mangels Mandates selbst nicht direkt im Landtag agieren konnte, vom Grafen Arnim-Boitzenburg in einem Amendement zusammengefaßt448, das die Oberhaus-Proposition entscheidend modifizierte449: Die Konservativen behielten „ihren“ Art. 108 und machten dafür gewisse Zugeständnisse in der Oberhausfrage, in der bisher das größte Konfliktpotential gelegen hatte: Die vorgeschlagene Zusammensetzung der Ersten Kammer war relativ liberal450, und darüber hinaus war durch eine transitorische Bestimmung festgelegt, daß diese Kammer nicht vor dem 7. August 1852 nach dem neuen Wahlmodus gewählt werde, also weitere drei Jahre ihre Gestalt behalten sollte, wie sie aus den Wahlen Ende 1848 hervorgegangen war451. 444

Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 170. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 413; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 92; vgl. Canitz, Radowitz, S. 484; Caspary, Camphausen, S. 356; Jordan, Umwandlung, S. 114. 446 Vgl. Radowitz’ Notiz vom 01.02.1850. In: Radowitz, Nachgelassene Briefe und Aufsätze, S. 153–155. 447 Vgl. ebd.; siehe auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 170; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 113–125; ders., Umwandlung, S. 116/17; Kraus, Gerlach, S. 511; Meinecke, Radowitz, S. 366–368. 448 Handschriftlicher Entwurf des Antrags samt Motiven. In: Nachlaß Nr. 4107, Bll. 8–11; siehe dazu auch Otto v. Manteuffels Schreiben vom 24.01.1850 an Arnim ebd., Bl. 5. 449 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 414; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 251/52; Simson, Erinnerungen, S. 235/36; siehe auch Jordan, Umwandlung, S. 117; Kraus, Gerlach, S. 511; Meinecke, Radowitz, S. 366–368. An dem Kompromiß wirkte auch Graf Schwerin mit; vgl. Kruse, Berichte, S. 50; dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 170, Anm. 235. 450 Die größte Zahl der „Pairs“ wurde nach liberalen Prinzipien gewählt, außerdem wurden 30 Sitze extra für die größeren Städte geschaffen, die stets liberaler wählten als die Landkreise; vgl. 2. K. 1849/50, S. 2150; Nachlaß Nr. 4107, Bll. 8– 14; Nachlaß Nr. 4039, Bll. 49 + 50. Der Vorschlag war liberaler als in Camphausens Vorschlag; vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 416 und 420; Rönne, Verfassungsurkunde, S. 136; dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 170/71. Die Zustimmung der Liberalen sollte außerdem durch die Taktik möglich sein, bis 1852 sämtliche Steuervorlagen nur zeitlich befristet zu bewilligen, was den Art. 108 „indirekt“ erledigt hätte. Demzufolge war 1852 eine erneute Aufnahme der „Transaktion Camphausen“ möglich. 445

3. Verfassungsrevision und Unionspolitik (1849/50)

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Erst nachdem der König seine mündliche Zusage zu der Absprache gegeben hatte452, wurde diese am 24. Januar auch den Führern der Konservativen mitgeteilt. Ludwig v. Gerlach, der wie Leopold v. Gerlach und Friedrich Wilhelm v. Rauch bewußt von den Verhandlungen ausgeschlossen worden war453, beklagte sich daraufhin über eine „Camarilla im Quadrat!“454 Die Altkonservativen hielten insbesondere die interimistische Zusammensetzung der Ersten Kammer für inakzeptabel455, denn indem diese bis 1852 eine reine Wahlkammer blieb, war es ihnen auch weiterhin nicht möglich, die Regierung durch eine nicht (bzw. nicht vollständig) auflösbare Kammer unter Druck zu setzen456. Deshalb versuchten sie die Entscheidung durch die Ergänzung einer interimistischen Bestimmung zu korrigieren, welche das Fortbestehen der Ersten Kammer an die Dauer der Zweiten Kammer zu knüpfte, so daß bei eventuellen Neuwahlen auch die verschobene Neuordnung der Ersten Kammer in Kraft treten müsse457. Es war jedoch „nichts mehr zu machen“458, denn Ministerpräsident Brandenburg und Radowitz brachten den König dazu, den Kompromiß nicht erneut in Frage zu stellen459. Es blieb den Altkonservativen nur noch die Hoffnung, daß das „Amendement Arnim“ im Landtag abgelehnt würde460. Am 25. Januar 1850 begannen die Debatten in der Zweiten Kammer mit dem Kommissionsbericht über die Propositionen461, an den sich die allgemeine Aussprache an451

Text in: 2. K. 1849/50, S. 2150. Damit wurde garantiert, daß für die bevorstehende Kommunalreform sowie die Regelung der Agrar- und Steuergesetzgebung genügend Zeit zur Verfügung stand, wovon sich die Liberalen Vorteile erhofften; vgl. Rönne, Verfassungsurkunde, S. 136; dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 170/71. 452 Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 412–415; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 95; ders., Tagebuch, S. 251; vgl. Jordan, Umwandlung, S. 121– 23. 453 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 511. 454 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 252; ders., Aufzeichnungen II, S. 93; vgl. Kraus, Gerlach, S. 511/12. 455 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 416–418; außerdem Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 251; siehe auch Jordan, Umwandlung, S. 125–132. 456 „Die wahre Bedeutung der Opposition gegen die Botschaft“. In: NPZ Nr. 20, Do. 24.01.1850, S. 1; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 179; Kraus, Gerlach, S. 511/12. 457 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 417. 458 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 252/53; vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 416/17. 459 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 418. 460 Vgl. die Notiz. In: Nachlaß Nr. 4107, Bl. 6; NPZ Nr. 21, Sa. 26.01.1850, S. 1. Dort erschien die Warnung: „Es ist ein gefährliches Wagnis, den eigenen festen Stand aufzugeben und sich auf den des Gegners zu stellen.“ Anschließend wurde Arnim und seinen Anhängern vorgeworfen, die „conservativen Principien“ verlassen zu haben; siehe auch Kraus, Gerlach, S. 511.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

schloß462. In dieser Debatte bezeichnete Innenminister Manteuffel die Propositionen VIII und X als die wichtigsten Punkte, auf denen die Regierung beharren werde, während sie die Annahme des Amendements Arnim statt der entsprechenden Proposition akzeptieren werde463. Damit waren von den 15 Propositionen nur die Errichtung eines besonderen Gerichtshofes für Hochverratsverbrechen und das Amendement Arnim als zu lösende Problemfälle übriggeblieben464. Am 26. Januar wurden daraufhin die Propositionen IV, VII, VIII und X zurückgestellt, während über die anderen ohne große Diskussion abgestimmt wurde465. Die Proposition X über die Errichtung eines besonderen Gerichtshofes für Hochverratsprozesse wurde dann nach kurzer Diskussion mit 224 gegen 100 Stimmen in veränderter Fassung angenommen466. Daraufhin wurde die Sitzung geschlossen und für den gleichen Abend eine Sondersitzung über das Amendement Arnim angesetzt. Als diese Sitzung eröffnet wurde, kam es zur einzigen echten Auseinandersetzung während der Behandlung der königlichen Propositionen, und zwar formal in der Debatte über die Proposition VIII betr. die künftige Zusammensetzung der Ersten Kammer467. Graf Arnim begründete seinen Vorschlag zunächst damit, daß er dem Willen der Krone entspreche und zugleich ermögliche, den Dissens zwischen beiden Kammern des Landtages vom Vorjahr auszuräumen468. Darum möge sich jeder Abgeordnete die Frage stellen, ob das Vorliegende „so schädlich, so bedenklich“ sei, „daß wir es nach unserem Gewissen ablehnen müssen, nach unserem Gewissen ablehnen dürfen“. Diese Frage verneinte Arnim mit dem Hinweis darauf, 461

2. K. 1849/50, S. 2070–2078. Vgl. ebd., S. 2078–2098. 463 Vgl. ebd., S. 2078/79. 464 Vgl. Jordan, Umwandlung, S. 129. 465 Angenommen wurden die Streichung des Art. 26 [2. K. 1849/50, S. 2113– 2115], die Änderung des Art. 33 über die Heeresorganisation [Ebd., S. 2115], die Ergänzung des Art. 105 über die Bürgerwehr [Ebd., S. 2115], des Art. 95 über die Beamten [Ebd., S. 2119], des Art. 104 über die Kommunalordnung [Ebd., S. 2119], des Art. 107 über die Vereidigung auf die Verfassung [Ebd., S. 2125/26] und ein neuer Artikel über die vorläufige Gültigkeit des Dreiklassenwahlrechts [Ebd., S. 2127]. Mit Zustimmung der Regierung geändert wurden die Propositionen über Art. 66, betr. die Zweite Kammer [Ebd., S. 2118; erneut ebd., S. 2135], und die über Art. 105 betr. die Rechtsgültigkeit von Verordnungen [Ebd., S. 2123/24]. Nur die Proposition V über die Ministerverantwortung wurde, ohne Diskussion und ohne namentliche Abstimmung, abgelehnt [Ebd., S. 2116]. 466 Debatte ebd., S. 2127–2131; Abstimmung ebd., S. 2131–2134. 467 Vgl. ebd., S. 2135–2151; vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 94; Varnhagen, Tagebücher VII, S. 34–42; siehe auch Botzenhart, Parlamentarismus, S. 765/66; Grünthal, Parlamentarismus, S. 172/73; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 132–138; ders., Umwandlung, S. 136; Kraus, Gerlach, S. 512/13. 468 Vgl. ebd., S. 2136–2138; dort auch das Folgende; siehe dazu auch Jordan, Umwandlung, S. 136. 462

3. Verfassungsrevision und Unionspolitik (1849/50)

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daß die vermögenden Grundbesitzer nicht mit den konservativen gleichzusetzen seien, sondern vielmehr auch der städtische Besitz berücksichtigt werden müsse. Damit wandte er sich eher an die gemäßigten Abgeordneten der Mitte. Anschließend verteidigte er, nun um konservative Stimmen werbend, die angebliche „Fortdauer des Provisoriums“: Es sei gar kein Provisorium, wenn das neue Wahlgesetz erst bei der nächsten regulären Wahl beider Kammern im Jahre 1852 Geltung erlange. Anschließend brachte Arnim seine „undankbare Stellung“ als Vermittler zur Sprache, die er nur aus dem einem Grund einnehme, daß „ein Jeder seine Pflicht thun müsse“ Und sicherlich mit dem Bild Ludwig v. Gerlachs vor dem inneren Auge fügte Arnim hinzu, nur „derjenige, der die Geschicke der Völker lenkt“, wisse, ob „die Fortdauer des inneren Kampfes, die Fortdauer der inneren Ungewißheit und Unsicherheit, oder die Begründung eines geordneten, eines gesicherten Zustandes durch den Abschluß des Verfassungswerkes das Heilsamere sei.“ Ausschlaggebend war am Ende aber weniger die (wenn auch besonders geschickte) Argumentation Arnims als vielmehr die massive Intervention des Ministeriums. Nachdem bereits am 22. Januar, also kurz vor Beginn der Debatten über die Propositionen, aus strategischen Gründen überraschend in beiden Kammern ein Gesetzentwurf betreffend die Aufhebung der Grundsteuer-Befreiungen eingebracht worden war469, verknüpfte Manteuffel die Annahme des Amendements Arnim mit einer Vertrauensfrage470. Daraufhin wurde zwar die königliche Proposition VIII mit 96 gegen 216 Stimmen abgelehnt471, aber das Amendement Arnim mit 161 gegen 149 bei 15 Enthaltungen angenommen472. Dabei votierten die meisten der 176 Liberalen gegen das Amendement Arnim473. Dagegen stimmten die meisten Staatskonservativen der „Fraktion Geppert-Bodelschwingh“ für das Amendement Arnim474, außerdem einige Liberale475. Doch diese Stimmen allein hätten nicht ausgereicht. Den Ausschlag gaben einige Altkonservative, die

469 Vgl. dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 171/72; außerdem ebd., S. 189/90. Diese Frage hatte bereits 1848 die preußische Nationalversammlung beschäftigt; vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 137–141. 470 2. K. 1849/50, S. 2110. 471 Ebd., S. 2148–2150. 472 Ebd., S. 2150/51. 473 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 172/73. 474 Für das Amendement sprachen Heffter, Walter, Camphausen und Graf Renard; vgl. Jordan, Umwandlung, S. 132. 475 Viebahn und Schimmel traten deswegen aus der Liberalen „Partei Mielentz“ aus; aus der liberalen „Partei Stadt London“ sprach Auerswald für das Amendement; vgl. Jordan, Umwandlung, S. 132 und 136; siehe auch Caspary, Camphausen, S. 359; Grünthal, Parlamentarismus, S. 172/73.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

Ludwig v. Gerlach schon vorher den Gehorsam aufgekündigt hatten, darunter Kleist-Retzow und Bismarck476. Anschließend wurde auch in der Frage der Finanzgesetze nicht im Sinne der Konservativen entschieden477, da die Anhänger Arnims den gemäßigten Liberalen mit der Annahme des Amendements Viebahn, dem zweiten Teil der „Transaktion Radowitz“, entgegenkamen: Dadurch wurde die zunächst angenommene Proposition VII durch den Zusatz ergänzt, daß Finanzentwürfe von der Ersten Kammer nur „im Ganzen angenommen oder abgelehnt“ werden dürften, was selbständige finanzpolitische Initiativen der Ersten Kammer unmöglich machte. Mit der Ablehnung der Proposition IV über Lehen und Fideikommisse beschloß die Zweite Kammer dann die Debatten über die Königlichen Propositionen478. Angesichts dieser Niederlage gegen Radowitz und Arnim, denen sich auch „treue Seelen“ wie Kleist-Retzow angeschlossen hatten, beklagte Ludwig v. Gerlach entnervt den „Bankrott unserer Partei!“479 Zwei Tage später sprach sich auch Stahl in der Ersten Kammer aus Vernunftgründen für das Amendement Arnim aus480, während Ludwig v. Gerlach eine scharfe Rede wider das Amendement hielt481. Trotzdem stimmten nur zwei Konservative mit ihm gegen den Vermittlungsvorschlag, der mit 97 gegen 60 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) angenommen wurde482. Anschließend wurde auch der Beschluß der Zweiten Kammer über das Budgetrecht mit 106 gegen 53 Stimmen bei 4 Enthaltungen gebilligt483. Insgesamt waren damit acht Propositionen unverändert angenommen, fünf mit Billigung der Regierung modifiziert und nur zwei abgelehnt worden: die über die Ministerverantwortlichkeit und die über die Fideikommisse. Damit stand dem Verfassungseid des Königs nichts mehr im Wege. Trotzdem kam es noch zu einer letzten Auseinandersetzung zwischen Fried476 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 419; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 93; ders., Tagebuch, S. 252 und 255. Diese Altkonservativen hatten nicht einmal unrecht, denn im Jahre 1852 hatte Ludwig v. Gerlach eingesehen, wie sehr der neue Art. 65 der Verfassung im Sinne der Altkonservativen formuliert war; vgl. Kap. IV.1. 477 Debatte in: 2. K. 1849/50, S. 2151/52; Abstimmungen ebd., S. 2152. Die Absprache zwischen Arnims Anhängern und gemäßigten Liberalen wird daran deutlich, daß nicht einmal namentlich abgestimmt wurde. 478 Vgl. ebd., S. 2152–2159. 479 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 252; siehe dazu auch Varnhagen, Tagebücher VII, S. 40/41. 480 1. K. 1849/50, S. 2382. Deshalb spaltete sich die „Fraktion Gerlach-Stahl“; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 173. 481 Ebd., S. 2350–53; vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 94. 482 1. K. 1849/50, S. 2384/85. 483 1. K. 1849/50, S. 2388/89.

3. Verfassungsrevision und Unionspolitik (1849/50)

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rich Wilhelm IV. und dem Ministerium über die Frage der Fideikommisse484, bei der der König aber nachgab und die Entscheidung des Landtages vorerst akzeptierte485. Damit stand der Text der Verfassung endgültig fest486. Am 30. Januar gewann Graf Brandenburg den König für den Verfassungseid487, den dieser am 6. Februar im Berliner Schloß leistete488. Insgesamt hatten sich die Staatskonservativen (und die mit ihnen verbündeten gemäßigten Liberalen) gegen die Altkonservativen durchgesetzt489. Dies wurde auch in den anschließenden Debatten über die neue Kommunalordnung deutlich490, in denen die Ausführungsgesetze zu Art. 105 der Verfassung beraten wurden491. Sie dauerten vom 12. bis zum 23. Februar492, wobei Graf Arnim den Kommissionsbericht über die Kreis-, Bezirks- und Provinzial-Ordnung vortrug493. Die drei Gesetze vom 11. März 1850 konnten quasi als Kompensation für die Ergebnisse der Verfassungsrevision gelten494, denn die Trennung von Stadt und Land sowie die rechtliche Differenzierung zwischen Bürgern und Schutzverwandten wurden aufgehoben und die Gutsbezirke sowie die patrimoniale Polizeigewalt abgeschafft. Außerdem wurden die Kreis- und Provinzialstände abgeschafft. Damit hatten die Liberalen ihr Ziel erreicht, die Vorherrschaft der Gutsbesitzer zugunsten einer kommunalen Selbstverwaltung abzuschaffen und zugleich zu einer möglichst umfassenden Rechtsvereinheitlichung zu gelangen495. 484 Vgl. Rönne, Verfassungsurkunde, 1859, S. 11; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 423–27; siehe auch Jordan, Umwandlung, S. 142/43. 485 Die Frage der Fideikommisse wurde 1852 dann doch im Sinne des Königs gelöst; vgl. die Änderung der Artt. 40 + 41 durch das Gesetz vom 05.06.1852. In: GS 1852, S. 319; außerdem Kap. IV.1. 486 Verfassungsurkunde in: GS 1850, S. 17–35; vgl. dazu NPZ Nr. 28, So. 03.02.1850, S. 1/2. 487 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 423. 488 Rede des Königs. In: Friedrich Wilhelm IV., Reden, S. 66–68; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 174; Jordan, Umwandlung, S. 143–148; Kraus, Gerlach, S. 513–516; außerdem NPZ Nr. 29, Di. 05.02.1850, S. 1; „Die Verfassung ist beschworen“. In: NPZ Nr. 31, Fr. 07.02.1850, S. 1. 489 Vgl. dazu Kap. III.4. 490 Vgl. Rönne, Gemeindeordnung, bes. S. 1–17; außerdem Peters, Beiträge, passim; Zimmermann, Entstehung, bes. S. 15–17; Heffter, Selbstverwaltung, S. 315–319. 491 Art. 105 RV. In: GS 1850, S. 33. 492 Debatten über die Gemeindeordnung. In: 2. K. 1849/50, S. 2577–2600, 2611– 2628, 2655–2708, 2739–2755, 2813–2845, 2877–2895; Debatten über die Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung ebd., S. 3198–3217; Debatten über die neue Polizeiordnung ebd., S. 3223–3263; siehe dazu auch Nachlaß Nr. 4103, passim. Da diese Reform bereits zwei Jahre später wieder revidiert wurde, sind die Debatten hier nicht detailliert verfolgt worden; vgl. Kap. 4.1. 493 Vgl. 2. K. 1849/50, S. 3198–3208. 494 Gemeindeordnung. In: GS 1850, S. 213–251; Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung ebd., S. 251–265; Polizeigesetz ebd., S. 265–268.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

d) Unionspolitik und Erfurter Unionsparlament (1849/50) Als Friedrich Wilhelm IV. Ende April die Kaiserkrone ablehnte, bedeutete dies zwar das Ende der Paulskirche496, nicht aber das Ende des Ringens um die Deutsche Frage, wie sich bald herausstellen sollte: Joseph Maria v. Radowitz, der den König bereits zweimal zum Handeln in der Deutschen Frage aufgefordert hatte und der seit dem Mai 1849 de facto die preußische Außenpolitik leitete 497, griff das kleindeutsche Projekt der Paulskirche auf und verknüpfte es im Rahmen seiner „Unionspolitik“ mit den nationalromantischen Empfindungen des Königs498. Diese Politik war durch das Zerwürfnis der Gerlachs mit Radowitz Ende April gekennzeichnet499, das ein Ringen um die Gunst des Königs zur Folge hatte. Zunächst setzte sich Radowitz durch: Am 26. Mai wurde das Dreikönigsbündnis zwischen Preußen, Hannover und Sachsen geschlossen, das am 28. Mai durch eine provisorische Reichsverfassung vertieft wurde500. Diese Politik Radowitz in der Deutschen Frage hatte eine lebhafte Kontroverse in der Kreuzzeitung zur Folge, die vor allem deutlich machte, wie sehr die Deutsche Frage das konservative Lager spaltete501. Außerdem beschloß der Landtag, nachdem Radowitz ihn am 25. August 1849 offiziell über die Unionspolitik informiert hatte502, am 6. und 7. September eine Adresse über die Unionspolitik503. Die Konservativen argumentierten in dieser Debatte offensichtlich aus taktischen Gründen sehr zurückhaltend, um den König nicht zu verärgern504.

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Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 182/83; Heffter, Selbstverwaltung, S. 316. Vgl. zuletzt Botzenhart, 1848/49, S. 217–236. 497 Vgl. Denkschrift vom Oktober 1847. In: Nachgelassene Briefe, S. 1–4; Radowitz, Deutschland und Friedrich Wilhelm IV. In: Gesammelte Schriften III, S. 267– 352; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen I, S. 486/87; siehe dazu Gall, Bismarck, S. 96–100; Kraus, Gerlach, S. 479. Allerdings wurde Radowitz erst im September 1850 Außenminister und damit auch offiziell für Außenpolitik zuständig. 498 Vgl. dazu Binding, Der deutsche Bundesstaat, S. 59–94; Brandenburg, Reichsgründung I, S. 302–343; Bußmann, Friedrich Wilhelm IV., S. 323–339; Canis, Radowitz, S. 473–476; Doering-Manteuffel, Ordnungszwang, S. 131–133; Hintze, Hohenzollern, S. 547–557; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 885–922; Kraus, Gerlach, S. 475–487; Kroll, Friedrich Wilhelm IV., S. 137–141; Meinecke, Radowitz, S. 233– 522; Reuleaux, Erfurter Parlament, S. 4–112. 499 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 315/156; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 53; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 478–480. 500 Vgl. Canis, Radowitz, S. 474–476; ders., Gegenrevolution, S. 169–172; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 887/88. 501 Vgl. dazu Kap. III.4. 502 Vgl. 2. K. 1849/50, S. 131–136. 503 Vgl. den Kommissionsbericht ebd., S. 212–215; Debatten ebd., S. 215–234, 235–239. Graf Arnim war krankeitshalber nicht anwesend; vgl. ebd., S. 241. 496

3. Verfassungsrevision und Unionspolitik (1849/50)

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Nachdem die Altkonservativen auch während der Revision der Verfassung vergeblich gegen Radowitz’ Unionspolitik opponiert hatten505, trat am 20. März 1850 in Erfurt ein „Unionsparlament“ zusammen, das die provisorische Verfassung überarbeiten und als Beschlußvorlage an die in der Union zusammengeschlossenen Regierungen weiterleiten sollte506. Diese Verfassungsarbeit stand von Anfang an unter dem ungünstigen Stern einer massiven russischen Bedrohung507. Da Österreich und die vier Königreiche Bayern, Hannover, Sachsen und Württemberg sich nicht bzw. nicht mehr an der Union beteiligten, stellte Preußen die Hälfte der Abgeordneten. Während die Linke in Erfurt nicht vertreten war508, wollten die Mitglieder der liberalen „Bahnhofspartei“ ihre Fehler aus der Paulskirche ausmerzen509. Auch die Staatskonservativen, die in der „Klemme“ tagten, unterstützten die Regierung, ebenso ein Teil der Altkonservativen510. Zu ihnen zählte auch Graf Arnim, der Mitglied des Staatenhauses war511. Gegner der Unionspolitik waren nicht nur die wenigen katholischen Abgeordneten512, sondern auch die meisten Altkonservativen um Ludwig v. Gerlach, Otto v. Bismarck und Hans v. Kleist-Retzow, obwohl sie wußten, daß sie gegen den ausdrücklichen Willen des Königs opponierten513. Trotzdem bemühten sich die Altkonservativen, als Fraktion „Schlehdorn“ möglichst geschlossen aufzutreten514. Intern aber stießen die 504 Vgl. Bismarcks Reden ebd., S. 228–230, 238/39; siehe dazu Gall, Bismarck, S. 102–107. 505 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 483–87. 506 Vgl. Binding, Bundesstaat, S. 72–94; Botzenhart, Parlamentarismus, S. 767– 776; Brandenburg, Reichsgründung I, S. 315/16; Engelberg, Bismarck I, S. 347– 353; Füßl, Professor, S. 238–255; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 894–898; Kraus, Gerlach, S. 516–538; Meinecke, Radowitz, S. 385–410; Reuleaux, Parlament, S. 69–112; Srbik, Deutsche Einheit II, S. 41–43. 507 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 517. Kraus zitiert eine massive Drohung des russischen Botschafters Meyendorf vom 27.02.1850 aus dem unveröffentlichten Tagebuch Ludwig v. Gerlachs. 508 Vgl. Reuleaux, Bundesstaat, S. 71. 509 Vgl. Duncker, Politischer Briefwechsel, S. 19/20; Droysen, Briefwechsel I, S. 620; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 519; Reuleaux, Bundesstaat, S. 73–75. Im „Bahnhof“ waren vor allem Mitglieder des rechten Zentrums der Paulskirche. 510 Vgl. Füßl, Professor, S. 239/40; Kraus, Gerlach, S. 519. Zu diesen Abgeordneten gesellte sich auch ein Teil der Altkonservativen um Stahl; vgl. Reuleaux, Bundesstaat, S. 72 und 75/76. 511 Ernennung zum Mitglied des Staatenhauses durch den König am 02.03.1850. In: Nachlaß Nr. 4093, Bl. 1. Dem ging eine Anfrage Brandenburgs zuvor; vgl. ebd., Bl. 4. Vgl. außerdem Meinecke, Radowitz, S. 387. 512 Vgl. Pastor, Reichensperger I, S. 316–331; Pfülf, Hermann v. Mallinckrodt, S. 60–62. 513 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 447/48; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 98; ders., Tagebuch, S. 259/60; Radowitz, Nachgelassene

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

Gegensätze schroff aufeinander515, bis ein Kompromiß festgelegt werden konnte: Die Unionsverfassung sollte auf keinen Fall „en bloc“ angenommen, sondern wie die preußische Verfassung schrittweise „revidiert“ und von allen „revolutionären“ Elementen befreit werden516. Dadurch wollte Ludwig v. Gerlach auch versuchen Sand ins Getriebe zu streuen, da es besser sei, „die Seifenblase platze hier, als künftig am Felsen der europäischen Verhältnisse“517. Da die Altkonservativen sich weigerten, die Verfassung „en bloc“ anzunehmen, ergab sich die paradoxe Situation, daß die Weiterführung der von Friedrich Wilhelm IV. gewünschten und Radowitz vorangetriebenen Politik nur mit Hilfe der Linken möglich war. Um dies zu vermeiden, fand sich die Regierung am 31. März mit einer Revision der Verfassung ab518. Mit dieser Entwicklung waren die meisten Altkonservativen zufrieden, und auch Leopold v. Gerlach meinte nun, „daß die Dinge in Erfurt gut stehen.“519. Bis Ende April wurde die Verfassung revidiert, wobei sich keiner der weitergehenden Revisionsanträge der Konservativen durchsetzen konnte, da die Linken zwar auf alle von der Regierung gewünschten Änderungen des Verfassungsentwurfes eingingen, um das Unionsprojekt nicht zu gefährden, darüber hinaus aber alle weitergehenden Revisionsanträge der Konservativen zum Scheitern brachten520. Dabei fanden kontroverse Diskussionen nur im Volkshaus statt, während die Mehrheit des Staatenhauses, dem auch Graf Arnim angehörte, nur an einer raschen Verabschiedung der Verfassung interessiert war. Deshalb wurde in der 3. Sitzung der an und für sich vernünftige Antrag des Grafen Arnim abgelehnt, die Wahl des Verfassungsausschusses um acht Tage zu verschieben, damit sich die Fraktionen besser kennenlernen könnten521. Außerdem wurde gegen Arnims Votum eine Briefe, S. 177–180; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 517–520; außerdem Füßl, Professor, S. 231–238; Meinecke, Radowitz, S. 392/93. 514 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 519/20; auf dem unveröffentlichten Tagebuch Gerlachs basierend; außerdem Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 98. 515 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 100. 516 Ebd.; vgl. Canis, Radowitz, S. 484/85. Dazu zählten die Altkonservativen insbesondere die Grundrechte. 517 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 261. 518 Vgl. Leopold v. Gerlach am 31.03.1850 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Briefe, S. 665/66; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 520; Meinecke, Radowitz, S. 395– 399. 519 Leopold v. Gerlach am 02.04.1850 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Briefe, S. 667. Nur Ludwig v. Gerlach wollte in seiner Obstruktionspolitik verharren, worauf es am 4. April zwischen ihm und Stahl zu einer erneuten Auseinandersetzung kam, bei dem Gerlach nachgab; vgl. dazu Kraus, Gerlach, S. 521/22. 520 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 101; ders., Briefe, S. 672/73; siehe dazu Botzenhart, Parlamentarismus, S. 770–775; Gall, Bürgertum, S. 325/26; Kraus, Gerlach, S. 522/23.

3. Verfassungsrevision und Unionspolitik (1849/50)

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gründliche Revision der Verfassung in der 5. Sitzung am 17. April 1850 abgelehnt522. Entsprechend kurz war dann auch die Beratung der Verfassungsvorlagen des Volkshauses523. Graf Arnim ergriff angesichts des bereits feststehenden Ergebnisses der Beratungen nur einmal das Wort, als es um die Frage ging, ob nur der künftige Reichstag oder auch die Reichsregierung das Recht haben sollte, die Rechte der Presse zu beschränken524. Nachdem am 26. April letzte Differenzen zwischen beiden Häusern ausgeräumt worden waren525, konnte bereits am 29. April die Revidierte Unionsverfassung angenommen werden526, worauf das Unionsparlament nach nur 40tägiger Arbeit vertagt wurde527, für immer, wie sich zeigen sollte. Seine Verhandlungen hatten von Anfang an unter einem ungünstigen Stern gestanden, weshalb die Liberalen lediglich möglichst rasch zu einem brauchbaren Resultat gelangen wollten. Insofern war die Arbeit im Unionsparlament für den Grafen Arnim ähnlich unerfreulich wie die im Vereinigten Landtag und in der Paulskirche. Nach dem Ende des Unionsparlamentes war Radowitz noch relativ optimistisch und verfolgte seine Politik weiter528. Obwohl die Unionspolitik stagnierte, da weder die in Erfurt beschlossene Verfassung eingeführt noch eine Unionsregierung eingesetzt wurde529, stützte der König weiter Radowitz’ Politik, während Ludwig v. Gerlach wegen seiner Opposition gegen die Unionspolitik vorerst in Ungnade fiel530. Doch auch die Tage seines Kontrahenten waren gezählt, auch wenn die ab Mitte September ausbrechende Krise531, die sich am kurhessischen Verfassungskonflikt entzündete, zur kurzzeitigen Ernennung Radowitz’ zum Außenminister führte532. Am 29. November 1850 beendete jedoch Otto v. Manteuffel, der nach dem Tod 521

Vgl. Unionsparlament II, S. 61–63. Ebd., S. 114. 523 Vgl. ebd., S. 115–127, 129–150, 151–174, 175–192, 193–198. 524 Beiträge Arnims ebd., S. 141/42 und 142/43. In beiden Wortbeiträgen referierte der Graf lediglich Details der Verwaltung bzw. zeigte Parallelen zur preußischen Verfassungsurkunde auf. 525 Vgl. ebd., S. 198–207. 526 Vgl. ebd., S. 221–223. 527 Vgl. die Verabschiedung des Unionsparlamentes ebd., S. 225. 528 Vgl. Radowitz, Nachgelassene Briefe, S. 225–235; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 524. 529 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 899/900; Kraus, Gerlach, S. 524/25; Meinecke, Radowitz, S. 422–430; Srbik, Deutsche Einheit II, S. 46/47. 530 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 112; ders., Tagebuch, S. 273; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 525–29. 531 Vgl. Dehio, Zur November-Krise, S. 134–145; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 908–922; Kraus, Gerlach, S. 529–533; Meinecke, Radowitz, S. 448–455; Schoeps, Olmütz, S. 19–42; Srbik, Deutsche Einheit II, S. 66–91. 522

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

des Grafen Brandenburg zum Ministerpräsidenten avancierte, mit der „Olmützer Punktation“ endgültig die Unionspolitik533. In dieser Phase waren die einflußreichen Minister Otto v. Manteuffel und Stockhausen mit den Gerlachs regelrecht „alliiert“534. Als der Landtag am 21. November 1850 auf dem Höhepunkt der Krise eröffnet wurde535, akzeptierten die meisten Konservativen die „Olmützer Punktation“: Deshalb sorgten sie in der Adreßdebatte536, in der Vincke im Namen der Liberalen einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung einbrachte537, nach kurzer Debatte für die Vertagung der Adreßdebatte538. Dieser Beschluß gab der Regierung die Möglichkeit, den Landtag am folgenden Tag bis zum 3. Januar 1851 zu vertagen539. Als dann am 7. Januar die Adreßdebatte fortgesetzt werden sollte, hatten sich die Wogen bereits soweit geglättet, daß die Konservativen mit der knappen Mehrheit von 146 gegen 142 Stimmen für den Übergang zur Tagesordnung sorgen konnten, der die Krise endgültig beendete540. Die programmatische Ankündigung Manteuffels, von nun an entschieden mit der Revolution brechen zu wollen, verdeutlichte, daß die Regierung eindeutig Oberwasser hatte541. Damit waren die Fronten geklärt: Die Liberalen sagten dem Ministerium entschieden den Kampf an542. Insgesamt hatte die Unionspolitik wenig praktische Ergebnisse gezeitigt, was an der ungünstigen außenpolitischen Situation lag. Demgegenüber hatten die Konservativen die Initiative, die sie im März 1848 nicht ohne eigenes Verschulden verloren hatten, im Laufe des Jahres 1849 zurückgewonnen. Allerdings war es bereits im Zuge der Verfassungsrevision und außer532 Vgl. Ludwig v. Briefe, S. 709; dazu Kraus, Gerlach, S. 530; Meinecke, Radowitz, S. 451/52. 533 Vgl. Doering-Manteuffel, Ordnungszwang, S. 133–140; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 919–922; Kraus, Gerlach, S. 534–36; Schoeps, Olmütz, S. 30–35; Srbik, Deutsche Einheit II, S. 80–91. 534 Leopold v. Gerlach am 02.10.1850 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Briefe, S. 711; vgl. Kraus, Gerlach, S. 530. 535 Vgl. dazu Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 276. 536 Vgl. 2. K. 1850/51, S. 44–63. 537 Vgl. ebd., S. 45–50. 538 Vgl. ebd., S. 50–63. Dabei verteidigte Bismarck die Punktation in seiner ersten großen Rede, wobei er allerdings vor allem real- und machtpolitisch argumentierte; vgl. ebd., S. 56–59; siehe dazu Engelberg, Bismarck I, S. 358/59; Gall, Bismarck, S. 108–123; Kraus, Gerlach, S. 534/35; Marcks, Bismarck und die deutsche Revolution, S. 190–192. 539 Vgl. 2. K. 1850/51, S. 65. 540 Vgl. ebd., S. 86/87. 541 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 394. 542 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 157; Grünthal, Parlamentarismus, S. 394.

4. Die Formierung der Konservativen

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dem auf Grund der unterschiedlichen Beurteilung der Nationalen Frage zu einer immer tiefer gehenden Spaltung des konservativen Lagers gekommen. Diese Entwicklung soll nun zusammenfassend skizziert werden. 4. Die Formierung der Konservativen als Reaktion auf die 48er Revolution Die Konservativen wurden durch den Ausgang der Märzrevolution in die Opposition verbannt, obwohl es noch am 18. März so aussah, als ob sie sich auf Grund der Schlagkraft der preußischen Armee mittels einiger Zugeständnisse würden behaupten können: Der Rücktritt des Grafen Arnim als Ministerpräsident leitete eine Reihe von Niederlagen ein543, insbesondere auf dem zweiten Vereinigten Landtag und bei den Wahlen zur preußischen und zur deutschen Nationalversammlung. Obwohl der Graf von den Altkonservativen nicht besonders geschätzt wurde, wirkte sein Rückzug aus der vorderen Linie beispielhaft544. Darüber hinaus gingen die konservativen Zeitschriften wie Victor Aimé Hubers „Janus“ im März 1848 sang- und klanglos ein, als die staatlichen Subventionen gestrichen wurden545, was die pessimistische Stimmung verstärkte. Diese Stimmung führte sowohl zu gegenseitigen Schuldzuweisungen als auch zu Bestrebungen einer Formierung der Konservativen als wirkliche Partei. a) Die Konservativen und die Märzrevolution Die Frage der Verantwortung für den Sieg der Revolutionäre im März 1848 beschäftigte die Konservativen bereits während der Revolutionszeit, wobei alle Diskussionen unter dem Vorbehalt standen, daß eine Kritik am Verhalten des Monarchen als eine Majestätsbeleidigung in der Öffentlichkeit nicht in Frage kam, sondern höchstens in privaten Tagebuchnotizen oder im Gespräch geäußert werden durfte546. Dabei konnte an der Verantwortung des Königs kein Zweifel bestehen547, und die Konservativen waren darum auch derart enttäuscht und verärgert über die Handlungsweise des 543 Nicht zufällig wurde am gleichen Tage die Kamarilla gegründet; vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 150; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 430/31; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 632; anders Kliem, Genesis, S. 392– 398; ders., Rolle, S. 320. 544 Ludwig v. Gerlach antwortete am 31. März auf den Auftrag, die Hypothekenordnung zu bearbeiten, „ablehnend und auf Graf Arnims Fall verweisend.“ [Gerlach, Tagebuch, S. 88] 545 Vgl. Schwentker, Vereine, S. 175. 546 Einzigartig ist die kollektive Unmutsäußerung der Offiziere am 25.03.1848 in Potsdam; vgl. dazu Kap. III.1. 547 Vgl. ausf. Kap. III.1.

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

Königs548, daß sie gar mit dem Gedanken spielten, ihn zur Abdankung zu bewegen549. Daß ihn die Märzereignisse, anders als Wilhelm II. im Jahre 1918, nicht den Thron kosteten, hatte Friedrich Wilhelm IV. auch weniger seiner Stärke zu verdanken als vielmehr der Schwäche der Revolutionäre: Die Armee konnte auch deshalb ihre Position behaupten, weil sich die Mehrheit der Berliner Bürgerschaft loyal verhielt. Darüber hinaus hatte der Adel das „Land“ so gut im Griff, daß von hier aus keine Unterstützung der Hauptstadt zu erwarten war. Letzten Endes stützte sich der Aufstand im Jahre 1848 auf eine zwar entschlossene, aber zahlenmäßig schwache Gruppe von Revolutionären, der es nicht gelang, mehr als einige tausend Berliner zu mobilisieren. Da der Hauptschuldige nicht kritisiert werden durfte, kreisten die Diskussionen um die Frage, welcher der zahlreichen (offiziellen und inoffiziellen) „Berater“ den König eventuell zu einem Irrtum verleitet und sich insofern mitschuldig gemacht habe550. Im altkonservativen Lager, wo Graf Arnim als halber Liberaler galt, wurden insbesondere seine „Märzverheißungen“ voller Mißtrauen betrachtet. Gerlach fürchtete die Möglichkeit, „die Krone an dem Stricke der Märzverheißungen in den Abgrund der Revolution zu zerren“ und bemerkte im Nachhinein scharf, Arnim habe sich auf einem „fluchtähnlichen Rückzuge“ befunden551. Auch der König zürnte ihm wegen seines „geistlosen Liberalismus und Junkerhochmuts“552. Gegen derartige Anschuldigungen, die ihn zu Unrecht des Liberalismus verdächtigten553, verwahrte sich Graf Arnim bereits auf dem zweiten Vereinigten Landtag: Ganz im Gegensatz zur Gerlach’schen Prinzipienpolitik definierte er dort eine konservative Reformpolitik dadurch, „daß es besser sei, den Ereignissen um einen Schritt vorauszugehen, damit nicht erst durch einzelne Konzessionen Einzelnes gegeben und immer wieder von dem Strom der Zeit überfluthet werde, sondern damit das, was gewährt werden könne, auf einmal gegeben, Geltung und Dauer gewinne.“554 Diese Rede des Gra548

Vgl. Kraus, Gerlach, S. 406. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 152; vgl. Canis, Militarismus, S. 159; Bußmann, Preußen, S. 227; Kraus, Gerlach, S. 406/07. 550 Insbesondere die Frage, wer den Truppenrückzug am 19.03.1848 zu verantworten habe, wurde sehr kontrovers diskutiert; vgl. dazu Heinrichs Einleitung. In: Prittwitz, Berlin 1848. Dabei versuchten die Beschuldigten, besonders General Prittwitz, Bodelschwingh und Graf Arnim, auf Grund der erwähnten Prämisse lediglich ihre Unschuld zu beweisen, während andere Konservative mit scharfen Vorwürfen an einem der drei nicht sparten, wobei besonders General Prittwitz als militärischer Oberbefehlshaber häufiger als Sündenbock herhalten mußte; vgl. dazu auch Kap. III.1. 551 Februar-Rundschau. In: NPZ Nr. 38, Do. 15.02.1849, Beilage. 552 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 110; Varnhagen, Tagebücher V, S. 222. 553 Vgl. Hintze, Hohenzollern, S. 533/34. 549

4. Die Formierung der Konservativen

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fen Arnim enthielt zugleich dessen stärkste öffentliche Kritik am Vorgehen des Königs, denn Friedrich Wilhelm IV. hatte sich von Bewilligung zu Bewilligung drängen lassen, bis schließlich die Revolution ausbrach, obwohl er am 18. März das Entscheidende versprochen hatte: eine deutsche Politik und preußische Verfassungsreformen555. Darüber hinaus verteidigte Graf Arnim im Dezember 1848 in seiner Schrift „Die Verheißungen des 22sten März und die Verfassung vom 5ten Dezember“ speziell die von ihm zu verantwortenden Verfassungsversprechen556. Darin bezeichnete er die „Verheißungen“ des März als Mittel zur Kanalisierung der Leidenschaften im konservativen Sinne557 und erklärte, daß er einerseits kein allgemeines gleiches Wahlrecht versprochen, andererseits aber seine wahren Ansichten zunächst bewußt im Unklaren gelassen habe, um die aufgewühlten Gemüter zu beruhigen558. Diese Aussagen Arnims wurde von Ernst Ludwig v. Gerlach zwar bereitwillig aufgenommen, doch drückte dieser auch seine Skepsis gegenüber der Arnimschen Argumentation aus: „Es ist hiernach zu hoffen, daß der Graf v. Arnim von nun an jedem Frevler, der es versuchen möchte, die Krone an dem Stricke der Märzverheißungen in den Abgrund der Revolution zu zerren, seine Brust entgegenwerfen und daß nur über seinen Leichnam hinweg dieser Weg des Hochverraths gangbar sein wird. Es wird dies um so mehr seine Pflicht sein, je mehr sein Versuch die Schuld der bisherigen Mißdeutung der Märzverheißungen von sich abzulehnen, ihm mißlungen ist.“559. Obwohl er weitaus weniger dogmatisch dachte als Ludwig v. Gerlach,560 war Graf Arnim doch zu konservativ, um in der Krise des März als preußischer Reformer von der Opposition akzeptiert zu werden. b) Die konservative Opposition des Jahres 1848 Nachdem die Krone am 19. März vor den Revolutionären zurückgewichen und de facto kapituliert hatte, erlitten die Konservativen auf dem 554 Bleich, 2. VL, S. 16; vgl. zum zweiten Vereinigten Landtag auch Kap. III.2.a). 555 Vgl. dazu Marcks, Bismarck, S. 20. 556 Arnim, Verheißungen. 557 Vgl. ebd., S. X. 558 Vgl. ebd., bes. S. 32. 559 Februar-Rundschau. In: NPZ Nr. 38, Do. 15.02.1849, Beilage. Gerlach schlug hier auch deshalb einen versöhnlichen Ton an, weil er die im neugewählten Landtag zu erwartende Auseinandersetzung der Konservativen mit den nach wie vor starken Liberalen nicht unnötig erschweren wollte. 560 Siehe dazu auch Wartenleben-Schwirsens Schreiben vom 23.04.1851 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4000, Bl. 3 + 4. 561 Vgl. dazu Kap. III.2.a).

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

zweiten Vereinigten Landtag eine verheerende Niederlage561: Lediglich Adolf v. Thadden-Trieglaff setzte ein Achtungszeichen562. Zwar zeigte sich Ludwig v. Gerlach anschließend vor allem von Bismarck enttäuscht563, doch warf er später dem Grafen Arnim vor, er habe während der Beratungen geschwiegen, statt der Mißdeutung seiner „Märzverheißungen“ entgegenzutreten und seine wahren konservativen Intentionen offenzulegen564. Der Vorwurf, nicht hinreichend prinzipienfest zu sein, war für Ludwig v. Gerlach der größte politische Fehler und trug dem Boitzenburger seine Mißachtung ein, die ihn Zeit seines Lebens verfolgen sollte. Auch in den Debatten der deutschen Nationalversammlung hatten die preußischen Konservativen nur geringe Einflußmöglichkeiten, weshalb Graf Arnim (anders als Radowitz565) nach kurzer Zeit wieder abreiste566. Sein Intermezzo in Frankfurt ist aber deshalb interessant, weil Arnim sich ausdrücklich gegen den Vorwurf verwahrte, er sei ein Reaktionär. In der Debatte über den „Antrag Raveaux“ erklärte er: „Man hat gesagt, die so sprächen, seien die Männer der Reaction. Meine Herren, sagen Sie lieber, es seien die sogenannten Conservativen.“567 Er verwahrte sich damit gegen einen Vorwurf, der ihm seit seiner Zeit als Innenminister zu Unrecht anhing und seinem reformorientierten staatskonservativen Denken widersprach. Vom heimatlichen Boitzenburg ging er dann in seiner Schrift „Die deutsche Centralgewalt und Preußen“ mit der Frankfurter „Paulskirche“ heftig ins Gericht: Indem er die Wahl des Reichsverwesers als revolutionäre Usurpation ablehnte568, verwarf er explizit das Prinzip der Volkssouveränität und beharrte auf dem Vereinbarungsprinzip569. Als ausgebildeter Jurist konnte er diesen Standpunkt, der die Märzereignisse marginalisierte570, aus dem deutschen Staatsrecht herleiten, wie es sich (auf der Wiener Schluß562

Vgl. Bleich, 2. VL, S. 9 und 20. Vgl. Kraus, Gerlach, S. 404/05. 564 Vgl. September-Rundschau 1848. In: NPZ Nr. 61, Sa. 09.09.1848, S. 1; Februar-Rundschau. In: NPZ Nr. 38, Do. 15.02.1849, Beilage; September-Rundschau 1849. In: NPZ Nr. 225, Fr. 28.09.1849, Beilage. Erst im Jahre 1849, so bemerkte Gerlach, deute Arnim seine Märzverheißungen „in einem sehr vernünftigen, aber eben deshalb sehr antimärzlichen Sinne.“ [NPZ Nr. 225, Fr. 28.09.1849, Beilage]. Dagegen findet sich im (edierten) Tagebuch kein Eintrag, der Arnim einen Vorwurf machte; vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 88–91. 565 Vgl. Meinecke, Radowitz, S. 83–229. 566 Vgl. Kap. III.2.b). 567 Wigard, Reden I, S. 145; vgl. zur Debatte auch Kap. III.2.b). 568 Vgl. dazu Arnim, Centralgewalt, S. 9. 569 Vgl. ebd., S. 11/12; siehe auch ebd., S. 43/44. 570 Vgl. dazu auch Varnhagen, Tagebücher IV, S. 331–334. Varnhagen zitiert Auszüge aus amtlichen Verlautbarungen, die Graf Arnim verfaßt haben soll und in denen die Straßenkämpfe am 18. und 19. März eher beiläufig erwähnt werden. 563

4. Die Formierung der Konservativen

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akte aufbauend) entwickelt hatte571. Dem entsprechend war auch sein „preußisches Volk“ für Arnim die selbstverständliche Bezugsgröße572, und vehement wandte er sich gegen alle Pläne, Preußen „in eine oder einige deutsche Provinzen“ aufzulösen573. „Preußens Kraft und Selbständigkeit“ waren für den Grafen Arnim (nicht nur im Jahre 1848) die entscheidenden Bezugsgrößen. Der preußische Staat aber wurde nach Arnims Auffassung im Zusammenspiel von Krone und Parlament gelenkt, weshalb er auch der preußischen Nationalversammlung das Mandat absprach, alleine eine bindende Zustimmung zu einer deutschen Verfassung auszusprechen. Anders als für viele Liberale sollte für Arnim die Konstitutionalisierung Preußens der Deutschlands vorausgehen. Diese Auffassung war zwar nicht liberal, unterschied sich aber auch von derjenigen der Altkonservativen, da sie eine Konstitutionalisierung Preußens nicht prinzipiell ablehnte und deutsche Interessen zumindest in zweiter Linie berücksichtigte574. Den Unterschied zwischen Arnim und sich verdeutlichte Ernst Ludwig v. Gerlach in der September-Rundschau 1848 mit einer scharfen Replik: „Ein Reaktionair ist angetreten, der den Fortschritt der Reaction in ein besonders helles Licht stellt. . . . Er (Arnim, WN) hat jetzt in einer trefflichen Abhandlung Preußens gutes Recht und die wahren Prinzipien deutscher Einheit den Selbstherrschenden in Frankfurt gegenüber bündig nachgewiesen.“575 Allerdings habe der Graf sein Mandat in Frankfurt trotz der revolutionären Usurpation der Macht durch die Paulskirche nicht niederlegen dürfen: „Gerade deshalb hätte er wieder und immer wieder Protest einlegen sollen. Victrix causa diis placuit, sed victa Catoni – und Götter sind die Frankfurter doch noch lange nicht.“576 Zumindest der Vorwurf der Reaktion blieb nicht unwidersprochen, denn Victor Aimé Huber erhob im Dezember 1848 die „Stimme der wirklichen Reaktion“577. Weil die Konservativen bereits im Vormärz eine Art Konzept zur Bildung von Parteien entwickelt hatten578, gelang es ihnen in den Monaten nach dem Ende des Vereinigten Landtages, parteipolitisch ausgerichtete konser571

Ebd., S. 12–23; dort auch die folgenden Zitate. „Die aber, – und es gibt solche, – welche etwa kein preußisches Volk mehr, sondern nur noch ein deutsches Volk anerkennen wollen, halte ich keines Wortes der Erwiderung wert.“ [Ebd., S. 23] 573 Ebd., S. 47. Dort folgt auch das nächste Zitat. 574 Vgl. dazu Heinrichs Kommentar. In: Prittwitz, Berlin 1848, S. 452, Anm. 1; Schwentker, Vereine, S. 248. 575 September-Rundschau, Teil 2. In: NPZ Nr. 61, Sa. 09.09.1848, S. 1. Direkt vor dem Zitat stehen die in Kap. III.1. angeführten Vorwürfe gegen die Amtsführung Arnims als Ministerpräsident. 576 September-Rundschau, a. a. O. 577 NPZ Nr. 135, Di. 04.12.1848, Extra-Beilage. 578 Vgl. Kap. II.4. 572

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vative Organisationen zu gründen, die ihre Anliegen zu vertreten versuchten579. Besonders nach dem für die Konservativen katastrophalen Ausgang der Wahlen zur preußischen Nationalversammlung fanden sich die Konservativen allmählich zum Widerstand zusammen580. Zu diesem Zwecke gründeten die Konservativen mit der „Neuen Preußischen Zeitung“ endlich ein eigenes Presseorgan581. Außerdem nutzten sie (wie auch Liberale, Demokraten und Sozialisten) die Gewährung der Vereins- und Versammlungsfreiheit dazu, um politische Klubs zu gründen582. Allein in der Provinz Mark Brandenburg entstanden als Gegengewicht zu den demokratischen mindestens 30 konservative Vereine583. Darin organisierte sich eine „Reaktion“ auf die Politik der Nationalversammlung: „Überall hört man von Reaction sprechen, überall schreckt man mit diesem Stichwort die mit Friedenshoffnungen erfüllte gedankenlose Menge. Wir können aber den Wortführern der linken Seite der Abgeordnetenversammlung mit Zuversicht vorhersagen, daß sie selbst es sind, welche eine Reaction herbeiführen werden.“584 Darüber hinaus wurde die konservative Opposition durch den Ausgang der Pariser „Junischlacht“ ermutigt, in der Louis Eugène Cavaignac mit Hilfe von Armee und Teilen der Nationalgarde Arbeiteraufstände niederschlug585. Die wohl aufsehenerregendste konservative Aktion des Jahres 1848 war der Zusammentritt des „Junkerparlaments“586: Nach der Kreuzzeitungsgründung und den Pariser Ereignissen fand im Juli 1848 eine Besprechung 579 Auch hierbei spielte Ludwig v. Gerlach eine nicht unwichtige Rolle; vgl. Kraus, Gerlach, S. 376; dagegen Wehler, Gesellschaftsgeschichte II, S. 456; Schieder, Grundlagen, S. 144. 580 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 409; zu den Wahlen Nitschke, Volkssouveränität, S. 32–44. 581 Vgl. dazu ausf. Kraus, Gerlach, S. 410–416; außerdem [anonym]: An der Wiege der „Kreuzzeitung“. Berlin 1908; Carsten, Junker, S. 106/07; Koszyk, Geschichte II, S. 130–132; Schwentker, Vereine, S. 60–62. Da Graf Arnim daran nicht beteiligt war, ist es nicht notwendig in diesem Rahmen auf Details einzugehen. Allerdings muß die Wichtigkeit dieser Zeitungsgründung betont werden, denn die NPZ verschaffte auch den (im folgenden beschriebenen) konservativen Vereinen einen breiteren öffentlichen Wirkungskreis. 582 Vgl. das Gesetz vom 06.04.1848. In: Huber, Dokumente I, S. 452; siehe dazu Paschen, Vereine, passim. 583 Sie nannten sich „Patriotische Vereine“ oder „Vereine für König und Vaterland“; vgl. Gailus, Straße und Brot, S. 436. 584 NPZ Nr. 4, Mi. 05.07.1848, S. 1. 585 Vgl. Blos, Revolution, S. 336–343; Schwentker, Erben, S. 135/36. Außerdem hatten die Konservativen aus den Ereignissen ab 1789 in Frankreich gelernt, daß sie sich lieber nicht zu passiv verhalten sollten; vgl. ebd., S. 144. 586 Vgl. dazu Kraus, Gerlach, S. 422–426; außerdem Becker, Beschlüsse, passim; Carsten, Geschichte, S. 108–111; Görlitz. Junker, S. 250–252; Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 683/84; Jordan, Entstehung, S. 262–69; Klatte, Anfänge, S. 247– 272; Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 122–133; Schwentker, Vereine, S. 100–108.

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zwischen Hans v. Kleist-Retzow, Otto v. Bismarck und Alexander v. Below mit dem Ziel statt, einen konservativen Verein zu gründen587. Dazu wurde Ernst v. Bülow-Cummerow hinzugezogen, um einen allzu pietistischen Anstrich zu vermeiden. Dieser lud daraufhin am 18. Juli Grundbesitzer aus Pommern, der Mark Brandenburg und der Provinz Preußen auf den 24. Juli nach Stettin ein588. Dort kamen daraufhin weit über 100 Gutsbesitzer zusammen589. Sie richteten eine Adresse an den König, in der sie gegen die Agrarpolitik der preußischen Nationalversammlung protestierten590, und verabschiedeten einen Gründungsaufruf591. Außerdem wurde beschlossen, daß von einer Deputiertenversammlung in Berlin detailliertere Arbeit geleistet werden sollte592. Diese Versammlung, die unter dem Namen „Junkerparlament“ bekannt wurde und an der etwa 400 Gutsbesitzer teilnahmen593, trat am 18. August in Berlin zusammen594. Die Ergebnisse ihrer Verhandlungen wurden in der Kreuzzeitung veröffentlicht595: Zunächst wurde ein Präsident der Versammlung gesucht, da Bülow-Cummerow wegen eines Halsleidens nicht reden konnte. Kaufmann Simon schlug den Grafen Arnim als Präsidenten vor, „der sofort ablehnt“596; offenbar wollte Arnim sich in dieser Hinsicht nicht

587

Vgl. Gall, Bismarck, S. 78. Der Aufruf erschien in den „Berlinischen Nachrichten“; vgl. Schwentker, Vereine, S. 101; siehe auch Carsten, Junker, S. 108/09; Gall, Bismarck, S. 79; Jordan, Entstehung, S. 255. 589 Vgl. ebd., S. 102. Die Kreuzzeitung sprach von 300 Teilnehmern; vgl. NPZ Nr. 27, Di. 01.08.1848. 590 Abgedruckt in: NPZ Nr. 30, Fr. 04.08.1848; vgl. zur Politik der Nationalversammlung Nitschke, Volkssouveränität, S. 137–144. 591 Dieser Aufruf der „zu Stettin versammelten Grundbesitzer“ erschien ebenfalls in der Kreuzzeitung, zusammen mit dem „Entwurf zur Gründung eines großen Vereins in den östlichen Provinzen“; vgl. NPZ Nr. 29, Do. 03.08.1848, als Separatdruck in: Nachlaß Nr. 4026, Bl. 3. 592 Ebd.; vgl. NPZ Nr. 34, Mi. 09.08.1848; Leopold v. Gerlachs Brief vom 06.08.1848 an Ludwig. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 557/58. 593 Vgl. Becker, Beschlüsse, S. 897/98; Schildt, Konservatismus, S. 73/74; Schwentker, Vereine, S. 106. 594 Vgl. NPZ Nr. 46, Mi. 23.08.1848; siehe zum Junkerparlament u. a. Kraus, Gerlach, S. 422–426; Marcks, Bismarck, S. 58–61; Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 122–140; Schwentker, Vereine, S. 105–110. 595 Diese wurden von den Redaktion der Kreuzzeitung durch einen Stenographen aufgenommen; vgl. Harnisch, Aus den Papieren, S. 546; Kraus, Gerlach, S. 424, Anm. 210. Berichte erschienen in: NPZ Nr. 44, So. 20.08.1848; NPZ Nr. 45, Di. 22.08.1848; NPZ Nr. 46, Mi. 23.08.1848; NPZ Nr. 47, Do. 24.08.1848; NPZ Nr. 49, Sa. 26.08.1848; Auszüge in: Mommsen, Parteiprogramme, S. 40–42. 596 Vgl. NPZ Nr. 44, So. 20.08.1848; siehe dazu auch Jordan, Entstehung, S. 263; Schwentker, Vereine, S. 108. 588

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profilieren. Schließlich wurde Hans v. Kleist-Retzow, der Vertraute Gerlachs, zum Vorsitzenden gewählt597. Am folgenden Tage kam es im „Junkerparlament“ zu einer Debatte über die Steuergesetze, besonders über die Grundsteuer; damit beschäftigte sich seit Juli auch die preußische Nationalversammlung598. Darin hielt Ludwig v. Gerlach seine berühmte Rede von den Verpflichtungen, die aus dem Eigentum erwüchsen599. Graf Arnim gab außerdem zu bedenken, daß man nicht nur im Namen nur der Grundbesitzer das Wort erheben solle, sondern auch feststellen müsse, daß die Nationalversammlung „die Interessen aller Klassen bedroht, das Rechtsgefühl im Volke begräbt und damit die Säulen der Ordnung als Christ, Mensch und Bürger zerstört.“600 Dieser Hinweis Arnims schlug sich derart nieder, daß der Verein umbenannt wurde in „Verein zum Schutz des Eigenthums und der Förderung des Wohlstandes aller Volksklassen“601. Darüber hinaus sprach Graf Arnim der preußischen Nationalversammlung das Recht ab, über politische Fragen zu entscheiden, und forderte diese dazu auf, „definitive Besteuerungsmaßregeln noch aufzuschieben, bis die Verfassung geregelt und die wirkliche Nationalrepräsentation begründet ist.“602 Hinter dieser Auffassung, die juristisch ziemlich fragwürdig war603, stand die Hoffnung, daß eine anders zusammengesetzte Versammlung weitaus stärker im Sinne der Grundbesitzer entscheiden werde. Graf Arnim wurde in die 13 Mitglieder umfassende Adreßkommission gewählt, der u. a. auch Bismarck und Bethmann-Hollweg angehörten604, ebenso in den Fünfziger-Ausschuß605 und schließlich sogar zusammen mit 597 Vgl. Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 131; Schwentker, Vereine, S. 102. KleistRetzow verlas auch das von Bülow-Cummerow ausgearbeitete Grundsatzreferat; Sonderdruck der Rede in: Nachlaß Nr. 4026, Bll. 78, 88 + 89; vgl. Schwentker, Vereine, S. 108. 598 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 139–141. 599 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen I, S. 541; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 424/25; Schwentker, Vereine, S. 109. 600 Vgl. NPZ Nr. 45, Di. 22.08.1848; siehe dazu auch Schwentker, Vereine, S. 108/09. 601 Vgl. NPZ Nr. 49, Sa. 26.08.1848; siehe dazu auch Jordan, Entstehung, S. 265; Schwentker, Vereine, S. 108/09. 602 NPZ Nr. 86, S. 08.10.1848, Beilage. In diesem Sinne bezeichnete Graf Arnim die Versammlung auch als „Beirath“ in Gesetzesfragen; vgl. dazu auch die „Ansicht eines preußischen Juristen über den Umfang der Berechtigung der verfassungsberathenden National-Versammlungen mit besonderer Rücksicht auf die Preußische.“ [Ebd.] 603 Die preußische Nationalversammlung besaß durchaus ein Recht auf Mitwirkung in der Gesetzgebung; vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 28/29. 604 Vgl. NPZ Nr. 45, Di. 22.08.1848; vgl. Jordan, Entstehung, S. 266; Schwentker, Vereine, S. 109. 605 NPZ Nr. 47, Do. 24.08.1848.

4. Die Formierung der Konservativen

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Bülow-Cummerow und Bethmann-Hollweg in das dreiköpfige Direktorium des Vereins606. Er identifizierte sich also in besonderem Maße mit dieser konservativen Interessenpolitik. Allerdings war diese Tätigkeit Arnims nicht mehr als eine Episode, denn der Bülow’sche Verein geriet bald nach dem Zusammentritt des Junkerparlaments in eine innere Krise und wurde darum von den anderen konservativen Vereinen überflügelt607. Außer Anzeigen für zwei Broschüren über die Aufhebung der Lehen und über das Jagdrecht sowie einer Rede Bülow-Cummerows finden sich keine Lebenszeichen des Vereins mehr in der Kreuzzeitung608, während die Berichte über die zweite Generalversammlung des Vereins, die am 4. und 5. November 1848 in Berlin stattfand, nicht in der Kreuzzeitung erschienen609. Trotzdem war der Verein „einer der ersten Keime konservativen Parteiwesens“610. Außerdem zeigte sich, daß Graf Arnim trotz seiner Unbeliebtheit bei einigen Persönlichkeiten wie den Gerlachs immerhin so populär im konservativen Lager war, daß man ihn bedenkenlos mit Führungsaufgaben betraute. Unabhängig vom Bülowschen Verein wurde am 3. Juli der „Verein für König und Vaterland“ gegründet611. Er hielt am 14. Juli, nachdem drei Tage vorher dazu in der Kreuzzeitung eingeladen worden war612, eine Versammlung in Magdeburg ab613, an der angeblich etwa 500 Personen teilnahmen614. Durch das Treffen sollte die Arbeit der zahlreichen konservativen Ortsvereine koordiniert werden, um vor allem mit Hilfe von Bauern 606

Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 85; Jordan, Entstehung, S. 256; Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 133. 607 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 426; Schwentker, Vereine, S. 127–130. 608 Vgl. NPZ Nr. 98, So. 21.10.1848, Beilage; NPZ Nr. 118, Do. 15.11.1848, Beilage. Daß der Verein weiterexistierte, belegt ein „Offener Brief an den Verein zum Schutz des Eigenthums usw.“. In: NPZ Nr. 231, Fr. 05.10.1849. Der Verein wäre über das Junkerparlament hinaus eingehender zu untersuchen, auch bzw. gerade unter sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten; vgl. dazu zuletzt Schwentker, Vereine, S. 100–110. 609 Vgl. Schwentker, Vereine, S. 136–138. 610 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen I, S. 540; vgl. Kraus, Gerlach, S. 426. 611 Vgl. Jordan, Entstehung, S. 250/51; Schwentker, Vereine, S. 173. 612 NPZ Nr. 9, Di. 11.07.1848: „Der Verein für König und Vaterland versammelt sich am 14. Juli Vormittags 10 Uhr in Magdeburg in der Stadt London. Berlin, den 9. Juli 1848. Der Vorstand.“. Vgl. dazu Schwentker, Vereine, S. 91. 613 Vgl. Nachlaß Nr. 4024, bes. Bll. 33–36; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 175; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen I, S. 537; ders., Tagebuch, S. 104; Leopold v. Gerlach am 17.07.1848 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 548–550; siehe dazu; Jordan, Entstehung, S. 250/51; Kraus, Gerlach, S. 427–429; Müller, Ereignisse, S. 484; Schwentker, Vereine, S. 87–99. 614 Vgl. NPZ Nr. 16, Mi. 19.07.1848; siehe dazu Schwentker, Vereine, S. 92. Die angegebenen Teilnehmerzahlen in der Kreuzzeitung waren bewußt hochgegriffen. Deshalb können es auch nur gut 200 Teilnehmer gewesen sein. 615 Vgl. Koszyk, Geschichte II, S. 132.

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und landstädtischen Mittelschichten eine Massenbewegung zu schaffen615. An der Versammlung nahmen von den Altkonservativen u. a. Otto v. Bismarck, Ludwig v. Gerlach, Robert v. d. Goltz, Ernst v. Senfft-Pilsach und Adolf v. Thadden-Trieglaff teil616. Allerdings hielt sich Gerlach (anders als im Junkerparlament) deutlich zurück617. Dagegen war Graf Arnim nicht nur Mitglied, sondern bildete auch zusammen mit Graf Goltz und BethmannHollweg das Geschäftskommitee618. Auf Grund dieser Tatsache war der Verein weniger dogmatisch-altkonservativ als vielmehr realpolitisch-staatskonservativ ausgerichtet. Auf der Versammlung wurde ein geheimes Aktionsprogramm verabschiedet619, demzufolge unter Vermeidung von Meinungsunterschieden möglichst viele verschiedene konservative Vereine und Interessenvertretungen zusammenarbeiten sollten. Aktivitäten sollten auf dem Land und in den Kleinstädten stattfinden und von der Bekämpfung der demokratischen Initiativen über die politische Bildung der Landbevölkerung bis hin zur Verteilung von Flugschriften und Zeitungen sowie zu Kundgebungen gegen die Revolution in den Städten reichen. Die Kosten dieser Propaganda sollten die Einzelvereine tragen, so daß der Zentralverein keine eigenen Finanzmittel zur Verfügung hatte.

616

Vgl. Bismarck, Gesammelte Werke XIV/1, S. 108; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 104; ders., Briefe, S. 549; siehe auch Jordan, Entstehung, S. 250–252; Kraus, Gerlach, S. 428/29; Schwentker, S. 88. Friedrich Julius Stahl unterstützte den Verein nur mit Artikeln in der Kreuzzeitung; vgl. NPZ Nr. 42, Fr. 18.08.1848, S. 1; NPZ Nr. 57, Di. 05.09.1848, S. 1; siehe dazu Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 105. 617 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 104. Allerdings hatte Gerlach „für diesen Verein“ am 13. und 14. Juli zwei Artikel in der Kreuzzeitung geschrieben, in denen er den „Rechtsboden“ der „konstitutionellen Monarchie“ beschrieb, womit „das Gegenteil des Radicalismus einerseits und des Absolutismus andererseits gemeint“ war; vgl. „Der Boden der constitutionellen Monarchie“ In: NPZ Nr. 11, Do. 13.07.1848, S. 1; „Der Rechtsboden“. In: NPZ Nr. 12, Fr. 14.07.1848, S. 1. Dabei berief sich Gerlach (wie üblich) auf England, wo dieser Mittelweg verwirklicht und zudem auf einen „gemachten“ Pseudo-Constitutionalismus verzichtet worden sei; vgl. Kraus, Gerlach, S. 428. 618 Vgl. NPZ Nr. 85, Do. 12.04.1849, Beilage. Später wurde Julius Bindewald Hauptgeschäftsführer des Vereins, der „die Seele des Vereins für König und Vaterland gewesen“ ist; Brief Otto v. Bismarcks vom 24.03.1851 an Bernhard v. Bismarck. In: Bismarck, Gesammelte Werke XIV/1, S. 201; vgl. dazu Füßl, Professor, S. 144; Kraus, Gerlach, S. 428. 619 Nachlaß Nr. 4024, Bll. 14–18; vgl. Bismarcks Brief vom 03.07.1848 an Below. In: Bismarck, Gesammelte Werke XIV/1, S. 108; siehe auch Jordan, Entstehung, S. 253; Schwentker, Vereine, S. 88/89. 620 Vgl. NPZ Nr. 26, So. 30.07.1848; siehe dazu Jordan, Entstehung, S. 251; Schwentker, Vereine, S. 94.

4. Die Formierung der Konservativen

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Auf der zweiten Generalversammlung des „Königsvereins“, die am 24. Juli in Halle stattfand, kam es zu heftigen Grundsatzdiskussionen620. Schließlich wurde beschlossen, daß die Kreuzzeitung offizielles Organ des Vereins sein sollte621. Darüber hinaus wurde festgelegt, daß die Zweigvereine zwar konservativ, aber nicht reaktionär sein sollten622. Damit waren die prinzipienorientierten Altkonservativen innerhalb des Vereins zurückgedrängt worden. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß Ludwig v. Gerlach sich in dem Verein kaum engagierte. Diese Verweigerung, durch die er sich gegen die Mitwirkung am Aufbau einer konservativen Massenbewegung entschied, trug sicherlich mit dazu bei, daß die Altkonservativen auch in den 1850er Jahren eine Minderheit innerhalb der konservativen Partei blieben. Mit dem Ziel der Sammlung aller Gleichgesinnten erschien am 27. August im Namen des Königsvereins ein Artikel in der Kreuzzeitung, in dem die „Apathie der Konservativen“ beklagt wurde, durch welche die Wahlen zur preußischen Nationalversammlung verloren worden seien. Offenbar sei noch unbekannt, „wie Wahlen, welche nach einem Gesetz erlassen werden, das der rohen und ungebildeten, aber auch leitbaren und leicht bethörten Masse das Übergewicht giebt, stets der thätigsten Parthei zufallen müssen.“623 Daraus wurde die Notwendigkeit abgeleitet, die konservative Vereinstätigkeit zu intensivieren. Zu diesem Zwecke habe der Vorstand des „Vereins für König und Vaterland“ beschlossen, mit dem „Patriotischen Verein“, dem „Preußenverein für konstitutionelles Königthum“ und dem „Teltower Bauern-Verein“ eine „Verbindung“ einzugehen. Es sollten ein gemeinsames Comité aus zwei Mitgliedern jedes Vereins gebildet werden und gegenseitige Besuche von Versammlungen stattfinden624. Dieser Zusammenschluß fand in der Tat am 27. August statt, wobei erneut die Notwendigkeit betont wurde, eine eigenständige konservative politische Organisation zu gründen. In der Kreuzzeitung erschien daraufhin ein Artikel über „Die Bildung einer conservativen Partei“625. Hauptaufgabe dieser Partei sollte sein „die Wahrung jener Grenze (zwischen Monarchie und Republik, WN) durch Gewinnung und Festhaltung des Rechtsbodens, die Verleugnung der Revolution als der Grundlage des neuen Staatsrechts 621

Vgl. Schwentker, Vereine, S. 96. Vgl. ebd., S. 97. 623 NPZ Nr. 50, So. 27.08.1848, Hervorhebung im Original; vgl. dazu Schwentker, Vereine, S. 113/14. 624 Ebd. 625 NPZ Nr. 53, Do. 31.08.1848, Zweite Beilage; vgl. dazu Schwentker, Vereine, S. 113. Die vollständige Überschrift lautete: „Angelegenheiten des Vereins für König und Vaterland – Die Bildung einer conservativen Partei und der Verein für König und Vaterland“. Die folgenden Zitate ebd.; Hervorhebungen im Original, WN. 622

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und als mögliche Quelle seiner Fortbildung, das Behaupten gegen die gefährlichen Consequenzen des an sich sinnlosen Begriffs der Volkssouveränität.“ Für diese Aufgaben sollten lokale Vereine sowie isolierte Konservative gewonnen werden, um hoffentlich bald „eine kräftige conservative Partei organisiert und unseren Grundsätzen bei künftigen Wahlen den Sieg gesichert zu sehen, um welchen uns bei den letzten Wahlen hauptsächlich die Zersplitterung unserer Kräfte betrogen hat.“ Außerdem wurde eine klare Abgrenzung gegenüber dem „Verein zum Schutz des Eigenthums usw.“ getroffen, da es diesem Verein nur um die Verteidigung von Privatrechten gehe, während der „Verein für König und Vaterland“ „politische Tendenzen“ habe mit dem Ziel der „Organisation einer politischen Partei“. Um dieses Ziel zu fördern, berichtete die Kreuzzeitung häufiger von Aktivitäten des Vereins und bot auch den Zweigvereinen eine Möglichkeit zur überregionalen Artikulation626. Viele der lokalen Vereine stellten sich allerdings auf den Boden der „konstitutionellen Monarchie“, vertraten also nicht altkonservative Prinzipien. Ihr Zusammenschluß scheiterte jedoch nicht nur deshalb, sondern auch auf Grund der ausgeprägten regionalen Eigenständigkeit der Vereine627. Trotz dieser Differenzen übten zahlreiche Vereine einhellig Kritik an der Verfassungsarbeit der preußischen Nationalversammlung, z. B. der vom Grafen Arnim geleitete „Patriotische Verein“ zu Templin628. Außerdem wurde am 2. August in der Kreuzzeitung zur dritten Generalversammlung des Zentralvereins „für König und Vaterland“ eingeladen629. Auf dieser Versammlung, die am 13. August in Frankfurt/Oder stattfand und an der etwa 300 Mitglieder teilnahmen, wurde eine Adresse an die Nationalversammlung verabschiedet, in der diese darauf hingewiesen wurde, daß die Vereinbarung der Staatsverfassung ihre einzige Aufgabe sei630. Und nachdem die preußische Nationalversammlung am 12. Oktober den königlichen Namenszusatz „von Gottes Gnaden“ aus der Präambel der Verfassung gestrichen hatte, er-

626 NPZ Nr. 79, So. 30.09.1848; NPZ Nr. 109, So. 04.11.1848, Beilage; NPZ Nr. 115, Sa. 11.11.1848, Beilage. 627 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 429; Schwentker, Vereine, S. 145; dagegen Füßl, Professor, S. 149. Erst in den 1860er Jahren sollten die Konservativen durch den „Preußischen Volksverein“ ein festes organisatorisches Fundament erhalten; vgl. Kap. V.4. 628 Vgl. zahlreiche Exemplare in: Nachlaß Nr. 4025, Bl. 5, 7, 8 u. ö.; Nachlaß Nr. 4026, Bll. 29, 56, 57 u. ö.; vgl. Schwentker, Vereine, S. 119/20. 629 Vgl. NPZ Nr. 55, So. 02.09.1848. Die Versammlung im „goldenen Adler“ sollte „zur Aufnahme neuer Mitglieder und der Austheilung von Legitimationskarten“ dienen; vgl. außerdem NPZ Nr. 60, Fr. 08.09.1848. 630 Vgl. NPZ Nr. 66, Sa. 15.09.1848; NPZ Nr. 70; Do. 20.09.1848; NPZ Nr. 73, So. 23.09.1848. Diese Versammlung wurde von Demonstranten gestürmt; vgl. Schwentker, Vereine, S. 126/27.

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schien am 21. Oktober eine Protestadresse des Vereins in der Kreuzzeitung631. Außer dem Bülowschen Verein und dem „Königsverein“ gab es noch zahlreiche weitere konservative Vereine, die jedoch einen wesentlich bescheideneren Kreis umfaßten, z. B. Victor Aimé Hubers „Verein für christliche Ordnung und Freiheit“632, Hermann Wageners „Verein zur Wahrung der Rechte und Interessen der Provinzen“633 oder die „Patriotischen Vereine“, in denen sich auch Graf Arnim in Templin und Berlin engagierte634. Insgesamt entstand zwar 1848 noch keine feste konservative Parteiorganisation, doch bildete sich immerhin ein Netz von konservativen Zirkeln in den altpreußischen Provinzen, als dessen „Generalstab“ die Kreuzzeitung fungierte635, weshalb von der „Kreuzzeitungspartei“ gesprochen werden kann; diese vereinte die meisten Konservativen in einem losen Bündnis gegen die revolutionären Linksliberalen und Demokraten. c) Die Konservativen und die Gegenrevolution (1848–1850) Im November 1848 bedeutete die Niederlage der Linken gegen das Ministerium Brandenburg nicht, daß die Altkonservativen, die 1848 auch innerhalb des konservativen Spektrums nur eine Minderheit gewesen waren, dadurch automatisch Oberwasser bekommen hätten, obwohl sie es waren, die den General Brandenburg als Ministerpräsidenten lanciert hatten636. Das Ministerium Brandenburg emanzipierte sich rasch von der Bevormundung der „Kamarilla“: Obwohl Ernst Ludwig v. Gerlach sich auch weiterhin um eine Lösung in seinem Sinne bemühte637, erfolgte der Verfassungsoktroi am 5. Dezember gegen den Willen der Gerlachs: Leopold erfuhr davon erst am 3. Dezember und reagierte verärgert638, Ernst Ludwig v. Gerlach wurde gar erst am 6. Dezember auf der Bahnfahrt nach Potsdam davon überrascht639. Der Verfassungsoktroi war der Ausgangspunkt der Spaltung des preußischen Konservativismus in einen reformorientierten staatskonservativen Flü631

NPZ Nr. 97, Sa. 21.10.1848; zur Streichung der Formel vgl. zuletzt Nitschke, Volkssouveränität, S. 196–198; anders Böhr, Verfassungsarbeit, S. 99–101; siehe auch Schwentker, Vereine, S. 120. 632 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 495; siehe dazu Schwentker, Vereine, S. 72. 633 Vgl. Schwentker, Vereine, S. 72/73. 634 Vgl. ausf. Nachlaß Nrr. 4025 und 4091 (unsortiert); siehe dazu Schwentker, Vereine, S. 67–69 und 75–81. 635 Wagner, Erlebte I, S. 36. 636 Vgl. dazu aus. Kraus, Gerlach, S. 443–467. 637 Vgl. z. B. „Was haben wir gewonnen?“ In: NPZ Nr. 125, Do. 23.11.1848, S. 1. 638 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 257. 639 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 143/44.

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gel, deren einer Exponent Minister Otto v. Manteuffel war, und den dogmatischen Altkonservativen unter Ludwig v. Gerlach640. Trotzdem stand für die Altkonservativen eine aktive Mitarbeit im künftigen Landtag außer Frage, zumal eine Revision der Verfassung anstand, von der sie sich sehr viel versprachen641. Zunächst ging es jedoch vor allem darum, der Linken den Wind aus den Segeln zu nehmen, die in der Schlußphase der Debatten der preußischen Nationalversammlung eindeutig den Ton angegeben hatten642. Zu diesem Zweck kam es seit Mitte November 1848 zu einer Kooperation zwischen der Rechten der preußischen Nationalversammlung und der außerparlamentarischen konservativen Opposition mit dem Ziel, künftig eine linke Parlamentsmehrheit zu verhindern und der vereinigten Linken eine vereinigte Rechte entgegenzustellen 643. Allerdings gründeten die Altkonservativen ein eigenes zentrales Wahlkomitee644: Ludwig v. Gerlach veröffentlichte ihr Wahlprogramm in der Kreuzzeitung645, in dem er die wahren von den angeblichen Pseudo-Konservativen abgrenzte646. Gerlachs Programm erwies sich jedoch auch bei den Altkonservativen nicht als konsensfähig, weil Ludwig v. Gerlach bei seiner Ablehnung der oktroyierten Verfassung blieb, während u. a. sein Bruder Leopold, Hermann Wagener und Friedrich Julius Stahl diese befürworteten647. Im Rahmen des Wahlkampfes, im dem sich Graf Arnim außerordentlich engagierte648, veröffentlichte dieser am 18. Dezember seine (bereits erwähnte) Schrift „Die Verheißungen des 22sten März und die Verfassung vom 5ten Dezember“. Die Veröffentlichung erfolgte mit Genehmigung In640

Vgl. Gerlach, Briefe, S. 607/08; siehe dazu Canis, Gegenrevolution, S. 164/

65. 641

Vgl. Kraus, Gerlach, S. 463/64. Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 209–222. 643 „Koalitionspapier“. In: Nachlaß Nr. 4091, Bll. 111–113; siehe außerdem Nrr. 4091 und 4092, passim; vgl. dazu auch Schwentker, Vereine, S. 250–253. 644 Vgl. Savigny, Briefe I, S. 396; siehe dazu Schwentker, Vereine, S. 253. 645 NPZ Nr. 22, So. 27.01.1849, Beilage; siehe auch den Artikel „Welches ist die Aufgabe der Rechten bei der bevorstehenden Revision der Verfassung?“ In: NPZ Nr. 6, Di. 09.01.1849, Beilage. 646 „Die conservativen Philister bei den Wahlen“. In: NPZ Nr. 32, Do. 08.02.1849, Beilage; „Die Hauptkrankheit unserer Zeit“. In: NPZ Nr. 34, Sa. 10.02.1849, S. 1.; „Die conservativen Unterscheidungslehren und die Wahlen.“ In: NPZ Nr. 46, So. 24.02.1849, Beilage. 647 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 259; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 34; ders., Tagebuch, S. 144/45; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 463–65; Schwentker, Vereine, S. 240/41. 648 Dies bezeugen die 291 Blätter in Nachlaß Nr. 4091. 649 Vgl. Arnims Brief vom 16.12.1848 an Otto v. Manteuffel. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Otto v. Manteuffel Tit. II Nr. 3, Bll. 17 + 18; außerdem Manteuffel, Denkwürdigkeiten I, S. 68/69; siehe dazu Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 128. 642

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nenminister Otto v. Manteuffels649, was ihr einen hohen Stellenwert innerhalb des staatskonservativen Lagers zuweist. Darin rechtfertige Arnim nicht nur sein Verhalten in den Märztagen, sondern versuchte auch Perspektiven für die bevorstehende Revision der oktroyierten Verfassung aufzuzeigen, um „den König nicht in den Punkten gebunden erscheinen zu lassen, wo er frei ist.“650. Außerdem entwickelte Arnim hier erneut seine Verfassungsvorstellungen auf der Grundlage eines allgemeinen, aber ungleichen Wahlrechts651; statt einer gleichen forderte er eine „gerechte Verteilung der Mitwirkung bei der Wahl der Volksvertretung unter alle Klassen des Volks“652: Arnim bezeichnete dabei den Ausschluß etwa von Tagelöhnern von der Wahl als ein Unrecht653, andererseits aber die Einführung eines gleichen Wahlrechts als „ein noch größeres politisches Unrecht, denn (es) gibt den Anarchisten und Revolutionairs nicht allein die Waffen und Heere zur Revolution gegen die Regierung, sondern schon die Regierung selbst in die Hand.“654 Ein „gutes“ Wahlrecht mußte nach Arnims Auffassung verhindern, daß „durch die Masse der ungebildeten und von Aufwieglern oder Egoisten leicht irre geleiteten Wähler“ das „Resultat der Wahl“ gefährdet werde655. Außerdem betonte Arnim in typisch staatskonservativer Manier, daß er „in dem konstitutionellen Regimente eine starke Krone, gegenüber den anderen Staatsgewalten, für ein allgemeines, in Preußen aber für ein ganz besonderes Bedürfnis“ halte656. Darüber hinaus setzte sich Arnim, der selbst eine der größten Gutsherrschaften der Monarchie besaß, auch für „den größeren ländlichen Grundbesitz“ ein, dem es eine starke Stellung in der Ersten Kammer zu sichern gelte, denn die Hauptaufgabe dieser Kammer sei es, „die corporativen Interessen im Staate zu vertreten, und hier650

Verheißungen, S. VII. Vgl. Arnim, Verheißungen, bes. S. 19–39; vgl. dazu den erwähnten Brief Arnims vom 16.12.1848 an Otto v. Manteuffel; siehe dazu Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 119 und 127–130; Grünthal, Parlamentarismus, S. 37; Schilfert, Sieg, S. 40–54. 652 Arnim, Verheißungen, S. 20. 653 Damit wandte sich Arnim gegen Vorschläge wie den des Liberalen David Hansemann, das Kriterium der „Selbständigkeit“ so auszulegen, daß die unteren Klassen insgesamt von der Wahl ausgeschlossen würden; vgl. Hansemann, Verfassungswerk, S. 160; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 41. 654 Arnim, Verheißungen, S. 23. Arnim plante besonders, die Stimmen der unteren Stimmen abzuwerten; vgl. dazu Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 128; Schwentker, Vereine, S. 315. Arnims Vorschlag wurde in der Paulskirche und in den Debatten über das preußische Kommunalwahlrecht aufgegriffen; vgl. Boberach, Wahlrechtsfragen, S. 132 und 137. 655 Ebd., S. 34. Damit war für den Grafen natürlich die Bildung einer konservativen Regierung gemeint. 656 Ebd., S. 60. 657 Ebd., S. 69. 651

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durch zugleich in ihr das der Korporation eigentümliche conservative Element fest zu gründen.“657 Mit derartig gebildeten Kammern sei die Gewährleistung konservativer Politik möglich, daß nämlich „die organische natürliche Entwicklung der Staats-Einrichtungen an die Stelle des Mechanischen, des Gemachten trete“658. Diese Verfassungsvorstellungen fußten auf Arnims Plänen aus den 1840er Jahren und orientierten sich (u. a. bei der Befürwortung des allgemeinen Wahlrechts) an dem Bestreben, die Linke nicht übermäßig zu reizen659. Die Wahlen fielen für die Konservativen weitaus günstiger aus als die des Jahres 1848: In der Ersten Kammer zeigte die Mehrheit „eine conservative Stimmung“660. Auch in der Zweiten Kammer waren (anders als in der preußischen Nationalversammlung) führende Konservative vertreten, darunter Graf Arnim, Bismarck und Kleist-Retzow661. Trotzdem sprach Ludwig v. Gerlach von einer Niederlage662, zumal es nicht zur Bildung einer konservativen Fraktion kam663. Vielmehr standen sich lediglich eine rechte und eine linke Fraktion gegenüber, wobei die Gesamtrechte eine knappe Mehrheit hatte664. Allerdings waren auch viele Abgeordnete der „Linken“ der preußischen Nationalversammlung gewählt worden, so daß die Kontinuität noch nicht völlig gebrochen war665. Graf Arnim, der einer der fünfzehn Führer der gesamtrechten Fraktion „Stadt London“ war666, schlug gleich zu Beginn der Session in einer Parteiversammlung vor, „eine äußerste Rechte müsse sich absondern, dann wäre jeder Grund zu einer weiteren Trennung abgeschnitten. Er selbst sei bereit, diese Rechte zu bilden, er wolle das Odium auf sich nehmen, sich an die Spitze derselben zu stellen; sehr wohl wisse er, welchen Haß er sich dadurch auflade und daß er bei einem Siege der Roten als erstes Opfer fallen würde. Er wisse auch, daß er nicht so weit gehe, als die Männer der 658

Ebd., S. 81. Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 39. Eine andere Auffassung als Graf Arnim vertraten die 15 Unterzeichner eines Vorschlags zur Abänderung der Wahlgesetze für die Erste und Zweite Kammer; vgl. Nachlaß Nr. 4039, Bll. 3 + 4. 660 Vgl. Gerlachs Rundschau vom April 1849 in der NPZ. 661 Vgl. Kap. III.2.d). 662 Vgl. Leopold v. Gerlach am 05.03.1849 an Ludwig v. Gerlach. In. Gerlach, Briefe, S. 626; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 470/71; Schwentker, Vereine, S. 267. 663 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 286 und 302; NPZ Nr. 46, Sa. 24.02.1849, Beilage; NPZ Nr. 47, So. 25.02.1849, Beilage (Victor Aimé Huber); siehe dazu Schwentker, Vereine, S. 267/68 und 271. 664 Vgl. zur Ausbildung der Parteiungen im Frühjahr 1849 Botzenhart, Parlamentarismus, S. 45–462.; Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 18; Kraus, Gerlach, S. 468–475; Parisius, Parteien, S. 10; Schwentker, Vereine, S. 270–272. 665 Vgl. Richter, Revolution, S. 640. 666 Vgl. Parisius, Parteien, S. 10. 659

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äußersten Rechten, aber er sei bereit, dem Vaterland das Opfer zu bringen.“667 Dieser Vorschlag wurde abgelehnt, weshalb zur Rechten z. B. auch der Freiherr v. Vincke gehörte, der im Vereinigten Landtag noch Oppositionsführer gewesen war. Die Rechte verpflichtete ihre Mitglieder auf ein absichtlich kurz gefaßtes Programm, in dem erstens die Verfassung vom 5. Dezember 1848 anerkannt und zweitens das Prinzip der konstitutionellen Monarchie unter der erblichen Regierung des Hauses Hohenzollern befürwortet wurde668. Durch den ersten Punkt grenzte sich die Rechte von den Linksliberalen ab und durch den zweiten von den konservativen „Ultras“, einem Teil der Altkonservativen, bei denen der Konstitutionalismus nach wie vor auf Ablehnung stieß. Die Beschränkung auf diese Abgrenzung zeigt besonders deutlich den Zweckcharakter dieser Fraktionsbildung. Eine der wichtigsten Integrationsfiguren war Graf Arnim, der als gemäßigter konservativer Reformer und Aristokrat im guten Sinne von den gemäßigten Liberalen geschätzt wurde669. Auf der anderen Seite wurde er auch von den Altkonservativen zeitweilig akzeptiert670. Allerdings war Ludwig v. Gerlachs Hauptziel die Sammlung der Konservativen „um ein Parteihaupt“, wobei er stillschweigend sich selbst als Führungspersönlichkeit im Auge hatte671. Da sich daraus Konflikte mit den Gemäßigten ergeben mußten, war es nur eine Frage der Zeit, bis das rechte Zweckbündnis auseinanderbrechen würde. Zunächst zeigte sich die Überlegenheit der Rechten in der Zweiten Kammer in ihrem Erfolg bei der Wahl des Präsidenten: Ihr Kandidat Wilhelm Grabow siegte mit 171 gegen 158 Stimmen über Hans Victor v. Unruh672. 667

Fischer, Geschichte, S. 189. Gedruckte Fassung des Programms vom 26.02.1849 mit 153 Unterschriften in: Nachlaß Nr. 4097, Bl. 12. 669 Vgl. Deutsche Zeitung Nr. 95, 05.04.1849, 2. Beilage. In: Nachlaß Nr. 3779, Bll. 49 + 50. 670 Leopold v. Gerlachs schrieb am 20.03.1849 an Ludwig v. Gerlach: In der Zweiten Kammer „führen Vincke, Bodelschwingh, Arnim-Boitzenburg. Lauter sehr bedenkliche Leute. Der einsichtsvollste dieser Führer ist offenbar Arnim, soviel auch gegen ihn zu sagen ist. Schon darum, weil er nicht vom ,deutschen Hund‘ gebissen, sondern der Paulskirche entsagt hat.“ [Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 627–629] 671 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 472. 672 2. K. 1849, S. 67. 673 Nachdem Milde zu Beginn kurze Zeit dieses Amt bekleidet hatte, war Grabow von der Rechten die meiste Zeit Präsident der Nationalversammlung. Ihm folgte in den letzten Wochen Unruh, der Führer eines der linken „Zentren“; vgl. dazu Nitschke, Volkssouveränität, S. 49/50. Bedenkt man, daß Grabow im Verfassungskonflikt als Exponent der liberalen Opposition das Präsidentenamt bekleidete [Vgl. Kap. V.2.], zeigen die Präsidiumswahlen auch, daß die Liberalen im Frühjahr 1849 insgesamt noch deutlich stärker waren als die Konservativen, zumal auch Auerswald, der sich als erster Vizepräsident gegen den Linken Waldeck durchsetzte, 668

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Beide waren Liberale und bereits in der preußischen Nationalversammlung Parlamentspräsidenten gewesen673. In der Folgezeit lockerte sich, wie es Graf Arnim befürchtet hatte, bereits im April 1849 der Zusammenhalt der Rechten. Allmählich separierten sich am linken Flügel zwei gemäßigte Fraktionen674, und schließlich spalteten sich nicht die Altkonservativen von der Rechten ab, sondern die gemäßigten Fraktionen Wentzel und Harkort675. Als Reaktion darauf wurde das Programm der Rechten spezifiziert676: Bei der Revision der Verfassung sollten die Befugnisse der Krone bzw. der Regierung nicht geschmälert werden677. Außerdem wurde eine „Abänderung des Wahlgesetzes in einer die Vertretung der verschiedenen Interessen in gerechtem Verhältnisse möglichst sichernden Weise“ befürwortet. Darüber hinaus sollten bei der Verabschiedung der Agrargesetze und der Kommunalordnung die Rechte der Grundbesitzer angemessen berücksichtigt werden. Schließlich wurde „in den Verhältnissen Preußens zu anderen Staaten“ eine „kräftige, unabhängige, deutsche und redliche Politik“ befürwortet, womit die unterschiedlichen Ansichten über die Deutsche Frage verdeckt wurden. Organisatorisch wurde die Rechte durch den Beschluß umstrukturiert, „sich in einzelnen politisch genauer bestimmten Gruppen zu gliedern, welche untereinander in Verbindung bleiben sollen.“678 Als weitere Reaktion auf den Zerfall der parlamentarischen Rechten wurde nach mehrmonatiger Pause für den 27. März 1849 erneut eine Generalversammlung des „Vereins für König und Vaterland“ einberufen679, in der heftig über das Verhältnis des Vereins zur Rechten der Zweiten Kamund Lensing, der mit knapper Mehrheit zweiter Vizepräsident wurde [Vgl. 2. K. 1849, S. 67/68], keine Konservativen waren. 674 Vgl. „Herr v. Vincke als Führer der Rechten“. In: NPZ Nr. 83, Di. 10.04.1849, Beilage. Siehe auch „Die Conservativen in den Kammern“. In: NPZ Nr. 84, Mi. 11.04.1849, Beilage, und in: NPZ Nr. 85, Do. 12.04.1849, Beilage. Die Artikel waren gezeichnet von „V.A.H.“ Siehe außerdem NPZ Nr. 87, Sa. 14.04.1849, Beilage. 675 Vgl. Parisius, Parteien, S. 5. 676 Entwurf in: Nachlaß Nr. 4097, Bll. 10 + 11; Reinschrift ebd., Bll. 14 + 15; dort auch das Folgende. 677 An dieser Stelle zeigt sich deutlich der dominierende Einfluß der Staatskonservativen gegenüber den Altkonservativen, denen eine vom Adel dominierte Erste Kammer wichtiger war als eine starke Regierung. Dagegen hatte Arnim in seinem Entwurf sogar von der „Erhaltung des Staats unter allen Umständen und vor allem anderen“ gesprochen. Diese Fixierung auf den Staat war wohl Altkonservativen wie Liberalen gleichermaßen zu weit gegangen. 678 Diese lockere Form des Zusammenschlusses behielten die Konservativen bis 1866 (bzw. 1876) bei. 679 Vgl. NPZ Nr. 85, Do. 12.04.1849; Beilage; siehe dazu Schwentker, Vereine, S. 277.

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mer gestritten wurde, obwohl im „Königsverein“ nicht die Altkonservativen Ludwig v. Gerlach, Kleist-Retzow oder Bismarck den Ton angaben, sondern die Staatskonservativen Graf v. d. Goltz, Graf Arnim und BethmannHollweg680. Diese versuchten im April 1849 erneut, „im Verein mit patriotischen Männern“ ein „Central-Comitee“ in Berlin zu bilden, das sich „mit den monarchisch-constitutionellen Wahlmännern und Urwählern im ganzen Lande in Verbindung zu setzen, auf Bildung von Vereinen unter denselben hinzuwirken und ihre Leitung zu übernehmen habe.“681 Auch in der Folgezeit blieb der „Verein für König und Vaterland“ recht aktiv und verabschiedete u. a. eine Adresse an die Zweite Kammer mit der Bitte, den Belagerungszustand in Berlin nicht zu früh aufzuheben682, und eine Adresse an König und Ministerium zur Deutschen Frage683. Schließlich wurde das lange geplante „Central-Comitee der monarchisch-konstitutionellen Vereine“ gegründet, das für den 22./23. Mai 1849 zu einer „General-Versammlung“ nach Potsdam einlud684. Allerdings wurde dieses zu einem Zeitpunkt gegründet, als die Bedeutung der konservativen Vereine bereits wieder abnahm: Auf Grund des Wahlrechtsoktrois im Sommer 1849 und des folgenden Politikboykotts der Linken685 hatten die Konservativen jedoch die außerparlamentarische Arbeit nicht mehr nötig686. Außerdem hemmte das neue Vereinsgesetz vom 29. Juni 1849 auch die Arbeit der konservativen Vereine687. In der Folgezeit erschien darum lediglich noch eine Erklärung des Zentralausschusses von größerer Bedeutung in der Kreuzzeitung688. Schließlich legte eine restriktive

680

NPZ Nr. 85, Do. 12.04.1849, Beilage. Diese traten allerdings 1849 zurück, wenn sie auch noch vorläufig im Amt blieben; am 08.12.1852 erhielt Graf Arnim einen Brief vom Vorstand des Vereins für König und Vaterland. In: Nachlaß Nr. 4109, Bll. 13–15. 681 Ebd. Der entsprechende Antrag wurde „fast einstimmig“ angenommen. 682 NPZ Nr. 90, Mi. 18.04.1849, Beilage. 683 NPZ Nr. 92, Sa. 21.04.1849, Beilage. Vgl. dazu auch „Preußens Verhältnis zu Deutschland. Denkschrift des Preußen-Vereins für constitutionelles Königthum.“ Berlin (o. J.) [1848]. In: Nachlaß Nr. 4090, Bll. 18–25; Briefe Arnims ebd., Bll. 40 + 41. 684 NPZ Nr. 115, So. 20.05.1849, Beilage. 685 Vgl. ausf. Kap. III.3. 686 Dies zeigt sich an der Entwicklung der Mitgliederzahlen der konservativen Vereine: Diese verdoppelten sich im ersten Halbjahr 1849, erreichten im Mai 1849 einen Höhepunkt und gingen dann wieder zurück; vgl. Schwentker, Vereine, S. 321/ 22. 687 Vgl. GS 1849, S. 221–225. 688 NPZ Nr. 241, Mi. 17.10.1849. 689 Vgl. Schwentker, Vereine, S. 334; das Vereinsgesetz vom 11.03.1850. In: GS 1850, S. 277–283.

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Vereinsgesetzgebung im März 1850 auch die konservativen Organisationen lahm689. Die Auflösung der Zweiten Kammer am 27. April 1849 kam den Konservativen, die zuletzt keine Aussicht auf eine Mehrheit gehabt hatten, sehr gelegen690. Während die Linke aus dem Untergrund vehement gegen diesen „zweiten Staatsstreich“ der Regierung protestierte und zum Boykott der Wahlen aufrief691, rechtfertigte Graf Arnim die Auflösung mit den schwankenden Mehrheiten der Kammer und sprach die Hoffnung aus, „daß das von schweren Stürmen bewegte Vaterland der Segnungen der Freiheit theilhaftig werde, welche ein Volk nur genießen kann, wenn Gottesfurcht, wenn Achtung vor dem Gesetze, wenn Gerechtigkeit und Gemeinsinn die Träger seines öffentlichen Lebens sind.“692. Er konnte mit dem neuen Wahlgesetz zufrieden sein, denn ganz in seinem Sinne wurde zwar fast niemand von den Wahlen ausgeschlossen, jedoch der Einfluß der Ärmeren deutlich vermindert worden. In der Tat waren die Konservativen zufrieden693, und auch Ludwig v. Gerlach hielt sich mit seiner Kritik zurück694. Durch die Wahlen vom 17. Juli 1849, bei denen die Wahlbeteiligung trotz des Aufrufs der Linken zum Wahlboykott nicht außergewöhnlich gering war695, erhielt die Zweite Kammer eine weitaus konservativere Zusammensetzung696. Der Eröffnung der Kammern am 8. August sahen die Konservativen darum relativ gelassen entgegen697. Die äußerste Rechte, deren anerkannter Führer Graf Arnim wurde, war mit etwas mehr als 100 Mandaten annähernd doppelt so stark geworden wie die zur Linken gewordenen gemäßigten Liberalen698. Da jedoch die Konservativen nach wie vor keine 690 Vgl. dazu Arnims Rundschreiben vom 03.05.1849, mit dem er die parlamentarische Rechte zu festigen versuchte, in: Nachlaß Nr. 4101, Bl. 1. 691 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 46/47; Paschen, Vereine, S. 146– 149; Richter, Revolution, S. 641. 692 Aufruf Arnims an seine Wähler über die Auflösung der Zweiten Kammer. In: Nachlaß Nr. 4101, Bll. 2 + 3; siehe auch Nachlaß Nr. 4097, Bll. 2 + 3, Nr. 4099, Bll. 1 + 2; Vorarbeiten ebd., Bll. 3–7. 693 „Das Wahlgesetz“. In: NPZ Nr. 160, Fr. 13.07.1849, S. 1; NPZ Nr. 161, Sa. 14.07.1849, Beilage; NPZ Nr. 162, So. 15.07.1849, Beilage; NPZ Nr. 164, Do. 19.07.1849, Erste Beilage; „Was wählen wir?“ In: NPZ Nr. 165, Fr. 20.07.1849, Beilage; „Was soll nun werden?“ In: NPZ Nr. 170, Do. 26.07.1849, Beilage. 694 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 61; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 63; Kraus, Gerlach, S. 474/75. 695 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 97–106; Kraus, Gerlach, S. 488/89. 696 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 107; Schwentker, Vereine, S. 331. 697 Vgl. NPZ Nr. 181, Mi. 08.08.1849, S. 1; vgl. auch „Was wir von den Kammern verlangen.“ In: NPZ Nr. 182, Do. 09.08.1849, Beilage; NPZ Nr. 183, Fr. 10.08.1849, S. 1. 698 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 108.

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Mehrheit hatten, wurde in der Zweiten Kammer wieder eine gesamtrechte Fraktion gebildet, weshalb Ludwig v. Gerlach es bedauerte, daß es immer noch an einem festen organisatorischen Zusammenschluß der Konservativen mangele699. Während die Konservativen auf ihre liberalen Verbündeten Rücksicht nehmen mußten, brachten sie den „Söhnen des Egoismus“ auf der Linken nur Verachtung entgegen700. Dies zeigte sich in den Debatten in der Zweiten Kammer über das Budgetrecht701, in denen sich der liberalkonservative Grundkonsens über die Verurteilung der Revolution hinaus als nicht tragfähig erwies702. Obwohl letzten Endes die Konservativen in beiden Kammern unter der Führung Stahls und Ludwig v. Gerlachs einerseits, Arnim-Boitzenburgs und Kleist-Retzows andererseits die Fäden in der Hand behielten, womit sie ihren „Hauptsieg“ errangen703, kam es dennoch zu einer Verhärtung der Fronten704. Auf der anderen Seite kam es im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Arnimschen Schrift „Über die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung“705 zu einer Annäherung Arnims und Ludwig v. Gerlachs. Dieser schrieb in seiner „September-Rundschau“: „Und ist noch ein Wort hinzuzufügen, so wäre es unser aufrichtiger Dank gegen den Staatsmann, der in den letzten Tagen in edlem Stolz einen Fehler, dessen er . . . sich bewußt war, vor dem ganzen Land frei bekannt hat. . . . Der Premier-Minister der März-Verheißungen deutet erst die ,breitesten Grundlagen‘ in einem sehr vernünftigen, aber eben deshalb sehr antimärzlichen Sinne und bekennt dann als ehrlicher Mann seinen Irrthum, den Eid der Armee auf die Verfassung ,verheißen‘ zu haben, – ein Bekenntniß, für welches der Rundschauer ihm von Herzen dankt, und welches dem Bekenner hoffentlich durch Muth und Kraft zu noch mehreren gleichen Bekenntnissen gelohnt werden wird. 699

Vgl. Schwentker, Konservative Vereine, S. 239/40. Am 31.08.1849 ist in der NPZ Nr. 201 im Leitartikel unter der Überschrift „Selbstsucht, nichts als Selbstsucht“ vom „Gewichte der beiden ,äußersten‘ Parteien“ die Rede, wobei den „Söhnen des Egoismus“ mit auf den Weg gegeben wird: „Wir achten sie nicht, wir fürchten sie nicht, wohl wissend, daß sie der Ballast jeder siegreichen Partei sind.“ 701 Vgl. Kap. III.3.b); außerdem NPZ Nr. 224, Do. 27.09.1849, Beilage; NPZ Nr. 245, So. 21.10.1849. 702 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 134. 703 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 78; ders., Tagebuch, S. 225/26; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 111; Kraus, Gerlach, S. 497/98. 704 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 510. 705 Arnim, Vereidigung; vgl. die Dankadresse des constitutionellen Vereins zu Stettin vom 17.09.1849. In: Nachlaß Nr. 4098, Bll. 8 + 9; „Die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung“. In: NPZ Nr. 212, Do. 13.09.1849, S. 1; NPZ Nr. 231, Fr. 05.10.1849, S. 1; NPZ Nr. 232, Sa. 06.10.1849, S. 1. 700

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Sich selbst besiegen ist mehr als Städte bezwingen, und Sünde bekennen ist Wirkung des Geistes Gottes im Herzen.“706 Selten war Ludwig v. Gerlach nach einer politischen Handlung Arnims derart zufrieden707. Außerdem äußerte sich Arnim ganz im Sinne der Militärpartei, wenn er den „Geist in der preußischen Armee“ beschwor und den Wunsch aussprach, „daß das preußische Heer nach wie vor nur seinem Königlichen Kriegsherrn Treue schwöre.“708 Dagegen zeigten sich in der „Oberhausfrage“ erste Risse im konservativen Lager, als sich die Altkonservativen nicht durchsetzen konnten709, weil viele Staatskonservative eine Machtkonzentration des ritterschaftlichen Großgrundbesitzes in der Ersten Kammer mit Skepsis beurteilten. Die Folge war eine Trennung der Separierung von Staats- und Altkonservativen. Jene sorgten im Sinne Brandenburgs und Manteuffels dafür, daß die Oberhausfrage vertagt und somit das Ministerium vom Druck der äußersten Rechten befreit wurde710. In der Staatskrise ab dem 20. Dezember versuchten die Altkonservativen ein letztes Mal, ihre Verfassungsvorstellungen durchzusetzen. Ihren Plan, die Abneigung des Königs gegen den Verfassungseid als Hebel gegen den preußischen Konstitutionalismus insgesamt zu nutzen711, beantwortete das Ministerium Brandenburg mit einer Rücktrittsdrohung712. Die „Kamarilla“ nahm die Herausforderung zunächst an und versuchte ein neues Ministerium zusammenzustellen. Allerdings war ein „Ministerium Gerlach“ wohl ohne Chance auf Realisierung713, und auch General Stockhausen, der den Altkonservativen als einzige weitere Alternative einfiel, war keine überzeugende Alternative zum Grafen Brandenburg714. Als dann gar ein Ministe706 „Septemberrundschau“. In: NPZ Nr. 225, Fr. 28.09.1849, Beilage; Hervorhebung im Original; siehe außerdem „Februar-Rundschau“. In: NPZ Nr. 38, Do. 15.02.1849, Beilage; „Ob Vereidigung des Militairs auf die Verfassung, oder nicht?“ In: NPZ Nr. 61, Mi. 14.03.1849, Beilage. 707 „Wir freuen uns seines Sieges, und seiner Mahnung werden die dankbaren Zuhörer nicht fehlen.“ hieß es in der „September-Rundschau“ (a. a. O.). 708 Arnim, Vereidigung, S. 12 und S. 13. 709 Vgl. das folgende in Kap. III.3.b). 710 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 383; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 237/38; siehe Grünthal, Parlamentarismus, S. 157–159. 711 Vgl. dazu Kap. III.3.c). 712 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 89. 713 Vgl. Meyendorff, Briefwechsel II, S. 249–251; Varnhagen, Tagebücher VII, S. 4 und 19. Laut Ludwig v. Gerlachs Erinnerungen „schrien“ die „feindlichen Zeitungen“ ihn „in diesen Tagen an: ,Hervor hinter den Kulissen! Auf die Bühne! Regieren ist ein sauer Brod, schwerer als Rundschauen schreiben!‘“ Aufzeichnungen II, S. 510; vgl. auch Kraus, Gerlach, S. 510. 714 Vgl. zum Kandidaten Stockhausen Jordan, Umwandlung, S. 99.

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rium Arnim-Boitzenburg als einzige ernsthafte Alternative zum Ministerium Brandenburg erschien, welches der Gerlach-Kreis auf keinen Fall wünschte, resignierte die altkonservative „Kamarilla“ nach zwei Wochen715, zumal Stahl darauf hinwies, daß von der Unionsverfassung noch weniger zu erhoffen sei als von der preußischen716. Damit war der altkonservative Angriff auf den preußischen Konstitutionalismus gescheitert717. Es hatte sich gezeigt, daß die Annäherung Ludwig v. Gerlachs an Arnim im September 1849 Episode blieb und im Winter 1849/50 wieder tiefes Mißtrauen die Altkonservativen von dem staatskonservativen Boitzenburger trennte. Ursache dafür war, daß Arnim zwar „eine aristokratische Richtung“ verfolgte, aber (anders als Gerlach) auch „ein Mann der Reform“ war718. Im Ringen um die königlichen Propositionen verschärfte sich der Gegensatz zwischen Arnim und den Gerlachs, wobei im Zentrum erneut die Oberhausfrage stand719. Zwar scheiterte zunächst die „Transaktion Camphausen“ auf Grund massiver Proteste der Altkonservativen720, doch wurde anschließend hinter dem Rücken der altkonservativen Kamarilla von Radowitz das „Amendement Arnim“ ausgearbeitet721. Ludwig v. Gerlach, der wie Leopold v. Gerlach und Friedrich Wilhelm v. Rauch bewußt von den Verhandlungen ausgeschlossen worden war722, beklagte sich über „Camarilla im Quadrat!“723 Leopold v. Gerlach mokierte sich zwar über 715 Leopold v. Gerlach am 08.01.1850 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 648–650; vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 386/87 und 405/06; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 85 und 89; ders., Tagebuch, S. 240, 247 und 250; siehe auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 161; Jordan, Umwandlung, S. 93; Kraus, Gerlach, S. 511. 716 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 398; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 244/45. 717 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 401. Am gleichen Tage wurde in einem Leitartikel der Kreuzzeitung jede Form der Willkürherrschaft abgelehnt, ob sie „von Einem“ ausgehe „oder von liberalen Kammer-Majoritäten“ [NPZ Nr. 4, Fr. 04.01.1850, S. 1]. 718 Vgl. Steinmann, Geschichte, S. 385. 719 Vgl. Kap. III.3.c). 720 Friedrich Wilhelm IV. am 16.01.1850 an Ludolf Camphausen. In: Brandenburg, Briefwechsel Friedrich Wilhelms IV. mit Camphausen, S. 208/09; vgl. „Die Transaktion Camphausen“. In: NPZ Nr. 17, So. 20.01.1850, S. 1; „Zu den Vermittlungs-Vorschlägen“. In: NPZ Nr. 19, Mi. 23.01.1850, S. 1; „Der Tauschhandel Camphausen“, ebd.; siehe auch Caspary, Camphausen, S. 351–354; Jordan, Umwandlung, S. 107–111; Grünthal, Parlamentarismus, S. 169; Kraus, Gerlach, S. 508– 511. 721 Vgl. Otto v. Manteuffels kurzes Schreiben vom 25.01.1850 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4107, Bl. 6. 722 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 511. 723 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 252; ders., Aufzeichnungen II, S. 93; vgl. Kraus, Gerlach, S. 511/12.

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die „nichtsnutzigen Motive“ Arnims, schwenkte aber auf die Linie des Ministeriums ein724, ebenso Kleist-Retzow725, weshalb Ludwig v. Gerlach entnervt den „Bankrott unserer Partei!“ beklagte726. Die Revision der Verfassung bedeutete darum zwar im Endergebnis eine „Niederlage“ der Liberalen, doch konnten sich auch die Altkonservativen als besiegt fühlen727, weshalb Graf Arnim bei den Gerlachs endgültig in Ungnade fiel728. Dieses Verhalten war nur bedingt gerechtfertigt. Graf Arnim schrieb am 9. Februar an Alvensleben, daß vor allem Otto v. Manteuffel gegen die Propositionen gewesen sei, während er ihn lediglich über die „Stimmungen der Kammern“ informiert habe729. Auch Radowitz, der ja mit seiner „Transaktion“ für den Erfolg der Verfassungsrevision gesorgt hatte, fühlte sich im Frühjahr 1850 nicht als Sieger730. Die eigentliche Sieger waren das Ministerium, das sich gegenüber den Altkonservativen behauptet hatte, und die mit ihm verbündeten Staatskonservativen, die sich in der Staatskrise des Winters 1850 von den Altkonservativen getrennt hatten731. Allerdings bestand ihnen noch eine Zerreißprobe in Form der Deutschen Frage bevor, die Preußen im Jahre 1850 in eine erneute Krise stürzte.

724

Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 416–418. Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 252/53. 726 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 252. Zwei Tage später stimmten nur zwei Konservative mit ihm gegen den Vermittlungsvorschlag. 727 „Vermittlungen“. In: NPZ Nr. 23, Di. 29.01.1850: „Es ist ein gefährliches Wegstück, den eigenen festen Standpunkt aufzugeben und sich auf den des Gegners zu stellen, um ihn von hier aus zu bekämpfen. – Aus dem ,Bekämpfen‘ wird unwillkürlich ein ,Vermitteln‘ und aus dem ,Vermitteln‘ eine Niederlage . . . Wann werden die ,wahren Conservativen‘ erkennen, daß die Zeit keine Vermittlung erträgt?! – Brust gegen Brust, dem Feinde ins Auge gesehen! Das ist die einzig richtige Stellung der ,wahren Conservativen‘!“ Vgl. Jordan, Umwandlung, S. 138. 728 Vgl. „Wen trifft die Schuld?“ In: NPZ Nr. 27, Sa. 02.02.1850; Varnhagen, Tagebücher VII, S. 49; siehe auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 171; Jordan, Umwandlung, S. 123; Kraus, Gerlach, S. 511/12. 729 Brief Arnims vom 09.02.1850 an Albrecht v. Alvensleben. In: Nachlaß Nr. 4107, Bll. 42–47. 730 Notiz vom 26.01.1850. In: Radowitz, Nachgelassene Briefe und Aufzeichnungen, S. 150; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 173/74. 731 NPZ Nr. 27, Sa. 02.02.1850; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 173. Grünthal verwendet allerdings die Bezeichnung „Konstitutionelle der Mitte“; vgl. ebd., S. 178, Anm. 15. 732 Vgl. zu den Ereignissen im Jahre 1849 ausf. Kap. III.3.d). 725

4. Die Formierung der Konservativen

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d) Die Konservativen und die Deutsche Frage Schon im März 1849 gab es Differenzen im konservativen Lager wegen der Deutschen Frage732: Ende März setzten die Altkonservativen dann ihre Auffassung, die Kaiserkrone der Paulskirche ohne wenn und aber abzulehnen, gegen eine Gruppe gemäßigter Konservativer um Bunsen und Bethmann-Hollweg durch, die Friedrich Wilhelm IV. zu einer bedingten Annahme der Krone hatten überreden wollen. Und als Rodbertus seinen Antrag auf Anerkennung der deutschen Reichsverfassung einbrachte, zeigten sich erneut Differenzen zwischen dem Grafen Arnim und Altkonservativen wie Bismarck und Kleist-Retzow: Während diese gegen den Antrag sowie alle Amendements und für den „einfachen“ Übergang zur Tagesordnung votierten, beantragte Graf Arnim einen „motivierten“ Übergang zur Tagesordnung und begründete seinen Antrag in einer tiefbewegten Befürwortung der deutschen Einheit. Die im Sommer 1849 einsetzende Radowitzsche Unionspolitik, die durch das Zerwürfnis der Gerlachs mit Radowitz Ende April belastet wurde733, führte zu einem Ringen verschiedener konservativer Gruppen um die Gunst des Königs. Die Folge war eine lebhafte Kontroverse in der Kreuzzeitung, die vor allem deutlich machte, wie sehr die Deutsche Frage das konservative Lager spaltete734. Dabei gingen die Altkonservativen davon aus, daß der Deutsche Bund „zu Recht“ und „thatsächlich“ weiterbestehe 735. Seine Seele aber sei die Einigkeit zwischen Österreich und Preußen, die durch das Frankfurter „Verfassungs-Projekt“ gestört werde. Darum bedeute die Annahme dieser 733 Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 315 f.; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 53; vgl. Petersdorff, Joseph von Radowitz und Leopold von Gerlach, S. 130–148. 734 Vgl. dazu „Preußen und die deutsche Einheit“. In: NPZ Nr. 121, So. 27.05.1849, S. 1; „Österreich, Preußen und die deutsche Einheit“. In: NPZ Nr. 123, Do. 31.05.1849, Beilage; „Juni-Rundschau“. In: NPZ Nr. 131, Sa. 09.06.1849, Beilage, und NPZ Nr. 132, So. 10.06.1849, Beilage; „Der Rundschauer und die deutsche Einheit“. In: NPZ Nr. 137, Sa. 16.06.1849, Beilage, und Nr. 138, So. 17.06.1849, Beilage; „Der Rundschauer und seine Gegner“. In: NPZ Nr. 147, Do. 28.06.1849, Beilage; „Juli-Rundschau“. In: NPZ Nr. 166, Sa. 21.07.1849, Beilage, und Nr. 167, So. 22.07.1849, Beilage, und Nr. 168, Di. 24.07.1849, Beilage; „Der Juli-Rundschauer und Preußens Politik“. In: NPZ Nr. 183, Fr. 10.08.1849, Beilage, und NPZ Nr. 184, Sa. 11.08.1849, Beilage, und NPZ Nr. 185, So. 12.08.1849, Beilage; „Es will uns nicht geziemen“. In: NPZ Nr. 184, Sa. 11.08.1849, S. 1; „Der Gegner des Rundschauers“. In: NPZ Nr. 185, So. 12.08.1849, S. 1; „Unser gegnerischer Freund“. In: NPZ Nr. 186, Di. 14.08.1849, S. 1. Siehe auch „Die Rolle des General v. Radowitz“. In: NPZ Nr. 198, Di. 28.08.1849, S. 1 und Beilage; „Das Vertrauensvotum“. In: NPZ Nr. 199, Mi. 29.08.1849, S. 1. 735 NPZ Nr. 121, So. 27.05.1849, S. 1. Dort auch die folgenden Zitate.

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Verfassung, „den Bund brechen, sich dem Radicalismus in die Arme werfen, sich mit Oesterreich und Rußland verfeinden, und zwar so, daß Recht und Macht auf Oesterreichs und Rußlands Seite ist.“ Letzten Endes drohe Preußen durch die Unionspolitik unterzugehen „und Deutschland mit ihm“. Demgegenüber war für die Staatskonservativen die Verfassung des Deutschen Bundes, „durch welche allein er in seinen wesentlichen Beziehungen zur Geltung“ komme, „mit Zustimmung der Bundesmitglieder mindestens faktisch und mit voller rechtlicher Wirkung für die Regierungen in ihrem wechselseitigen Verhältnisse aufgehoben, damit eine neue an ihre Stelle tritt.“736 Deshalb sei es richtig, daß Preußen mit Hilfe der wesentlich modifizierten Verfassung der Paulskirche zur Überwindung der Anarchie in Deutschland beitrage. Obwohl „in der Art, wie das Nationalitäts-Prinzip in dieser Zeit hervorgehoben wird, Schwindelhaftes und zur Verdeckung der wahren Gelüste Erheucheltes“ enthalten sei, liege darin auch „etwas Berechtigtes“, das „ohne Unrecht und ohne die äußere Gefahr nicht verkannt werden“ dürfe. Trotz dieser unüberbrückbaren Differenzen hielten sich die Altkonservativen im Sommer 1849 deutlich zurück, was wohl auf die Demissionshaltung des Ministeriums zurückzuführen ist, hinter der Radowitz stand737. Angeblich beabsichtigte das Kabinett, „nach Bekanntmachung des neuen Wahlgesetzes zurückzutreten“, als neuer Ministerpräsident wurde „Arnim-Boytzenburg“ genannt738. Trotzdem opponierten besonders die Brüder Gerlach auch während der Revision der Verfassung gegen die Unionspolitik739. Es verwundert deshalb nicht, daß die Konservativen auch in dem am 20. März 1850 zusammentretenden Erfurter Unionsparlament gespalten waren: Sowohl die Staatskonservativen als auch ein Teil der Altkonservativen um Stahl unterstützte die Regierung740. Dagegen lehnte die Gruppe um Ludwig v. Gerlach, Hans v. Kleist-Retzow und Otto v. Bismarck das Unionsprojekt ebenso ab wie die (zum Teil konservativen) Katholiken741. Zwar bemühte sich die Rechten, als Fraktion „Schlehdorn“ möglichst geschlossen aufzutreten742, doch stießen die Gegensätze intern schroff aufeinander743. 736

Vgl. NPZ Nr. 131, Sa. 09.06.1849, Beilage. Dort auch die folgenden Zitate. Vgl. Radowitz, Nachgelassene Briefe, S. 87/88. 738 Deutsche Reichszeitung (Braunschweig) Nr. 120, So. 20.05.1849, zitiert nach Grünthal, Parlamentarismus, S. 95; vgl. dazu das Entlassungsgesuch vom 03.06.1849 in: Manteuffel, Denkwürdigkeiten I, S. 126–129. 739 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 483–87. 740 Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 895/96. 741 Vgl. ebd.; siehe auch Kap. III.3.d). 742 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 519/20; auf dem unveröffentlichten Tagebuch Gerlachs basierend. 743 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 99/100. 737

4. Die Formierung der Konservativen

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Es fand sich dann aber ein gemeinsamer Nenner in einem Punkt: Die Unionsverfassung sollte auf keinen Fall „en bloc“ angenommen, sondern, wie die preußische Verfassung kurz zuvor, schrittweise „revidiert“ und somit von möglichst allen „revolutionären“ Elementen befreit werden, insbesondere von den Grundrechten744. Damit verknüpfte sich speziell für Gerlach auch die Hoffnung, dadurch Zeit zu gewinnen, denn es sei besser, „die Seifenblase platze hier, als künftig am Felsen der europäischen Verhältnisse“745. Obwohl die Unionsverfassung zunächst gegen die Stimmen der Rechten doch „en bloc“ angenommen wurde, erfolgte anschließend eine Revision der Verfassung746. Mit dieser Entwicklung waren die meisten Konservativen zufrieden, und auch Leopold v. Gerlach meinte nun, „daß die Dinge in Erfurt gut stehen.“747 Nur Ludwig v. Gerlach wollte in seiner Obstruktionspolitik verharren, worauf es am 4. April in der Fraktion zwischen ihm und Stahl zu einer erneuten Auseinandersetzung kam748. Obwohl sich Ludwig v. Gerlach danach etwas versöhnlicher zeigte749, wurde der Riß im konservativen Lager nicht behoben. Vielmehr wurde Gerlach weiter isoliert und versuchte in der Folgezeit vergeblich, gegen Radowitz Politik zu opponieren750; er geriet lediglich bei König in Ungnade751. Dagegen setzte sich Graf Arnim mit Erfolg dafür ein, daß Otto v. Manteuffel Nachfolger des verstorbenen Ministerpräsidenten Brandenburg wurde752, was seine Stellung innerhalb des staatskonservativen Lagers weiter festigte. Die Zusammenarbeit zwischen Otto v. Manteuffel und dem Grafen Arnim im Landtag sollte ein wesentliches Element der politischen Entwicklung der „Reaktionszeit“ werden.

744

Vgl. Kraus, Gerlach, S. 520. Brief Ludwig v. Gerlachs vom 25.03.1850 an Innenminister Otto v. Manteuffel. In: Gerlach, Tagebuch, S. 261. 746 Vgl. Kap. III.3.d). 747 Leopold v. Gerlach am 02.04.1850 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 667. 748 Droysen, Briefwechsel I, S. 623 f. und 627; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 262/63; vgl. Kraus, Gerlach, S. 521/22; auch auf dem unveröffentlichten Tagebuch Gerlachs basierend. 749 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 522. 750 Vgl. ebd., S. 525–29. 751 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 112; ders., Tagebuch, S. 273. 752 Vgl. Leopolds Brief vom 25.11.1850 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 721. 753 Vgl. Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 174/75. 754 Vgl. Kap. III.3.d). 755 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 534. 745

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III. Revolution und Gegenrevolution (1848–1850)

Dies änderte sich erst durch die „Olmützer Punktation“, die von den meisten Altkonservativen (außer Hans v. Kleist-Retzow753) akzeptiert wurde754, was Ludwig v. Gerlach in seiner Dezember-Rundschau zum Ausdruck brachte755. Allerdings sorgte Hermann Wagener dafür, daß einige gegen den Grafen Arnim gerichtete Passagen aus der Rundschau gestrichen wurden, da diese „als gegen einen Alliierten [gerichtet], nicht zeitgemäß“ seien756. In der Tat kam es Ende 1850 in der Krise wieder zu einer Annäherung der verfeindeten Konservativen: Graf Arnim befürwortete deshalb die Kandidatur des Gerlachschen Vertrauten Hans v. Kleist-Retzow als neuer Innenminister757. Dieses Verhalten war geradezu typisch für den preußischen Konservativismus: In Krisenzeiten schlossen sie sich zusammen, während es anschließend durchaus wieder zu inneren Zwistigkeiten und zu Bündnissen der gemäßigteren Konservativen mit Teilen der Opposition kommen konnte. Die Revolutionszeit vom März 1848 bis zum November 1850 hatte für die Konservativen insgesamt und speziell für den Grafen Arnim ein erstaunliches Auf und Ab gebracht: Während sie vor 1848 auf Grund der selbstherrlichen Politik des Königs nur relativ geringen Einfluß besessen hatten, verloren sie im März auch den Zugang zu Machtpositionen wie der Regierung. Außerdem zwangen sie die katastrophalen Wahlniederlagen im Frühjahr 1848 dazu, eine außerparlamentarische Opposition zu bilden. Der Ausbau einer konservativen Vereinsstruktur als Fundament der Konservativen Partei wurde jedoch im Frühjahr 1849 unterbrochen – paradoxerweise durch den Sieg der Konservativen über die Liberalen mit Hilfe eines zweiten Staatsstreichs: dem Oktroi des Dreiklassenwahlrechts. In der Folgezeit verließen sich besonders die Staatskonservativen um den Grafen Arnim, der 1849 zu einem der wichtigsten konservativen Parlamentarier aufstieg, zu sehr auf ihre guten Verbindungen zur Regierung.

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Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 275. Vgl. Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 177. Der König entschied sich zwar für Ferdinand v. Westphalen, doch war dies ebenfalls ein Parteigänger Gerlachs. 757

IV. Die „Reaktionszeit“ (1851–1858) Die Regierungsumbildung im Dezember 1850 beendete die Radowitzsche Unionspolitik und leitete die sog. „Reaktionszeit“ ein1: Der bisherige Innenminister Otto v. Manteuffel, der für die Punktation von Olmütz die Verantwortung übernommen und der sich seit 1848 als Nothelfer das Wohlwollen des Königs erworben hatte2, wurde zum Ministerpräsidenten befördert und übernahm zusätzlich das Außenministerium3. Das dadurch freiwerdende Innenministerium erhielt der altkonservative Ferdinand v. Westphalen4, wobei die Ernennung des Grafen Arnim verhindert wurde5, in dem Otto v. Manteuffel zweifellos einen loyaleren Innenminister gefunden hätte. Außerdem wurde Kultusminister Adalbert v. Ladenberg, der sowohl dem König als auch der Kamarilla seit längerem mißhagte6, durch den altkonservativen Karl Otto v. Raumer ersetzet7. Damit hatten die Altkonservativen ihren Einfluß auf die Regierung deutlich verstärkt. Die Reaktionszeit stand (auf der Grundlage dieser Regierungsumbildung) ganz im Sinne einer konservativen Umgestaltung von Staat und Gesellschaft. Bereits das Interim in der Oberhausfrage, das 1852 auslief8, mußte jedem augenscheinlich machen, daß die Umgestaltung der preußischen Verfassung mit dem Abschluß der Revision im Januar 1850 nicht beendet worden war. In der Tat kam es in den 1850er Jahren zu einer ganzen Reihe von (zum Teil einschneidenden) Verfassungsänderungen9. Diese Bestrebungen dienten vor allem dazu, den Konservativen gegenüber der liberalen und demokratischen Oppositionellen dauerhaft eine krisenfeste Bastion zu verschaffen und somit eine Wiederholung der Märzrevolution zu verhindern. 1 Vgl. dazu Kap. III.3.d); siehe zum Begriff der „Reaktion“ Gablentz, Reaktion, passim. 2 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 200/01. 3 Vgl. dazu auch die satirische Darstellung von Breza, Brief, passim (16 S.). 4 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 646. 5 Georg Beseler schrieb am 11.04.1851 an Droysen: „Auch scheint Arnim-Boitzenburg Lust zu bekommen, die Geschäfte zu übernehmen, und er ist doch wenigstens Gentlemen und Preuße; aber er würde auch selbst regieren wollen, statt der Herren Niebuhr, Bismarck, Gerlach und Konsorten, und das soll eben vermieden werden.“ [Droysen, Briefwechsel I, S. 732] 6 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 280 und 295, Anm. 67. 7 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 646. 8 Vgl. dazu Kap. III.3.c). 9 Vgl. die Aufstellung in: Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 161, Anm. 17.

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

Zu diesem Zweck stellte der neue Innenminister Ferdinand v. Westphalen sogar der Plan auf, den Konstitutionalismus in Preußen wieder abzuschaffen10: Am 30. Dezember 1851 schlug er vor, die Verfassung durch einen königlichen Freibrief zu ersetzen11. Dieser Plan rief jedoch selbst bei vielen Altkonservativen Widerspruch hervor, da die Brüder Gerlach angesichts des Staatsstreichs Louis Napoleons am 2. Dezember 1851 und der Aufhebung der österreichischen Verfassung am 31. Dezember 1851 eine Rückkehr zum Absolutismus in Preußen befürchteten12. Allerdings stand der König der Initiative (auf Grund seiner Neigung zum Absolutismus) positiver gegenüber. Er bestand jedoch auf der Unverletzlichkeit seines Verfassungseides, weshalb die Initiative zur Beseitigung des Konstitutionalismus vom Landtag ausgehen müsse13. Als Kompromiß wurde am 23. Januar 1852 im Conseil beschlossen, daß die weitere Umgestaltung der Verfassung nur mit verfassungsmäßigen Mitteln erfolgen dürfe. Nach dem Auslaufen des Interims für die Erste Kammer im Jahre 1852 sollten die Konservativen entsprechende Anträge im Landtag einbringen14. Die Debatten über die künftige Gestalt der Ersten Kammer sollten damit Signalwirkung für eine geplante Abschaffung des Konstitutionalismus erhalten. Um diese Entwicklung zu verhindern, entwickelte Otto v. Manteuffel ein Alternativkonzept, mit dessen Hilfe er die Verfassung in seinem Sinne revidieren wollte15: Die Wiederbelebung des Staatsrates sollte den Einfluß der altkonservativen Günstlinge des Königs vermindern, statt dessen einen verstärkten Einfluß der Staatskonservativen in der Verwaltung ermöglichen und somit letzten Endes die Position der Regierung stärken16. Zu Beförderung 10

Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 585. Vgl. dazu Bunsen, Aus seinen Briefen III, S. 245–247; Grünthal, Parlamentarismus, S. 203–208; anders Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 162–165. 12 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 704/05. 13 Vgl. Bunsen, Aus seinen Briefen III, S. 244–247; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 708/09 und 719; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 298; Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 22–25; siehe dazu Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 150–161. Friedrich Wilhelm IV. wurde dabei von Ferdinand Walter beeinflußt, einem ehemaligen Mitglied der preußischen Nationalversammlung; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 212, Anm. 65. 14 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 209. 15 Vgl. zum folgenden Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 240/41; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 296; Leopold v. Gerlach am 26.10.1851 an Ludwig. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 766; siehe auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 218–224; Diwalds Einleitung in: Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 31/32. Dieser Plan ging auf den Einfluß Ferdinand Walters und Constantin Frantz’ zurück; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 224, Anm. 127. 16 Huber faßt diese Haltung als „staatskonservatives Legalitätsprinzip“ auf; vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 161. Der Staatsrat wurde tatsächlich am 11

1. Die Lösung der Oberhausfrage

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seiner Pläne nahm Otto v. Manteuffel bereits am 28. September 1851 Kontakt zum Grafen Arnim auf, auf dessen Hilfe bei der Erstellung von „Abänderungs Vorschlägen“ er „namentlich bezüglich des Wahlgesetzes“ zählte17. Die sich aus diesen unterschiedlichen Auffassungen ergebenden Konflikte, die sich insbesondere im Zuge der Reform der Ersten Kammer und der Kommunalordnung entluden, waren konstitutiv für die Reaktionszeit18. 1. Die Lösung der Oberhausfrage Am 3. Januar 1852 beschloß das Ministerium Manteuffel, dem Landtag in der Oberhausfrage ein Gesetz vorzulegen, wodurch die Bildung der Ersten Kammer allein der Krone überlassen würde19. Falls dieses abgelehnt würde, sollte anschließend ein höchstens 60 Jahre gültiges Wahlgesetz gemäß Art 65 eingebracht werden20, um in jedem Falle Zeit zu gewinnen. Die Altkonservativen waren jedoch nicht dazu bereit, auf die für sie günstige Regelung des Art. 65 der Verfassung zu verzichten, die sie im Januar 1850 scharf bekämpft, inzwischen aber als vorteilhaft für sich erkannt hatten21. Auch Graf Arnim war mit der geplanten Umgestaltung der Ersten Kammer nicht einverstanden. In einem Schreiben an Otto v. Manteuffel erklärte er, er halte „die gestern Abend mir von dem Minister von Westphalen mitgetheilte Absicht der Regierung, das bisherige Wahlgesetz der I. Kammer zu prolongieren, für eine sehr nachtheilige und gefährliche“22. Er drückte außerdem seine Verwunderung darüber aus, daß die Regierung diesen Schritt freiwillig erwäge, obwohl „die Regierung, wie die Sache jetzt liegt, in einer so günstigen Stellung in Bezug auf die Ausführung jener Grundsätze und Vorschriften sich befindet, wie sie schwerlich je wieder stehen möchte“23. Schließlich sprach er sogar von einem „politischen Banqueroutt“24. 12. Januar 1852 durch einen königlichen Erlaß reaktiviert; vgl. dazu Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 167–169. Otto v. Manteuffel orientierte sich dabei zum Teil an Constantin Frantz’ Analyse der „Staatskrankheit“, vor allem aber an Wilhelm Heinrich Riehls Studie über die „bürgerliche Gesellschaft“; vgl. dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 282–287. 17 Vgl. Otto v. Manteuffels Brief vom 28.09.1851 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4000, Bll. 18 + 22. 18 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 200–202. 19 Vgl. dazu Füßl, Professor, S. 298–355; Grünthal, Parlamentarismus, S. 231– 242; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 81–85; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 159–164; Kraus, Gerlach, S. 577–586. 20 Vgl. Art 65 RV. In: GS 1850, S. 26. 21 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 234; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 169–172; Kraus, Gerlach, S. 579. 22 Vgl. Arnims Schreiben vom 03.01.1852 an Otto v. Manteuffel. In: GStAPK I. HA Rep. 92 Otto v. Manteuffel II Nr. 3, Bll. 25 + 26; dort auch das Folgende.

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

In dieser Situation wurde im Landtag am 16. Januar 1852 über eine Petition aus der Provinz Schlesien debattiert, die Verfasssungsurkunde einer erneuten Revision zu unterziehen und dabei „aus derselben auszumerzen, was zu den Verhältnissen und historischen Erinnerungen des Preußischen Staates nicht passe.“25 Dieser Antrag lag auf der Linie des skizzierten altkonservativen Plans, den preußischen Konstitutionalismus wieder abzuschaffen. Die Mehrheit der zuständigen Landtagskommission beantragte daraufhin den Übergang zur Tagesordnung, da die Petition keine konkreten Vorschläge enthalte26, um den massiven Angriff auf die Verfassung ohne große Diskussion abzuwehren. Auch Graf Arnim sprach sich für diesen Antrag aus, da er keinen Grund dafür sähe, „daß wir das Land zu einem Petitionssturm veranlassen sollten.“27 Er spielte damit auf die Gefahr erneuter revolutionärer Unruhen an, mit denen im Falle einer Abschaffung der Verfassung zu rechnen wäre. Arnim räumte (als Zugeständnis an die Altkonservativen) ein, daß er zwar einige Artikel der Verfassung für verbesserungswürdig halte, sprach sich aber entschieden gegen den „Weg der Gesamtrevision“ aus. Arnim trug durch seine Rede wesentlich dazu bei, daß die Staatskonservativen mit Hilfe der liberalen Opposition den altkonservativen Generalangriff auf die Verfassung durch Übergang zur Tagesordnung (mit 147 gegen 123 Stimmen) abwehrten28. Trotzdem war die Auseinandersetzung noch nicht beendet, denn die Altkonservativen versuchten nun, die anstehenden Debatten über die Umwandlung der Ersten Kammer zur Aushebelung des preußischen Konstitutionalismus zu instrumentalisieren. Allerdings ging es „nur“ noch um eine Teilrevision der Verfassung und nicht mehr um die Abschaffung des Konstitutionalismus zugunsten eines ständischen Systems. Auch das Ministerium beschloß, vorerst in der „Oberhausfrage“ von einer Verfassungsänderung abzusehen und statt dessen ein auf sechs Jahre begrenztes Wahlgesetz vorzuschlagen29. Die Mehrheit der Minister zog offenbar die Verabschie23 Insbesondere warnte Arnim vor einer unbefristeten Verlängerung des provisorischen Wahlrechts: „Verlängert man nun das Wahlgesetz in indefinitum, so kommt künftig die Kammer in die Lage, die Bedingungen der neuen Formation der I. Kammer vorzuschreiben, weil dann, wenn die Regierung sie nicht annimmt, das alte Wahlgesetz stets in Kraft bleibt.“ [Ebd.] Die Regierung hatte aber ohnehin nur eine befristete Verlängerung beschlossen. 24 Vgl. ebd.; vgl. auch Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 125; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 718; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 232; Kraus, Gerlach, S. 578. 25 2. K. 1851/52, S. 129; Debatte ebd., S. 129–142; vgl. Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 163. 26 Bericht Nöldechens in: 2. K. 1851/52, S. 29. 27 Vgl. ebd., S. 133–135. 28 Vgl. ebd., S. 142. 29 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 238/39.

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dung eines weiteren Interims einer unbefriedigenden definitiven Entscheidung vor. Als dann die Debatten über die Oberhausfrage im Landtag begannen, brachte jedoch die Wochenblattpartei am 19. Januar 1852 auf Wunsch des Königs den „Antrag Heffter“ in die Erste Kammer ein, der den Wegfall aller gewählten Mitglieder vorsah und dem König darüber hinaus einen nahezu unbegrenzten Einfluß auf die Bildung derselben einräumte, da er beliebig viele Mitglieder auf Lebenszeit ernennen sollte30. Durch diesen Antrag, den die Wochenblattpartei aus taktischen Gründen einbrachte, um ihren Einfluß auszudehnen31, wurden Regierung und Altkonservative zugleich in die Defensive gedrängt32. Gleichzeitig drohte der König den Altkonservativen die Bildung eines Ministeriums Radowitz an, was insbesondere die Entlassung der Minister Westphalen und Raumer bedeutet hätte33. Der König versicherte als Geste des Entgegenkommens den Konservativen, die Erste Kammer werde der Ritterschaft in jedem Fall offenstehen34, und rief am 30. Januar Bethmann-Hollweg, Kleist-Retzow und Stahl zu sich, um ihnen seine Pläne darzulegen35. Damit war den Konservativen klar, daß der König von ihnen Zugeständnisse erwartete und sich mit einer Verlängerung des Interims vom 6. Dezember 1848 nicht zufrieden geben würde36. Deshalb wurde von den drei konservativen Fraktionen am 9. Februar als Gegenantrag zum „Antrag Heffter“ der „Antrag Alvensleben“ ausgearbeitet, demzufolge die Erste Kammer erbliche und auf Lebenszeit ernannte Mitglieder erhalten hätte37. Obwohl der König diesen Antrag Alvensleben mißbilligte, ließ sich die konservative Landtagsmehrheit nicht beirren38, sondern sorgte dafür, daß der „Antrag Heffter“ in den Beratungen der zuständigen Landtagskommission verworfen und statt dessen ein modifizierter „Antrag Alvensleben“ an30 DS Nr. 66 vom 19.01.1852. In: 1. K. 1851/52, S. 155/56; vgl. Füßl, Professor, S. 321–325; Grünthal, Parlamentarismus, S. 240–242; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 175–177; Kraus, Gerlach, S. 579. 31 Vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 177. 32 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 728; Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 128/29. 33 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 579. 34 Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 128; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 728. 35 Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 130; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 730; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 136; vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 180. 36 Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 125; vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 172, Anm. 4. 37 1. K. 1852/53, S. 291; vgl. dazu Alvenslebens Denkschrift, die Arnim weiterleitete, in: Nachlaß Nr. 4108, Bll. 5–9.

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genommen wurde39. Daraufhin ließ der König hinter dem Rücken des Ministeriums mit dem „Antrag Koppe“ einen weiteren Kompromiß aushandeln40, der zwar den „Antrag Heffter“ modifizierte, jedoch den Anspruch der konservativen Ritterschaft auf eine verbriefte Vertretung in der Ersten Kammer nicht erfüllte41. Friedrich Julius Stahl hielt am 5. März in der Debatte über die Oberhausfrage in der Ersten Kammer eine Rede gegen den Antrag Koppe42, die Ludwig v. Gerlach als „glänzend“ lobte43. Außerdem wurde der Antrag von den Konservativen mit Genehmigung des Königs geschickt verändert44. Trotzdem setzte sich schließlich der König „an der Spitze der Linken“45 gegen die Konservativen und sein eigenes Ministerium durch46. Die Folge war eine ernste Regierungskrise: Raumer und Westphalen dachten nun von sich aus an Rücktritt47, und das Ministerium reichte einen ungewöhnlich scharfen Immediatbericht wegen der Abstimmung am 5. März ein, in dem es seinen Rücktritt androhte, falls sich ein ähnlicher Vorfall ereignen sollte48. Als Reaktion darauf wies der König das Ministerium jedoch an, sich bei der zweiten Lesung in der Ersten Kammer am 27. März und auch bei den Debatten in der Zweiten Kammer ganz passiv zu verhalten49. Trotzdem kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen dem König und den Konservativen, als sich die Zweite Kammer am 26. April mit dem „Antrag Koppe-Heffter“ beschäftigte und die Landtagskommission die Ablehnung des Antrags empfahl50. Graf Arnim, der sich zuvor mit dem theoretischen Hintergrund beschäftigt hatte51, wollte sich eigentlich gegen 38 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 733–738; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 141; ders., Tagebuch, S. 302; ders., Briefe, S. 785/86; Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 132–135. 39 Vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 187/88. 40 Vgl. Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 132/33; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 737 und 740. 41 Vgl. Füßl, Professor, S. 329–331; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 189–195; ders., Umwandlung, S. 187–191; Grünthal, Parlamentarismus, S. 245–247. 42 Vgl. Stahl, Reden, S. 332; siehe dazu Füßl, Professor, S. 332–335. 43 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 142; vgl. Kraus, Gerlach, S. 581/82. 44 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 304/05. 45 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 143. 46 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 741; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 247–250; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 204/05. 47 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 143. 48 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 252/53. 49 Vgl. ebd., S. 254. 50 Kommissionsbericht in: 2. K. 1851/52, S. 1151/52; Debatte ebd., S. 1152– 1169. 51 Manuskript über Staatsformen. In: Nachlaß Nr. 4108, Bll. 13 + 14.

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den Antrag sprechen, wurde jedoch durch den Schluß der Debatte daran gehindert52. Dieser wurde durchgesetzt, weil die Linke befürchtete, die Konservativen könnten angesichts der merkwürdigen Übereinstimmung der beiden Flügelfraktionen ihre Auffassung ändern53. Schließlich stimmte die linke „Fraktion Vincke“ gemeinsam mit der konservativen „Fraktion Arnim“ gegen den Antrag und brachte ihn damit mit 142 gegen 125 Stimmen zu Fall54. Es war zwar unzutreffend, von einer „Koalition Arnims und der Linken“ zu sprechen55, doch war die Tatsache unbestreitbar, daß durch dieses Votum der Zweiten Kammer der Plan des Königs gescheitert war, zunächst einmal die Durchführung des bestehenden Art. 65 zu verhindern und statt dessen die Bildung der Ersten Kammer durch eine Regierungsvorlage gemäß seinen Vorstellungen vorzunehmen. Friedrich Wilhelm IV. ließ sich von dieser Niederlage nicht beirren. Vielmehr sprach er sich nun für den Vorschlag des Innenministers Westphalen aus, den er bisher aus rein taktischen Erwägungen nicht weiterverfolgt hatte56, weshalb die Regierung nur zwei Tage nach der Abstimmungsniederlage in der Zweiten Kammer eine königliche Proposition in die Zweite Kammer einbrachte, die als neue Fassung des Art. 65 den Satz vorschlug, daß die Bildung der Ersten Kammer „auf Grund königlicher Anordnung“ erfolge57. Außerdem wies der König das Ministerium an, auf die konservativen Fraktionen der Zweiten Kammer einzuwirken: „Geppert muß gewonnen, Arnims Partei gänzlich auseinandergesprengt, mit Sägert vertrauensvoll gesprochen, Alvensleben zu Muth und Energie in meinem Namen aufgefordert, den zwei ,rechten Seiten‘ ein ernstes Wort gesagt und ihr Ehrgefühl angeregt werden und was weiß ich alles.“ schrieb Friedrich Wilhelm IV. am 28.04.1852 an Manteuffel58. Außerdem sollte Bismarck die „Fraktion Arnim“ intensiv bearbeiten59. Dieser begann denn auch, „Propaganda“ für den Plan des Königs zu machen60. Stahl und Gerlach, die zunächst geschwankt hatten61, versuchten vergeblich, die konservative Frak52 Arnim verwahrte sich lediglich in einer persönlichen Bemerkung gegen diverse Anschuldigungen; vgl. 2. K. 1851/52, S. 1167. 53 Vincke warnte davor, zu gute Gründe gegen den Antrag vorzubringen, „weil sich dadurch die Gegner zum Schaden der Sache . . . von ihrem ursprünglich gefaßten Beschlüsse wieder könnten abwendig machen lassen.“ [2. K. 1851/52, S. 1157.] 54 Ebd., S. 1168/69. Gegen den Antrag stimmten u. a. Graf Arnim, Bismarck und Kleist-Retzow, aber auch Graf Reichenbach, Urlichs und Vincke. 55 Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 718; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 260. 56 Vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 225; siehe auch ebd., S. 154 und 168. 57 2. K. 1851/52, S. 1171; vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 146. 58 Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 149; vgl. Jordan, Umwandlung, S. 226. 59 Bismarck, Gedanken und Erinnerungen I, S. 141/42; vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 230.

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tion auf ein Nein festzulegen62, denn außer Otto v. Bismarck intervenierte auch Karl v. Manteuffel ziemlich massiv63. Die Fraktion Arnim entschloß sich daraufhin, für den Antrag des Königs einzutreten64, weshalb Gerlach befürchtete, der „Absolutismus“ sei „im Anzuge“65. Dagegen gestand Arnim zu, die vom König geplante Umwandlung der Ersten Kammer „sei allerdings der Anfang des Abtuns alles Konstitutionalismus; dieser passe aber auch nicht für Preußen; es werde doch dahin kommen.“66 Diese Auffassung Arnims war allerdings weniger Opportunismus, wie Ludwig v. Gerlach Arnim unterstellte67, sondern entsprach vielmehr einem Verhalten, das Graf Arnim sich seit 1842 in den Auseinandersetzungen mit den Verfassungsvorstellungen des Königs angewöhnt hatte68: Wenn der König sich partout nicht von seinen Vorstellungen abbringen ließ, vertrat Arnim seine dem Willen des Königs entgegengesetzten Ideen nur solange, wie Aussicht auf Erfolg war. Erwies sich sein Widerstand als vergeblich, so fügte er sich notfalls aus Gründen der Staatsräson in das scheinbar Unvermeidliche. Am 6. Mai kam es zur Debatte in der Zweiten Kammer69. Zunächst befürwortete Ministerpräsident Manteuffel den Antrag nachdrücklich70. Nachdem sich dann Simson gegen den Antrag ausgesprochen hatte71, ergriff Graf Arnim zur Überraschung vieler das Wort zugunsten des Antrags: Hatte er sich vor zehn Tagen noch gegen eine ähnliche Vorlage ausgesprochen, so verteidigte er nun die königliche Proposition72. Noch überraschender war 60 Bismarck, Gedanken und Erinnerungen I, S. 142; vgl. Bismarcks Brief vom 09.05.1852 an Leopold v. Gerlach. In: Bismarck, Gesammelte Werke XIV/1, S. 261/ 62; siehe dazu Jordan, Friedrich Wilhelm IV., 230/31; Grünthal, Parlamentarismus, S. 266. 61 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 583. 62 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 146/47; ders., Tagebuch, S. 305/06. 63 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 583, Anm. 266. 64 Vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 232. 65 Vgl. Ludwig. v. Gerlach, Tagebuch, S. 304 (Eintragung vom 28.04.1852). 66 Vgl. ebd., S. 305. 67 Ebd., Dabei warf Gerlach Arnim vor, genau wie in den Märztagen nur mit dem Strom mitzuschwimmen. Beide Vorwürfe waren nicht ganz zutreffend, sondern eine überspitzte Beurteilung des Sachverhalts. 68 Vgl. Kap. II.2.c). 69 Vgl. 2. K. 1851/52, S. 1271–1301; vgl. Nachlaß Nr. 4108; Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 149/50; siehe Grünthal, Parlamentarismus, S. 255; Kraus, Gerlach, S. 582/83. 70 Vgl. 2. K. 1851/52, S. 1271/72. Er ergriff nach Simsons Rede erneut das Wort; vgl. ebd., S. 1278. 71 Vgl. ebd., S. 1272–1278. 72 Vgl. ebd., S. 1280–1285. Hiernach auch die folgenden Zitate; Hervorhebungen gem. Original. Vgl. dazu auch Nachlaß Nr. 4108, Bll. 22–27 (Manuskript).

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allerdings die Begründung, mit der er eine Rückkehr in das „Lager des Königs“ für unumgänglich erklärte73: Graf Arnim verallgemeinerte nämlich den Konflikt, indem er betonte, es gehe nicht nur um die Revision des Artikels 65 der Verfassung, sondern um die Grundsatzentscheidung, „ob Constitution oder nicht Constitution!“, also ob die Gewaltenteilung zwischen der monarchischen Exekutive und dem Landtage beibehalten oder aufgehoben werden solle74. Wenn die Gewaltenteilung beibehalten werden solle, müsse es möglich sein, daß die Kammern eine Entscheidung gegen den Willen der Krone durchsetzten. Wenn jetzt aber die Krone fest dazu entschlossen sei, „mit allen innerhalb ihres Eides ihr zu Gebote stehenden Mitteln der Ausführung des Artikels 65 der Verfassung entgegenzutreten“, dann gäbe es nur ein „aut-aut“, ein „ich oder du“. Und in diesem Falle sei es ihm lieber, er weiche (selbst wider besseren Wissens) zurück, als daß die Krone zum Nachgeben gezwungen werde, „denn länger als unsere Verfassung steht, ist das Gottes Ordnung in Preußen gewesen.“ Diese Entscheidung falle um so leichter, als die Alternative nur die Entscheidung für den Parlamentarismus sein könne, bei dem (wie in England) die Krone kein anderes Recht habe als „unter großer Verehrung und großem Glanze den Premier-Minister aus der Majorität der Parlamente zu ernennen“75. Daran knüpfte Graf Arnim eine tiefsinnige Kritik an „den Zuständen der Halbheit und Ungewißheit über das, was eigentlich das Regierungssystem, die Regierungsform für Preußen sein“ solle und schlug als konsequente Weiterverfolgung des Weges der Krone die Revision der Königsherrschaft vor mit dem Ziele der Umwandlung des bestehenden Systems in „Reichsstände mit beratender Stimme in der Gesetzgebung, mit Zustimmung zu Anleihen und neuen Steuern“. Widerstand des Landtages gegen diese Umwandlung müsse notfalls mittels Neuwahlen überwunden werden, und dann werde sich zeigen, „ob bei dem ,aut-aut‘ das Volk auf die Seite der Krone tritt oder auf die Seite 73 Grünthal, Parlamentarismus, S. 266. Die herausragende Bedeutung der Arnimschen Rede wird allein dadurch deutlich, daß Grünthal ihr in seiner Überblicksdarstellung nicht weniger als eineinhalb Seiten eingeräumt hat; vgl. ebd., S. 266–268. 74 „Wollen wir das System aufrechterhalten, wonach drei Staatsgewalten nebeneinander bestehen, von denen eine jede das Veto hat in allen wichtigen Fragen der inneren und äußeren Politik, des Staatshaushalts, der Gesetzgebung; deren Zusammenwirken, deren Konsensus nötig ist für alle entscheidenden Schritte in dieser Beziehung – und ist dieses System ausführbar in Preußen?“ Damit beschrieb Graf Arnim das Prinzip der Trennung der exekutiven und der legislativen Gewalt, die in der Tat der preußischen Verfassung zugrunde lag und die noch heute in den präsidentiellen Systemen (z. B. in den USA) im Gegensatz zum parlamentarischen System der Bundesrepublik grundlegend ist. 75 Daß an dieser Stelle von der Linken „Unruhe“ und „Widerspruch“ kamen, zeigte deutlicher noch als Vinckes Rede direkt im Anschluß an die Arnims die Grenzen der liberalen Gesinnungsopposition, die das „aut-aut“ Arnims durch ein „zwar-aber“ ersetzen wollte; vgl. dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 267, Anm. 31.

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der Opposition“. Nicht wie die Erste Kammer letztlich gebildet werde, „dies ist es nicht, woraus die Geschicke Preußens sich entfalten werden; das hängt nicht von einer, von zwanzig bejahenden Stimmen mehr oder weniger ab, sondern davon, ob Preußen sich selbst erkannt hat, ob es seine Zustände begreift.“ Damit begründete Graf Arnim seine Zustimmung zum Willen des Königs nicht inhaltlich, denn dies wäre auch nur unter Verleugnung seiner eigenen Ansichten möglich gewesen, sondern bezeichnete sie als Realpolitik. Zugleich übte er massive Kritik, indem er König und Ministerium vorwarf, sie hätten es auf eine Machtprobe ankommen lassen und würden nun ihren Willen mit der Drohung durchsetzen, andernfalls werde das Ansehen der Krone geschädigt. Außerdem fühlte sich Graf Arnim offenbar (zu Recht) an die Auseinandersetzungen der 1840er Jahre erinnert: Dort hatte der König ebenfalls gegen alle Widerstände an seinen eigenen Plänen festgehalten und seinen Willen letzten Endes auch (zum Schaden Preußens) durchgesetzt. Obwohl Preußen nun ein konstitutioneller Staat geworden war, versuchte der König 1852 erneut, seine (fragwürdigen) Vorstellungen um jeden Preis durchzusetzen. Insofern hatte Graf Arnim mit seiner Warnung recht, der König sorge für eine Verhärtung der Fronten gemäß der Alternative, ob der König willkürlich entscheiden oder die Parlamentsmehrheit sich über den Willen des kompromißlosen Königs hinwegsetzen solle. Graf Arnim stellte mit seiner Rede den König vor die Alternative, sich entweder offen zum Absolutismus zu bekennen, was Friedrich Wilhelm IV. aus grundsätzlichen Überlegungen heraus nicht behagte, da er den Absolutismus prinzipiell verabscheute, oder aber nachzugeben und einem (wie auch immer gearteten) Kompromiß zwischen Landtag und Krone zuzustimmen, um eine Niederlage der Krone zu vermeiden, die Graf Arnim auf keinen Fall wünschte. Mit dieser Rede, über die sich Friedrich Wilhelm IV. sehr ärgerte76, da er jede Form der Realpolitik verabscheute und die Politik nach seinen eigenen unumstößlichen Prinzipien beurteilte, brachte Graf Arnim seine Fraktion dazu, fast geschlossen für die Regierungsvorlage zu stimmen77. Weil aber Ludwig v. Gerlach und seine altkonservativen Anhänger sowie weitere Konservative bei ihrer Ablehnung verharrten und weil auch die liberale Opposition geschlossen dagegen stimmte, wurde die königliche Proposition mit 181 gegen 113 Stimmen abgelehnt78. Da anschließend auch die Kom76 Vgl. Leopold v. Gerlachs Brief vom 09.05.1852 an Bismarck. In: Leopold v. Gerlach, Briefe, S. 12. 77 Von den 87 Mitgliedern stimmten 75 mit ja, nur 6 mit nein; Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 266, Anm. 25. Die Ablehnung begründete Graf v. Ziethen unmittelbar vor Arnims Rede; vgl. 2. K. 1851/52, S. 1280. 78 2. K. 1851/52, S. 1294/95; vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 146– 148; ders., Tagebuch, S. 304–307; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 266; Kraus, Gerlach, S. 582–584.

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missionsvorlage und alle übrigen Anträge abgelehnt wurden79, wurde die Oberhausfrage wieder auf den Ausgangspunkt zurückgeworfen, und die Konservativen hatten erreicht, was ihnen als beste Lösung erschienen war: Nach dem Ende des Interims von 1850 trat der Art. 65 am 7. August 1852 in Kraft80. Trotzdem war die konservative Partei schwer erschüttert, als der Landtag neun Tage später geschlossen wurde: Wenn auch ein offener Bruch (anders als 1851 im Falle Bethmann-Hollwegs) vermieden werden konnte, so kam es doch zu einer in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Kontroverse81. Auf Grund der Ablehnung der königlichen Proposition und dem Auslaufen des Interims war die Regierung dazu gezwungen, mittels eines weiteren Oktroi (analog zur Einführung des Dreiklassenwahlrechts im Sommer 1849) ein provisorisches Wahlrecht für die Erste Kammer zu oktroyieren82. Die Gültigkeit des Wahlrechts vom 4. August 1852 war ausdrücklich auf ein Jahr beschränkt, da das Ministerium lediglich Zeit gewinnen und keine dauerhafte Lösung schaffen wollte. Der Oktroi verstieß allerdings gegen die Verfassung, weil er (gegen Art. 65) keine erblichen Mitglieder vorsah und (gegen Art. 67) die Legislaturperiode beschränkte83. Ein derartiger Verstoß gegen die Verfassung war jedoch seit der Entschärfung des Notverordnungsrechtes im Zuge der Verfassungsrevision unzulässig84. Ziel des Oktrois war es, eine allzu konservative Erste Kammer zu verhindern, wie sie aus der verfassungskonformen Anwendung des Art. 65 zu erwarten war, denn dadurch wäre eine Umbildung der Ersten Kammer aller Wahrscheinlichkeit nach endgültig unmöglich geworden. Bei den Wahlen im Sommer 1852 wurde Graf Arnim nicht in die Zweite, sondern in die Erste Kammer gewählt. Insgesamt errangen die Konservativen in beiden Kammern eine Mehrheit85. Nachdem der Landtag am 29. November 1852 zusammengetreten war, wurden ihm als erstes am 79 Kommissionsvorlage (+ 115/– 178); 2. K. 1851/52, S. 1295/96; Antrag Reck (+ 133/– 142) ebd., S. 1299/1300; Antrag Bolz/Quehl (+ 15/– 206); ebd., S. 1297/ 98; Antrag Reuter (+ 122/–147); ebd., S. 1300/01. 80 Art. 66 RV bestimmte: „Die Bildung der ersten Kammer in der in Art. 65 bestimmten Weise tritt am 7. August des Jahres 1852 ein.“ [GS 1850, S. 26] 81 Vgl. Kap. IV.4. 82 Vgl. GS 1852, S. 549–551; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 306– 310. Dem gingen längere kontroverse Debatten innerhalb des Ministeriums voraus; vgl. ebd., S. 295–306; Jordan, Umwandlung, S. 275–285. 83 Art. 67 sah eine sechsjährige Legislaturperiode der Ersten Kammer vor; vgl. GS 1850, S. 27. 84 Vgl. dazu Kap. III.3. 85 Die Konservativen stellten zusammen 196 Abgeordnete gegen 133 aus Wochenblattpartei, katholischer, liberaler und polnischer Fraktion; vgl. Jordan, Umwandlung, S. 285/86; siehe dazu auch Kap. IV.4.

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7. Dezember der Wahlrechtsoktroi zur Billigung und Regierungsentwürfe über die Bildung der Ersten Kammer, über die Zweite Kammer und über die Kommunalordnung vorgelegt86. Während die Notverordnung des Ministeriums schon am 20. Dezember 1852 in der Ersten Kammer und am 20. Januar 1853 in der Zweiten Kammer gebilligt wurde87, kam es in der Oberhausfrage erneut zu langen Debatten. Graf Arnim wirkte dabei erneut an führender Stelle mit, da er Vorsitzender der dafür zuständigen Kommission der Ersten Kammer war88. Außerdem assistierte Graf Arnim Friedrich Julius Stahl beim Entwurf eines Kompromißvorschlags zur gleichzeitigen Umgestaltung der Ersten und der Zweiten Kammer. Die Ersetzung des (nur vorläufigen) Dreiklassenwahlrechts durch ein Wahlrecht, demzufolge die Zweite Kammer künftig aus 120 Abgeordneten der Höchstbesteuerten und 175 Abgeordneten der gesamten Bevölkerung bestanden hätte, sollte wohl die Liberalen mit der Bildung einer konservativen Ersten Kammer versöhnen. Diese Idee wurde sowohl vom König als auch von der Regierung abgelehnt89. Trotzdem verteidigte Stahl dieses Junktim am 31. Januar 1853 in der Ersten Kammer, als über die definitive Gestaltung der Ersten Kammer beraten wurde90. Auch Graf Arnim sprach sich für das Junktim aus, wobei er erneut von dem Grundsatz ausging, „daß das Recht, was die Krone nun einmal für sich in Anspruch nimmt, ihr werde.“91 Schließlich wurde die Vorlage jedoch erneut in die Kommission zurückverwiesen92. Dieser Beschluß sollte offensichtlich die Möglichkeit zur weiteren Einflußnahme hinter den Kulissen eröffnen. Insofern ist es bemerkenswert, daß Graf Arnim in der folgenden Debatte krankheitshalber fehlte93. 86

Eröffnungssitzung der beiden vereinigten Kammern. In: 1. K. 1852/53, S. 1/2; siehe auch ebd., S. 23/24; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 311, Anm. 77. 87 1. K. 1852/53, S. 57; 2. K. 1852/53, S. 140. 88 Nachlaß Nr. 4111, Bll. 17–21; vgl. 1. K. 1852/53, DS Nr. 29. 89 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 837, ders., Denkwürdigkeiten II, S. 2. 90 Vgl. 1. K. 1852/53, S. 219–232; Stahls Rede ebd., S. 223/24. 91 Vgl. ebd., S. 226–229, hier S. 226. 92 Ebd., S. 232. 93 Ebd., S. 245. Jordan kommentierte die letztendliche Ablehnung des Junktims mit folgenden Worten: „Es war dies vor allem das Verdienst des Grafen ArnimBoytzenburg, der an sich dem Antrag Stahl nicht unfreundlich gegenüberstand, dann aber doch den Antrag bekämpfte, nachdem das Ministerium erklärt hatte, daß er unannehmbar sei. Um den Wünschen der Krone in der Oberhausfrage zur Verwirklichung zu helfen, setzte Arnim die Ablehnung des Antrages mit 66 zu 48 Stimmen durch.“ [Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 294; siehe auch ebd., Anm. 97] Demzufolge hätte Arnim nur aus taktischen Gründen in der Debatte gefehlt, jedoch seine Anhänger zur Ablehnung des Stahlschen Antrags bewogen. Für diese Hypothese war in den Quellen kein Beleg zu finden.

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Am 7. Februar wurde dann in der Ersten Kammer erneut über die „Oberhausfrage“ beraten94, wobei der von Stahl und Arnim erarbeitete Vorschlag lediglich im Hintergrund stand. Schließlich wurde mit der großen Mehrheit von 105 gegen 8 Stimmen beschlossen, daß die Erste Kammer „durch Königliche Anordnung“ gebildet werde, deren Änderung nicht ohne Zustimmung des Landtages möglich war95. Die Annahme dieses Wortlautes, mit dem der König zufrieden sein konnte, war auch Arnims Vermittlungstätigkeit zuzuschreiben96. Außerdem wurde auf Bestreben des Boitzenburgers hin die transitorische Bestimmung verabschiedet, derzufolge die Erste Kammer in ihrer bisherigen Zusammensetzung (zu Ludwig v. Gerlachs Ärger) bis zum Inkrafttreten der Königlichen Verordnung über die Neubildung der Ersten Kammer vorläufig bestehen blieb97. Graf Arnim erleichterte es dem König damit, seine Vorstellungen bei der Neubildung der Ersten Kammer stärker zu berücksichtigen, denn die Altkonservativen mußten nun als Alternative die von ihnen abgelehnte bisherige Zusammensetzung der Kammer in Kauf nehmen, wenn sie gegen den Willen des Königs opponierten. Insofern hatte Arnim dem König mit dieser transitorischen Bestimmung ein genehmes Druckmittel verschafft. Anschließend wurde allerdings der Antrag Stahls auf Umbildung der Zweiten Kammer, die künftig aus 120 Abgeordneten der Höchstbesteuerten und 175 Abgeordneten der gesamten Bevölkerung bestehen sollte, mit 66 gegen 48 Stimmen abgelehnt98. Damit blieb das Dreiklassenwahlrecht ungeachtet seines provisorischen Charakters weiterhin in Kraft. Am 9. März 1853 wurden die Debatten über die Oberhausfrage in der Ersten Kammer beendet. Zunächst wurde ohne Diskussion beschlossen, die Erste Kammer in „Herrenhaus“ umzubenennen und die Zweite Kammer in „Haus der Abgeordneten“99. Anschließend ergriff Graf Arnim das Wort, als die Beschlußfähigkeit des Herrenhauses an die Anwesenheit von nur 60 Herren geknüpft werden sollte, was diesem als zu gering erschien: Wenn eine höhere Zahl der etwa 200 Herren anwesend sein müsse, gäbe es weniger zweifelhafte Urlaubsanträge100. Ohnehin bestehe schon in der Ersten 94

1. K. 1852/53, S. 245–270; DS 85. 1. K. 1852/53, S. 268. In der zweiten Abstimmung am 01.03.1853 wurde die Vorlage mit 60 gegen 30 Stimmen angenommen; vgl. ebd., S. 442. 96 Vgl. Bismarcks Brief vom 23.02.1853 an Leopold v. Gerlach. In: Bismarck, Gesammelte Werke XIV, S. 292. 97 Vgl. 1. K. 1852/53, S. 268; außerdem Nachlaß Nr. 4103, Bl. 46; siehe dazu Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 326. 98 1. K. 1852/53, S. 269; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 311; Jordan, Umwandlung, S. 287–291. 99 Vgl. 1. K. 1852/53, S. 241. 95

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

Kammer das Problem, daß manche Mitglieder nur zu den Abstimmungen erschienen. Eine höhere Zahl von Anwesenden aber werde auch das Ansehen des Herrenhauses erhöhen. Innenminister Westphalen befürwortete jedoch anschließend das geringe Quorum101. Nachdem Stahl die Hoffnung ausgesprochen hatte, „es werde sich in der Folge mehr und mehr der esprit du corps herausstellen“102, stimmte die Erste Kammer dem niedrigen Quorum mit großer Mehrheit zu103. Damit hatte diese ihre Beratungen vorerst beendet104. In der Zweiten Kammer wurden die Vorlagen der Ersten Kammer am 10. März 1853 mit 241 gegen 70 Stimmen angenommen105. Daraufhin wurde am 7. Mai folgender Wortlaut in der Gesetzsammlung publiziert: „Die Erste Kammer wird durch Königliche Anordnung gebildet, welche nur durch ein mit Zustimmung der Kammern zu erlassendes Gesetz abgeändert werden kann. Die Erste Kammer wird zusammengesetzt aus Mitgliedern, welche der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit beruft.“106 Damit hatte der König letzten Endes doch seinen Willen durchgesetzt, denn im Wesentlichen war die Bildung der Ersten Kammer nun ihm überlassen107. Es hatte sich erwiesen, daß die Verordnung vom 8. August 1852 dazu ausgereicht hatte, um die Kammern weitgehend zu disziplinieren108. Diese Kompetenz nutzte der König, indem er nach längeren Beratungen im Ministerium am 12. Oktober 1854 die königliche Verordnung über die Bildung der Ersten Kammer erließ109. Außerdem erfolgte durch das Gesetz vom 30. Mai 1855 die Umbenennung der Kammern in „Herrenhaus“ und „Haus der Abgeordneten“110. Insgesamt endete die lange Auseinandersetzung über die Oberhausfrage mit einem Sieg des Königs und der Staatskonservativen über die Altkonservativen111. 100

Vgl. ebd., S. 242–244; dort auch das Folgende; persönliche Bemerkung Arnims ebd., S. 244. 101 Vgl. ebd., S. 244. 102 Vgl. ebd., S. 244/45, hier S. 245. 103 Ebd., S. 245. 104 Am 24.04.1853 stimmte in der zweiten Abstimmung eine große Mehrheit dafür (+ 96/– 8/8), darunter auch Graf Arnim; vgl. ebd., S. 457/58. 105 2. K. 1852/53, S. 1853. 106 GS 1853, S. 181. 107 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 312/13; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 296; Kraus, Gerlach, S. 585. 108 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 299. 109 GS 1854, S. 541–544; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 312/13; Kraus, Gerlach, S. 584–586. 110 GS 1855, S. 316; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 312, Anm. 82. Außerdem wurde die Beschlußfähigkeit des Herrenhauses unabhängig von dessen Gesamtstärke an die Präsenz von 60 Herren geknüpft.

1. Die Lösung der Oberhausfrage

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Außer der Umgestaltung des Oberhauses kam es noch zu mehreren weiteren Verfassungsrevisionen von geringerer Bedeutung112. Erst nach einem konservativen Wahlerfolg im Jahre 1855 spielte der König aber erneut mit dem Gedanken einer Aufhebung der Verfassung. Zu diesem Zweck sollte zunächst das Dreiklassenwahlrecht durch ein ständisches Wahlrecht ersetzt werden113. Otto v. Manteuffel konnte diesen erneuten Angriff auf den preußischen Konstitutionalismus abwehren114, weshalb es zu gewissen Spannungen zwischen dem Ministerium und den Altkonservativen kam115. Nicht zufällig wurde darum der Antrag auf Änderung des Art. 107, betreffend die Änderung der Verfassung auf „dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung“, am 4. Februar 1856 im Abgeordnetenhaus mit 199 gegen 93 Stimmen abgelehnt116. Erst im zweiten Anlauf wurde der Antrag auf Verkürzung der Sessionsdauer des Landtages angenommen117. All diese Bestrebungen zur Revision der Verfassung sollten dazu dienen, den Einfluß des Parlamentes auf die Gestaltung der Politik zu reduzieren und die Stellung der Regierung zu stärken. Insbesondere wurde das Herrenhaus zu einem Bollwerk gegen alle Versuche der Liberalen ausgebaut, Reformen in ihrem Sinne durchzusetzen. Wenn Graf Arnim diese Politik (trotz Bedenken im Detail) letzten Endes mittrug, so lag dies daran, daß die Reformen die Regierung stärkten, was seinem staatskonservativen Politikver111

Vgl. Kap. IV.4. Bereits am 30. April 1851 wurden die Vorschriften über das Verfahren bei den Wahlen zum Abgeordnetenhause geändert; vgl. GS 1851, S. 213. Fortan bestand die Zweite Kammer aus 352 Abgeordneten. Am 21. Mai 1852 wurden der Art. 94 über die Geschworenengerichte und der Art. 95 über besondere Gerichtshöfe modifiziert; vgl. GS 1852, S. 249. Am 5. Juni erfolgte die Änderung der Art. 40–42 der Verfassung über die Abschaffung der Lehen, die der König bereits im Februar 1850 gewünscht hatte; vgl. GS 1852, S. 319; außerdem Kap. III.3.c). Am 14. April 1856 wurden der Art. 42 über die entschädigungslose Aufhebung des eximierten Gerichtsstandes modifiziert und der Art. 114 aufgehoben; vgl. GS 1856, S. 369. 113 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten II, S. 353; siehe dazu Hahn, Berliner Revue, S. 39/40. 114 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten II, S. 353 und 363/64; Manteuffel, Denkwürdigkeiten III, S. 98–100; siehe dazu Hahn, Berliner Revue, S. 40/41. Zu der von Manteuffel gebildeten „Abwehrfront“ gehörten auch Hermann Wagener, Frhr. v. Hertefeld, Graf Pinto und Lavergne-Perguilhen. 115 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten II, S. 392; siehe dazu Hahn, Berliner Revue, S. 45. 116 Vgl. AH 1855/56, S. 298–300. 117 Am 04.02.1856 hatte das Abgeordnetenhaus eine Einberufung des Landtages im Januar abgelehnt; vgl. AH 1855/56, S. 289–291. Am 18.05.1857 erhielt Art. 76 dann folgenden Wortlaut: „Die beiden Häuser des Landtages der Monarchie werden durch den König regelmäßig in dem Zeitraum von dem Anfange des Monats November jeden Jahres bis zur Mitte des folgenden Januar und außerdem, so oft es die Umstände erheischen, einberufen.“ [GS 1857, S. 369] 112

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

ständnis entsprach. Außerdem lehnte er grundsätzlich jede Politik ab, welche die Autorität der monarchischen Regierung prinzipiell in Frage stellte: Graf Arnim opponierte zwar gegen den König, leistete jedoch keinen Widerstand gegen die Position der Krone. In diesem entscheidenden Punkt unterschied er sich fundamental von den Brüdern Gerlach und den Altkonservativen, die den ständischen Rechten eine größere Bedeutung zumaßen als den Rechten der Krone118. Vor dem Hintergrund dieses Gegensatzes verliefen auch die Debatten über die Revision der Kommunalgesetzgebung von 1850, welche der liberalen Opposition auch die Möglichkeit nehmen sollte, die Macht zunächst auf lokaler Ebene zu erringen. 2. Die Revision der Kommunalordnung Nachdem erst im März 1850 die neuen Kommunalgesetze in Kraft getreten waren119, wurde bereits am 12. März 1851 in der Ersten Kammer der „Antrag Denzin/Itzenplitz“ auf Abänderung der neuen Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Provinzialordnung eingebracht120. Die Konservativen wollten offenbar die Zugeständnisse an die Liberalen auf diesem Gebiet korrigieren, da ihr Wahlerfolg eine weitere Rücksichtnahme erübrigte. Graf Arnim arbeitete sich zwar in die Materie ein121, ergriff aber in der Plenardebatte nicht das Wort, in der eine Abänderung der Kommunalgesetze befürwortet wurde122. Als Reaktion auf diesem Beschluß verfügte Innenminister Westphalen die Rückkehr zum vorkonstitutionellen ständischen System auf kommunaler Ebene: Am 15. Mai 1851 wurde die Kreisvertretung wieder den alten Kreisständen übertragen und am 28. Mai die Provinzialvertretung den alten Provinziallandtagen123. Auch wenn es sich hierbei nur um vorläufige Maß118

Vgl. dazu auch Kap. IV.4. Vgl. Kap. III.3. 120 1. K. 1850/51, S. 635/36; vgl. dazu Bornhak, Geschichte III, S. 228–239 und 242–247; Rönne, Gemeindeordnung, passim; siehe außerdem Heffter, Selbstverwaltung, S. 322–349; Kraus, Gerlach, S. 565/66; Peters, Beiträge, passim; Zimmermann, Entstehung, S. 15–17. 121 Vgl. Nachlaß Nr. 4109, Bll. 3–12 (Manuskripte). 122 Vgl. 1. K. 1851, S. 1066–1089. 123 Vgl. Heffter, Selbstverwaltung, S. 329; Zimmermann, Entstehung, S. 17–19. Der brandenburgische Provinziallandtag, dem auch Graf Arnim angehörte, versammelte sich erstmals wieder am 31. August 1851, um die Abänderung der Gemeindeordnung zu verhandeln; vgl. Kraus, Gerlach, S. 574–577. Die Provinziallandtage führten allerdings nur ein Schattendasein, denn inzwischen sahen auch die Konservativen ihr Hauptwirkungsfeld im Landtag, während die Opposition dort auf Grund der Zusammensetzung der Provinziallandtage ohnehin noch chancenloser als in der Zweiten Kammer war. 119

2. Die Revision der Kommunalordnung

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nahmen handelte, die neuen Kommunalgesetzen nicht vorgreifen sollten, bedeuteten diese Erlasse auf Grund der undemokratischen Zusammensetzung der Kreis- und Provinziallandtage einen massiven Angriff auf den Konstitutionalismus. Sogar eine Abschaffung der Verfassung und eine Rückkehr zum Vereinigten Landtag erschienen nun möglich zu sein124. Auf Grund dieser Revision der Verfassung gründete eine Gruppe von gemäßigten Konservativen um Bethmann-Hollweg die „Wochenblattpartei“125. Auch Graf Arnim übte in einer Denkschrift an Innenminister Westphalen am 10. November 1851 Kritik126: Er äußerte seine Verwunderung darüber, daß ungeachtet des provisorischen Charakters der Maiedikte die Polizeiverwaltung durch die Potsdamer Bezirksregierung bereits endgültig reorganisiert werde. Wenn nun Landtag und Ministerium sich nicht auf eine neue Kommunalordnung einigen könnten, entstünde eine schwierige Situation. Der Innenminister gestand Arnim in einem äußerst zuvorkommenden Antwortschreiben zu, daß derartige Maßnahmen in der Tat unzweckmäßig seien, weshalb er der Potsdamer Regierung deren Unterlassung befohlen habe127. Anders als die Anhänger der Wochenblattpartei kritisierte Graf Arnim Ende 1851 nicht prinzipiell die Reaktivierung der vorkonstitutionellen Stände, sondern übte lediglich Kritik am dabei an den Tag gelegten Verfahren. Insofern illustriert der skizzierte Briefwechsel die tiefe Kluft zwischen dem gemäßigten, staatskonservativen Arnim und der ebenfalls gemäßigten, nationalkonservativen Wochenblattpartei, die im Landtag ab 1851 zugleich Regierungslager und Opposition trennte. Am 1. Dezember 1851 wurde dann der Ersten Kammer ein Regierungsentwurf „zur Abänderung der Gesetze vom 11. März 1850“ vorgelegt, der erstens eine Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen enthielt, zweitens die Hauptgrundsätze für eine Landgemeindeordnung der sechs östlichen Provinzen und drittens eine Landgemeindeordnung für die Provinzen Rheinland und Westfalen128. Nachdem diese Entwürfe dort vom 23. Februar bis zum 4. März beraten worden waren, wurden sie am 13. März der Zweiten Kammer vorgelegt129. Dort wurden die Debatten durch eine zweitägige allgemeine Aussprache am 10. und 11. Mai eingeleitet130. Diese be124

Vgl. dazu Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 166. Vgl. Kap. IV.4. 126 Denkschrift Arnims vom 10.11.1851 an Innenminister Westphalen. In: Nachlaß Nr. 4103, Bll. 13–16. Das außerordentliche Wohlwollen Westphalens wird daran deutlich, daß er sich wortreich bei Arnim dafür entschuldigte, erst nach zehn Tagen (!) auf dessen Eingabe geantwortet zu haben. 127 Schreiben Westphalens vom 19.11.1851 an Arnim ebd., Bll. 19 + 20. 128 1. K. 1851/52, S. 15, DS Nr. 5; vgl. dazu Kratzer, Entstehung, passim; Zimmermann, Entstehung, S. 20/21. 129 2. K. 1851/52, S. 736. 125

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

gann mit einem scharfen Angriff Vinckes auf die Regierung, dem Graf Arnim entgegentrat131: Es handle sich bei der Reform der Kommunalordnung um „eine, wenn nicht fast unausführbare, doch äußerst schwierige“ Aufgabe. Dies hätten die Gesetze von 1850 gezeigt, bei denen man zu wenig Rücksicht auf provinzielle Besonderheiten genommen habe. Außerdem bezeichnete Graf Arnim das Vorgehen der Regierung im Vorjahr als unerwartet, aber (anders als Vincke) durchaus nicht verfassungswidrig132. Wie schon an dieser Stelle war aus Arnims Rede herauszulesen, daß er das Vorgehen der Regierung zwar verteidigte, aber nicht vorbehaltlos billigte. Dies verdeutlichen kleine Spitzen wie der Hinweis auf die „Zeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts und früher, wo die Kraft des Adels durch die Souveränität gebrochen wurde“. Trotzdem zählte Arnim sich demonstrativ zu den „Freunden der Regierung“, und da er stets zu tun bemüht sei, was er „im Interesse des Landes, wie in dem der Krone für nützlich“ halte, werde er auch in dieser Frage der Regierung folgen. Diese loyale, aber durchaus kritische Haltung gegenüber der Regierungspolitik kennzeichnete auch die Rede des altkonservativen Kleist-Retzow133: Man könne dem Ministerium „Inkonsequenz“ oder sogar „manches Unrecht“ vorwerfen, doch sei die Situation außerordentlich schwierig gewesen, weshalb es die Aufgabe des Landtages sei, „zu heilen und zu bessern, über solche Zustände das Ministerium hinwegzuhelfen, aber nicht die Hand in die Wunde zu stecken und sie weiter aufzureißen.“ Kleist-Retzows und Arnims Reden verdeutlichen, daß die Rückkehr zum ständischen System auch innerhalb der Konservativen Partei auf Kritik stieß und lediglich aus Loyalität mitgetragen wurde. Daß es (anders als in der Oberhausfrage) nicht zu einer konservativen Opposition gegen das Ministerium kam, dürfte allerdings auch daran gelegen haben, daß die konservativen Adligen von Westphalens ständischen Plänen nur profitieren konnten. Am 12. Mai begann dann die Arbeit an der Sache mit den Debatten über die neue Städteordnung, die allerdings von der konservativen Landtagsmehrheit recht lustlos geführt wurden und bis zum Kammerschluß am 19. Mai nur bis zum § 5 des Gesetzentwurfes fortschritten134. Auch in diesem Punkt war Westphalens Gesamtplan zur Revision des preußischen Konstitutionalismus zunächst versandet135. 130

Vgl. 2. K. 1851/52, S. 1333–1354, 1355–1382. Vgl. ebd., S. 1350–1352; dort auch das Folgende. 132 „Es hat vielleicht Niemand daran gedacht, daß neben der Verfassung auch die Provinzial- und Kreis-Landtage am Leben bleiben würden; aber daß dies durch die Verfassung Preußens, sobald es darauf ankommt, ein scharfes Recht zu finden, ausgeschlossen würde“, habe er nicht darin gefunden, erklärte Arnim ebd. 133 Vgl. ebd., S. 1364–1369. 134 Vgl. 2. K. 1851/52, S. 1383–1410, 1412–1435, 1438–1451, 1454–1474. 131

2. Die Revision der Kommunalordnung

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Ungeachtet dieses Mißerfolges wurde in der folgenden Session 1852/53 erneut im Landtag über die Änderung der Kommunalordnung beraten, wobei Ludwig v. Gerlach neben Innenminister Westphalen eine herausragende Rolle spielte136. Am 7. und 8. Januar 1853 kam es in der Ersten Kammer, in die Graf Arnim inzwischen gewechselt war, zur allgemeinen Aussprache über den Gesetzentwurf, „betreffend die Aufhebung der Gemeinde-, Kreisund Provinzialordnung vom 11. März 1850“137, in der Stahl die Position der Konservativen darlegte138. Es folgte die Debatte über den Gesetzentwurf selbst, die deshalb relativ kurz war, weil die Annahme des Entwurfs durch die konservative Mehrheit des Landtages sicher zu sein schien139. Graf Arnim warf darin der liberalen Opposition vor, am Gesetzeswerk von 1850 festhalten zu wollen, obwohl sie es ebenfalls für verfehlt hielten140. Es müsse nun endlich ein Zustand erreicht werden, bei dem die „Eifersucht der anderen dem großen Grundbesitz nicht angehörenden Schichten der Bevölkerung auf ebendiesen aufhöre“. Um diesen Zustand zu erreichen, schlug Graf Arnim vor, nicht nur zum alten ständischen System zurückzukehren, sondern dieses auch zu reformieren: Alle Stände sollten auf den Kreis- und Provinziallandtagen gleichmäßig vertreten sein. Allerdings sollte getrennt nach Kurien abgestimmt werden, wie es der brandenburgische Provinziallandtag beschlossen habe, und nicht mit einfacher Majorität. Schließlich wurde die Aufhebung der Gesetze von 1850 mit großer Mehrheit beschlossen141. Anschließend wurde ohne große Diskussion mit 87 gegen 11 Stimmen beschlossen, auch den Artikel 105 der Verfassung über die Kommunalordnung aufzuheben142. Daraufhin kam es in der Zweiten Kammer noch zu einer Modifikation der Beschlüsse, der die Erste Kammer am 24. Februar 1853 ohne Diskussion zustimmte143. Auf eine Debatte über den neuen Wortlaut des Artikels 105, der in der Zweiten Kammer erarbeitet worden war, konnte und mußte die Erste Kammer am 24. Mai 1853 (aus Zeitgründen) verzichten. Ohne Diskussion akzeptierte die Kammer folgenden Wortlaut: „Die Vertretung der Gemeinden, Kreise und Provinzen des Preußischen Staates wird durch besondere Gesetze näher bestimmt.“144 Da135

Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 303/04. Vgl. dazu Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 166; ders., Tagebuch, S. 325; siehe auch Heffter, Selbstverwaltung, S. 330–335; Kraus, Gerlach, S. 565/66. 137 Vgl. 1. K. 1852/53, S. 91–108, 110–114. 138 Vgl. ebd., S. 101–104. 139 Vgl. ebd., S. 114–122 (08.01.) und 123–133 (10.01.). 140 Vgl. ebd., S. 118–120; dort auch das Folgende. 141 Vgl. ebd., S. 133. 142 Vgl. ebd., S. 133–137. 143 Vgl. ebd., S. 415–417. 144 Vgl. ebd., S. 842; GS 1853, S. 228; siehe dazu Zimmermann, Entstehung, S. 25. 136

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

mit war der Weg frei für die Städteordnung vom 30. Mai 1853145, während es bis zur Verabschiedung der entsprechenden Gesetze für die Landgemeinden noch längere Zeit dauern sollte. Im Januar 1854 brachte die Regierung die Entwürfe einer Landgemeindeordnung für die sechs östlichen Provinzen sowie die Provinzen Rheinland und Westfalen in den Landtag ein146. In der Ersten Kammer, in der vom 23. bis 28. Februar 1854 vier Tage lang über die Entwürfe debattiert wurde147, ergriff Graf Arnim nur am zweiten Tag kurz das Wort, und zwar, für ihn typisch, in einer Detailfrage: Es sei wünschenswert, „daß die Fähigkeit, zum Landtags-Abgeordneten gewählt zu werden, zusammenfalle mit derjenigen eines Kreistags-Abgeordneten“148. Deshalb wäre die Regelung ausreichend, ein Landtagskandidat müsse auch zum Kreistag wählbar sein. Nach zügiger Beratung leitete die Erste Kammer ihre Beratungsergebnisse am 7. März 1854 an die Zweite Kammer weiter149. Letzten Endes erwiesen sich die Debatten jedoch als fruchtlos, denn am 24. März 1854 zog die Regierung die Entwürfe angeblich aus Zeitgründen zurück150. Der eigentliche Grund war jedoch, daß in der Zweiten Kammer eine sogenannte „freie Kommission“ einen Alternativvorschlag entwickelt hatte151, so daß mit einer Änderung der Vorlagen gerechnet werden mußte. Durch das Zurückziehen der Vorlagen wollte die Regierung also unliebsamen Debatten über die Nachteile des ständischen Systems vorbeugen152. Damit war eine weitere Initiative der Regierung versandet. Innenminister Westphalen hoffte offenbar darauf, daß der Landtag irgendwann hinreichend konservativ werden würde, um seinen Vorstellungen zu folgen. Bis dahin sollte es provisorisch beim vormärzlichen System bleiben, das dem Innenminister auch nicht gerade mißhagte, weshalb er nicht auf eine rasche Entscheidung drängte. Deshalb wurde auch nicht gleich in der nächsten Session ein neuer Gesetzentwurf im Landtag eingebracht. Vielmehr wurde die Frage zunächst im konservativeren Staatsrat beraten, der 1854 wiederbelebt worden war153. 145

GS 1853, S. 261; vgl. Heffter, Selbstverwaltung, S. 331/32. 2. K. 1853/54, S. 13 und 31. 147 1. K. 1853/54, S. 232–245, 249–273, 275–289, 292–300; DSS Nrr. 21 und 28; vgl. dazu Zimmermann, Entstehung, S. 26–28. 148 Vgl. 1. K. 1853/54, S. 260; dort auch das Folgende; siehe auch Arnims Bemerkung ebd., S. 264/65. 149 Vgl. ebd., S. 355. 150 Vgl. Innenminister Westphalens Stellungnahme. In: 2. K. 1853/54, S. 699; Erlaß vom 21.03.1854. In: 1. K. 1853/54, Anlage Nr. 221. 151 Vgl. Gerlach, Tagebuch, S. 341; außerdem Grünthal, Parlamentarismus, S. 366–369; Heffter, Selbstverwaltung, S. 330/31. 152 Vgl. Zimmermann, Entstehung, S. 28. 146

2. Die Revision der Kommunalordnung

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Dort engagierte sich Graf Arnim in dieser Frage, zu der er eine Denkschrift verfaßte154, die den weiteren Gang der Diskussionen im Staatsrat maßgeblich bestimmen sollte155. Einleitend wies Arnim erneut auf dem inneren Zusammenhang hin, „in welchem die Gesetze über die Kreis Verfassungen mit denen über die Provinzialständische Verfassung stehen.“156 Außerdem gab er zu bedenken, daß das Bekenntnis zur christlichen Religion nicht zur Vorbedingung für die Ausübung ständischer Rechte gemacht werden könne, ohne zuvor Art. 12 der Verfassung zu ändern157. Des weiteren sprach Arnim sich gegen die Bildung von Kommunallandtagen in den Landesteilen aus, in denen es sie noch nicht gäbe158. Die Provinziallandtage würden dann „aus Mangel wirklich erheblicher und befriedigender Wirksamkeit hinwelken“, was in Brandenburg und Pommern zu beobachten sei, wo es bereits Kommunallandtage gebe. Deshalb warnte Arnim vor einer „Vervielfältigung der ständischen Instanzen“159. Letzten Endes erwiesen sich jedoch auch die Aktivitäten des Staatsrates als wenig fruchtbar, denn nach den Neuwahlen im Jahre 1855, bei denen die Konservativen einen großen Sieg errangen und nun die Mehrheit in beiden Häusern des Landtages stellten160, beschloß die Regierung erneut die Initiative in der Frage der Kommunalreform im Landtag. Das Herrenhaus nahm am 16. Februar die Entwürfe einer Städte- und einer Landgemeindeordnung für Westfalen ohne große Diskussion an161, außerdem am 14. März einen Entwurf für die sechs östlichen Provinzen162. Als am 25. April über einen Entwurf für die Rheinprovinz debattiert wurde163, bezeichnete es Graf Arnim als Verletzung der Gesetze von 1823, daß die Provinzialstände nicht konsultiert worden seien, weshalb eine Verschiebung der Beratungen notwendig sei164. Allerdings wurde der Antrag, den Gesetzentwurf dem rheinischen Provinziallandtag zur Begutachtung zu übergeben, mit 69 gegen 26 Stimmen abgelehnt165. Statt dessen wurden die rheinische Städteordnung 153

Vgl. Schlarmann, Einflußnahme, S. 61–67; Schneider, Staatsrat, S. 241. Vgl. Nachlaß Nr. 4114, Bll. 1–30; siehe dazu Schlarmann, Einflußnahme, S. 62–67. 155 Vgl. Schlarmann, Einflußnahme, S. 62. 156 Nachlaß Nr. 4114, Bl. 1. 157 Vgl. ebd., Bll. 8–12; siehe dazu Schneider, Staatsrat, S. 242. Art 12 RV garantierte den Genuß der staatsbürgerlichen Rechte unabhängig vom religiösen Bekenntnis; vgl. GS 1850, S. 18. 158 Vgl. Nachlaß Nr. 4114, Bll. 12 + 13. 159 Vgl. ebd., Bl. 17. 160 Vgl. Kap. IV.4. 161 Vgl. HH 1855/56, S. 64–76. 162 Vgl. ebd., S. 207–215. 163 Vgl. ebd., S. 365–391. 164 Vgl. ebd., S. 375378. 154

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

am 26. und die rheinische Landgemeindeordnung am 28. April 1856 angenommen166. In der folgenden Session kam es zu einer Initiative zur Änderung der Kreisordnung. Sie fußte auf dem Gutachten des Grafen Arnim167, das dieser auf der Grundlage seines Entwurfs für den Staatsrat auf Ersuchen des Ministerpräsidenten Manteuffel erstellt hatte168. Die Reformpläne wurden zwar trotz der Bedenken Arnims weiterverfolgt, scheiterten jedoch schließlich ergebnislos. Insgesamt war die Kommunalordnung von 1850 zwar revidiert worden, doch folgten darauf jahrelange zähe Diskussionen, die nicht zu einem geschlossenen Ganzen zusammengefügt werden konnten. Erst in den 1870er Jahren gelang es dann Bismarck (nicht ohne Zwangsmittel), die Kreis- und Provinzialreform zum Abschluß zu bringen169. In der Reaktionszeit hatten sich die Konservativen dagegen nicht dazu entschließen können, eine sowohl für sie günstige als auch zukunftsfähige Lösung zu finden. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß auch die Finanzdebatten im Landtag von eigennützigen Motiven gekennzeichnet waren. 3. Debatten über Budget- und Steuervorlagen Weil die Abgeordnetenhauswahlen von 1855 den Konservativen einen überwältigenden Sieg beschert hatten170, bestanden eigentlich beste Voraussetzungen für eine konstruktive konservative Politik, und in der Tat wurde nun die Kommunalreform im konservativen Sinne fortgesetzt171. Überraschenderweise kam es jedoch zu einem schweren Konflikt zwischen der konservativen Regierung und der konservativen Landtagsmehrheit, und zwar auf Grund des Bemühens der Regierung, die Steuereinnahmen zu erhöhen. Dieser Konflikt war schon deshalb von besonderer Bedeutung, weil das Budgetrecht das wichtigste Recht der Volksvertreter im Abgeordnetenhaus war, wenn nicht gar der einzige Hebel, mit dem diese Reformen gegen die Krone oder das Herrenhaus durchzusetzen vermochten172. Aller165

Vgl. ebd., S. 390/91. Vgl. ebd., S. 399–418, 419–424, 425429. 167 Vgl. Nachlaß Nr. 4051, Bll. 2–20 und Nr. 4114, Bll. 1–30. 168 Vgl. Otto v. Manteuffels Schreiben vom 17.10.1856 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4051, Bl. 1. 169 Vgl. dazu Heffter, Selbstverwaltung, S. 531–653. 170 Vgl. ausf. Grünthal, Parlamentarismus, S. 415–449. 171 Vgl. Kap. IV.2. 172 Bereits auf dem Vereinigten Landtag hatten ja die Liberalen das Budgetrecht dazu instrumentalisiert, um die Krone in Verlegenheit zu bringen; vgl. dazu Kap. II.3. 166

3. Debatten über Budget- und Steuervorlagen

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dings ging es den Konservativen nicht um die Verteidigung des parlamentarischen Budgetrechts, dem sie bereits im Jahre 1851 keine große Bedeutung beigemessen hatten. a) Die Entstehung der „Lückentheorie“ im Frühjahr 1851 Bei der Revision der Verfassung hatten die Liberalen zweimal vergeblich versucht, den Art. 109 der Verfassung zu beseitigen, der das Budgetrecht des Landtages beschränkte, indem er der Regierung die Möglichkeit einräumte, die gesetzlich festgelegten Steuern und Abgaben weiterhin zu erheben, falls König und Landtag sich nicht auf ein Etatgesetz einigen sollten173. Die Befürchtungen der Liberalen, die Regierung könne dem Parlament mit dem Budgetrecht seine stärkste Waffe nehmen, schienen sich bereits im Frühjahr 1851 zu bewahrheiten: Weil der Staatshaushalt für das Jahr 1851 (ohne zwingenden Grund) nicht rechtzeitig zustande gekommen war, beschloß die Regierung am 16. Dezember 1850, Steuern und Abgaben unter Verweis auf Art. 109 der Verfassung auch vor der Zustimmung des Landtages zum neuen Etat einzutreiben174. Dabei handelte es sich hier nicht um einen Notfall, sondern um eine gezielte Provokation der Regierung, weshalb es folgerichtig am 24. und 25. Februar 1851 zu einer Grundsatzdebatte in der Zweiten Kammer über das Budgetrecht kam, als die Liberalen beantragten, der Regierung das Mißtrauen auszusprechen175. Die Konservativen, für die insbesondere Hans v. Kleist-Retzow, Otto v. Bismarck und Graf Arnim sprachen, vertraten in der Debatte (wie schon 1849/ 50) die Auffassung der Regierung176. Arnim trat am 25. Februar dem Mißtrauensantrag entschieden entgegen, weil er angeblich nur die halbe Wahrheit enthalte177: Die Liberalen wären zu Unrecht der Meinung, daß Artikel 99 das Recht der Regierung zur Forterhebung der Steuern und Abgaben in Artikel 108 beschränke178. Er begründete seine Meinung, als erster Politi173

Vgl. dazu Kap. III.3.b) + c); bes. sei verwiesen auf Kraus, Ursprung, passim. Diese Tatsache stellte bis 1867 die Regel und nicht die Ausnahme dar; vgl. Hahndorf, Budgetrecht, S. 43–52; Grünthal, Parlamentarismus, S. 453–459. 175 Vgl. 2. K. 1850/51, S. 326–342, 343–361. 176 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 570–572. 177 Vgl. 2. K. 1850/51, S. 354–357; dort auch das Folgende; siehe außerdem Arnims Bemerkungen ebd., S. 358 und 359; vgl. zu Arnim auch Kraus, Ursprung, S. 224. 178 Art. 99 über die Aufstellung des Etats lautete: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht werden.“ [GS 1850, S. 32] Dagegen bestimmte Art. 109 in den „Allgemeine Bestimmungen“: „Die bestehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben und alle Bestimmungen der bestehenden Gesetzbücher, einzelne Gesetze und Verordnungen, welche der gegenwärtigen Verfassung nicht zuwiderlaufen, bleiben in Kraft, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden.“ [Ebd., S. 34] 174

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ker überhaupt179, mit der These, „daß zwischen diesen beiden Artikeln eine Lücke, eine Leere in der Verfassung ist, daß sie nichts darüber enthält, wie es dann gehalten werden soll, wenn das Gesetz, das der Art. 99 als die jährlich wiederkehrende Regel hinstellt, nicht zu Stande kommt.“180 Anschließend nahm er bereits die Konstellation des Verfassungskonflikts vorweg, indem er die Möglichkeit ansprach, daß die Regierung, „wenn die Kammer durch krassen Mißbrauch des Rechts, Ausgaben zu bewilligen oder zu verweigern, es dahin brächte, daß solches Gesetz einmal nicht zu Stande käme“, mit Bezug auf Art. 108 die Ausgaben weiter tätige181. Arnim schloß daran die Behauptung, es sei unrechtmäßig, „Ausgaben, die nöthig sind“, zu verweigern, um „dadurch einen Wechsel der Ansichten oder der Personen in der Regierung nach gewissen Richtungen hin zu erzielen.“ Damit lehnte er nicht nur eine parlamentarische Regierung ab, sondern auch jede Form der Instrumentalisierung des Budgetrechts durch das Parlament. Im Anschluß an Arnims Plädoyer verwarf eine knappe Mehrheit (von 150 gegen 147 Stimmen) den liberalen Mißtrauensantrag, indem sie statt dessen das „Amendement Falk“ auf motivierte Tagesordnung annahm182. Damit zeigten die Konservativen, daß sie zwar dazu bereit waren, der Regierung in einzelnen Fragen Widerstand zu leisten, daß sie es jedoch ablehnten, die Regierung durch Instrumentalisierung ihrer Mitwirkung an der Gesetzgebung im Landtag zum Rücktritt zu zwingen. Diese Haltung sollte auch in der Folgezeit ihre Haltung im Landtag in den Finanzdebatten bestimmen. b) Diskussionen über die Militärkredite während des Krimkrieges Die Diskussionen, die im Frühjahr 1854 im Landtag über die Bewilligung von Militärkrediten zur Mobilmachung der preußischen Armee während des Krimkrieges geführt wurden, fanden vor dem Hintergrund des Krimkriegs (1853–1856) statt183, der seine tieferen Wurzeln in dem Bestreben Rußlands hatte, seine seit 1849 stark gewachsene Macht zu einer Expansion auf dem Balkan zu nutzen184. Die Diskussionen fielen in zweierlei 179

Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 454. Bezüglich des aktuellen Falles fügte Arnim hinzu: Das Nichtzustandekommen des Etats könne „aus verschiedenen Gründen geschehen. Der eine Grund hat gegenwärtig stattgefunden – der Mangel an Zeit.“ 181 Vgl. zum Verfassungskonflikt Kap. V.2. 182 2. K. 1850/51, S. 360/61; vgl. dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 454/55. 183 Vgl. dazu Baumgart, Außenpolitik, S. 148–155; Borries, Preußen im Krimkrieg, passim; Kunau, Stellung, passim; Müller, Partei Bethmann-Hollweg, passim; Srbik, Deutsche Einheit II, S. 216/17. 180

3. Debatten über Budget- und Steuervorlagen

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Hinsicht aus dem Rahmen der üblichen Finanzdebatten hinaus: Erstens handelte es sich um die erste außenpolitische Debatte im preußischen Landtag, nachdem es im Zuge der Unionspolitik lediglich zu kürzeren Geplänkeln gekommen und insbesondere Ende 1850 eine Debatte von den Konservativen verhindert worden war185. Zweitens ging es weniger um Finanzfragen, obwohl dieses Thema den äußeren Rahmen bildete186; vielmehr standen die gegensätzlichen Konzepte einer West- bzw. Ostorientierung Preußens zur Diskussion: Ministerpräsident Otto v. Manteuffel befürwortete eine Anlehnung an das konstitutionelle England187, während die Brüder Gerlach in der Tradition der Befreiungskriege für ein herzliches Einvernehmen mit dem autokratischen Rußland eintraten188. Am 8. April 1854 erlitten die Liberalen in der Debatte über die Militärkredite in der Zweiten Kammer eine Niederlage, denn die Kredite wurden gemäß des konservativen Antrages ohne Bedingungen bewilligt189. Als am 25. April in der Ersten Kammer darüber debattiert wurde190, legte Friedrich Julius Stahl in einer großen Rede den Standpunkt der Konservativen dar191: Preußen solle im Krimkrieg neutral bleiben, damit ohne Feindschaft gegen die Westmächte „das alte Verhältniß zu Rußland bewahrt bleibe“. Graf Arnim fehlte in dieser Debatte krankheitsbedingt192. Begleitet wurde diese Auseinandersetzung im Landtag von einem Konflikt zwischen dem König und dem Prinzen von Preußen: Friedrich Wilhelm IV. befürwortete einen preußischen Neutralitätskurs193, während Prinz Wilhelm sich (in Anlehnung an die nationalkonservative Haltung der Wochenblattpartei) für eine Westorientierung aussprach194. Diese Auseinander184

Vgl. Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 1–13. Vgl. Kap. III.3.d). 186 Dies lag daran, daß gemäß Art. 48 RV die Außenpolitik Domäne der Krone war, während die Mitwirkung des Landtages sich auf deren Finanzierung beschränkte: vgl. GS 1850, S. 23. 187 Vgl. Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 69. 188 Vgl. Kraus, Leopold v. Gerlach, Passim; ders., Gerlach, S. 627–640. 189 Vgl. dazu Bahne, Vor dem Konflikt, S. 169; Berger, Harkort, S. 511; Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 156–160; Kraus, Gerlach, S. 633/34; Müller, Partei Bethmann-Hollweg, S. 61. 190 Vgl. 1. K. 1853/53, S. 648–661. 191 Ebd., S. 650–655; die Rede findet sich auch in Stahl, Reden, S. 200–219; vgl. dazu Kraus, Gerlach, S. 634/35; Schoeps, Das andere Preußen, S. 213/14. 192 Das letzte Mal hatte er am 17.03.1854 das Wort ergriffen; vgl. 1. K. 1853/54, S. 430. 193 Vgl. Barclay, Anarchie, S. 373–383; Blasius, Friedrich Wilhelm IV., S. 222– 234; Bußmann, Zwischen Preußen und Deutschland, S. 387–430; Kroll, Friedrich Wilhelm IV., S. 153–159. 194 Vgl. Marcks, Kaiser Wilhelm I., S. 115; Müller, Partei Bethmann-Hollweg, S. 61–64; Rassow, Konflikt, passim. 185

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setzung gipfelte in der Entmachtung führender Vertreter der „Wochenblattpartei“: des Londoner Botschafters Christian Carl v. Bunsen, des Kriegsministers Eduard v. Bonin und des designierten Staatssekretärs Albert Graf v. Pourtalès195. Auch in diesen Auseinandersetzungen hielt sich Arnim zurück, obwohl er dem Prinzen von Preußen zeitweilig recht nahe gestanden hatte196, und ebenso in den Debatten über die Militärkredite im März 1855, die mit einem erneuten Sieg der Konservativen endeten197. Da sich Alt- und Staatskonservative in der Befürwortung der preußischen Neutralität einig waren198, während die nationalkonservative Wochenblattpartei zu schwach war, um mit Hilfe der Liberalen gegen die Regierungspolitik zu opponieren, endeten die außenpolitischen Debatten im Krimkrieg mit konservativen Siegen, zu denen Graf Arnim wenig beitrug. Es zeigte sich erneut, daß Außenpolitik nicht zu den Interessensschwerpunkten des Boitzenburgers gehörte, es sei denn, es handelte sich um Deutschlandpolitik, da diese eng mit verfassungspolitischen Fragen verknüpft war199. Arnim dürfte höchstens für die Unterstützung der Regierungspolitik durch die Konservativen gesorgt haben. Die sich daraus ergebende Geschlossenheit von konservativer Regierung und konservativer Landtagsmehrheit zerbrach jedoch kurz nach dem Abflauen der „Krimkrise“, als die Regierung eine Steuerreform in Angriff nahm. c) Der Triumph der Interessenpolitik Die Regierung konnte an und für sich gute Argumente für eine Steuerreform vorbringen: Diese war nicht nur zur Deckung der im Krimkrieg entstandenen Kosten notwendig, sondern auch zur Finanzierung der Einführung der dreijährigen Militärdienstpflicht und zur Erhöhung der Gehälter für Beamte und Subalternoffiziere200. Trotzdem kam es, anders als in der Frage des Staatsaufbaus, in den Debatten über die Steuerreformen zu mehreren Konfrontationen zwischen Ministerium und Landtag, die von dem generellen Bestreben der Grundbesitzer geprägt waren, möglichst wenig Steu195 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 159; Blasius, Friedrich Wilhelm IV., S. 222/ 23; Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 133; Gall, Bismarck, S. 164; Müller, Partei Bethmann-Hollweg, S. 45–64; Kraus, Gerlach, S. 632/33; siehe außerdem Kap. IV.4. 196 Vgl. Kap. II.2.–4. 197 Vgl. Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 292–295. 198 Auch zwischen Otto v. Manteuffel und Leopold v. Gerlach herrschte in dieser Zeit das denkbar beste Einverständnis; vgl. Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 230. 199 Im Jahre 1848 war Graf Arnim ja vor allem zur Verfolgung verfassungspolitischer Ziele zum Außenminister ernannt worden; vgl. Kap. III.1.c). 200 Vgl. die Regierungsvorlage. In: AH 1856/57, DS Nr. 65.

3. Debatten über Budget- und Steuervorlagen

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ern zu bezahlen. Gerade dieser Egoismus ließ die Gegensätze zwischen Altund Staatskonservativen in den Hintergrund treten und sorgte zugleich erstmals dafür, daß sich sozialkonservativ Denkende zusammenschlossen, was zu einer weiteren Zersplitterung der Landtagsfraktionen führte201. Das Ministerium war sich darüber im klaren, daß es den Interessen der konservativen Gutsbesitzer Rechnung tragen mußte, und brachte deshalb im Februar 1856 einen Gewerbesteuerentwurf in den Landtag ein202, der vor allem den liberalen Mittelstand belastet hätte. Trotzdem leisteten die Altkonservativen gegen die Vorlage energischen Widerstand: Im Abgeordnetenhaus bezeichnete Ludwig v. Gerlach es am 12. März 1856 in seiner ersten bedeutsamen finanzpolitischen Rede als Aufgabe der Konservativen, die Regierung vor dem Fehler allzu maßloser Steuererhöhungen zu bewahren, da „Sparsamkeit die erste Aufgabe der Finanzwirthschaft ist und bleiben“ müsse und zudem eine aufgeblähte Finanzbürokratie zu „Absolutismus und Despotismus“ führe203. Offenbar hatten er (und auch viele andere Konservative) dem Gesetzentwurf der Regierung jedoch keine sinnvolle Alternative entgegenzusetzen. Vielmehr führte ihr Bestreben, jede zusätzliche steuerliche Belastung zu vermeiden, zu der Behauptung, durch Sparsamkeit könne eine Steuererhöhung vermieden werden. Lediglich eine Erhöhung der Verbrauchssteuern wie der Mahl- und Schlachtsteuer, die vor allem die unteren Schichten belasten mußte, war für die Konservativen akzeptabel. Diese Vorstellungen wurden in der Form des „Antrag Kühne“ umgesetzt, der am 12. März 1856 im Abgeordnetenhaus diskutiert wurde und eine Forterhebung des Steuerzuschlags forderte, der während des Krimkriegs erhoben worden war204. Der Antrag wurde schließlich mit den vereinten Stimmen der Linken und der Fraktion Gerlach angenommen205. Daraufhin befaßte sich das Herrenhaus am 5. April 1856 mit der Steuerfrage, in der zunächst Stahl den Vorschlag des Abgeordnetenhauses verwarf206. Anschließend kommentierte Graf Arnim zunächst prinzipiell das Budgetrecht des Herrenhauses207: Wenn das Herrenhaus den Etat verwerfe, habe dies zur Folge, „daß das Abgeordnetenhaus auf das Budget zurückkommt und es mit der Regierung erwägt.“ Damit wies er dem Herrenhaus 201

Vgl. dazu ausf. Kap. IV.4. Vgl. HH 1855/56, S. 240. 203 AH 1855/56, S. 502/03; vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 205; siehe dazu auch Grünthal, Parlamentarismus, S. 452–455; Kraus, Gerlach, S. 652– 655. 204 Vgl. AH 1855/56, S. 673–686. 205 Vgl. ebd., S. 686. 206 Vgl. HH 1856, S. 243–260; Stahl ebd., S. 250–252; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 456. 207 Vgl. HH 1856, S. 253–255; dort auch das Folgende. 202

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in Finanzfragen die Rolle eines Korrektivs zu, dem die Regierung und das Abgeordnetenhaus als gleichberechtigt Agierende gegenüberstanden. Im konkreten Fall befürwortete Arnim (anders als Stahl) die Genehmigung des vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Steuerzuschlags bis zum 1. Januar 1855208. Diesem Vorschlag trat die große Mehrheit des Hauses wenig später bei209. Es brachte damit die Steuerreform der Regierung endgültig zum Scheitern, denn eine einmalige Steuerbewilligung änderte nichts an der Tatsache, daß die Regierung für ihre Reformvorhaben auf Dauer höhere Einnahmen benötigte. Darüber hinaus nahm das Herrenhaus die „Resolution Brüggemann“ an, derzufolge künftig nur Einnahmen im Etat eingeplant werden dürften, „welche auf bereits bestehenden Gesetzen beruhen“, während weitere Ausgaben in einer gesonderten Gesetzesvorlage beantragt werden müßten210. Durch diesen Beschluß, dem das Abgeordnetenhaus am 14. April zustimmte211, sollte die Regierung künftig daran gehindert werden, mißliebige finanzpolitische Beschlüsse mit dem Argument durchzusetzen, andernfalls komme gar kein Etat zustande. Auf Grund dieses Beschlusses sah sich die Regierung dazu gezwungen, einerseits die Einnahmen des Staates zu vermehren und andererseits möglichst unbefristete Steuergesetze durchzusetzen212. Dafür bot sich als Ansatzpunkt die Grundsteuer an, deren Ertrag sich im Zeitraum von 1847 bis 1856 um etwa drei Prozent verringert hatte213. Um diese Steuer für die Grundbesitzer akzeptabler zu gestalten, legte die Regierung dem Landtag vier Gesetzentwürfe vor, die ein recht kunstvoll aufeinander abgestimmtes System bildeten. Insbesondere die Ergänzung der geplanten Gebäude- durch eine Salzsteuer sollte die Grundbesitzer entlasten, da sie die Ärmeren relativ stark belastete214. Außerdem kam die geplante Gebäudesteuer den Liberalen zwar insofern entgegen, als sie einen ersten Schritt hin zu einer 208

Vgl. Stahls Bemerkung ebd., S. 255. Mit 63 gegen 21 Stimmen; vgl. ebd., S. 260. 210 Vgl. ebd. 211 Vgl. AH 1855/56, S. 1047. Dem Haus war der Beschluß erst am 03.04.1856 vorgelegt worden; vgl. ebd., S. 867. 212 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 457. 213 Dagegen waren die direkten Steuern (bes. die klassifizierte Einkommensteuer) um 30% und die Gewerbesteuern um 12% gestiegen; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 457. 214 Vgl. AH 1856/57, DS Nr. 65. Von geringerer Bedeutung waren die geplante Änderung des Gewerbesteuergesetzes vom 30.05.1820 und die geplante Aufhebung der Gewerbesteuerfreiheit für Aktiengesellschaften, denn diese Gesetze sollten nur Mehreinnahmen von 600.000 Thalern erbringen, während für die Gebäude- und Salzsteuer zusammen 3,48 Mio. Thaler veranschlagt waren; vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 46. 209

3. Debatten über Budget- und Steuervorlagen

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allgemeinen Grundsteuer (auch für die Rittergüter) bedeutete, doch trug sie den Interessen der konservativen Rittergutsbesitzer dadurch Rechnung, daß diese durch die Festsetzung einer Maximalsteuer für Häuser bevorzugt wurden215. Trotz dieser ausgleichenden Position der Finanzvorlagen kam es zu sich monatelang hinziehenden Debatten in beiden Häusern des Landtages, die quasi Höhe- und Wendepunkt einer ganzen Ära waren216. Sie standen unter dem Vorzeichen einer konservativen Obstruktionspolitik, die bereits das Gesetz über die Oberrechnungskammer hatte scheitern lassen: Diese war in der 48er Revolution von einem Instrument der Krone in ein Organ verwandelt worden, das dem Parlament die Rechnungskontrolle ermöglichen sollte217. Allerdings hatte Art. 104 der Verfassung die Details einem besonderen Gesetz über die Oberrechnungskammer vorbehalten218. Erst 1856 legte das Ministerium Manteuffel einen Entwurf für dieses Gesetz dem Landtag vor219, der im Zusammenhang mit den Steuergesetzen stand220. Dieser wurde jedoch gar nicht erst in den Landtag eingebracht, sondern scheiterte bereits im Vorfeld am Widerstand der Altkonservativen221. Das Scheitern dieses Gesetzes, das (wie auch die Kommunalgesetze) erst nach 1866 von Bismarck erfolgreich durchgesetzt werden konnte222, war ein schlechtes Omen für die Debatten über die Steuervorlagen der Regierung. Bereits im Vorfeld gab es Differenzen zwischen dem Gerlach-Kreis und dem Ministerium223, die dazu führten, daß einige Abgeordnete die „Fraktion Gerlach“ verließen224. Dabei vertrat Gerlach, der zwar laut eigenem Bekunden recht wenig von der Materie verstand225, aber trotzdem Vorsitzender der Finanzkommission war, eine reine Prinzipienpolitik226. Auch in der Debatte, die im Abgeordnetenhaus drei Tage lang mit großer Leidenschaft geführt wurde227, schlug Gerlach lediglich altpreußische Sparsamkeit vor228. Direkt im Anschluß daran hielt Ministerpräsident Otto v. Manteuffel 215

Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 460/61. Vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 45–47; Grünthal, Parlamentarismus, S. 459. 217 Vgl. Brodersen, Rechnungsprüfung, S. 22–55. 218 Vgl. GS 1850, S. 32. 219 Vgl. Manteuffel, Denkwürdigkeiten III, S. 138/39. 220 Vgl. Brodersen, Rechnungsprüfung, S. 63. 221 Vgl. ebd., S. 66–68. 222 Vgl. ebd., S. 165–200. 223 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 383–389; vgl. Kraus, Gerlach, S. 654. 224 Vgl. Kap. IV.4. 225 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 653. 226 Vgl. auch den Kommissionsbericht . In: AH 1856/57, Bd. 3, S. 245–255 und S. 263–280. 227 Vgl. dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 461–468. 216

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

Gerlach deshalb vor, der Staat könne „nicht wie ein Rittergut verwaltet werden“229. Unbestritten blieb allerdings, daß die preußischen Finanzen alles andere als marode waren230. Auch Moritz v. Blankenburg stellte fest, es ginge weniger um ständische Prinzipien als vielmehr ums Geld231. Und Lehnert ergänzte, es handle sich außerdem um einen „Kampf der GrundAristokratie mit der . . . Bureaukratie“232. In der Tat zielte der Hauptangriff der Altkonservativen auf die Bürokratie233, deren Stellung sie durch eine Vergrößerung des Finanzrahmens aus ihrem eigenen Beutel nicht erhöhen wollten. Obwohl Friedrich Wilhelm IV. offen den Kurs Manteuffels unterstützte, nachdem Gerlach den König mit einem Hinweis auf die „Prachtbauten auf Staatskosten“234 gegen sich aufgebracht hatte235, wurde am 27. März der Gebäudesteuerentwurf mit der überwältigenden Mehrheit von 241 gegen 73 Stimmen abgelehnt236, worauf Finanzminister Karl v. Bodelschwingh den Entwurf zurückzog. Das Abstimmungsergebnis war als Mißtrauensvotum gegen die Regierung zu betrachten237. Der Regierungsentwurf über die Salzsteuer wurde zwar im Abgeordnetenhaus mit knapper Mehrheit angenommen238, doch mußte die Regierung dazu massiven Einfluß auf die beamteten Abgeordneten ausüben239. Daraufhin befaßte sich das Herrenhaus mit der Materie. Am 23. April betonte Otto v. Manteuffel in der allgemeinen Aussprache, daß das Herrenhaus die Vorlage natürlich ablehnen könne, aber auch die Verantwortung dafür zu tragen habe240, und auch Finanzminister Bodelschwingh wies eindringlich auf die Notwendigkeit einer Finanzreform hin241. Trotzdem wurde nach einer kurzen Debatte, in der Graf Arnim nicht das Wort ergriff, der § 1 der 228

Vgl. Kraus, Gerlach, S. 654/55. AH 1856/57, S. 607. 230 „Wären sie dies tatsächlich gewesen oder zumindest geblieben, so hätte eines der entscheidenden Argumente gefehlt, um über Jahre hinweg und erfolgreich die Lückentheorie für hinreichend verfassungskonform verteidigen zu können.“ [Grünthal, Parlamentarismus, S. 467] 231 Ebd., S. 546/47. 232 Ebd., S. 548. 233 Vgl. ebd., S. 462. 234 AH 1856/57, S. 607. 235 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 655. 236 AH 1856/57, S. 632–34; vgl. dazu Hahn, Berliner Revue, S. 46/47. 237 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 467. 238 Zunächst wurde §1 mit 164 gegen 150 Stimmen angenommen, dann die gesamte Vorlage mit 164 gegen 144 Stimmen; vgl. AH 1856/57, S. 670–673. 239 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 468; Kraus, Gerlach, S. 655. 240 Allgemeine Aussprache in: HH 1857, S. 255–277; Manteuffel ebd., S. 266/ 67; vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 47. 241 Vgl. HH 1857, S. 269–272. 229

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Regierungsvorlage mit 95 gegen 21 Stimmen abgelehnt242. Graf Arnim stimmte ebenfalls mit „Nein“243, verzichtete aber bezeichnenderweise auf eine Begründung seiner Entscheidung. Offenbar war dem Boitzenburger, der keine Gelegenheit ausließ, seine Prinzipien darzulegen, bewußt, daß es sich um eine Entscheidung handelte, bei der das eigene Interesse im Vordergrund stand. Angesichts dieses Verhaltens der großen Mehrheit des Herrenhauses resignierte das Ministerium und brach die Finanzdebatten ab244. Diese Debatten hatten gezeigt, in welchem Umfang das neu etablierte Herrenhaus als Instrument einer rigoros verfochtenen Interessenpolitik benutzt werden konnte245. Dabei zeichnete sich nicht nur der Rückzug der Konservativen auf das Herrenhaus ab, sondern auch ein deutliches Abrücken der konservativen Abgeordneten von der Regierung246. Der verärgerte König aber beauftragte das Ministerium angesichts der Obstruktionspolitik des Landtages damit, eine erneute Revision der Verfassung vorzubereiten247. Die reine Interessenpolitik des Landtags gipfelte in den Debatten über die Erhöhung der Rübenzuckerpreise, die von der Regierung mit den anderen Mitgliedsstaaten des Zollvereins zur wirtschaftlichen Vereinheitlichung und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen vereinbart worden waren. In der dreitägigen Debatte im Abgeordnetenhaus im April 1858 vertrat Ludwig v. Gerlach dieses Mal die Politik der Regierung, da er erkannte, daß die Konservativen in der Opposition auf Dauer nicht bestehen könnten248, doch wurde die Zustimmung des Hauses nur unter Spaltung sämtlicher Fraktionen erreicht, wobei die Mehrheit der Stimmen für die Regierungsvorlage von der Linken kam. Auch im Herrenhaus gab es zunächst eine lange Debatte, bevor die Vorlage mit 89 gegen 40 Stimmen angenommen wurde249. Wie zuvor Ludwig v. Gerlach im Abgeordnetenhaus stimmten auch führende Konservative wie Arnim, Kleist-Retzow, Senfft-Pilsach und Stahl für die Vorlage, jedoch nicht alle Konservativen. Insofern konnte die Regierung es nicht als allzu großen Erfolg verbuchen, wenigstens dieses Finanzgesetz durch den Landtag gebracht zu haben. 242

Vgl. ebd., S. 277–280. Ebd., S. 280. 244 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 470. Dazu trug auch die Erkrankung des Königs bei. 245 Vgl. ebd., S. 459. 246 Vgl. Spenkuch, Herrenhaus, S. 54/55. 247 Vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 48. 248 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 216–221; Manteuffel, Denkwürdigkeiten III, S. 263–266; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 413; Hahn, Berliner Revue, S. 80; Kraus, Gerlach, S. 656/57. 249 Vgl. HH 1858, S. 339–372; Vorlage ebd., DS Nr. 109. 243

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Bei den Debatten über die Finanzgesetze hatte sich vor allem gezeigt, daß auch bzw. gerade die konservative Bastion im Herrenhaus kein Garant für eine weitsichtige konservative Politik sein mußte. Dies zeigte auch die Tatsache, daß beide Häuser die Mehrausgaben wegen der Neuenburger Krise nachträglich bestätigten250, ohne daß von Sparsamkeit die Rede gewesen wäre251. Vielmehr ließ sich die Mehrheit der Abgeordneten von egoistischen Motiven leiten. Insgesamt verdichtete sich der Eindruck, die konservative Partei Preußens sei in ihrer Entwicklung in eine Sackgasse geraten und es bedürfe einer handfesten Krise wie der 48er Revolution, um sie wieder fester zusammenzuschweißen. Graf Arnim hatte sich in den Debatten über die Steuerreform auffällig zurückgehalten, während er zuvor mit seiner Definition der „Lückentheorie“ bewiesen hatte, daß ihm Steuerfragen nicht generell gleichgültig waren. Außerdem vermied er es, die Interessen der Grundbesitzer zu definieren. Arnim versuchte also auch in dieser Frage seinem Handeln eine juristisch einwandfreie Grundlage zu geben. Deshalb wird nun bei der Betrachtung der konservativen Partei der „Reaktionszeit“ auch zu fragen sein, ob Graf Arnims Position von seinen Anhängern geteilt wurde oder nicht. 4. Differenzen innerhalb der konservativen Partei in den 1850er Jahren In der Staatskrise des Jahres 1850 hatten sich Altkonservative und Staatskonservative voneinander geschieden252. Obwohl es in der außenpolitischen Krise Ende 1850, die mit der Olmützer Punktation ihren Abschluß fand, wieder zu einer Annäherung gekommen war, blieb der Gegensatz dieser beiden konservativen Strömungen innerhalb des konservativen Lagers konstitutiv für die „Reaktionszeit“. Während die altkonservativen „Ultras“ ihren Gegnern eine Neigung zum „Absolutismus“ vorwarfen, machten die Staatskonservativen, die sich in der Zweiten Kammer „Fraktion Arnim“ nannten, ihnen wiederum „feudalständischen Parlamentarismus“ zum Vorwurf253. Darüber hinaus vollzog sich ein zunächst in der Fraktionsbildung 250

Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 78/79. Vgl. Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 320/21. Dabei handelte es sich lediglich um die Prestigefrage, ob einige royalistische Verschwörer des bis 1848 mit Preußen durch eine Personalunion verbundenen Kantons Neuenburg eingekerkert wurden oder nicht. 252 Vgl. Kap. III.4. 253 Vgl. dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 394; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 162. Außerdem gab es das „rechte Zentrum“ um v. Karl v. Bodelschwingh, das „freie Zentrum“ um Riedel und die Linke. Zum „freien Zentrum“ gehörten u. a. Rudolf v. Auerswald, Hermann v. Beckerath, Otto Camphausen, Friedrich Harkort, Friedrich v. Kühlwetter und Robert v. Patow, die 1849 zur liberal-konservativen 251

4. Differenzen innerhalb der konservativen Partei in den 1850er Jahren

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sichtbar werdender Differenzierungsprozeß254, der dazu führte, daß es schließlich nicht weniger als vier konservative Fraktionen gab. Allerdings ist dazu einschränkend zu bemerken, daß die Gräben zwischen den konservativen Gruppierungen nicht allzu groß waren, auch wenn sich „Häuptlinge“ wie Arnim und Gerlach spinnefeind waren: Dies wird z. B. daran deutlich, daß Bismarck, der gewöhnlich dem Gerlach-Kreis zugeordnet wird255, aber auch beim Grafen Arnim verkehrte256, diesen am 5. Juli 1851 darum bat, ihm „über den Stand der ständischen Angelegenheit einigen Aufschluß“ zu geben, damit er in seinen „Correspondenzen mit Herrn von Manteuffel u von Gerlach übereinstimmende Ansichten vertreten“ könne. Er begründete seine Bitte mit der Notwendigkeit, möglichst bald „eine Verabredung über die Behandlungsweise sowohl innerhalb des Junkertums, als auch zwischen diesem und der Regierung“ zu treffen257. Die Illoyalität Bismarcks gegenüber seinem Mentor Gerlach in einer zentralen Frage wie der ständischen läßt darauf schließen, daß es offenbar fließende Übergänge und wechselnde Loyalitäten einzelner „Hinterbänkler“ innerhalb des konservativen Spektrums gab. Lediglich die „Nationalkonservativen“ trennten sich eindeutig von den Konservativen und dokumentierten dies durch die Gründung der sog. „Wochenblattpartei“. a) Konflikte zwischen führenden Konservativen Der Differenzierungsprozeß im konservativen Lager begann im Jahre 1851 im Zuge der Reaktivierung der vormärzlichen Kreis- und Provinzialstände258. Infolge dessen kam es zu einer massiven Protestbewegung. In deren Verlauf spaltete sich eine relativ kleine Gruppe von der Konservativen Partei ab259. Sie bildeten auf den Grundlagen des „wahren“ Konservativismus eine neue Fraktion um Moritz August v. Bethmann-Hollweg, deren politisches Organ das neu gegründete „Preußische Wochenblatt zur Besprechung politischer Tagesfragen“ wurde, weshalb die Fraktion auch die „Wochenblattpartei“ genannt wurde260. Dieser Bruch hatte sich bereits seit „engeren Vereinigung“ gehört hatten; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 108, 127, 394. 254 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 472. 255 Vgl. Gall, Bismarck, S. 128. 256 Vgl. Bismarck, Gesammelte Werke XIV/1, S. 254. 257 Vgl. Bismarcks Brief vom 05.07.1851 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4000, Bll. 12 + 13. Arnim sah sich allerdings außerstande, Bismarck Wesentliches mitzuteilen, da er selbst längere Zeit nicht in Berlin gewesen war; vgl. dessen Konzept am Rande von Bismarcks Schreiben ebd. 258 Vgl. Kap. IV.2. 259 Vgl. Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 28.

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dem Herbst 1849 angedeutet und war durch die Olmützer Punktation vertieft worden261, so daß die Auseinandersetzung um die Provinziallandtage nur der Auslöser, aber nicht der alleinige Grund war262. Die intensiven Bemühungen, die angeblichen „Verräter“ zur Rückkehr in die gemeinsame Fraktion zu bewegen, scheiterten263. Vielmehr schieden diese Nationalkonservativen vorläufig ganz aus der konservativen Partei aus und wechselten ins Lager der Opposition, von wo aus sie besonders im Krimkrieg Einfluß auf den Kronprinzen gewannen und auf den König auszuüben versuchten264. Allerdings blieb dieser Versuch nur eine kurzfristige Episode: Erst als Prinz Wilhelm 1858 das Ruder in die Hand nahm und die „Neue Ära“ begann, schlug die Stunde der nationalkonservativen Wochenblattpartei265. In diesem Konflikt, der vor allem zwischen den altkonservativen „Gerlachianern“ und den nationalkonservativen „Bethmännern“ ausgetragen wurde, stellte sich Graf Arnim auf keine der beiden Seiten. Vergeblich versuchte Bethmann den Boitzenburger, dessen Differenzen mit Gerlach nur zu bekannt waren, auf seine Seite zu ziehen, indem er ihm seine Protestschrift über die Reaktivierung der Provinzialstände zusandte und in seinem Begleitschreiben auf gemeinsame Ansichten verwies266. Dies verwundert deshalb, weil Arnim zeitlebens wesentlich nationaler dachte als die Gerlachs, wie sich zuletzt 1849 und 1850 gezeigt hatte267. Allerdings interessierte sich der Graf kaum für Außenpolitik und vertrat deshalb im Krimkrieg auch keine eigene Position268. Innenpolitisch aber gab es auch innerhalb der konservativen Partei genügend Sprengstoff, auch oder weil diese über eine Mehrheit im Landtag verfügte. Daß vor allem die Konflikte zwischen Staats- und Altkonservativen die konservative Partei belasteten, hing auch damit zusammen, daß die Wochenblattpartei im Landtag kaum vertreten war269. Vor allem sorgte aber 260 Programm der neuen Fraktion und Ankündigung des „Preußischen Wochenblatts zur Besprechung politischer Tagesfragen“. In: Nachlaß Nr. 4103, Bl. 21; vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 697. 261 Vgl. Behnen, Wochenblatt, S. 174; Müller, Partei Bethmann Hollweg, S. 10/ 11. 262 Vgl. Behnen, Wochenblatt, S. 192; Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 26. 263 Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 690; Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 766–771; dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 230. 264 Vgl. Kap. IV.3.b); außerdem Borries, Preußen im Krimkrieg, passim; Kunau, Stellung, passim. 265 Vgl. Kap. V.1. 266 Vgl. Bethmanns Brief vom 12.10.1851 sowie ein Exemplar von Bethmann, Reaktivierung. In: Nachlaß Nr. 4079. 267 Vgl. Kap. III.4.d). 268 Vgl. Kap. IV.2. 269 Vgl. Kap. IV.4.d).

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die Oberhausfrage in den Jahren 1852 und 1853 für einen grundsätzlichen Dissens zwischen dem staatskonservativen Ministerpräsidenten Manteuffel und dem altkonservativen Gerlach-Kreis270. Zwar waren sich beide über die prinzipielle konservative Pflicht einig, dem Ganzen des Staates und speziell der Krone zu dienen, doch konnten sie sich auf keine konkreten politischen Inhalte einigen271. Immerhin hatte Manteuffel, wohl auch auf Grund seines pessimistischen Grundcharakters272, stärker als Gerlach die Fähigkeit, die Dinge zu sehen, wie sie sind273. Darum wurde der Kompromiß, den Gerlach so sehr verachtete, geradezu ein charakteristisches Signum der Manteuffelschen Politik274. Dieser Konflikt eskalierte im Frühjahr 1852, als der König in der Oberhausfrage mit der Fraktion Bethmann-Hollweg zusammenarbeitete und damit sowohl die Regierung als auch die Konservativen in die Defensive drängte275. Dabei ging es bald, wie Graf Arnim richtig feststellte, nicht mehr nur um die Sache, sondern auch darum, ob der Landtag dem König seine Auffassung aufzwingen konnte oder umgekehrt der König dem Landtag276. Letzen Endes sprach Graf Arnim sich dabei für Gehorsam gegenüber dem König aus und sorgte damit für große Aufregung im konservativen Lager. Er tat dies jedoch nicht aus Freude am politischen Streit. Vielmehr hatte er Bismarck im Juli 1851 gestanden, er freue sich darüber, vom „stets unerfreuliche(n) Parteitreiben u Parteigezänk“ noch bis November verschont zu bleiben277. Am 10. Mai 1852 kam es in einer Fraktionssitzung der Konservativen zu einer harten Auseinandersetzung zwischen Ludwig v. Gerlach und Landwirtschaftsminister Karl v. Manteuffel, als dieser ganz im Sinne des Arnimschen „aut-aut“ erklärte, „es stehe nun einmal (die) Spaltung der conservativen Partei bevor in eine absolutistische und in eine solche, die den König abhängig machen wolle von conservativen Kammer; er gehe mit der ersteren.“278 Dagegen betonte Ludwig v. Gerlach, er wolle die Krone gerade nicht schwächen, „sondern durch conservative Kammern stark machen und 270 Vgl. Gall, Bismarck und die Bonapartisten, S. 618–637; Grünthal, Parlamentarismus, S. 294/95; siehe auch Kap. IV.1. 271 Vgl. ebd., S. 192/93. 272 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 797; Bismarck, Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen II, S. 91; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 293. 273 Vgl. dazu Quehls Denkschrift. In: Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 234– 236. 274 Grünthal, Parlamentarismus, S. 294. 275 Vgl. Kap. IV.1.b). 276 Vgl. dazu Kap. IV.1. 277 Vgl. Arnims Briefkonzept auf Bismarcks Schreiben vom 05.07.1851 an ihn. In: Nachlaß Nr. 4000, Bll. 12 + 13.

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unabhängig“. Dagegen sei der Absolutismus „im Prinzip revolutionär und in der Praxis ein schwaches System“279. Im diesem Sinne kritisierte er auch Arnims Rede als „unzeitgemäß“ und beschwor die Gefahr eines „Schein-Konstitutionalismus“. Er unterstellte dem Grafen Arnim absolutistische Tendenzen nach französischem Vorbild280, obwohl dieser nur an eine einmalige Auflösung der Kammern und Neuwahlen gedacht hatte und nicht an eine plebiszitäre Monarchie281. In der Folgezeit kam es zu einem heftigen Machtkampf zwischen den Brüdern Manteuffel und dem Grafen Arnim auf der einen sowie Innenminister Westphalen, Kultusminister Raumer, Finanzminister Bodelschwingh und den Brüdern Gerlach auf der anderen Seite, während der König keiner der beiden Seiten zustimmte, sondern seine eigenen Ziele verfolgte und sowohl über Leopold v. Gerlach als auch über den Grafen Arnim verstimmt war282. Diese Auseinandersetzung fand in der Kreuzzeitung und damit in der Öffentlichkeit statt283; er wurde von der Opposition mit Genugtuung beobachtet284. Begleitet wurde die Kontroverse von zahlreichen Adressen im Inseratenteil der Kreuzzeitung285, in denen zahlreiche Konservative Einfluß auf den politischen Richtungskampf innerhalb des konservativen Lagers zu nehmen versuchten286. Gleichzeitig erschienen zahlreiche kritische Artikel in der ministeriellen „Zeit“ aus der Feder Rhyno Quehls287. 278 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 147; Ergänzung vom Verf.; vgl. auch Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 307. 279 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 147. 280 „Wie in den Märztagen segelte er mit dem Winde von Paris und wie damals will er die Deiche weiter legen, als die Fluten schlagen.“ urteilte Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 148; vgl. ders., Tagebuch, S. 305/06; Leopold v. Gerlachs Brief vom 09.05.1852 an Bismarck. In: Gerlach, Briefe, S. 244. 281 Vgl. dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 289. 282 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 760–763; siehe auch Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 242/43. 283 Vgl. dazu die Artikel in der NPZ vom Mai 1852 von Arnim (Signum -n-) und Krassow (-a-); Arnims Notizen über den Konstitutionalismus. In: Nachlaß Nr. 4038, Bll. 1–4; außerdem Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 308; siehe Grünthal, Parlamentarismus, S. 272, Anm. 69. Dabei schaltete sich Ludwig v. Gerlach zunächst nur indirekt ein und ließ zunächst seine Anhänger zu Wort kommen, während Arnim die meisten Erwiderungen selbst verfaßte. 284 Droysen, Briefwechsel II, S. 121; Varnhagen, Tagebücher IX, S. 281, 285. 285 Vgl. u. a. NPZ Nr. 100, Do. 29.04.1852; NPZ Nr. 109, Di. 11.05.1852; NPZ Nr. 112, Fr. 14.05.1852; NPZ Nr. 122, Do. 27.05.1852 etc. 286 Nimmt man diese Adressen „als Indikator für den internen Meinungsbildungsprozeß, so überrascht nicht nur das Ausmaß der inzwischen eingetretenen Politisierung auch der Stillen im Lande, sondern vor allem die Schnelligkeit, mit der die ,Partei‘ der Argumentation Gerlachs zu folgen bereit gewesen ist:“ urteilte Grünthal, Parlamentarismus, S. 272. Allerdings darf diese Einhelligkeit nicht zu sehr

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Zunächst wurde Graf Arnims Position von der Redaktion der Kreuzzeitung keineswegs mißbilligt288, sondern dieser vielmehr ausdrücklich für seine Rede gelobt289. Dann sprachen sich aber Hermann Wagener und Dr. Beutner am 8. Mai „kontra Arnim“ aus290. Daraufhin erschien am 11. Mai ein heftiger Angriff Krassows auf die Auffassung des Grafen Arnim in der Kreuzzeitung, ohne daß dieser aber explizit genannt wurde291. Allerdings mußte jedem klar sein, wem der Vorwurf des „vulgären Constitutionalismus“ galt. Gleichzeitig erschien in der Zeit unter der Überschrift „Der Partei- und Fraktionsgeist wurde vergeblich zu bekämpfen versucht“ der Vorwurf an die Konservativen292, auf Grund ihrer Uneinsichtigkeit sei „ein erklärter Wunsch des Königs vereitelt und die Zukunft der ersten Kammer überraschen, denn dies dürfte auch ein Werk der Kreuzzeitungsredaktion gewesen sein. Gleichzeitig erschienen zahlreiche kritische Artikel in der ministeriellen „Zeit“, und außerdem wurden nicht alle Adressen publiziert; vgl. z. B. die Adresse aus Altgartensleben bei Quedlinburg vom 07.05.1852 an den Grafen Arnim, in der dessen Rede in der Zweiten Kammer zugestimmt wurde. In: Nachlaß Nr. 4103, Bl. 34. 287 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 303; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 290; Kraus, Gerlach, S. 590. Dr. Rhyno Quehl war seit dem 23. Dezember 1850 (also seit der Regierungsumbildung) Leiter der Ministerpräsident Otto v. Manteuffel direkt unterstellten „Zentralstelle für Preßangelegenheiten“ und seit März 1852 per Nachwahl Mitglied der Zweiten Kammer. Interessant ist, daß ein Justitiarius Quehl im Oktober 1836 die Boitzenburger Bibliothek und eine Sammlung von Mineralien und Antiquitäten ordnete; Nachlaß Nr. 4212, Bl. 90. vgl. dazu den Briefwechsel vom 29. Dezember 1833 bis zum 9. Mai 1846, ebd., Bll. 3–119. Es konnte zwar nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob dies wirklich der fragliche Rhyno Quehl gewesen ist, doch ist dies auf Grund des ungewöhnlichen Namens anzunehmen. Trotzdem war Arnim mit der Position der „Zeit“ nicht immer einverstanden; vgl. Arnims Brief vom 12.05.1852 an Otto v. Manteuffel. In: Nachlaß Nr. 4108, Bll. 15 + 16; Manteuffels Antwort ebd., Bl. 17. 288 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 306. 289 „Der Graf Arnim-Boitzenburg hat in seiner gestrigen meisterhaften Rede in der zweiten Kammer einen Standpunkt eingenommen, der auf eine weitsichtige Berechnung und kritische Betrachtung unserer vaterländischen Zustände sich gründet und der ihn mit vielen seiner politischen Fraktion genöthigt hat, bedingungsweise für die Gesetzesvorlage zu stimmen.“ heißt es unter der Überschrift „Zur Situation“. In: NPZ Nr. 108, So. 09.05.1852, S. 1. Graf Arnim hat diese Seite aufgehoben und den Kommentar seiner Rede rot angestrichen; vgl. Nachlaß Nr. 4103, Bl. 35; siehe auch das Schreiben aus Altgatersleben bei Quedlinburg ebd., Bl. 34. 290 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 306. 291 Vgl. NPZ Nr. 109, Di 11.05.1852, S. 1; siehe auch NPZ Nr. 110, Mi. 12.05.1852, S. 1; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 272; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 249, schreibt den Artikel Wagener zu; er urteilt weiter: „In der Kreuzzeitung fanden sich gegen den Absolutismus, wie ihn Manteuffel und ArnimBoytzenburg vertraten, die schärfsten Vorwürfe und die entschiedenste Verteidigung des ständisch-konstitutionellen Prinzips.“ 292 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 122, Anm. 122; Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 229.

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aufs neue der Ungewißheit überlassen.“293 Auch dort wurde Graf Arnim angegriffen: Seine Rede sei nur ein meisterhafter Coup gegen die Regierungsvorlage und für Art. 65 gewesen294, um durch eine ungeeignete Befürwortung der Regierungsvorlage deren Ablehnung zu erreichen. Am 13. Mai reagierte die Kreuzzeitung auf Quehls Angriff äußerst polemisch und sprach vom „Haupt der ministeriellen Camarilla“295. Außerdem wurde Rhyno Quehl, der Leiter der ministeriellen Zentralpreßstelle, als Marionette des Ministerpräsidenten Manteuffel bezeichnet296. Zugleich wehrte sich Graf Arnim gegen die Anschuldigungen vom 11. Mai mit dem Hinweis, es gehe nicht um die Gegenüberstellung eines „vulgäre(n)“ und eines „eigentliche(n) Constitutionalismus“, sondern um die Frage, „Constitutionalismus oder nicht?“297. Damit verband er die Idee, „statt des Veto der Kammern in der Gesetzgebung den Beirath“ einzuführen, und entlarvte somit das starrsinnige Beharren des Königs auf seinem Reformvorhaben auch gegen den Willen der Kammern als Angriff auf den Konstitutionalismus. Er schloß seinen Artikel mit den wenig versöhnlichen Worten: „Was conservativ oder nicht, darüber werden die Ansichten sehr verschieden bleiben. Was wahr oder unwahr, was gesund oder krank, darüber wird weniger Zweifel sein. Das erkenne man an sich selbst und handle danach.“ Seiner Meinung nach konnte man also Gerlachs Auffassungen als „conservativ“, jedoch auch als „krank“ bezeichnen, eine Einschätzung, die nicht gerade zur Beilegung des Konfliktes beitragen würde. Offenbar lagen bei dem Boitzenburger angesichts der Uneinsichtigkeit des Königs und der Engstirnigkeit der Altkonservativen die Nerven ziemlich blank. Am 14. Mai erschien daraufhin ein weiterer Artikel Krassows in der Kreuzzeitung unter der Überschrift „Ob Constitutionalismus? III“, in dem die „gegnerischen Freunde Arnims“ diesem erneut absolutistische Neigungen vorwarfen298; sie erhoben damit einen Vorwurf, der ihnen als schwerwiegend erschien, den Boitzenburger aber wenig kümmerte. Die Kammern seien als Gegengewicht gegen die Exekutive auch aus konservativer Sicht notwendig, so fügte Krassow hinzu, weil zu befürchten sei, daß der 293 Vgl. Bismarcks Brief vom 15.05.1852 an Leopold v. Gerlach. In: Bismarck, Gesammelte Werke 14/I, S. 262; Antwort Leopold v. Gerlachs vom 19.05.1852. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 15/16; siehe außerdem Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 307; Leopold v. Gerlachs Brief vom 19.05.1852. In: Bismarck, Gesammelte Werke XV, S. 95. 294 Vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 255. 295 Vgl. NPZ Nr. 111, Do. 13.05.1852. 296 Vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 256. 297 Vgl. NPZ Nr. 111, Do. 13.05.1852, S. 1; dort auch das Folgende. 298 Vgl. NPZ Nr. 112, Fr. 14.05.1852, S. 1. Auch ihn ordnet Jordan Wagener zu; vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm, S. 256.

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„Geheime-Rat-Liberalismus, . . . in der seltsamen Verquickkung von Constitutionalismus und Bonapartismus, . . . ehestens wieder an den Klippen der revolutionären Konzessionsmacherei stranden“ würde. Damit wurde Arnim auch vorgeworfen, dem Liberalismus den Weg zu ebnen. Arnim antwortete darauf am folgenden Tage mit dem Hinweis, daß auch seiner Meinung nach eine Verfassungsrevision nur auf dem verfassungsmäßigen Wege durchgeführt werden könne und dürfe299, also nicht auf revolutionärem Wege. Außerdem wolle niemand „den Französischen Constitutionalismus, den Französischen Bonapartismus in Preußen substituiren.“ Allerdings sei der preußische Konstitutionalismus gerade einer ernsten Belastungsprobe ausgesetzt: „War das Saamenkorn taub, so wird es spurlos vergehen; war es echt, so mag Erde von rechts und von links darüber geschaufelt werden und es für die nächste Zeit verdecken; es wird zu seiner Zeit keimen und Frucht tragen.“ Damit wies Arnim darauf hin, daß der Vorwurf des Bonapartismus ihm recht wertlos zu sein scheine und vielmehr eine Diskussion über die Tauglichkeit der preußischen Verfassung vonnöten sei. Er intendierte damit, daß die Altkonservativen die Wahl hätten, entweder durch eine konstruktive Mitarbeit bei der Reform der Ersten Kammer für die Tauglichkeit des verfassungsmäßigen Gesetzgebungsverfahrens zu sorgen oder aber selbst die Gesetzgebung lahmzulegen und somit den Konstitutionalismus zu gefährden. Arnim schloß mit den Worten, er ergreife zum letzten Male das Wort in dieser Sache, „da wir denen, die Zeit und Neigung dazu haben, überlassen, die Dialoge der Kammern in Monologen fortzusetzen.“ Daraufhin griff Krassow Arnim am 16. Mai erstmals persönlich an300. Außerdem erklärte er am 18. Mai, daß es nicht darauf ankomme, was für eine Art von Kammern es gebe, denn „in dem Zustimmungs- und Steuer-Bewilligungs-Recht allein ist nicht der Hauptsitz der Irrlehre von der ,Teilung der Gewalten‘.“301 Problematisch sei außerdem Arnims Berufung auf das „Volk“, denn es scheine, „daß der verehrte Staatsmann mit diesem Appel au peuple – wenn auch gewiß absichtslos und wider Willen – eine Huldigung an die bedenklichste Irrlehre des Pseudo-Constitutionalismus ausgesprochen“ habe. Wie angekündigt, reagierte Arnim auf diese Polemiken nicht, was auch unnötig gewesen wäre, da er Sympathien mit dem französischen Bonapartismus und dem Liberalismus oft genug von sich gewiesen hatte. Krassows letzter Artikel war allerdings nicht nur Höhepunkt, sondern auch Schlußakkord des Konfliktes: Nachdem schon am 14. Mai im Kronrat 299

Vgl. NPZ Nr. 113, Sa. 15.05.1852, S. 1. Vgl. NPZ Nr. 114, So. 16.05.1852, S. 1. 301 NPZ Nr. 115, Di. 18.05.1852; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 273; siehe auch den Artikel in: NPZ Nr. 114, So. 16.05.1852, S. 1, in dem Arnim erstmals namentlich angesprochen wurde. 300

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Versöhnung beschlossen worden war, kam es am 18. Mai zur Aussöhnung zwischen Ludwig v. Gerlach und Manteuffel302. Es erwies sich, daß der Ministerpräsident am längeren Hebel saß, da die Kamarilla zwar die Regierung stürzen, jedoch keine neue bilden konnte, welche die Zustimmung des Königs gefunden hätte303. Darum blieb der Kamarilla nichts anderes übrig, als Manteuffel gewähren zu lassen und lediglich die ihnen nahestehenden Minister Raumer und Westphalen zu schützen304. Deshalb griffen Stahl und Gerlach, die bisher ihren Parteigängern das Wort überlassen hatten305, an diesem Punkt der Diskussion mit dem Gewicht ihrer Autorität selbst ein. Am 19. Mai replizierte Stahl in der Kreuzzeitung ein letztes Mal auf Arnim, die Aufgabe der Konservativen könne es nicht sein, den „Constitutionalismus in den Abgrund des Cäsarismus“ zu stoßen, also die plebiszitäre Monarchie Napoleons III. nachzuahmen, sondern die, „ihn zu verdauen – und das, was davon Gesundes und Brauchbares ist, sich zu assimilieren“306. Entscheidend sei nicht nur ein (von Arnim verlangtes) verfassungsmäßiges Vorgehen, denn sonst könnte durchaus mit „constitutioneller Übereinstimmung“ beschlossen werden: „Art. 1: Art. 2:

Die Artikel 1 bis 119 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850 sind aufgehoben. An deren Stelle treten folgende Artikel: I. Der König befiehlt. II. Das Volk gehorcht.“

Das aber sei „nicht das Gegenteil der Revolution, sondern ganz einfach die Gegenrevolution.“ Wesentlich versöhnlicher als Stahls Artikel war der Leitartikel vom 20. Mai verfaßt, der endgültig den Stimmungsumschwung zum Ausdruck brachte307. Anschließend beschrieb Ludwig v. Gerlach am 22. Mai „Das Wesen des Constitutionalismus“308: Man dürfe diesen nicht durch Flucht bekämpfen wollen, „sondern nur dadurch, daß man ihn auf seinem eigen302 Vgl. Bismarck, Gesammelte Werke XV, S. 132/33; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 763–765; Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 799–802; Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 227/28. 303 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 785. 304 Vgl. ebd., S. 761–769; Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 322; siehe dazu Jordan, Umwandlung, S. 258/59. 305 Allerdings hatte sich Gerlach in mehreren Fraktionssitzungen gegen Arnims Auffassungen ausgesprochen; vgl. Gerlach, Tagebuch, S. 306–308. 306 NPZ Nr. 116, Mi. 19.05.1852, S. 1. Der Artikel wurde geschrieben, bevor Arnims Replik in NPZ Nr. 112 erschien. Nach Jordan [Friedrich Wilhelm IV., S. 250] stammte dieser Artikel von Stahl. 307 Vgl. NPZ Nr. 117, Do. 20.05.1852, S. 1. 308 Vgl. NPZ Nr. 118, Sa. 22.05.1852, S. 1.

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sten Gebiet, in seiner Burg angreift, daß man, wie dies das Geheimniß aller Erlösung ist, so zu sagen sein Fleisch und Blut an sich nimmt und in Allem ihm gleich wird, nur daß man sich nicht seiner Sünden theilhaftig macht.“ Dafür aber sei lediglich eine Reform des Wahlrechts notwendig, mehr nicht. Nachdem am folgenden Tage auch Stahl mit einem ausführlichen Artikel zu dem Problem Stellung bezogen hatte309, wandelte Ludwig v. Gerlach in seiner Mai-Rundschau das Arnimschen „aut-aut“ in ein „weder-noch“ um310. Darüber hinaus beschrieb Gerlach den Vorteil des Parlamentes für die Konservativen: „Auf dem politischen Gebiete ist das treueste dem König holde und gewärtige Gefolge, seine festeste Stütze, sein brauchbarstes Werkzeug, nämlich die conservative Partei, erst durch die Kammern und in den Kammern gesammelt, consolidirt, organisirt, zu kräftigem Selbstbewußtsein erzogen und zu practischem Handeln ausgebildet worden.“ Diese Gerlachsche Formel führte die Konservativen zu einem (dialektischen) Standpunkt zwischen den Extremen des Arnimschen „aut-aut“, der Skylla des bonapartistischen Absolutismus und der Charybdis des liberalen Parlamentarismus311. Insofern war die vom Grafen Arnim angestoßene Debatte nicht vergebens, denn sie führte die Konservativen zu einem differenzierteren Verständnis des Konstitutionalismus und bereitete somit auch die Lösung der Oberhausfrage mit vor312, auch wenn Arnim in der Debatte als der Unterlegene dastand. Die von ihm ausgelöste Debatte zeigte, daß sich die Konservativen bis hin zu den Gerlachs in den beiden Jahren nach dem Verfassungseid mit dem Konstitutionalismus abgefunden hatten, der immerhin ein Gegengewicht gegen eine drohende Dominanz der Regierung zu sein schien; diese aber wurde als Rückfall in den verhaßten Absolutismus von den meisten Konservativen seit jeher bekämpft313. Insofern hatte seine 309 Vgl. NPZ Nr. 119, So. 23.05.1852, S. 1. Dieser Artikel konnte wie Stahls Schrift über „Das Monarchische Prinzip“ als ein Lehrstück in Sachen des Konstitutionalismus gelten; vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 274. 310 Vgl. NPZ Nr. 121, Mi. 26.05.1852, S. 1; vgl. auch Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 306; siehe Grünthal, Parlamentarismus, S. 287; Jordan, Umwandlung, S. 252/53. Er „ermöglichte der Partei, einen praktisch-politischen Standort jenseits des Arnimschen ,aut-aut‘ zu gewinnen, der ebenso der konservativen Theorie wie den Imponderabilien unreflektierten Treuebewußtseins zum Hohenzollernthron angemessen war und der – nicht zum geringsten – die Möglichkeit interessenpolitischen Selbstbehauptungswillens offenhielt.“ [Grünthal, Parlamentarismus, S. 271.] 311 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 268. 312 Vgl. dazu Kap. IV.1.b). 313 Vgl. Kondylis, Konservativismus, S. 63–206. Dabei wurde auf die frühneuzeitliche Formel zurückgegriffen: „. . . und der König absolut, wenn er unsern Willen tut.“ Im Hintergrund stand auch noch die Warnung: „Joachimken, hüte di, fangen wi di, so hangen wi di.“ Vgl. auch NPZ Nr. 14, Sa. 17.01.1852; siehe dazu Grünthal, Parlamentarismus, S. 263/64; Kraus, Gerlach, S. 583/84.

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

Rede sie aus der Sackgasse prinzipieller Opposition heraus und hin zu einer Anerkennung des nachrevolutionären Verfassungsstaates geführt. Graf Arnim war damit der Initiator einer innenpolitischen Wende der Konservativen314. Im Juli 1852 kam es zu einer erneuten Krise, als die Kreuzzeitung nach einigen „äußerst krassen Ausfällen gegen Manteuffel Quehl“315 mehrmals hintereinander beschlagnahmt wurde und ihr Erscheinen daraufhin vorläufig (bis zum 20. Juli) einstellte 316. Daran war jedoch Graf Arnim nicht beteiligt, sondern vor allem Ministerpräsident Otto v. Manteuffel, der Berliner Polizeipräsident Carl Ludwig v. Hinckeldey sowie Hermann Wagener und Ludwig v. Gerlach. Trotz zweier Versöhnungsangebote Ludwig v. Gerlachs konnte der Streit jedoch vorerst nicht beigelegt werden317, vielmehr dauerte die „greuliche Konfusion“ an318. Als pikante Note am Rande wurde Radowitz am 3. August Chef der preußischen Militärbildungsanstalten, wovon sowohl Manteuffel als auch die Kamarilla erst zwei Wochen später erfuhren319. Offenbar wollte ihn der König (wie schon im Januar 1850320) erneut als Vermittler in der Oberhausfrage nach Berlin holen. Manteuffel konnte dies jedoch verhindern und seine Position durch die Kabinettsordre vom 8. September 1852 stabilisieren, die ihm das Vortragsrecht beim König sicherte321. Der Konflikt zog sich noch bis in den Sommer 1853 hin; erst dann kam es (ohne Zutun Radowitz’) zur Lösung der Oberhausfrage und zur Beruhigung der Situation322. Insgesamt endete die lange Auseinandersetzung über die Oberhausfrage mit einem Sieg des Königs und der Staatskonservativen über die Altkonservativen. Insbesondere Otto v. Manteuffel aber, der als unersetzlich galt, hatte sich eine starke Stellung geschaffen323. Auf der anderen Seite hatten 314

Grünthal, Parlamentarismus, S. 230. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 311. 316 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 780; Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 153; ders., Tagebuch, S. 311; ders., Briefe, S. 798–800; Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 223–228; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 592/93. 317 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 787; Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 230. 318 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 309. 319 Vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 272. 320 Vgl. Kap. III.3.c). 321 Vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 275. Sie spielte erneut eine große Rolle im Zusammenhang mit Bismarcks Entlassung im Jahre 1890; vgl. Pflanze, Bismarck II, S. 609–614. 322 Vgl. Manteuffel, Denkwürdigkeiten II, S. 238–241; Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten I, S. 792; siehe auch Kap. IV.1.c); außerdem Jordan, Umwandlung, S. 268–270; Kraus, Gerlach, S. 592–597. 323 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 597. 315

4. Differenzen innerhalb der konservativen Partei in den 1850er Jahren

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sich die Konservativen mit dem Herrenhaus dauerhaft eine starke Bastion gesichert, die sie darüber hinaus langfristig mit dem Konstitutionalismus aussöhnte. Die Gefahr einer Aufhebung der Verfassung (wie in Österreich) bestand in Preußen auch deshalb nicht, weil die Konservativen ihre starke Position im Herrenhaus ebensowenig verlieren wollten wie die Liberalen ihre Chance auf eine starke Stellung im Abgeordnetenhaus, wenn dies im Verlauf der 1850er Jahre auch nur eine theoretische Chance zu sein schien. Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Jahr 1855 brachten einen überwältigenden konservativen Wahlsieg324. Trotzdem kam es in der sog. „Landratskammer“ nicht zu einer erfolgreichen konservativen Politik. Vielmehr sorgten die Debatten über die Steuerreform, in denen viele Konservative eine reine Interessenvertretung betrieben325, dafür, daß einerseits die Fraktionen zersplitterten und daß andererseits der Fraktionszwang nachließ. Allerdings lag dies auch daran, daß 1855 relativ viele parlamentarische „Neulinge“ in den Landtag kamen, was die Umgruppierungen beförderte. Darüber hinaus erwies sich der bis ins Ministerium hineinreichende Dissens innerhalb des konservativen Lagers zwischen Alt-, Staats- und Nationalkonservativen als so problematisch, daß er in zunehmendem Maße den Landtag lähmte326. In den Debatten über die Grundsteuer gab es bereits im Vorfeld Differenzen zwischen dem Gerlach-Kreis und dem Ministerium327, die dazu führten, daß einige Abgeordnete die „Fraktion Gerlach“ verließen. Schließlich zeigte sich in der Ablehnung der Steuervorlagen, daß die konservativen Rittergutsbesitzer nicht nur die „Lektion des Konstitutionalismus“ endgültig begriffen328, sondern darüber hinaus auch in der Institution des Herrenhauses eine Rückversicherung gefunden hatten, die ihnen ihre vorrangige Stellung in Preußen auf Dauer sicherte. Obwohl sich im Oktober 1857 mit dem Ausbruch der schweren Krankheit Friedrich Wilhelms IV., die ihn bis zu seinem Tode 1861 auf Dauer regierungsunfähig machte, bereits das Ende der Reaktionszeit andeutete329, war deren Höhepunkt die Debatte über die Erhöhung der Rübenzuckerpreise im April 1858330, als die Zustimmung des Abgeordnetenhauses nur unter Spaltung sämtlicher Fraktionen erreicht wurde, wobei die Mehrheit der Stimmen für die Regierungsvorlage von der Linken kam331. 324

Vgl. ausf. Grünthal, Parlamentarismus, S. 415–449. Vgl. Kap. IV.3.c). 326 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 473. 327 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 383–389; außerdem Kap. IV.3.c); siehe auch Kraus, Gerlach, S. 654. 328 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 472. 329 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 679. 330 Vgl. Kap. IV.3. 325

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

Die Zersplitterung der Fraktionen betraf die Staatskonservativen stärker als die ohnehin relativ kleine altkonservative Partei. Daran konnte Graf Arnim nichts ändern, da er 1852 ins Herrenhaus gewechselt war; und weil es über den Fraktionen noch keine Parteiorganisation gab, mußte er tatenlos zusehen, wie „seine“ Abgeordnetenhausfraktion zerfiel. Dafür, daß es keine feste Parteiorganisaion außerhalb des Landtages gab, hatte das restriktive preußische Vereinsgesetz gesorgt, das auch die Arbeit der konservativen Vereine lahmgelegt hatte332. Insgesamt war darum Gerlachs Klage zutreffend, nach dem Sieg über die Revolution würden die Konservativen durch kein inneres Band zusammengehalten333. b) Die Entwicklung der konservativen Landtagsfraktionen Insgesamt gab es am Ende der 1850er Jahre (außer der nationalkonservativen Wochenblattpartei) folgende drei Flügel innerhalb der konservativen Partei: einen relativ kleinen altkonservativen, einen recht großen, aber zersplitterten staatskonservativen und einen kleinen sozialkonservativen Flügel. Die altkonservative „Kreuzzeitungspartei“ stand in der Zweiten Kammer 1850 zunächst unter der Führung Hans v. Kleist-Retzows und umfaßte etwa 64 Mitglieder334. Nach dem Ausscheiden Kleist-Retzows, der 1851 Oberpräsident der Rheinprovinz wurde335, und dem Übertritt Ludwig v. Gerlachs in die Zweite Kammer wurde dieser 1852 Führer der Fraktion. Im Februar 1853 umfaßte die „Fraktion Gerlach/Schlieffen“ jedoch nur noch 26 Abgeordnete336, im Frühjahr 1855 im Abgeordnetenhaus gar nur noch 25337. Ende Dezember 1855 waren es immerhin wieder 37338, im März 1857 gar 41 Mitglieder339. Im Zusammenhang mit den erwähnten Debatten über die Grundsteuer kam es dann jedoch zu Differenzen innerhalb der 331

Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 413. Vgl. Kap. III.4. Allerdings veröffentlichten Arnim und Freiherr v. Buddenbrock im Namen des „Vereins für König und Vaterland“ am 08.10.1852 zwei Aufrufe für die bevorstehenden Kammerwahlen; vgl. Nachlaß Nr. 4109, Bll. 13 und 14– 15. 333 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 207; siehe auch ders., Tagebuch, S. 318 und 361. 334 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 395. 335 Vgl. Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 232. 336 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 404; außerdem Leopold v. Gerlachs Brief vom 05.01.1853 an Ludwig. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 834. Die „Konservative Partei“ umfaßte insgesamt 103 Abgeordnete; vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 285/86. 337 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 405. 338 Vgl. ebd., S. 411. 339 Vgl. ebd., S. 412. 332

4. Differenzen innerhalb der konservativen Partei in den 1850er Jahren

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Fraktion340: Ausgerechnet August v. Kröcher, sonst einer der getreuesten Gefolgsleute Ludwig v. Gerlachs, begehrte in einer Fraktionssitzung am 3. März gegen Gerlachs Prinzipienpolitik auf, worauf einige Abgeordnete die „Fraktion Gerlach“ verließen341. Trotzdem hatte die Fraktion im Frühjahr 1858 noch 39 Mitglieder342. Allerdings kam es im Zuge der Debatten über die Erhöhung der Rübenzuckerpreise im April 1858 erneut zu scharfen Auseinandersetzungen in der Fraktion343. Als Ludwig v. Gerlach dieses Mal die Politik der Regierung vertrat344, versagte fast die gesamte Fraktion Gerlach den Gehorsam, was die faktische Auflösung der „Fraktion Gerlach“ bedeutete345. Insgesamt blieben die Altkonservativen während der gesamten Reaktionszeit eine Minderheit346, die nur auf Grund prominenter Mitglieder wie Ludwig v. Gerlach oder den Ministern Westphalen und Raumer Einfluß auszuüben vermochte. Die staatskonservative „Fraktion Arnim“, die sog. „reine“ Rechte, in der Zweiten Kammer umfaßte in der Session 1850/51 71 Abgeordnete347. Ihre Führer waren Graf Arnim und Karl v. Bodelschwingh348, was Ludwig v. Gerlach mit Mißmut erfüllte349. Arnim, der zu Unrecht als „Ultra-konservativ“ bezeichnet wurde350, war Vorsitzender der wichtigen „Zentral-Budgetkommission“351. Außerdem stand Ministerpräsident Otto v. Manteuffel 340

Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 383–389; siehe dazu auch Kap. IV.3.c). Vgl. Kraus, Gerlach, S. 654. 342 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 412. 343 Vgl. Kap. IV.3.c). 344 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 217/18. 345 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 413; Kraus, Gerlach, S. 656/57. 346 Vgl. Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 15. 347 Gedrucktes Mitgliederverzeichnis. In: Nachlaß Nr. 4103, Bll. 27 + 28. Änderungen während der Session ebd., Bll. 29 + 30. Grünthal [Parlamentarismus, S. 395] geht auf Grund der Auswertung der Präsidentschaftswahlen von nur 50 aus. Insgesamt zählten zur konservativen Partei unter Kleist, Arnim und Bodelschwingh 114 Abgeordnete, wovon 71 zur Fraktion Arnim und nur 43 zur Fraktion Kleist gehört haben dürften. 348 Grünthal, Parlamentarismus, S. 395. 349 Am 01.08.1852 schrieb Ludwig v. Gerlach verärgert an Adolph v. Thadden: „Es ist eine Schmach des Vaterlandes, wie Viktor richtig bemerkt, daß Du in der Obskurität schmachtest und Gr. Arnim-Boitzenburg und Bodelschwingh (– diese beiden Namen sind der eigentliche Inhalt der Märztage –) die Rechten führen.“ [Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 804/05] 350 „Rede des als ultra-konservativ bekannten Abgeordneten und früheren Ministers A. H. Graf v. Arnim-Boytzenburg“. In: Kladderadatsch vom 08.06.1851; erneut in: Ursula E. Koch, Der Teufel in Berlin. Von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung. Illustrierte politische Witzblätter einer Metropole 1848–1890. Köln 1991, S. 133. Die Karikatur bezog sich auf eine Rede Arnims in den Debatten über das neue Pressegesetz im Frühjahr 1851. 351 Vgl. Nachlaß Nr. 4105. 341

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

diesen Konservativen recht nahe352. In der Session 1851/52 hatte ihre Fraktion gar 88 Mitglieder353. Sie war mit dem „unbedingt ministeriellen Wahrzeichen“ und der „heiligen Scheu“ versehen, „nicht reaktionär erscheinen zu wollen“ und wandte sich werbend an die “freien Mittelfraktionen“354. Nach dem Übertritt des Grafen Arnim in die Erste Kammer wurde seine Fraktion als „Fraktion Nöldechen/Keller“ in der Zweiten Kammer fortgeführt, wobei mit Heinrich Leonhard v. Arnim-Heinrichsdorff ein Arnim an der Spitze der Fraktion blieb355. Sie umfaßte im Februar 1853 nicht weniger als 107 Abgeordnete, darunter vier der sechs in der Kammer sitzenden Minister356, und erreichte damit ihr größtes Gewicht im Landtag357. Danach wurde sie jedoch durch Abspaltungen halbiert: Die „Fraktion Arnim-Heinrichsdorff“ besaß im Abgeordnetenhaus im Frühjahr 1855 nur noch 57 Mitglieder358. In der „Landratskammer“ umfaßte sie im Januar 1856 zunächst immerhin wieder 94 Abgeordnete359, doch spaltete sich die Partei während der Finanzdebatten ab 1856 erneut360. Danach umfaßte die „Fraktion Arnim“ im März 1857 noch 41361 und im Frühjahr 1858 nur noch 38 Abgeordnete362, die abgespaltene zweite staatskonservative „Fraktion Büchtemann“, die den kleinen rechten Flügel der „Fraktion Carl“ aufgenommen hatte, im März 1857 immerhin 53 Abgeordnete und im Frühjahr 1858 48 Abgeordnete363. Natürlich war der Zerfall der staatskonservativen Fraktion nicht nur die Folge des Arnimschen Wechsels in die Erste Kammer, doch läßt der rapide Mitgliederschwund die Aussage zu, daß die „Fraktion Arnim“ nur auf Grund der Integrationskraft des Boitzenburgers in den frühen 1850er Jahren zum ausschlaggebenden Faktor im Landtag werden konnte, obwohl Graf

352

Vgl. Borries, Preußen im Krimkrieg, S. 38. Nachlaß Nr. 4103, Bll. 29 + 30; dort stehen 87 Namen sowie ein nachträglich hinzugefügter. Alle Fraktionen beider Kammern ebd., Bl. 31. 354 Kruse, Berichte, S. 8; zitiert nach Grünthal, Parlamentarismus, S. 394. 355 Vgl. Haunfelder, Wörterbuch, S. 47. 356 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 404; siehe auch Leopold v. Gerlachs Brief vom 05.01.1853 an Ludwig. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 834; Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 285/86. 357 Vgl. Wagener, Erlebtes I, S. 62; siehe auch Buchheim, Geschichte, S. 136. 358 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 405. Nach Hahn waren es sogar nur 46 Mitglieder, von denen über die Hälfte neu gewählt worden sei; vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 39. 359 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 404. 360 Vgl. dazu Kap. IV.3.c). 361 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 412. 362 Vgl. ebd., S. 412. 363 Vgl. ebd. 353

4. Differenzen innerhalb der konservativen Partei in den 1850er Jahren

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Arnim von den Altkonservativen in den Auseinandersetzungen über die Oberhausfrage heftig angegriffen wurde364. Bereits 1853 gründete sich in der Zweiten Kammer nach dem Übertritt des Grafen Arnim in die Erste Kammer aus gemäßigten Konservativen die „Fraktion Hohenlohe“, die immerhin 47 Mitglieder hatte365, als dritte konservative Fraktion, und auch in den folgenden Jahren bildeten sich immer wieder kleinere konservative Fraktionen. In diesem Milieu bildete sich auch der Sozialkonservativismus heraus: Bereits 1853 war Hermann Wagener aus der Redaktion der Kreuzzeitung ausgetreten, da diese sich seiner Meinung nach zu wenig in der sozialen Frage engagierte366. 1855 gründete dann Moritz v. Lavergne-Perguilhen, der seit 1838 sozialkonservative Ideen veröffentlicht hatte367, die „Fraktion Lavergne-Perguilhen“: Diese hatte im Frühjahr 1855 19 Mitglieder368, darunter die beiden Brüder Moritz und Alexander Perguilhen und Graf Pückler369, und im Januar 1856 31 Mitglieder370, darunter 18 ehemalige Mitglieder der staatskonservativen „Fraktion Arnim-Heinrichsdorff“371. Ihr Organ war die seit dem 1. April wöchentlich erscheinende „Berliner Revue“372. Während sich die Partei, die sich auch als „freikonservativ“ bezeichnete373, von Ideen eines Bülow-Cummerow und dem Junkerparlament abgrenzte374, kam es allmählich zu engeren Beziehungen zu Otto v. Manteuffel375. Deshalb nahm die Fraktion nicht zufällig ab 1856 einen stärker staatskonservativen Charakter an. Die Fraktion hatte nach einem Wechsel in der Führung, bei dem nicht weniger als vier ehemalige Mitglieder der „Fraktion Arnim“ in den Vorstand gewählt wurden376, was ihren staatskonservativen Charakter unterstreicht, als „Fraktion Pückler“ im März 1857 32 Mitglieder und im Frühjahr 1858 36 Mitglieder377. 364

Vgl. Kap. IV.1.b). Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 404. Jordan zählt insgesamt 93 Abgeordnete zu den gemäßigten Konservativen; vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 285/ 86. 366 Vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 34. 367 Vgl. ebd., S. 22–27. Dessen Hauptwerk waren die dreibändigen „Grundzüge der Gesellschaftswissenschaften“ (1838–1841). 368 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 405. 369 Vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 33. 370 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 404. 371 Vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 39. 372 Vgl. ebd., S. 35. 373 Vgl. ebd., S. 39. 374 Vgl. ebd., S. 61. 375 Vgl. ebd., S. 44/45. 376 Vgl. Grünthal, Parlamentarismus, S. 412. Dies waren Graf Pückler, Freiherr v. Hertefeld, v. Jagow und v. Leipziger. 365

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IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

Auch die „Fraktion Carl“, die im Frühjahr 1855 20 Mitglieder hatte378, entstammte der Konkursmasse der staatskonservativen Fraktion des Boitzenburgers. Sie scherte (wie zuvor schon die Wochenblattpartei) im Januar 1856 (mit 15 Mitgliedern) aus der konservativen Gesamtpartei aus379. Im März 1857 hatte die Fraktion, unter Aufnahme eines Teiles der linken „Wilden“ und unter Verlust einer Gruppe um Büchtemann, die ins staatskonservative Lager zurückkehrte380, 14 Abgeordnete und im Frühjahr 1858 12 Abgeordnete381. In der gewählten Ersten Kammer gab es bis 1852 drei konservative Fraktionen, die von Stahl und Ludwig v. Gerlach, Alvensleben sowie GaffronItzenplitz geführt wurden382. Diese arbeiteten aber so lange recht eng zusammen, wie in der Kammer die Mehrheit der Konservativen nicht gesichert war383. Nach dem Wahlrechtsoktroi im Sommer 1852 ergab sich im Frühjahr 1853 erstmals eine konservative Mehrheit in der Ersten Kammer, doch sorgte zugleich der Streit in der Oberhausfrage384 dafür, daß sich die Fraktionen umgruppierten: Nachdem 21 Abgeordnete den Boitzenburger gebeten hatten, den Vorsitz einer Fraktion zu übernehmen385, bildeten sich eine altkonservative Fraktion und eine staatskonservative „Fraktion Arnim“, die 32 Mitglieder hatte386. Allein die Tatsache, daß der in dieser Kammer neue Boitzenburger sofort die Führung einer Fraktion übernahm, belegt dessen Ansehen als Parlamentarier. Graf Arnim beschäftigte sich intensiv mit der Organisation seiner Fraktion im Herrenhaus387, die jedoch mit der Umwandlung der Ersten Kammer in das erbliche Herrenhaus ihr Gesicht veränderte388. Nicht zufällig zersplitterte die staatskonservative Herrenhausfraktion weitaus weniger als ihr Pendant im Abgeordnetenhaus, sondern wuchs auf 41 Mitglieder an389. Ihre Fraktionsführer waren Graf Arnim, Graf Itzenplitz 377 378 379 380 381 382

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

ebd., S. 412. ebd., S. 405. ebd., S. 404. Hahn, Berliner Revue, S. 39. Grünthal, Parlamentarismus, S. 412. Nachlaß Nr. 4103, Bl. 31; siehe auch Borries, Preußen im Krimkrieg,

S. 15. 383 Jordan geht darum auch von nur einer konservativen Fraktion aus; vgl. Jordan, Friedrich Wilhelm IV., S. 285/86. 384 Vgl. Kap. IV.1.b). 385 Vgl. Nachlaß Nr. 4103, Bl. 42. 386 Nachlaß Nr. 4103, Bll. 42 + 43. 387 Vgl. Nachlaß Nr. 4116. 388 Vgl. die Fraktionsliste vom 14.01.1854. In: Nachlaß Nr. 4116, Bl. 3. 389 Vgl. die Fraktionsliste. In: Nachlaß Nr. 4122, Bl. 1.

4. Differenzen innerhalb der konservativen Partei in den 1850er Jahren

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und Freiherr v. Gaffron390. In dieser Zeit wuchs Arnims gesellschaftliches Ansehen durch die Verleihung einer Hofcharge mit dem Range eines Generals der Infanterie391, ebenso durch die Erhebung Boitzenburgs zur Grafschaft392. Allerdings wurde die Heirat seiner Tochter Marie mit dem katholischen Karl Friedrich v. Savigny, dem Sohn des berühmten Juristen und Ministers393, von den protestantischen Altkonservativen mit Mißbilligung betrachtet, weil der Bräutigam katholisch war394. Dies war dem Boitzenburger gleichgültig, weil er den Brüdern Gerlach ohnehin nur noch Zurückhaltung entgegenbrachte 395 und auch diese „nach Kräften“ gegen ihn wühlten396. Dagegen verkehrte Arnim weiter mit Otto v. Bismarck397, der inzwischen (wie Graf Arnim) ebenfalls des Bonapartismus bezichtigt wurde398. Gekennzeichnet waren die 1850er Jahre durch ein relativ gutes Verhältnis Arnims zur Regierung, speziell zu Otto v. Manteuffel. Dieser, von Bismarck nur spöttisch „Oberteufel“ genannt399, ähnelte dem Grafen Arnim, denn auch er war ein für die Kamarilla schwer durchschaubarer Bürokrat, zumal er eine reine Prinzipienpolitik ablehnte. Auf der anderen Seite beherrschte Manteuffel die schwierige Kunst der Behandlung des Königs wesentlich besser als Graf Arnim, ebenso die Fähigkeit, trotz der sich widersprechenden Regierungsanweisungen eine klare Linie beizubehalten400. 390

Vgl. Nachlaß Nr. 4110, Bl. 20. Vgl. Bismarck, Gesammelte Werke XIV/1, S. 299. 392 Vgl. Kap. I.4. 393 Vgl. dazu Savigny, Briefe, S. 610–619. 394 Vgl. Leopold v. Gerlachs Brief vom 28.05.1853 an Ludwig. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 840. Es handelte sich dabei um den Savigny, der Arnim bereits in den 1830er Jahren bewundert hatte; vgl. Kap. I.3. 395 Ludwig v. Gerlach notierte am 11.02.1854: „Abends [ging ich] zu Minister Westphalen, wo Graf Arnim-Boitzenburg war, der fast ohne zu grüßen an mir vorbeiging.“ [Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 341] 396 Vgl. Leopold v. Gerlachs Brief vom 04.01.1856 an Ludwig. Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 889. 397 Vgl. Bismarck, Gesammelte Werke XIV/1, S. 450 und 505. 398 Vgl. Gall, Bismarck, S. 173–184. 399 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 933; ders., Aufzeichnungen II, S. 215. Außer dem Ministerpräsidenten Otto gab es noch den Landwirtschaftsminister Karl v. Manteuffel, genannt „Unterteufel“ oder „Ackerteufel“, sowie den Flügeladjutanten des Königs Edwin v. Manteuffel, genannt „Flügelteufel“. 400 Otto v. Manteuffel „blieb auch für die Kamarilla ein schwer durchschaubarer, offensichtlich völlig indifferenter, nur seinem Beamteneid verpflichteter Bureaukrat, der um den Staat zu ringen vorgab, wenn er Prinzipien ablehnte. In der schwierigen Kunst der Behandlung des Königs stand er Gerlach gerade wegen seiner andersartigen, ebenso unpreziösen wie nüchtern-undogmatischen Sachlichkeit kaum nach, in der Fähigkeit, aus den sich widersprechenden Regierungsanweisungen vor und hinter der politischen Bühne die Diagonale möglichen Handelns, Verzögerns oder auch Verhinderns zu ziehen, übertraf ihn keiner.“ [Grünthal, Parlamentarismus, S. 216] 391

338

IV. Die „Reaktionszeit‘‘ (1851–1858)

Deshalb blieb Manteuffel auch von Ende 1848 bis 1858 Minister und wurde nicht von Friedrich Wilhelm IV., sondern von dessen Nachfolger Wilhelm entlassen, während Graf Arnim weder als Innenminister noch als Ministerpräsident dazu in der Lage war, seine Vorstellungen beim König durchzusetzen und daraufhin zurücktrat. Insgesamt endete die Reaktionszeit für die Konservativen äußerst unbefriedigend: Zunächst hatte der langandauernde Streit zwischen Arnim und den Gerlachs die Konservativen insgesamt geschwächt. Betrachtet man allein die Zahlen und Fakten, so scheint Arnim aus der Auseinandersetzung als Sieger hervorgegangen zu sein: Die Mehrzahl der konservativen Abgeordneten schloß sich den Staatskonservativen und nicht den Altkonservativen an. Vor allem aber wurden der altkonservative Angriff auf die Verfassung abgeschlagen und die Oberhausfrage im staatskonservativen Sinne gelöst. Am Ende der 1850er Jahre war die Konservative Partei im Landtag in mehrere rivalisierende Fraktionen zersplittert. Dies lag allerdings nicht nur an der mangelnden Integrationskraft des Grafen Arnim, dessen Herrenhausfraktion nach 1855 keineswegs so stark zersplitterte wie ihr Pendant im Abgeordnetenhaus. Allerdings hatte seine Zurückhaltung in den Debatten über die Finanzvorlagen der Regierung, in denen der konservativen Partei eine prinzipielle Regierungsunfähigkeit vorgeworfen werden konnte, verhindert, daß Arnim die „Hinterbänkler“ im Landtag integrieren konnte. Dies führte zu einer gewissen Lethargie in den konservativen Reihen und zugleich bei den Wählern zu dem Gefühl, daß es Zeit wäre, frischen Wind in den Landtag zu bringen. Deshalb begann die „Neue Ära“ 1858 nicht zufällig mit einem Wahldebakel für die Konservativen401.

401

Vgl. Kap. V.1. + 4.

V. „Neue Ära“ und Verfassungskonflikt (1858–1866) Nachdem König Friedrich Wilhelm IV. im Sommer 1857 erkrankt war, wurde sein Bruder Wilhelm am 23. Oktober 1857 zunächst nur für drei Monate zum Stellvertreter des Königs ernannt. Durch diese verfassungswidrige Stellvertretung versuchten die Konservativen den Machtwechsel hinauszuzögern1, den die volle Übernahme der Amtsgeschäfte durch den Thronfolger automatisch bedeutet hätte, weil Wilhelm seit dem Krimkrieg mit der oppositionellen Wochenblattpartei sympathisierte2. Die Stellvertretung wurde am 6. Januar, am 9. April und am 25. Juni 1858 für jeweils drei Monate verlängert. Im Spätsommer 1858 rückten dann die Wahlen zum Abgeordnetenhaus näher3, was die Konservativen in Zugzwang brachte: Entweder wurde eine dauerhafte Vertretung des Königs beschlossen oder im Wahlkampf ausführlich thematisiert. Am 7. Oktober 1858 wurde darum im Kronrat auf Drängen des Prinzen Wilhelm und auf Grund der Tätigkeit der liberalen Opposition die Einrichtung einer Regentschaft gemäß Art. 56 der Verfassung beschlossen4. Am 25. Oktober stimmte der Landtag einstimmig zu5, am folgenden Tage leistete Prinz Wilhelm seinen Eid als Regent6. Auf Grund dieser Auseinandersetzungen um die Regentschaft war das Verhältnis zwischen Wilhelm und den Altkonservativen vollends gestört. Die erste Amtshandlung des Regenten waren die Entlassung des Innenministers Westphalen, der bis zuletzt gegen die Regentschaft opponiert hatte; wenig später folgten die Entlassung des Ministerpräsidenten Otto v. Manteuffel und die Bildung eines gemäßigt liberalen Ministeriums unter Karl Anton v. Hohenzollern-Sigmaringen am 6. November 18587, an dem auch 1

Vgl. dazu Kraus, Gerlach, S. 709–721. Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 161/62; siehe auch Kap. IV.3.b). 3 Vgl. Börner, Bourgeoisie, S. 400. 4 Vgl. ebd., S. 398/99; Börner, Krise, S. 33/34. Art. 56 lautete: „Wenn der König minderjährig oder sonst dauernd verhindert ist, selbst zu regieren, so übernimmt derjenige volljährige Agnat (Art. 53), welcher der Krone am nächsten steht, die Regentschaft. Er hat sofort die Kammern zu berufen, die in vereinigter Sitzung über die Notwendigkeit der Regentschaft beschließen.“ 5 Vgl. ebd., S. 34–36. 6 Seine Krönung zum König erfolgte erst nach dem Tode seines Bruders 1861; vgl. Kap. V.1. 7 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 163; Haupts, Regierung, S. 46; Marcks, Wilhelm I., S. 163. 2

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

die nationalkonservative Wochenblattpartei beteiligt wurde und als dessen eigentlicher Kopf Rudolf v. Auerswald galt8. Am 8. November trat der Prinzregent mit einer aufsehenerregenden Regierungserklärung vor dieses neue Kabinett, in der unter anderem die Maxime enthalten war: „In Deutschland muß Preußen moralische Eroberungen machen.“9 Außerdem habe die Regierung „überall das Recht zu schützen.“ Dieses Regierungsprogramm fußte im wesentlichen auf den Ideen der Wochenblattpartei10; es bedeutete einen demonstrativen Bruch mit der Manteuffelschen Politik. Nachdem also am Beginn der Altkonservativen Ära die Regierungsumbildung im Dezember 1850 und insbesondere die Entlassung des Außenministers Radowitz gestanden hatten, worauf der neue Ministerpräsident Otto v. Manteuffel die „deutsche Politik“ aufgab11, endete diese mit der Entlassung des Kabinetts Manteuffel und der Ernennung Karl Anton v. HohenzollernSigmaringens zum Ministerpräsidenten12. Dieses Ministerium blieb fast während der gesamten „Neuen Ära“13 im Amt und prägte diese maßgeblich; seine Entlassung führte im Jahre 1862 (nach einer kurzen Übergangsphase) zur Ernennung Bismarcks und zum Ausbruch des Verfassungskonfliktes14, der schließlich 1866 im Erfolg der kleindeutschen Einigungspolitik „von oben“ und der Reichsgründung im Jahre 1871 endete. Fast gleichzeitig mit der Einrichtung der Regentschaft erlitten die Konservativen bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus eine verheerende Niederlage15, wodurch sie auf das Herrenhaus zurückgedrängt wurden16. Auch die Liberalen, die 151 von 352 Mandaten errangen und zusammen mit den 44 Sitzen der Wochenblattpartei („Fraktion Matthis“) über eine deutliche Mehrheit im Abgeordnetenhaus verfügten, wurden von der Deutlichkeit 8 Vgl. Zingerler, Fürst von Hohenzollern, S. 97. Dieser hatte offiziell zwar kein Portefeuille, nahm aber de facto die Stelle des Ministerpräsidenten ein, während der Hohenzoller dem Kabinett nur den Namen gab. 9 Vgl. Vossische Zeitung Nr. 226, Do. 25.11.1858. In: Nachlaß Nr. 4134, Bll. 63 + 64; Huber, Dokumente II, S. 31–33; siehe auch Berner, Kaiser Wilhelm I, S. 445– 449; Gall, Bismarck, S. 187; Fesser, Linksliberalismus, S. 7; Haupts, Regierung, S. 53/54; Helfert, Liberalismus, S. 25. 10 Vgl. Behnen, Wochenblatt, S. 134/35; Gall, Bismarck, S. 185; Haupts, Regierung, S. 48. 11 Vgl. Kap. IV. 12 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 18; Pflanze, Bismarck I, S. 139; siehe zum Kabinett Hohenzollern auch Zingeler, Fürst von Hohenzollern, S. 95–122. 13 Vgl. dazu Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 269–275; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 697–704; außerdem Bahne, Vor dem Konflikt, passim; Börner, Die Krise, S. 39–87; ders., Voraussetzungen, passim; Haupts, Regierung, passim; Kraus, Gerlach, S. 701–746. 14 Vgl. Kap. V.2. 15 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 582/83. 16 Vgl. zur Entwicklung der konservativen Partei ausf. Kap. V.4.

1. Erfolg und Mißerfolg der Reformpolitik (1858–1862)

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ihres Sieges überrascht17. Der sich daraus ergebende Gegensatz zwischen dem von den Liberalen dominierten Abgeordnetenhaus und dem konservativen Herrenhaus prägte sowohl die „Neue Ära“ (1858–1862) als auch den folgenden Verfassungskonflikt (1862–1866). Die beiden Parteien standen sich jedoch nicht als monolithische Blöcke gegenüber: Vielmehr war der Liberalismus noch relativ schwach organisiert, was zu einer starken Fluktuation zwischen den liberalen Fraktionen führte18. Die Konservativen aber befanden sich bereits am Ende der Ära Manteuffel in einem desolaten Zustand19; zusätzlich hatten sie nun den Verlust ihres Einflusses auf die Krone und ihrer Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu verdauen. Gerade die sich aus der Schwäche beider Kontrahenten ergebende Kompromißbereitschaft ermöglichte die Reformpolitik der Neuen Ära, während die Verfestigung der Blöcke dann zum Verfassungskonflikt führte, der damit endete, daß Bismarcks Politik für eine erneute Phase der Umorientierung von Liberalen und Konservativen sorgte. Vorerst aber schienen König, Staatsministerium und Abgeordnetenhaus der gleichen liberalen Grundrichtung anzugehören20, was den Befürwortern von Reformen Anlaß zu großen Hoffnungen gab, während das konservative Herrenhaus einer belagerten Bastion gleichen mochte, in der dem Grafen Arnim wieder einmal die Rolle des Oppositionsführers zufiel. 1. Erfolg und Mißerfolg der Reformpolitik (1858–1862) Das bestimmende innenpolitische Thema der „Neuen Ära“ war die enge Verknüpfung von Grundsteuerfrage und Heeresreform. Dieses Junktim ging von den Altliberalen aus, die sich dadurch nach der jahrelangen konservativen Dominanz beachtliche Handlungsspielräume für eine gemäßigte liberale Politik schufen. Dadurch ergab sich für die Liberalen (nach 1848) eine zweite Möglichkeit zur politischen Umgestaltung Preußens21, während die Konservativen in die Defensive gedrängt wurden. a) Die Verabschiedung der Grundsteuerreform Schon kurz nach der Vereidigung der neuen Regierung und der Eröffnung des neuen Landtages am 12. Januar 1859 legte der neue Finanzminister Robert v. Patow dem Landtag ein Gesetzespaket vor, das mit Hilfe 17 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 171; Börner, Bourgeoisie, S. 402/03; Fesser, Linksliberalismus, S. 8. 18 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 39. 19 Vgl. Kap. IV.4.d). 20 Vgl. Pflanze, Bismarck I, S. 140. 21 Vgl. Spenkuch, Herrenhaus, S. 58/59.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

Ludwig Kühnes und Otto Camphausens erarbeitet worden war22. Herzstück dieses Gesetzespaketes war der Gesetzentwurf „betreffend die anderweitige Regulirung der Grundsteuer“, der auf eine Aufhebung aller Grundsteuerbefreiungen und damit eine Vereinheitlichung der Steuer für ganz Preußen abzielte23. Die Gesetze wurden sowohl durch den liberalen Grundsatz der möglichst weitgehenden Rechtsgleichheit als auch durch das Bestreben motiviert, die Einnahmen des Staates zu erhöhen24, das bereits die Regierung Manteuffel zu einer (vergeblichen) Initiative in dieser Angelegenheit veranlaßt hatte. Dagegen entzündete sich der konservative Widerstand gegen das neue Staatsministerium gerade an der Grundsteuerreform, denn die adeligen Grundbesitzer verspürten wenig Neigung, den neuen Finanzminister Robert v. Patow, der 1848 zeitweilig das Handelsressort geleitet hatte25, bei einer Politik zu unterstützen, die ihre Steuerprivilegien aufzuheben beabsichtigte. Graf Arnim äußerte in diesem Sinne am 21. Januar 1859 in einer Denkschrift die Befürchtung, aus der Grundsteuerreform resultiere vor allem eine große Vermögensverschiebung zu Lasten der altpreußischen Grundbesitzer26. Zur Erleichterung der Konservativen, wenn auch ohne ihr Zutun, blieb die Grundsteuerreform 1859 bereits in der zuständigen Kommission des Abgeordnetenhauses hängen27. Dies lag aber weniger daran, daß deren Mehrheit die konservative Position teilte, sondern vielmehr daran, daß die vorgelegten Gesetzentwürfe auch in den Augen der Liberalen deutliche Mängel aufwiesen und darum überarbeitet werden sollten28. Im Frühjahr 1860 kam es erneut zu Diskussionen über die Grundsteuerreform. Sie wurden durch Georg v. Vinckes im kleinen Kreise gegenüber den Ministern geäußerte Drohung beeinflußt, das Abgeordnetenhaus werde die Militärvorlagen ablehnen, falls die Konservativen im Herrenhaus die Grundsteuergesetze verwürfen29. Nachdem die vier Gesetzentwürfe zu22

Vgl. dazu Pyta, Regierungspolitik, S. 192/93. AH 1858/59, S. 242–247; zwei weitere Gesetzentwürfe regelten die damit verbundenen Modalitäten. Außerdem wurde die Einführung einer Gebäudesteuer, die 1857 gescheitert war, wieder aufgenommen; vgl. Kap. IV.3.c). 24 Vgl. Pyta, Regierungspolitik, S. 192/93. 25 Vgl. Nitschke, Volkssouveränität, S. 138. 26 Denkschrift Arnims vom 21.01.1859 an Prinz Wilhelm. In: GStAPK BPH Rep. 51 J 16, Bll. 85–87; vgl. dazu die Druckschrift von G.L. v. Wedemeyer-Schönrade: Über gerechte Verteilung der Steuerlast, insbesondere über Grundsteuer und Grundsteuer-Ausgleichung (1859). In: Nachlaß Nr. 4133; siehe auch Helfert, Liberalismus, S. 208; Pyta, Regierungspolitik, S. 194. 27 Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 194–196. 28 Dazu kam eine gewisse Zurückhaltung der Liberalen während des italienischen Einigungskrieges, bei dem das Eingreifen Preußens zeitweilig nicht ausgeschlossen war. 23

1. Erfolg und Mißerfolg der Reformpolitik (1858–1862)

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nächst am 28. Februar 1860 im Abgeordnetenhaus trotz konservativen Widerstandes durch die liberale Mehrheit angenommen worden waren30, standen die konservativen Herren in den folgenden Debatten vor der mißlichen Alternative, entweder die Kröte zu schlucken oder aber die Heeresreform zu gefährden und damit den Regenten zu verärgern. Zumindest waren sie dazu gezwungen, bei einer Ablehnung der Grundsteuerreform eine andere Möglichkeit zur Finanzierung der Heeresreform vorzuschlagen. Dabei wurde eine Lösung zusätzlich dadurch erschwert, daß es sich bei der Grundsteuerfrage auch um eine Auseinandersetzung zwischen den Liberalen und den Altkonservativen handelte, die beide grundsätzlich ein Abrükken von ihren Prinzipien ablehnten. Schon in den Sitzungen der zuständigen Kommission des Herrenhauses trafen die beiden Positionen unversöhnlich aufeinander31, und auch die Plenardebatten ab dem 26. April 1860 waren von einer Konfrontation zwischen beiden Kontrahenten geprägt32: Deshalb dauerte allein die allgemeine Aussprache im Anschluß an den Kommissionsbericht nicht weniger als drei volle Sitzungen. Graf Arnim, der sich gründlich mit der Frage beschäftigt hatte33, hob die Auseinandersetzung am Ende der Debatte am 28. April (nicht zum ersten Male) auf eine grundsätzliche Ebene: Es gehe nicht nur um die Ausweitung der landesüblichen Grundsteuer auf alle, sondern auch darum, die bisherige Grundsteuer zu beseitigen „und an ihre Stelle eine neue Grundsteuer, nach dem Reinertrage von allen landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlich zu nutzenden Grundstücken in der Monarchie ermittelt“ zu setzen34. Nur gegen letzteres Bestreben wandte sich Arnim entschieden, und zwar insbesondere deshalb, weil die neue Steuer (im Gegensatz zur alten) jederzeit erhöht werden könne. Dagegen sprach er sich für eine „Verzichtleistung auf Bevorzugung und Befreiungen“ und für „eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung unter allen Unterthanen“ aus. Mit dieser Argumentationslinie versuchte Arnim dem Vorwurf zu begegnen, es gehe den konservativen Rittergutsbesitzern nur um die Bewahrung ihrer Privilegien, indem er sein prinzipielles Einverständnis zur Abschaffung der Steuerbefreiung des Adels gab. Aus taktischen Gründen empfahl Graf Arnim seinen Anhängern zudem, die Gesetzentwürfe II, III und IV zu akzeptieren. Insbesondere zum Gesetz29 Vgl. Bernhardi, Anfänge, S. 290; siehe auch ebd., S. 299; außerdem Spenkuch, Herrenhaus, S. 63–67; zu den Debatten über die Heeresreform Kap. V.1.b). 30 Insgesamt mit 222 gegen 91 Stimmen; vgl. AH 1860, S. 306–308. 31 Vgl. GStAPK, Herrenhaus, Rep. 169 A III Nr. 80, passim. 32 Vgl. HH 1860, S. 411–432, 433–457, 459–485, 487–511 und 513–525. 33 Zur Grundsteuerreform 1860/61 vgl. Nachlaß Nr. 4118. 34 Rede in: HH 1860, S. 461–471; dort die folgenden Zitate; Rede auch in Nachlaß Nr. 4135, Bll. 11–16.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

entwurf II, der die Ersetzung der bisher üblichen Haussteuer durch eine allgemeine Gebäudesteuer beinhaltete, schlug Arnim moderate Töne an: Er befürworte diesen, da er „keine Schraube, aber ein Schräubchen“ darstelle, das keine allzu große Belastung darstelle. Darüber hinaus strich er die patriotische Opferbereitschaft der Konservativen heraus und schloß mit den Worten: „Das Herrenhaus und der Altpreußische Grundadel wird nie im Stande sein, hoffe ich, systematische Opposition zu machen gegen die Krone, aber er wird unerschütterlich gegenüber der Staats-Regierung festhalten an jenen Rechten, die ihm seinen Einfluß, seinen politischen Einfluß, seine Tätigkeit im Lande sichern.“ Indem Graf Arnim hier versuchte, Regierung und Krone auseinanderzudividieren und es zudem vermied, die gewichtigen materiellen Eigeninteressen der Grundbesitzer zu erwähnen, versuchte er das Beste aus der Tatsache zu machen, daß das Herrenhaus sich erstmals seit seiner Errichtung im deutlichen Widerspruch zur Krone befand: Durch das deutliche Angebot zur konstruktiven Mitarbeit sollte die beharrliche Opposition in der Grundsteuerfrage abgemildert werden, um Prinz Wilhelm seinen liberalen Ministern zu entfremden und ihn ins konservative Lager zurückzuziehen 35. Am 30. April lehnte die große Mehrheit der Herren zunächst gemäß Arnims Empfehlung die Reform der Grundsteuer ab36. Anschließend setzte sich Arnims vermittelnde Linie jedoch nicht durch: Gegen sein ausdrückliches Votum37 wurde am 1. Mai auch die Einführung der Gebäudesteuer mit 128 gegen 25 Stimmen verworfen38. Nur die Gesetzentwürfe III (über die Grundsteuer von bisher befreiten Grundstücken) und IV (über die Aufhebung von Grundsteuerbefreiungen) wurden gemäß Arnims Votum angenommen39. Dies war insofern eine offene Kampfansage, als die abgelehnten Finanzgesetze die meisten Steuereinnahmen erbringen sollten. Besonders das deutliche Votum gegen Arnims Empfehlung zeigte, daß Graf Arnims Position im konservativen Lagers auch nicht überbewertet werden darf, denn 35 Vgl. dazu auch Arnims Brief vom 18.01.1859 an Prinz Wilhelm. In: GStAPK BPH Rep. 51 J 16, Bll. 13–18; siehe auch GStAPK Rep. 169 A XXXI, Nr. 9, Bll. 1–4; vgl. dazu Pyta, Grundsteuerreform, S. 210. 36 HH 1860, S. 504/05. Zunächst wurde der veränderte § 3 des Gesetzentwurfs I mit 119 gegen 39 Stimmen abgelehnt; anschließend fiel auch der Regierungsentwurf [Ebd., S. 506]. Am 01.05. fielen dann auch die übrigen Paragraphen [Ebd., S. 513–518]. 37 Vgl. ebd., S. 468. 38 Ebd., S. 524/25. 39 Der entscheidende § 1 des GE III wurde am 01.05.1860 mit 98 gegen 54 Stimmen angenommen [Ebd., S. 533/34], worauf das Gesetz „durch“ war [Vgl. ebd., S. 538–563 und 588]. Die entscheidende Abstimmung über den GE IV ergab 85 gegen 42 Stimmen; vgl. ebd., S. 579/80; siehe auch ebd., S. 588.

1. Erfolg und Mißerfolg der Reformpolitik (1858–1862)

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offenbar gelang es ihm nicht, das Abstimmungsverhalten der konservativen Mehrheit zu beeinflussen. Die vom Herrenhaus stark veränderten Vorlagen zur Grundsteuerreform wurden daraufhin im Abgeordnetenhaus verworfen, wobei die liberalen Wortführer betonten, daß sie auf einer liberalen Lösung beharrten40. Damit war die Auseinandersetzung lediglich in die nächste Session vertagt. Weil von beiden Seiten ein Kompromiß abgelehnt worden war, mußte es nun eine große Rolle spielen, für welche Seite sich der Monarch einsetzte. Während noch der Chef des Militärkabinetts Edwin v. Manteuffel und der Kriegsminister Albrecht v. Roon König Wilhelm vergeblich zur Bildung eines konservativen Ministeriums zu überreden versuchten41, bereitete dieser bereits zusammen mit dem liberalen Staatsministerium sowohl eine massive Beeinflussungspolitik der konservativen Abgeordneten im Herrenhaus als auch einen „Pairsschub“ (die Ernennung von 24 neuen „Herren“) vor42. Gleichzeitig beschäftigte sich Graf Arnim in der Zeit zwischen den Sessionen intensiv mit den Finanzsystemen Englands und Sachsens43, um aus dem Dilemma herauszukommen, einerseits die Grundsteuerreform abzulehnen und andererseits keine echten Alternativen aufzeigen zu können. Und Graf Arnim gelang es in der Tat, am 14. Februar 1861 eine einleuchtende Alternative zur Grundsteuerreform vorzulegen: die Einführung einer Einkommenssteuer für Grundbesitzer und Kapitaleigentümer44: Dabei erkannte er das „Bedürfniß der Mehreinnahme aus den Steuern“ als berechtigt an45, stellte aber die an und für sich unwiderlegbare Forderung auf, „daß alle Stände (und eben nicht nur die Grundbesitzer, WN) zu dem Aufwande, welche die Armee erfordert, im Verhältniß ihrer Steuerkraft gleichmäßig beitragen müssen.“ Obwohl die Steuer ausdrücklich auf fünf Jahre begrenzt war und danach durch indirekte Steuern ersetzt werden sollte, hoffte Graf Arnim, Wilhelm I. mit diesem Alternativvorschlag ins konservative Lager zurückzuziehen. Deshalb wies er auch auf die Gefahr hin, daß bei Annahme seines Vorschlages die Liberalen ihr Druckmittel der Instru40

AH 1860 /2, S. 1230–1241. Vgl. Börner, Krise, S. 93–97; Pyta, Grundsteuerreform, S. 214. 42 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 208; Pyta, Grundsteuerreform, S. 215–224. 43 Vgl. Graf Arnims Briefwechsel mit Informanten aus London und Dresden. In: Nachlaß Nr. 4135, Bll. 45 + 46, 90–92; 96–101 sowie Nachlaß Nr. 4134, Bll. 67– 79; vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 225. 44 Brief Arnims vom 14.02.1861 an Wilhelm I. In: GStAPK BPH Rep. 51 J Nr. 16, Bl. 36; Promemoria ebd., Bll. 37–41; Herrenhausdrucksachen ebd., Bll. 42–56; Gesetzentwurf, Motive und dazugehörende Denkschrift in: HH 1861/2, S. 71–87; Manuskripte in: Nachlaß Nr. 4067, Bll. 34 + 35 (Brief) und Nr. 4135, Bll. 48–59; vgl. dazu Helfert, Liberalismus, S. 208; Pyta, Grundsteuerreform, S. 225–227. 45 HH 1862/63, S. 78. 41

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

mentalisierung des Militäretats verlieren würden und damit die Möglichkeit, in Preußen allmählich ein parlamentarisches Regierungssystem auszubilden, indem sich die politischen Gewichte auf Kosten des Herrenhauses immer mehr in Richtung Abgeordnetenhaus verschoben. Eine derartige Entwicklung aber war, das wußte Graf Arnim, ganz und gar nicht im Interesse des Monarchen. Deshalb warnte er König Wilhelm eindringlich vor einer Entscheidung zu Gunsten der Liberalen: Dadurch stehe „die Krone mindestens bis 1865 mit ihrer wichtigsten Operation, die mit jedem Jahre fester in den Organismus der Armee eingefügt wird, mit jedem Jahre der Willkühr oder Willfährigkeit einer Majorität des Abgeordnetenhauses gegenüber, und ist in eine Abhängigkeit von ihr versetzt, wie sie in der preußischen Geschichte noch nicht da gewesen ist.“46 Wenn die Liberalen die Grundsteuerreform erst durchgesetzt hätten, ohne der Heeresreform auf Dauer zuzustimmen, „dann werden die Anforderungen . . . wie Minister-Verantwortlichkeit, Entlassung mißliebiger Beamter, demokratische Umwandlung der bewährten inneren Institutionen . . . offen und bestimmt hervortreten.“47 Insgesamt war Graf Arnims Vorschlag also einerseits klug auf das politische Befinden des Königs abgestimmt und andererseits in seiner Zielsetzung moderner als der Vorschlag der Liberalen. Allerdings hatte er das entscheidende Manko, daß keine umfassende Reform des Steuersystems vorgeschlagen wurde, sondern nur ein fünfjähriges Provisorium, nach dessen Ende die Rückkehr zu anderen Steuern erfolgen sollte. Dieser Makel war es wohl auch, der den Arnimschen Vorschlag entscheidend entwertete. Die Gefahr, daß die Liberalen jedes Jahr für die einmalige Bewilligung der Kosten der Heeresreform politische Zugeständnisse erkauften, wurde auch von anderen Konservativen klar erkannt48. Die Finanzkommission des Herrenhauses beurteilte denn auch den Gesetzentwurf Arnims positiv: Die Steuerprivilegien seien dem Adel verliehen worden, „weil er durch größre Gebundenheit an das Land eine größere Zuverlässigkeit besitze.“49 Nachdem Finanzminister Patow am 6. März 1861 in einem Promemoria der Argumentation des Grafen Arnim entgegengetreten war50 und das Ab46 Denkschrift Arnims vom 28.02.1861 an Wilhelm I. In: GStAPK, H.A. Rep. 51 J 16, Bll. 58–62, hier Bl. 59; vgl. dazu auch Nachlaß Nr. 4134, Bll. 12–42; Vossische Zeitung Nr. 41, So. 17.02.1861 ebd., Bll. 47–50; Denkschrift des Geheimen Regierungsrates Sperling vom 21.03.1861 ebd., Bll. 52–62; siehe auch Pyta, Grundsteuerreform, S. 228/29. 47 Denkschrift Arnims a. a. O., Bl. 62. Die letzte Bemerkung zielte darauf, daß die Liberalen schließlich auch eine Reform des Herrenhauses fordern könnten, um diese Bastion des Konservativismus zu stürmen. 48 Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 228. 49 Wahrscheinlich von Arnim selbst vorgetragenes Argument im Abschlußbericht der Finanzkommission des Herrenhauses. In: HH 1860/2, S. 90; siehe dazu Pyta, Grundsteuerreform, S. 227.

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geordnetenhaus am 12. März mit großer Mehrheit die gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig veränderten Grundsteuervorlagen angenommen hatte, wurde ab dem 14. März 1861 erneut im Herrenhaus über die Steuerreform debattiert: Dabei wurde zunächst drei Tage um die Frage gerungen, ob das Herrenhaus überhaupt befugt sei, einen „Antrag Arnim“ anzunehmen51. Graf Arnim erklärte zunächst die Annahme seines Antrages für zulässig, da er keine Beschlüsse in der Grundsteuerfrage präjudiziere52. Außerdem betonte er, daß „unser Vorschlag die Staats-Regierung für die nächsten vier Jahre in eine viel freiere Stellung gegenüber der Landesvertretung bringt.“ In diesem Zusammenhang warnte er vor politischer Uneinigkeit angesichts der schwierigen außenpolitischen Situation, wobei er auf die offensive Politik Napoleons III. anspielte und bat um die Einigkeit aller Parteien „in der kräftigen Vertheidigung ihres Throns, ihres Landes.“ Am Ende der Debatte, am 16. März, ergänzte Graf Arnim als Schlußredner seine Argumentation um den Hinweis, der Widerstand der Konservativen gegen die Grundsteuerreform habe „nichts zu thun mit der sogenannten prinzipiellen Opposition.“ Wenn aber sein Widerstand trotzdem „als ein Mangel an Patriotismus betrachtet würde, dann könnte es vielleicht Einem, der sein Lebenlang gewohnt gewesen ist, in Altpreußischer Weise im monarchischen Prinzipe seinem König zu dienen, und sich seinem Lande in diesem Dienste zu widmen, – dem könnte es vielleicht als eine Stellung erscheinen, die sich mit seinen Gefühlen nicht mehr verträgt, wenn da eine solche Mißdeutung stattfände.“ Dieser wohl einzigartige Fall, daß ein Parlamentarier seinen Rücktritt „von jeder politischen Thätigkeit“ androhte, ist kennzeichnend für den Staatskonservativismus des Grafen Arnim: Er fühlte sich (als Minister wie auch als Parlamentarier) als Stütze des Königs und betrachtete sein Mandat als Staatsamt, das er zur Verfügung zu stellen bereit war, wenn er es nicht mehr im Sinne des Königs auszuüben vermochte. Ganz im Gegensatz zu den Altkonservativen, die sich als Berater des Königs bzw. als „ständisches Korrektiv“ betrachteten, sah Arnim seine Funktion darin, der verlängerte Arm der Exekutive zu sein, was das Vertrauen des Königs zu einem zentralen Aspekt aufwertete. Zugleich trug diese Haltung dem Grafen die (erwähnten) Vorwürfe ein, absolutistisch zu denken. Obwohl Finanzminister Patow dagegen intervenierte53, wurde die Regierung mit der knappen Mehrheit von 96 gegen 83 Stimmen darum ersucht, 50

Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 231. Vgl. HH 1861, S. 199–221, 223–249, 251–274; Antrag samt Motiven auch in: Nachlaß Nr. 4134, Bll. 81–90 (mehrmals); siehe auch die Drucksache in: Nachlaß Nr. 4136, Bll. 1–16. Die Bedenken fußten auf Art. 62, Abs. 3, der im Verfassungskonflikt erneut in die Diskussion geraten sollte [Vgl. Kap. V.2.]: „Finanzgesetz-Entwürfe und Staatshaushalts-Etats werden zuerst der Zweiten Kammer vorgelegt; letztere werden von der Ersten Kammer im ganzen angenommen oder abgelehnt.“ 52 Vgl. HH 1861, S. 206–215; dort die folgenden Zitate. 51

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zur Deckung der Kosten der Heeresreform eine bis 1866 befristete Steuer von fundierten Einkommen zu erheben54. Die Konservativen hofften dabei offenbar, daß der König auf Grund ihrer Warnung vor einer Parlamentarisierung Preußens ihre Partei ergreifen werde55. Dieser wollte jedoch noch nicht mit den Liberalen brechen und hatte außerdem ein wirkliches Interesse an einer Grundsteuerreform56. Deshalb betrachtete er das Verhalten der Konservativen als Ungehorsam57. Insbesondere über das Verhalten des Grafen Arnim war der König sehr erzürnt und warf ihm die „von Ihnen geführte Opposition gegen meine Regierung“ vor, „die das Vaterland an den Rand eines Abgrundes führen“ müsse58. Offensichtlich war der König darüber erzürnt, daß gerade der staatskonservative Graf nicht die Krone verteidigte, wie es seiner Maxime „aut – aut“ von 1852 entsprochen hätte59, sondern gegen deren ausdrücklichen Willen opponierte. Mündlich warf Wilhelm dem Boitzenburger sogar vor, „daß jüngere Preußen mehr Patriotismus hätten“60. Es sollte sich noch herausstellen, daß der König nicht nur kurzfristig erzürnt war, sondern daß Graf Arnim bei Wilhelm I. schwer in Ungnade gefallen war61. Angesichts der demonstrativen königlichen Verärgerung begann der konservative Widerstand gegen die Grundsteuerreform abzubröckeln: Graf Itzenplitz bildete im Herrenhaus eine Fraktion aus Befürwortern der Reform62, und auch Graf Arnim gab seinen prinzipiellen Widerstand auf. Er versuchte aber das Beste aus der Situation zu machen63: Um die Zustimmung des Herrenhauses zugleich zu einem Vorstoß gegen das Abgeordnetenhaus zu nutzen, sollte im ersten Paragraphen des Gesetzes über die 53

Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 230/31. HH 1861, S. 273/74; vgl. dazu Petersdorff, Kleist-Retzow, S. 326/27. Da das Herrenhaus in Finanzfragen kein Antragsrecht besaß, konnte es von sich aus kein Finanzgesetz beschließen, sondern nur eine Empfehlung aussprechen. 55 Vgl. dazu auch Arnims Schreiben vom 29.03.1861 an den König. In: GStAPK BPH Rep. 51 J Nr. 16, Bll. 20–25; siehe auch Nachlaß Nr. 4134, Bll. 38–40. 56 „Taktische und programmatische Gründe gaben also dafür den Ausschlag, daß Wilhelm den ständigen Mahner Arnim einfach abblitzen ließ.“ urteilte Pyta, Grundsteuerreform, S. 230. 57 Vgl. Kap. V.4.a). 58 Vgl. das Schreiben des Königs vom 31.03.1861 an Arnim. In: GStAPK BPH Rep. 51 J Nr. 16, Bll. 26–29. 59 Vgl. Kap. IV.1. 60 Schreiben Arnims vom 25.08.1861 an den König. In: Nachlaß Nr. 4143, Bll. 3 + 3a. 61 Vgl. Kap. V.4. 62 Vgl. ebd. 63 „Es spricht für das politische Geschick Arnims, daß er aus dieser Situation noch einen Vorteil für seine Partei zu schlagen suchte.“ urteilte Pyta, Grundsteuerreform, S. 236. 54

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Grundsteuerreform der Steuerzuschlag zur Finanzierung der Heeresreform bis 1865 festgeschrieben werden, um den Liberalen ihr politisches Druckmittel zur Erzwingung weiterer Reformen aus der Hand zu schlagen64. Am 3. und 4. Mai 1861 kam es zur letzten Debatte über die Grundsteuerfrage im Herrenhaus65. Da Graf Arnim sich wegen Krankheit entschuldigen ließ66, verteidigte Stahl in einer programmatischen Rede den Vorschlag der Finanzkommission67. Trotzdem wurde am 4. Mai bei der Abstimmung über die Frage, ab wann die regulierte Grundsteuer erhoben werden sollte, der konservative Antrag, den Termin offen zu halten, um noch einen Rest Verfügungsgewalt über die Grundsteuer zu behalten, mit 107 gegen 92 Stimmen abgelehnt68. Diese Abstimmung hatte politische Signalwirkung: Am 7. Mai 1861 wurden die vier Steuergesetze mit 110 gegen 81 Stimmen angenommen69. Das Ergebnis resultierte einerseits aus der Ernennung der 24 neuen Herren und andererseits daran, daß 25 „alte“ Herren ihre Meinung änderten, darunter die Führer der neuen gouvernementalen Herrenhausfraktion: der Fürst Hohenlohe-Oehringen, der Herzog von Ratibor und der Fürst zu Fürstenberg70. Diese endgültige Durchsetzung der Grundsteuerreform bezeichnete Georg v. Vincke zu recht „als den allerwesentlichsten Erfolg“ der liberalen Politik71. Diese Einschätzung war durchaus zutreffend, denn im Gegensatz zu dieser Frage waren die übrigen Auseinandersetzungen der Neuen Ära für die Liberalen von weitaus weniger Erfolg gekrönt. b) Das Ringen um die Heeresreform Auf Grund des „italienischen Einigungskrieges“, den Napoleon III. dem österreichischen Gesandten in Paris beim Neujahrsempfang 1859 quasi ankündigte72, und der im Mai 1859 ausbrach, erfolgte eine Mobilmachungen der preußischen Armee73, die deutliche Mängel aufdeckte und eine Heeresreform dringend nahelegte74. Finanziert wurde die Mobilmachung durch 64

Diese Idee hatte Arnim in Ansätzen bereits im Februar entwickelt; vgl. seine Ausarbeitung vom 28.02.1861. In: GStAPK BPH Rep. 51 J Nr. 16, Bll. 58–62; Anschreiben ebd., Bll. 57 + 63. Diese Idee wurde von Arnim und Stahl in die Finanzkommission des Herrenhauses eingebracht; vgl. HH 1861, Anlagen, S. 175/76. 65 Vgl. HH 1861, S. 421–446, 447–474. 66 Vgl. ebd., S. 474. 67 Vgl. ebd., S. 428–432. 68 Ebd., S. 473/74. 69 Ebd., S. 535/36. 70 Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 238/39. 71 Rede Vinckes vom 05.06.1861. In: AH 1860/61, S. 1641. 72 Vgl. Hübner, Neun Jahre II, S. 150/51.

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einen Zuschlag zur klassifizierten Einkommensteuer, zur Klassensteuer und zur Mahl- und Schlachtsteuer, der 30 Mio. Thaler erbrachte75. Diese außerordentlichen Mittel wurden jedoch, da der Krieg in Italien bereits im Juli 1859 beendet wurde, nicht voll ausgeschöpft. Der Überschuß wurde auf Befehl des Prinzregenten zur Einleitung einer Heeresreform verwendet, die damit begann, daß nicht alle Reserveregimenter wieder demobilisiert, sondern einige zur Aufstellung neuer Einheiten verwendet wurden76. Die Tatsache, daß ohne Zustimmung des Landtages die Reorganisation des Heeres bis zum Frühjahr 1860 praktisch abgeschlossen wurde77, belastete langfristig das Verhältnis zwischen den Liberalen und Prinz Wilhelm, der auf Grund dieses Konfliktes zunehmend unter den Einfluß konservativer Offiziere geriet78. Nachdem der liberale Kriegsminister Eduard v. Bonin am 1. Dezember 1859 wegen seiner Opposition gegen diese Maßnahmen entlassen worden war79, wurde der konservativere Albrecht v. Roon, der bereits im Sommer ein Projekt zur Heeresreform ausgearbeitet hatte80, am 5. Dezember 1859 zu dessen Nachfolger ernannt81. Dieser arbeitete entsprechend den Vorgaben des Königs einen neuen Plan zur Reorganisation des Heeres aus82, der am 10. Februar 1860 dem Landtag vorgelegt wurde83. Dabei lag ein Kon73 Vgl. dazu ausf. Bernhardi, Anfänge, S. 191–349; Börner, Bourgeoisie, S. 410– 414; Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 321–323; Helfert, Liberalismus, S. 53–66; Kraus, Gerlach, S. 705–709, Witte, Reorganisation, passim. 74 Die Notwendigkeit einer Heeresreform wurde im folgenden von niemandem bestritten; vgl. Gall, Bismarck, S. 200. Umstritten waren lediglich die Modalitäten bei deren Durchführung. 75 Vgl. GS 1859, S. 244; siehe zur vorherigen Debatte im Abgeordnetenhaus am 14.05.1859 Helfert, Liberalismus, S. 149–151; Mittelstaedt, Krieg, S. 71–73. Die Debatte fand am gleichen Tage statt, an dem der Landtag geschlossen wurde. 76 Vgl. Canis, Taktik, S. 118–156; Helfert, Liberalismus, S. 65/66; Kaminski, Verfassung, S. 55; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 30; Pflanze, Bismarck I, S. 163; Witte, Reorganisation, S. 81–109. 77 Vgl. Kaminski, Verfassung, S. 56. 78 Dazu gehörten unter anderem der General Gustav v. Alvensleben (1803–1881), der 1861 Wilhelms Generaladjutant wurde und 1863 die „Alvenslebensche Konvention“ mit Rußland abschloß, durch die Preußen beim polnischen Aufstand an Rußlands Seite trat, und Edwin v. Manteuffel (1809–1885), der seit 1857 als Chef des Militärkabinetts die preußische Armee reorganisierte, sich 1866 und 1870/71 als Truppenführer auszeichnete und 1879 erster Statthalter in Elsaß-Lothringen wurde. 79 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 86–92. 80 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 174; Helfert, Liberalismus, S. 93–100. 81 Vgl. zur Berufung Herre, Wilhelm I., S. 281. 82 Vgl. zur Entstehung des Entwurfs ausf. Witte, Reorganisation, S. 56–116. 83 AH 1860, Drucksache Nr. 47, auch in: Nachlaß Nr. 4134, Bll. 120–133; vgl. Helfert, Liberalismus, S. 81–86; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 35–40; Witte, Reorganisation, S. 116; siehe auch Sybel, Heeresreform, passim.

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fliktpotential vor allem in der Tatsache, daß die Armee und besonders das Offizierskorps nach wie vor eine Domäne des Adels waren84. Darüber hinaus wollte Prinz Wilhelm aus ideologischen Gründen an der dreijährigen Dienstzeit festhalten, die erst 1856 wieder eingeführt worden war85. Obwohl die Abgeordneten zunächst aus taktischen Gründen den noralgischen Punkt der dreijährigen Dienstzeit nicht berührten, zeigten sich die Liberalen ihrer starken Position durchaus bewußt und versuchten, die Regierung bei der Heeresreform herunterzuhandeln, indem sie in der Militärkommission für die Heeresreform die Regierungsvorlage wesentlich modifizierten86. Allerdings hüteten sie sich, den Rubikon zu überschreiten und die dreijährige Dienstzeit anzugreifen87. Trotzdem zog die Regierung ihre Vorlage noch vor den Plenarberatungen zurück88, um eine Abstimmungsniederlage zu vermeiden, was die Liberalen als Sieg ansahen89, und beantragte statt dessen „für die fernere Kriegsbereitschaft und Streitbarkeit des Heeres“ die außerordentliche Bewilligung von 9 Mio. Thalern90. Indem die Regierung diese Bewilligung auch mit der Ablehnung der Grundsteuerreform im Herrenhaus begründete91, verstärkte sie den Druck auf die konservativen Herren. Erst dadurch entstand ein Junktim zwischen Heeresreform und Steuerreform: Die Steuergesetze wurden nun nicht mehr allein durch den liberalen Grundsatz der möglichst weitgehenden Rechtsgleichheit motiviert92, sondern auch durch die Notwendigkeit, die vom Prinzen Wilhelm dringend erwünschte Heeresreform zu finanzieren93. Die folgende Finanzdebatte im Abgeordnetenhaus am 15. Mai 1860 verlief relativ ruhig94: Zwar wies Vincke als Berichterstatter auf ein Spar84 1859 waren Adelige: 59% der Secondeleutnants, 78% der Stabsoffiziere, 91% der Generäle; vgl. Ludwig Simon: Der preußische Konstitutionalismus. In: Demokratische Studien, hrsg. von Ludwig Walesrode. Hamburg 1861, S. 8. 85 Vgl. Kaminski, Verfassung, S. 48. 86 Vgl. Börner, Bourgeoisie, S. 418/19; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 39/40; Pyta, Grundsteuerreform, S. 232. 87 Vgl. dazu Helfert, Liberalismus, S. 196/97; Pyta, Grundsteuerreform, S. 232. 88 Vgl. ebd., S. 421. 89 Vgl. Bernhardi, Aus dem Leben III, S. 340/41. Dagegen endeten für Fesser die Diskussionen im Frühjahr 1860 für die Liberalen mit einer Niederlage, weil das Provisorium der Regierung die Schaffung vollendeter Tatsachen ermöglichte; vgl. Fesser, Linksliberalismus, S. 9. 90 AH 1860, Drucksache 131; vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 178; Börner, Voraussetzungen, S. 109; Helfert, Liberalismus, S. 164/65; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 41–43; Kaminski, Verfassung, S. 57. 91 Vgl. zur Ablehnung der Grundsteuerreform Ende April Kap. V.1.a). 92 Vgl. Pyta, Regierungspolitik, S. 192/93. 93 Vgl. Börner, Krise, S. 98/99; Helfert, Liberalismus, S. 92–105; Pyta, Regierungspolitik, S. 198/99; ders., Grundsteuerreform, S. 199. 94 Vgl. AH 1860, S. 1113–1131.

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potential von mehreren Millionen Thalern im Etat hin95, doch wurde schließlich der Antrag der Regierung mit der großen Mehrheit von 315 gegen zwei Stimmen angenommen96, was als Vertrauensbeweis für die Politik des Ministeriums gewertet werden konnte. Daraufhin befaßte sich das Herrenhaus am 22. Mai 1860 mit der Materie97. Graf Arnim, der die einzige längere Rede in dieser Frage hielt, sprach einleitend die Hoffnung aus, der Antrag werde einstimmig angenommen98. Anschließend ging er weniger auf die Materie ein, sondern trat dem erwähnten Vorwurf entgegen, das Herrenhaus habe durch die Ablehnung zweier Steuergesetze eine Verzögerung der Heeresreform verschuldet. Das Herrenhaus wolle nicht etwa eine Reform prinzipiell blockieren, sondern leiste Widerstand, wenn „die Regierung von der zweiten Kammer regiert“ werde. Anschließend betonte Arnim, nichts sei für Preußen so notwendig wie „die Vertretung der aristokratischen Interessen“99. Die Konservativen aber wollten nichts als die Berücksichtigung der Interessen des Adels und damit „ein gutes Altpreußisches Regiment“, das auch der Wehrfähigkeit des Landes diene: „Vertheidigen aber . . . werden wir und unsere Söhne, die nach uns kommen und jetzt schon meist die Waffen tragen werden, vertheidigen werden wir am liebsten das Vaterland gegen Jeden, der ihm entgegentritt, gegen welchen Feind, gegen welche Nation, unter welchen Umständen es auch immer sei.“ Arnim trat also allen Vorwürfen mit dem Argument entgegen, daß der Adel in der Armee von jeher mehr als nur seine Pflicht tue. Die Bewilligung dieses außerordentlichen Kredites, die im Herrenhaus in der Tat einstimmig erfolgte100, stellte weder die Krone noch die Liberalen noch die Konservativen zufrieden: Da das Provisorium dem Landtag die jährliche Prüfung der Militärausgaben zugestand und ihm damit einen starken Trumpf verschaffte101, bezeichnete Prinz Wilhelm es als unerlaubte Einschränkung der monarchischen Kommandogewalt102. Die Liberalen aber 95 AH 1860, S. 1122–1127; vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 178; Helfert, Liberalismus, S. 163–176. 96 AH 1860, S. 1129/30. 97 Vgl. HH 1860, S. 745–758. 98 Vgl. ebd., S. 748–752. Dort auch die folgenden Zitate. 99 Arnim setzte hinzu: „Glaubt eine Regierung in Preußen, mit einer Landesvertretung . . . heilsam regieren zu können, glaubt sie an eine Selbstregierung in Kommunen, Kreisen und größeren Körperschaften, ohne aristokratische Elemente als feste Grundlage, so glaubt sie nach meiner Ueberzeugung an den Bestand einer Seifenblase.“ [751] 100 HH 1860, S. 758; vgl. das Gesetz über den außerordentlichen Geldbedarf der Militärverwaltung. In: GS 1860, S. 278; das Steuergesetz vom 27.06.1860 ebd., S. 279. 101 „Die jährliche Bewilligung der durch die Heeresreform verursachten Kosten war also keine bloße Schimäre, zu der sie manche Historiker umdeuten“, urteilte Pyta, Grundsteuerreform, S. 228.

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befürchteten, daß damit der Einfluß des Landtages auf die Bewilligung der nötigen Mittel beschränkt werde103, weshalb im liberalen Lager Risse auftraten104: Während in der „Berliner Volkszeitung“ und den „Preußischen Jahrbüchern“ der Kompromiß begrüßt wurde105, verlor selbst ein Ministerium Arnim-Boitzenburg für Johann Gustav Droysen und Gustav Freytag seinen Schrecken106, und Bismarck war als Außenminister im Gespräch107. Da auch die Konservativen unzufrieden waren108, konnte der Kompromiß die Situation langfristig nicht beruhigen. Als der Landtag am 23. Mai 1860 geschlossen wurde, zeichnete sich vielmehr der Konflikt zwischen der Krone und den Liberalen bereits am Horizont ab109. Gleich zu Beginn der folgenden Session, die am 14. Januar 1861 begann, sorgte die Adreßdebatte im Herrenhaus für Aufsehen110, die am 23. Januar als Reaktion auf die Thronbesteigung Wilhelms I. stattfand: Graf Arnim verlas als Berichterstatter zunächst den Vorschlag der Adreßkommission, der ein Lob der Regierung Friedrich Wilhelms IV. enthielt und die Hoffnung aussprach, sein Nachfolger werde daran anknüpfen und insbesondere das Recht aller Schichten der Bevölkerung schützen111. Anschließend erklärte Arnim, daß er zwar die Berechtigung von kritischen Bemerkungen anerkenne, jedoch Verbesserungen des vorgelegen Entwurfes für schädlich halte; dieser solle als Ganzes entweder angenommen oder abgelehnt werden. In der sich anschließenden Adreßdebatte warf insbesondere der rheinische Liberale Ludolf Camphausen Arnim die Parteinahme in der Adresse 102 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 179–181; Börner, Krise, S. 124/25; Gall, Bismarck, S. 201; Pyta, Grundsteuerreform, S. 229; Ritter, Staatskunst, S. 170/71. 103 Vgl. Becker, Lücke, S. 261. 104 Diese Differenzen schwelten auch in der Sessionspause weiter und führten schließlich im Februar 1861, kurz nach der Wiedereröffnung des Landtages am 14. Januar, zur Abspaltung der Fraktion „Junglithauen“ von den Liberalen, welche den Kern der späteren Fortschrittspartei darstellte; vgl. Helfert, Liberalismus, S. 188–190; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 47/48. 105 Vgl. Fesser, Fortschrittspartei, S. 204. 106 Vgl. die Akzentverschiebung in Droysens Briefen vom 21.05.1860 an Wilhelm Arendt und vom 30.11.1860 an Heinrich v. Sybel. In: Droysen, Briefwechsel II, S. 681 und 711; Freytags Brief vom 07.03.1860 an Charlotte Duncker. In: Duncker, Briefwechsel, S. 188; anders urteilte Georg v. Vincke; vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 179. 107 Vgl. Bismarck, Gedanken und Erinnerungen I, S. 237. 108 Vgl. Kap. V.4.a). 109 Vgl. Bahne, Vor dem Konflikt, S. 177. 110 Vgl. HH 1861, S. 19–42; auch in: Nachlaß Nr. 4118, Bll. 13–25; siehe dazu Bernhardi, Anfänge, S. 342; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 47; Parisius, Parteien, S. 32–34; Pastor, Reichensperger I, S. 406; Phillipson, Forckenbeck, S. 37. 111 Damit wendete Arnim geschickt eine Passage der Erklärung Wilhelms vom 8. November 1858 zu der Aufforderung, auch die Rechte des Adels zu respektieren; vgl. dazu auch die einleitenden Bemerkungen zu Kap. V dieser Arbeit.

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zugunsten der Konservativen vor112, wogegen sich dieser in einer persönlichen Bemerkung verwahrte113. Daran knüpfte der Boitzenburger die Bemerkung, er glaube den Vorwurf nicht zu verdienen, er sei „gouvernemental für das vorige Ministerium“ in dem Sinne gewesen, daß die Unabhängigkeit seiner Überzeugung „getrübt“ worden sei. Damit brachte Arnim zum Ausdruck, daß es ihm politisch weniger um die Unterstützung einer bestimmten Regierung gehe als vielmehr um das staatskonservative Konzept einer starken, vom Parlament möglichst unabhängigen monarchischen Regierung. Nachdem die konservative Mehrheit alle Änderungsanträge verworfen hatte114, wurde schließlich Arnims Adreßentwurf einstimmig angenommen115. Die folgenden Debatten über die Militärfrage waren von der Tatsache geprägt, daß die Regierung kein neues Kriegsdienstgesetz vorlegte, sondern lediglich die Bewilligung der Kosten für die Heeresreorganisation im zweiten Halbjahr beantragte116. Damit stufte die Regierung, die ja im Vorjahr ein Kriegsdienstgesetz eingebracht hatte, die Heeresstruktur stillschweigend als reine Verwaltungsmaßnahme ein, so daß der Landtag lediglich die benötigten Mittel zu bewilligen habe. Außerdem hatte der König am 18. Januar 1861 die Fahnen der neuen Regimenter am Grabe Friedrichs des Großen weihen lassen117, wodurch die Heeresreform als abgeschlossen bezeichnet wurde. Schließlich wurde das Verhältnis zwischen Krone und Liberalen durch ein aufsehenerregendes Duell zwischen dem Abgeordneten Karl Twesten und Edwin v. Manteuffel erschwert: Manteuffel, der seit 1857 als Chef des königlichen Militärkabinetts die preußische Armee reorganisierte118, wurde von Twesten in einer Broschüre als „ein unheilvoller Mann an unheilvoller Stelle“ bezeichnet119, worauf dieser ihn forderte120. Deshalb stand die Finanzdebatte, die am 27. Mai 1861 im Abgeordnetenhaus begann, von vorne herein unter einem ungünstigeren Vorzeichen als 112 113

Vgl. HH 1861, S. 22/23. Vgl. ebd., S. 34–37; siehe auch Arnims Notizen in: Nachlaß Nr. 4118, Bll. 26

+ 27. 114

Vgl. HH 1861, S. 37–39. Vgl. ebd., S. 39. 116 Vgl. Börner, Bourgeoisie, S. 424/25. 117 Vgl. Pflanze, Bismarck I, S. 177. 118 Vgl. Schmidt-Bückeburg, Militärkabinett, S. 57–96. 119 Karl Twesten: Was uns noch retten kann. Ein Wort ohne Umschweife. Berlin 1861, S. 24. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Twesten die Kabinettsordre vom 18. Januar 1861 nicht kannte, durch die die Kommandogewalt des Königs vom Kriegsministerium unabhängig und zugleich die Stellung des Militärkabinetts stark ausgeweitet wurde; Kaminski, Verfassung, S. 53; Schmidt-Bückeburg, Militärkabinett, S. 75/76. 120 Vgl. ebd., S. 82–84. 115

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die des Vorjahres121. Zunächst wurde die Angelegenheit einer besonderen Kommission übertragen, welche sofort alle Mehrausgaben für die Heeresreform im Etat strich122. Nur die Annahme der Grundsteuerreform im Herrenhaus stimmte schließlich eine knappe Mehrheit der Abgeordneten kompromißbereit123. Durch die Annahme des „Antrags Kühne“ mit 159 gegen 148 Stimmen am 31. Mai 1861 wurden die Mehrausgaben für die Heeresreform im Extraordinarium bewilligt124. Allerdings wurde die Regierung auch aufgefordert, dem nächsten Landtag einen Entwurf zur Abänderung des Dienstpflichtgesetzes vorzulegen125. Damit nahm das Abgeordnetenhaus für sich ein Mitspracherecht bei der Heeresorganisation in Anspruch126. Nachdem die Liberalen die Grundsteuerreform durchgesetzt hatten, waren sie deshalb an einer Fortführung des Provisoriums interessiert, weil sie bereits die Kreisreform als nächstes Handelsobjekt für ihre Zustimmung zur Heeresreform im Jahre 1862 auserkoren hatten. Besonders Gneist entwickelte das Konzept einer „Reform von unten nach oben“, die mit einer Umgestaltung der Kreisverbände beginnen sollte127. Das konservative Herrenhaus stimmte daraufhin dem Beschluß des Abgeordnetenhauses am 5. Juni 1861 ohne Diskussion zu128. Dies lag jedoch nicht an ihrer Zufriedenheit mit der gefundenen Lösung, sondern daran, daß ihnen am Tage des Landtagsschlusses keine andere Wahl blieb, wollten sie nicht die Heeresreform durch Ablehnung der erforderlichen Mittel gefährden. Auch der König war wenig begeistert von der Fortführung des Provisoriums, was er in seiner Schlußrede auch zum Ausdruck brachte129. Deshalb lagen seine Sympathien schon im Juni 1861 wieder beim Herrenhaus, dem er Ende April noch wegen der Schwierigkeiten gezürnt hatte, die es ihm in der Grundsteuerfrage bereitet hatte130.

121

Vgl. AH 1861, S. 1391–1519. Vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 51–54. 123 Vgl. Kaminski, Verfassung, S. 58; siehe auch Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 54–56. 124 AH 1861, S. 1513/14; vgl. Börner, Krise, S. 134; Helfert, Liberalismus, S. 193–205; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 56; Pyta, Grundsteuerreform, S. 243; siehe auch die Kritik. In: Engels, Militärfrage, S. 32/33. 125 Kaminski, Verfassung, S. 58. 126 Gegen Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 57. 127 Vgl. Zimmermann, Entstehung, S. 41–43. 128 HH 1861, S. 718. 129 Vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 57/58. 130 Vgl. Kap. V.1.a). 122

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c) Das Ende der „Neuen Ära“ Nachdem Friedrich Wilhelm IV. am 2. Januar 1861 gestorben war131, folgte ihm sein Bruder als Wilhelm I. auf dem Hohenzollernthron: Obwohl dieser aber am 14. Januar 1861 den Landtag bereits als König eröffnete, dauerte es bis zur Krönung trotzdem noch bis zum 18. Oktober 1861. Diese Feierlichkeiten, in deren Verlauf der Zwist des Grafen Arnim mit dem König seinen Höhepunkt erreichte132, brachten den Unwillen des Monarchen über die hinhaltende Politik der Liberalen in der Frage der Heeresreform deutlich zum Ausdruck: Daß Wilhelm I. den von den Nachfolgern Friedrichs I. aufgegebenen Ritus der Königskrönung im ostpreußischen Königsberg wiederbelebte und sich damit ganz in die altpreußische Tradition stellte133, mußte nicht unbedingt als Ausdruck eines autoritären Königtums und als Absage an den Parlamentarismus verstanden werden. Allerdings war die Königskrönung, die notwendig geworden war, weil die Konstitutionalisierung Preußens die traditionelle Erbhuldigung der Stände ausschloß134, von vorne herein als Machtdemonstration angelegt135: Zwar verzichtete der König nach längeren Diskussionen auf die Erbhuldigung136, doch sorgte er für einen demonstrativ militärischen Charakter der Zeremonie137, an der auch die neu aufgestellten Regimenter teilnahmen. Nachdem bereits im Juni die „Deutsche Fortschrittspartei“ (DFP) gegründet worden war138, deren Programm die Unzufriedenheit der Linksliberalen mit dem bisherigen Verlauf der Neuen Ära dokumentierte139, kam es zwischen König und Regierung direkt vor den Wahlen zu ernsten Meinungsverschiedenheiten140. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus Ende 1861 verloren die Altliberalen ihre Mehrheit an die neugegründete „Deutsche Fortschrittspartei“, die über 100 Sitze erringen konnte und mit den „Acht131

Vgl. zur Beerdigung Nachlaß Nr. 4141. Vgl. Kap. V.4. 133 Vgl. Herre, Wilhelm I., S. 290. 134 Vgl. Gall, Bismarck, S. 208. 135 Vgl. Becker, Lücke, S. 261; Helfert, Liberalismus, S. 221/22; Keisch/Riemann-Reyher, Adolph Menzel, S. 205. Nicht zufällig ist in Adolph Menzels Krönungsbild der Moment dargestellt, in dem Wilhelm die vom Hofprediger Adolf Thielen vorgesprochene Eidesformel wiederholt. Diese Komposition wurde Menzel vom König vorgegeben; vgl. ebd., S. 206. 136 Vgl. Bernhardi, Aus dem Leben IV, S. 151; Gall, Bismarck, S. 210; Helfert, Liberalismus, S. 220/21, Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 61/62. 137 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 221. 138 Vgl. dazu Parisius, Parteien, S. 36–38. 139 Vgl. Salomon, Parteiprogramme, S. 116/17; siehe dazu Helfert, Liberalismus, S. 207; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 58/59. 140 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 223. 132

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undvierzigern“ Jacoby, Schulze-Delitzsch, Twesten, Virchow und Waldeck an die Tradition der demokratischen Bewegung von 1848 anschloß141. Außerdem errang das „linke Zentrum“ etwa 50 Sitze, während Altliberale und Wochenblattpartei nur noch auf zusammen 91 Abgeordnete kamen. Die Konservativen mit 14 Mandaten verschwanden vollends in der Bedeutungslosigkeit. Diese Wahlentscheidung bedeutete aus der Rückschau das Ende der „Neuen Ära“, weil die DFP nicht gewillt war, sich an deren ungeschriebenen Spielregeln im Umgang mit dem Monarchen zu halten142. Diese Entwicklung war jedoch nicht zwangsläufig. Vielmehr wurden dem Landtag bei seiner Eröffnung drei Reformgesetze vorgelegt: über die Oberrechnungskammer (gemäß Art. 104 der Verfassung), über die Verantwortung der Minister (gem. Art 61) und über die Kreisordnung der sechs östlichen Provinzen143. Insbesondere die neue Kreisordnung, die der König bereits 1860 als Kompensation für die Zustimmung der Liberalen zur Heeresreform vorgesehen hatte144, mußte den Liberalen sehr am Herzen liegen, denn der vorgelegte Entwurf enthielt die Möglichkeit, diese konservative Bastion zu schleifen. Auf der anderen Seite waren im vorgelegten Etatentwurf für 1862 die Kosten für die Heeresreform erstmals nicht gesondert aufgeführt, sondern in den Posten des Militäretats eingesetzt145. Offensichtlich schlug die Regierung dem Abgeordnetenhaus vor, die Billigung der Heeresreform mit liberalen Reformprojekten zu „erkaufen“. Die Linksliberalen waren jedoch in der Heeresreform nicht kompromißbereit. Dabei übersahen sie, wie ihnen Friedrich Engels vorhielt, die liberale Seite der Heeresreform: Da für die neuen Offiziersstellen nicht genügend konservative Kandidaten vorhanden waren, wurden die neuen Stellen allen gebildeten jungen Leuten angeboten146. Die kompromißlosere Haltung der Fortschrittspartei führte zum „Antrag Hagen“ vom 6. März 1862, der eine 141 Vgl. Börner, Bourgeoisie, S. 427; Fesser, Linksliberalismus, S. 11; Helfert, Liberalismus, S. 225. Ähnlich wie die Mehrheit der preußischen Nationalversammlung im Herbst 1848 [Vgl. dazu Nitschke, Volkssouveränität, S. 198 und 226] wollten auch die „Fortschrittler“ des Jahres 1862 eine liberalere Politik durchsetzen. 142 Pyta, Grundsteuerreform, S. 244. 143 Nachdem am 30. Mai 1853 die neue Städteordnung und im April 1856 die neue Landgemeindeordnung verabschiedet worden waren, stand immer noch die Kreisreform aus; vgl. Kap. IV.2. Deshalb hatte sich der liberale Innenminister Schwerin bereits seit 1860 damit befaßt; vgl. Heffter, Selbstverwaltung, S. 408–410; Kraus, Gerlach, S. 729/30. 144 Vgl. Börner, Bourgeoisie, S. 414/15; Hintze, Hohenzollern, S. 573; Zechlin, Bismarck, S. 190/91; Zimmermann, Entstehung, S. 39. 145 Vgl. Becker, Lücke, S. 261. 146 Vgl. Engels, Militärfrage, S. 36; siehe auch Helfert, Liberalismus, S. 111– 116.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

Spezialisierung des Etats schon für das Jahr 1862 verlangte147, um der Regierung die Möglichkeit zu nehmen, die Kosten für die Heeresreform in anderen Etats zu verbergen148. Dahinter verbarg sich das Bestreben, die Heeresreform nicht einfach hinzunehmen. Dies lag auch daran, daß die Regierung kraftvolle Initiativen in der Deutschlandpolitik unterlassen hatte149, was zu der Ansicht führte, die preußische Armee würde nur zur Unterdrückung der Liberalen im Innern und nicht in einem Kriege eingesetzt, so daß eine Reform nur den Konservativen nützte. Obwohl den Abgeordneten klar sein mußte, daß die (äußerst kostspielige) Heeresreform nicht einfach zu revidieren war150, wurde dieser Antrag am 6. März 1862 mit 171 Stimmen der Fortschrittspartei, des linken Zentrums und der polnischen Fraktion gegen 143 Stimmen der Altliberalen, Katholiken und Konservativen angenommen. Damit hatte die Mehrheit des Abgeordnetenhauses für den König den Rubikon überschritten, was die altliberale Mehrheit bisher vermieden hatte. Wilhelm I. ging nun auf Konfrontationskurs, löste am 11. März das Abgeordnetenhaus auf und entließ am 15. März die altliberalen Minister, als diese seinem Konfliktkurs die Zustimmung verweigerten. Damit kamen die Konservativen, die noch vor wenigen Wochen mit dem Rücken zur Wand gestanden hatten, wieder ins Spiel151: In der Märzkrise des Jahres 1862 erschien ein letztes Mal ein „Ministerium Arnim-Boitzenburg“ im Bereich des Möglichen zu liegen152. Außerdem bedeutete dies zunächst das Ende der Reformpolitik: Die Kreisreform versandete sang- und klanglos153, und auch die anderen Reformgesetze scheiterten. Die Chance zur Liberalisierung Preußens war zur Freude der „Militärpartei“ um Edwin v. Manteuffel vertan154. Der Verfassungskonflikt eskalierte im Laufe des Jahres 1862 allmählich155. Zum neuen Ministerpräsidenten ernannte der König den Präsidenten 147

AH 1862, S. 354; auch in: Huber, Dokumente II, S. 40; Debatte in HH 1862, S. 274–300. 148 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 230; Kaminski, Verfassung, S. 61–64; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 69–72. 149 Vgl. Biefang, Organisation, S. 218–234; Börner, Krise, S. 127, 131, 162; Helfert, Liberalismus, S. 195, 205; Ludolf Parisius, Hoverbeck I, S. 191/92; Pflanze, Bismarck I, S. 169; Pyta, Grundsteuerreform, S. 245/46; Sybel, Begründung I, S. 510/11. 150 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 176; Kaminski, Verfassung, S. 59/60; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 44. 151 Vgl. dazu auch die Verteidigung der Heeresreform von Otto de la Chevallerie, Militairfrage, passim (31 S.). 152 Vgl. Droysens Notiz. In: Droysen, Briefwechsel II, S. 786; Ludwig v. Berg am 05.03.1862 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1096. 153 Zu einer Lösung dieses Problems kam es erst 1872; vgl. zusammenfassend Dietrich, Verfassung, S. 236–242. 154 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 276/77.

1. Erfolg und Mißerfolg der Reformpolitik (1858–1862)

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des Herrenhauses, den Prinzen Hohenlohe-Ingelfingen, der politisch bis dahin kaum von sich reden gemacht hatte156. Trotzdem hielt Wilhelm I. prinzipiell noch an seinem Programm vom November 1858 fest. Allerdings war der König dazu entschlossen, im Konflikt um die Heeresreform nicht auf die Liberalen Rücksicht zu nehmen. Schon Anfang 1861 hatte er beschlossen, einem unbotmäßigen Abgeordnetenhaus notfalls „mit Auflösung und noch einmal Auflösung“ zu begegnen157. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus vom 6. Mai 1862 kam es zu einem großen Wahlsieg der Fortschrittspartei, die trotz Wahlbeeinflussung 133 Mandate errang und zusammen mit den 96 Abgeordneten des linken Zentrums über eine große Mehrheit verfügte. Dagegen erhielten die Altliberalen nur noch 19 und die Konservativen gar nur 11 Mandate158. Als der Landtag am 19. Mai 1862 zusammentrat, hatten sich die Fronten weiter verfestigt, wenn sich in der Adreßdebatte der Konflikt auch noch nicht abzeichnete159. Im Anschluß an die Beratungen über den deutsch-französischen Handelsvertrag begannen am 4. August die Beratungen in der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses160. Danach überschlugen sich die Ereignisse: Am 14. und 19. August wiesen zwei Leitartikel in der halbamtlichen „Sternzeitung“ unter der Überschrift „Eine Lücke in der Verfassung“ darauf hin, daß die Regierung auch im Falle einer Ablehnung des Budgets „unzweifelhaft auch dann nur nach gewissenhaftester und strengster Erwägung der ihr durch die Verfassung zugewiesenen Rechte und Pflichten ihr weiteres Vorgehen regeln“ werde161. Am 22. August wurde daraufhin der Antrag auf Streichung der Mehrausgaben für die Heeresreform formuliert, und am 11. September begann eine siebentägige Budgetdebatte im Abgeordnetenhaus, in der u. a. Reichensperger eine Indemnitätsvorlage einbrachte162. Am 16. September beschloß das Abgeordnetenhaus mit 273 gegen 68 Stimmen die Streichung der Kosten der Heeresreform aus dem Etat163. Während die Minister den König daraufhin im Kronrat am 17. Sep155 Vgl. dazu bes. Anderson, Conflict, passim; Kaminski, Verfassung, passim; Kraus, Ursprung, passim; Löwenthal, Verfassungsstreit, passim; außerdem Boldt, Verfassungsgeschichte II, S. 106–123; Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 261–268; Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 275–369; Kraus, Gerlach, S. 747–772; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 749–768; Siemann, Gesellschaft, S. 200– 218. 156 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 233–236. 157 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 422; vgl. ders., Briefwechsel, S. 1063; dazu Kraus, Gerlach, S. 749. 158 Büsch, Handbuch der preußischen Geschichte II, S. 330. 159 Vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 82/83. 160 Vgl. Kaminski, Verfassung, S. 64. 161 Vgl. dazu Gall, Bismarck, 237; Kraus, Gerlach, S. 759/60. 162 AH 1862, S. 1564–1818; vgl. dazu Helfert, Liberalismus, S. 256–265.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

tember zum Nachgeben drängten, erklärte Wilhelm I., „daß diejenigen Minister, die ihm nicht folgen könnten, ausscheiden möchten.“164 Am folgenden Tage erhielten die liberalen Minister Bernstorff und v. d. Heydt ihre Entlassung, und auch Hohenlohe resignierte165. Daraufhin lehnte das Abgeordnetenhaus am 23. September endgültig die Kosten für die Heeresreform ab166, während der König zugleich Otto v. Bismarck nach längerem Zögern zum Ministerpräsidenten ernannte167. Die Liberalen waren in der Neuen Ära so lange erfolgreich gewesen, wie sie die Machtfrage nicht gestellt, sondern den Schulterschluß mit Regierung und Krone gesucht hatten. Sie hatten mit dieser Politik die Konservativen derart in die Enge getrieben, daß die Mehrheit der Konservativen im Herrenhaus ihren Widerstand gegen die Grundsteuerreform aufgab. Weitere Reformen wie die Umgestaltung der Kreisordnung und die Verabschiedung wichtiger Ausführungsgesetze zur Verfassungsurkunde erschienen nun möglich, da die vom Grafen Arnim geführten konservativen Herren sich offenbar auf Dauer gegen den König, die liberale Regierung und das liberale Abgeordnetenhaus nicht behaupten konnten. Allerdings wären dazu eine Fortsetzung der Konsenspolitik und insbesondere Zugeständnisse an den König in der Frage der Heeresreform notwendig gewesen. Die linke Mehrheit im Abgeordnetenhaus verprellte jedoch den Monarchen mit ungestümen Forderungen und zerbrach damit den Belagerungsring um das Herrenhaus. Diese Chance nutzte Graf Arnim zum Schulterschluß zwischen seinen Konservativen und der neuen Regierung Bismarck. 2. Der Verfassungskonflikt (1862–1866) Am 24. September 1862 wurde das Ministerium Hohenlohe entlassen und Otto v. Bismarck zum Ministerpräsidenten ernannt, der sich außer auf die wenigen Konservativen im Abgeordnetenhaus vor allem auf das Vertrauen des Königs und auf das Herrenhaus stützte. Dadurch erhielten insbesondere die Staatskonservativen des Grafen Arnim wieder den Status einer „Regierungspartei“. Allerdings war ihr Einfluß nun auf das Herrenhaus beschränkt, während das liberale Abgeordnetenhaus der „neuen Koalition“ aus Regierung und Herren feindlich gegenüberstand.

163 Vgl. dazu Becker, Lücke, S. 261; Gall, Bismarck, S. 238; Helfert, Liberalismus, S. 264/65; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 102/03; Parisius, Parteien, S. 63. 164 Zitiert nach Kraus, Gerlach, S. 761; vgl. Zechlin, Bismarck, S. 295. 165 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 271; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 106. 166 Vgl. Gall, Bismarck, S. 255; Helfert, Liberalismus, S. 264/65. 167 Vgl. Gall, Bismarck, S. 242–246; Promnitz, Eintritt, S. 198–257.

2. Der Verfassungskonflikt (1862–1866)

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a) Der Ausbruch des Konfliktes und die „Lückentheorie“ Bismarcks erste Amtshandlung war der vorläufige Abbruch der Gespräche mit den Liberalen: Am 29. September zog die Regierung den Haushaltsentwurf für 1863 auf Befehl des Königs vor der Schlußabstimmung zurück, um zu verhindern, daß das Abgeordnetenhaus die Kosten für die Heeresreform strich, kündigte aber eine baldige neue Vorlage an168. Durch seine berühmte Eisen-und-Blut-Rede am 30. September vor der Budgetkommission des Hauses erreichte Bismarck statt der beabsichtigten Entspannung der Situation das Gegenteil169: Zunächst wurden am 3. Oktober im Gesamthaushalt für 1862 die strittigen Militärausgaben gestrichen170. Außerdem beschloß das Abgeordnetenhaus am 7. Oktober mit 251 gegen 36 Stimmen, daß der Etat für 1863 vor Jahresbeginn vorliegen müsse und daß es verfassungswidrig sei, eine ausdrücklich abgelehnte Ausgabe zu tätigen171. Die Weigerung der Regierung, auf dieses Ultimatum einzugehen, bedeutete den Ausbruch des Verfassungskonfliktes. Sie antwortete darauf mit der Vorlage eines neuen Entwurfes über die Verpflichtung zum Kriegsdienst, in dem die Heeresstärke auf ein Prozent der Bevölkerung festgelegt und die Finanzierung durch eine Pauschalsumme pro Kopf ein für alle Male festgelegt werden sollte172. Dieses für sie unannehmbare „Äternat“ mußten die Liberalen als Kampfansage auffassen. In dieser Situation sorgte Graf Arnim, der seit dem 6. März 1862 Vorsitzender der „Kommission für Finanz-Sachen“ des Herrenhauses war173, dafür, daß das Herrenhaus demonstrativ auf die Seite der Regierung trat: Nachdem das Budget seit dem 2. Oktober in der Kommission beraten worden war174, begann am 10. Oktober die Budgetdebatte im Herrenhaus mit dem Bericht der Budgetkommission175. Diese schlug vor, vor der Abstimmung über Annahme oder Verwerfung der Vorlage mit dem Abgeordnetenhaus in Verhandlungen zu treten176. Graf Arnim, der bereits 1851 in der Zweiten Kammer von einer „Lücke“ in der preußischen Verfassung gesprochen hatte177, befürwortete dagegen einen Konfrontationskurs, indem die 168

Vgl. Gall, Bismarck, S. 255; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 119. Bismarck, Gesammelte Werke X, S. 139/40; vgl. Becker, Lücke, S. 262/63; Engelberg, Bismarck I, S. 527/28; Gall, Bismarck, S. 256–259; Pflanze, Bismarck I, S. 184. 170 AH 1862, S. 2055. 171 Vgl. Huber, Dokumente II, S. 51/52; siehe dazu Becker, Lücke, S. 265; Hahn, Gneist, S. 105–117; Parisius, Parteien, S. 64. 172 Vgl. Dehio, Bismarck, S. 32–37. 173 Vgl. Nachlaß Nr. 4121, Bl. 35. 174 Vgl. die Einladung der Fraktion Arnim-Gaffron vom 27.09.1862 ebd., Bl. 47. 175 HH 1862, Drucksache 82. 176 Vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 128/29. 169

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

Vorlage des Abgeordnetenhauses verworfen und statt dessen der ursprüngliche Regierungsentwurf angenommen werden sollte178. An und für sich war die Annahme des Regierungsentwurfes ohne politische Folgen, da ohne die Zustimmung des anderen Hauses der Etat nicht zustande kommen konnte. Der Beschluß sollte jedoch demonstrieren, daß sich zwei der drei gesetzgebenden Faktoren einig waren, und damit die moralische Schuld am Scheitern der Budgetberatungen dem Abgeordnetenhaus zuweisen. Graf Arnim erklärte diese Auffassung damit, daß sein Antrag dem Abgeordnetenhaus lediglich verdeutlichen solle, daß es den Etatentwurf deutlich verändern müsse, damit er vom Herrenhaus akzeptiert werden könne: „Wir protestieren in ihm (dem Antrag Arnim, WN) auf der einen Seite gegen die parlamentarische Regierung; wir unterstützen und bekräftigen andererseits die Regierung in ihren Grundsätzen über den Staatshaushalt.“ Schließlich wurde am 11. November zunächst der Antrag auf Verhandlungen mit dem Abgeordnetenhaus mit 127 gegen 39 Stimmen verworfen179, dann die Vorlage des Abgeordnetenhauses mit 149 gegen 17 Stimmen zurückgewiesen180 und anschließend der Regierungsentwurf mit 114 gegen 44 Stimmen angenommen181. Damit entschied sich die große Mehrheit der Herren für den demonstrativen Schulterschluß mit König und Staatsministerium. Daraufhin erklärte das Abgeordnetenhaus am folgenden Tage den zweiten Beschluß des Herrenhauses für ungültig182, um den „schwarzen Peter“ an das Herrenhaus zurückzugeben. Indem es sich aber weigerte, seine Position zu überdenken, sorgte es für das endgültige Scheitern der Beratungen, denn nun wäre es Sache des Abgeordnetenhauses gewesen, dem Herrenhaus eine neue Vorlage zu machen. Diese Tatsache ist wesentlich wichtiger als die müßige Frage, ob das Herrenhaus seine Kompetenzen überschritten habe oder nicht, wie die Liberalen nicht müde wurden zu betonen183. 177 Vgl. dazu Kap. IV.3.a). Auch Bismarck hatte am 24.02.1851 von einer „Lücke“ in der Verfassung gesprochen; vgl. Gall, Bismarck, S. 237; Kaminski, Verfassung, S. 84; Pflanze, Bismarck I, S. 77/78. 178 HH 1862, S. 181–187; dort auch die folgenden Zitate; die Rede ist auch in Nachlaß Nr. 4125, Bll. 9 + 10; vgl. dazu außerdem Nachlaß Nr. 4130. 179 HH 1862, S. 218/19. 180 HH 1862, S. 219/20. 181 Ebd., S. 220/21; vgl. Parisius, Parteien, S. 64; Pflanze, Bismarck I, S. 206/07. 182 AH 1862, S. 2242; vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 132/33; Parisius, Parteien, S. 64. Der Beschluß erfolgte mit 237 Stimmen einstimmig, da zuvor die Konservativen unter Protest den Sitzungssaal verlassen hatten. 183 Vgl. u. a. Droysens Brief vom 16.10.1862 an Max Duncker. In: Droysen, Briefwechsel II, S. 799; Lasker, Verfassungsgeschichte, S. 284–312; Rönne, Staatsrecht I.1, S. 594–599. Allerdings war die liberale Haltung nicht völlig unstrittig; vgl. Becker, Lücke, S. 263.

2. Der Verfassungskonflikt (1862–1866)

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Art. 62 der Verfassung zwang nun einmal zur Konsensfindung: „Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetz erforderlich.“184 Und da die Initiative zunächst beim Abgeordnetenhaus lag185, wäre es dessen Aufgabe gewesen, nach dem Scheitern ihres Beschlusses im Herrenhaus einen (wie auch immer gearteten) Kompromißvorschlag auszuarbeiten186, zumal sie (und nicht die Regierung) die Bestimmung des Art. 109 unter Zugzwang setzte: „Die bestehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben . . ., bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden.“ Angesichts dieses Konfliktes zwischen den beiden Häusern des Landtages verkündete die Regierung, auf Grund des Artikels 109 der Verfassung ohne Budget zu regieren, und schloß am 13. Oktober den Landtag. Damit trat der Fall ein, den die Liberalen seit 1849 befürchtet hatten187. Bemerkenswert an der Schlußrede Bismarcks war, daß er den Beschluß des Herrenhauses mit keiner Silbe erwähnte188, was den Grafen Arnim ärgern mußte, weil damit seine Position zurückgewiesen zu sein schien. Deshalb veröffentlichte er eine längere Schrift über das „Recht des Herrenhauses bei Festsetzung des Staatshaushalts“189. Darin wies Arnim ausführlich die Auffassung zurück, das Herrenhaus dürfe sich „mit keinem anderen Staatshaushalts-Gesetz-Entwurf beschäftigen, als mit dem, den das Abgeordnetenhaus beschlossen hat.“190 Am Ende seiner umfangreichen juristischen Erörterung wies Arnim dann zusätzlich darauf hin, daß der Beschluß des Herrenhauses keineswegs „schädlich“ gewesen sei. Er habe das Abgeordnetenhaus dazu auffordern wollen, die Annahme des Regierungsentwurfes zum Wohle des Landes „nochmals zu erwägen“. In diesem Zusammenhang wies Arnim zu Recht darauf hin, daß sich die Abgeordneten in jedem Falle mit der Regierung über den Etat verständigen müßten. Da das Herrenhaus wohl kaum „bei erreichtem Einverständnisse zwischen der Regierung und 184 Auch Art. 99, der bestimmte, daß der Etat jährlich durch ein Gesetz festgelegt werde, zwang die gesetzgebenden Faktoren zum Kompromiß; vgl. Becker, Lücke, S. 270–273. 185 Art. 62, Abs. 3: „Finanzgesetz-Entwürfe und Staatshaushalts-Etats werden zuerst der Zweiten Kammer vorgelegt; letztere werden von der Ersten Kammer im ganzen angenommen oder abgelehnt.“ 186 Dies betonte Graf Arnim in seiner Erwiderung auf einen Artikel der Berliner Allgemeinen Zeitung vom 25.01.1863. In: Nachlaß Nr. 4129, Bll. 90–92. 187 Vgl. Kap. III.3.b) + c). 188 AH 1862, S. 2259/60; Vgl. dazu Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 133; außerdem Kap. V.4.b). 189 Arnim, Recht des Herrenhauses; weitere Materialien von 1850 und 1863 auch in: Nachlaß Nr. 4129, Bll. 1–77; siehe dazu auch: Lasker, Antwort, passim. 190 Arnim, Recht des Herrenhauses, S. VI; die folgenden Zitate ebd., S. 59–63.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

dem Abgeordnetenhause“ das Zustandekommen des Etats verhindern werde, wie es mit der Zustimmung zu den Provisorien 1860 und 1861 bewiesen habe, könne das Herrenhaus auf Grund seiner beschränkten verfassungsmäßigen Rechte nur „Anhaltspunkte zur Verständigung“ geben. Diese Argumentation des Grafen Arnim ist in der Tat stichhaltig: Der Etat für das Jahr 1862 scheiterte deshalb, weil Regierung und Abgeordnetenhaus sich nicht einigen konnten und nicht auf Grund des Herrenhausbeschlusses. Insofern war den Herren höchstens vorzuwerfen, daß sie sich demonstrativ auf die Seite der Regierung gestellt hatten. Diese Demonstration mag sogar verfassungsrechtlich bedenklich gewesen sein. Es war jedoch politisch unklug von den Liberalen, daraufhin die Konfrontation zu suchen, indem sie den Beschluß des Herrenhauses für ungültig erklärten, der ohnehin keine praktischen Konsequenzen hatte, statt die in der Verfassung vorgesehene Konsensbildung fortzusetzen. Sie traten damit in eine vom Grafen Arnim bewußt ausgelegte Fußangel, indem sie sich auf einen Konflikt einließen, den sie selbst auf Grund der einsetzbaren Machtmittel auf legalem Wege kaum gewinnen konnten und der den konservativen Herren gute Aussicht auf eine Stabilisierung ihrer gefährdeten politischen Position eröffnete. Das Abgeordnetenhaus hatte sich durch sein kompromißloses Verhalten leichtsinnigerweise unter Zugzwang gesetzt: Entweder focht es nun den Konflikt siegreich durch, oder es verlor auf lange Sicht jede Chance zur Liberalisierung Preußens. Dagegen konnten die konservativen Herren hoffen, ihre in der Neuen Ära zunehmend unhaltbarere Position durch einen Erfolg im Verfassungskonflikt derart zu stabilisieren, daß auch unter dem Nachfolger Wilhelms I. eine Revision im liberalen Sinne (auf Grund des Vetorechtes des Herrenhauses) unmöglich wurde. Insbesondere der Antrag Arnim hatte vorerst dafür gesorgt, daß eine Aussöhnung der Regierung mit den Liberalen auf Kosten der Konservativen ausgeschlossen war. b) Die Verhärtung der Fronten Die neue Koalition zwischen der Regierung und den konservativen Herren sollte nach dem Willen der führenden Politiker gleich zu Beginn der folgenden Session durch eine Adresse des Herrenhauses herausgestrichen werden. Nach der Landtagseröffnung am 14. Januar 1863 bereitete sich Graf Arnim deshalb gründlich auf die bevorstehende Adreßdebatte vor und erstellte mehrere Adreßentwürfe191. Innerhalb seiner Fraktion und gegenüber den Altkonservativen, die für die sofortige Beratung einer Herrenhausadresse eintraten, setzte er jedoch durch, daß das Herrenhaus zunächst die 191 Vgl. handschriftliche Entwürfe. In: Nachlaß Nr. 4125, Bll. 5–7 und 17–21; gedruckter Entwurf ebd., Bll. 8 + 8a; siehe zu der Frage außerdem Material von 1863–1865. In: Nachlaß Nr. 4131.

2. Der Verfassungskonflikt (1862–1866)

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Adresse des Abgeordnetenhauses und die diesbezügliche Reaktion des Königs abwartete192. Vom 27. bis 29. Januar wurde zunächst im Abgeordnetenhaus über eine Adresse debattiert193. Dabei gab sich Bismarck (nach seiner Blut-undEisen-Rede) eine zweite, höchst unkluge Blöße, indem er nicht nur zum Kompromiß aufforderte, sondern auch durchblicken ließ, die Regierung werde sich andernfalls mit aller Macht durchzusetzen versuchen194. Das Abgeordnetenhaus bat daraufhin den König um die Rückkehr zu verfassungsmäßigen Zuständen und forderte implizit die Entlassung Bismarcks195. Infolgedessen stand Bismarck nach kurzer Regierungszeit bereits mit dem Rücken zur Wand. Deshalb mußte ihm die Rückendeckung des Herrenhauses um so willkommener sein, weshalb er das Gespräch mit Arnim suchte196. Daraufhin legte dieser ihm seinen Adreßentwurf zur Stellungnahme vor197. Am 1. Februar ließ Bismarck Arnim dann eine kurze Notiz des Königs zukommen198, in der dieser den Arnimschen Adreßentwurf zwar als „zu lang“ bezeichnete, sonst aber billigte199. Bismarck bat in seinem Begleitschreiben um „Berücksichtigung“ dieses königlichen Gedankens und stellte fest: „Der König hat natürlich, in der Kürze seiner Antwort, nicht darauf gerechnet, daß seine Zeilen mitgetheilt werden: ich rechne für meine Indiscretion auf Ihre Nachsicht.“200 Arnim solle die Kürze der Notiz Wilhelms nicht als Zeichen der Ungnade auffassen201. Der König reagierte dann am 3. Februar auf die Adresse des Abgeordnetenhauses vom 29. Januar kühl und abweisend: „Ich würde jene Anordnungen nicht zugelassen haben, wenn Ich darin eine Verfassungs-Verletzung hätte erkennen können, und muß die gegen Meine Regierung erhobene Beschuldigung als unbegründet aus voller Überzeugung zurückweisen.“202 192 Vgl. Kleist-Retzows Brief vom 28.01.1863 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1132/33. Es ist also nicht zutreffend, wenn Carl v. Voss behauptete, Arnim sei „aus einer Mißstimmung gegen die Minister“ heraus gegen eine Adresse gewesen; vgl. Carl v. Voss’ Brief vom 02.02.1863 an Ludwig v. Gerlach ebd., S. 1135. 193 Vgl. AH 1863, S. 34–138. 194 Vgl. Gall, Bismarck, S. 278–280. 195 Mit 255 gegen 68 Stimmen; vgl. den Text der Adresse 1863/3, S. 3; siehe dazu Parisius, Parteien, S. 64. 196 Vgl. Bismarcks Brief vom 29.01.1863 an Arnim, in dem er um eine um eine Zusammenkunft am 01.02. bat, in: Nachlaß Nr. 4125, Bl. 25. 197 Konzept von Arnims Brief an Bismarck in: Nachlaß Nr. 4125, Bl. 2. 198 Schreiben Bismarcks vom 01.02.1863 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4125, Bl. 3. 199 Ebd., Bl. 4. 200 Ebd., Bl. 3. 201 Allerdings war das Verhältnis Wilhelms I. zu den konservativen Herren nach wie vor gespannt; vgl. dazu Kap. V.4. 202 AH 1863, Drucksache Nr. 20; auch in: Nachlaß Nr. 4125, Bl. 23.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

Am gleichen Tage wurde im Herrenhaus der Antrag auf Verabschiedung einer Adresse eingebracht203, über den schon am 5. Februar 1863 eine Adreßdebatte auf der Grundlage des Arnimschen Entwurfs geführt wurde204. In dem Adreßentwurf wurde betont, daß die Regierung nicht von der „Bahn des Rechts“ abgewichen sei205. Vielmehr habe jede der drei „zur Mitwirkung bei der Gesetzgebung berufenen Gewalten“ nur das „ihr nach der Verfassungs-Urkunde formell zustehende Recht geübt“. Deshalb müsse es nicht automatisch die Regierung sein, die nachzugeben habe. Graf Arnim bemerkte zu seinen Adreßentwurf, daß die Adresse „den Kreis der Gleichgesinnten möglichst weit ziehend, nicht sein solle der Ausspruch einer engeren Partei dieser oder jener Seite, sondern daß sie der Ausspruch des Preußischen Herrenhauses sei.“206 Ausgehend von der „Lücke“ in der Verfassung forderte er, nicht allein den Wortlaut der Verfassungsurkunde zu beachten, sondern das gesamte Verfassungsrecht: „Wir gehen dabei von diesem Standpunkt aus, wo die Verfassungsurkunde von 1850 nicht ausreicht, da ergänzen wir dieselbe in dieser Beziehung aus der ganzen Vergangenheit der Geschichte der preußischen Verfassung, die Gottlob älter ist als 1850.“ Damit relativierte Arnim die Konstitution zu einem von mehreren „Staatsgrundgesetzen“, wobei er offenbar den englischen Verfassungszustand vor Augen hatte207. Anschließend hob Arnim den Sachverhalt in typischer Manier auf eine prinzipielle Ebene, indem er feststellte, es gehe in erster Linie nicht um die Heeresorganisation, sondern um die prinzipielle Frage, „ob der Schwerpunkt der Macht im König liegen soll, oder in der Volksvertretung.“ Damit stellte Arnim erneut seine Formel von 1852, entweder Königsherrschaft oder Parlamentsherrschaft, in den Raum und sprach sich wiederum dafür aus, „daß das feste selbständige Königtum vor allem erhalten werden muß.“208 Anders als in den 1850er Jahren kam es dieses Mal nicht zu einer Kontroverse im konservativen Lager; vielmehr wurde der Adreßentwurf von den 96 anwesenden Herren einstimmig angenommen209. Der König antwortete auf die Adresse des Herrenhauses sehr huldvoll: Es freue ihn, „in der loyalen Adresse des Herrenhauses, welche Sie Mir ver203

Vgl. HH 1863, S. 16. Vgl. ebd., S. 19–38 und Drucksache Nr. 13; siehe dazu Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 149/50. 205 Vgl. HH 1863, Anlagen, S. 1–3. 206 Vgl. ebd., S. 31–34. 207 In der Tat wurde diese Sichtweise durch Art. 109 der Verfassung gedeckt, in dem auch stand: „Alle Bestimmungen bestehender Gesetze und Verordnungen, welche der gegenwärtigen Verfassung nicht zuwiderlaufen, bleiben in Kraft, bis sie durch ein Gesetz abgeändert werden.“ 208 HH 1863, S. 34; vgl. dazu Kap. IV.1. 209 Ebd., S. 37. 204

2. Der Verfassungskonflikt (1862–1866)

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lesen haben, die volle Übereinstimmung mit Meinen Gesinnungen zu finden.“210 Damit war zumindest vordergründig der Zwist beendet, der König und konservative Herren in der Grundsteuerfrage entzweit hatte. Der Verfassungskonflikt wurde danach mit unverminderter Schärfe fortgesetzt. Als die zunehmende Konfrontation dazu führte, daß der Landtag am 27. Mai auf Grund eines Gutachtens Ludwig v. Gerlachs geschlossen wurde211, war erneut kein Budget verabschiedet worden212, und auch die Beschäftigung mit der Wehrvorlage waren im Sande verlaufen213. Da das Abgeordnetenhaus noch keinen Beschluß gefaßt hatte, konnte sich das Herrenhaus zur Budgetfrage nicht mehr äußern, da ihm dies erst nach der Beschlußfassung des anderen Hauses gestattet war. c) Innenpolitischer Stillstand Die Session 1863/64 begann wie die vorherige: Am 21. Dezember 1863 beschloß das Herrenhaus auf Antrag der Herren Arnim, Brüggemann und Kleist-Retzow eine Adresse, in der die Positionen der Regierung unterstützt wurden214. Am 23. Januar 1864 kam es dann erneut zu einer Etat-Debatte im Herrenhaus, in der Arnim wiederum den Antrag stellte, den Etatentwurf des Abgeordnetenhauses abzulehnen und die Regierungsvorlage anzunehmen215. Graf Arnim trug darin ausdrücklich keine theoretischen Erörterungen vor, was auch unnötig war, da die Positionen hinreichend bekannt waren, sondern erklärte: „Die Frage liegt nicht so: soll Macht über Recht, oder Recht vor Macht gehen?“216 Damit spielte Arnim auf die unglückliche 210

HH 1863, Drucksache 17; auch in: Nachlaß Nr. 4125, Bl. 22. Vgl. AH 1863, S. 1323; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 764–766. Auslöser war ein heftiger Disput zwischen dem Kriegsminister Roon und dem Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses v. Bockum-Dolffs; vgl. dazu Huber, Dokumente II, S. 65– 71; siehe dazu Bernhardi, Tagebücher V, S. 105; Pastor, Reichensperger I, S. 464; Pflanze, Bismarck I, S. 208. Am 03.09.1863 faßte die Regierung dann doch den Entschluß, das Abgeordnetenhaus aufzulösen. Allerdings entschied sich Bismarck auch gegen einen Staatsstreich, wie er von einigen konservativen Militärs gefordert wurde; vgl. Dehio, Pläne, passim; Kaminski, Verfassung, S. 97. 212 Der von Finanzminister Bodelschwingh dem Abgeordnetenhaus am 31.03. 1863 vorgelegte Etatentwurf [Vgl. dazu Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 152] konnte lediglich in der Budgetkommission beraten werden [Bericht in: AH 1863, Drucksache Nr. 128], jedoch nicht mehr im Plenum. 213 Vgl. den Kommissionsbericht in: AH 1863, Drucksache Nr. 107; Debatten in: AH 1863, S. 1103–1205; siehe dazu Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 165–182. Die Debatten wurden auf Grund des erwähnten Disputs zwischen Bockum-Dolffs und Roon ausgesetzt. 214 HH 1863/64, Drucksache Nr. 3; vgl. dazu Kleist-Retzows Brief vom 07.12.1863 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1172; Ibbeken, Auswärtige Politik IV, S. 339; siehe auch Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 217. 215 HH 1863/64, S. 131–159; vgl. dazu Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 223–225. 211

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

Formulierung Bismarcks vor dem Abgeordnetenhaus im Januar 1863 an, notfalls werde die Regierung ihre Macht ausspielen, der Schwerin damals scharf entgegengetreten war. In dieser Frage, so fuhr Arnim fort, laute die Frage: „Soll dem Mißbrauch des Rechts die Macht entgegentreten? Darauf antworte ich mit Ja! Denn dazu ist von Gott dem Könige die Macht gegeben.“ Mit dieser provozierenden Aussage goß der Boitzenburger natürlich weiteres Öl ins Feuer. Außerdem mußte seine Befürwortung der Machtpolitik, die seinem staatskonservativen Denken von jeher entsprochen hatte, auch Altkonservative wie Ludwig v. Gerlach verärgern217, und nur die Schärfe des Verfassungskonfliktes dürfte dafür gesorgt haben, daß dem Grafen nicht aus den Reihen der Konservativen heftig widersprochen wurde. Daß wie im Vorjahr der Regierungsentwurf angenommen wurde, war von weniger großer Bedeutung218. Daß jedoch nur insgesamt 81 Herren ihre Stimme abgaben, von denen 58 für und 17 gegen den Antrag votierten, war jedoch bezeichnend: Die Paralyse der Gesetzgebung ließ das Interesse vieler Herren an den Landtagsdebatten sinken. Außerdem wurde allmählich der Verfassungskonflikt von der außenpolitischen Entwicklung überlagert219. Die Budgetdebatte des Jahres 1865 führte dann die Konfrontation des Herrenhauses mit dem Abgeordnetenhaus auf den Gipfel: Obwohl das Abgeordnetenhaus keinen Etat beschlossen hatte220, beantragte die Budgetkommission drei Resolutionen an das Abgeordnetenhaus, um dem Haus eine Budgetdebatte zu ermöglichen, die am 16. Juni 1865 stattfand221. Bezüglich der Debatte über die Marineanleihe wies Graf Arnim darauf hin, daß das Abgeordnetenhaus nach wie vor in destruktiver Art und Weise die Mittel für die Heeresreform verweigere, obwohl sich die Armee inzwischen im Kampf bewährt habe222. Während das Herrenhaus sich in der vergleichbaren Diskussion über die Grundsteuerreform wenigstens um eine sinnvolle Alternative bemüht habe, wolle das Abgeordnetenhaus „dem Adler die Flügel“ binden. Nachdem als zweites eine Resolution zur Außenpolitik verabschiedet worden war223, folgte eine kurze Budgetdebatte zu dem Antrag, das Herrenhaus wolle sich für den Etatentwurf der Regierung aussprechen und außer216

Vgl. HH 1863/64, S. 149–153; dort auch das folgende Zitat. Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 454. 218 Vgl. ebd., S. 158/59. 219 Vgl. dazu Kap. V.3. 220 Vielmehr lehnte es alle Vorlagen ab, die der Regierung irgendwelche Einnahmen verschafft hätten; vgl. Brodersen, Rechnungsprüfung, S. 118; siehe auch Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 241. 221 Vgl. HH 1865, S. 308–329. 222 Vgl. ebd., S. 313/14. Graf Arnim war der einzige Redner zu diesem Antrag. 223 Ebd., S. 315–319; vgl. dazu Kap. V.3. 217

2. Der Verfassungskonflikt (1862–1866)

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dem die Regierung aufzufordern, „die zur heilsamen und Preußens Aufgaben entsprechenden Fortführungen der Staats-Verwaltung erforderlichen Ausgaben als Verwaltungsnorm festzustellen und diese, wie auch die StaatsEinnahmen für das Jahr 1865 zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.“224 Da zu dem Antrag auf Annahme des Etatentwurfs nichts Neues zu sagen war, verteidigte Graf Arnim in seiner relativ kurzen Rede nur die beantragte Resolution, deren (zweifelhafter) Verfassungsmäßigkeit er die patriotische Aussage entgegenstellte: „Ich hoffe, daß wenn der Ausspruch fiat justitia, pereat mundus sehr oft seine großen Bedenken und Zweifel erregt hat, die Krone den Satz befolgen möge: fiat justitia ne pereat Borussia!“225 Daraufhin wurde die beantragte Resolution von einer (nicht quantifizierten) Mehrheit angenommen226, und bereits am folgenden Tage wurde der Landtag geschlossen. Diese verfassungsrechtlich äußerst zweifelhafte Entscheidung stellte den Höhepunkt des Verfassungskonfliktes dar. Zugleich sollte es die letzte fruchtlose Debatte über das Budget gewesen sein, denn nach dem preußischen Sieg über Österreich fand der Konflikt, den die Regierung auf Grund der steigenden Steuereinnahmen im Zeichen einer günstigen Wirtschaftslage bis zum Ende ohne Zugeständnisse „auszusitzen“ vermochte227, mit der Indemnitätsvorlage Bismarcks ein versöhnlicheres Ende als es lange Zeit ausgesehen hatte228. Insgesamt hatten die preußischen Konservativen im Herrenhaus den Budgetkonflikt zwischen Regierung und Abgeordnetenhaus geschickt dazu nutzen können, sich der Krone wieder unentbehrlich zu machen. Dabei war Graf Arnim die dominierende Persönlichkeit geworden: Er arbeitete die Anträge und Resolutionen aus und war nicht selten der einzige Redner in der Debatte oder zumindest der einzige entschieden konservative Redner. Insbesondere war er es, der dafür sorgte, daß das Herrenhaus das Abgeordnetenhaus provozierte und immer weiter in seine Verweigerungshaltung hineintrieb. Er hoffte, dadurch die Konservativen der Krone derart unentbehrlich zu machen, daß eine Wiederholung der Reformpolitik der Neuen Ära quasi ausgeschlossen war. Zumindest auf innenpolitischem Gebiet war diese Stra224

Vgl. HH 1865, S. 319–329. Vgl. ebd., S. 325–327. 226 Vgl. ebd., S. 328/29; siehe dazu Parisius, Parteien, S. 71; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 243/44. 227 Vgl. Brodersen, Rechnungsprüfung, S. 104–127; Collani, Finanzgebarung, passim; Dehio, Taktik, passim; ders., Bismarck, passim; Kaminski, Verfassung, S. 89; Kraus, Gerlach, S. 781; Stern, Gold und Eisen, S. 62–75. 228 Vgl. HH 1866/67, Drucksache Nr. 40; die Debatte vom 09.08.1867, an der Arnim aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr teilnahm, in: HH 1866/67, S. 79– 82. 225

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

tegie des Grafen Arnim bis zu seinem (aus gesundheitlichen Gründen erfolgenden) Ausscheiden aus der Politik im Jahre 1866 erfolgreich. Allerdings wurden spätestens ab 1864 die innenpolitischen Fragen zunehmend von der auswärtigen Politik Preußens überlagert. 3. Von Düppel nach Königgrätz (1864–1866) Während also die Innenpolitik stagnierte, brachte die Außenpolitik Bewegung in die festgefahrenen Fronten. Stand noch die dreitägige Debatte vom 26. bis 28. Februar 1863 über die Alvenslebensche Konvention, mit der Preußen während des polnischen Aufstandes demonstrativ auf die Seite Rußlands trat, ganz im Zeichen der Konfrontation229, so sorgte die Krise in Schleswig-Holstein rasch für Bewegung. Sie stand im Zeichen der Wahlen vom 28. Oktober 1863, bei denen die Konservativen zwar die Zahl ihrer Mandate wieder auf 38 erhöhen konnten, deren eindeutiger Gewinner jedoch die Fortschrittspartei (143) und das linke Zentrum (110) waren230. Gekennzeichnet war die außenpolitische Entwicklung durch die Tatsache, daß die Regierung das Parlament unter Verweis auf Art. 48 der Verfassung nicht informierte231, so daß die Abgeordneten auf allgemein zugängliche Informationen und Gerüchte angewiesen waren. Darüber hinaus blieb ihnen lediglich die Möglichkeit, im Zuge der Verabschiedung einer Resolution über außenpolitische Fragen zu debattieren232. Nach der vorläufigen Lösung der Schleswig-Holstein-Frage im Jahre 1852 und der dänischen Thronfolgeregelung von 1853 wurden seitens der Dänen verschiedene Versuche zur Eingliederung Schleswigs in den dänischen Staat unternommen, doch erst auf Grund des Patents vom 30. März 1863 verschärfte sich die Krise233, die im November ausbrach: Am 13. No229 Vgl. AH 1863, S. 327–419; siehe dazu bes. Goldschmidt, Aufstand, passim; außerdem Dehio, Taktik, S. 309–314; Gall, Bismarck, S. 282; Kaminski, Verfassung, S. 91; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 155–165; Pflanze, Bismarck I, S. 207– 209. Zuvor war es schon am 16.02.1863 zu einer heftigen Debatte im Abgeordnetenhaus gekommen, als Bismarck sich weigerte, auf eine Interpellation zu antworten; vgl. AH 1863, S. 255–265. Im März und im Mai fanden dann zwei weitere Polendebatten im Abgeordnetenhaus statt; vgl. ebd., S. 758–779 und 1068–1081. 230 Vgl. Gall, Bismarck, S. 291; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 201–204; Parisius, Parteien, S. 69. 231 Art 48, Satz 1 lautete: „Der König hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, auch andere Verträge mit fremden Regierungen zu errichten.“ 232 Auf Grund dieser Tatsache ist es nicht notwendig, den Gang der Ereignisse detailliert nachzuzeichnen. Dies ist um so weniger notwendig, als Graf Arnim sich nicht besonders intensiv mit Außenpolitik befaßte, sondern den Schwerpunkt seiner parlamentarischen Tätigkeit in dieser Zeit auf die juristischen und finanzpolitischen Aspekte des Verfassungskonfliktes legte. 233 Vgl. dazu Huber, Verfassungsgeschichte III, S. 460–468.

3. Von Düppel nach Königgrätz (1864–1866)

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vember beschloß der dänische Reichsrat eine neue Verfassung, am 15. starb König Friedrich VII., ohne den Verfassungsentwurf unterschrieben zu haben, am 16. trat Christian IX. die Regierung an und unterschrieb als erste Amtshandlung am 18. den neuen Verfassungsentwurf. Damit vermischte sich das dynastische Problem der dänischen Erbfolge mit der nationalen Frage234, was auch im preußischen Landtag zu heftigen Debatten führte. Im Dezember 1863 gingen wilde Gerüchte um, der Graf wolle mit Hilfe einer Instrumentalisierung der dänischen Frage Ministerpräsident werden, wobei nach Theodor v. Bernhardis Auffassung ein von ihm im Herrenhaus gestellter Antrag „ein Tigersprung nach dem Portefeuille sein“ solle235. Daraufhin entschlossen sich Karl Twesten und einige andere gemäßigte Liberale zu einem ungewöhnlichen Angebot: Diese wollten sich zu der schriftlichen Erklärung bereit finden, die inneren Fragen ruhen zu lassen, wenn der Boitzenburger als Ministerpräsident die schleswig-holsteinische Frage im nationalen Sinne behandeln wolle236. Diese Gerüchte, die wohl auch auf der Vermutung basierten, der Bismarck-Gegner Robert v. d. Goltz von der Wochenblattpartei wolle Arnims Tochter Freda heiraten237, verwundern deshalb, weil der Boitzenburger als bereits gewesener Ministerpräsident des März 1848 wenig Veranlassung dazu hatte, in der Krise Minister eines Königs zu werden, der ihm nach wie vor wegen seines Widerstandes gegen die Grundsteuerreform zürnte238. Und obwohl Graf Arnim nationaler dachte als manch anderer Konservativer239, suchte Arnim in der dänischen Frage den Schulterschluß mit Bismarck. Die Politik Bismarcks zielte zunächst darauf ab, streng legitimistisch zu argumentieren und die nationalen Forderungen zu ignorieren, was bei den europäischen Mächten mit Zufriedenheit registriert wurde, während die oppositionellen Liberalen hellauf empört waren240. Allerdings zeigte sich bald, 234

Vgl. dazu zusammenfassend Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 770–772. 235 „In der Stadt geht das Gerücht, Arnim-Boitzenburg werde als Premier an die Spitze der Geschäfte treten. Dann würde Robert Goltz Minister der auswärtigen Angelegenheiten. (N.B. Ich begreife nun den Antrag, den Arnim-Boitzenburg im Herrenhause stellte: man wolle erklären, daß Preußen durch die Londoner Tractate nicht länger gebunden sei, da Dänemark seinerseits keine der übernommenen Verpflichtungen erfüllt habe –: dieser Antrag sollte ein Tigersprung nach dem Portefeuille sein. Nur der Muth dazu hat im letzten Augenblick dem Grafen versagt.)“ notierte Bernhardi [Tagebücher V, S. 225; siehe auch ebd., S. 188]. 236 Vgl. Dehio, Taktik, S. 327/28. 237 Vgl. Bismarcks Brief vom 02.05./20.04.1862 an Bernstorff. In: Bismarck, Gesammelte Werke III, S. 361. Freda v. Arnim (1842–1916) heiratete dann allerdings 1870 Theodor v. Bethmann-Hollweg. 238 Vgl. dazu Kap. V.1.a) und V.2.a). 239 Vgl. dazu auch Kap. I.4.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

daß in dieser Frage im konservativen Lager keine Einigkeit herrschte241. Während Ludwig v. Gerlach in der Kreuzzeitung unter dem Titel „1848 und 1863“ vor einem Wiederaufleben der Revolution durch das Aufgreifen der nationalen Frage warnte und damit ein Vorgehen gegen Dänemark ablehnte242, formulierte Graf Arnim, der sich bereits sehr früh in dieser Frage engagierte243, zusammen mit Hans v. Kleist-Retzow einen Adreßentwurf244, den er mit Bismarck absprach245. Dieser Entwurf stellte eine Reaktion auf die Adresse des Abgeordnetenhauses dar, worin der Schutz der Rechte der Schleswig-Holsteiner und die Anerkennung des Thronanspruchs des Herzogs v. Augustenburg gefordert wurden246. Darin wurde das Vorgehen der dänischen Regierung als „Nichterfüllung der Voraussetzung, unter welcher Preußen dem Londoner Vertrage beigetreten ist“, bezeichnet, weshalb die preußische Regierung „im Vereine mit Österreich, welches nicht hinter Preußen zurückbleiben kann und wird, und mit den übrigen deutschen Staaten“ weitere Maßnahmen einzuleiten habe247. Das Herrenhaus werde außerdem seine „Pflicht“ tun und die dazu nötigen Mittel bewilligen. Am 21. Dezember wurde über diesen Antrag debattiert, der auf einen demonstrativen Schulterschluß des Herrenhauses mit der Regierung zielte248. Graf Arnim betonte bei seiner Motivierung der Adresse darum, daß der Landtag mit gutem, patriotischem, preußischem Gewissen der Krone in der Krise die nötigen Mittel nicht verweigern dürfe249. Er schloß 240

Vgl. Gall, Bismarck, S. 296–300. Vgl. Kraus, Gerlach, S. 775/76. 242 Vgl. ebd. 243 Vgl. Nachlaß, Nr. 4125 und Nr. 4146. Unter anderem informierte er sich mit Hilfe von Maacks Broschüre „Kurzer Abriß des Schleswigholsteinischen Staatsrechts geschichtlich nachgewiesen.“ [Hamburg 1863]: Ein mit zahlreichen Bleistiftstrichen versehenes Exemplar befindet sich in: Nachlaß Nr. 4144, Bll. 1–14. 244 Vgl. Arnims Brief an Kleist (Konzept). In: Nachlaß Nr. 4144, Bl. 17, in dem Arnim Kleist um eine Unterredung bat, der dieser zustimmte. Entwürfe der Adresse ebd., Bll. 30–36; ein Adreßentwurf Arnims in: Nachlaß Nr. 4040, Bll. 1–6; siehe zu dieser Frage auch Arnims Ausarbeitung in: Nachlaß Nr. 4044, Bll. 1–17. 245 Vgl. das undatierte Schreiben Bismarcks in: Nachlaß Nr. 4144, Bl. 18; Handschreiben Wilhelms I. ebd., Bll. 21 + 22; Antwort Arnims ebd., Bll. 23–27 (drei Entwürfe). 246 Vgl. dazu AH 1863/64, Drucksache Nr. 11; vgl. dazu Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 211–213. 247 HH 1863/64, Drucksache Nr. 14; auch in: Nachlaß, Nr. 4144, Bll. 43–52. Damit stellte sich Arnim (wie Bismarck) auf den Boden des bei den Liberalen verhaßten Londoner Protokolls von 1852, und zwar in der Absicht, der Regierung in dieser Frage Rückendeckung zu geben; vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 217. 248 Vgl. HH 1863/64, S. 64–85. 249 Arnim bezeichnete es als unfaßbar, „daß der König von Preußen, wenn er zur That schreitet und es sich darum handelt, daß Deutsche Truppen zum ersten Male gemeinsam in Holstein und möglichenfalls auch Schleswig stehen sollen, das 241

3. Von Düppel nach Königgrätz (1864–1866)

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mit den Worten: „Niemand stelle sich über die Parteien, aber Jeder das Vaterland höher als seine Partei.“ Indem er Budgetfragen und nicht nationale Interessen in den Vordergrund stellte, beließ Arnim die Auseinandersetzung ganz in das Zeichen des Verfassungskonflikts. Deshalb ging er auch ausführlich auf die Rechtsfrage und nicht auf die nationale Frage ein. Obwohl sich in der Debatte auch Widerspruch gegen die Politik des Ministeriums zu regen begann250, wurde die Adresse schließlich fast einstimmig verabschiedet251. Damit unterstützte das Herrenhaus die Regierung Bismarck, die sich in der Frage der Anerkennung des Augustenburger Thronkandidaten in arger Bedrängnis sah252. Insofern war Bernhardis Vermutung, Graf Arnim wolle an die Stelle Bismarcks treten, aus der Luft gegriffen. Vielmehr erleichterte die Rückendeckung des Herrenhauses es Bismarck, unter Berufung auf das Londoner Protokoll den Ausbruch des Krieges am 16. Januar 1864 herbeizuführen, ohne die europäischen Großmächte (insbesondere England) zu verärgern253. Diese Politik wurde von Arnim allerdings (trotz seines recht guten Verhältnisses zu Bismarck) nicht gebilligt, da sie Arnim zu wenig national war254. Wenig später wurde der Landtag am 25. Januar 1864 vertagt, nachdem das Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit der Regierung die Bewilligung einer Anleihe zur Finanzierung des Krieges verweigert und zudem beschlossen hatte, die Ausgabe öffentlicher Mittel sei ohne parlamentarische Bewilligung verfassungswidrig255. Bereits zu diesem frühen nöthige Geld nicht erhalten kann, daß, während die Söhne des Vaterlands bereit und auf dem Wege sind, ihr Blut einzusetzen, die Landesvertretung das Geld dazu verweigert.“ [HH 1863/64, S. 67; Rede ebd., S. 65–67; auch in Nachlaß Nr. 4144, Bll. 56 + 57; Manuskript der Rede ebd., Bll. 58 + 59] 250 Vgl. Löwenthal, Verfassungskampf, S. 206; vgl. zum Konflikt Bismarcks mir Robert v. d. Goltz in der Frage der Unterstützung des Augustenburger Kandidaten Gall, Bismarck, S. 304–307; Löwenthal, Verfassungskampf, S. 215. 251 HH 1863/64, S. 85; vgl. Kraus, Gerlach, S. 776–778. 252 Selbst der König befürwortete die Thronbesteigung des liberalen Herzogs v. Augustenburg in Schleswig-Holstein; vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 214. 253 Vgl. u. a. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 771/72; Wehler, Gesellschaftsgeschichte III, S. 283–285. 254 Vgl. Arnims undatierten Brief an seine Tochter Marie, die Gattin des Diplomaten Karl Friedrich v. Savigny. In: Savigny, Briefe, S. 822/23, in dem es hieß: „In dieser Beziehung teile ich Dir eine Äußerung Eures Chefs mit, welcher, obgleich er weiß, daß ich die von ihm eingeschlagene Politik in der schleswig-holsteinischen Sache aufs tiefste beklage, übrigens in sehr freundlichem Verhältnis zu mir steht und vor einigen Tagen (Sonntag) mit mir auf einem ganz kleinen diner à huit personnes war. . . .“ Welcher Art die Gegensätze im Denken Arnims und Bismarcks waren, zeigt Arnims Brief vom 08.02.1864 an Karl Friedrich v. Savigny, in dem er bedauerte, daß der Feldzug nicht zu einem weitergehenden „Anspruch auf Entschädigung für Deutschland gesteigert worden“ sei; vgl. ebd., S. 824/25. 255 Vgl. Gall, Bismarck, S. 303; Pflanze, Bismarck I, S. 273/74.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

Zeitpunkt war deutlich, daß die Konservativen und besonders die Regierung Bismarck die Schleswig-Holstein-Frage dazu nutzen konnten, die Liberalen in die Defensive zu drängen. Der erste Höhepunkt des Krieges war die Erstürmung der Düppeler Schanzen am 18. April 1864, die aber noch relativ reserviert aufgenommen wurde256. Mißmut entstand im liberalen Lager vor allem durch das „Auftreten der feudalen Partei, welche mit großem Geräusche den Fall des dänischen als ersten Schritt zur Erstürmung des inneren Düppel begrüßte.“257 Bereits am 3. Februar 1864 hatte Bismarck die Vereinigung SchleswigHolsteins mit Preußen als Kriegsziel ins Auge gefaßt258. Als jedoch nach dem Fall Düppels in London eine internationale Konferenz eröffnet wurde, auf der am 9. Mai ein zeitweiliger Waffenstillstand vereinbart wurde259, war es nicht so einfach, die preußischen Wünsche durchzusetzen, da es als sicher gelten konnte, daß England sich ihnen widersetzen würde. Bismarcks erstes Verhandlungsziel war darum zunächst nur die Loslösung der Elbherzogtümer von Dänemark260. Deshalb setzte Graf Arnim-Boitzenburg am 11. Mai eine Adresse an den König in Umlauf, die er zuvor mit Bismarck abgesprochen hatte261. In ihr wurde die vollständige Trennung SchleswigHolsteins von Dänemark gefordert, sei es als selbständiger Staat unter Preußens Schutz, sei es als Teil des preußischen Staates selbst262. Bismarck sah mit Freude auf die von ihm initiierte Bewegung, welche der Konferenz im256 „In Preußen blieb noch bei der großen Mehrheit des Volkes der Zorn über den verfassungswidrigen Zustand und die budgetlose Verwaltung lebendig und verdarb das Gefühl für die glänzende Waffentat.“ urteilte Sybel, Begründung II, S. 182. 257 Sybel, Begründung II, S. 183; vgl. Engels, Militärfrage, S. 25. 258 Vgl. Gall, Bismarck, S. 302. 259 Vgl. Sybel, Begründung II, S. 190–194. 260 Vgl. Bismarcks Brief vom 16.05.1864 an Alexander v. Below-Hohendorf. In: Bismarck, Gesammelte Werke XIV/2, S. 666; siehe außerdem Gall, Bismarck, S. 309; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 227/28. 261 Vgl. Bismarcks Brief vom 06.05.1864 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4011, Bl. 16; außerdem Ibbeken, Auswärtige Politik IV, S. 113/14, 121/22, 168–171. 262 „Wir halten die Trennung des deutschen Schleswigs und Holsteins von Dänemark und ihre Vereinigung zu einem Ganzen, – sei es unter einem eigenen Landesherrn und dem wirksamen Schutz eines mächtigen deutschen Staates, sei es als ein Teil dieses letzteren, – für die einzige Lösung, welche die Opfer lohnt, die wir gebracht, welche Dauer des Friedens und Wohlbefinden für die Betheiligten verspricht.“ hieß es in der Adresse; Text in: Nachlaß Nr. 4147, Bll. 10–15; auch in NPZ Nr. 110, Fr. 13.05.1864, S. 2; vgl. dazu Bernhardi, Tagebücher VI, S. 109, 113; Hahn, Bismarck I, S. 229–231; Sybel, Begründung II, S. 194; siehe außerdem Gall, Bismarck, S. 309; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 228; Petersdorff, KleistRetzow, S. 364/65; Pflanze, Bismarck I, S. 276/77; Ritter, Die preußischen Konservativen, S. 106–108; Srbik, Deutsche Einheit IV, S. 149–151.

3. Von Düppel nach Königgrätz (1864–1866)

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ponieren und Österreich vorwärtsdrängen sollte263. Die Adresse, die in kurzer Zeit mehr als 70.000 Unterschriften erhielt264, war die erste bedeutende öffentliche Stimme, die sich gegen die Ansprüche des Augustenburgers wandte, dem gegenüber die Kreuzzeitung zunehmend kritischer wurde265. Sie erregte vor allem deshalb großes Aufsehen, weil sie von einem Führer der konservativen „Reaktion“ stammte und absichtlich nur unter Konservativen und gemäßigten Liberalen verbreitet wurde266. Allerdings war die Adresse im konservativen Lager selbst alles andere als unumstritten267. Bismarck brachte in der Folgezeit die Arnimsche Adresse mehrfach als politisches Argument in seine diplomatischen Verhandlungen ein268, auch wenn der sofortige Nutzen gering war. Allerdings war es für Bismarck bereits ein diplomatischer Erfolg, daß die Londoner Konferenz am 25. Juni ergebnislos endete, denn damit war ein Eingreifen der Großmächte verhindert worden, das seine Pläne mit Sicherheit vereitelt hätte. So aber gingen die Kampfhandlungen weiter und nach der Erstürmung der Insel Alsen, welche die Möglichkeit einer Besetzung ganz Dänemarks und damit eines Siegfriedens eröffnete, trat Dänemark am 30. Oktober die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich ab269. Nach dem Ende des Dänischen Krieges und der Wiedereröffnung des Landtages am 14. Januar 1865 fand am 21. Januar im Herrenhaus eine weitere Adreßdebatte mit außenpolitischem Inhalt auf der Grundlage eines „Antrages Arnim-Boitzenburg-Brüggemann-Below“ statt270. In der Debatte forderte Graf Arnim das Herrenhaus dazu auf, es möge der Regierung seine „volle Anerkennung“ ausdrücken, „für das, was sie gethan hat.“271. Im Vorjahr habe Preußen in einer schwierigen Situation gestanden: „Wir standen vor der Alternative eines Europäischen Krieges und der Nichterfüllung einer uns obliegenden Ehrenpflicht.“ Die Regierung aber habe es vermocht, 263 Bismarck, so Sybel, Begründung II, S. 195, „sah mit Freude auf die Bewegung, welche, wie er hoffte, der Konferenz imponieren und Österreich vorwärtsdrängen mußte.“ 264 Vgl. Ritter, Die Preußischen Konservativen, S. 107, Anm. 35; ebenso Gall, Bismarck, S. 309; Sybel, Begründung II, S. 194, sprach von 30.000 Unterschriften. 265 Vgl. Ritter, Die preußischen Konservativen, S. 107, Anm. 36. 266 Begleitschreiben zu verteilten Adreßentwürfen mit 15 Unterschriften. In: Nachlaß Nr. 4147, Bl. 25; Verteilerlisten ebd., Bll. 48–71; vgl. dazu auch Ritter, Die preußischen Konservativen, S. 197. 267 Vgl. Kap. V.4. 268 Vgl. seine Erlasse vom 21.05.1864 und 22.05.1865. In: Bismarck, Gesammelte Werke IV, S. 437 und V, S. 197. 269 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 772/73. 270 Vgl. den Adreßentwurf in: HH 1865, Drucksache Nr. 7; Debatte in HH 1865, S. 21–32; vgl. Ritter, die preußischen Konservativen, S. 126/27. 271 HH 1865, S. 22/23; dort auch die folgenden Zitate.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

„zwischen beiden Klippen mit Ehre und herrlichem Erfolg durchzusteuern.“ Nach kurzer Debatte wurde die Adresse mit der großen Mehrheit von 86 gegen 6 Stimmen verabschiedet272. Erneut hatte Graf Arnim eine eindrucksvolle Unterstützung der Regierungspolitik durch das Herrenhaus herbeiführen können. Und auch als Bismarck sich mit Österreich nicht über die zukünftige Verwaltung Schleswig-Holsteins einigen konnte, so daß es im Frühsommer 1865 zur Krise kam273, beantragten Arnim und Alexander v. Below am 16. Juni 1865 eine Adresse zur Unterstützung der Regierung274, die er mit den Worten verteidigte: „Beide Mächte müssen das Wachsen und das Gedeihen der anderen in vollem Maße unterstützen, sofern dies Wachsen und Gedeihen nicht auf Kosten des eigenen Landes stattfinden soll.“275 In dieser Adresse, die mit großer Mehrheit angenommen wurde276, fand Arnim eine vermittelnde Formel zwischen denjenigen Konservativen, denen das gute Verhältnis mit Österreich am wichtigsten war, und den Befürwortern einer preußischen Machtpolitik. Die Verknüpfung der Verhandlungen zwischen Preußen und Österreich über die endgültige Lösung des Provisoriums in Schleswig-Holstein mit der Frage einer Reform des Deutschen Bundes führte im Juni 1866 zur Konfrontation zwischen Preußen und Österreich. Am 14. Juni erklärte Preußen den Bund für erloschen, was zum Kriegsausbruch führte277. Graf Arnim, der noch in der kurzen, ergebnisarmen Session vom 15. Januar bis zum 23. Februar im Landtag gesessen hatte, war im Laufe des Jahres zwar erkrankt, nahm daran aber trotzdem seinen Anteil. In einem Schreiben an den König, dessen krakelig geschriebenes Konzept ein Indiz dafür ist, daß es dem Grafen in der Tat sehr schlecht ging und er sich nicht mit einer vorgeblichen Unpäßlichkeit um eine Stellungnahme in der Krise um „Krieg und Bundesreform“278 herumdrückte, wünschte er Wilhelm I., Gott möge in dem 272

Ebd., S. 31/32. Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 774–778. Im Kronrat vom 29.05.1865 hatte Bismarck die Annexion Schleswig-Holsteins als Ziel bezeichnet, das notfalls auch durch Krieg mit Österreich erreicht werden solle; vgl. Gall, Bismarck, S. 327. 274 Vgl. HH 1865, S. 315–319; die kurze Debatte wurde am 16.06.1865 im Rahmen der Budgetdebatten im Anschluß an die Debatte über die Marineanleihe geführt; vgl. Kap. V.2.c). 275 HH 1865, S. 318 (Schlußrede); vgl. auch Arnims Rede zu Beginn der Debatte ebd., S. 315/16. 276 Ebd., S. 319. 277 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 781–785; sie auch ausf. Sybel, Begründung II, S. 459–523. 278 Vgl. zur Opposition Ludwig v. Gerlachs gegen Bismarcks Politik, die in dem Kreuzzeitungsartikel „Krieg und Bundesreform“ gipfelte, ausf. Kraus, Gerlach, S. 794–810. 273

3. Von Düppel nach Königgrätz (1864–1866)

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Kriege gegen Österreich für Preußen alles zum Besten richten279. Die Bitte des Grafen Arnim ging in Erfüllung. Nach den Landtagswahlen vom 3. Juli 1866, die auf Grund einer weiteren Auflösung des Abgeordnetenhauses notwendig geworden waren und die mit einem großen konservativen Sieg geendet hatten280, wurde der neue Landtag am 5. August eröffnet. Graf Arnim war nicht anwesend. Seine Gesundheit hatte sich derart verschlechtert, daß sie ihn seitdem daran hinderte, sein Herrenhausmandat wahrzunehmen281, obwohl Graf Eulenburg ihn dazu aufforderte282. Von Boitzenburg aus konnte er lediglich aus der Ferne beobachten, wie Bismarck im Anschluß an den siegreichen Krieg den Verfassungskonflikt mit Hilfe seiner „Indemnitätsvorlage“ in seinem Sinne beendete, was auch zur Spaltung der Konservativen führte283, und außerdem mit der Gründung des Norddeutschen Bundes den Grundstein der kleindeutschen Reichsgründung legte284. Damit verzichtete Bismarck trotz seiner außenpolitischen Erfolge und trotz des konservativen Wahlerfolges darauf, den Verfassungskonflikt siegreich zu beenden. Statt dessen schloß er einen Kompromiß mit den gemäßigten Liberalen, dem sich die gemäßigten Konservativen anschlossen285. Während er an der Politik bereits keinen Anteil mehr nahm, kümmerte sich Graf Arnim bis zuletzt um seine Güter286. Am 8. Januar 1868 starb er auf seinem Schloß Boitzenburg im Alter von nur 64 Jahren. Da sich die preußischen Konservativen seit dem Jahre 1866 in einem grundlegenden Wandlungsprozeß befanden, hinterließ Arnim kein „bestelltes Haus“. Vielmehr geriet er auch deshalb bald in Vergessenheit, weil sein Wirken noch in der „alten Zeit“ vor der Reichsgründung gelegen hatte. Außerdem hatten sich Arnims Auffassungen im Verfassungskonflikt auf Grund des Bismarckschen Kompromisses mit den Liberalen letzten Endes doch nicht durchgesetzt. Und schließlich waren die letzten Jahre seines parlamentarischen Wirkens eine Krisenzeit für die Konservativen gewesen, an die sie sich später nicht allzu gerne zurückerinnerten. 279

Nachlaß Nr. 4247, Bl. 5. Vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 274; Sybel, Begründung III, S. 11. 281 Der Graf wurde im Register als entschuldigt geführt; vgl. HH 1866, S. 5. Seinem Freund Klützow teilte Arnim mit: „Mein Gesundheitszustand ist derart, daß mein baldiges Ableben zu erwarten ist.“ [Nachlaß Nr. 4247, Bll. 3 + 4; siehe auch Kielmannsegges Schreiben vom 15.06.1867 an Arnim ebd., Bll. 1 + 2] 282 Vgl. Nachlaß Nr. 4127, Bll. 1–3. 283 Vgl. Pflanze, Bismarck I, S. 341–343; siehe auch Kap. V.4.c). 284 Vgl. dazu ausf. Engelberg, Bismarck I, S. 621–640; Gall, Bismarck, S. 373– 455; Pflanze, Bismarck I, S. 332–343; siehe auch Keinemann, Vom Krummstab, S. 296–303. 285 Vgl. Kap. V.4.c). 286 Vgl. Nachlaß Nr. 4247, Bll. 6 + 7. 280

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

4. Die Krise der Konservativen (1858–1866) Wie bereits erwähnt, waren die „Neue Ära“ und der Verfassungskonflikt von der Tatsache geprägt, daß die Konservativen, die in der Reaktionszeit den Landtag dominiert hatten287, im Abgeordnetenhaus hoffnungslos in die Minderheit gerieten und darum auf ihre Bastion im Herrenhaus zurückgeworfen wurden288. Außerdem gerieten sie in Opposition zur neuen Regierung289. Da zum Herrenhaus keine Wahlen stattfanden, die Abgeordnetenhausfraktionen fast vollständig zerfallen waren und der Behördenapparat den Konservativen nicht mehr zur Verfügung stand, besaßen die Konservativen nach der Wende von 1858 keine funktionierenden Parteistrukturen mehr, weshalb sie in hohem Maße auf maßgebende Großgrundbesitzer wie den Grafen Arnim angewiesen waren290. Es muß allerdings betont werden, daß der Beginn der konservativen Parteikrise nicht erst 1858 lag, sondern daß diese sich bereits in den Jahren zuvor entwickelt hatte291. Die Krise wurde dann allerdings durch den Regierungswechsel und die Wahlniederlage der Konservativen außerordentlich verschärft. a) Die Konservativen in der Opposition (1858–1862) Graf Arnim wechselte in dieser Zeit (trotz seiner gemäßigten Anschauung) ebenfalls in die Opposition, obwohl ihm Prinz Wilhelm den Eintritt in das neue Ministerium anbot292, da er nicht mit Rudolf v. Auerswald zusammenarbeiten wollte293, mit dessen Bruder Alfred er im März 1848 mehr schlecht als recht zusammengearbeitet hatte294. Dadurch ergab sich die paradoxe Situation, daß die Staatskonservativen, an und für sich die loyalsten Stützen der Krone, in die Opposition gingen. Im Programm der „Fraktion 287

Vgl. Kap. IV.4. Vgl. Kap. V.1. Statt 181 Mandaten verfügten die Konservativen ab 1858 nur noch über 47; sie verteilten sich auf die Fraktionen Blanckenburgs und Pücklers; vgl. Parisius, Parteien, S. 36. 289 Vgl. dazu u. a. Gerlach, Ministerwechsel, passim; Helfert, Liberalismus, S. 41– 47. 290 Vgl. auch Nipperdey, Organisation, S. 286/87 und 302. 291 Vgl. dazu Kap. IV.4.; siehe auch Schildt, Konservatismus, S. 83. 292 Julia v. Savigny erwähnte am 13.12.1858 Arnims Tochter Marie v. Savigny gegenüber das Gerücht, „demzufolge Graf v. Arnim-Boitzenburg im Begriff war, ein neues Ministerium zu bilden“ [Savigny, Briefe, Anm. 1]. 293 Vgl. Leopold v. Gerlach, Denkwürdigkeiten II, S. 638. Rudolf v. Auerswald war von 1858 bis 1862 zwar offiziell nur Minister ohne Portefeuille im Ministerium Hohenzollern-Sigmaringen, jedoch der „starke Mann“ im Kabinett und de facto Ministerpräsident und nicht der als Galionsfigur fungierende Hohenzoller. 294 Vgl. Kap. III.1.c). 288

4. Die Krise der Konservativen (1858–1866)

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Arnim“ im Herrenhaus wurde darum das „Festhalten an den Errungenschaften des abgetretenen Ministeriums“ als Hauptaufgabe bezeichnet 295. Auf Grund der Schwäche im Abgeordnetenhaus und mangels konservativer Minister mußte der konservativen Herrenhausfraktion innerhalb des konservativen Lagers naturgemäß eine besonders einflußreichere Rolle zufallen296, was eine Konzentration der geschlagenen konservativen Kräfte im Herrenhaus erleichterte: Die „Fraktion Arnim“ fusionierte mit der „Fraktion Gaffron-Itzenplitz“, einem lockeren Zusammenschluß von überwiegend dem Landadel angehörenden Herren, unter Führung des Boitzenburgers297, was Prinz Wilhelm als Widerstand gegen seine politische Neuorientierung auffaßte, wogegen sich Arnim mit dem Argument verwahrte, die beiden Fraktionen hätten bereits 1855 und 1856 eng zusammengearbeitet298. Durch den Zusammenschluß stieg Arnim aber zum eigentlichen Gegenspieler des Ministeriums der Neuen Ära und des Abgeordnetenhauses auf299, so daß die Befürchtungen des Prinzen Wilhelm nicht ganz aus der Luft gegriffen waren. Zwar blieb die altkonservative Fraktion um Stahl und den Landrat v. Plötz selbständig, doch gab sich auch der aus dem Landtag ausgeschiedene Ludwig v. Gerlach eher zurückhaltend und selbstkritisch statt kämpferisch, da er sich der eigenen Einflußlosigkeit durchaus bewußt war300. Dies lag auch daran, daß den Altkonservativen zunächst eine starke Führungspersönlichkeit im Landtag fehlte, weshalb auch sie auf Arnims Führungsqualitäten hofften301. Auch Leopold v. Gerlach bezeichnete das Auftreten Arnims im Landtag als „vortrefflich“302, und im März 1859 brachte er sogar mit seiner Forderung, langfristig konservative Ministerkandidaten vorzubereiten, mehrmals den Namen Arnim ins Gespräch303. Offenbar waren die Altkon295

KZ Nr. 27, Do. 27.01.1859, S. 3; vgl. dazu Arnims Manuskript. In: Nachlaß Nr. 4122, Bll. 25 + 26. 296 Mitgliederverzeichnis des Herrenhauses von 1861. In: Nachlaß Nr. 4122. 297 Vgl. Itzenplitz Brief vom 13.01.1859. In: Nachlaß Nr. 4062, Bl. 3; Gaffrons Brief vom 03.01.1860 an Arnim ebd., Bl. 5; siehe auch Pyta, Grundsteuerreform, S. 210. 298 Vgl. dazu Arnims Brief vom 18.01.1859 an den Prinzen Wilhelm. In: GStAPK BPH Rep. 51 J Nr. 16, Bll. 13–19; gnädiges Handschreiben des Prinzen vom 20.01.1859 ebd., Bll. 20–23; siehe auch Helfert, Liberalismus, S. 26. 299 Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 194 und 210; anders Dittmer, Beamtenkonservativismus, S. 268, Anm. 105. 300 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 225; ders., Tagebuch, S. 403, ders., Briefwechsel, S. 990; siehe dazu Kraus, Gerlach, S. 703–705. 301 Vgl. Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 406. 302 Diese Vokabel verwendete er gleich zweimal; vgl. Leopold v. Gerlachs Briefe vom 7. und 13. Januar 1859 an seinen Bruder. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 974 und 978.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

servativen in der Krise auch dazu bereit, den Grafen Arnim als Minister bzw. als konservative Führungspersönlichkeit zu akzeptieren. Erleichtert wurde diese Entscheidung auch dadurch, daß die Sozialkonservativen um Hermann Wagener, die „Berliner Revue“ und das neugegründete „Preußische Volksblatt“ den Dialog mit der Regierung suchten, statt sich der konservativen Opposition anzuschließen304. Die Führungsrolle des Grafen Arnim äußerte sich auch darin, daß der Boitzenburger während des Krieges in Italien auch in der Außenpolitik das Wort ergriff305, während ihn bisher außenpolitische Fragen nur wenig interessiert hatten306. Allerdings kam in den Diskussionen über den italienischen Einigungskrieg die tiefen Spaltungen innerhalb des konservativen Lagers deutlich zum Vorschein, die den endgültigen Bruch auf Grund der nationalen Frage 1866 bereits vorausahnen ließen: Bismarck, Wagener und Stahl stellten sich hinter die Linie der Regierung, während die Gerlachs offen für einen Kriegseintritt an der Seite Österreichs eintraten307. Es sollte sich allerdings um den letzten großen Streit im altkonservativen Lager handeln, das in der Folgezeit durch eine Reihe von Todesfällen dezimiert wurde: Nacheinander starben 1859 Karl Otto v. Raumer, 1860 Marcus v. Niebuhr und 1861 Leopold v. Gerlach, Friedrich Julius Stahl, General v. Thile, Karl Friedrich Göschel sowie Friedrich Carl v. Savigny. Diese Folge von Todesfällen markierte das unwiderrufliche Ende der Ära Friedrich Wilhelms IV., der im Januar 1861 verstarb. In der Grundsteuerfrage entzündete sich zunächst ein Konflikt der Konservativen mit der Regierung. Graf Arnim begründete den Widerstand mit der Behauptung, die Grundsteuerreform habe eine große Vermögensverschiebung zu Lasten der altpreußischen Grundbesitzer zur Folge308. Allerdings zeigten die Abstimmungen in der Grundsteuerfrage im Frühjahr 1860, in der die Mehrheit gegen sein ausdrückliches Votum stimmte309, daß Graf Arnim im konservativen Lager nicht als Parteiführer, sondern nur als Wort303 Vgl. Leopold v. Gerlachs Briefe vom 12.03., 30.03. und 16.04.1859 an Ludwig. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 992, 1000 und 1003. Daß Arnim als Minister langfristig im Gespräch blieb, zeigen auch Blanckenburgs Brief vom 18.06.1859 [Ebd., S. 1012] sowie Leopold v. Gerlachs Briefe vom 23.06. und 08.07.1859 [Ebd., S. 1014 und 1017]. Siehe dazu auch Spenkuch, Herrenhaus, S. 60. 304 „Programm zu einer Volkszeitung“. In: Nachlaß Nr. 4117, Bll. 12 + 13; vgl. dazu Hahn, Berliner Revue, S. 76–87. 305 Vgl. zu dessen Interpellation den Bericht des badischen Gesandten Roggenbach vom 03.03.1859. In: Oncken, Großherzog Friedrich I, S. 83–86. 306 Nicht zufällig hatte Arnim im März 1848 das ihm übertragene Außenministerium kommissarisch von seinem Vorgänger leiten lassen; vgl. Kap. III.1.b). 307 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 708. 308 Vgl. Pyta, Regierungspolitik, S. 194. 309 Vgl. Kap. V.1.a).

4. Die Krise der Konservativen (1858–1866)

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führer fungierte, denn offenbar gelang es ihm nicht, das Abstimmungsverhalten seiner Anhänger zu beeinflussen. Außerdem hatte sich der Graf nicht unbedingt in die Führungsrolle hineingedrängt. Schon auf Grund seiner schwachen Gesundheit lag ihm jeder politische Ehrgeiz fern. Insofern war er eher ein „Oppositionsführer wider Willen“310 denn ein ehrgeiziger Streber. Nicht zuletzt war der Graf auch kein „Ultra“. Vielmehr erklärte er am 16. März 1861 in einer persönlichen Bemerkung: „Die Herren Minister nehmen das Recht in Anspruch, daß sie konservative Männer seien; ich mache vollständig den Anspruch und habe die Ueberzeugung und das Streben, ein liberaler Mann zu sein.“311 Die Konservativen gerieten nun in zunehmenden Konflikt mit Wilhelm, der seit dem Tode seines Bruders am 2. Januar 1861 preußischer König war und der das Verhalten der Konservativen im Herrenhaus als Ungehorsam ansah. Besonders Graf Arnim bekam dies zu spüren312. Deshalb versuchte er, sich am 29. März in einem Brief an Prinz Wilhelm zu rechtfertigen313. Daraufhin wurde Graf Arnim von Wilhelm am 31. März „mit scharfen Worten abgekanzelt“314. Außerdem ermächtigte der verärgerte Regent Rudolf v. Auerswald explizit, „kleine Indiscretionen zu begehen“, so daß der Vorfall an die Öffentlichkeit geriet315. Neben Arnim traf die Ungnade Wilhelms auch seinen Generaladjutanten Carl von der Groeben, den Fürsten zu Salm-Salm und den Herzog von Arenberg316. Die Folge war, daß das zeitweilig geschlossene konservative Lager wieder auseinanderzubröckeln begann317: Zwar lobte Ludwig v. Gerlach „das Herrenhaus und Stahls, Hans Kleists (und auch Arnims) Tapfer310

Pyta, Grundsteuerreform, S. 225. HH 1861, S. 272. Als daraufhin Heiterkeit aufkam, setzte Arnim hinzu: „Liberalis war ein sehr edler Ausdruck zu seiner Zeit, und ich bedauere, daß er zu einem Parteinamen geworden ist, der sich jetzt dem Namen konservativ entgegenstellt.“ 312 „Gerade der Kopf der ,Opposition‘, Graf Arnim-Boitzenburg, sollte den königlichen Unwillen deutlich zu spüren bekommen. Wilhelm schloß diesen bewährten Streiter für die Rechte der Krone zunächst von der Teilnahme an herausragenden gesellschaftlichen Anlässen wie der königlichen Geburtstagsfeier (22. März) aus – eine Maßnahme, die mit hinreichender Deutlichkeit signalisieren sollte, daß Arnim wegen seiner Haltung in der Grundsteuerreform in Ungnade gefallen war. Bei dieser Gelegenheit sparte der König auch nicht mit herber Kritik am Verhalten Arnims gegenüber der Staatsregierung.“ Pyta, Grundsteuerreform, S. 233. 313 J. Schultze, Briefe, S. 160–165; vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 233. 314 Pyta, Grundsteuerreform, S. 233. 315 Brief Otto Camphausens vom 14.04.1861 an seinen Bruder Ludolf. In: HASt Köln, Best. 1023, L 615; zitiert nach Pyta, Grundsteuerreform, S. 233. 316 Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 234; Helfert, Liberalismus, S. 209. 317 Vgl. zur Situation im Frühjahr 1861 auch Nachlaß, Nr. 4120; außerdem 4126 und 4135–4140. 311

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

keit“318, doch schied Graf Itzenplitz aus Kunersdorf in der Neumark, der zusammen mit dem schlesischen Freiherrn von Gaffron und Arnim seit Jahren die Herrenhausfraktion geführt hatte, im März 1861 wegen der Grundsteuerfrage aus der Fraktion aus319. Er begann anschließend damit, diejenigen Herren an sich zu ziehen, die im Sinne des Königs für eine Grundsteuerreform eintraten320. Nach dem Pairsschub im Herbst 1860 begann sich eine neue gouvernementale Herrenhausfraktion zu formieren, die sich regelmäßig vor wichtigen Sitzungen zu treffen begann321. Die Führung der Fraktion bildeten allerdings drei Hochadlige, der Fürst Hohenlohe-Oehringen, der Herzog von Ratibor und der Fürst zu Fürstenberg322. Es war auffällig, daß sich die Regierungsanhänger vor allem aus dem Hochadel rekrutierten, während der niedere Grundadel fast geschlossen in der Opposition verharrte323. Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, wenn man behauptete, letztere würden allein ihre materiellen Rechte wahren wollen, während erstere dies nicht nötig hätten: „Männern wie Stahl, als bürgerlicher Rechtsprofessor jeder materiellen Vorteilnahme unverdächtig, aber auch von konservativen Grundsätzen getragenen Politikern wie Arnim-Boitzenburg und Kleist-Retzow ging es bei der Grundsteuer nicht um das eifersüchtige Hüten materieller Sonderrechte, sondern um den Erhalt der letzten ständischen Stützpfeiler in der politischen Auseinandersetzung mit dem modernen, liberal geprägten Staat.“324 Neben den Auseinandersetzungen über die Grundsteuerreform kam es im Frühjahr 1861 auch zu Auseinandersetzungen in der konservativen Partei über den Kompromiß in der Heeresreform325. Auf Grund dieser Konflikte umfaßte die Herrenhausfraktion Arnim am Sessionsschluß 1861 nur noch 41 Abgeordnete326. Außerdem machte König Wilhelm den Konservativen ernste Vorwürfe: Dem Grafen Arnim erklärte Wilhelm seine Haltung damit, daß er vor allem eine innere Lähmung Preußens verhindern wolle, die zwangsläufig entstehen müsse, wenn er sich mit dem Liberalen Abgeordnetenhaus überwerfe. Eine Auflösung des Hauses aber ergäbe nicht unbedingt 318

Vgl. Ludwig v. Gerlachs Brief vom 26.01.1861 an Moritz v. Blanckenburg. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1065. 319 Vgl. Itzenplitz’ Brief vom 14.03.1861 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4009, Bl. 7. 320 Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 235. 321 Vgl. NPZ Nr. 60, Di. 12.03.1861 und Nr. 61, Mi. 13.03.1861. 322 Vgl. Pyta, Grundsteuerreform, S. 240. 323 Vgl. NPZ Nr. 110, Di. 14.05.1861, S. 1. 324 Pyta, Grundsteuerreform, S. 240/41; vgl. Kleist-Retzows Herrenhausrede vom 15.03.1861. In: HH 1861/1, S. 228. 325 Vgl. Helfert, Liberalismus, S. 169–173. 326 Nachlaß Nr. 4122, Bl. 1. Dort sind von 42 Namen drei gestrichen und zwei neu hinzugefügt.

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eine günstigere Situation, und eine mehrmalige Auflösung habe zur Folge, „daß der Staat in völlige Lähmung versetzt wird.“327. Diese sei aber unter außenpolitischen Gesichtspunkten alles andere als wünschenswert, sowohl hinsichtlich der Position im Deutschen Bund als auch mit Blick auf die latente französische Bedrohung der linksrheinischen Gebiete328. Der gereiztere Tonfall machte deutlich, daß Wilhelm I. über das Verhalten des Grafen Arnim persönlich schwer gekränkt war329. Während der Krönungsfeierlichkeiten im Oktober 1861, an denen der Boitzenburger teilnahm330, erreichte der Zwist des Grafen Arnim mit dem König seinen Höhepunkt, als dem Grafen nicht nur ausdrücklich ein Ehrenplatz im Festzug verweigert wurde331, sondern dieser auch demonstrativ bei der Ordensvergabe übergangen wurde332: Alle übrigen sieben Landtagsmarschälle erhielten einen Orden, nur der brandenburgische Landtagsmarschall Arnim nicht, und alle Träger der Ersten Klasse des Roten Adlerordens erhielten die neugestiftete höchste Klasse dieses Ordens, nur Graf Arnim nicht, obwohl er der älteste Träger dieses Ordens gewesen war. Angesichts dieser beleidigenden Zurückweisung ist es erstaunlich, daß der Boitzenburger die Haltung bewahrte, bis zum Schluß an den Feierlichkeiten teilnahm und auch danach auf seinem Herrenhausposten ausharrte. Offenbar hielt ihn der Gedanke bei der Fahne, er habe dem preußischen Staat und nicht dem preußischen König zu dienen333. Dieses Zerwürfnis war für die Konservativen um so problematischer, als sie nicht nur innenpolitisch in der Grundsteuerfrage in die Defensive geraten waren. Zusätzlich hatte die Gründung des Preußischen Volksvereins durch Hermann Wagener die Konservativen gespalten, durch den der preußische Konservativismus ein neues organisatorisches Fundament erhalten 327 Vgl. Wilhelms I. Brief vom 31.03.1861 an Arnim. In: Wilhelm I., Briefe II, S. 160–165, hier S. 162/63. 328 Ganz in diesem Sinne äußerte sich Wilhelm auch in einem Schreiben vom 30.04.1861 an Carl von der Groeben; Kaiser Wilhelms Briefe II, S. 166. 329 Vgl. Nachlaß Nr. 4143, Bll. 1–3a; siehe dazu Helfert, Liberalismus, S. 208/ 09. 330 Vgl. zur Krönung Nachlaß Nr. 4142 und Nachlaß Nr. 4143; Bll. 1–27. Das Programm der Feier ebd., Bll. 32–40. 331 Vgl. dazu Nachlaß Nr. 4143, Bll. 10–23. Das Argument, der Boitzenburger habe offiziell kein Amt, das einen Ehrenplatz rechtfertige, war natürlich nur vorgeschoben. 332 Vgl. Arnims Brief vom 05.11.1861 an den Grafen Redern ebd., Bll. 28 + 29; siehe auch Arnims Brief vom 03.11.1861 an Redern. In: Nachlaß Nr. 4067, Bll. 41 + 42. 333 Insofern ist hier besonders gut zu erkennen, daß Arnims Haltung nicht einfach „gouvernemental“ war, sondern eben staatskonservativ: Seine Loyalität galt weniger der konkreten Regierung als vielmehr der monarchischen Staatsgewalt.

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

sollte334, dessen Programm jedoch von führenden Konservativen wie Bismarck, Ludwig v. Gerlach und Heinrich Leo kritisiert wurde335. Und im November 1861 erlitten die Konservativen nach 1858 eine weitere schwere Wahlniederlage : Nur noch 15 Abgeordneten aller (!) Richtungen gelang der Einzug in den Landtag, und, was noch schwerer wog, keiner der Wortführer (Blanckenburg, Ludwig v. Gerlach, Wagener) wurde gewählt336. Gerlach dachte deshalb kurzzeitig an ein „zweites Junkerparlament“337, doch kam dies auch deshalb nicht zustande, weil die Konservativen mit dem Herrenhaus bereits ein derartiges Organ besaßen. Es wurde nun noch stärker zu dem Ort, wo die Konservativen ihre Meinung artikulierten, während sie das Abgeordnetenhaus sowohl mangels Masse als auch mangels Klasse vorerst vernachlässigen konnten. Die Herrenhausfraktion Arnims aber war durch dessen Streit mit dem König auch personell geschwächt: Nach mehreren Austritten bestand sie 1862 nur noch aus 38 Herren338. Im Frühjahr 1862 sorgte dann der Konfrontationskurs des Abgeordnetenhauses dafür, daß die Konservativen langsam zurück ins Regierungslager fanden339. Schon im Februar 1862 stellte Kriegsminister Albrecht v. Roon eine „Allianz des Königs mit den Konservativen und dem Herrenhaus in Aussicht“340, und nach der Auflösung des Abgeordnetenhauses am 11. März wurde mit der Ernennung des gemäßigt konservativen Hohenlohe-Ingel334 Vgl. dazu bes. Wagener, Erlebtes I, S. 76; ders., Nachtrag, S. 38–41; Müller, Volksverein; außerdem Kraus, Gerlach, S. 742/43; dort weitere Literatur; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 59/60. Außerdem sollte durch den Volksverein die soziale Basis des Konservativismus um die unter der liberalen Gewerbefreiheit leidenden Handwerker erweitert und auf die Gründung des Deutschen Nationalvereins und der Deutschen Fortschrittspartei reagiert werden. 335 Ein Exemplar des Programms in: Nachlaß Nr. 4117, Bl. 11; vgl. dazu Blanckenburgs Brief vom 10.03.1861 an Ludwig. v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1075/76; Rothfels, Bismarck-Briefe, S. 281–283; Wagener, Erlebtes I, S. 78–85, siehe auch Herz, Finanzierung, S. 1098; Kraus, Gerlach, S. 743; Meyer, Bismarck, S. 152/53. 336 Vgl. Börner, Voraussetzungen, S. 336; Kraus, Gerlach, S. 753. Außerdem bedeuteten diese Wahlen das Ende der gemäßigt konservativen Wochenblattpartei, die in den Altliberalen aufging; vgl. Börner, Krise, S. 58; Haupts, Regierung, S. 50. Auch das Wochenblatt stellte mit dem 29.06.1861 sein Erscheinen ein; vgl. Behnen, Wochenblatt, S. 101. 337 Ludwig v. Gerlach, Tagebuch, S. 427/28. 338 Vgl. Nachlaß Nr. 4121, Bll. 26 + 27; siehe auch die Austrittserklärungen in: Nachlaß Nr. 4135, Bll. 64 und 68. Zu dieser Zahl ist aber zu beachten, daß 1862 oft weniger als 100 Herren anwesend waren, und am 9. September fiel die Sitzung sogar aus, weil das Herrenhaus mit 52 Anwesenden nicht beschlußfähig war; vgl. Nachlaß Nr. 4121, Bl. 29. 339 Vgl. Kap. V.1.c). 340 Unveröffentlichtes Tagebuch Ludwig v. Gerlachs; zitiert nach Kraus, Gerlach, S. 754.

4. Die Krise der Konservativen (1858–1866)

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fingen zum Ministerpräsidenten die konservative Wende vollzogen341: Zu den Konservativen Roon, Bernstorff und Heydt, der ins Finanzministerium wechselte, kamen mit Innenminister Gustav v. Jagow und Kultusminister Heinrich v. Mühler zwei ausgewiesen konservative Beamte hinzu. Das neue Kabinett reichte deshalb „bis hart an die Kreuzzeitungspartei heran“342. Mit neuen Mut gingen darum die Konservativen in die Wahlen. Schon im Mai veröffentlichte Ludwig v. Gerlach in der Kreuzzeitung den Leitartikel „Ein feindliches Unterhaus“343, in dem er quasi schon die „Lückentheorie“ beschrieb344 und der von den Liberalen heftig kritisiert wurde345. Trotzdem errangen die Konservativen nur zwölf Mandate für das Abgeordnetenhaus und erreichten damit äußerlich einen Tiefpunkt, auch wenn die Wende bereits eingeleitet war. b) Der Verfassungskonflikt und das konservative Herrenhaus Mit der Ernennung Bismarcks zum Ministerpräsidenten und dem Beginn des Verfassungskonfliktes fand Graf Arnim zurück ins gouvernementale Lager. Obwohl sein Verhältnis zu Bismarck zunächst nicht ungetrübt war346, entwickelten die beiden konservativen Größen allmählich ein kooperatives Arbeitsverhältnis, das von zurückhaltender Höflichkeit geprägt war; beide waren Verbündete, standen jedoch in keinem persönlichen Freundschaftsverhältnis347. Auch das Verhältnis des Königs zu den konservativen Herren und insbesondere zum Grafen Arnim war im Januar 1863 weiterhin ge341

Vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 72–75. Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 244. 343 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 757/58. 344 Kraus, Gerlach, S. 758; ders., Ursprung, S. 210/11 und 227–229; gegen Becker, Die angebliche Lücke, S. 257–283. 345 Vgl. u. a. Lasker, Verfassungsgeschichte, S. 360/61. 346 Droysen schrieb am 16.10.1862 an Max Duncker: „Man sagt, Arnim-Boitzenburg beklage sich, daß Bismarck privatim seinen Antrag (den Etat-Entwurf der Regierung anzunehmen, WN) gekannt und gebilligt und dann doch in jenem Schluß (in der Schlußrede im Landtag am 13.10., WN) durch völliges Schweigen desavouiert habe.“ [Droysen, Briefwechsel II, S. 799] 347 Am 29. Januar 1863 schrieb Bismarck z. B. mit der ihm eigenen Höflichkeit an Arnim: „Euer Excellenz würde ich sehr dankbar sein, wenn Sie die Güte haben wollten mir für morgen eine Stunde zu bezeichnen, wo ich die Ehre haben kann Sie zu besuchen, indem ich ergebenst bemerke, daß ich nur zwischen 2 und 4 Uhr dienstlich behindert sein werde. Mit aufrichtiger Verehrung Eurer Excellenz ganz ergebenster v. Bismarck.“ [Nachlaß Nr. 4125, Bl. 25] Auffällig ist, daß Bismarck hier gegenüber dem Grafen, dessen ausgeprägten Sinn für Manieren er kannte, einen besonders formvollendeten Ton anschlug. Vgl. zum Verhältnis der beiden auch die von Moritz Busch überlieferten despektierlichen Äußerungen Bismarcks vom 342

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spannt348: Als für den Boitzenburger das „Großkreuz des roten Adlerordens“, das ihm im Jahre 1861 demonstrativ verweigert worden war, „dringend“ beantragt wurde, lehnte der König den Antrag mit der Begründung ab, dieser habe „mit seinem Antrage B bei der vorjährigen Budgetberatung das Herrenhaus gespalten“349. Auch Ludwig v. Gerlach stand dem Grafen Arnim wieder kritischer gegenüber350. Dagegen wurde Arnims Adresse vom Januar 1863 in der Kreuzzeitung wegen der erreichten Einstimmigkeit gelobt: „Das Herrenhaus hat den Handschuh aufgenommen, welchen ihm das Abgeordnetenhaus hingeschleudert – die Consequenzen dieser Thatsache ergeben sich von selbst.“351. Im Frühjahr 1863 ergriff dann die Regierung Bismarck die Initiative, um die dahinsiechende konservative Partei zu stärken: Nachdem zunächst am 4. Juni 1863 eine Versammlung von Mitgliedern aller konservativen Fraktionen stattgefunden hatte352, wurde am 20. Juni auf einer Konferenz von Regierungsvertretern und Führern konservativer Vereine beschlossen, daß die Regierung die Vereine finanziell unterstützen werde353. Auf Grund dieses Beschlusses wurde dann am 27.10.1863 mit der „Patriotischen Vereinigung“ (neben dem „Volksverein“) ein zweiter konservativer Verein gegründet354. Bei den Wahlen vom Herbst 1863 konnten die Konservativen die Zahl ihrer Mandate mehr als verdreifachen, und, was noch wichtiger war, mit Moritz v. Blanckenburg und Hermann Wagener kamen wieder zwei konservative Führungskräfte ins Abgeordnetenhaus355. Trotzdem bildete das Herrenhaus nach wie vor den Kern der konservativen Partei, was dem Grafen Arnim eine führende Position sicherte356, zumal sein alter Widersacher Ludwig v. Gerlach erneut den Sprung in den Landtag verfehlte357. 12.11.1870. In: Busch, Graf Bismarck I, S. 58 und Busch, Graf Bismarck (1890), S. 296. 348 Vgl. Carl v. Voss’ Brief vom 02.02.1863 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1135. 349 Vgl. Kleist-Retzows Brief vom 28.01.1862 an Ludwig v. Gerlach ebd., S. 1132/33. Der König mißbilligte hier den Antrag Arnims, den Regierungsentwurf für den Etat anzunehmen, wobei offenbar seine Animositäten gegenüber dem „Putscher Arnim“ die Ursache seiner Kritik waren. 350 Vgl. Alexander v. Belows Brief vom 24.11.1863 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1164. 351 Vgl. NPZ Nr. 33, So. 08.02.1863, S. 1; siehe auch Löwenthal, Verfasssungsstreit, S. 147. 352 Vgl. Herz, Finanzierung, S. 1099. 353 Vgl. ebd., S. 1097. Herz bezeichnet diesen Beschluß als „Wende . . . innerhalb der konservativen Bewegung“ (Ebd.). Die daraus resultierenden Zahlungen der Regierung erfolgten bezeichnenderweise nur bis 1866; vgl. ebd., S. 1100. 354 Vgl. ebd., S. 1098. 355 Vgl. dazu Kraus, Gerlach, S. 767–769; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 204; Parisius, Parteien, S. 69; Pflanze, Bismarck I, S. 221.

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Während des Dänischen Krieges sorgte dann die Arnimsche Adresse, mit der er einen weitgehenden Einfluß Preußens in Schleswig-Holstein (bis hin zur Annexion) forderte358, für reichlich Gesprächsstoff359. Diese Adresse erhielt nicht nur in kurzer Zeit mehr als 70.000 Unterschriften360, sondern wurde auch von 67 Mitgliedern des Herrenhauses unterzeichnet 361. Sie war die erste bedeutende öffentliche Stimme, die sich gegen die Ansprüche des Augustenburgers wandte, dem gegenüber die Kreuzzeitung zunehmend kritischer wurde362. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß führende Konservative den Arnimschen Vorstoß kritisch betrachteten363: Below gab Arnim zu bedenken, daß ein rücksichtsloses Vordrängen Preußens gefährlich sein könne364, und auch Kleist-Retzow wies Arnim auf die außenpolitische Gefährdung Preußens hin365. Diese Kritik sah Bismarck nicht einmal ungern, wie er Kleist-Retzow am 16. Mai 1864 mitteilte: „Wenn Du selbst die Adresse nicht zeichnest, so ist mir das in soweit lieber, als jedermann unsre persönlichen und politischen Beziehungen kennt und der ganze Vorteil der Sache verloren geht, wenn sie als Regierungsprodukt auftritt.“366 Diese Zurückhaltung Bismarcks war derart überzeugend, daß der liberale Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha mißbilligend notierte, Bismarck sei „nicht selbständig“, sondern erhalte „seine Direktion von der Hofpartei, an deren Spitze besonders tätig sind: Prinz Karl, Gr. Redern, Gr. Arnim-Boytzenburg.“367 Erst recht entbehrten die Gerüchte, der König habe Arnim im Jahre 1865 zum Nachfolger Bismarcks ernennen wollen, jeder Grundlage368. Sie verdeutlichen allerdings, daß das Verhältnis des Grafen Arnim zum König zumindest in der Öffentlichkeit wiederhergestellt war. 356

Vgl. dazu auch Nachlaß Nr. 4126. Gerlach konnte kein Mandat für das Abgeordnetenhaus erringen und wurde vom König auch nicht ins Herrenhaus berufen; vgl. Kraus, Gerlach, S. 768. 358 Vgl. Kap. V.3.b). 359 Vgl. den umfangreichen Briefwechsel des Grafen wegen der Adresse in: Nachlaß Nr. 4147, bes. Bll. 73–189. 360 Vgl. Gall, Bismarck, S. 309; Ritter, Die Preußischen Konservativen, S. 107, Anm. 35; Sybel, Begründung II, S. 194, sprach von 30.000 Unterschriften. 361 Vgl. Nachlaß Nr. 4011, Bll. 14 + 15. 362 Vgl. NPZ Nr. 120, 127, 130, 133, 139, 142; nach Ritter, Die preußischen Konservativen, S. 107, Anm. 36. 363 Nach Arnims Notiz unterzeichneten Kleist-Retzow, Senfft-Pilsach, Graf Pfeil, Graf Lynar, Graf Kanitz und Below die Adresse nicht; vgl. Nachlaß Nr. 4147, Bl. 72. 364 Vgl. Belows Brief vom 13.05.1864 an Arnim. In: Nachlaß Nr. 4147, Bl. 91; siehe dazu auch Arnims Antwort vom 14.05.1864 ebd., Bll. 92 + 93. 365 Vgl. Kleist-Retzows Brief vom 27.05.1864 an Arnim ebd., Bl. 164. 366 Vgl. Bismarck am 16.05.1864 an Kleist-Retzow. In: Bismarck, Gesammelte Werke XIV/2, S. 666. Zugleich versuchte Bismarck gegenüber Wien die Bedeutung der Adresse herunterzuspielen; vgl. dazu Srbik, Quellen IV, S. 116–118. 367 Srbik, Quellen V.1, S. 69. 357

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In der Kreuzzeitung hieß es zu der Adresse aber zunächst: „Wir haben es von Anbeginn vermieden, detaillierte Forderungen in dieser Angelegenheit an das Ministerium zu stellen: das sollte bei der Schwierigkeit der Lage Niemand thun.“369 Diesen Satz griff Graf Arnim in einem Leserbrief der gleichen Nummer auf, in dem er feststellte: Die Initiatoren der Adresse „trauen sich überhaupt nicht zu: Forderungen in dieser Angelegenheit zu stellen, weder detaillierte noch allgemeine.“370 Außerdem wandte sich Arnim dagegen, daß seine Adresse mit der (liberalen) National-Zeitung in Verbindung gebracht wurde, weil sie auch in der Spenerschen Zeitung zu lesen war: Es habe also kein Grund vorgelegen, „die Adresse ausdrücklich mit der Zeitung der Demokratie in Verbindung zu bringen.“ Ludwig v. Gerlach griff die Arnimsche Adresse am 21. Mai 1864 in der Kreuzzeitung unter der Überschrift „Der Siegespreis“ wesentlich schärfer an371. Er konnte zeitlebens mit der nationalen Frage nichts anfangen und argumentierte ganz im Sinne eines Kampfes gegen das „Prinzip der Revolution“. Besonders Annexionsgelüste seien lediglich „kräftige Mittel, die schwer gewonnene Einigkeit Oesterreichs und Preußens zu sprengen, welche allen revolutionären Parteien ein Dorn im Auge ist.“ Darum müsse unbedingt festgehalten werden an dem Wahlspruch: „Preußen-Oestreich Hand in Hand, Deutschland sonst aus Rand und Band!“372 Auch in dieser Frage war bei Ludwig v. Gerlach ein „Primat der Innenpolitik“ zu beobachten: Der Kampf gegen den Liberalismus war für ihn wichtiger als jede Machterweiterung Preußens373. Als „Erwiderung“ wurde Gerlach daraufhin am 22. Mai in der Kreuzzeitung entgegengehalten, man wolle in der jetzi368 Vgl. Brandenburg, Untersuchungen, S. 457, Anm. 1. Bismarcks eigentlicher Widersacher in dieser Zeit war der Chef des Militärkabinetts Edwin v. Manteuffel, der darum von Bismarck als Gouverneur von Schleswig „kaltgestellt“ wurde; vgl. Bernhardi, Tagebücher V, S. 40; Gall, Bismarck, S. 333; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 259; siehe zur Rivalität der beiden auch Dehio, Manteuffel, passim. 369 „Zur Holsteinischen etc. Frage“. In: NPZ Nr. 110, Fr. 13.05.1864; das Blatt befindet sich auch in: Nachlaß Nr. 4146, Bl. 7. 370 Ebd., Bl. 3. Dort auch das folgende Zitat. 371 NPZ Nr. 116 Sa. 21.05.1864; erschienen auch als Broschüre: Gerlach, Schleswig-Holstein. Allerdings behauptete Gerlach, er habe Arnim nicht persönlich angreifen, sondern nur den Konservativen den Spiegel vorhalten wollen, „aus deren Munde seit vielen Wochen mich das umtönt, was der ,Siegespreis‘ bekämpft.“ [Gerlach am 01.06.1864 an Adolph v. Thadden. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1189] 372 Ludwig v. Gerlach, Aufzeichnungen II, S. 262, 264, 272; vgl. ders., Tagebuch, S. 455–458. 373 Vgl. Kraus, Gerlach, S. 780/81. Allerdings hielt er sich in der Folgezeit zurück, da er wohl einsah, daß ein Konflikt im konservativen Lager zu diesem Zeitpunkt nur von Nachteil sein konnte, zumal sich die Arnimsche Adresse nicht gegen Österreich richtete; vgl. dazu Kleist-Retzows Brief vom 06.07.1864 an Ludwig v. Gerlach. In: Ludwig v. Gerlach, Briefe, S. 1194/95.

4. Die Krise der Konservativen (1858–1866)

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gen Situation zwar keine öffentliche Diskussion führen, habe damit aber den Kampf nicht aufgegeben: „Wenn aber die geistigen Kämpfe dieser Parteien im Innern sich erneuern, so werden die Conservativen ihre Gegner am besten bekämpfen, welche durch die That zu zeigen sich nicht gescheut haben: daß ihnen der König und das Vaterland höher stehen, als die – nach der Erklärung des Verfassers der Rundschauen – schwache conservative Organisation, ja höher, als die nach unserer Ueberzeugung starke conservative Partei.“374 Bismarck sah nicht nur mit Freude auf die vom Grafen Arnim initiierte Bewegung, welche der Konferenz imponieren und Österreich vorwärtsdrängen sollte375, sondern übernahm außerdem am 20. Mai die Rolle, die Adresse dem König zuzuleiten376. Schon am folgenden Tage konnte er Arnim im Namen des Königs „die Allerhöchste Anerkennung für die außerordentlichen Erfolge der von Eurer Excellenz ausgegangenen patriotischen Anregung“ aussprechen377, und am 22. Mai konnte Bismarck dem Grafen außerdem mitteilen, „daß seine Majestät der König am Montag, den 23. d.M., Mittags 1 Uhr in Allerhöchstihrem Palais die Adresse in Bezug auf die Herzogtümer Schleswig und Holstein entgegennehmen wollen.“378. Nachdem Graf Arnim für Wilhelm I. wegen seiner Haltung in der Grundsteuerfrage etwa drei Jahre lang ein rotes Tuch gewesen war, genoß dieser also wieder das Wohlwollen seines Königs, wobei aber Bismarcks Wort eine große Rolle gespielt haben dürfte. c) Bismarcks „Revolution von oben“ und die Spaltung der Konservativen Graf Arnim war im Laufe des Jahres 1866 zwar schwer erkrankt, nahm aber trotzdem seinen Anteil. In einem Schreiben an den König ergriff er (wieder einmal) Partei für den König sowie dessen Regierung und gegen die Altkonservativen um Gerlach379, der in seinem Kreuzzeitungsartikel „Krieg und Bundesreform“ am 7. Mai 1866 heftig gegen Bismarcks Politik gewettert hatte380 . Außer ihm sorgten vor allem Eberhard Graf v. Stolberg374

NPZ Nr. 117, So. 22.05.1864, S. 1. Bismarck, so Sybel, Begründung II, S. 195, „sah mit Freude auf die Bewegung, welche, wie er hoffte, der Konferenz imponieren und Österreich vorwärtsdrängen mußte.“ 376 Vgl. Arnims Schreiben vom 20.05.1864 an Bismarck. In: Nachlaß Nr. 4125, Bl. 1. 377 Bismarcks Schreiben vom 21.05.1864 an Arnim ebd., Bl. 5; dabei auch ein Diktat des Königs mit Dankesworten; vgl. ebd., Bll. 2–4; siehe auch Nachlaß Nr. 4125, Bll. 2–7. 378 Ebd., Bl. 8. 379 Nachlaß Nr. 4247, Bl. 5. 375

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V. „Neue Ära‘‘ und Verfassungskonflikt (1858–1866)

Wernigerode, Moritz v. Blanckenburg und Hans v. Kleist-Retzow dafür, daß die Mehrheit der Konservativen sich auf Bismarcks Seite stellte381. Auf Grund seiner schlechten Gesundheit nahm Graf Arnim 1866 nicht an den Debatten über die Indemnitätsvorlage teil. Schon am 23. April 1866 hatte er sein Fernbleiben von den Beratungen erstmals aus gesundheitlichen Gründen anzeigen müssen382. Bis zu seinem Tode am 8. Januar 1868 nahm Arnim dann nicht mehr an den Landtagsdebatten teil. Insofern blieb es ihm erspart, sich 1866 für oder gegen Bismarck zu entscheiden. Die Konservative Partei, die während des Verfassungskonfliktes geschlossen hinter Bismarck gestanden hatte, überstand die Zerreißprobe jedoch nicht: Zwar konnten sie bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 3. Juli 1866 einen glänzenden Wahlsieg erringen, der ihnen 142 Mandate einbrachte383, doch spaltete sich auf Grund einer Kontroverse über die Indemnitätsvorlage Bismarcks die Freikonservative Vereinigung von der Konservativen Partei ab384. Es ist zu vermuten, daß Graf Arnim (wie viele andere) an der Seite Bismarcks geblieben wäre385. Im Jahre 1866 stand Bismarck (anders als 1862) in einer gefestigten Position und hatte zahlreiche Erfolge errungen. Da er sich außerdem vom Parlament emanzipiert hatte386, ist es nicht verwunderlich, daß es zu keiner erneuten Blütezeit der Konservativen Partei kam. Diese befand sich in kürzester Zeit (nach 1858) in einer zweiten tiefen Krise: Die Altkonservativen waren besiegt und zerstritten und die Staatskonservativen (zusammen mit den Nationalliberalen) zum Appendix der Regierung degradiert worden. Auch Graf Arnim hatte gerade nach 1862 kaum noch eine eigenständige Rolle in der Politik spielen können, weil im Konflikt zwischen der Regierung Bismarck und dem Abgeordnetenhaus kein Platz für eine dritte Position blieb. Da der Boitzenburger stets das Wohl des Staates stets über das der Partei gestellt hatte, überwog bei ihm aber die Zufriedenheit darüber, daß der königlichen Regierung eine starke Stellung gesichert war.

380 Vgl. dazu Gall, Bismarck, S. 357; Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 274–278; Kraus, Gerlach, S. 794–810. 381 Vgl. Hahn, Berliner Revue, S. 141–157. 382 Nachlaß Nr. 4127, Bl. 3. 383 Vgl. Löwenthal, Verfassungsstreit, S. 290; Parisius, Parteien, S. 77; Pflanze, Bismarck I, S. 331. 384 Programm der Freikonservativen bei Salomon, Parteiprogramme, S. 67/68; vgl. Kaminski, Verfassung, S. 115; Pflanze, Bismarck I, S. 341–343. 385 Dies läßt der Tenor seines Briefes vom 23.02.1867 an Karl Friedrich v. Savigny vermuten; vgl. Savigny, Briefe, S. 934/35. 386 Vgl. dazu Twesten, Beamtenstaat, bes. S. 146.

Schlußbetrachtungen Eine der Leitfragen für die vorliegende Biographie war gewesen, inwiefern Graf Arnim als typischer „Junker“ bezeichnet werden kann. Zumindest lag die Vermutung nahe, Arnim habe seinen politischen Einfluß nur auf Grund seiner Herkunft erlangt. In der Tat mag die exklusive Herkunft des jungen Boitzenburgers, in dessen Stammbaum auch das regierende englische Königshaus zu finden war1, mit dazu beigetragen haben, daß seine Karriere besonders aufmerksam verfolgt wurde. Insofern mag es ihm auch einfacher als anderen gefallen sein, sich seine Meriten zu erwerben. Auf der anderen Seite waren Arnims Vater und auch sein Vormund, der Freiherr vom Stein, Kritiker König Friedrich Wilhelms III. und Verfechter der preußischen Reformen gewesen, die der König spätestens 1823 beendet hatte2. Deshalb öffnete allein seine Herkunft dem jungen Adolf v. Arnim keineswegs alle Türen in Berlin. Vielmehr dürften unter Friedrich Wilhelm III. in erster Linie seine besonderen Fähigkeiten und nicht seine Herkunft dazu geführt haben, daß man ihm schon in jungen Jahren besondere Verantwortung in der Staatsverwaltung übertrug3. Auch unter dem neuen König Friedrich Wilhelm IV. ermöglichten nicht erster Linie Herkunft und ökonomische Situation Arnims Berufung in den engsten Beraterkreis des Königs. Bekanntlich vertraute der König gerne auch „einfachen Leuten“, wenn sie seine Interessen beförderten, wobei das Beispiel des Direktors der Berliner Taubstummenanstalt Saegert nur das signifikanteste Beispiel sein dürfte4. Vielmehr dürfte Graf Arnim dem König aufgefallen sein als „ein Mann von vornehmen, aber einnehmenden Formen, sehr human und darum überall, wo er in amtlicher Wirksamkeit gestanden, beliebt, namentlich in Aachen.“5 Diese Eigenschaften befähigten den Grafen Arnim ebenso zum Minister wie zum Berater Friedrich Wilhelms IV.6 Da aber dieses Auftreten dem Grafen Arnim ohne seine Herkunft und Erziehung unmöglich gewesen wäre, spielten diese eine gewisse Rolle in seiner Karriere. 1 2 3 4 5 6

Vgl. Kap. I.1.c). Vgl. Kap. I.1.a). Vgl. Kap. I.3. Vgl. Kutzsch, Friedrich Wilhelm IV. und Carl Wilhelm Saegert, passim. Deutsche Zeitung Nr. 95, 05.04.1849, 2. Beilage. In: Nachlaß Nr. 3779, Bl. 49. Vgl. Arnim, Märkischer Adel, S. 73.

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Schlußbetrachtungen

Graf Arnim gehörte mit einem Besitz von über 15.000 ha zu den preußischen Großgrundbesitzern. Einschränkend ist dazu jedoch hinzuzufügen, daß z. B. die Herzöge von Pleß mit 70.000 ha, die Fürsten zu Solms-Baruth mit 39.000 ha, die Herzöge von Aremberg mit 30.000 ha, die Grafen Finck v. Finckenstein mit 21.000 ha und die Fürsten Putbus mit 20.000 ha wesentlich größere Ländereien besaßen7. Darüber hinaus bestand Arnims Besitz zum Großteil aus Wald und lag in der recht unfruchtbaren Mark, des „heiligen römischen Reichs Streusandbüchse“. Dieser Besitz fiel dem Grafen Arnim jedoch nicht einfach in den Schoß. Vielmehr war er (nicht zuletzt wegen einer Kapitalabfindung des Bruders) hoch verschuldet. Wenn es Adolf v. Arnim gelang, diese Schulden zu tilgen und sogar noch für eine angemessene Ausstattung aller seiner Kinder zu sorgen, ohne daß sein Stammhalter und Haupterbe die Substanz zur Versorgung der jüngeren Geschwister angreifen mußte8, so lag dies daran, daß der Boitzenburger auch ein „guter Landwirt“ war, wie es zu Zeiten der römischen Republik, die dem Gymnasiasten Arnim bekannt waren, Kennzeichen eines wirklich einflußreichen Mannes war9: Graf Arnim bewirtschaftete das Hauptgut Boitzenburg nicht nur selbst, sondern sorgte auch für sinnvolle Neuerungen, wobei ihm Kenntnisse von Autoren wie Albrecht Thaer nützten. Trotzdem war Arnim aber kein kapitalistisch wirtschaftender Rittergutsbesitzer, da er Gewinne konservativ wieder in den Ankauf von Landbesitz investierte, statt z. B. ein Papierfabrik oder eine Glashütte bauen zu lassen. Insofern war Graf Arnim zwar kein „typischer“ Junker, doch erst Recht kein „Agrarkapitalist“10. Angesichts dieses Befundes ist die Vermutung naheliegend, Graf Arnim habe sich nur um öffentliche Ämter und politischen Einfluß bemüht, um für seinen eigenen materiellen Vorteil zu sorgen. Betrachtet man z. B. Arnims Opposition gegen die Grundsteuerreform, so scheint diese Vermutung bestätigt zu werden11. Allerdings ist auffällig, daß Graf Arnim in Steuerfragen vor allem dann das Wort ergriff, wenn es um prinzipielle Fragen ging, z. B. bei der Aufstellung und Verteidigung der „Lückentheorie“ 12, während er auffallende Zurückhaltung übte, wenn reine Interessen im Vordergrund standen. Deshalb fanden gerade in den 1850er Jahren viele Debatten ohne Be7 Vgl. Reif, Adel, S. 91. Er hat im Jahr 1925 in ganz Deutschland 49 Gutsbesitzer mit Gütern über 10.000 ha identifiziert, von denen immerhin 23 in Schlesien, aber nur 6 in der Mark Brandenburg lagen; vgl. ebd. 8 Vgl. Kap. I.2.c) und Kap. I.4.d). 9 Vgl. Kap. I.4.d). 10 Vgl. Einleitung, Nr. 2. 11 Vgl. Kap. IV.3.c) und Kap. V.1.a). 12 Vgl. Kap. IV.3.a) und Kap. V.2.

Schlußbetrachtungen

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teiligung und sogar in Abwesenheit des Boitzenburgers statt13, während er sich zugleich in der Oberhausfrage stark engagierte14. Insgesamt ähnelte Graf Arnim eher einem „Grandseigneur“ und weniger dem typischen „Junker“: Wie die schlesischen Magnaten konnte Arnim es sich leisten, Prinzipien zu verteidigen statt Interessen zu vertreten und damit in materiellen Dingen liberaler zu sein als seine Anhänger. Auf der anderen Seite engagierte sich Arnim politisch auch für die Interessen der „Krautjunker“ und fühlte sich insofern offenbar dem „Niederadel“ und insbesondere auch dem preußischen Staat stärker verbunden als die meisten süddeutschen Standesherren, die z. B. die ihnen garantierte Mitgliedschaft in der Ersten Landtagskammer in der Regel kaum wahrnahmen15. Doch nicht nur seine Herkunft und seine Besitzverhältnisse hoben ihn aus der „Masse“ des Landadels heraus, sondern auch seine Geistesgaben, die er im Beruf zu nutzen vermochte. Gemäß der Boitzenburger Familientradition schlug Graf Arnim keine militärische Laufbahn ein, sondern studierte Jura, um Verwaltungsbeamter zu werden16. Die Stationen der Arnimschen Ausbildung lassen dabei eine Charakterprägung im preußischen Staatsdienst erkennen: Als Schüler und als Student in Berlin war der junge Adolf alles andere als ehrgeizig und leistete eher passiven Widerstand gegen die strengen Erziehungsgrundsätze, denen er unterworfen wurde und die aus heutiger Sicht allerdings recht archaisch bzw. übertrieben spartanisch anmuten17. An der Georgia Augusta zu Göttingen begann Arnim sich dann wenigstens intensiver mit dem zu beschäftigen, was ihn interessierte. Wahrscheinlich erkannte er bei landwirtschaftlichen und historisch-politischen Vorlesungen, daß es nicht nur totes Wissen war, welches das „humanistische“ Bildungswesen vermitteln konnte. In dieser Zeit begann Graf Arnim, der bisher den Aufforderungen des Freiherrn vom Stein zu Geschichtsstudien höchstens ein müdes Lächeln geschenkt hatte, freiwillig damit, sich mit der Geschichte der letzten 150 Jahre zu beschäftigen, dem heute soge13

Vgl. Kap. IV.2. + 3. Vgl. Kap. IV.1. und Kap. IV.4.b). Zumindest in dieser Frage bestimmte also nicht allein das Sein das Bewußtsein. Es wäre lohnenswert, in einer eigenen Arbeit zu untersuchen, ob es in den 1850er Jahren in erster Linie deshalb zu einer so starken Zersplitterung der Konservativen Partei kam, weil die beiden Parteiführer Ludwig v. Gerlach und Graf Arnim die materiellen Interessen ihrer Gefolgsleute bestenfalls halbherzig verteidigten, da sie die Fragwürdigkeit einer derartigen Interessenpolitik erkannt hatten. 15 Vgl. dazu Gollwitzer, Standesherren, S. 97–102. 16 Vgl. Kap. I.2. 17 Anders als andere berühmte Persönlichkeiten in einer ähnlichen Situation, von denen Winston Churchill, der zwar auf Grund seiner Protesthaltung in der Schule scheiterte, aber später den Literaturnobelpreis bekam, der bekannteste sein dürfte, meisterte Arnim immerhin alle Hürden. 14

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Schlußbetrachtungen

nannten „Zeitalter des Absolutismus“, das für Arnim noch die „Zeitgeschichte“ darstellte. Während seiner Ausbildung entwickelte Graf Arnim dann jene Fähigkeiten, die seine Tätigkeit als Verwaltungsbeamter in Templin, Stralsund und Aachen prägen sollten: Für seinen Vormund, den Freiherrn vom Stein, sicher überraschend, zeigte er die sogenannten „preußischen Tugenden“ Fleiß, Ordnung und Disziplin. Darüber hinaus „leistete“ sich Arnim ein ausgeprägtes Rechtsbewußtsein und zeigte, daß er nicht um jeden Preis Karriere machen wollte: In dem Konflikt mit den Ministern Mühler und Rochow wegen der ihm vorenthaltenen Spitzelberichte intervenierte er in Berlin derart hartnäckig18, daß er damit rechnen mußte, wegen Impertinenz aufs Abstellgleis geschoben zu werden. In der Tat dürfte diese Offenherzigkeit Arnim 1837 die Beförderung (zum Oberpräsidenten oder gar zum Minister) gekostet haben, da natürlich weder Mühler noch Rochow besonders erpicht auf eine engere Zusammenarbeit dem Boitzenburger sein konnten. Graf Arnim war insgesamt weder ein typischer gouvernementaler Beamter noch ein liberaler Reformer19. Dies machte ihn für einige Konservative zum Liberalen und für die Liberalen zum Reaktionär. Tatsächlich aber trat Graf Arnim bereits als Beamter für eine starke, aber unbedingt an Recht und Ordnung orientierte Exekutive ein. Diese von mir als „staatskonservativ“ beschriebene Grundhaltung20 hinderte den Beamten Arnim nicht an einer Opposition gegenüber der Berliner Regierung, wenn diese seiner Meinung nach unrechtmäßig handelte, wie der erwähnte Disput mit Mühler und Rochow belegt21. Sie ist jedoch weder mit der altkonservativen noch mit der liberalen Kritik am „Absolutismus“ der Regierung zu verwechseln. Als Arnim dann (nach kurzem Zwischenspiel als Oberpräsident in Posen22) 1842 Innenminister wurde, schlug er dem König gegenüber einen ebenso offenherzigen Ton an23. Daß Friedrich Wilhelm IV. dem Boitzenburger trotzdem lange Zeit sein Wohlwollen schenkte, wie seine gefühlvollen Handschreiben belegen, ist wohl nur dadurch zu erklären, daß in beider Adern das Blut des englischen Königshauses rollte, denn es stellte sich rasch heraus, daß der König und sein Minister in zentralen politischen Fragen gegensätzlicher Ansicht waren. Schließlich sorgte die Hartnäckigkeit, mit der Arnim den bereits früh feststehenden Verfassungsplänen des Königs Wider18

Vgl. Kap. I.3.c). Vgl. dazu Einleitung, Nr. 3. 20 Vgl. dazu Einleitung, Nr. 4. 21 Ein weiterer Beleg ist der Arnims Eingabe als Posener Oberpräsident an Innenminister Rochow wegen dessen Rüffel vom 5. Januar 1842; vgl. Kap. II.1. 22 Vgl. Kap. II.1. 23 Vgl. Kap. II.2. 19

Schlußbetrachtungen

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stand leistete, aber dennoch dafür, daß Friedrich Wilhelm IV. nur noch ungehalten reagierte, wenn Arnim ihm eine Denkschrift mit einem weiteren langatmig begründeten Alternativvorschlag vorlegte24. Allerdings ist gerade im konkreten Fall der Verfassungspolitik die Hartnäckigkeit des Grafen verständlich: Die Verfassungsvorstellungen Friedrich Wilhelms IV., die auf dem Vereinigten Landtag den von Arnim befürchteten Schiffbruch erlitten25, waren sowohl phantastisch und unnötig kompliziert als auch unvereinbar mit der geltenden Rechtslage und den gesellschaftlichen Verhältnissen. Vor allem aber waren sie deshalb so fragwürdig, weil sie eine evolutionäre Entwicklung des preußischen Verfassungswesens verhinderten und der Opposition damit den Weg der Revolution wiesen: Statt dem Adel durch die Einrichtung eines Oberhauses nach englischem Vorbild und durch ein günstiges Wahlgesetz eine zwar feste, aber legitimierbare Stellung einzuräumen, säte der König Zwietracht in den eigenen Reihen, indem er mehr oder weniger willkürlich einzelne Personen als „Herren“ privilegierte, womit er sowohl die Nichterwählten zurückstieß als auch die wirklich herausgehobenen Standesherren, indem er sie mit Vertretern des „Niederadels“ auf eine Stufe stellte. Außerdem verhinderte die Tatsache, daß das Parlament nicht gewählt werden sollte, daß der neu geschaffene Landtag reformierbar war, weshalb der Opposition nur dessen Abschaffung als Ziel blieb. Dies sah Graf Arnim voraus, erhob jedoch vergeblich seine warnende Stimme, so daß er gerade in den 1840er Jahren wie eine „preußische Kassandra“ wirkte. Auch als Ministerpräsident mußte Graf Arnim (nach nur zweitägiger Amtszeit) feststellen, daß er zwar erneut als Krisenmanager verpflichtet worden war, der König ihm aber sofort in den Arm fiel, sobald er die Krise mit pragmatischen Entscheidungen statt mit weitgespannten Ideen zu meistern versuchte26. Vergeblich hatte Arnim darauf gehofft, nicht nur den Titel des Ministerpräsidenten, sondern auch umfassendere Befugnisse bezüglich der Richtlinien der Politik zu erhalten, nachdem die exzentrischen Pläne des Königs so offensichtlich gescheitert waren. Der König war jedoch nach wie vor nicht dazu bereit, einem Krisenmanager wirklich freie Hand zu gewähren27. 24

Vgl. Kap. II.3. Vgl. Kap. II.3. 26 Vgl. Kap. III.1. 27 Hilfreich für eine Bewältigung der Situation im konservativen Sinne wäre es gewesen, Arnim nach römischem Vorbild umfassende Befugnisse zu geben, um die notwendigen Maßnahmen ohne Reibungsverluste treffen zu können: Mit der Formel „Videant consules, ne quid res publica detrimenti capiat.“ [„Die Konsuln mögen dafür sorgen, daß der Staat keinen Schaden erleidet.“] wurden in Rom der Exekutive für einen begrenzten Zeitraum fast diktatorische Vollmachten verliehen, um eine schwere Krise zu meistern. Friedrich Wilhelm IV. konnte sich jedoch (noch) nicht zu einem derartigen „letzten Beschluß“ („consultum ultimum“) durchringen. 25

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Schlußbetrachtungen

Nach seiner nur zehntägigen Amtszeit war für Arnim klar, daß er unter Friedrich Wilhelm IV. nicht mehr Minister werden würde. Insofern waren Gerüchte, die ihn bereits im Jahre 1848 wieder als Minister sahen, reine Spekulation28. Erst als Wilhelm I. ab 1858 seinem Bruder folgte, rückte ein Ministerium Arnim erneut in den Bereich des Möglichen, da Wilhelm und Arnim sich seit den 1840er Jahren kannten und schätzten29. Da jedoch die konservative Oppositionspolitik gegen die Politik der „Neuen Ära“ beide entzweite, vertraute der König lieber Bismarck als Arnim als Krisenmanager30, während Arnim den Rest seines Lebens einer der führenden konservativen Parlamentarier blieb. Diese Stellung darf jedoch nicht überbewertet werden: Vielmehr hatte Arnim in den 1860er Jahren wegen seines Konfliktes mit dem Monarchen und auf Grund der Schwäche der Konservativen Partei, die insbesondere ihre beiden in der Reaktionszeit so wichtigen Standbeine im Abgeordnetenhaus und in der Regierung fast vollständig verloren hatte, nur begrenzten Einfluß auf die Politik31. Hätte man den Grafen Arnim 1848 nach seinen Erfahrungen als konservativer Politiker und besonders als Parlamentarier gefragt, wäre seine Einschätzung sicher negativ gewesen, und er hätte auf Grund seiner Erfahrungen auf den Vereinigten Landtagen und in der Deutschen Nationalversammlung von einer ziemlich sinnlosen Tätigkeit gesprochen32. In der Tat hatte Arnim bei seinen ersten Auftritten als Parlamentarier keine Chance, auch nur einige seiner zentralen politischen Vorstellungen umzusetzen. Diese Machtlosigkeit, die sein Handeln in den folgenden Jahren bestimmen sollte, hatte ihre tiefere Ursache in der Schwäche der Konservativen Partei, die bis 1848 nur unzureichend organisiert war33. Hätte man Arnim zwanzig Jahre später, am Ende einer langen parlamentarischen Tätigkeit, erneut gefragt, wäre seine Antwort ebenfalls alles andere als überschwenglich ausgefallen, da der preußische Landtag in den Jahren zuvor im Schatten Bismarcks gestanden hatte, der zwar die Abgeordneten in seine Politik einspannte, wenn es ihm nützlich erschien, ihnen aber wenig Möglichkeiten zu politischer Mitwirkung ließ34. Nicht zufällig führten Bismarcks Erfolge nicht etwa zu einem Wiederaufblühen der Kon28

Vgl. Kap. III.2.c). Vgl. Kap. II.2.–4. 30 Vgl. Kap. V.1.b) und Kap. V.2. 31 Diese Tatsache dokumentiert auch Arnims Nachlaß, in dem für die Zeit nach 1858 weitaus weniger Materialien zu finden sind als für die früheren Jahre. Auch diese Tatsache dokumentiert die Krise der Konservativen Partei nach 1858; vgl. dazu auch Kap. V.4. 32 Vgl. Kap. II.3., Kap. III.2.a) und Kap. III.2.b). 33 Vgl. Kap. II.4. und Kap. III.4. 34 Vgl. Kap. V.2. + 3. 29

Schlußbetrachtungen

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servativen Partei, sondern vielmehr zu deren Spaltung in Alt- und Freikonservative35. Nur in einer relativ kurzen Phase, nämlich zwischen 1849 und 1853, konnte Graf Arnim als Parlamentarier wirklich Einfluß ausüben: Bei der Überwindung der Folgen der 48er Revolution konnte er zur Ausbildung eines Verfassungszustandes beitragen, der seinen Vorstellungen relativ nahe kam36. In dieser Phase konnte Graf Arnim im Landtag auch wesentliche Entscheidungen herbeiführen und seinen Auffassungen (mit Hilfe einer einflußreichen Fraktion) Nachdruck verleihen. Dabei kooperierte Arnim zwar mit der Regierung Manteuffel, war jedoch keineswegs nur deren Instrument. Auch auf Grund dieses Befundes erscheint es auf Grund der Arnimschen Biographie als sinnvoll, innerhalb der konservativen Partei verschiedene Strömungen und „Schulen“ zu unterscheiden37. Allerdings geriet Graf Arnim auch als Parlamentarier in Konflikt mit dem König bzw. dessen altkonservativem Sprachrohr Westphalen38: Die Debatte um Arnims Entscheidungsfrage, ob der König oder das Parlament herrschen sollte, war nicht zuletzt Ausfluß von Arnims Verärgerung darüber, daß der König einen Konflikt mit dem mehrheitlich konservativen Landtag provozierte, bei dem eine Niederlage die Krone derart schwächen konnte, daß das von Stahl definierte „Monarchische Prinzip“ zugunsten eines Parlamentarismus beseitigt worden wäre39. Wenn sich als Arnim letzten Endes auf die Seite der Krone stellte, statt auf seiner Position zu beharren, dann tat er dies vor allem deshalb, weil ihm eine starke Krone wichtiger war als jede politische Sachfrage. Dagegen war sein Kontrahent Ludwig v. Gerlach gerade zu einem derartigen Zugeständnis nicht bereit. Gerlach gab vielmehr nur nach, um einen drohenden Bonapartismus zu verhindern, den Graf Arnim allerdings eher als Schreckbild denn als Wunschvorstellung erwähnt hatte. Mehrfach bewies Graf Arnim, daß er sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Herrenhaus eine eigene Position zu vertreten vermochte. Es ist jedoch auffällig, daß Arnims Einfluß auf den Gang der Dinge nach der endgültigen Etablierung des Herrenhauses abnimmt, was sich allein am Umfang seines Engagements ablesen läßt. Dies lag in den späten 1850er Jahren 35

Vgl. Kap. V.4. Vgl. Kap. II.2.d), Kap. II.3.b) + c) und Kap. IV.1. 37 Vgl. dazu auch Einleitung, Nr. 4. Es wäre wünschenswert, wenn weitere preußische Parlamentarier der Zeit vor der Reichsgründung biographisch untersucht würden, um somit zu einem fundierteren Verständnis der konservativen Partei dieser Zeit insgesamt zu kommen. Das Beispiel Arnim hat jedenfalls gezeigt, dass es sich lohnen kann, nicht nur die wenigen führenden Theoretiker der Zeit zu untersuchen, sondern auch die parlamentarischen Pragmatiker. 38 Vgl. Kap. IV.1. + 4. 39 Vgl. Kap. V.1. + 4. 36

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Schlußbetrachtungen

sicherlich auch daran, daß Graf Arnim mit der reinen Interessenpolitik seiner Standesgenossen nicht einverstanden war40. Auf der anderen Seite wurde zunächst in der „Neuen Ära“ und endgültig während des Verfassungskonfliktes deutlich, daß das Herrenhaus auch auf Grund seiner Zusammensetzung und seiner daraus resultierenden geringen moralischen Autorität über eine Blockadepolitik hinaus nur in Ansätzen dazu in der Lage war, politische Impulse zu setzen und Entwicklungen zu initiieren 41. Bezeichnenderweise resultierte die aufsehenerregende Arnimsche Adresse im Frühjahr 1864 gerade nicht aus seiner parlamentarischen Tätigkeit im Herrenhaus42. Insofern zeigte sich bereits in den 1860er Jahren das Phänomen, daß die Konservativen mit ihrer quasi uneinnehmbaren „Bastion Herrenhaus“ allein zwar Politik verhindern, jedoch kaum gestalten konnten. Insgesamt verstand sich Graf Arnim als Politiker nicht in erster Linie als Anwalt Friedrich Wilhelms IV. (und auch nicht Wilhelms I.), was vielleicht auch damit zusammenhängt, daß er selbst Abkömmling eines Königs war. Vielmehr verteidigte er ein politisches System, im dem eine starke monarchische Exekutive einem Parlament gegenüberstand, in dem der Adel eine starke Stellung besaß, ohne daß die übrigen Stände von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen worden wären. Bei der Umsetzung dieser Vorstellungen orientierte sich Arnim (anders als Friedrich Wilhelm IV.) weniger am Mittelalter oder an einem Wunschbild, sondern vielmehr an der preußischen Monarchie, die seit 1701 unter einem starken König stark gewesen war, während ein schwacher König sie 1806 und 1848 in die Krise geführt hatte. Deshalb war es Arnims Bestreben, es auch einem persönlich schwachen Monarchen zu ermöglichen, an der Spitze eines starken Staates zu stehen43. Dieses Bestreben kann man als „Staatskonservativismus“ verstehen, als eine von mehreren Strömungen innerhalb der Konservativen Partei Preußens. Es unterschied sich vom Altkonservativismus in seiner Fixierung auf Staat und Dynastie, hatte jedoch wie dieser sein Fundament in dem aus dem Mittelalter überkommenen adeligen Milieu, das im 19. Jahrhundert bereits stark zurückgedrängt worden war, jedoch im Rahmen der Konservativen Partei nach wie vor hartnäckig gegen seine völlige Entmachtung kämpfte. Insofern standen Alt- und Staatskonservative, die sich nicht selten hart bekämpften, gerade in Krisenzeiten Seite an Seite. Als Graf Arnim abtrat, geschah dies zwar nicht nach Bismarcks grandiosen Erfolgen, doch zeichnete sich das allmähliche Ende der Konservativen Partei bereits am Horizont ab. 40

Vgl. Kap. IV.3. Vgl. Kap. V. Damit wurde die Einschätzung Spenkuchs bestätigt; vgl. dazu Einleitung, Nr. 5. 42 Vgl. Kap. V.3. 43 Dieses Bestreben wurde mit Begriff des „Staatskonservativismus“ mittels einer biographischen Studie zu beschreiben versucht; vgl. dazu Einleitung, Nr. 4. 41

Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Ungedruckte Quellen Nachlaß Adolf v. Arnim im BrLHA Potsdam Rep. 37 Boitzenburg Nrr. 3779–4261 I. Biographisches Material A. Personalpapiere und Unterlagen über sein Leben [3779–3793] B. Finanzielle und Vermögensangelegenheiten 1. Allgemeine finanzielle Angelegenheiten [3794–3806] 2. Vermögens- und Einkommenssteuer-Sachen [3807–3812] II. Geschäftspapiere A. Juristische Tätigkeit Arnims [3813–3816] B. Arnim als Dechant des Domstifts zu Brandenburg [3817–3827] C. Ernennung zum Kammerherrn 1827 [3828] D. Briefe, Schriftwechsel und andere Unterlagen aus Arnims beruflicher Tätigkeit 0. allgemein [3829] 1. Landrat des Kreises Templin [3830–3833] 2. Regierungsvizepräsident in Stralsund [3834–3839] 3. Regierungspräsident in Aachen [3840–3861] 4. Mitglied des Staatsrates [3862–3863] 5. Generalkommission in der Kurmark [3864–3871] 6. Regierungspräsident in Merseburg [3872–3896] 7. Oberpräsident in Posen 7.1 Ernennung und Tätigkeit als Oberpräsident [3897–3902] 7.2 Verwaltung, Geschäftsverteilung, Personal- und Etatangel. [3903–3908] 7.3. Gesellschaftliche und politische Verhältnisse in Posen [3909–3920] 8. Preußischer Minister 8.1 Arnim als Minister des Innern und der Polizei 8.1.1 Ernennung, Geschäftsverteilung, Personalangel., Rücktritt [3921–3928] 8.1.2 Einzelne Angelegenheiten der Innenpolitik [3929–3955] 8.1.3 Berichte über politische Lage und Stimmung [3956–3961] 8.1.4 Schriftwechsel [3962–3973] 8.2 Arnim als 1. preuß. Minister vom 19. März–28. März 1848 [3974–3986]

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Quellen- und Literaturverzeichnis E. Schriftwechsel und andere Unterlagen 0. allgemein [3987] 1. Schriftwechsel, Briefe u. a. Unterlagen 1.1 Verschidene Briefe an Arnim politischen und privaten Inhalts [3988– 4013] 1.2 Briefe, Denkschriften, Zeitungen, Aufsätze, Entwürfe, Gutachten [4014–4072] 2. Parlamentarische Tätigkeit 2.1 Provinziallandtagsangelegenheiten [4073–4080] 2.2 Vereinigter Preußischer Landtag [4081–4083] 2.3 Sonstige Landtagsangelegenheiten 1858–1861 [4084–4086] 2.4 Deutsche Nationalversammlung 1848 [4087–4092] 2.5 Erfurter Parlament [4093–4094] 2.6 Zweite Kammer [4095–4105] 2.7 Erste Kammer/Herrenhaus 2.7.1 Allgemeiner Schriftwechsel [4106–4127] 2.7.2 Preußische Innenpolitik [4128–4143] 2.7.3 Schleswig-Holstein-Frage [4144–4147] F. Vorlesungsschriften, Manuskripte, Prüfungsarbeiten, Aufsätze [4148–4193]

III. Private Korrespondenz A. Briefwechsel und Familienangehörigen [4195–4210] B. Schriftwechsel, Briefe, Unterlagen über diverse private Angelegenheiten [4211–4228] IV. Sammlung [4249–4261]

Bestände des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (GStAPK)1 BPH Rep. 51J (Nachlaß Wilhelm I.) I. HA Rep. 77, Tit. 53, 56, 379.5, 496, 522a, 864 I. HA Rep. 77 A Tit. 1 Censurverwaltung I. HA Rep. 89 Nrr. 3683, 3692, 3716, 3727, 3729 I. HA Rep. 92 (Nachlaß Otto v. Manteuffel) I. HA Rep. 92 Arnim Nrr. A 32–A 44 (Reste Nachlaß Adolf v. Arnim) III. HA Nr. 9067, 9071

1 Hier wurden nur Akten aufgeführt, aus denen zitiert wurde. Die Dokumentation der „Parallelüberlieferung“ im Arnimschen Nachlaß und in den Ministerialakten wurde dabei auf das Notwendige beschränkt.

2. Gedruckte Quellen

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2. Gedruckte Quellen Schriften des Grafen Arnim Arnim-Boitzenburg, Adolf Heinrich Graf v.: Die deutsche Centralgewalt und Preußen. Mit einem Vorwort desselben an seine Wähler zur deutschen National-Versammlung. Berlin 1848. – Die Verheißungen des 22sten März und die Verfassung vom 5ten Dezember. Von Graf Arnim-Boitzenburg, Staats-Minister a. D. Geschrieben im Dezember 1848. Berlin 1849. – Über die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung. Geschrieben im August 1849. Berlin 1849. – Bemerkungen des Grafen Arnim-Boitzenburg zu der Schrift: Die Berliner Märztage, vom militärischen Standpunkte aus geschildert. Berlin 1850. – Das Recht des Herrenhauses bei Festsetzung des Staatshaushalts. Berlin 1863. Beck, Friedrich: Gottesgnadentum und Nationalrepresentation. Unveröffentlichtes Handschreiben König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen an den Innenminister Graf Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburg. In: JBLG 46 (1995), S. 129–139. Harnisch, Hartmut: Aus den Papieren des Grafen von Arnim-Boitzenburg. Zur Widerspiegelung der Revolution von 1848/49 im Briefnachlaß eines Junkers. In: ZfG 22 (1974), S. 539–555.

Stenographische Berichte Bleich, Eduard (Hrsg.): Der Erste Vereinigte Landtag in Berlin 1847. 4 Bde. Berlin 1847. ND Vaduz 1977 [zitiert als Bleich, 1. VL]. – Verhandlungen des im Jahre 1848 zusammenberufenen Vereinigten ständischen Ausschusses. Berlin 1848. – Verhandlungen des zum 2. April 1848 zusammenberufenen Vereinigten Landtages. Berlin 1848 [zitiert als Bleich, 2. VL]. Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch das Allerhöchste Patent vom 5. Dezember 1848 einberufenen Kammern. Zweite Kammer. Berlin 1849. [zitiert als 2. K. 1849] Stenographische Berichte über die Verhandlungen der durch die Allerhöchste Verordnung vom . . . einberufenen Kammern. Ersten Kammer. Berlin. Legislaturperiode I (1849/50)–III (1852/55). [zitiert als 1. K. (Jahrgang)] – Herrenhaus. Berlin. Legislaturperiode IV (1855/58)–XXII (1913/18). [zitiert als HH (Jahrgang)] – Zweiten Kammer. Berlin. Legislaturperiode II (1849/50)–III (1852/55). [zitiert als 2. K. (Jahrgang)]

402

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Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Preußischen Hauses der Abgeordneten. Berlin. Legislaturperiode IV (1855/58)–XXII (1913/18). [zitiert als AH (Jahrgang)] Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des deutschen Parlaments in Erfurt. Bd. I: Volkshaus; BD. II: Staatenhaus. o. O. o. J. [zitiert als Unionsparlament I+II] Verhandlungen der vereinigten ständischen Ausschüsse 1842. o. O. o. J. [Berlin 1842]. [Bibliothek des GStAPK, Signatur 14 V 40] Wigard, Franz (Hrsg.): Reden für die deutsche Nation. Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen konstituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Bd. I. Frankfurt 1848, ND München 1979.

Periodica Allgemeine Preußische (Staats-)Zeitung – Preußischer Staatsanzeiger (01.05.1848–31.12.1850) – Königlich-Preußischer Staatsanzeiger (ab 01.01.1851) Berliner Politisches Wochenblatt (1831–1841) Historisch-Politische Zeitschrift (1832–1836) Janus. Jahrbücher deutscher Gesinnung, Bildung und That. Berlin 1845–1848. Neue Preußische Zeitung („Kreuzzeitung“) ab 1848

Memoiren, Quellensammlungen, Zeitgenössisches Abeken, Heinrich: Ein schlichtes Leben in bewegter Zeit, aus Briefen zusammengestellt. Berlin (3) 1904. Aegidi, Ludwig Karl: Gegen die Signatura temporis. Von einem freimüthigen Widersacher der Revolution. Berlin 1849. Andrae, Alexander: Erinnerungen eines alten Mannes an das Jahr 1848. Bielefeld 1895. Angerstein, Wilhelm: Seit 1848: Beiträge zur Preußischen Geschichte, Bd. I: Die Berliner März-Ereignisse im Jahr 1848. Leipzig 1864. (weitere Bände nicht erschienen) Anonym: Das administrative Glaubensbekenntnis des königl. preußischen Ministers des Inneren, Grafen von Arnim. Leipzig 1845. – Die vier ersten Regierungsjahre Friedrich Wilhelms IV. oder: Materialien zur Regierungsgeschichte Friedrich Wilhelms IV, Bd. 1–3. Königsberg 1845. – Die neue Lage Preußens seit dem 3. Febr. 1847: ein publizistisches Vorwort von einem Preußen. Leipzig 1847.

2. Gedruckte Quellen

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– König und Volk oder Der 11. April. Von einem Unterthan des preußischen Tyrannen. Herisau 1847. – Der Gesetz-Entwurf, die Aufhebung des Jagdrechts betreffend, herausgegeben von dem permanenten Ausschusse des Vereins zum Schutze des Eigenthums und zur Förderung des Wohlatandes aller Volksklassen. Berlin 1848. – Der Prinz von Preußen und die Berliner Revolution. Berlin 1848. – Entgegnung auf die Schrift: Die Deutsche Centralgewalt und die Preußische Armee. Geschrieben am 29. Juli 1848. Berlin 1848. – Schwerdt und Zopf. Beleuchtungen der Schrift vom 23. Juli 1848 über die Deutsche Centralgewalt und die Preußische Armee. Glogau 1848. – Preußen, Berlin und die neue Revolution. Geschichte der neuesten Ereignisse in Preußen und Berlin, mit Actenstücken und anderen Belegen. 2 Bde. Mannheim 1848–1849. – Ist es Teit, den Belagerungszustand von Berlin aufzuheben? Geschrieben im März 1849. Berlin 1849. – Das Wahlgesetz, die Vertretung in den Kreisen und die Gemeindeordnung. Von einem Preußen, dem das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt. Culm 1849. – Von Warschau bis Olmütz: ein Preußisches Geschichtsblatt; den 27. Februar 1851. Berlin 1851. – Preußen im Jahre 1850 und seine Stellung zum Auslande. Berlin 1851. – Suum cuique: eine Denkschrift über Preußen. Leipzig 1859. – Die auswärtige Politik der neuen Ära, gerichtet durch sich selbst. Von einem preußischen Mann. Berlin 1861. – Die preußische Armee im Vergleich zur französischen und was von ersterer zu erwarten ist. Leipzig 1861. – Das preußische Volk in Waffen u[nd] die neue Militär-Organisation. Berlin 1861. – Ein Preußisches Programm in der deutschen Frage. Berlin 1862. – Die neue Ära oder: Regentschaft und Königthum in Preußen vom 9. Oktober 1858 bis 11. März 1862. Sondershausen 1862. – Zur Orientierung in der Militär Frage. Von einem alten Offizier. Berlin 1862. – Die Militairfrage im Januar 1864. Berlin 1864. – Die preußische Heeres-Reform unter Benutzung officieller Quellen dargestellt, nebst einer Abhandlung über das preußische Budgetrecht. Berlin 1867. – Aphorismen über Preußische Verwaltung. Magdeburg 1867. – An der Wiege der „Kreuzzeitung“. Berlin 1908. Arnim, Alexander Heinrich von: Zur Politik der Contre-Revolution in Preußen: zwei Reden in der ersten Kammer zu Berlin nicht gehalten u. gehalten. Berlin 1851. Arnim, Bettine von: Clemens Brentanos Frühlingskranz aus Jugendbriefen ihm geflochten, wie er selbst schriftlich verlangte. Berlin 1844.

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Bloemer, Friedrich: Zur Geschichte der Bestrebungen der Preußischen Regierung für eine politische Reform Deutschlands, vom Mai 1849 bis Anfangs November 1850. Berlin 1860. Börner, Karl-Heinz (Hrsg.): Prinz Wilhelm von Preußen an Charlotte. Briefe 1817– 1860. Berlin 1993. Boerner, Paul: Erinnerungen eines Revolutionärs. Skizzen aus dem Jahre 1848, hrsg. von E. Menke-Glückert, Bd. I. Leipzig 1920. Brandenburg, Erich (Hrsg): König Friedrich Wilhelms IV. Briefwechsel mit Ludolf Camphausen, hrsg. von Erich Brandenburg. Berlin 1906. Brandenburg, Erich et al.: Die auswärtige Politik Preußens 1858–1871. Bde I-IX. Oldenburg 1932–1939. Breitenborn, Konrad: Aus dem Briefwechsel zwischen Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und Graf Anton zu Stolberg-Wernigerode im Jahre 1848. In: ZfG 30 (1982), S. 224–244. Breza, Eugen von: Briefe aus dem Jenseits: Graf Joseph de Maistre an den Freiherrn Otto von Manteuffel. Berlin 1851. [UB-Gö: 8 H BOR UN II, 3725] Brüggemann, Karl Heinrich: Preußens Beruf in der deutschen Staats-Entwicklung und die nächsten Bedingungen seiner Erfüllung. Berlin 1843. Bülow, Paula von: Aus verklungenen Zeiten. Lebenserinnerungen 1833–1920, hrsg. von Johannes Werner. Leipzig (2) 1925. Bülow-Cummerow, Ernst v.: Preußen im Jahre 1847 und das Patent vom 3. Februar 1847. Berlin 1847. – Die Wahlen nach der oktroyierten Verfassung. Berlin 1848. – Die Revolution, ihre Früchte, die Politik, die Reform. Berlin 1850. – Die Reform der Verfassung aus dem conservativen Gesichtspunkte. Berlin 1851. Bunsen, Christian Carl Josias Frhr. v.: Aus seinen Briefen und nach eigener Erinnerung geschildert von seiner Witwe (Francis v. Bunsen), hrsg. von Friedrich Nippold. 3 Bde. Leipzig 1868–1871. Busch, Moritz: Graf Bismarck und seine Leute, Bd. I. Leipzig 1878. – Graf Bismarck und seine Leute während des Krieges mit Frankreich. Leipzig (7) 1890. Cahn, W. (Hrsg.): Aus Eduard Laskers Nachlaß. Berlin 1902. Canitz, Carl von: Contrasignatur, Beilage zur NPZ vom 19.01.1849. Berlin 1849. Canitz und Dallwitz, Carl Ernst Wilhelm von: Denkschriften. Aus dem Nachlaß hrsg. von seinen Kindern. 2 Bde. Berlin 1888. Carl, Adolph: Das freie Preußen! Geschichte des Berliner Freiheits-Kampfes vom 18. März 1848 und seiner Folgen. Berlin 1848. Cecil, Lord H.: Conservativism. London 1912. Chateaubriand, Francois Rene de: Memoires d’outre-tombe, Bd. II/III, hrsg. von Maurice Levaillant. Paris (2) 1964.

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2. Gedruckte Quellen

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3. Literatur

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3. Literatur

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Zeitleiste 10.04.1803 1812 1819–21 1821/22 1822–24 1825 1825/26 1827/28 1829 28.12.1830–13.05.1833 13.05.1833–04.03.1834 03.04.1834–11.12.1837 18.01.1835 18.01.1837 11.12.1837 11.12.1837–18.10.1838 18.10.1838–31.05.1841 18.01.1840 01.06.1841–14.05.1842 10.06.1842 18.10.1842–10.11.1842 18.01.1843 18.01.1845 23.05.1845 13.07.1845 11.04.–19.06.1847 17.01.–06.03.1848 18./19.03.1848 19.03.1848

21.03.1848

Geburt Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburgs in Berlin Tod des Vaters; Freiherr vom Stein offiziell Vormund Besuch des Joachimsthalschen Gymnasiums Besuch des Werderschen Gymnasiums in Berlin Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin Studium an der Georgia Augusta in Göttingen Einjährig-Freiwilliger (Garde-Ulanen) Auskulator am Berliner Stadtgericht und Referendar am Kammergericht Berlin Leitung der Boitzenburger Güter Praktikum bei der Regierung Potsdam Landrat in Templin (Uckermark) Vizepräsident in Stralsund (Amtsantritt 01.07.1833) Regierungspräsident in Aachen Verleihung des Roten Adlerordens 4. Klasse Verleihung des Roten Adlerordens 3. Klasse mit Schleife Berufung zum Mitglied des Staatsrates Generalkommissar in der Kurmark Regierungspräsident in Merseburg Verleihung des Roten Adlerordens 2. Klasse Oberpräsident von Posen Ernennung zum Innenminister erste Tagung der Vereinigten ständischen Ausschüsse Verleihung des Sterns zum Roten Adlerorden 2. Klasse Verleihung des Roten Adlerordens 1. Klasse Ausweisung der Badischen Politiker Itzstein und Hecker aus Preußen Rücktritt als Innenminister Mitglied des Vereinigten Landtages zweite Tagung der Vereinigten ständischen Ausschüsse Barrikadenkämpfe in Berlin („Märzrevolution“) Ernennung Arnims zum Ministerpräsidenten, zum vorläufigen Außenminister und zum Minister für Verfassungsfragen Entbindung Arnims von seinen Aufgaben als Außenminister und Minister für Verfassungsfragen ) Arnim fungiert künftig als „Ministerpräsident ohne Portefeuilles“ „Deutscher Umritt Friedrich Wilhelms IV.

446 22.03.1848 29.03.1848 02.–10.04.1848 18.05.–05.06.1848 03.07.1848 14.07.1848 24.07.1848

24.07.1848 18./19.08.1848

27.08.1848

02.11.1848–06.11.1850 04./05.11.1848

05.12.1848 26.02.–27.04.1849 27.03.1849 28.03.1849 26.05.1849 08.09.–18.12.1849 07.–30.01.1850 26.01.1850 06.02.1850 20.03.–29.04.1850 29.11.1850 19.12.1850–06.11.1858 24./25.02.1851

Zeitleiste „Märzverheißungen“ Arnims Beerdigung der gefallenen Aufständischen Entlassung Arnims als Ministerpräsident und Ernennung Ludolf Camphausens zu seinem Nachfolger Mitglied des zweiten Vereinigten Landtages Mitglied der Deutschen Nationalversammlung Gründung des „Vereins für König und Vaterland“ erste Generalversammlung des „Vereins für König und Vaterland“ in Magdeburg Gründungsversammlung „Vereins zum Schutz des Eigenthums und der Förderung des Wohlstandes aller Volksklassen“ in Stettin zweite Generalversammlung des „Vereins für König und Vaterland“ in Halle erste Generalversammlung des „Vereins zum Schutz des Eigenthums und der Förderung des Wohlstandes aller Volksklassen“ („Junkerparlament“) in Berlin Kooperationsabkommen zwischen dem „Verein für König und Vaterland“, dem „Patriotischen Verein“, dem „Preußenverein für konstitutionelles Königthum“ und dem „Teltower Bauern-Verein“ Ministerium Graf Brandenburg zweite Generalversammlung des „Vereins zum Schutz des Eigenthums und der Förderung des Wohlstandes aller Volksklassen“ („Junkerparlament“) in Berlin Verfassungsoktroi 1. Session der 2. Kammer; Arnim führt die „Rechte“ dritte Generalversammlung des „Vereins für König und Vaterland“ endgültige Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. Dreikönigsbündnis zwischen Hannover, Preußen und Sachsen Revision der Oktroyierten Verfassung im Landtag Auseinandersetzungen um die königlichen „Propositionen“ zum Beschluß der Verfassungsrevision des Landtags Annahme des Amendemends Arnim über die Verschiebung des Beschlusses über die Erste Kammer Eid König Friedrich Wilhelms IV. auf die Verfassung Mitglied des Erfurter Unionsparlamentes Ende der Unionspolitik durch die „Olmützer Punktation“ Ministerium Manteuffel Formulierung der „Lückentheorie“ im Landtag durch den Grafen Arnim

Zeitleiste 03.01.1852–10.03.1853 06.05.1852

29.11.1852 21.01.1854 12.10.1854 30.05.1855 23.10.1857 26.10.1858 06.11.1858–11.03.1862 08.11.1858 02.01.1861 07.05.1861 18.10.1861 11.03.–23.09.1862 23.09.1862–21.12.1872 03.10.1862 11.11.1862 12.11.1862 13.11.1862

16.01.–01.18.1864 30.03.1864 18.04.1864 11.05.1864

15.06.–26.07.1866

08.01.1868

447

Debatten über die endgültige Gestaltung der Ersten Kammer Arnimsche Zuspitzung der Debatte über die „Oberhausfrage“ auf die Formel „aut-aut“: Wegen der beiderseitigen Kompromißunwilligkeit gebe es nur die Alternative zwischen der (absoluten) Herrschaft des Königs und der (parlamentarischen) Herrschaft des Landtags Übertritt des Grafen Arnim in die 1. Kammer Ehrenritter des Johanniterordens Königliche Verordnung über die Bildung der Ersten Kammer ) Arnim wird erbliches Mitglied Umbenennung der Ersten Kammer in „Herrenhaus“ und der Zweiten Kammer in „Haus der Abgeordneten“ Prinz Wilhelm wird „Stellvertreter“ seines Bruders Friedrich Wilhelm IV. Prinz Wilhelm übernimmt die „Regentschaft“ Ministerium Hohenzollern Regierungserklärung des neuen Kabinetts („Programm der Neuen Ära“) Beginn der Regierung König Wilhelms I. Verabschiedung der Steuerreformgesetze im Landtag Krönung König Wilhelms I. in Königsberg Ministerium Hohenlohe-Ingelfingen 1. Ministerium Bismarck Ablehnung des Etatentwurfs der Regierung im Abgeordnetenhaus Billigung des Etatentwurfs der Regierung im Herrenhaus Widerspruch des Abgeordnetenhauses gegen den Beschluß des Herrenhauses Erklärung der Regierung Bismarck (mit Verweis auf die „Lückentheorie“), angesichts des Konfliktes zwischen beiden Häusern des Landtags werde die Regierung ohne Etatgesetz regieren Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark Verleihung des Großkreuzes des Roten Adlerordens mit Eichenlaub Erstürmung der Düppeler Schanzen Verbreitung einer Adresse Arnims mit der Forderung der vollständigen Abtrennung Schleswig-Holsteins von Dänemark, die in kurzer Zeit mehr als 70.000 Unterschriften erhielt Krieg zwischen Preußen und Österreich sowie deren Verbündeten um die Vorherrschaft in Deutschland („Deutscher Krieg“) Tod Adolf v. Arnims auf Schloß Boitzenburg

Personenverzeichnis Aegidi, Ludwig Karl 199 Alvensleben-Erxleben, Albrecht Graf v. (1794–1858) pr. Minister, MdL 118, 161, 193 ff., 197, 230, 239, 284, 293, 295, 336 Arenberg, Herzog von 381 Arndt, Ernst Moritz Schriftsteller 103

(1769–1860)

Arnim, Achim v., Schriftsteller 126 Arnim, Albrecht Graf v. (1841–1903) 98 Arnim, Bettina(e) v., geb. Brentano (1785–1859), Schriftstellerin 126 ff., 159, 208 Arnim, Hans v. (16. Jh.) 46 Arnim, Hans Georg v. (17. Jh.), General 39 Arnim, Hermann Graf v. (1839–1919) 98 Arnim, Werner Graf v. (1845–1881) 98 Arnim-Blumberg, Friedrich Ludwig Graf v. (1796–) Schloßhauptmann 49 f., 60, 206 Arnim-Blumberg, Georg (1832–1866) 95

Graf

v.

Arnim-Boitzenburg, Abraham Wilhelm v. (1713–1761) 40 Arnim-Boitzenburg, (1832–1887) 98

Adolf

Graf

v.

Arnim-Boitzenburg, Anna Caroline Gräfin v., geb. v. d. Schulenburg (1804–1886) 73 Arnim-Boitzenburg, Freda Gräfin v. (1842–1916) 371 Arnim-Boitzenburg, Freda Antoinette (Gräfin) v. (1747–1817) 38, 52 f.

Arnim-Boitzenburg, Friedrich Abraham Wilhelm Graf v. (1767–1812) 41 ff., 391 Arnim-Boitzenburg, Friedrich Wilhelm (Graf) v. (1739–1801) pr. Minister 40 f., 67, 91 Arnim-Boitzenburg, Georg Dietloff v. (1679–1753) pr. Minister, 39 Arnim-Boitzenburg, Georgine Charlotte Auguste Gräfin v., geb. v. Wallmoden, gesch. v. Lichtenstein, später Marquise le Marquant de Charmont (1770–1859) 48 ff. Arnim-Boitzenburg, Marie Gräfin v. (1831–1905) 337, 373 Arnim-Heinrichsdorff, Heinrich Friedrich Graf v., pr. Minister 230 Arnim-Heinrichsdorff, Heinrich Leonhard v. (1801–1875) 334 Arnim-Kröchlendorf, Oscar Friedrich v. (1813–1903) 46 Arnim-Suckow, Heinrich Alexander Frhr. v. (1798–1861) pr. Minister, MdL 213 f., 216, 219 Auerswald, Alfred v. (1797–1870) pr. Minister, MdL 170 f., 206, 208, 219, 253, 278, 378 Auerswald, Rudolf v., (1795–1866) pr. Ministerpräsident, MdL 119, 228, 232, 320, 340, 378, 381, 320, 340, 378, 381 Augustenburg, Christian August Herzog v. Schleswig-Holstein-Sonderburg-A. 372 f., 375, 387 Balau, Hermann Ludwig v. 144 Bandelow, S.G. 51 ff., 95 f. Barkow, August Friedrich (1791– 1861) 52, 101

Personenverzeichnis Bauer, Bruno (1809–1882) Schriftsteller 128 f. Bauer, Egbert, Verleger 128 f., 131 Beckerath, Hermann v. (1801–1870) pr. Minister, MdL 169 f., 222, 241, 320 Below, Alexander v., MdL 267, 375 f., 387 Below, Gustav v., pr. General 195, 211 Benckendorff, Alexander Graf v. (1783–1844) russ. General 114 f. Bernhardi, Theodor v. 371, 373 Bernstorff, Albrecht Graf v. (1809– 1873) pr. Minister 360, 385 Bethmann-Hollweg, Moritz August v. (1795–1877) MdL 233, 235, 268 f., 279, 285, 293, 299, 321 ff. Beuthner, Dr. Thuiscon, Redakteur der NPZ 325 Beyme, Karl Friedrich (v.) (1765– 1838) pr. Minister 100 Bindewald, Julius, MdL 270 Bismarck-Schönhausen, Otto (Fürst) v. (1815–1898) 11, 31 f., 54, 62, 78 f., 86, 183, 185, 214, 218, 222, 234, 236, 242, 254, 257, 260, 267 f., 270, 276, 278, 285 f., 289, 295 f., 311, 321, 323, 330, 337, 340 f., 353, 360 ff., 365, 371 ff., 380, 384 ff., 396, 398 Bitter, Reg.-Rat 125 Blanckenburg, Moritz v. (1815–1888) MdL 318, 378, 380, 384, 386, 390 Blücher, Gebhardt Leberecht (Fürst B. v. Wahlstatt) (1742–1819) pr. General 44 Bockum-Dolffs, Florens Heinrich Gottfried v. (1802–1899) MdL 367 Bodelschwingh, Ernst Albert Frhr. v. (1794–1854) pr. Minister, MdL 77, 80, 83, 85, 104, 118, 139, 144, 150, 154, 159 f., 162, 164, 169, 171, 174 ff., 182 ff., 190, 192 ff., 200, 203 ff., 208, 210, 253, 262

449

Bodelschwingh, Karl v. (1800–1873) pr. Minister, MdL 318, 320, 324, 333, 367 Bolz, MdL 299 Bonin, Adolf v., Flügeladjutant 208 Bonin, Eduard v. (1793–1865) pr. Minister 314, 350 Bonin, Gustav v. (1797–1878) pr. Minister 119 Bornemann, Friedrich Wilhelm Ludwig (1798–1864) pr. Minister 212, 216 Boyen, Leopold Hermann Ludwig v. (1771–1848) pr. Minister 103 f., 145, 188, 227 Brandenburg, Friedrich Wilhelm Graf v. (1792–1850) pr. Ministerpräsident 230 f., 239, 247 f., 251, 255, 260, 273, 282 Brauchitsch, Eduard v., Flügeladjutant 207 Braunschweig, Herzog Ferdinand v. (1735–1806) pr. General 48 Brentano, Clemens (1778–1842) Schriftsteller 126 Broicher, MdL 241 Brüggemann, MdL 367, 375 Brünneck, Karl Otto Magnus v., MdPrNV, MdL 160, 229 Buddenbrock, Frhr. v. 332 Büchtemann, MdL 334, 336 Bülow, Heinrich Ulrich Wilhelm Frhr. v., pr. Außenminister 162 Bülow-Cummerow, Ernst v. (1775– 1851) Publizist 179, 182, 227, 238, 267 f., 335 Bunsen, Christian Carl Josias Frhr. v. (1791–1860) 146, 233, 285, 314 Burke, Edmund (1729–1797) brit. Publizist und Politiker 94 Busch, Moritz 385 f. Camphausen, Ludolf (1803–1890) pr. Ministerpräsident, MdL 170, 212, 218, 220 f., 228, 243, 249, 283, 353

450

Personenverzeichnis

Camphausen, Otto (1812–1896) MdL 241, 253, 320, 342 Canitz und Dallwitz, Carl Ernst Wilhelm Frhr. v. (1787–1850) 146, 162, 164, 193, 195, 208, 214 Carl, MdL 334 Cato, M. Porcius (234–149 v. Chr.) 96 f. Cavaignac, Louis-Eugène de (1802– 1857) frz. Minister 266 Charmont, Marquis le Marquant de 49 f. Churchill, (Sir) Winston (1874–1965) brit. Premierminister 393 Cocceji, Samuel (Frhr.) v. (1679–1755) pr. Justizreformer 39 f. Constant de Rebecque, Henri-Benjamin (1767–1830) frz. Schriftsteller 94 Curtius, Journalist 125 Dabrowski, Johann Heinrich v. (1755– 1818) russ. General 114 Dahlmann, Friedrich Christoph (1785– 1860) Prof. 217 Danckelmann, Eberhard (Frhr.) v. (1643–1722), br.-pr. Politiker 65 Ditfurth, Karl Frhr. v. (1780–1855) pr. General 187 f. Droste zu Vischering, Clemens August Frhr. v. (1774–1845) Kölner Erzbischof 80, 106 Droysen, Johann Gustav (1808–1884) Prof., MdDtNV 353 Duesberg, Gerhard Franz Xaver v. (1793–1872) pr. Minister 164, 193 Duncker, Maximilian (1811–1886) MdL 241 Dunin, Martin v. (1774–1842) Erzbischof von Posen 106, 113 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich (1779–1856) pr. Minister 104, 129, 178, 192, 208 Eichmann, Friedrich Franz August v. (1793–1879) pr. Minister 119 Eiselen, Johann Friedrich Gottfried 52

Engels, Friedrich (1820–1895) 162, 357 Ernst II. (1818–1893) Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha 387 Ernst August (II.) (1771–1851) König von Hannover 198 Eulenburg, Friedrich Graf zu (1815– 1881) 377 Evels, MdL 241 Fichte, Johann Gottlieb (1762–1814) Philosoph 61 Finckenstein, Karl Wilhelm Graf Finck v. (1714–1800) 44 Flottwell, Eduard (v.) (1786–1865) pr. Minister 106 ff., 110 f., 119, 164 Fontane, Theodor (1819–1898) Schriftsteller 38 Fournier, Friedrich Philipp 203 Frantz, Constantin (1817–1891) Publizist 290 f. Freytag, Gustav (1816–1895) Schriftsteller 353 Friedrich I. (1688–1713 (ab 1701 König in Preußen) 356 Friedrich II., d. Gr. (1740–1786) König in (ab 1772 von) Preußen 18, 36, 40, 55, 109, 111, 161, 187, 354 Friedrich August II. (1830/36–1854) König von Sachsen 215 Friedrich Wilhelm, d. Gr. Kurfürst (1640–1688) 92, 245 Friedrich Wilhelm I. (1713–1740) König in Preußen 39, 55 Friedrich Wilhelm II. (1786–1797) König von Preußen 40 f., 129, 187 Friedrich Wilhelm III. 35 ff. König von Preußen (1797–1840) 41, 44, 83, 85, 104, 108 f., 137 ff., 144, 151, 166, 168 f., 173 ff., 182, 187 f., 391 Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen (1840–1858/61) 20, 30, 35, 53, 64, 68, 92, 94, 97 f., 103 ff., 106 ff., 111, 117 ff., 121, 123, 126 ff., 132 f., 139 ff., 145 ff., 158 ff., 162 ff., 180 f., 183, 187 ff., 196 ff.,

Personenverzeichnis 207 ff., 220 f., 224, 228 f., 233 f., 247 ff., 256, 258, 261 ff., 285, 290, 293 ff., 298, 313, 318, 322, 324, 328, 330 f., 337 f., 339, 353, 356, 380, 391, 394 ff., 398 Fürstenberg-Stammheim, Franz Egon Graf v. (1797–1859) MdL 349, 382 Gaffron-Kunern, Ernst Maximilian Hermann Frhr. v. (1797–1870) MdL 336 f., 361, 379, 382 Gagern, Heinrich Frhr. v. (1799–1880) MdDtNV 225 f. Gentz, Friedrich (1764–1832) Publizist und Politiker 94 Georg I. (1714–1727) König von England 48 Georg II. (1727–1760) König von England 48 Geppert, MdL 241, 253, 295 Gerlach, Ernst Ludwig v. (1795–1877) MdL 11, 54, 57, 163, 177, 185, 220, 223, 229, 234 ff., 238 f., 247, 251, 253 f., 256 ff., 261, 263 ff., 270 f., 273 f., 277, 279 ff., 283 ff., 289, 295 f., 298, 301, 304, 307, 313, 315, 317 ff., 321, 323 f., 328 ff., 336 ff., 365, 367 f., 372, 376, 379 ff., 384 ff., 388 f., 393, 397 Gerlach, Leopold v. (1790–1861) pr. General 105, 183, 185, 198, 229 f., 238, 251, 256, 258, 273 f., 283 ff., 304, 313, 324, 332, 337 f., 380 Geßler, MdL 241 Gneisenau, Graf v. 184 Gneisenau, August Wilhelm Anton Graf Neidhardt v. (1760–1831) pr. General 44 Görres, Johann Joseph v. (1776–1848) Publizist und Gelehrter 124 Göschel, Karl Friedrich 380 Goethe, Johann Wolfgang (v.) (1749– 1832) 127 Goltz, Robert Heinrich Ludwig Graf v. d. (1817–1869) 89, 270, 279, 371, 373

451

Grabow, Wilhelm (1802–1874) MdPrNV, MdL 176, 232, 277 Gregor XVI. (1831–1846) Papst 80 Griesheim, Gustav v. (1798–1854) 227, 241 Grimm, Jakob (1785–1863) Sprachund Literaturwissenschaftler 103 Grimm, Wilhelm (1786–1859) Literaturwissenschaftler 103 Groeben, Carl v. d., pr. General 381 Grolmann, Karl Wilhelm v. (1777– 1843) pr. General 107 Haas, Landrat v. 224 Hagen, MdL 357 Hake, Landrat v. 178 Haller Carl Ludwig v. (1768–1854) Staatsrechtslehrer 104 Hansemann, David (1790–1864) pr. Minister, MdPrNV, MdL 170, 218 ff., 228, 239, 275 Hardenberg, Karl August (Fürst) v. (1750–1822) pr. Staatskanzler 30, 35 f., 43 f., 100 Harkort, Friedrich (1793–1880) MdPrNV, MdL 241, 278, 320 Hassenpflug, Hans Daniel Ludwig Friedrich (1794–1862) kurhess. Minister 105 Hecker, Friedrich Karl Franz (1811– 1881) bad. Revolutionär 131, 159 Heeren, Arnold Hermann Ludwig (1760–1842) Historiker 62 Heffter, Wilhelm (1796–1880) MdL 253, 293 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831) Philosoph 28, 37, 100 Heinrich IV. (1589–1610) König von Frankreich 210 Hengstenberg, Ernst Wilhelm (1802– 1869) Publizist und Theologe 153 Hertefeld, Karl Frhr. v. (1794–1867) MdL 303, 335

452

Personenverzeichnis

Heydt, August Frhr. v. d. (1801–1874) pr. Minister, MdL 230, 239, 360, 385 Hinckeldey, Carl Ludwig v. (1805– 1856) Polizeipräsident von Berlin 330 Hobbes, Thomas (1588–1679) engl. Philosoph 61 Hohenlohe-Ingelfingen, Adolph Fürst zu (1797–1873) pr. Ministerpräsident 335, 359 f., 384 f. Hohenlohe-Oehringen, Hugo Fürst zu (1816–1897) MdL 349, 382 Hohenzollern-Sigmaringen, Karl Anton Fürst v. (1811–1885) pr. Ministerpräsident 339, 378 Huber, Victor Aimé (1800–1869) Literaturhistoriker und Sozialpolitiker 177, 261, 265, 273 Humboldt, Alexander Frhr. v. (1769– 1859) Naturforscher 129, 155 Humboldt, Wilhelm Frhr. v. (1767– 1835) pr. Minister 56 Itzenplitz, Heinrich August Friedrich Graf v. (1799–1883) MdL 336, 348, 379, 382 Itzstein, Johann Adam v. (1775–1855) bad. Politiker 131, 159 Jacoby, Johann (1805–1877) MdPrNV, 103, 135, 154, 357 Jagow, Gustav Wilhelm v. (1813–1879) pr. Minister 335, 385 Jagow, Ludwig Friedrich Günther Andreas v. (1770–1825) 65 Jahn, Friedrich Ludwig (1778–1852) „Turnvater“ 103 Johann (1782–1859) österr. Erzherzog und dt. Reichsverweser 226 Kant, Immanuel (1724–1804) Philosoph 61, 104, 106 Karl (1801–1883) Prinz v. Preußen 387 Keller, Friedrich Ludwig v. (1799– 1860) MdL 241, 334

Keyserling, Oberleutnant Freiherr v. 192 Kielmannsegge, Ludwig Graf v. 49 Kielmannsegge, Ludwig Friedrich Graf v. 49 Kleist-Retzow, Hans Hugo v. (1814– 1892) MdL 72, 76, 234, 242, 249, 254, 257, 267 f., 276, 278, 281, 284 ff., 288, 293, 295, 306, 311, 319, 332 f., 365, 367, 372, 381 f., 387, 390 Klützow, Hermann v. (1813–1902) MdL 241 f., 377 Koppe, Johann Gottlieb (1782–1863) MdL 294 Krassow, Karl Reinhold Adolf Graf v. (1812–1892) MdL 324 ff. Krausnick, Heinrich Wilhelm (1797– 1882) Oberbürgermeister von Berlin 190, 194, 203, 210 Kröcher, August Henning v. (1817– 1887) MdL 333 Kühlwetter, Friedrich Christian Hubert v. (1809–1882) pr. Minister, MdL 241, 320 Kühne, Ludwig Samuel Bogislav (1786–1864) pr. Minister, MdL 164, 208, 230 Ladenberg, Adalbert v. (1798–1855) pr. Minister, MdL 80, 289 La Roche, Sophie (v.) (1731–1807) Schriftstellerin 126 Lavergne-Perguilhen, Alexander v. (1803–1867) MdL 303, 335 Lavergne-Perguilhen, Moritz v. (1801– 1870) MdL 303, 335 Lehnert, MdL 318 Leipziger, Moritz Georg Adolph v. (1795–1856) MdL 335 Lenné, Peter Josef (1789–1866) Gartenbaumeister 66 Lensing, MdL 278 Leo, Heinrich (1799–1878) Historiker 384

Personenverzeichnis

453

Lichnowski, Felix Fürst v. (1814– 1848) 170, 192, 210 Lichtenstein, Christiane v. 48 Lichtenstein, Frhr. v., coburg. Minister 48 Lichtenstein, Karl August v. (1767– 1845) 49 Liebig, Justus (Frhr. v.) (1803–1873) Chemiker 15 Locke, John (1632–1704) engl. Philosoph 61 Lottum, Karl Friedrich Heinrich Graf v. Wylich und L. (1767–1841) pr. Minister 36, 73, 76, 83, 100 Ludwig XVI. (1774–1792) König von Frankreich 210 Lüdemann, Polizeidirektor 81, 84 Lynar 387

Metternich, Klemens Wenzel (Fürst) v. (1773–1859) österr. Staatskanzler 35, 150 f., 153, 192 Meyendorff, Peter Baron v. (1796– 1863) russ. Botschafter in Berlin 114, 257 Milde, Karl August (1805–1861) MdPrNV, pr. Minister, MdL 277 Minutoli, Julius Frhr. v. (1805–1860) Berliner Polizeipräsident 190 f., 196, 203, 211, 213 Motz, Friedrich Christian Adolf v. (1775–1830) pr. Minister 119 Müffling, Philipp Friedrich Karl Ferdinand Frhr. v. (1775–1851) pr. General 87, 187 Mühler, Heinrich v. (1813–1874) pr. Minister 82, 385 Mühler, Heinrich Gottlob (v.) (1780– 1857) pr. Minister 81 ff., 101, 394

Maetzke, MdL 246 Maltzahn, Burchard Friedrich Frhr. v. (1773–1837) pr. Minister 114 f. Manteuffel, Edwin Hans Karl Frhr. v. (1809–1885) pr. General 196, 205, 207, 209, 337, 345, 354, 358, 388 Manteuffel, Karl Frhr. v. (1806–1879) pr. Minister 296, 323 f., 337 Manteuffel, Otto Frhr. v. (1805–1882) pr. Ministerpräsident 31, 161 f., 236, 238 f., 242, 246 f., 249, 252, 259 f., 273 ff., 282, 284, 287, 289 ff., 295 f., 313, 317 f., 321, 323 ff., 328, 330, 333 ff., 337 f., 339 f., 397 Marwitz, Friedrich August Ludwig v. d. (1777–1837) pr. General 42 ff. Marx, Karl (1818–1883) 130 Massow, Ludwig v. (1794–1859) pr. Minister 229 Matthis, Ludwig Emil (1797–1874) MdL 340 Meding, v., pr. Oberpräsident 122 Menzel, Adolph (v.) (1815–1905) Maler 356

Nagler, Karl Friedrich Ferdinand (v.) (1770–1846) pr. Minister 160 Napoleon I., geb. Napoleon(e) B(u)onaparte (1804–1814/15) Kaiser der Franzosen 35, 37, 41, 51 Napoleon III., geb. Charles Louis Napoléon Bonaparte, (1852–1870) Kaiser der Franzosen 290, 328, 347, 349 Natzmer, Oldwig Leopold Anton v. (1782–1861) pr. General 160 Naunyn, Franz (1799–1860) Bürgermeister von Berlin 203 Neumann, Fabrikant 203 Neumann, August Wilhelm v. (1786– 1865) pr. General 200, 203 Niebuhr, Markus Carsten Nikolaus (v.) (1817–1860) Journalist 247, 289, 380 Niemcewicz, Julian Ursyn (1758– 1841) 114 Nikolaus I. (1825–1855) Kaiser von Rußland 153 Nobiling, Carl Philipp (1799–?) 198, 220 Noeldechen, MdL 292, 334

454

Personenverzeichnis

Oppermann, MdL 241 Paskewitsch, Fürst, russ. Statthalter in Polen 115 Patow, Erasmus Robert Frhr. v. (1804– 1890) pr. Minister, MdL 320, 341 f., 346 f. Pfeiffer, MdL 241 Pfeil, Ludwig Graf v. (1803–1896) MdL 387 Pfuel, Ernst Heinrich v. (1779–1866) pr. Ministerpräsident 187 f., 191 ff., 196 ff., 229 f. Pinto Graf, MdL 303 Plötz, Friedrich Wilhelm Adalbert v. (1803–1876) MdL 379 Polignac, Jules Armand (Fürst v.) (1780–1847) frz. Ministerpräsident 249 Pourtalès, Albert Graf v. (1812–1861) pr. Diplomat 314 Prittwitz, Karl Ludwig v. (1790–1871) pr. General 187 ff., 197, 200 ff., 204 f., 208 f., 211 f., 218, 262 Pückler, Karl Alexander Ludwig Graf v. (1817–1899) MdL 335, 378 Putbus, Wilhelm Malte Fürst v. (1783– 1854) 192 Quehl, Dr. Rhyno (1821–1864) MdL, Publizist 299, 324 ff., 330 Rabe, Arnold v. (1806–1870) pr. Minister, MdL 239 Raczynski, Eduard Graf v. 107 Radowitz, Joseph Maria v. (1797–1853) pr. Minister 190, 192, 208, 229, 250 f., 254, 256, 258 f., 283 f., 287, 289, 293, 330, 340 Radziwill, Anton Heinrich Fürst (1775–1833) 106 Radziwill, Wilhelm Fürst (1797– 1870) 185, 198 Ranke, Leopold (v.) (1795–1886) Historiker 28, 102, 122 Ratibor, Herzog v. 349, 382

Rauch, Friedrich Wilhelm v. (1790– 1850) pr. General 195, 228, 251, 283 Raumer, Karl Otto v. (1805–1859) pr. Minister, MdL 160, 289, 293 f., 324, 328, 333, 380 Raveaux, Franz MdDtNV 225 f., 264 Reck, MdL 299 Redern, Heinrich Graf v. (1804–1888) pr. Diplomat 184, 387 Rehberg, August Wilhelm (1757–1836) Schriftsteller 61 Reichenbach, Bogdan Graf v., MdPrNV, MdL 295 Reichensperger, Peter Franz (1810– 1892) MdPrNV, MdL 359 Reimann, Georg Johann Gerhard August v. (1771–1847) pr. Regierungspräsident 77 Rellstab, Ludwig (1799–1860) Schriftsteller 203 Renard, Andreas Graf v. (1795–1874) MdL 253 Reuter, MdL 320 Reyher, Karl Friedrich Wilhelm v. (1786–1857) pr. General 188, 220, 241 Riedel, Friedrich Adolf Johann (1809– 1872) MdL 320 Riehl, Wilhelm Heinrich (1823–1897) Kulturhistoriker 291 Rochow-Rekahn, Gustav Adolf Rochus Graf v. (1792–1847) pr. Minister 81, 85, 108, 111, 113 ff., 116, 118 f., 120, 159, 178, 394 Rochow-Stülpe, v., Landtagsmarschall 162 Rodbertus, Johann Karl (1805–1875) MdPrNV, pr. Minister, MdL 223, 235 f., 285 Rohr, Ferdinand v. (1783–1851) pr. Minister 188, 193 f., 208, 220 Roon, Albrecht Theodor Graf v. (1803– 1879) pr. Ministerpräsident 345, 350, 367, 384 f. Rother, Christian v., pr. Minister 86, 163

Personenverzeichnis Rousseau, Jean-Jacques (1712–1778) frz. Philosoph 61 Ruge, Arnold (1802–1880) Politiker und Publizist 130 Saegert, Dr. Carl Wilhelm (1809–1879) MdL 295 Salm-Salm, Fürst zu 381 Sartorius (Frhr. v. Waltershausen), Georg (1765–1828) Historiker 61, 63 Saucken-Julienfelde, August v. (1798– 1873) MdL 241 Savigny, Friedrich Carl v. (1779–1861) Jurist und pr. Minister 28, 58, 63, 82, 100, 104, 129, 145, 160, 162, 184, 193, 238, 337, 380 Savigny, Karl Friedrich v. (1814–1875) pr. Diplomat 77, 86, 89, 144, 337, 373, 390 Savigny, Marie v. (siehe Marie Gräfin v. Arnim-Boitzenburg) Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (v.) (1775–1854) Philosoph 104 f. Scherer, Dr., MdL 241 Schimmel, MdL 253 Schlieffen, Friedrich Magnus Graf v. (1796–1864) MdL 332 Schlöffel, Friedrich Wilhelm, Fabrikant 158 Schlözer, Kurt v. 168 Schön, Theodor v. (1773–1856) pr. Oberpräsident 103, 106, 118 f. Schönberg, Moritz Haubold v., Oberpräsident von Pommern 74, 76 Schreckenstein, Ludwig Frhr. Roth v. (1789–1858) pr. Minister 220 Schulze-Delitzsch, Hermann (1808– 1883) MdL 357 Schwerin-Putzar, Maximilian Graf v. (1804–1872) pr. Minister 169, 176, 206, 208, 210 f., 213, 216, 220, 236, 240 f., 250, 357 Selchow, Adolf v., pr. Minister 119 Senfft-Pilsach, Ernst Karl Friedrich Frhr. v. (1795–1882) 270, 319, 387

455

Simon, August Heinrich (1805–1860) 182 Simons, Louis (1803–1870) pr. Minister 236, 239 Simson, Eduard v. (1810–1899) MdDtNV, MdL 240 f., 296 Smetlage, Bernhard Moritz 55 Solms-Laubach, Friedrich Ludwig Christian Graf zu, Oberpräsident der Rheinprovinz 58, 76 Solms-Lich, Fürst v. (1805–1880) Landtagsmarschall 144, 163, 172 Spiegel zum Desenberg, Ferdinand August Graf v. (1764–1835) Erzbischof von Köln 80 Stahl, Friedrich Julius (1802–1861) Rechtsphilosoph 11, 37, 104 f., 181, 246, 254, 257 f., 270, 274, 281, 293 ff., 300 ff., 307, 313, 315 f., 319, 328 f., 336, 349, 379 ff. Stahr, Adolf, Publizist 128 f. Stein, Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum (1757–1831) pr. Minister 12, 42 ff., 49, 51 f., 53 ff., 60 ff., 64 ff., 73, 76, 95, 97, 100, 391, 393 f. Stein, Wilhelmine Friederike Reichsfreiin vom und zum, geb. v. Wallmoden 49 Stockhausen, August Wilhelm Ernst v. (1791–1861) pr. Minister 260, 282 Stolberg-Wernigerode, Anton Graf zu (1785–1854) pr. Minister 119, 139, 184, 193 f., 208, 213 Stolberg-Wernigerode, Eberhard Graf zu (1810–1872) MdL 389 f. St. Paul, Literat 125 Strotha, Karl Adolf v. (1786–1870) pr. Minister 236, 239 Stüler, Friedrich August (1800–1865) Architekt 66 Tellkampf, Johann Ludwig (1808– 1876) MdL 241 Thadden-Trieglaff, Adolf v. (1798– 1882) Gutsbesitzer 222, 264, 270

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Personenverzeichnis

Thaer, Albrecht Daniel (1752–1828) Agrarwissenschaftler 15, 62, 67, 97, 392 Thielen, Adolf, Hofprediger 356 Thile, Ludwig Gustav v. (1781–1852) pr. Minister 104, 109, 139, 163, 168, 208, 380 Trautmannsdorff, Josef Graf v., österr. Gesandter 160, 180 Twesten, Karl (1820–1870) MdL 354, 357, 371 Uhden, Karl Albrecht Alexander v. (1798–1878) pr. Minister 104, 128, 160, 162, 193 f., 208 Unruh, Hans Victor v. (1806–1886) MdPrNV, MdL 277 Urlichs, MdL 295 Varnhagen von Ense, Karl August (1785–1858) Schriftsteller 161, 184 f., 198 Viebahn, Johann Georg v. (1802–1871) MdL 253 f. Vincke, Georg Ernst Friedrich (Frhr.) v. (1811–1875) MdL 201, 224 f., 229, 233 ff., 260, 277, 295, 297, 306, 342, 349, 351 Virchow, Rudolf (1821–1902) MdL 357 Voß-Buch, Carl Graf v. (1786–1864) MdL 104, 139, 183, 365 Wagener, Hermann (1815–1899) MdL 273 f., 287, 303, 325, 330, 380, 383 f., 386 Waldeck, Benedikt Franz (1802–1870) MdPrNV, MdL 278, 357 Wallmoden, Adam Gottlieb v. (1704– 1750) 48 Wallmoden, Amalie Sophie v. (Gräfin Yarmouth) geb. v. Wendt (1704– 1765) 48 Wallmoden, Charlotte v., geb. v. Wangenheim 48

Wallmoden, Johann Ludwig (Reichsgraf) v. (1736–1811) engl. General 48 f. Wallmoden, Karl August Ludwig (1792–1883) österr. General 49 Wallmoden, Ludwig v. (1769–1862) österr. General 49 Walter, Prof. Dr. Ferdinand (1794– 1879) MdL 253, 290 Wentzel, August (1799–1860) MdL 278 Werdeck, Adolf v., MdL 185 Werther, Heinrich August Alexander Wilhelm (Frhr.) v. (1772–1859) pr. Minister 86 Westphalen, Ferdinand v. (1799–1876) pr. Minister 288 ff., 293 ff., 302, 304, 306 ff., 324, 328, 333, 339, 397 Wilhelm I. (1758/61–1888) König von Preußen (Deutscher Kaiser) 32, 98, 105, 120 f., 138, 143, 145, 153, 155, 162 ff., 170 ff., 180, 188, 192, 197 f., 203 ff., 209, 313, 322, 338, 339, 344 ff., 348, 350 ff., 355 ff., 361, 364 f., 376 ff., 385, 396, 398 Wilhelm I. (1816–1864) König von Württemberg 153 Wilhelm II. (1888–1918) Deutscher Kaiser, König von Preußen 94, 168, 262 Wilhelm III. (1689–1702) König von England 172 Wittgenstein, Wilhelm Ludwig Georg Fürst v. Sayn-W.-Hohenstein (1770– 1851) pr. Minister 36, 42, 193 Woeniger, Dr. August Theodor (1815?) Journalist 125 Wussow, Philipp v. (1792–1870) pr. General 204 ff. Yarmouth, Gräfin (siehe Wallmoden, Amalie) Ziethen, Leopold Graf v. (1802–1870) MdL 298 Zinkeisen, Dr., Journalist 123

Stichwortverzeichnis Aachen 75 ff., 134, 394 Abgeordnetenhaus (siehe Landtag) Absolutismus 18, 23, 28 f., 36 f., 92, 99, 139, 161, 181, 242, 270, 290, 296, 298, 315, 320, 323 ff., 329, 347, 394 Adel 14 ff., 24, 27 f., 33, 70, 94 ff., 103, 112 ff., 151, 182, 245, 262, 278, 306, 343, 351 ff., 391 ff., 395, 398 Allgemeine Preußische (Staats-) Zeitung 122 Allgemeines Landrecht 36 Allgemeines Wahlrecht 231, 263 Alsen (Insel) 375 Altkonservativ(e), -ismus 26 ff., 33, 76, 91, 105, 153, 160, 179, 181, 183, 220, 231, 233 ff., 246 ff., 251, 253 ff., 257 f., 261 f., 265, 270 ff., 277 f., 282 ff., 289 ff., 298, 301 ff., 314 f., 317 f., 320 ff., 330 ff., 335 ff., 339, 343, 347, 364, 368, 379 f., 385, 389 f., 394, 397 f. Altliberale 341, 356 ff., 384 Alvenslebensche Konvention 370 Arnimshain (Vorwerk) 96 Aufklärung 25, 28, 92 Auskulator 65 Baden (Großherzogtum) 20 Barrikaden 191, 199, 203 ff. Bayern (Kgr.) 20, 257 Berlin 53 f., 104, 131, 146, 167 f., 177, 190, 210, 236 f., 262, 267, 273 Berlin (Friedrich-Wilhelms-Universität) 37, 52, 54, 56, 58 f., 62, 107 Berliner Politisches Wochenblatt 91, 102, 153

Berliner Revue 335, 380 Berliner Volkszeitung 353 Bill of Rights 172 Blumberg (Gut) 94 Boitzenburg (Herrschaft, ab 1856 Grafschaft) 41, 45, 46 ff., 66 ff., 84, 94 ff., 98, 129, 159 f., 163, 224, 227, 264, 337, 377 Bonapartismus 327, 337, 397 Bonn 58 Brandenburg (Provinz) 267, 309 Brandenburg (Ritterakademie) 88 Breslau (Stadt) 82, 113 Breslau (Universität) 107 Bromberg 113 Budgetrecht 241 ff., 249 ff., 254, 281, 310 ff., 361 ff. Bürgertum 154 Bürgerwehr 194, 211, 244, 252 Caesarismus 328 Chausseebau 97, 99, 113 Dänemark (Kgr.) 370 ff. Declaration of Rights 172 Deputation für das Staatsschuldenwesen 166 f., 174, 177 Deutsche Fortschrittspartei 353, 356 f., 370, 384 Deutsche Frage 213 f., 235, 256, 256, 278 f., 284 ff. Deutscher Bund 190, 286, 376, 383 Deutscher Nationalverein 384 Dreiklassenwahlrecht 154, 238 ff., 252, 288, 299 ff., 303 Dreikönigsbündnis (1849) 239, 256 Düppeler Schanzen 374

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Stichwortverzeichnis

Einigungskrieg, italienischer 342, 349 f., 380 Einkommenssteuer 316, 345, 350 England (Kgr.) 40, 179, 313, 345, 373 f. Erbhuldigung 356 Erfurt 257 ff., 286 f. Evangelische Kirchenzeitung 91, 153, 177 Falkenwalde (Gut) 94 Februarrevolution (1848) 176 f., 190, 324 Feudalismus 171, 216 Feuerversicherung 73 Fideikommiß 97, 254 f. Fortschrittspartei (siehe Deutsche Fortschrittspartei) Fraktion 23, 26 Frankfurt / Main 224, 264 Frankfurt / Oder 272 Frankreich 26 Freikonservative (Vereinigung, Partei) 23, 335, 390, 397 Frieden von Basel (1795) 41 Friedrichwerdersches Gymnasium Berlin 57 Gartenbau 68 Gebäudesteuer 316, 342, 344 Gegenrevolution 328 Generaldirektorium 40 Gesetzgebung 30 Gewerbesteuer 315 f. Göttingen (Georg-August-Universität) 40, 54, 60 ff., 393 Golmitz (Gut) 96, 98 Gottesgnadentum 227 Gravamina 171 Grundrechte 248, 258, 287 Grundsteuer(n), -befreiung, -reform 253, 268, 316 f., 331 f., 341 ff., 351, 355, 368, 380, 382 f. Gutsbezirke 255 Gutsherrschaft 47

Halle / Saale 191, 270 Hannover (Kgr.) 239, 257 Heeresreform 314, 341, 343, 346, 349 ff., 356 ff., 366 ff., 382 Herrenhaus (siehe Landtag) Historisch-Politische Zeitschrift 102, 122 Hohenzollern (Haus) 198 Indemnitätsvorlage 359, 369, 377, 390 Interessenpolitik(er) 29, 139, 179, 238, 268 ff., 275, 278, 314 ff., 331, 344, 352, 392 f., 398 Jagd, -wesen, -recht 48, 67, 98, 159, 227, 269 Janus, Zeitschrift 177, 261 Joachimsthalsches Gymnasium Berlin 54 Johanniterorden 40, 45 Judengesetz 174 Julirevolution (1830) 77, 123 Junkerparlament 266 ff., 384 Kabinettsminister 214 Kaiserkrone 233 f., 237 Kamarilla 251, 261, 273, 283, 289, 326, 328, 337 Kammerherr 39, 41, 68 Karikaturfreiheit 123 f. Karlsbader Beschlüsse (1820) 123 Kartoffelrevolution (1847) 172 Klassensteuer 174, 350 Kleinow (Gut) 94 Koblenz 191 Köln 82, 134 Kölner Kirchenstreit 80 f., 91, 101, 103, 177 Königsberg / Ostpr. 82, 103, 356 Kommunalordnung, -wahlrecht 80, 100, 154, 245, 251, 255, 275, 278, 291, 300, 304 ff., 309 f., 317

Stichwortverzeichnis Konservativ(e), -ismus 21 ff., 91, 165, 172, 177 ff., 222, 231 ff., 236, 240, 243 f., 246, 251, 256, 258, 260, 261 ff., 264 ff., 277, 287, 299, 304, 306, 309 ff., 315, 319 ff., 332 ff., 339 ff., 345 f., 352 f., 356 ff., 362 ff., 368, 372, 374, 377 ff., 396 ff. Konstitutionalismus 28 ff., 33, 100, 162, 168, 240, 248, 270, 277, 283, 290, 292 f., 296 f., 303, 305, 324, 326 ff., 331 Konstitutionelle Monarchie 242, 277 Kreisreform 355, 357 f., 360 Kreissparkassen 99 Kreisstände 99, 255, 304 ff., 321 Kreuzzeitung (siehe Neue Preußische Zeitung) Kriegs- und Domänenkammern 75 Krimkrieg (1853-1856) 312 ff., 322, 339 Kröchlendorf (Gut) 46 Krone, pr. 28, 75, 80, 139, 170, 186, 189, 193, 222, 227 f., 233, 242, 265, 275, 278, 297 f., 303 f., 313, 323, 328 f., 339, 341, 344, 346 f., 352 ff., 360, 363, 366, 368 f., 372, 376, 378, 383, 389, 397 f. Landesrentenbanken 173 Landgemeindeordnung 305, 308 ff., 357 Landratskammer 331 Landtag, Preußischer (ab 1849) 231, 233 f., 237, 247, 260 f., 280, 290, 304 f., 313, 322, 331, 338, 339, 352, 356, 366, 371, 373, 378 ff., 396 ff. – Abgeordnetenhaus 33, 301 f., 331, 335 f., 340 f., 345 f., 355 ff., 360 ff., 367, 378 ff. – Erste Kammer 231 ff., 240 ff., 244 ff., 249, 254, 275 f., 278, 282, 290 ff., 299 ff., 327, 336 ff. – Herrenhaus 32 f., 98, 301 ff., 319 f., 331, 336 f., 340 f., 347 ff., 355, 360 ff., 372 f., 378 ff., 397 f.

459

– Zweite Kammer 231 ff., 240 ff., 251 ff., 276, 280, 294 ff., 300 f., 333 ff. Landtagsabschiede 1841 112 f. Lauenburg (Herzogtum) 375 Liberal(e), -ismus 23, 91, 103, 169, 174, 179 ff., 182 ff., 221, 246, 257, 259 f., 262 f., 265, 277 f., 284, 288 f., 292, 297 f., 300, 304, 307, 311, 313 f., 317, 327, 331, 339 ff., 345, 348, 350 ff., 356 ff., 361 ff., 374, 377, 381 Lichtenhain (Vorwerk) 96 Lindensee (Vorwerk) 96 Londoner Konferenz (1864) 374 f. Londoner Protokoll (1852) 371 ff. Lückentheorie 311 f., 318, 320, 359, 361, 366, 385, 392 Märzgefallene 217 Märzrevolution 20 f., 77, 186, 189, 222, 260 f., 264, 289 Märzverheißungen 216 f., 222, 238, 243 f., 262 ff., 274, 281 Magdeburg 269 Mahl- und Schlachtsteuer 315, 350 Marineanleihe 368, 376 Mathildenhof (Vorwerk) 96 Mellenau (Vorwerk) 96, 98 Merseburg 81, 88 ff. Militärkabinett 354 Militärkredite 312 ff. Militärpartei 194, 282, 358 Ministerialzeitungsbüro 125 Ministerpräsident (Amt) 189, 207 f., 214, 216, 265, 289, 395 Mischehenfrage 80, 87, 106 Mobilmachung 312 Monarchisches Prinzip 105, 180, 217, 347, 397 Nationalkonservativ(e), -ismus 313 f., 321 f., 331, 339 Nationalliberale Partei 390

305,

460

Stichwortverzeichnis

Nationalversammlung – deutsche (Paulskirche) 222 f., 224 ff., 233 ff., 259, 261264 f., 275, 286 – preußische 223 ff., 227, 231 f., 241, 244, 261, 265 ff., 271 f., 274, 276, 357 Nationalzeitung 388 Neue Ära 31, 76, 338, 339 ff., 364, 369, 378 ff., 396, 398 Neue Preußische Zeitung 256, 266 ff., 285, 324 ff., 335 Neuenburg (Neuchatel) 109, 320 Neu-Vorpommern 74 Norddeutscher Bund 377 Notverordnungsartikel 239, 241, 243 Oberhaus, -frage 153, 155 f., 179, 245 f., 248 ff., 282 ff., 289, 291 ff., 300 ff., 306, 323, 329 f., 336, 338 Oberpräsident 105 Oberrechnungskammer 317, 357 Oberzensurgericht 125 Oberzensurkollegium 125 Österreich (Kaiserreich) 19, 257, 285, 331, 372, 375 f., 380, 388 Olmützer Punktation 260, 287, 289, 320, 322 Ostbahn 173 Pairsschub 345, 349 Parlamentarismus 297, 312, 329, 346, 356 Parmen (Gut) 96, 98 Partei 26 f., 178, 373 Patrimonialgerichtsbarkeit 48 Patriotische Vereinigung 386 Paulskirche (siehe Deutsche Nationalversammlung) Petition der Rechte 172 ff., 185 Petition of Right 172 Petition(en), -srecht 132, 137, 170 ff., 185 Plamannsche Anstalt 53

Polizeiwesen 79, 159, 181, 255 Polnischer Aufstand (1846) 117 Polnischer Aufstand (1863) 370 Pommern (Provinz) 74, 267, 309 Posen (Provinz) 69, 105 ff. Posen (Stadt) 113 Potsdam 209, 218 Pressefreiheit 151, 194, 259, 333 Preußen (Provinz) 267 Preußische Jahrbücher 353 Preußischer Volksverein 272, 383 Preußisches Volksblatt 380 Preußisches Wochenblatt 321 f., 384 Propositionen 248 ff. Provinziallandtag(e), -stände 30, 35, 81, 132 ff., 146, 154, 157, 248, 255, 304 ff., 321 f. – brandenburgischer 65, 304 – posenscher 107 f. – rheinischer 154, 309 – sächsischer 108 Radikalismus 23 Reaktion, -szeit 31 f., 264 ff., 271, 287, 289 ff., 320, 331 Realpolitik 298 Referendar 65 Reform 25 f., 28, 70, 120, 122, 124, 138 f., 141, 144 ff., 149 f., 152, 154, 160 f., 162, 167, 175 f., 179 ff., 187, 193, 207, 214 ff., 220, 224, 262, 264, 277 Reformen, Preußische 18, 29, 35, 42 ff. Regentschaft 339 f. Regierung 75 ff., 105 Regierungspräsident 75 ff. Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse 85 ff., 246 Reichsgründung (1871) 14, 22, 32 f., 340, 377 Reichsregierung 259 Reichstag 259

Stichwortverzeichnis Reichsverfassung (1849) 235, 285 Reichsverfassungskampagne 237 Reichsverweser 226, 264 Restaurationszeit 102 Revolution 23, 28, 100 f., 220, 224, 232, 270 f., 372, 388 Revolution, Französische (1789–1799) 23, 28, 90 Rheinbund 19 Rheinprovinz 69, 76 f., 106 Rübenzuckerpreise 319, 331, 333 Rügen 74 Rußland (Kaiserreich) 114 f., 285, 312 f., 370 Sachsen (Kgr.) 239, 257, 345 Salzsteuer 316, 318 Schleswig-Holstein (-Frage) 370 ff., 387 ff. Schutzmänner, -mannschaften, 191 f., 194, 200 Schweden 74 Schwedisch-Pommern 74 f. Sozialkonservativ(e), -ismus 29, 315, 332, 335, 380, 384 Spenersche Zeitung 388 Staatskonservativ(e), -ismus 26 ff., 100 ff., 122, 160, 178, 181, 184, 231, 235, 246, 255, 257, 264, 270, 273 ff., 278, 282, 284, 286, 288, 290, 292, 302 f., 305, 314 f., 320 ff., 330 ff., 338, 347 f., 354, 360, 368, 378, 390, 394, 398 Staatsraison 296 Staatsrat 35, 81, 86 ff., 290 f., 308 Staatsschuldengesetz (1820) 145 ff., 152, 166, 169 f. Städteordnung 305 f., 308 ff., 357 Stände Standesherren 182 Steinrode (Vorwerk) 96 Sterntal (Vorwerk) 96 Stettin 74, 267

461

Steuerbewilligung 147 f., 152 f., 156, 166, 327 Steuerreform 314 ff., 331 Steuerverweigerung 173 f., 241 f. Strafrechtsreform 87 Stralsund 74 f., 394 Sturmpetition 194 Suckow (Gut) 46, 97 Templin 72 ff., 272 f., 394 Uckermark 39, 45, 70, 163, 242 Ungarn, Königreich 109 Unionsparlament, Erfurter (1850) 257 ff., 286 f. – Staatenhaus 258 f. – Volkshaus 258 f. Unionspolitik 234, 237, 256 ff., 260, 285 ff., 289, 313 Uradel 182 Verein, -sgesetz 23, 227 ff., 239, 266, 279 Vereinbarungsprinzip 224 f., 231, 264, 272 Vereinigte ständische Ausschüsse 140 ff., 146 ff., 157, 162, 166 f., 174 ff., 190, 248 Vereinigter Landtag 30, 143 ff., 162 ff., 166 f., 176 f., 181, 186 f., 190, 192 ff., 215 ff., 222 ff., 231, 242, 248, 259, 261, 262 f., 305, 310 Verfassung, Oktroyierte 29, 231 f., 275 Verfassung, Revidierte 29, 290, 299, 363, 366 Verfassungseid – des Heeres 243 f. – des Königs 247, 255, 290, 297 Verfassungskonflikt – kurhess. 259 – pr. 31, 340 f., 360 ff., 378, 398 Verfassungsrevision 232, 237, 240 ff., 257 ff., 274 f., 278, 284, 319, 327

462

Stichwortverzeichnis

Veto 224, 242, 297, 326 Volksblatt für Stadt und Land 178 Volkssouveränität 264, 272 Wahlboykott 240, 280 Wahlgesetz, -recht. 80, 100, 222 f., 231, 238 ff., 275, 278, 291, 299, 303, 329,395 Weimar 73, 87 Wien 190, 192 Wiener Kongreß 35 Wiener Schlußakte 264 f.

Wochenblatt (siehe Preußisches Wochenblatt) Wochenblattpartei 27, 293, 299, 305, 313 f., 321 f., 332, 336, 339 f., 357, 384 Württemberg (Kgr.) 20, 257 Zeit (Zeitung) 324 ff. Zensur 123 ff., 158, 181, 193 Zensuswahlrecht 231 Zentrum 27, 33 Zichow (Gut) 94 Zollverein, Deutscher 104